Finanzierung und Umsetzung öffentlicher (Klima)Investitionen - Tom Krebs Universität Mannheim

 
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Finanzierung und Umsetzung
öffentlicher (Klima)Investitionen

             Tom Krebs
        Universität Mannheim
Motivation
•   Der Bedarf an öffentlichen Klimainvestitionen ist erheblich (Krebs,
    Graichen und Steitz, 2021): Bis 2030 zusätzlich 90 Mrd. Euro für
    Bundesinvestitionen (Deutsche Bahn, Wasserstoffleitungsnetz, BA-
    Humankapital) und 170 Mrd. Euro für kommunale Investitionen (ÖPNV,
    klimaneutraler sozialer Wohnungsbau, Fernwärmenetz)

•   Hinzu kommen noch Bedarf an öffentlichen Investitionen in den Bereichen
    (frühkindliche) Bildung und digitale Infrastruktur bis 2030 (Bardt et al.,
    2019);

•   Klimainvestitionen: Notwendige Investitionen, um Klimaziele
    (Klimaneutralität 2045) zu erreichen; dies ist die große Zukunftsmission

•   Zusätzlich erheblicher öffentlicher Finanzbedarf zur Förderung
    privater Investitionen im Klimabereich: Bis 2030 circa 200 Mrd. Euro
    (Energiewirtschaft, Grundstoffindustrie, energetische Sanierung, E-
    Mobilität, Forschung); siehe Krebs, Graichen und Steitz (2021).
Fragestellung

•   Frage 1 (Finanzpolitik): Die Ampel-Parteien haben sich dazu verpflichtet,
    die notwendigen öffentlichen Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Wie kann
    dies im Rahmen der verfassungsrechtlich verankerten
    Schuldenbremse gelingen, wenn Steuererhöhungen ausgeschlossen und
    Kürzungen (Umschichtungen im Haushalt) nur begrenzt möglich sind?
    Anders gesagt: Wie kann die neue Bundesregierung einen (neuen)
    Bundeshalt 2022 und Finanzplan 2023-2025 aufstellen?

•   Frage 2 (Wirtschaftspolitik): Wie kann die effiziente Verwendung der
    Ressourcen gewährleistet werden? Nur öffentliche Investitionsprojekte mit
    hohen (gesamtgesellschaftlichen) Renditen sollen umgesetzt werden.

•   Anmerkung: Private Investitionen bzw. die Förderung privater
    Investitionen werde ich heute nicht diskutieren
Antwort: Finanzpolitik
   Bundesregierung und Bundestag entwerfen einen groben
    Investitionsplan für die öffentliche Hand (plan beats no plan)

   Öffentliche Investitionen werden von öffentlichen Unternehmen
    (rechtlich und ökonomisch eigenständige Einheiten im öffentlichen
    Eigentum) umgesetzt

   Der Bund kann die öffentlichen Investitionen stärken, indem er die
    Eigenkapitalbasis öffentlicher Unternehmen ausweitet bzw. neue öffentliche
    Unternehmen gründet; ein kreditfinanzierter Erwerb solcher
    Beteiligungen verändert das Nettovermögen des Bundes und den aktuellen
    finanziellen Spielraum nicht (schuldenbremsenneutral).

    Die öffentlichen Unternehmen des Bundes können Zukunftsinvestitionen
    (Ausweitung und Modernisierung des Kapitalstocks) über eine
    Kreditaufnahme finanzieren; dies hat keinen Einfluss auf die zulässige NKA
    des Bundes
Bundeshaushalt und Schuldenbremse

   Ab 2023 soll die Schuldenbremse wieder ohne Ausnahmeregel gelten;
    daher zulässige strukturelle NKA von 0,35% des BIP.

     Zulässige NKA =
      zulässige strukturelle NKA (0,35%)
    + Saldo finanzieller Transaktionen
    + Konjunkturbereinigung
•   Der Erwerb einer Beteiligung ist eine finanzielle Transaktion, die das
    Finanzvermögen des Bundes und die zulässige NKA anheben –
    Schuldenbremse folgt hier der Doppik
•   Der kreditfinanzierte Erwerb einer Beteiligung verändert Finanzvermögen
    und die mögliche Kreditaufnahme für andere Ausgaben nicht – es ist in
    diesem schuldenbremsenneutral
Beispiele
   Existierendes Bundesunternehmen: Eigenkapitalerhöhung der Deutschen
    Bahn zur Ausweitung und Modernisierung (Digitalisierung, Deutschlandtakt)
    des Schienennetzes (Ersatzinvestitionen werden durch LuFVIII finanziert)

   Neues Bundesunternehmen I: Gründung einer Wasserstoffgesellschaft
    des Bundes zum flächendeckenden Aufbau eines
    Wasserstoffleitungsnetzwerk in Deutschland und Europa – Bund gibt
    Eigenkapital

   Neues Bundesunternehmen II: Mehrheitsbeteiligung an TenneT erwerben,
    um den Ausbau der Übertragungsnetze (Südlink) voranzutreiben –
    Umwandlung eines (schlecht) regulierten Monopolisten in einen öffentlichen
    Monopolisten

   Anmerkung: Diese Unternehmen erfüllen eine wichtige ökonomische
    Funktion im Infrastrukturbereich und generieren Einnahmen über Entgelte!
Antwort: Wirtschaftspolitik
   Effiziente Umsetzung einer „goldenen Regel“: Öffentliche Investitionen
    zur Ausweitung und Modernisierung des Kapitalstocks werden über
    Kreditaufnahme finanziert; öffentliche Unternehmen entscheiden
    eigenständig über einzelne Investitionsprojekte

   Ein solcher Ansatz ist einer starren Investitionsregel basierend auf der
    haushalterischen Definition (öffentliche Finanzstatistik) von öffentlichen
    Investitionsausgaben vorzuziehen

   Weiterführende Frage: In welchen Bereichen brauchen wir öffentliche
    Unternehmen – Rolle des Staates. Antwort: Infrastrukturbereich und
    natürliches Monopol

   Weiterführende Frage: Was ist die „optimale“ Organisationsstruktur
    öffentlicher Unternehmen; der moderne Staat braucht moderne öffentliche
    Unternehmen
Europäische Schuldenregeln
   Fiskalvertrag erlaubt eine strukturelle NKA von 1% des BIP (0,5% des BIP),
    wenn staatliche Schuldenquote unter 60% (über 60%) liegt.

   Ist der Erwerb einer Beteiligung des Bundes an einem öffentlichen
    Unternehmen eine finanzielle Transaktion gemäß europäischen
    Regeln? Ja, wenn die Eigenkapitalerhöhung zur Finanzierung von
    Zukunftsinvestitionen verwendet werden und damit die erwarteten Gewinne
    erhöht – ist gegeben bei den genannten Beispielen.

   Bleibt die Kreditaufnahme öffentlicher Unternehmen bei der
    Berechnung der zulässigen NKA gemäß europäischen Regeln (VGR-
    Regeln) unberücksichtigt? Ja, wenn die öffentlichen Unternehmen ihre
    Betriebskosten aus eigen Einnahmen decken, die zur Hälfte „am Markt“
    erwirtschaftet worden sind – ist gegeben bei den genannten Beispielen.

   Anmerkung: Die europäischen Regeln zum Fiskalvertrag werden aktuell
    neu verhandelt und sind somit im Fluss
Kommunale Investitionen
   Der größte Bedarf an öffentlichen Investitionen ist auf kommunaler Ebene

   Eine konsequente Anwendung des hier entwickelten Ansatzes durch
    die Länder und Kommunen kann die Finanzierung der notwendigen
    kommunalen Investitionen gewährleisten („Hamburger Modell“)

   Einige Länder müssen eventuell ihre länder-spezifischen Schuldenregeln
    anpassen

   Finanzierung kommunaler Investitionen sind vorrangig eine Aufgabe der
    Kommunen und Länder (Konnexitätsprinzip); aber der Bund kann in
    gewissen Bereichen unterstützen (gleichwertige Lebensverhältnisse,
    Klimaschutz ist Bundesaufgabe)
Kommunale Investitionen
   Bund kann Zuschüsse für kommunale Investitionen ausweiten
    (Regionalisierungsmittel, Kommunalinvestitionsförderungsfonds); diese
    Zuschüsse sind schuldenbremsenwirksame Ausgaben

   KfW-Förderprogramme ausweiten: Zinsgünstige Kredite der KfW an die
    Kommunen belasten der Bundeshaushalt nicht, aber die Zuschuss-
    Komponente ist haushaltswirksam

   Ausbau der Partnerschaft Deutschland zur Stärkung der kommunalen
    Planungskapazitäten; Personalbestand ist von 50 in 2017 auf aktuell 500
    gestiegen; eventuell zusätzliches Eigenkapital notwendig; zudem sollte der
    Bund den Kommunen in gewissen Bereichen bessere Konditionen anbieten

   Gründung einer Beteiligungsgesellschaft oder eines
    Beteiligungsprogramm der KfW oder über BImA (ÖÖP); Bund beteiligt
    sich (indirekt) an kommunalen Wohnungsbauunternehmen und/oder
    kommunalen Verkehrsunternehmen; politisch ein dickes Brett, aber eventuell
Fazit
   Die Schuldenbremse des Bundes erlaubt erhebliche Spielräume für
    kreditfinanzierte öffentliche Investitionen

   Der Ansatz „öffentliche Investitionen durch öffentliche Unternehmen“ ist nicht
    nur finanzpolitisch nützlich, sondern auch ökonomisch sinnvoll –
    effiziente Umsetzung einer „goldenen Regel“

   Die Länder sollten ebenfalls diesen Ansatz verfolgen und müssen ggf. ihre
    spezifischen Schuldenregeln anpassen

   Die Förderung privater Investitionen ist ein wichtiges Thema, das ich aus
    Zeitgründen hier nicht erörtern konnte; siehe Krebs, Graichen, und Steitz
    (2021) für konkrete Vorschläge

   Es gibt krisenbedingte Finanzbedarfe im Zeitraum 2023-2025, für die
    weitere finanzpolitische Instrumente zur Verfügung stehen (Krebs, Graichen,
    und Steitz, 2021)
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