Förderung sozialer Integration durch Kooperatives Lernen - Ein systematisches Review
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Soziale Integration und kooperatives Lernen 257 Empirische Sonderpädagogik, 2020, Nr. 4, S. 257-278 ISSN 1869-4845 (Print) · ISSN 1869-4934 (Internet) Förderung sozialer Integration durch Kooperatives Lernen – Ein systematisches Review Simone Weber & Christian Huber Bergische Universität Wuppertal Zusammenfassung Die Intention dieser Arbeit besteht in der Darstellung und Analyse der bisherigen Forschung hinsichtlich der Wirksamkeit von Kooperativem Lernen auf die soziale Integration von Schüle- rinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Durch eine systematische Litera- turrecherche wurden zehn Studien ermittelt, deren abhängige Variablen zunächst in das mehr- dimensionale Modell sozialer Integration von Koster, Nakken, Pijl und van Houten (2009) eingeordnet wurden. Die Studien fokussierten primär die Dimension Akzeptanz. Die Ergebnisse sprechen für die Wirksamkeit des Kooperativen Lernens in Bezug auf die Akzeptanz von Schü- lerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Es finden sich zudem Hinweise für die Wirksamkeit auf die Dimension Kontakte. Für die zwei verbleibenden Dimensionen so- zialer Integration Beziehungen und eigene Wahrnehmung können keine Aussagen getroffen werden. Ausgehend von den Ergebnissen werden Empfehlungen für die Gestaltung von integra- tionsförderlichen kooperativen Lerneinheiten im schulischen Kontext abgeleitet. Schlüsselwörter: soziale Integration, sonderpädagogischer Förderbedarf, Kooperatives Lernen, systematisches Review Improved Social Integration as a Result of Cooperative Learning – A Systematic Review Abstract The paper intends to describe and analyse the research concerning the effects of cooperative learning on the social integration of students with special educational needs. Based on a system- atic literature review, ten studies were identified. Initially, their dependent variables were clas- sified in the multidimensional model of social integration by Koster, Nakken, Pijl and van Houten (2009). The studies primarily focused on the dimension acceptance. The results promote a positive effect of cooperative learning on the acceptance of students with special educational needs. In addition, there are indications of a positive effect on the dimension contacts. No state- ments can be made for the dimensions relationships and self-perception. Based on the results, advice for cooperative learning methods promoting social integration in school is derived. Keywords: social integration, special educational needs, cooperative learning, systematic re- view, literature review
258 Simone Weber & Christian Huber Soziale Integration Santich & Kavanagh, 1997; Scheepstra, Nakken & Pijl, 2006; Schwab, Gebhardt & Die soziale Integration von Schülerinnen Huber, 2016) vornahmen. und Schülern mit sonderpädagogischem In der Literatur werden die Begriffe so- Förderbedarf im schulischen Kontext ist ziale Inklusion sowie soziale Partizipation eine zentrale Herausforderung der Inklusi- häufig synonym zur sozialen Integration on. Vielfach wurde, national und internatio- verwendet (Koster et al., 2009). In dem vor- nal, eine unzureichende soziale Integration liegenden Beitrag wird der Begriff soziale von Schülerinnen und Schülern mit sonder- Integration genutzt und es werden dabei pädagogischem Förderbedarf im inklusiven stets die Begrifflichkeiten soziale Inklusion Klassenzimmer nachgewiesen. Hierbei un- und soziale Partizipation miteingeschlos- tersuchten einige Studien die soziale Integ- sen. Koster et al. (2009) arbeiteten in ihrem ration von Schülerinnen und Schülern mit Review die Mehrdimensionalität sozialer sonderpädagogischem Förderbedarf ohne Integration heraus, die in Abbildung 1 dar- weitere Spezifizierung (z.B. Baydik & Bak- gestellt wird. kaloglu, 2009; Cambra & Silvestre, 2003; Das mehrdimensionale Modell verdeut- Frostad & Pijl, 2007; Huber, 2008; 2009; licht, dass soziale Integration differenziert Krawinkel, Südkamp, Lange & Troster, erfasst werden sollte. Dies findet in neueren 2017; Kulawiak &Wilbert 2015; Schwab, Forschungsarbeiten zunehmend an Beach- 2016; Schwab, Hessels, Gebhardt, Kram- tung. So untersuchten z.B. Henke et al. mer & Gasteiger-Klicpera, 2015), während (2017) sowie Kulawiak und Wilbert (2015) andere Studien eine Fokussierung auf den die soziale Integration von Schülerinnen Bereich der Lern- und Entwicklungsstörun- und Schülern mit sonderpädagogischem gen (z.B. Avramidis, Avgeri & Strogilos, Förderbedarf mehrdimensional anhand des 2018; De Monchy, Pijl & Zandberg, 2004; Modells von Koster et al. (2009). Die Mehr- Estell et al., 2008; Huber & Wilbert, 2012; dimensionalität sozialer Integration wird Krull, Wilbert & Hennemann, 2014) oder auch in dem vorliegenden Beitrag berück- den Bereich der geistigen Entwicklung (z.B. sichtigt. Soziale Integration Eigene Beziehungen Kontakte Akzeptanz Wahrnehmung Gefühl des Netzwerk Gemeinsames Spiel Akzeptanz Angenommenseins Zufriedenheit in der Freundschaft Gemeinsame Arbeit Unterstützung Schule Teilnahme an Soziales Mobbing Gruppenaktivitäten Selbstkonzept Gefühl der eigenen Kontaktinitiierung Ablehnung Sozialkompetenz Soziale Isolation Einsamkeit Abbildung 1: Mehrdimensionalität der sozialen Integration nach Koster et al. (2009).
Soziale Integration und kooperatives Lernen 259 Förderung sozialer Integration durch rausgearbeitet werden. Weiter geben ein- Kooperatives Lernen zelne Studien Hinweise darauf, dass auch Kooperatives Lernen die soziale Integration Der Forschungsstand hinsichtlich der unzu- von Schülerinnen und Schülern mit sonder- reichenden sozialen Integration von Schü- pädagogischem Förderbedarf verbessern lerinnen und Schülern mit sonderpädagogi- könne (Garotte, Sermier Dessemontet & schem Förderbedarf zeigt, dass eine ge- Moser Opitz, 2017). Eine umfassende Ana- meinsame Beschulung per se nicht ausrei- lyse der bisherigen Forschungslage steht je- chend ist, um ebendiese Schulkinder erfolg- doch bis dato aus. reich sozial in den Klassenverband zu inte- Kooperatives Lernen meint in dem vor- grieren (Cooper, Johnson, Johnson & Wil- liegenden Artikel die Zusammenarbeit von derson, 1980; Johnson & Johnson, 1980; Schülerinnen und Schülern in einer Gruppe Johnson & Johnson, 1983; Zurbriggen & unter Einbezug der fünf Basiskriterien posi- Venetz, 2016). tive Interdependenz, individuelle Verant- Garrote, Sermier Dessemontet und Mo- wortung, unterstützende Interaktion zwi- ser Opitz (2017) analysierten in ihrem Re- schen den Partizipierenden, soziale Kompe- view bereits existierende Ansätze zur Förde- tenzen und Prozessevaluation. Diese Defi- rung sozialer Integrationsprozesse im inklu- nition geht zurück auf den learning toge- siven Klassenzimmer. Es konnte das Training ther-Ansatz (Johnson & Johnson, 1994). Die sozialer Interaktionsfähigkeiten (teaching fünf Basiskriterien des Kooperativen Lernens social interaction skills) als wirksame Me- werden in Tabelle 1 beschrieben. thode zur Förderung sozialer Integration he- Tabelle 1: Darstellung der Basiskriterien des Kooperativen Lernens Basiskriterium Definition Positive Zwischen den Mitgliedern einer Gruppe besteht eine positive, wechselseitige Ab- Interdependenz hängigkeit (Johnson & Johnson, 2002), die unterschiedlich sichergestellt werden kann. Eine Ziel-Interdependenz liegt vor, wenn die Mitglieder einer Gruppe ein Ar- beitsergebnis nur gemeinsam erreichen können (Borsch, 2010; Lanphen, 2011). Wenn die Anerkennung einer Leistung nicht individuell, sondern für das Kollektiv der Gruppe erfolgt, spricht man von einer Belohnungs-Interdependenz. Die Ressour- cen-Interdependenz beschreibt die Abhängigkeit der Mitglieder innerhalb einer Gruppe z.B. aufgrund der Verteilung von unterschiedlichen Inhalten an die einzelnen Mitglieder. Individuelle Die Mitglieder einer Gruppe übernehmen Verantwortung für Aufgaben, welche für Verantwortung das Erreichen des gemeinsamen Gruppenziels erforderlich sind (Borsch, 2010; John- son et al., 2002). Johnson und Johnson (2002) führen die Durchführung individueller Tests oder das gegenseitige Erklären zuvor selbst erarbeiteter Inhalte als Möglichkei- ten auf, um die individuelle Verantwortung der Gruppenmitglieder sicherzustellen. Unterstützende Die Aufgaben des Kooperativen Lernens sind so konzipiert, dass eine Interaktion zwi- Interaktion schen den Gruppenmitgliedern notwendig ist. Eine unterstützende Interaktion ist zwischen den nach Johnson und Johnson (2002) definiert als die gegenseitige Ermunterung und Partizipierenden Unterstützung der Mitglieder, die zum Erreichen des gemeinsamen Ziels beitragen sollen. Soziale Erfolgreiches Kooperatives Lernen erfordert soziale Kompetenzen seitens der Schüle- Kompetenzen rinnen und Schüler (Johnson & Johnson, 1989; 2002). Notwendige soziale Kompe- tenzen für eine gelingende Zusammenarbeit sollen mit den Schülerinnen und Schü- lern thematisiert und eingeübt werden. Prozessevaluation Die Gruppe erhält die Möglichkeit, ihren eigenen Arbeitsprozess zu reflektieren und evaluieren. Dies setzt voraus, dass die Mitglieder einer Gruppe die notwendigen Handlungsschritte und Aufgaben kennen, um diese evaluieren zu können (Johnson et al., 2002). Der Prozess der Zusammenarbeit soll durch eine regelmäßige Evaluation optimiert werden (Lanphen, 2011).
260 Simone Weber & Christian Huber Kooperatives Lernen bietet die Chance, Methodik soziale Beziehungen zwischen Schülerin- nen und Schülern mit sowie ohne sonder- Die Literaturrecherche wurde in insgesamt pädagogischen Förderbedarf zu verbessern, sechs Datenbanken (ERIC, PsychINFO, Psy- fördern und zu festigen (Johnson & Johnson, chology and Behavioral Science Collection, 1980; Stephan & Stephan, 2005). Im Zuge PSYNDEX, MEDLINE sowie FIS-Datenbank) des Kooperativen Lernens finden vielfach durchgeführt. Die Begriffe für die systemati- Interaktionen zwischen Schülerinnen und sche Datenbankrecherche wurden theorie- Schülern mit und ohne sonderpädagogi- basiert aus dem Modell der sozialen Integ- schen Förderbedarf statt, die durch den Ein- ration nach Koster et al. (2009) sowie der bezug der Basiskriterien zu einem gemein- Definition des Kooperativen Lernens nach samen Erfolg der Gruppe führen. Anders als Johnson und Johnson (1994) abgeleitet. Des in Einzelarbeitssituationen erfahren die Weiteren wurde eine Vorrecherche genutz- Schülerinnen und Schüler während des Ko- ter Begrifflichkeiten anhand bereits bekann- operativen Lernens den Nutzen sowie die ter Publikationen durchgeführt. Für die Vorteile des Miteinanders (Johnson, John- Suche von englischsprachigen Arbeiten son & Maruyama, 1983). wurde folgende Suchsyntax genutzt: “coop- erative learning” OR “collaborative learn- Forschungsfragen ing” OR “learning together” AND “social integration” OR “social inclusion” OR “so- Für die vorliegende Arbeit lassen sich zwei cial participation” OR “social acceptance” übergeordnete Fragestellungen benennen. OR “peer acceptance” OR “acceptance” Einerseits stellt sich die Frage, ob die Wirk- OR “social relations” AND disab* OR hand- samkeit des Kooperativen Lernens auf die icap* OR impair* OR disord* OR difficult* soziale Integration von Schülerinnen und OR “special educational needs” OR “spe- Schülern mit sonderpädagogischem Förder- cial needs” OR “special education”. Für die bedarf empirisch nachgewiesen wurde. Mit Suche von deutschsprachigen Arbeiten Blick auf die konkrete Gestaltung von Ko- wurde folgende Suchsyntax genutzt: „Ko- operativem Lernen zielt die zweite überge- operatives Lernen“ UND „Soziale Integrati- ordnete Fragestellung auf wichtige Gelin- on“ ODER „Soziale Inklusion“ ODER „So- gensbedingungen für ein evidenzbasiertes ziale Partizipation“ ODER „Soziale Akzep- Konzept zur Verbesserung der sozialen Inte- tanz“ ODER „Beziehung“ UND „Behinde- gration ab. In diesem Review werden die rung“ ODER „sonderpädagogischer Förder- vorliegenden Studien daher in Bezug auf bedarf“ ODER „behindert“. Die Recherche die folgenden Aspekte analysiert: wissenschaftlicher Originalarbeiten fand im 1. Mit welcher Stichprobe wurde das Ko- Oktober 2019 statt. Zur Identifikation wur- operative Lernen durchgeführt? den folgende Kriterien definiert: 2. In welchem Schulfach fand das Koope- 1. Die Studien wurden in deutscher oder rative Lernen statt? englischer Sprache verfasst. 3. Wie wurden die Gruppen innerhalb des 2. Die Studien waren peer-reviewed. Kooperativen Lernens zusammenge- 3. Die Studien wiesen ein Prä-Posttestde- setzt? sign mit einer Kontrollgruppe auf. 4. In welchem Umfang und in welcher 4. Die Studien wurden in einem inklusi- Dauer wurde das Kooperative Lernen ven, schulischen Setting durchgeführt. durchgeführt? 5. Inwieweit wurden die Basiskriterien des Ausgangspunkt der Literaturrecherche wa- Kooperativen Lernens umgesetzt? ren 1758 Treffer. Die 1758 Treffer wurden in 6. Wie wurden die Lehrkräfte im Vorfeld einem ersten Schritt anhand einer Prüfung des Kooperativen Lernens geschult? der Überschriften, der angegebenen Stich-
Soziale Integration und kooperatives Lernen 261 1758 Treffer bei der Suche in den Datenbanken Vorgehen: Sichtung der Titel und Stichwörter, Lesen der einzelnen Abstracts unter Berück- sichtigung der definierten Kriterien • 31 Treffer Vorgehen: Lesen der Gesamttexte aller 31 Treffer unter Berücksichtigung der definierten Kriterien • Zehn Treffer Vorgehen: Auswahl von zehn Studien unter Berücksichtigung der definierten Kriterien Abbildung 2. Darstellung der Literaturrecherche und –auswahl. wörter und der Abstracts auf die definierten Morris (2008) ist die Berechnung dieses Ef- Auswahlkriterien geprüft. Trotz entspre- fektstärkemaßes für Studiendesigns mit chender Voreinstellungen wurden Treffer Messwiederholung empfehlenswert, da die angezeigt, welche keinem Peer-Review-Ver- Differenz der Prä-Posttestmessung der bei- fahren unterlagen, thematisch nicht ganz den Gruppen an der gepolten Standardab- passend oder nicht empirisch waren. Da- weichung der Prämessung gewichtet wird durch reduzierte sich die Auswahl auf 31 und diese keiner Beeinflussung durch die Treffer, die im Volltext gelesen wurden. durchgeführte Intervention unterliegt. Für Nach einer weiteren Prüfung der definier- die Studie von Jacques, Wilton und Towns- ten Auswahlkriterien verblieben zehn empi- end (1998) wurde dCohen berechnet, da nicht rische Originalarbeiten, welche die Basis alle Werte berichtet wurden, die für die Be- dieses Reviews darstellen. Die Abstracts rechnung der Effektstärke dppc2 notwendig und die Manuskripte wurden von der Auto- waren. Für die Studie von Yager, Johnson, rin gelesen. In Einzelfällen wurden weitere Johnson und Snider (1985) konnte keine Ef- Personen zur Unterstützung zu Rate gezo- fektstärke berechnet werden, da die Verän- gen. derung der sozialen Integration durch den Für einige Studien waren nicht alle not- Einsatz kooperativer Lernformen lediglich wendigen Informationen zur Beantwortung auf deskriptiver Ebene dargestellt wurde. der Forschungsfragen verfügbar. Sofern eine Die vorliegenden Effektstärken werden Korrespondenzadresse ermittelt werden wie folgt interpretiert: d < 0: negativer Ef- konnte, wurden die Autorinnen und Auto- fekt, 0.0 ≤ d ≤ 0.1: kein Effekt, 0.2 ≤ d ≤ 0.4: ren auf schriftlichem Wege kontaktiert, um kleiner Effekt, 0.5 ≤ d ≤ 0.7: mittlerer Effekt, die fehlenden Informationen anzufragen. Es d ≥ 0.8: großer Effekt (Cohen, 1988). erfolgte keine Rückmeldung. Im Folgenden werden zunächst die Stu- Die einbezogenen Studien sind in Tabel- diendesigns und damit die Umsetzung von le 2 in alphabetischer Reihenfolge darge- Kooperativem Lernen in den einzelnen Stu- stellt. Ergänzend berechnete Effektstärken dien deskriptiv skizziert. In einem zweiten für die einzelnen Studien befinden sich Schritt erfolgt schließlich eine vergleichen- ebenfalls in Tabelle 2. Die Berechnungen de Diskussion der Studien mit dem Ziel, wurden nach Lenhard und Lenhard (2016) Kriterien des Kooperativen Lernens zur Er- durchgeführt. Für acht Studien konnte die höhung der sozialen Integration abzuleiten. Effektstärke dppc2 berechnet werden. Nach
Tabelle 2: Übersicht der einbezogenen Studien 262 Studie Stichprobe Rahmenbedingungen Einbezug Zentrale Ergebnisse Basiskriterien André, IG (KL): N = 112 SuS, n = 16 SuS Schulfach: Sport 1. positive Interdepen- Akzeptanz: Deneuve mit SFB LE Gruppengröße: vier SuS denz signifikant höhere Anzahl erhaltener soziometri- & Louvet KG (IL): N = 105 SuS, n = 16 SuS Kriterien Gruppenzusammensetzung: SFB 2. individuelle Verantwor- scher Wahlen in IG als in KG (2011) mit SFB LE Umfang & Dauer: tung (n = 16, dppc2 = 1.20) Alter: MW = 11.80 Jahre (keine sechs Einheiten à 120 Min. über einen 3. unterstützende SD angegeben) Zeitraum von fünf Wochen Interaktion 4. soziale Kompetenzen 5. Prozessevaluation André, IG (KL mit selbstgewählten Schulfach: Sport 1. positive Interdepen- Akzeptanz: Louvet & Inhalten): Gruppengröße: drei SuS denz signifikant höhere Anzahl erhaltener soziometri- Deneuve N = 102 SuS*, n = 18 SuS mit Kriterien Gruppenzusammensetzung: SFB 2. individuelle Verantwor- scher Wahlen in IG als in KG (2013) SFB LE* Umfang & Dauer: tung (n = 18, dppc2 = 0.66) KG (KL mit vorgegebenen sieben Einheiten à 120 Min. über einen 3. unterstützende Gemeinsame Arbeit: Inhalten): Zeitraum von sechs Wochen Interaktion signifikant höhere Anzahl an beobachtetem N = 102 SuS*, n = 18 SuS mit 4. soziale Kompetenzen unterstützendem Verhalten in IG als in KG SFB LE* 5. Prozessevaluation (n = 18, dppc2 = 1.13) Alter: 11 bis 12 Jahre Gillies & IG (KL): N = 76 SuS*, n = 11 SuS Schulfach: Sozialwissenschaften 1. positive Interdepen- Gemeinsame Arbeit: Ashman mit SFB LE Gruppengröße: vier SuS denz signifikant höhere Anzahl an beobachtetem (2000) KG (unstrukturierte Gruppen- Kriterien Gruppenzusammensetzung: 2. individuelle Verantwor- unterstützendem Verhalten in IG als in KG arbeit) SFB, leistungsbezogene Kompetenz, tung (n = 11, dppc2 = 1.65) N = 76 SuS*, n = 11 SuS Geschlecht 3. unterstützende Teilnahme an Gruppenaktivitäten: mit SFB LE Umfang & Dauer: Interaktion keine signifikanten Unterschiede des beobachte- Alter: 8 bis 9 Jahre 54 Einheiten à 60 Min. über einen Zeitraum 4. soziale Kompetenzen ten kooperativen Verhaltens zwischen IG und von 18 Wochen (dreimal wöchentlich) 5. Prozessevaluation KG (n = 11, dppc2 = -0.39) Jacques, IG (KL): N = 313* SuS, Schulfach: 1. positive Interdepen- Akzeptanz: Wilton n = 10 SuS mit SFB GE Geographie oder Sozialwissenschaften denz signifikant höhere Anzahl erhaltener soziometri- & KG (IL): N = 315 SuS*, Gruppengröße: vier bis sechs SuS 2. individuelle Verantwor- scher Wahlen in IG als in KG (n = 10 (IG), Towns- n = 12 SuS mit SFB GE Kriterien Gruppenzusammensetzung: SFB tung n = 12 (KG), Post: dCohen = 3.40, Follow-Up: end Alter: 9 bis 11 Jahre Umfang & Dauer: 3. unterstützende dCohen = 1.42) (1998) 24 Einheiten à 30 Min. über einen Zeitraum Interaktion Simone Weber & Christian Huber von sechs Wochen (viermal wöchentlich)
Tabelle 2: Fortsetzung Studie Stichprobe Rahmenbedingungen Einbezug Zentrale Ergebnisse Basiskriterien Madden IG (KL): N = 72 SuS*, Schulfach: Mathematik 1. positive Interdepen- Akzeptanz: keine signifikanten Unterschiede in & Slavin n = 20 SuS mit SFB LE* Gruppengröße: keine Angabe denz der Anzahl erhaltener soziometrischer Wahlen (1983) KG (IL): N = 71 SuS*, Kriterien Gruppenzusammensetzung: 2. individuelle Verantwor- zwischen IG und KG (n = 20, dppc2 = - 0.08 n = 20 SuS mit SFB LE* SFB, Geschlecht, leistungsbezogene tung (Freundschaft), dppc2 = - 0.41 (Zusammenarbeit) Alter: keine Angabe Kompetenz, ethnische Zugehörigkeit Ablehnung: signifikant geringere Anzahl Umfang & Dauer: erhaltener soziometrischer Ablehnungen in IG 35 Einheiten à 45 Min. über einen Zeitraum als in KG (n = 20, dppc2 = - 0.65) von sieben Wochen (fünfmal wöchentlich) Soziales Selbstkonzept: keine signifikanten Unterschiede in dem sozialen Selbstkonzept (n = 17 (IG), n = 15 (KG), dppc2 = - 0.32) Piercy, IG1 (KL): N = 16 SuS, n = 2 SuS Schulfach: keine Angabe 1. positive Interdepen- Akzeptanz: signifikante Unterschiede in der Wilton mit SFB GE Gruppengröße: drei bis vier SuS denz Anzahl erhaltener Wahlen zwischen IG1, IG2 & IG2 (sozialer Kontakt): Kriterien Gruppenzusammensetzung: SFB 3. unterstützende und KG; signifikante Erhöhung der Anzahl Soziale Integration und kooperatives Lernen Towns- N = 16 SuS, n = 2 SuS mit SFB Umfang & Dauer: Interaktion erhaltener Wahlen in IG1 vom Prä- zum Posttest; end GE 20 Einheiten à 40 Min. über einen Zeitraum 5. Prozessevaluation keine signifikanten Unterschiede in IG2 und KG (2002) KG (IL): N = 15 SuS, n = 2 SuS von zehn Wochen (zweimal wöchentlich) vom Prä- zum Posttest (n = 2, dppc2 = 2.12 (IG1 mit SFB GE und KG), dppc2 = 0.78 (IG2 und KG) Alter: 6 bis 7 Jahre Gemeinsame Arbeit: signifikante Unterschiede in beobachtbarem unterstützendem Verhalten zwischen IG1, IG2 und KG; signifikante Erhöhung des beobachtbaren unterstützenden Verhaltens in IG1 vom Prä- zum Posttest; keine signifikanten Unterschiede in IG2 und KG vom Prä- zum Posttest (n = 2, dCohen = 8.33) Putnam, IG (KL): N = 122 SuS, Schulfach: 1. positive Interdepen- Akzeptanz: signifikant höhere Anzahl erhaltener Markov- n = 16 SuS mit SFB LE, ESE, HK, Mathematik, Naturwissenschaften, Sozialwis- denz soziometrischer Wahlen in IG als in KG1 und chick, SQ, GE oder SMB senschaften, Englisch 2. individuelle Verantwor- KG2 (n = 16 (IG), n = 7 (KG1), n = 17 (KG2), Johnson KG1 (IL): N = 129 SuS, Gruppengröße: drei bis vier SuS tung dppc2 = 0.84 (IG und KG1), dppc2 = 1.04 (IG und & n = 7 SuS mit SFB mit SFB LE, Kriterien Gruppenzusammensetzung: SFB 3. unterstützende KG 2) Johnson ESE, HK, SQ, GE oder SMB Umfang & Dauer: Interaktion (1996) KG2 (IL): N = 166 SuS, 64 Einheiten* à 45 Min. über einen Zeitraum 4. soziale Kompetenzen n = 18 SuS mit SFB mit SFB LE, von 32 Wochen (mindestens zweimal 5. Prozessevaluation ESE, HK, SQ, GE oder SMB wöchentlich) 263 Alter: 10 bis 15 Jahre
Tabelle 2: Fortsetzung 264 Studie Stichprobe Rahmenbedingungen Einbezug Zentrale Ergebnisse Basiskriterien Slavin, IG1 (KL): N = 151 SuS*, Schulfach: Mathematik 1. positive Interdepen- Akzeptanz: keine signifikanten Unterschiede Leavey n = 22 SuS mit SFB LE Gruppengröße: vier bis fünf SuS denz zwischen IG und KG1, signifikant höhere Anzahl & KG1 (IL): n = 147 SuS*, Kriterien Gruppenzusammensetzung: 2. individuelle Verantwor- erhaltener soziometrischer Wahlen in IG als in Madden n = 18 SuS mit SFB LE SFB, Geschlecht, leistungsbezogene tung KG2 (n = 22 (IG), n = 18 (KG1) n = 23 (KG2), (1984) KG2 (regulärer Unterricht): Kompetenz, ethnische Zugehörigkeit 3. unterstützende dppc2 = -0.03 (IG und KG1), dppc2 = 0.23 (IG und n = 152 SuS*, n = 23 SuS Umfang & Dauer: Interaktion KG2) mit SFB LE zehn Wochen (keine weiteren Angaben) Ablehnung: keine signifikanten Unterschiede Alter: keine Angabe zwischen IG und KG1, signifikant niedrigere Anzahl erhaltener soziometrischer „Nichtwah- len“ (not-chosen) in IG als in KG2 (n = 22 (IG), n = 18 (KG1) n = 23 (KG2), dppc2 = 0.21 (IG und KG1), dppc2 = -0.34 Stevens IG (KL): n = 457 SuS, Schulfach: keine Angabe 1. positive Interdepen- Akzeptanz: signifikant höhere Anzahl erhaltener & Slavin n = 40 SuS mit SFB LE Gruppengröße: vier SuS denz soziometrischer Wahlen in IG als in KG (n = 40 (1995) KG (IL): n = 523 SuS, n = 36 SuS Kriterien Gruppenzusammensetzung: SFB 2. individuelle Verantwor- (IG), n = 36 (KG), dppc2 = 1.18) mit SFB LE Umfang & Dauer: tung Kontaktinitiierung: signifikant höhere Anzahl Alter: keine Angabe 416 Einheiten (keine Zeitangabe) über einen 3. unterstützende abgegebener soziometrischer Wahlen in IG als Zeitraum von 104 Wochen (viermal Interaktion in KG (n = 40 (IG), n = 36 (KG), dppc2 = 0.98) wöchentlich) Yager, IG (KL): N = 23 SuS*, n = 5 SuS Schulfach: Naturwissenschaften 1. positive Interdepen- Akzeptanz: Erhöhung der Anzahl erhaltener Johnson, mit SFB LE und/oder ESE * Gruppengröße: drei bis fünf SuS denz soziometrischer Wahlen in IG vom Prätest zum Johnson KG1 (KL und IL): N = 23 SuS*, Kriterien Gruppenzusammensetzung: 3. unterstützende Posttest, Verringerung der Anzahl der Wahlen in & Snider n = 5 SuS mit SFB LE und/oder SFB, Geschlecht, Alter Interaktion KG1 und KG2 vom Prätest zum Posttest (1985) ESE * Umfang & Dauer: Ablehnung: Verringerung der Anzahl erhaltener KG2 (IL): N = 23 SuS*, n = 5 SuS 40 Einheiten à 45 Min. über einen Zeitraum soziometrischer Ablehnungen in IG und KG1 mit SFB LE und/oder ESE * von ca. acht Wochen (fünfmal wöchentlich) vom Prätest zum Posttest, Erhöhung der Anzahl Alter: keine Angabe der Ablehnungen in KG2 vom Prätest zum Posttest Anmerkungen. SuS = Schülerinnen und Schüler, SFB = sonderpädagogischer Förderbedarf, GE = Geistige Entwicklung; ESE = Emotionale und soziale Entwicklung; LE = Lernen, HK = Hören und Kommunikation, SQ = Sprache, SMB = Schwerstmehrfachbehinderung; KL = Kooperatives Lernen; IL = Individuelles Lernen; LK = Lehrkraft, * Im- pliziert, dass in der Studie keine expliziten Angaben gemacht wurden und es sich bei den angegebenen Zahlen um eine Schätzung, basierend auf den Informationen aus der Studie, handelt, IG = Interventionsgruppe; KG = Kontrollgruppe Simone Weber & Christian Huber
Soziale Integration und kooperatives Lernen 265 Ergebnisse Stichprobe Wirksamkeit des Kooperativen In der Studie von Jacques et al. (1998) war Lernens auf die soziale Integration mit 3 % der kleinste Anteil an Schülerinnen Die soziale Integration wurde in den einzel- und Schülern mit sonderpädagogischem nen Studien zum Teil auf unterschiedliche Förderbedarf vertreten. Der größte Anteil an Art und Weise untersucht. Die Ergebnisse Schülerinnen und Schülern mit sonderpäd- der Studien wurden in das mehrdimensio- agogischem Förderbedarf fand sich mit nale Modell sozialer Integration nach Kos- 28 % in der Studie von Madden und Slavin ter et al. (2009) eingeordnet. Die Einord- (1983). Im Mittel wiesen 15 % der teilneh- nung wird in Abbildung 3 dargestellt. menden Schülerinnen und Schüler einen Neun der zehn Studien untersuchten die sonderpädagogischen Förderbedarf auf soziale Integration anhand der Dimension (SD = 0.06). Akzeptanz. Zusätzlich bezogen vier Stu- In acht Studien wiesen die Schülerinnen dien Variablen der Dimension Kontakte und und Schüler einen sonderpädagogischen eine Studie die eigene Wahrnehmung (des Förderbedarf im Bereich Lernen auf (André sozialen Selbstkonzepts) mit ein. Zum et al., 2011; 2013; Gillies & Ashman, 2000; Großteil konnte eine statistisch signifikante Madden & Slavin, 1983; Putnam et al., Verbesserung der sozialen Integration in 1996; Slavin et al., 1984; Stevens & Slavin, einzelnen Dimensionen nachgewiesen 1995; Yager et al., 1985), in drei Studien werden. waren Schülerinnen und Schüler mit einem Förderbedarf im Bereich Geistige Entwick- Soziale Integration Eigene Beziehungen Kontakte Akzeptanz Wahrnehmung Gemeinsame Arbeit Soziales Selbstkon- Akzeptanz signifikante zept signifikante Erhöhung Erhöhung keine signifikante André et al., 2011; 2013; André et al., 2013; Erhöhung Jacques et al., 1998; Gillies & Ashman, Madden & Slavin, Piercy et al., 2002; 2000; Piercy et al., 1983 Putnam et al., 1996; 2002 Slavin et al., 1984; Stevens & Slavin, 1995 Teilnahme an keine signifikante Gruppenaktivitäten Erhöhung keine signifikante Madden & Slavin, 1983 Erhöhung deskriptive Erhöhung Gillies &Ashman, Yager et al., 1985 2000 Ablehnung Kontaktinitiierung signifikante Verringerung signifikante Madden & Slavin, 983; Erhöhung Slavin et al., 1984 Stevens & Slavin, deskriptive Verringerung 1995 Yager et al., 1985 Abbildung 3. Darstellung der Ergebnisse anhand des mehrdimensionalen Modells sozialer Integration nach Koster et al. (2009).
266 Simone Weber & Christian Huber lung (Jacques et al., 1998; Piercy et al., Gruppengröße 2002; Putnam et al., 1996) und in zwei Stu- dien Schülerinnen und Schüler mit dem Im Mittel bestand eine kooperative Gruppe Förderschwerpunkt Emotionale und soziale aus vier Schülerinnen und Schülern. Die Entwicklung (Putnam et al., 1996; Yager et kleinste Gruppe bestand aus drei Schülerin- al., 1985) vertreten. Die Studie von Putnam nen und Schülern (André et al., 2013; Pier- et al. (1996) bezog zudem die Förder- cy et al., 2002; Putnam et al., 1996; Yager et schwerpunkte Hören und Kommunikation al., 1985) und die größte Gruppe aus sechs sowie Sprache ein und es waren Kinder mit (Jacques et al., 1998). einer Schwerstmehrfachbehinderung ver- treten. Gruppenzusammensetzung In sechs Studien fanden sich Angaben über das Alter der Schülerinnen und Schü- Die Gruppenzusammensetzung wurde in ler. Die Schülerinnen und Schüler dieser allen Studien in Form einer geschichteten Studien (André et al., 2011; 2013; Gillies & Zufallsstichprobe durchgeführt. Ein Kriteri- Ashman, 2000; Jacques et al., 1998; Piercy um bei der Gruppenzusammensetzung et al., 2002; Putnam et al., 1996) waren über alle Studien hinweg war die Verteilung zwischen sechs und 15 Jahren alt. von Schülerinnen und Schülern mit sonder- In drei Studien wurden die Schülerinnen pädagogischem Förderbedarf auf unter- und Schüler erstmalig im Rahmen der je- schiedliche Gruppen. Weiter berücksichtig- weiligen Intervention gemeinsam beschult ten einige Studien Variablen wie das Ge- (André et al., 2011; 2013; Yager et al., schlecht (z.B. Yager et al., 1985) oder die 1985). leistungsbezogene Kompetenz in einzelnen Schulfächern (z.B. Madden & Slavin, 1983). Schulfach Auch die ethnische Zugehörigkeit wurde vereinzelt berücksichtigt (z.B. Slavin et al., Anhand der Angaben der Autorinnen und 1984). Autoren ließen sich sechs unterschiedliche In der Studie von André et al. (2013) Schulfächer (Sport, Geographie, Naturwis- fand in jeder kooperativen Einheit eine ver- senschaften, Sozialwissenschaften, Mathe- änderte Gruppenzusammensetzung statt matik, Englisch) identifizieren, in denen Ko- und in der Studie von Slavin et al. (1984) operatives Lernen durchgeführt wurde. jeden Monat. Da in den anderen Studien Nicht inbegriffen ist die Studie von Stevens diesbezüglich keine Information genannt und Slavin (1995), da hier keine Fokussie- wurde, ist davon auszugehen, dass die rung auf ein Schulfach vorgenommen wur- Gruppenzusammensetzung über den Inter- de. ventionszeitraum hinweg unverändert Unterschiede gab es weiter in der An- blieb. zahl der Schulfächer. In einem Großteil der Studien wurde Kooperatives Lernen aus- Umfang und Dauer schließlich in einem Schulfach durchge- führt (André et al., 2011; 2013; Gillies & Der kürzeste Interventionszeitraum lag in Ashman, 2000; Jacques et al., 1998; Mad- der Studie von André et al. (2011) vor und den & Slavin, 1983; Slavin et al., 1984; Ya- umfasste fünf Wochen. Der längste Inter- ger et al., 1985). Bei Putnam et al. (1996) ventionszeitraum lag in der Studie von Ste- wurde Kooperatives Lernen in vier Schulfä- vens & Slavin (1995) vor und umfasste 104 chern durchgeführt, während sich bei Pier- Wochen (zwei Jahre). Im Mittel umfasste cy et al. (2002) keine Angabe über die An- der Interventionszeitraum 20.60 Wochen zahl der Schulfächer fand. (SD = 28.86, MD = 9).
Soziale Integration und kooperatives Lernen 267 Innerhalb des Interventionszeitraums al., 2002; Slavin et al., 1984; Stevens & Sla- wurden im Mittel 74 kooperative Lernein- vin, 1995; Yager et al., 1985) wurde eine heiten durchgeführt (SD = 122.32, Belohnungs-Interdependenz erzeugt. Darü- MD = 35). Die geringste Anzahl fand sich ber hinaus wurde bei Jacques et al. (1998) bei André et al. (2011) mit sechs Einheiten eine Ressourcen-Interdependenz und eine und die höchste Anzahl mit 416 Einheiten Ziel-Interdependenz geschaffen, indem sich bei Putnam et al. (1996). die Mitglieder der kooperativen Lerngruppe Die Einheiten wurden über den Inter- das in Einzelarbeit erworbene Wissen ge- ventionszeitraum hinweg in unterschiedli- genseitig vermittelten. Dieses individuelle chen Frequenzen durchgeführt. Während in Wissen war im anschließenden Test für alle den Studien von André et al. (2011; 2013) Mitglieder prüfungsrelevant. Die positive circa einmal wöchentlich eine kooperative Interdependenz wurde durch die Limitation Lerneinheit durchgeführt wurde, fand in des Arbeitsmaterials bei Yager et al. (1985) den Studien von Piercy et al. (2002) sowie weiter erhöht. Bei Gillies und Ashman Putnam et al. (1996) zweimal wöchentlich (2000) sowie Putnam et al. (1996) fanden Kooperatives Lernen statt. Bei Gillies und sich keine Hinweise bezüglich der konkre- Ashman (2002) wurde dreimal wöchentlich ten Umsetzung. Kooperatives Lernen durchgeführt. In den Studien von Jacques et al. (1998) sowie Ste- Individuelle Verantwortung vens und Slavin (1995) fanden viermal wö- Dieses Basiskriterium wurde in acht Studien chentlich und in den Studien von Madden (André et al., 2011; 2013; Gillies & Ash- und Slavin (1983) sowie Yager et al. (1985) man, 2000; Jacques et al., 1998; Madden & täglich kooperative Lerneinheiten statt. Bei Slavin, 1983; Putnam et al., 1996; Slavin et Slavin et al. (1984) waren diesbezüglich al., 1984; Stevens & Slavin, 1995) berück- keine Informationen zu finden. sichtigt. Bei André et al. (2011; 2013) wur- Die Länge der einzelnen kooperativen de die individuelle Verantwortung durch die Lerneinheiten betrug im Mittel 63.13 Minu- Vergabe einzelner Rollen operationalisiert. ten (SD = 33.72, MD = 45). Die kürzeste In den Studien von Jacques et al. (1998), Längenangabe fand bei Jacques et al. (1998) Madden und Slavin (1983), Slavin et al. mit 30 Minuten, wohingegen André et al. (1984) sowie Stevens und Slavin (1995) (2011; 2013) mit 120 Minuten von den nahmen die Schülerinnen und Schüler ab- längsten kooperativen Lerneinheiten inner- schließend an einem Quiz teil. Die erreich- halb der vorliegenden Studien berichteten. ten Punkte wurden dem Gruppenkonto zu- geschrieben, wodurch jedes Mitglied eine Umsetzung Kooperatives Lernen individuelle Verantwortung für die Gesamt- punktzahl der Gruppe übernahm. Bei Zur besseren Orientierung wird die Umset- Jacques et al. (1998) vermittelten sich die zung des Kooperativen Lernens in den Stu- Schülerinnen und Schüler die Inhalte, auf- dien anhand der fünf Basiskriterien nach grund der bestehenden Ressourcen-Interde- Johnson und Johnson (1994) dargestellt (sie- pendenz, gegenseitig und übernahmen so- he Tabelle 1). mit ebenfalls die individuelle Verantwor- tung für die Erarbeitung und Vermittlung der Positive Interdependenz relevanten Inhalte. In den Studien von Sla- In allen zehn Studien wurde das Basiskrite- vin et al. (1984) sowie Stevens und Slavin rium der positiven Interdependenz berück- (1995) bezogen sich die Aufgaben des Quiz sichtigt. Hierbei ergaben sich Unterschiede auf die zuvor in Einzelarbeit thematisierten in der konkreten Umsetzung. In acht Stu- Aufgaben, deren Erarbeitung in der indivi- dien (André et al., 2011; 2013; Jacques et duellen Verantwortung der Schülerinnen al., 1998; Madden & Slavin, 1983; Piercy et und Schüler lag. Bei Gillies und Ashman
268 Simone Weber & Christian Huber (2000) sowie Putnam et al. (1996) fanden feld Rollenspiele statt, in denen sozial kom- sich keine Hinweise über die konkrete Um- petentes Verhalten mit den Schülerinnen setzung. und Schülern geübt wurde. Die wichtigsten Merkmale dieser Verhaltensweisen wurden Unterstützende Interaktion im Anschluss zusammengefasst und deren In neun Studien (André et al., 2011; 2013; Relevanz diskutiert. Bei Putnam et al. (1996) Gillies & Ashman, 2000; Jacques et al., fanden sich keine Informationen über die 1998; Piercy et al., 2002; Putnam et al., konkrete Umsetzung. 1996; Slavin et al., 1984; Stevens & Slavin, 1995; Yager et al., 1985) wurde eine unter- Prozessevaluation stützende Interaktion bedacht. André et al. Zum Ende der kooperativen Lerneinheit (2011; 2013) berichteten eine Förderung fand in den Studien von André et al. (2011; der Interaktion durch eine wechselnde 2013), Gillies und Ashman (2000), Piercy et Gruppenzusammensetzung. Jacques et al. al. (2002) sowie Putnam et al. (1996) eine (1998) evozierten eine unterstützende Inter- Evaluation der Zusammenarbeit innerhalb aktion durch einen limitierten Satz an Mate- der Gruppe statt. Bei Gillies und Ashman rial und den dadurch notwendigen Aus- (2000) erhielten die Schülerinnen und tausch untereinander. Teilnehmende Lehr- Schüler einen Bogen zur schriftlichen Eva- kräfte in den Studien von Piercy et al. (2002) luation der Zusammenarbeit innerhalb der sowie Yager et al. (1985) ermunterten die Gruppe. Bei Piercy et al. (2002) fand eine Schülerinnen und Schüler vor jeder Einheit mündliche Evaluation statt. Den anderen zu einer kooperativen Zusammenarbeit und Studien konnten keine weiteren Informatio- hoben die Vorzüge eines Austausches her- nen über die konkrete Umsetzung entnom- vor. Bei Slavin et al. (1984) sowie Stevens men werden. und Slavin (1995) fand eine Lösungskont- rolle innerhalb der Gruppe statt, was eine Fortbildung der Lehrkräfte Interaktion verlangte. Bei Gillies und Ash- man (2000) sowie Putnam et al. (1996) fan- Ausgehend von den verfügbaren Informati- den sich keine Hinweise bezüglich der kon- onen fand in fünf Studien (André et al., kreten Umsetzung. Der Studie von Madden 2011; Gillies & Ashman, 2000; Madden & und Slavin (1983) war nicht zu entnehmen, Slavin, 1983; Putnam et al., 1996; Stevens ob eine Interaktion zwischen den Gruppen- & Slavin, 1995) eine Fortbildung teilneh- mitgliedern erforderlich war. mender Lehrkräfte zum Thema Kooperatives Lernen statt. In der Studie von Stevens und Soziale Kompetenzen Slavin (1995) wurden darüber hinaus indi- Das vierte Basiskriterium wurde in vier der viduelle Coachings mit Lehrkräften durch- zehn Studien (André et al., 2011; 2013; Gil- geführt. lies & Ashman, 2000; Putnam et al., 1986) berücksichtigt. Bei André et al. (2011) sowie Gillies und Ashman (2000) wurden die not- wendigen sozialen Kompetenzen für Ko- Diskussion operatives Lernen im Vorfeld mit den teil- Wirksamkeit des Kooperativen nehmenden Schülerinnen und Schülern be- Lernens auf die soziale Integration sprochen. Bei André et al. (2011; 2013) er- hielten die Schülerinnen und Schüler Rol- Die mehrheitlich mittleren bis großen Ef- len innerhalb ihrer kooperativen Lerngrup- fektstärken deuten auf die Wirksamkeit des pe. Die Aufgaben der jeweiligen Rolle Kooperativen Lernens hinsichtlich der För- wurden im Vorfeld operationalisiert. Bei derung der sozialen Integration von Schüle- Gillies und Ashman (2000) fanden im Vor- rinnen und Schülern mit sonderpädagogi-
Soziale Integration und kooperatives Lernen 269 schem Förderbedarf hin. Die Einordnung Schülerinnen und Schüler mit sonderpäda- der einzelnen Studienergebnisse in das gogischem Förderbedarf mit ca. 3% reprä- mehrdimensionale Modell sozialer Integra- sentiert sind (Sekretariat der Ständigen Kon- tion nach Koster et al. (2009) zeigt jedoch, ferenz der Kultusminister der Länder in der dass keine der vorliegenden Studien alle Bundesrepublik Deutschland [KMK], 2019). Dimensionen sozialer Integration berück- Die vergleichbare Verteilung lässt eine sichtigte. Da in den vorliegenden Studien Übertragbarkeit der Effekte aus den vorlie- mehrheitlich die Dimension Akzeptanz fo- genden Studien in den aktuellen Unter- kussiert wurde, kann die erste übergeordne- richtsalltag vermuten. te Fragestellung nach der Wirksamkeit des Kooperativen Lernens auf die soziale Integ- Schulfach ration von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nur für Die Tatsache, dass in den vorliegenden Stu- diese Dimension positiv beantwortet wer- dien Kooperatives Lernen in sechs unter- den. Das Ergebnis, dass in drei von vier Stu- schiedlichen Schulfächern durchgeführt dien signifikante Erhöhungen mit großen wurde, gibt einen Hinweis auf die Flexibili- Effektstärken für die Dimension Kontakte tät dieser Methode. Auf theoretischer oder nachgewiesen werden konnten, weist dar- empirischer Ebene lassen sich nach aktuel- auf hin, dass sich Kooperatives Lernen auch lem Kenntnisstand keine Hinweise darauf auf diese Dimension sozialer Integration finden, dass eine Förderung der sozialen positiv auswirken könnte. Für die Dimensi- Integration durch Kooperatives Lernen auf on eigene Wahrnehmung (des sozialen ein bestimmtes Schulfach beschränkt wer- Selbstkonzepts), die lediglich in der Studie den sollte. In keiner Studie wurden explizite von Madden und Slavin (1983) untersucht Begründungen für die Auswahl des Schul- wurde, liegen keine signifikanten Effekte faches genannt. Es wäre möglich, dass vor. Die Dimension Beziehungen wurde in durch die Flexibilität einer Methode die keiner der vorliegenden Studien untersucht. Chance der praktischen Umsetzung durch die Lehrkräfte steigt. Die Einführung koope- Stichprobe rativer Lernmethoden bedarf, je nach Vor- erfahrungen der Schülerinnen und Schüler In Bezug auf die Stichprobe zeigte sich in sowie der Lehrkräfte, eines erhöhten Zeit- den vorliegenden Studien eine hohe Vari- und Vorbereitungsaufwands (Brüning & anz des Alters der Schülerinnen und Schü- Saum, 2017). Dies könnte eine Begründung ler. Dies spricht für einen schulformunab- dafür sein, wieso in einem Großteil der Stu- hängigen Einsatz des Kooperativen Lernens dien Kooperatives Lernen nur in einem Un- zur Förderung sozialer Integrationsprozes- terrichtsfach durchgeführt wurde. Des Wei- se. Krull et al. (2014) konnten eine erhöhte teren wäre es denkbar, dass lediglich einige soziale Ausgrenzung von Schülerinnen und (Fach-) Lehrkräfte an den Studien teilnah- Schülern mit sonderpädagogischem Förder- men und Kooperatives Lernen daher nur in bedarf bereits in der ersten Klasse nachwei- ausgewählten Schulfächern umgesetzt wer- sen. Die Förderung sozialer Integrationspro- den konnte. zesse sollte daher so früh wie möglich ein- setzen. Gruppengröße Die anteilige Repräsentation von Schü- lerinnen und Schülern mit sonderpädagogi- Brüning und Saum (2017) empfehlen eine schem Förderbedarf in den Studien bietet maximale Größe von vier Gruppenmitglie- eine gute Vergleichsmöglichkeit zu der ak- dern, um eine individuelle Einbindung ei- tuellen Situation an deutschen allgemeinen nes jeden Mitgliedes zu ermöglichen. In ei- Schulen (ohne Förderschulen), an denen
270 Simone Weber & Christian Huber nem Großteil der vorliegenden Studien lern mit keinen oder wenig Vorerfahrungen, wurde diese Anforderung umgesetzt. ein hochfrequenter Einsatz kooperativer Bei der Festlegung der Gruppengröße Lernformen einem niederfrequenten vorzu- sollte beachtet werden, dass die sozialen ziehen zu sein, damit die damit einherge- und kognitiven Anforderungen an die Schü- henden Strukturen und Abläufe von den lerinnen und Schüler mit zunehmender Schülerinnen und Schülern verinnerlicht Gruppengröße ansteigen. Des Weiteren werden können. Diese Annahme steht in steigt mit zunehmender Gruppengröße das einem Widerspruch zu den Ergebnissen der Risiko, dass sich einzelne Schülerinnen und Studie von Madden und Slavin (1983). Ob- Schüler nicht mehr aktiv an der Kooperation wohl dort, durch eine tägliche Umsetzung, beteiligen (Johnson et al., 2002). Green und hochfrequent Kooperatives Lernen durchge- Green (2011) sowie Johnson et al. (2002) führt wurde, konnte keine Verbesserung der empfehlen mit zwei Mitgliedern pro Grup- Akzeptanz nachgewiesen werden. Es zeigte pe zu beginnen, wenn Kooperatives Lernen sich lediglich eine Verringerung der Ableh- eingeführt wird. nung. Hingegen wiesen André et al. (2011; 2013) eine signifikante Erhöhung der Ak- Gruppenzusammensetzung zeptanz nach, obwohl in ihren Studien le- diglich circa einmal wöchentlich Kooperati- In einem Großteil der vorliegenden Studien ves Lernen durchgeführt wurde. Es wird wurden zu Beginn der Intervention koope- deutlich, wie hoch der Bedarf an empiri- rative Lerngruppen gebildet, die über den schen Befunden in Bezug auf die Rahmen- gesamten Zeitraum hinweg bestehen blie- bedingungen für ein integrationsförderli- ben. Nach Johnson et al. (2002) bieten die- ches Kooperatives Lernen ist. se kooperativen Langzeitgruppen eine Mög- lichkeit für den Aufbau dauerhafter und en- Umsetzung Kooperatives Lernen ger Beziehungen zwischen den Gruppen- mitgliedern. Darüber hinaus erscheint die Äquivalent zum Ergebnisteil soll die Umset- Bildung kooperativer Langzeitgruppen ins- zung des Kooperativen Lernens anhand der besondere für Schülerinnen und Schüler mit Basiskriterien (Johnson & Johnson, 1994) sozialer Unsicherheit, für die Situationen diskutiert werden. sozialer Interaktion häufig stressbehaftet und mit einem Unwohlsein verknüpft sind Positive Interdependenz (Ahrens-Eipper, 2002; Asendorpf, 1993), Es gibt Hinweise darauf, dass die Realisie- empfehlenswert. rung positiver Interdependenz von Mitglie- dern kooperativer Lerngruppen unter- Umfang & Dauer schiedlich wahrgenommen wird. Johnson, Johnson, Ortiz und Stanne (1991) vergli- Es wäre wünschenswert, aus den Studien chen die Ressourcen-Interdependenz mit Empfehlungen für die Länge des Interventi- einer Ziel-Interdependenz und wiesen onszeitraums, die Anzahl der kooperativen nach, dass die Wahrnehmung der Koopera- Einheiten, der Frequenz innerhalb des Inter- tion innerhalb der Gruppe bei dem Einsatz ventionszeitraums sowie die Länge der ein- der Ziel-Interdependenz höher war als bei zelnen kooperativen Einheiten ableiten zu der Ressourcen-Interdependenz. Johnson et können. Aufgrund der hohen Varianz, die al. (2002) empfehlen das Vorhandensein die Studien in Bezug auf diese Rahmenbe- einer Ziel-Interdependenz in jeder koopera- dingungen aufweisen, ist dies auf Basis der tiven Lerneinheit, um den Nutzen der Ko- vorhandenen Informationen nicht möglich. operation für die Schülerinnen und Schüler Aus theoretischer Perspektive erscheint, hervorzuheben. Während alle Studien eine insbesondere bei Schülerinnen und Schü- Belohnungs-Interdependenz realisierten,
Soziale Integration und kooperatives Lernen 271 fanden sich lediglich bei Jacques et al. Inhalten, die im Anschluss in einem Quiz (1998) konkrete Informationen über die überprüft wurden. Zander, Kreutzmann und Schaffung einer Ziel-Interdependenz. Eine Hannover (2017) betonen die hohe Bedeu- sinnvolle Umsetzung der Ziel-Interdepen- tung der individuellen Verantwortung. Sie denz in der schulischen Praxis bedarf einer beschreiben Kooperatives Lernen als eine Differenzierung und somit einer umfassen- Möglichkeit, um soziale Beziehungen zu den Vorbereitung, um den Bedarfen und verbessern, sofern alle Mitglieder der ko- Kompetenzen aller Schülerinnen und Schü- operativen Lerngruppe die Möglichkeit ha- ler gerecht zu werden. Dies könnte ein ben, einen sinnvollen Beitrag zur Zielerrei- Grund dafür sein, wieso in einem Großteil chung beizutragen und somit ihre individu- der Studien keine Ziel-Interdependenz um- elle Verantwortung wahrzunehmen. Durch gesetzt wurde. die Bewertung des Quiz anhand einer indi- Eine Möglichkeit zur Umsetzung einer viduellen Bezugsnorm und einer anschlie- Ziel-Interdependenz findet sich z.B. bei ßenden Aufsummierung der erhaltenen Brüning und Saum (2008), wo einer Inter- Punkte wurde ein individueller Beitrag aller aktion zwischen den Mitgliedern stets eine Mitglieder bei Slavin et al. (1984) sowie Ste- Einzelarbeitsphase vorausgeht. Im Zuge der vens und Slavin (1995) ermöglicht. Über- Einzelarbeitsphase können sich die einzel- dies stellt sich jedoch die Frage, wie die in- nen Mitglieder mit unterschiedlichen, indi- dividuelle Verantwortung während der Er- viduell angepassten Inhalten auseinander- arbeitung von den Mitgliedern der koopera- setzen. In der anschließenden Ko-Konstruk- tiven Lerngruppen wahrgenommen wurde. tionsphase bringen sich die Mitglieder die Es ist anzunehmen, dass die leistungs- Inhalte gegenseitig näher, sodass jedes Mit- schwächeren Mitglieder den leistungsstär- glied Informationen zu jedem Inhalt erhält keren Mitgliedern bei fachlichen Fragen in und erlernt. Brüning und Saum (2008) ge- Bezug auf den individuellen Inhalt nicht be- ben zu bedenken, dass die Anforderungen hilflich sein konnten, während dies umge- an die Gruppenmitglieder in der Ko-Konst- kehrt wahrscheinlich der Fall war. Somit ruktionsphase durch die individuellen Auf- übernahmen die leistungsstärkeren Schüle- gaben in der Einzelarbeitsphase steigen, da rinnen und Schüler bei Slavin et al. (1984) in diesem Fall neben einem Austausch auch sowie Stevens und Slavin (1995) womöglich ein gegenseitiges Unterrichten erforderlich ein höheres Maß an individueller Verant- sei. Eine leichtere Form der Ko-Konstruktion wortung als die leistungsschwächeren. Da- ergibt sich durch die Arbeit an gleichen Auf- durch könnte ein Statusgefälle entstanden gaben innerhalb einer Gruppe, die in der sein. Cohen (1992) bezeichnet diesen Um- Einzelarbeitsphase z.B. durch differenzier- stand als einseitige Interdependenz. Für tes Material umgesetzt werden kann. eine echte Kooperation fordert Cohen (1992) die Möglichkeit der gegenseitigen Individuelle Verantwortung Unterstützung, welche sie reziproke Inter- In einem Großteil der Studien wurde die in- dependenz nennt. dividuelle Verantwortung, wie bei Johnson und Johnson (2000) empfohlen, über die Unterstützende Interaktion Teilnahme an einem Quiz sichergestellt. In dem Großteil der vorliegenden Studien Das Ausmaß der individuellen Verantwor- wurde dieses Basiselement bedacht und auf tung wurde bei Jacques et al. (1998) durch unterschiedliche Art und Weise umgesetzt. die individuelle Erarbeitung und Vermitt- Während André et al. (2011; 2013) die un- lung der prüfungsrelevanten Inhalte zusätz- terstützende Interaktion durch eine neue lich erhöht. Bei Slavin et al. (1984) sowie Gruppensetzung eher auf einer strukturel- Stevens und Slavin (1995) arbeiteten die len Ebene durchführten, fand bei Piercy et Schülerinnen und Schüler an individuellen al. (2002) sowie Yager et al. (1985) eine Er-
272 Simone Weber & Christian Huber munterung zur Interaktion durch die Lehr- somit flexibel in der Gestaltung ist. Johnson kräfte statt. Beide Vorgehensweisen könnten et al. (2002) sehen in der Prozessevaluation eine unterstützende Interaktion befürwor- eine Möglichkeit, den Lernprozess der ten, evozieren diese jedoch nicht sicher. Gruppe zu verbessern, da durch eine regel- Eine Evokation der Interaktion wurde bei mäßige Analyse eine Optimierung der bis- Jacques et al. (1998) durch die Schaffung herigen Zusammenarbeit stattfinden kann. der Ressourcen-Interdependenz und bei Slavin et al. (1984) sowie Stevens und Sla- Fortbildung der Lehrkräfte vin (1995) durch eine vorgegebene Lö- sungskontrolle sichergestellt. Die Frage nach der Wirksamkeit einer vor- herigen Fortbildung teilnehmender Lehr- Soziale Kompetenzen kräfte kann aufgrund der unvollständigen Lediglich in vier Studien wurden soziale Informationen nur auf theoretischer Ebene Kompetenzen thematisiert. Johnson und diskutiert werden. Traub (2004) weist darauf Johnson (2002) postulieren ganz allgemein hin, dass Kooperatives Lernen in der Praxis einen positiven Zusammenhang zwischen nur unzureichend Beachtung findet. Eine den sozialen Kompetenzen der Schülerin- Befragung von Antil, Jenkins, Wayne und nen und Schüler und den Beziehungen zwi- Vadasy (1998) ergab, dass Lehrkräfte häufig schen den einzelnen Gruppenmitgliedern. angaben, Kooperatives Lernen durchzufüh- Es ist somit davon auszugehen, dass die Zu- ren. Eine Prüfung der durchgeführten Me- sammenarbeit mit einem Schulkind, das thoden in Bezug auf die Einhaltung der fünf eine hohe soziale Kompetenz aufweist, po- Basiskriterien des Kooperativen Lernens sitiver wahrgenommen wird als die Zusam- zeigte jedoch, dass diese nur selten voll- menarbeit mit einem Kind mit niedrigen ständig umgesetzt wurden. Eine Betrach- sozialen Kompetenzen. Eine Thematisie- tung der heterogenen und zum Teil unvoll- rung sozialer Kompetenzen auf der Meta- ständigen Umsetzung des Kooperativen ebene wie bei André et al. (2011) sowie Lernens in den vorliegenden Studien unter- Gillies und Ashman (2000) erscheint sinn- malt die Flexibilität und die somit einher- voll, um die teilnehmenden Schülerinnen gehende Herausforderung bei der Durch- und Schüler in der Umsetzung sozial kom- führung kooperativer Lernformen. Die Um- petenter Verhaltensweisen zu unterstützen. setzung des Kooperativen Lernens gemäß Weidner (2012) schreibt der Thematisierung den Basiskriterien (Johnson & Johnson, von sozialen Kompetenzen eine hohe Be- 1994) bedarf einer sorgfältigen Organisati- deutung zu und empfiehlt bei der Vermitt- on. Die bisherige Diskussion zeigte zudem lung zu besprechen, warum diese Kompe- die Notwendigkeit einer sorgfältigen Pla- tenz wichtig ist und wie sie konkret aus- nung der Gruppenzusammensetzung im sieht. Des Weiteren empfiehlt Weidner Vorfeld. Die von Cohen (1992) empfohlene (2012) die Schaffung von Situationen, in Fortbildung teilnehmender Lehrkräfte er- denen konkrete Verhaltensweisen von den scheint unbedingt ratsam. Schülerinnen und Schülern geübt und ge- festigt werden können. Limitationen und Implikationen für die weitere Forschung Prozessevaluation Auch dieses Basiskriterium wurde lediglich Die einbezogenen Studien weisen eine Rei- vereinzelt bedacht. Den vorhandenen Infor- he von Limitationen auf. Eine Limitation al- mationen ist zu entnehmen, dass eine Eva- ler Studien liegt in der geringen Stichpro- luation sowohl mündlich (Piercy et al., bengröße. Die Anzahl der Schülerinnen 2002) als auch schriftlich (Gillies & Ash- und Schüler mit sonderpädagogischem För- man, 2000) durchgeführt werden kann und derbedarf über die Studien hinweg ist ge-
Sie können auch lesen