Förderung sozialer Integration durch Kooperatives Lernen - Ein systematisches Review

Die Seite wird erstellt Svenja-Meike Auer
 
WEITER LESEN
Soziale Integration und kooperatives Lernen                                                   257

Empirische Sonderpädagogik, 2020, Nr. 4, S. 257-278
ISSN 1869-4845 (Print) · ISSN 1869-4934 (Internet)

Förderung sozialer Integration durch
Kooperatives Lernen – Ein systematisches Review

Simone Weber & Christian Huber
Bergische Universität Wuppertal

Zusammenfassung
Die Intention dieser Arbeit besteht in der Darstellung und Analyse der bisherigen Forschung
hinsichtlich der Wirksamkeit von Kooperativem Lernen auf die soziale Integration von Schüle-
rinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Durch eine systematische Litera-
turrecherche wurden zehn Studien ermittelt, deren abhängige Variablen zunächst in das mehr-
dimensionale Modell sozialer Integration von Koster, Nakken, Pijl und van Houten (2009)
eingeordnet wurden. Die Studien fokussierten primär die Dimension Akzeptanz. Die Ergebnisse
sprechen für die Wirksamkeit des Kooperativen Lernens in Bezug auf die Akzeptanz von Schü-
lerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Es finden sich zudem Hinweise
für die Wirksamkeit auf die Dimension Kontakte. Für die zwei verbleibenden Dimensionen so-
zialer Integration Beziehungen und eigene Wahrnehmung können keine Aussagen getroffen
werden. Ausgehend von den Ergebnissen werden Empfehlungen für die Gestaltung von integra-
tionsförderlichen kooperativen Lerneinheiten im schulischen Kontext abgeleitet.

Schlüsselwörter: soziale Integration, sonderpädagogischer Förderbedarf, Kooperatives Lernen,
systematisches Review

Improved Social Integration as a Result of Cooperative Learning –
A Systematic Review

Abstract
The paper intends to describe and analyse the research concerning the effects of cooperative
learning on the social integration of students with special educational needs. Based on a system-
atic literature review, ten studies were identified. Initially, their dependent variables were clas-
sified in the multidimensional model of social integration by Koster, Nakken, Pijl and van
Houten (2009). The studies primarily focused on the dimension acceptance. The results promote
a positive effect of cooperative learning on the acceptance of students with special educational
needs. In addition, there are indications of a positive effect on the dimension contacts. No state-
ments can be made for the dimensions relationships and self-perception. Based on the results,
advice for cooperative learning methods promoting social integration in school is derived.

Keywords: social integration, special educational needs, cooperative learning, systematic re-
view, literature review
258                                                                Simone Weber & Christian Huber

Soziale Integration                                Santich & Kavanagh, 1997; Scheepstra,
                                                   Nakken & Pijl, 2006; Schwab, Gebhardt &
Die soziale Integration von Schülerinnen           Huber, 2016) vornahmen.
und Schülern mit sonderpädagogischem                   In der Literatur werden die Begriffe so-
Förderbedarf im schulischen Kontext ist            ziale Inklusion sowie soziale Partizipation
eine zentrale Herausforderung der Inklusi-         häufig synonym zur sozialen Integration
on. Vielfach wurde, national und internatio-       verwendet (Koster et al., 2009). In dem vor-
nal, eine unzureichende soziale Integration        liegenden Beitrag wird der Begriff soziale
von Schülerinnen und Schülern mit sonder-          Integration genutzt und es werden dabei
pädagogischem Förderbedarf im inklusiven           stets die Begrifflichkeiten soziale Inklusion
Klassenzimmer nachgewiesen. Hierbei un-            und soziale Partizipation miteingeschlos-
tersuchten einige Studien die soziale Integ-       sen. Koster et al. (2009) arbeiteten in ihrem
ration von Schülerinnen und Schülern mit           Review die Mehrdimensionalität sozialer
sonderpädagogischem Förderbedarf ohne              Integration heraus, die in Abbildung 1 dar-
weitere Spezifizierung (z.B. Baydik & Bak-         gestellt wird.
kaloglu, 2009; Cambra & Silvestre, 2003;               Das mehrdimensionale Modell verdeut-
Frostad & Pijl, 2007; Huber, 2008; 2009;           licht, dass soziale Integration differenziert
Krawinkel, Südkamp, Lange & Troster,               erfasst werden sollte. Dies findet in neueren
2017; Kulawiak &Wilbert 2015; Schwab,              Forschungsarbeiten zunehmend an Beach-
2016; Schwab, Hessels, Gebhardt, Kram-             tung. So untersuchten z.B. Henke et al.
mer & Gasteiger-Klicpera, 2015), während           (2017) sowie Kulawiak und Wilbert (2015)
andere Studien eine Fokussierung auf den           die soziale Integration von Schülerinnen
Bereich der Lern- und Entwicklungsstörun-          und Schülern mit sonderpädagogischem
gen (z.B. Avramidis, Avgeri & Strogilos,           Förderbedarf mehrdimensional anhand des
2018; De Monchy, Pijl & Zandberg, 2004;            Modells von Koster et al. (2009). Die Mehr-
Estell et al., 2008; Huber & Wilbert, 2012;        dimensionalität sozialer Integration wird
Krull, Wilbert & Hennemann, 2014) oder             auch in dem vorliegenden Beitrag berück-
den Bereich der geistigen Entwicklung (z.B.        sichtigt.

                                              Soziale
                                            Integration

                                                        Eigene
   Beziehungen                Kontakte                                           Akzeptanz
                                                     Wahrnehmung

                                                          Gefühl des
        Netzwerk             Gemeinsames Spiel                                         Akzeptanz
                                                       Angenommenseins

                                                      Zufriedenheit in der
       Freundschaft          Gemeinsame Arbeit                                     Unterstützung
                                                             Schule

                               Teilnahme an                  Soziales
                                                                                       Mobbing
                             Gruppenaktivitäten           Selbstkonzept

                                                       Gefühl der eigenen
                              Kontaktinitiierung                                       Ablehnung
                                                        Sozialkompetenz

                              Soziale Isolation            Einsamkeit

Abbildung 1: Mehrdimensionalität der sozialen Integration nach Koster et al. (2009).
Soziale Integration und kooperatives Lernen                                                          259

Förderung sozialer Integration durch                  rausgearbeitet werden. Weiter geben ein-
Kooperatives Lernen                                   zelne Studien Hinweise darauf, dass auch
                                                      Kooperatives Lernen die soziale Integration
Der Forschungsstand hinsichtlich der unzu-            von Schülerinnen und Schülern mit sonder-
reichenden sozialen Integration von Schü-             pädagogischem Förderbedarf verbessern
lerinnen und Schülern mit sonderpädagogi-             könne (Garotte, Sermier Dessemontet &
schem Förderbedarf zeigt, dass eine ge-               Moser Opitz, 2017). Eine umfassende Ana-
meinsame Beschulung per se nicht ausrei-              lyse der bisherigen Forschungslage steht je-
chend ist, um ebendiese Schulkinder erfolg-           doch bis dato aus.
reich sozial in den Klassenverband zu inte-               Kooperatives Lernen meint in dem vor-
grieren (Cooper, Johnson, Johnson & Wil-              liegenden Artikel die Zusammenarbeit von
derson, 1980; Johnson & Johnson, 1980;                Schülerinnen und Schülern in einer Gruppe
Johnson & Johnson, 1983; Zurbriggen &                 unter Einbezug der fünf Basiskriterien posi-
Venetz, 2016).                                        tive Interdependenz, individuelle Verant-
    Garrote, Sermier Dessemontet und Mo-              wortung, unterstützende Interaktion zwi-
ser Opitz (2017) analysierten in ihrem Re-            schen den Partizipierenden, soziale Kompe-
view bereits existierende Ansätze zur Förde-          tenzen und Prozessevaluation. Diese Defi-
rung sozialer Integrationsprozesse im inklu-          nition geht zurück auf den learning toge-
siven Klassenzimmer. Es konnte das Training           ther-Ansatz (Johnson & Johnson, 1994). Die
sozialer Interaktionsfähigkeiten (teaching            fünf Basiskriterien des Kooperativen Lernens
social interaction skills) als wirksame Me-           werden in Tabelle 1 beschrieben.
thode zur Förderung sozialer Integration he-

Tabelle 1: Darstellung der Basiskriterien des Kooperativen Lernens

Basiskriterium      Definition
Positive            Zwischen den Mitgliedern einer Gruppe besteht eine positive, wechselseitige Ab-
Interdependenz      hängigkeit (Johnson & Johnson, 2002), die unterschiedlich sichergestellt werden
                    kann. Eine Ziel-Interdependenz liegt vor, wenn die Mitglieder einer Gruppe ein Ar-
                    beitsergebnis nur gemeinsam erreichen können (Borsch, 2010; Lanphen, 2011).
                    Wenn die Anerkennung einer Leistung nicht individuell, sondern für das Kollektiv der
                    Gruppe erfolgt, spricht man von einer Belohnungs-Interdependenz. Die Ressour-
                    cen-Interdependenz beschreibt die Abhängigkeit der Mitglieder innerhalb einer
                    Gruppe z.B. aufgrund der Verteilung von unterschiedlichen Inhalten an die einzelnen
                    Mitglieder.
Individuelle        Die Mitglieder einer Gruppe übernehmen Verantwortung für Aufgaben, welche für
Verantwortung       das Erreichen des gemeinsamen Gruppenziels erforderlich sind (Borsch, 2010; John-
                    son et al., 2002). Johnson und Johnson (2002) führen die Durchführung individueller
                    Tests oder das gegenseitige Erklären zuvor selbst erarbeiteter Inhalte als Möglichkei-
                    ten auf, um die individuelle Verantwortung der Gruppenmitglieder sicherzustellen.
Unterstützende      Die Aufgaben des Kooperativen Lernens sind so konzipiert, dass eine Interaktion zwi-
Interaktion         schen den Gruppenmitgliedern notwendig ist. Eine unterstützende Interaktion ist
zwischen den        nach Johnson und Johnson (2002) definiert als die gegenseitige Ermunterung und
Partizipierenden    Unterstützung der Mitglieder, die zum Erreichen des gemeinsamen Ziels beitragen
                    sollen.
Soziale             Erfolgreiches Kooperatives Lernen erfordert soziale Kompetenzen seitens der Schüle-
Kompetenzen         rinnen und Schüler (Johnson & Johnson, 1989; 2002). Notwendige soziale Kompe-
                    tenzen für eine gelingende Zusammenarbeit sollen mit den Schülerinnen und Schü-
                    lern thematisiert und eingeübt werden.
Prozessevaluation   Die Gruppe erhält die Möglichkeit, ihren eigenen Arbeitsprozess zu reflektieren und
                    evaluieren. Dies setzt voraus, dass die Mitglieder einer Gruppe die notwendigen
                    Handlungsschritte und Aufgaben kennen, um diese evaluieren zu können (Johnson et
                    al., 2002). Der Prozess der Zusammenarbeit soll durch eine regelmäßige Evaluation
                    optimiert werden (Lanphen, 2011).
260                                                            Simone Weber & Christian Huber

    Kooperatives Lernen bietet die Chance,       Methodik
soziale Beziehungen zwischen Schülerin-
nen und Schülern mit sowie ohne sonder-          Die Literaturrecherche wurde in insgesamt
pädagogischen Förderbedarf zu verbessern,        sechs Datenbanken (ERIC, PsychINFO, Psy-
fördern und zu festigen (Johnson & Johnson,      chology and Behavioral Science Collection,
1980; Stephan & Stephan, 2005). Im Zuge          PSYNDEX, MEDLINE sowie FIS-Datenbank)
des Kooperativen Lernens finden vielfach         durchgeführt. Die Begriffe für die systemati-
Interaktionen zwischen Schülerinnen und          sche Datenbankrecherche wurden theorie-
Schülern mit und ohne sonderpädagogi-            basiert aus dem Modell der sozialen Integ-
schen Förderbedarf statt, die durch den Ein-     ration nach Koster et al. (2009) sowie der
bezug der Basiskriterien zu einem gemein-        Definition des Kooperativen Lernens nach
samen Erfolg der Gruppe führen. Anders als       Johnson und Johnson (1994) abgeleitet. Des
in Einzelarbeitssituationen erfahren die         Weiteren wurde eine Vorrecherche genutz-
Schülerinnen und Schüler während des Ko-         ter Begrifflichkeiten anhand bereits bekann-
operativen Lernens den Nutzen sowie die          ter Publikationen durchgeführt. Für die
Vorteile des Miteinanders (Johnson, John-        Suche von englischsprachigen Arbeiten
son & Maruyama, 1983).                           wurde folgende Suchsyntax genutzt: “coop-
                                                 erative learning” OR “collaborative learn-
Forschungsfragen                                 ing” OR “learning together” AND “social
                                                 integration” OR “social inclusion” OR “so-
Für die vorliegende Arbeit lassen sich zwei      cial participation” OR “social acceptance”
übergeordnete Fragestellungen benennen.          OR “peer acceptance” OR “acceptance”
Einerseits stellt sich die Frage, ob die Wirk-   OR “social relations” AND disab* OR hand-
samkeit des Kooperativen Lernens auf die         icap* OR impair* OR disord* OR difficult*
soziale Integration von Schülerinnen und         OR “special educational needs” OR “spe-
Schülern mit sonderpädagogischem Förder-         cial needs” OR “special education”. Für die
bedarf empirisch nachgewiesen wurde. Mit         Suche von deutschsprachigen Arbeiten
Blick auf die konkrete Gestaltung von Ko-        wurde folgende Suchsyntax genutzt: „Ko-
operativem Lernen zielt die zweite überge-       operatives Lernen“ UND „Soziale Integrati-
ordnete Fragestellung auf wichtige Gelin-        on“ ODER „Soziale Inklusion“ ODER „So-
gensbedingungen für ein evidenzbasiertes         ziale Partizipation“ ODER „Soziale Akzep-
Konzept zur Verbesserung der sozialen Inte-      tanz“ ODER „Beziehung“ UND „Behinde-
gration ab. In diesem Review werden die          rung“ ODER „sonderpädagogischer Förder-
vorliegenden Studien daher in Bezug auf          bedarf“ ODER „behindert“. Die Recherche
die folgenden Aspekte analysiert:                wissenschaftlicher Originalarbeiten fand im
1. Mit welcher Stichprobe wurde das Ko-          Oktober 2019 statt. Zur Identifikation wur-
    operative Lernen durchgeführt?               den folgende Kriterien definiert:
2. In welchem Schulfach fand das Koope-          1. Die Studien wurden in deutscher oder
    rative Lernen statt?                             englischer Sprache verfasst.
3. Wie wurden die Gruppen innerhalb des          2. Die Studien waren peer-reviewed.
    Kooperativen Lernens zusammenge-             3. Die Studien wiesen ein Prä-Posttestde-
    setzt?                                           sign mit einer Kontrollgruppe auf.
4. In welchem Umfang und in welcher              4. Die Studien wurden in einem inklusi-
    Dauer wurde das Kooperative Lernen               ven, schulischen Setting durchgeführt.
    durchgeführt?
5. Inwieweit wurden die Basiskriterien des       Ausgangspunkt der Literaturrecherche wa-
    Kooperativen Lernens umgesetzt?              ren 1758 Treffer. Die 1758 Treffer wurden in
6. Wie wurden die Lehrkräfte im Vorfeld          einem ersten Schritt anhand einer Prüfung
    des Kooperativen Lernens geschult?           der Überschriften, der angegebenen Stich-
Soziale Integration und kooperatives Lernen                                                  261

                     1758 Treffer bei der Suche in den Datenbanken
  Vorgehen: Sichtung der Titel und Stichwörter, Lesen der einzelnen Abstracts unter Berück-
                             sichtigung der definierten Kriterien

                                              •
                                        31 Treffer
   Vorgehen: Lesen der Gesamttexte aller 31 Treffer unter Berücksichtigung der definierten
                                         Kriterien

                                              •
                                     Zehn Treffer
    Vorgehen: Auswahl von zehn Studien unter Berücksichtigung der definierten Kriterien

Abbildung 2. Darstellung der Literaturrecherche und –auswahl.

wörter und der Abstracts auf die definierten      Morris (2008) ist die Berechnung dieses Ef-
Auswahlkriterien geprüft. Trotz entspre-          fektstärkemaßes für Studiendesigns mit
chender Voreinstellungen wurden Treffer           Messwiederholung empfehlenswert, da die
angezeigt, welche keinem Peer-Review-Ver-         Differenz der Prä-Posttestmessung der bei-
fahren unterlagen, thematisch nicht ganz          den Gruppen an der gepolten Standardab-
passend oder nicht empirisch waren. Da-           weichung der Prämessung gewichtet wird
durch reduzierte sich die Auswahl auf 31          und diese keiner Beeinflussung durch die
Treffer, die im Volltext gelesen wurden.          durchgeführte Intervention unterliegt. Für
Nach einer weiteren Prüfung der definier-         die Studie von Jacques, Wilton und Towns-
ten Auswahlkriterien verblieben zehn empi-        end (1998) wurde dCohen berechnet, da nicht
rische Originalarbeiten, welche die Basis         alle Werte berichtet wurden, die für die Be-
dieses Reviews darstellen. Die Abstracts          rechnung der Effektstärke dppc2 notwendig
und die Manuskripte wurden von der Auto-          waren. Für die Studie von Yager, Johnson,
rin gelesen. In Einzelfällen wurden weitere       Johnson und Snider (1985) konnte keine Ef-
Personen zur Unterstützung zu Rate gezo-          fektstärke berechnet werden, da die Verän-
gen.                                              derung der sozialen Integration durch den
    Für einige Studien waren nicht alle not-      Einsatz kooperativer Lernformen lediglich
wendigen Informationen zur Beantwortung           auf deskriptiver Ebene dargestellt wurde.
der Forschungsfragen verfügbar. Sofern eine           Die vorliegenden Effektstärken werden
Korrespondenzadresse ermittelt werden             wie folgt interpretiert: d < 0: negativer Ef-
konnte, wurden die Autorinnen und Auto-           fekt, 0.0 ≤ d ≤ 0.1: kein Effekt, 0.2 ≤ d ≤ 0.4:
ren auf schriftlichem Wege kontaktiert, um        kleiner Effekt, 0.5 ≤ d ≤ 0.7: mittlerer Effekt,
die fehlenden Informationen anzufragen. Es        d ≥ 0.8: großer Effekt (Cohen, 1988).
erfolgte keine Rückmeldung.                           Im Folgenden werden zunächst die Stu-
    Die einbezogenen Studien sind in Tabel-       diendesigns und damit die Umsetzung von
le 2 in alphabetischer Reihenfolge darge-         Kooperativem Lernen in den einzelnen Stu-
stellt. Ergänzend berechnete Effektstärken        dien deskriptiv skizziert. In einem zweiten
für die einzelnen Studien befinden sich           Schritt erfolgt schließlich eine vergleichen-
ebenfalls in Tabelle 2. Die Berechnungen          de Diskussion der Studien mit dem Ziel,
wurden nach Lenhard und Lenhard (2016)            Kriterien des Kooperativen Lernens zur Er-
durchgeführt. Für acht Studien konnte die         höhung der sozialen Integration abzuleiten.
Effektstärke dppc2 berechnet werden. Nach
Tabelle 2: Übersicht der einbezogenen Studien
                                                                                                                                                                           262

Studie     Stichprobe                         Rahmenbedingungen                            Einbezug                     Zentrale Ergebnisse
                                                                                           Basiskriterien
André,     IG (KL): N = 112 SuS, n = 16 SuS   Schulfach: Sport                             1. positive Interdepen-      Akzeptanz:
Deneuve    mit SFB LE                         Gruppengröße: vier SuS                          denz                      signifikant höhere Anzahl erhaltener soziometri-
& Louvet   KG (IL): N = 105 SuS, n = 16 SuS   Kriterien Gruppenzusammensetzung: SFB        2. individuelle Verantwor-   scher Wahlen in IG als in KG
(2011)     mit SFB LE                         Umfang & Dauer:                                 tung                      (n = 16, dppc2 = 1.20)
           Alter: MW = 11.80 Jahre (keine     sechs Einheiten à 120 Min. über einen        3. unterstützende
           SD angegeben)                      Zeitraum von fünf Wochen                        Interaktion
                                                                                           4. soziale Kompetenzen
                                                                                           5. Prozessevaluation
André,    IG (KL mit selbstgewählten          Schulfach: Sport                             1. positive Interdepen-      Akzeptanz:
Louvet &  Inhalten):                          Gruppengröße: drei SuS                          denz                      signifikant höhere Anzahl erhaltener soziometri-
Deneuve   N = 102 SuS*, n = 18 SuS mit        Kriterien Gruppenzusammensetzung: SFB        2. individuelle Verantwor-   scher Wahlen in IG als in KG
(2013)    SFB LE*                             Umfang & Dauer:                                 tung                      (n = 18, dppc2 = 0.66)
          KG (KL mit vorgegebenen             sieben Einheiten à 120 Min. über einen       3. unterstützende            Gemeinsame Arbeit:
          Inhalten):                          Zeitraum von sechs Wochen                       Interaktion               signifikant höhere Anzahl an beobachtetem
          N = 102 SuS*, n = 18 SuS mit                                                     4. soziale Kompetenzen       unterstützendem Verhalten in IG als in KG
          SFB LE*                                                                          5. Prozessevaluation         (n = 18, dppc2 = 1.13)
          Alter: 11 bis 12 Jahre
Gillies & IG (KL): N = 76 SuS*, n = 11 SuS    Schulfach: Sozialwissenschaften              1. positive Interdepen-      Gemeinsame Arbeit:
Ashman mit SFB LE                             Gruppengröße: vier SuS                          denz                      signifikant höhere Anzahl an beobachtetem
(2000)    KG (unstrukturierte Gruppen-        Kriterien Gruppenzusammensetzung:            2. individuelle Verantwor-   unterstützendem Verhalten in IG als in KG
          arbeit)                             SFB, leistungsbezogene Kompetenz,               tung                      (n = 11, dppc2 = 1.65)
          N = 76 SuS*, n = 11 SuS             Geschlecht                                   3. unterstützende            Teilnahme an Gruppenaktivitäten:
          mit SFB LE                          Umfang & Dauer:                                 Interaktion               keine signifikanten Unterschiede des beobachte-
          Alter: 8 bis 9 Jahre                54 Einheiten à 60 Min. über einen Zeitraum   4. soziale Kompetenzen       ten kooperativen Verhaltens zwischen IG und
                                              von 18 Wochen (dreimal wöchentlich)          5. Prozessevaluation         KG
                                                                                                                        (n = 11, dppc2 = -0.39)
Jacques,   IG (KL): N = 313* SuS,             Schulfach:                                   1. positive Interdepen-      Akzeptanz:
Wilton     n = 10 SuS mit SFB GE              Geographie oder Sozialwissenschaften            denz                      signifikant höhere Anzahl erhaltener soziometri-
&          KG (IL): N = 315 SuS*,             Gruppengröße: vier bis sechs SuS             2. individuelle Verantwor-   scher Wahlen in IG als in KG (n = 10 (IG),
Towns-     n = 12 SuS mit SFB GE              Kriterien Gruppenzusammensetzung: SFB           tung                      n = 12 (KG), Post: dCohen = 3.40, Follow-Up:
end        Alter: 9 bis 11 Jahre              Umfang & Dauer:                              3. unterstützende            dCohen = 1.42)
(1998)                                        24 Einheiten à 30 Min. über einen Zeitraum      Interaktion
                                                                                                                                                                           Simone Weber & Christian Huber

                                              von sechs Wochen (viermal wöchentlich)
Tabelle 2: Fortsetzung
Studie     Stichprobe                        Rahmenbedingungen                             Einbezug                     Zentrale Ergebnisse
                                                                                           Basiskriterien
Madden     IG (KL): N = 72 SuS*,             Schulfach: Mathematik                         1. positive Interdepen-      Akzeptanz: keine signifikanten Unterschiede in
& Slavin   n = 20 SuS mit SFB LE*            Gruppengröße: keine Angabe                       denz                      der Anzahl erhaltener soziometrischer Wahlen
(1983)     KG (IL): N = 71 SuS*,             Kriterien Gruppenzusammensetzung:             2. individuelle Verantwor-   zwischen IG und KG (n = 20, dppc2 = - 0.08
           n = 20 SuS mit SFB LE*            SFB, Geschlecht, leistungsbezogene               tung                      (Freundschaft), dppc2 = - 0.41 (Zusammenarbeit)
           Alter: keine Angabe               Kompetenz, ethnische Zugehörigkeit                                         Ablehnung: signifikant geringere Anzahl
                                             Umfang & Dauer:                                                            erhaltener soziometrischer Ablehnungen in IG
                                             35 Einheiten à 45 Min. über einen Zeitraum                                 als in KG (n = 20, dppc2 = - 0.65)
                                             von sieben Wochen (fünfmal wöchentlich)                                    Soziales Selbstkonzept: keine signifikanten
                                                                                                                        Unterschiede in dem sozialen Selbstkonzept
                                                                                                                        (n = 17 (IG), n = 15 (KG), dppc2 = - 0.32)
Piercy,    IG1 (KL): N = 16 SuS, n = 2 SuS   Schulfach: keine Angabe                       1. positive Interdepen-      Akzeptanz: signifikante Unterschiede in der
Wilton     mit SFB GE                        Gruppengröße: drei bis vier SuS                  denz                      Anzahl erhaltener Wahlen zwischen IG1, IG2
&          IG2 (sozialer Kontakt):           Kriterien Gruppenzusammensetzung: SFB         3. unterstützende            und KG; signifikante Erhöhung der Anzahl
                                                                                                                                                                          Soziale Integration und kooperatives Lernen

Towns-     N = 16 SuS, n = 2 SuS mit SFB     Umfang & Dauer:                                  Interaktion               erhaltener Wahlen in IG1 vom Prä- zum Posttest;
end        GE                                20 Einheiten à 40 Min. über einen Zeitraum    5. Prozessevaluation         keine signifikanten Unterschiede in IG2 und KG
(2002)     KG (IL): N = 15 SuS, n = 2 SuS    von zehn Wochen (zweimal wöchentlich)                                      vom Prä- zum Posttest (n = 2, dppc2 = 2.12 (IG1
           mit SFB GE                                                                                                   und KG), dppc2 = 0.78 (IG2 und KG)
           Alter: 6 bis 7 Jahre                                                                                         Gemeinsame Arbeit: signifikante Unterschiede
                                                                                                                        in beobachtbarem unterstützendem Verhalten
                                                                                                                        zwischen IG1, IG2 und KG; signifikante
                                                                                                                        Erhöhung des beobachtbaren unterstützenden
                                                                                                                        Verhaltens in IG1 vom Prä- zum Posttest; keine
                                                                                                                        signifikanten Unterschiede in IG2 und KG vom
                                                                                                                        Prä- zum Posttest (n = 2, dCohen = 8.33)
Putnam,    IG (KL): N = 122 SuS,             Schulfach:                                    1. positive Interdepen-      Akzeptanz: signifikant höhere Anzahl erhaltener
Markov-    n = 16 SuS mit SFB LE, ESE, HK,   Mathematik, Naturwissenschaften, Sozialwis-      denz                      soziometrischer Wahlen in IG als in KG1 und
chick,     SQ, GE oder SMB                   senschaften, Englisch                         2. individuelle Verantwor-   KG2 (n = 16 (IG), n = 7 (KG1), n = 17 (KG2),
Johnson    KG1 (IL): N = 129 SuS,            Gruppengröße: drei bis vier SuS                  tung                      dppc2 = 0.84 (IG und KG1), dppc2 = 1.04 (IG und
&          n = 7 SuS mit SFB mit SFB LE,     Kriterien Gruppenzusammensetzung: SFB         3. unterstützende            KG 2)
Johnson    ESE, HK, SQ, GE oder SMB          Umfang & Dauer:                                  Interaktion
(1996)     KG2 (IL): N = 166 SuS,            64 Einheiten* à 45 Min. über einen Zeitraum   4. soziale Kompetenzen
           n = 18 SuS mit SFB mit SFB LE,    von 32 Wochen (mindestens zweimal             5. Prozessevaluation
           ESE, HK, SQ, GE oder SMB          wöchentlich)
                                                                                                                                                                          263

           Alter: 10 bis 15 Jahre
Tabelle 2: Fortsetzung
                                                                                                                                                                          264

Studie    Stichprobe                        Rahmenbedingungen                             Einbezug                     Zentrale Ergebnisse
                                                                                          Basiskriterien
Slavin,   IG1 (KL): N = 151 SuS*,           Schulfach: Mathematik                         1. positive Interdepen-      Akzeptanz: keine signifikanten Unterschiede
Leavey    n = 22 SuS mit SFB LE             Gruppengröße: vier bis fünf SuS                  denz                      zwischen IG und KG1, signifikant höhere Anzahl
&         KG1 (IL): n = 147 SuS*,           Kriterien Gruppenzusammensetzung:             2. individuelle Verantwor-   erhaltener soziometrischer Wahlen in IG als in
Madden    n = 18 SuS mit SFB LE             SFB, Geschlecht, leistungsbezogene               tung                      KG2 (n = 22 (IG), n = 18 (KG1) n = 23 (KG2),
(1984)    KG2 (regulärer Unterricht):       Kompetenz, ethnische Zugehörigkeit            3. unterstützende            dppc2 = -0.03 (IG und KG1), dppc2 = 0.23 (IG und
          n = 152 SuS*, n = 23 SuS          Umfang & Dauer:                                  Interaktion               KG2)
          mit SFB LE                        zehn Wochen (keine weiteren Angaben)                                       Ablehnung: keine signifikanten Unterschiede
          Alter: keine Angabe                                                                                          zwischen IG und KG1, signifikant niedrigere
                                                                                                                       Anzahl erhaltener soziometrischer „Nichtwah-
                                                                                                                       len“ (not-chosen) in IG als in KG2 (n = 22 (IG),
                                                                                                                       n = 18 (KG1) n = 23 (KG2), dppc2 = 0.21 (IG und
                                                                                                                       KG1), dppc2 = -0.34
Stevens IG (KL): n = 457 SuS,             Schulfach: keine Angabe                         1. positive Interdepen-      Akzeptanz: signifikant höhere Anzahl erhaltener
& Slavin n = 40 SuS mit SFB LE            Gruppengröße: vier SuS                             denz                      soziometrischer Wahlen in IG als in KG (n = 40
(1995)   KG (IL): n = 523 SuS, n = 36 SuS Kriterien Gruppenzusammensetzung: SFB           2. individuelle Verantwor-   (IG), n = 36 (KG), dppc2 = 1.18)
         mit SFB LE                       Umfang & Dauer:                                    tung                      Kontaktinitiierung: signifikant höhere Anzahl
         Alter: keine Angabe              416 Einheiten (keine Zeitangabe) über einen     3. unterstützende            abgegebener soziometrischer Wahlen in IG als
                                          Zeitraum von 104 Wochen (viermal                   Interaktion               in KG (n = 40 (IG), n = 36 (KG), dppc2 = 0.98)
                                          wöchentlich)
Yager,   IG (KL): N = 23 SuS*, n = 5 SuS  Schulfach: Naturwissenschaften                  1. positive Interdepen-      Akzeptanz: Erhöhung der Anzahl erhaltener
Johnson, mit SFB LE und/oder ESE *        Gruppengröße: drei bis fünf SuS                    denz                      soziometrischer Wahlen in IG vom Prätest zum
Johnson KG1 (KL und IL): N = 23 SuS*,     Kriterien Gruppenzusammensetzung:               3. unterstützende            Posttest, Verringerung der Anzahl der Wahlen in
& Snider n = 5 SuS mit SFB LE und/oder    SFB, Geschlecht, Alter                             Interaktion               KG1 und KG2 vom Prätest zum Posttest
(1985)   ESE *                            Umfang & Dauer:                                                              Ablehnung: Verringerung der Anzahl erhaltener
         KG2 (IL): N = 23 SuS*, n = 5 SuS 40 Einheiten à 45 Min. über einen Zeitraum                                   soziometrischer Ablehnungen in IG und KG1
         mit SFB LE und/oder ESE *        von ca. acht Wochen (fünfmal wöchentlich)                                    vom Prätest zum Posttest, Erhöhung der Anzahl
         Alter: keine Angabe                                                                                           der Ablehnungen in KG2 vom Prätest zum
                                                                                                                       Posttest
Anmerkungen. SuS = Schülerinnen und Schüler, SFB = sonderpädagogischer Förderbedarf, GE = Geistige Entwicklung; ESE = Emotionale und soziale Entwicklung; LE =
Lernen, HK = Hören und Kommunikation, SQ = Sprache, SMB = Schwerstmehrfachbehinderung; KL = Kooperatives Lernen; IL = Individuelles Lernen; LK = Lehrkraft, * Im-
pliziert, dass in der Studie keine expliziten Angaben gemacht wurden und es sich bei den angegebenen Zahlen um eine Schätzung, basierend auf den Informationen aus der
Studie, handelt, IG = Interventionsgruppe; KG = Kontrollgruppe
                                                                                                                                                                          Simone Weber & Christian Huber
Soziale Integration und kooperatives Lernen                                                    265

Ergebnisse                                           Stichprobe
Wirksamkeit des Kooperativen
                                                     In der Studie von Jacques et al. (1998) war
Lernens auf die soziale Integration
                                                     mit 3 % der kleinste Anteil an Schülerinnen
Die soziale Integration wurde in den einzel-         und Schülern mit sonderpädagogischem
nen Studien zum Teil auf unterschiedliche            Förderbedarf vertreten. Der größte Anteil an
Art und Weise untersucht. Die Ergebnisse             Schülerinnen und Schülern mit sonderpäd-
der Studien wurden in das mehrdimensio-              agogischem Förderbedarf fand sich mit
nale Modell sozialer Integration nach Kos-           28 % in der Studie von Madden und Slavin
ter et al. (2009) eingeordnet. Die Einord-           (1983). Im Mittel wiesen 15 % der teilneh-
nung wird in Abbildung 3 dargestellt.                menden Schülerinnen und Schüler einen
    Neun der zehn Studien untersuchten die           sonderpädagogischen Förderbedarf auf
soziale Integration anhand der Dimension             (SD = 0.06).
Akzeptanz. Zusätzlich bezogen vier Stu-                  In acht Studien wiesen die Schülerinnen
dien Variablen der Dimension Kontakte und            und Schüler einen sonderpädagogischen
eine Studie die eigene Wahrnehmung (des              Förderbedarf im Bereich Lernen auf (André
sozialen Selbstkonzepts) mit ein. Zum                et al., 2011; 2013; Gillies & Ashman, 2000;
Großteil konnte eine statistisch signifikante        Madden & Slavin, 1983; Putnam et al.,
Verbesserung der sozialen Integration in             1996; Slavin et al., 1984; Stevens & Slavin,
einzelnen Dimensionen nachgewiesen                   1995; Yager et al., 1985), in drei Studien
werden.                                              waren Schülerinnen und Schüler mit einem
                                                     Förderbedarf im Bereich Geistige Entwick-

                                                Soziale
                                              Integration

                                                      Eigene
   Beziehungen               Kontakte                                      Akzeptanz
                                                   Wahrnehmung

                           Gemeinsame Arbeit         Soziales Selbstkon-           Akzeptanz
                                signifikante                 zept            signifikante Erhöhung
                                 Erhöhung             keine signifikante   André et al., 2011; 2013;
                           André et al., 2013;            Erhöhung            Jacques et al., 1998;
                            Gillies & Ashman,         Madden & Slavin,         Piercy et al., 2002;
                           2000; Piercy et al.,             1983              Putnam et al., 1996;
                                   2002                                        Slavin et al., 1984;
                                                                            Stevens & Slavin, 1995
                              Teilnahme an                                      keine signifikante
                           Gruppenaktivitäten                                       Erhöhung
                            keine signifikante                             Madden & Slavin, 1983
                                Erhöhung                                     deskriptive Erhöhung
                            Gillies &Ashman,                                    Yager et al., 1985
                                   2000
                                                                                   Ablehnung
                            Kontaktinitiierung
                                                                           signifikante Verringerung
                               signifikante
                                                                            Madden & Slavin, 983;
                                Erhöhung
                                                                              Slavin et al., 1984
                            Stevens & Slavin,
                                                                           deskriptive Verringerung
                                  1995
                                                                               Yager et al., 1985

Abbildung 3. Darstellung der Ergebnisse anhand des mehrdimensionalen Modells sozialer Integration
nach Koster et al. (2009).
266                                                            Simone Weber & Christian Huber

lung (Jacques et al., 1998; Piercy et al.,      Gruppengröße
2002; Putnam et al., 1996) und in zwei Stu-
dien Schülerinnen und Schüler mit dem           Im Mittel bestand eine kooperative Gruppe
Förderschwerpunkt Emotionale und soziale        aus vier Schülerinnen und Schülern. Die
Entwicklung (Putnam et al., 1996; Yager et      kleinste Gruppe bestand aus drei Schülerin-
al., 1985) vertreten. Die Studie von Putnam     nen und Schülern (André et al., 2013; Pier-
et al. (1996) bezog zudem die Förder-           cy et al., 2002; Putnam et al., 1996; Yager et
schwerpunkte Hören und Kommunikation            al., 1985) und die größte Gruppe aus sechs
sowie Sprache ein und es waren Kinder mit       (Jacques et al., 1998).
einer Schwerstmehrfachbehinderung ver-
treten.                                         Gruppenzusammensetzung
     In sechs Studien fanden sich Angaben
über das Alter der Schülerinnen und Schü-       Die Gruppenzusammensetzung wurde in
ler. Die Schülerinnen und Schüler dieser        allen Studien in Form einer geschichteten
Studien (André et al., 2011; 2013; Gillies &    Zufallsstichprobe durchgeführt. Ein Kriteri-
Ashman, 2000; Jacques et al., 1998; Piercy      um bei der Gruppenzusammensetzung
et al., 2002; Putnam et al., 1996) waren        über alle Studien hinweg war die Verteilung
zwischen sechs und 15 Jahren alt.               von Schülerinnen und Schülern mit sonder-
     In drei Studien wurden die Schülerinnen    pädagogischem Förderbedarf auf unter-
und Schüler erstmalig im Rahmen der je-         schiedliche Gruppen. Weiter berücksichtig-
weiligen Intervention gemeinsam beschult        ten einige Studien Variablen wie das Ge-
(André et al., 2011; 2013; Yager et al.,        schlecht (z.B. Yager et al., 1985) oder die
1985).                                          leistungsbezogene Kompetenz in einzelnen
                                                Schulfächern (z.B. Madden & Slavin, 1983).
Schulfach                                       Auch die ethnische Zugehörigkeit wurde
                                                vereinzelt berücksichtigt (z.B. Slavin et al.,
Anhand der Angaben der Autorinnen und           1984).
Autoren ließen sich sechs unterschiedliche          In der Studie von André et al. (2013)
Schulfächer (Sport, Geographie, Naturwis-       fand in jeder kooperativen Einheit eine ver-
senschaften, Sozialwissenschaften, Mathe-       änderte Gruppenzusammensetzung statt
matik, Englisch) identifizieren, in denen Ko-   und in der Studie von Slavin et al. (1984)
operatives Lernen durchgeführt wurde.           jeden Monat. Da in den anderen Studien
Nicht inbegriffen ist die Studie von Stevens    diesbezüglich keine Information genannt
und Slavin (1995), da hier keine Fokussie-      wurde, ist davon auszugehen, dass die
rung auf ein Schulfach vorgenommen wur-         Gruppenzusammensetzung über den Inter-
de.                                             ventionszeitraum hinweg unverändert
    Unterschiede gab es weiter in der An-       blieb.
zahl der Schulfächer. In einem Großteil der
Studien wurde Kooperatives Lernen aus-          Umfang und Dauer
schließlich in einem Schulfach durchge-
führt (André et al., 2011; 2013; Gillies &      Der kürzeste Interventionszeitraum lag in
Ashman, 2000; Jacques et al., 1998; Mad-        der Studie von André et al. (2011) vor und
den & Slavin, 1983; Slavin et al., 1984; Ya-    umfasste fünf Wochen. Der längste Inter-
ger et al., 1985). Bei Putnam et al. (1996)     ventionszeitraum lag in der Studie von Ste-
wurde Kooperatives Lernen in vier Schulfä-      vens & Slavin (1995) vor und umfasste 104
chern durchgeführt, während sich bei Pier-      Wochen (zwei Jahre). Im Mittel umfasste
cy et al. (2002) keine Angabe über die An-      der Interventionszeitraum 20.60 Wochen
zahl der Schulfächer fand.                      (SD = 28.86, MD = 9).
Soziale Integration und kooperatives Lernen                                             267

    Innerhalb des Interventionszeitraums       al., 2002; Slavin et al., 1984; Stevens & Sla-
wurden im Mittel 74 kooperative Lernein-       vin, 1995; Yager et al., 1985) wurde eine
heiten durchgeführt (SD = 122.32,              Belohnungs-Interdependenz erzeugt. Darü-
MD = 35). Die geringste Anzahl fand sich       ber hinaus wurde bei Jacques et al. (1998)
bei André et al. (2011) mit sechs Einheiten    eine Ressourcen-Interdependenz und eine
und die höchste Anzahl mit 416 Einheiten       Ziel-Interdependenz geschaffen, indem sich
bei Putnam et al. (1996).                      die Mitglieder der kooperativen Lerngruppe
    Die Einheiten wurden über den Inter-       das in Einzelarbeit erworbene Wissen ge-
ventionszeitraum hinweg in unterschiedli-      genseitig vermittelten. Dieses individuelle
chen Frequenzen durchgeführt. Während in       Wissen war im anschließenden Test für alle
den Studien von André et al. (2011; 2013)      Mitglieder prüfungsrelevant. Die positive
circa einmal wöchentlich eine kooperative      Interdependenz wurde durch die Limitation
Lerneinheit durchgeführt wurde, fand in        des Arbeitsmaterials bei Yager et al. (1985)
den Studien von Piercy et al. (2002) sowie     weiter erhöht. Bei Gillies und Ashman
Putnam et al. (1996) zweimal wöchentlich       (2000) sowie Putnam et al. (1996) fanden
Kooperatives Lernen statt. Bei Gillies und     sich keine Hinweise bezüglich der konkre-
Ashman (2002) wurde dreimal wöchentlich        ten Umsetzung.
Kooperatives Lernen durchgeführt. In den
Studien von Jacques et al. (1998) sowie Ste-   Individuelle Verantwortung
vens und Slavin (1995) fanden viermal wö-      Dieses Basiskriterium wurde in acht Studien
chentlich und in den Studien von Madden        (André et al., 2011; 2013; Gillies & Ash-
und Slavin (1983) sowie Yager et al. (1985)    man, 2000; Jacques et al., 1998; Madden &
täglich kooperative Lerneinheiten statt. Bei   Slavin, 1983; Putnam et al., 1996; Slavin et
Slavin et al. (1984) waren diesbezüglich       al., 1984; Stevens & Slavin, 1995) berück-
keine Informationen zu finden.                 sichtigt. Bei André et al. (2011; 2013) wur-
    Die Länge der einzelnen kooperativen       de die individuelle Verantwortung durch die
Lerneinheiten betrug im Mittel 63.13 Minu-     Vergabe einzelner Rollen operationalisiert.
ten (SD = 33.72, MD = 45). Die kürzeste        In den Studien von Jacques et al. (1998),
Längenangabe fand bei Jacques et al. (1998)    Madden und Slavin (1983), Slavin et al.
mit 30 Minuten, wohingegen André et al.        (1984) sowie Stevens und Slavin (1995)
(2011; 2013) mit 120 Minuten von den           nahmen die Schülerinnen und Schüler ab-
längsten kooperativen Lerneinheiten inner-     schließend an einem Quiz teil. Die erreich-
halb der vorliegenden Studien berichteten.     ten Punkte wurden dem Gruppenkonto zu-
                                               geschrieben, wodurch jedes Mitglied eine
Umsetzung Kooperatives Lernen                  individuelle Verantwortung für die Gesamt-
                                               punktzahl der Gruppe übernahm. Bei
Zur besseren Orientierung wird die Umset-      Jacques et al. (1998) vermittelten sich die
zung des Kooperativen Lernens in den Stu-      Schülerinnen und Schüler die Inhalte, auf-
dien anhand der fünf Basiskriterien nach       grund der bestehenden Ressourcen-Interde-
Johnson und Johnson (1994) dargestellt (sie-   pendenz, gegenseitig und übernahmen so-
he Tabelle 1).                                 mit ebenfalls die individuelle Verantwor-
                                               tung für die Erarbeitung und Vermittlung der
Positive Interdependenz                        relevanten Inhalte. In den Studien von Sla-
In allen zehn Studien wurde das Basiskrite-    vin et al. (1984) sowie Stevens und Slavin
rium der positiven Interdependenz berück-      (1995) bezogen sich die Aufgaben des Quiz
sichtigt. Hierbei ergaben sich Unterschiede    auf die zuvor in Einzelarbeit thematisierten
in der konkreten Umsetzung. In acht Stu-       Aufgaben, deren Erarbeitung in der indivi-
dien (André et al., 2011; 2013; Jacques et     duellen Verantwortung der Schülerinnen
al., 1998; Madden & Slavin, 1983; Piercy et    und Schüler lag. Bei Gillies und Ashman
268                                                            Simone Weber & Christian Huber

(2000) sowie Putnam et al. (1996) fanden         feld Rollenspiele statt, in denen sozial kom-
sich keine Hinweise über die konkrete Um-        petentes Verhalten mit den Schülerinnen
setzung.                                         und Schülern geübt wurde. Die wichtigsten
                                                 Merkmale dieser Verhaltensweisen wurden
Unterstützende Interaktion                       im Anschluss zusammengefasst und deren
In neun Studien (André et al., 2011; 2013;       Relevanz diskutiert. Bei Putnam et al. (1996)
Gillies & Ashman, 2000; Jacques et al.,          fanden sich keine Informationen über die
1998; Piercy et al., 2002; Putnam et al.,        konkrete Umsetzung.
1996; Slavin et al., 1984; Stevens & Slavin,
1995; Yager et al., 1985) wurde eine unter-      Prozessevaluation
stützende Interaktion bedacht. André et al.      Zum Ende der kooperativen Lerneinheit
(2011; 2013) berichteten eine Förderung          fand in den Studien von André et al. (2011;
der Interaktion durch eine wechselnde            2013), Gillies und Ashman (2000), Piercy et
Gruppenzusammensetzung. Jacques et al.           al. (2002) sowie Putnam et al. (1996) eine
(1998) evozierten eine unterstützende Inter-     Evaluation der Zusammenarbeit innerhalb
aktion durch einen limitierten Satz an Mate-     der Gruppe statt. Bei Gillies und Ashman
rial und den dadurch notwendigen Aus-            (2000) erhielten die Schülerinnen und
tausch untereinander. Teilnehmende Lehr-         Schüler einen Bogen zur schriftlichen Eva-
kräfte in den Studien von Piercy et al. (2002)   luation der Zusammenarbeit innerhalb der
sowie Yager et al. (1985) ermunterten die        Gruppe. Bei Piercy et al. (2002) fand eine
Schülerinnen und Schüler vor jeder Einheit       mündliche Evaluation statt. Den anderen
zu einer kooperativen Zusammenarbeit und         Studien konnten keine weiteren Informatio-
hoben die Vorzüge eines Austausches her-         nen über die konkrete Umsetzung entnom-
vor. Bei Slavin et al. (1984) sowie Stevens      men werden.
und Slavin (1995) fand eine Lösungskont-
rolle innerhalb der Gruppe statt, was eine       Fortbildung der Lehrkräfte
Interaktion verlangte. Bei Gillies und Ash-
man (2000) sowie Putnam et al. (1996) fan-       Ausgehend von den verfügbaren Informati-
den sich keine Hinweise bezüglich der kon-       onen fand in fünf Studien (André et al.,
kreten Umsetzung. Der Studie von Madden          2011; Gillies & Ashman, 2000; Madden &
und Slavin (1983) war nicht zu entnehmen,        Slavin, 1983; Putnam et al., 1996; Stevens
ob eine Interaktion zwischen den Gruppen-        & Slavin, 1995) eine Fortbildung teilneh-
mitgliedern erforderlich war.                    mender Lehrkräfte zum Thema Kooperatives
                                                 Lernen statt. In der Studie von Stevens und
Soziale Kompetenzen                              Slavin (1995) wurden darüber hinaus indi-
Das vierte Basiskriterium wurde in vier der      viduelle Coachings mit Lehrkräften durch-
zehn Studien (André et al., 2011; 2013; Gil-     geführt.
lies & Ashman, 2000; Putnam et al., 1986)
berücksichtigt. Bei André et al. (2011) sowie
Gillies und Ashman (2000) wurden die not-
wendigen sozialen Kompetenzen für Ko-            Diskussion
operatives Lernen im Vorfeld mit den teil-
                                                 Wirksamkeit des Kooperativen
nehmenden Schülerinnen und Schülern be-
                                                 Lernens auf die soziale Integration
sprochen. Bei André et al. (2011; 2013) er-
hielten die Schülerinnen und Schüler Rol-        Die mehrheitlich mittleren bis großen Ef-
len innerhalb ihrer kooperativen Lerngrup-       fektstärken deuten auf die Wirksamkeit des
pe. Die Aufgaben der jeweiligen Rolle            Kooperativen Lernens hinsichtlich der För-
wurden im Vorfeld operationalisiert. Bei         derung der sozialen Integration von Schüle-
Gillies und Ashman (2000) fanden im Vor-         rinnen und Schülern mit sonderpädagogi-
Soziale Integration und kooperatives Lernen                                             269

schem Förderbedarf hin. Die Einordnung          Schülerinnen und Schüler mit sonderpäda-
der einzelnen Studienergebnisse in das          gogischem Förderbedarf mit ca. 3% reprä-
mehrdimensionale Modell sozialer Integra-       sentiert sind (Sekretariat der Ständigen Kon-
tion nach Koster et al. (2009) zeigt jedoch,    ferenz der Kultusminister der Länder in der
dass keine der vorliegenden Studien alle        Bundesrepublik Deutschland [KMK], 2019).
Dimensionen sozialer Integration berück-        Die vergleichbare Verteilung lässt eine
sichtigte. Da in den vorliegenden Studien       Übertragbarkeit der Effekte aus den vorlie-
mehrheitlich die Dimension Akzeptanz fo-        genden Studien in den aktuellen Unter-
kussiert wurde, kann die erste übergeordne-     richtsalltag vermuten.
te Fragestellung nach der Wirksamkeit des
Kooperativen Lernens auf die soziale Integ-     Schulfach
ration von Schülerinnen und Schülern mit
sonderpädagogischem Förderbedarf nur für        Die Tatsache, dass in den vorliegenden Stu-
diese Dimension positiv beantwortet wer-        dien Kooperatives Lernen in sechs unter-
den. Das Ergebnis, dass in drei von vier Stu-   schiedlichen Schulfächern durchgeführt
dien signifikante Erhöhungen mit großen         wurde, gibt einen Hinweis auf die Flexibili-
Effektstärken für die Dimension Kontakte        tät dieser Methode. Auf theoretischer oder
nachgewiesen werden konnten, weist dar-         empirischer Ebene lassen sich nach aktuel-
auf hin, dass sich Kooperatives Lernen auch     lem Kenntnisstand keine Hinweise darauf
auf diese Dimension sozialer Integration        finden, dass eine Förderung der sozialen
positiv auswirken könnte. Für die Dimensi-      Integration durch Kooperatives Lernen auf
on eigene Wahrnehmung (des sozialen             ein bestimmtes Schulfach beschränkt wer-
Selbstkonzepts), die lediglich in der Studie    den sollte. In keiner Studie wurden explizite
von Madden und Slavin (1983) untersucht         Begründungen für die Auswahl des Schul-
wurde, liegen keine signifikanten Effekte       faches genannt. Es wäre möglich, dass
vor. Die Dimension Beziehungen wurde in         durch die Flexibilität einer Methode die
keiner der vorliegenden Studien untersucht.     Chance der praktischen Umsetzung durch
                                                die Lehrkräfte steigt. Die Einführung koope-
Stichprobe                                      rativer Lernmethoden bedarf, je nach Vor-
                                                erfahrungen der Schülerinnen und Schüler
In Bezug auf die Stichprobe zeigte sich in      sowie der Lehrkräfte, eines erhöhten Zeit-
den vorliegenden Studien eine hohe Vari-        und Vorbereitungsaufwands (Brüning &
anz des Alters der Schülerinnen und Schü-       Saum, 2017). Dies könnte eine Begründung
ler. Dies spricht für einen schulformunab-      dafür sein, wieso in einem Großteil der Stu-
hängigen Einsatz des Kooperativen Lernens       dien Kooperatives Lernen nur in einem Un-
zur Förderung sozialer Integrationsprozes-      terrichtsfach durchgeführt wurde. Des Wei-
se. Krull et al. (2014) konnten eine erhöhte    teren wäre es denkbar, dass lediglich einige
soziale Ausgrenzung von Schülerinnen und        (Fach-) Lehrkräfte an den Studien teilnah-
Schülern mit sonderpädagogischem Förder-        men und Kooperatives Lernen daher nur in
bedarf bereits in der ersten Klasse nachwei-    ausgewählten Schulfächern umgesetzt wer-
sen. Die Förderung sozialer Integrationspro-    den konnte.
zesse sollte daher so früh wie möglich ein-
setzen.                                         Gruppengröße
    Die anteilige Repräsentation von Schü-
lerinnen und Schülern mit sonderpädagogi-       Brüning und Saum (2017) empfehlen eine
schem Förderbedarf in den Studien bietet        maximale Größe von vier Gruppenmitglie-
eine gute Vergleichsmöglichkeit zu der ak-      dern, um eine individuelle Einbindung ei-
tuellen Situation an deutschen allgemeinen      nes jeden Mitgliedes zu ermöglichen. In ei-
Schulen (ohne Förderschulen), an denen
270                                                          Simone Weber & Christian Huber

nem Großteil der vorliegenden Studien          lern mit keinen oder wenig Vorerfahrungen,
wurde diese Anforderung umgesetzt.             ein hochfrequenter Einsatz kooperativer
    Bei der Festlegung der Gruppengröße        Lernformen einem niederfrequenten vorzu-
sollte beachtet werden, dass die sozialen      ziehen zu sein, damit die damit einherge-
und kognitiven Anforderungen an die Schü-      henden Strukturen und Abläufe von den
lerinnen und Schüler mit zunehmender           Schülerinnen und Schülern verinnerlicht
Gruppengröße ansteigen. Des Weiteren           werden können. Diese Annahme steht in
steigt mit zunehmender Gruppengröße das        einem Widerspruch zu den Ergebnissen der
Risiko, dass sich einzelne Schülerinnen und    Studie von Madden und Slavin (1983). Ob-
Schüler nicht mehr aktiv an der Kooperation    wohl dort, durch eine tägliche Umsetzung,
beteiligen (Johnson et al., 2002). Green und   hochfrequent Kooperatives Lernen durchge-
Green (2011) sowie Johnson et al. (2002)       führt wurde, konnte keine Verbesserung der
empfehlen mit zwei Mitgliedern pro Grup-       Akzeptanz nachgewiesen werden. Es zeigte
pe zu beginnen, wenn Kooperatives Lernen       sich lediglich eine Verringerung der Ableh-
eingeführt wird.                               nung. Hingegen wiesen André et al. (2011;
                                               2013) eine signifikante Erhöhung der Ak-
Gruppenzusammensetzung                         zeptanz nach, obwohl in ihren Studien le-
                                               diglich circa einmal wöchentlich Kooperati-
In einem Großteil der vorliegenden Studien     ves Lernen durchgeführt wurde. Es wird
wurden zu Beginn der Intervention koope-       deutlich, wie hoch der Bedarf an empiri-
rative Lerngruppen gebildet, die über den      schen Befunden in Bezug auf die Rahmen-
gesamten Zeitraum hinweg bestehen blie-        bedingungen für ein integrationsförderli-
ben. Nach Johnson et al. (2002) bieten die-    ches Kooperatives Lernen ist.
se kooperativen Langzeitgruppen eine Mög-
lichkeit für den Aufbau dauerhafter und en-    Umsetzung Kooperatives Lernen
ger Beziehungen zwischen den Gruppen-
mitgliedern. Darüber hinaus erscheint die      Äquivalent zum Ergebnisteil soll die Umset-
Bildung kooperativer Langzeitgruppen ins-      zung des Kooperativen Lernens anhand der
besondere für Schülerinnen und Schüler mit     Basiskriterien (Johnson & Johnson, 1994)
sozialer Unsicherheit, für die Situationen     diskutiert werden.
sozialer Interaktion häufig stressbehaftet
und mit einem Unwohlsein verknüpft sind        Positive Interdependenz
(Ahrens-Eipper, 2002; Asendorpf, 1993),        Es gibt Hinweise darauf, dass die Realisie-
empfehlenswert.                                rung positiver Interdependenz von Mitglie-
                                               dern kooperativer Lerngruppen unter-
Umfang & Dauer                                 schiedlich wahrgenommen wird. Johnson,
                                               Johnson, Ortiz und Stanne (1991) vergli-
Es wäre wünschenswert, aus den Studien         chen die Ressourcen-Interdependenz mit
Empfehlungen für die Länge des Interventi-     einer Ziel-Interdependenz und wiesen
onszeitraums, die Anzahl der kooperativen      nach, dass die Wahrnehmung der Koopera-
Einheiten, der Frequenz innerhalb des Inter-   tion innerhalb der Gruppe bei dem Einsatz
ventionszeitraums sowie die Länge der ein-     der Ziel-Interdependenz höher war als bei
zelnen kooperativen Einheiten ableiten zu      der Ressourcen-Interdependenz. Johnson et
können. Aufgrund der hohen Varianz, die        al. (2002) empfehlen das Vorhandensein
die Studien in Bezug auf diese Rahmenbe-       einer Ziel-Interdependenz in jeder koopera-
dingungen aufweisen, ist dies auf Basis der    tiven Lerneinheit, um den Nutzen der Ko-
vorhandenen Informationen nicht möglich.       operation für die Schülerinnen und Schüler
   Aus theoretischer Perspektive erscheint,    hervorzuheben. Während alle Studien eine
insbesondere bei Schülerinnen und Schü-        Belohnungs-Interdependenz       realisierten,
Soziale Integration und kooperatives Lernen                                              271

fanden sich lediglich bei Jacques et al.        Inhalten, die im Anschluss in einem Quiz
(1998) konkrete Informationen über die          überprüft wurden. Zander, Kreutzmann und
Schaffung einer Ziel-Interdependenz. Eine       Hannover (2017) betonen die hohe Bedeu-
sinnvolle Umsetzung der Ziel-Interdepen-        tung der individuellen Verantwortung. Sie
denz in der schulischen Praxis bedarf einer     beschreiben Kooperatives Lernen als eine
Differenzierung und somit einer umfassen-       Möglichkeit, um soziale Beziehungen zu
den Vorbereitung, um den Bedarfen und           verbessern, sofern alle Mitglieder der ko-
Kompetenzen aller Schülerinnen und Schü-        operativen Lerngruppe die Möglichkeit ha-
ler gerecht zu werden. Dies könnte ein          ben, einen sinnvollen Beitrag zur Zielerrei-
Grund dafür sein, wieso in einem Großteil       chung beizutragen und somit ihre individu-
der Studien keine Ziel-Interdependenz um-       elle Verantwortung wahrzunehmen. Durch
gesetzt wurde.                                  die Bewertung des Quiz anhand einer indi-
    Eine Möglichkeit zur Umsetzung einer        viduellen Bezugsnorm und einer anschlie-
Ziel-Interdependenz findet sich z.B. bei        ßenden Aufsummierung der erhaltenen
Brüning und Saum (2008), wo einer Inter-        Punkte wurde ein individueller Beitrag aller
aktion zwischen den Mitgliedern stets eine      Mitglieder bei Slavin et al. (1984) sowie Ste-
Einzelarbeitsphase vorausgeht. Im Zuge der      vens und Slavin (1995) ermöglicht. Über-
Einzelarbeitsphase können sich die einzel-      dies stellt sich jedoch die Frage, wie die in-
nen Mitglieder mit unterschiedlichen, indi-     dividuelle Verantwortung während der Er-
viduell angepassten Inhalten auseinander-       arbeitung von den Mitgliedern der koopera-
setzen. In der anschließenden Ko-Konstruk-      tiven Lerngruppen wahrgenommen wurde.
tionsphase bringen sich die Mitglieder die      Es ist anzunehmen, dass die leistungs-
Inhalte gegenseitig näher, sodass jedes Mit-    schwächeren Mitglieder den leistungsstär-
glied Informationen zu jedem Inhalt erhält      keren Mitgliedern bei fachlichen Fragen in
und erlernt. Brüning und Saum (2008) ge-        Bezug auf den individuellen Inhalt nicht be-
ben zu bedenken, dass die Anforderungen         hilflich sein konnten, während dies umge-
an die Gruppenmitglieder in der Ko-Konst-       kehrt wahrscheinlich der Fall war. Somit
ruktionsphase durch die individuellen Auf-      übernahmen die leistungsstärkeren Schüle-
gaben in der Einzelarbeitsphase steigen, da     rinnen und Schüler bei Slavin et al. (1984)
in diesem Fall neben einem Austausch auch       sowie Stevens und Slavin (1995) womöglich
ein gegenseitiges Unterrichten erforderlich     ein höheres Maß an individueller Verant-
sei. Eine leichtere Form der Ko-Konstruktion    wortung als die leistungsschwächeren. Da-
ergibt sich durch die Arbeit an gleichen Auf-   durch könnte ein Statusgefälle entstanden
gaben innerhalb einer Gruppe, die in der        sein. Cohen (1992) bezeichnet diesen Um-
Einzelarbeitsphase z.B. durch differenzier-     stand als einseitige Interdependenz. Für
tes Material umgesetzt werden kann.             eine echte Kooperation fordert Cohen
                                                (1992) die Möglichkeit der gegenseitigen
Individuelle Verantwortung                      Unterstützung, welche sie reziproke Inter-
In einem Großteil der Studien wurde die in-     dependenz nennt.
dividuelle Verantwortung, wie bei Johnson
und Johnson (2000) empfohlen, über die          Unterstützende Interaktion
Teilnahme an einem Quiz sichergestellt.         In dem Großteil der vorliegenden Studien
Das Ausmaß der individuellen Verantwor-         wurde dieses Basiselement bedacht und auf
tung wurde bei Jacques et al. (1998) durch      unterschiedliche Art und Weise umgesetzt.
die individuelle Erarbeitung und Vermitt-       Während André et al. (2011; 2013) die un-
lung der prüfungsrelevanten Inhalte zusätz-     terstützende Interaktion durch eine neue
lich erhöht. Bei Slavin et al. (1984) sowie     Gruppensetzung eher auf einer strukturel-
Stevens und Slavin (1995) arbeiteten die        len Ebene durchführten, fand bei Piercy et
Schülerinnen und Schüler an individuellen       al. (2002) sowie Yager et al. (1985) eine Er-
272                                                         Simone Weber & Christian Huber

munterung zur Interaktion durch die Lehr-     somit flexibel in der Gestaltung ist. Johnson
kräfte statt. Beide Vorgehensweisen könnten   et al. (2002) sehen in der Prozessevaluation
eine unterstützende Interaktion befürwor-     eine Möglichkeit, den Lernprozess der
ten, evozieren diese jedoch nicht sicher.     Gruppe zu verbessern, da durch eine regel-
Eine Evokation der Interaktion wurde bei      mäßige Analyse eine Optimierung der bis-
Jacques et al. (1998) durch die Schaffung     herigen Zusammenarbeit stattfinden kann.
der Ressourcen-Interdependenz und bei
Slavin et al. (1984) sowie Stevens und Sla-   Fortbildung der Lehrkräfte
vin (1995) durch eine vorgegebene Lö-
sungskontrolle sichergestellt.                Die Frage nach der Wirksamkeit einer vor-
                                              herigen Fortbildung teilnehmender Lehr-
Soziale Kompetenzen                           kräfte kann aufgrund der unvollständigen
Lediglich in vier Studien wurden soziale      Informationen nur auf theoretischer Ebene
Kompetenzen thematisiert. Johnson und         diskutiert werden. Traub (2004) weist darauf
Johnson (2002) postulieren ganz allgemein     hin, dass Kooperatives Lernen in der Praxis
einen positiven Zusammenhang zwischen         nur unzureichend Beachtung findet. Eine
den sozialen Kompetenzen der Schülerin-       Befragung von Antil, Jenkins, Wayne und
nen und Schüler und den Beziehungen zwi-      Vadasy (1998) ergab, dass Lehrkräfte häufig
schen den einzelnen Gruppenmitgliedern.       angaben, Kooperatives Lernen durchzufüh-
Es ist somit davon auszugehen, dass die Zu-   ren. Eine Prüfung der durchgeführten Me-
sammenarbeit mit einem Schulkind, das         thoden in Bezug auf die Einhaltung der fünf
eine hohe soziale Kompetenz aufweist, po-     Basiskriterien des Kooperativen Lernens
sitiver wahrgenommen wird als die Zusam-      zeigte jedoch, dass diese nur selten voll-
menarbeit mit einem Kind mit niedrigen        ständig umgesetzt wurden. Eine Betrach-
sozialen Kompetenzen. Eine Thematisie-        tung der heterogenen und zum Teil unvoll-
rung sozialer Kompetenzen auf der Meta-       ständigen Umsetzung des Kooperativen
ebene wie bei André et al. (2011) sowie       Lernens in den vorliegenden Studien unter-
Gillies und Ashman (2000) erscheint sinn-     malt die Flexibilität und die somit einher-
voll, um die teilnehmenden Schülerinnen       gehende Herausforderung bei der Durch-
und Schüler in der Umsetzung sozial kom-      führung kooperativer Lernformen. Die Um-
petenter Verhaltensweisen zu unterstützen.    setzung des Kooperativen Lernens gemäß
Weidner (2012) schreibt der Thematisierung    den Basiskriterien (Johnson & Johnson,
von sozialen Kompetenzen eine hohe Be-        1994) bedarf einer sorgfältigen Organisati-
deutung zu und empfiehlt bei der Vermitt-     on. Die bisherige Diskussion zeigte zudem
lung zu besprechen, warum diese Kompe-        die Notwendigkeit einer sorgfältigen Pla-
tenz wichtig ist und wie sie konkret aus-     nung der Gruppenzusammensetzung im
sieht. Des Weiteren empfiehlt Weidner         Vorfeld. Die von Cohen (1992) empfohlene
(2012) die Schaffung von Situationen, in      Fortbildung teilnehmender Lehrkräfte er-
denen konkrete Verhaltensweisen von den       scheint unbedingt ratsam.
Schülerinnen und Schülern geübt und ge-
festigt werden können.                        Limitationen und Implikationen für
                                              die weitere Forschung
Prozessevaluation
Auch dieses Basiskriterium wurde lediglich    Die einbezogenen Studien weisen eine Rei-
vereinzelt bedacht. Den vorhandenen Infor-    he von Limitationen auf. Eine Limitation al-
mationen ist zu entnehmen, dass eine Eva-     ler Studien liegt in der geringen Stichpro-
luation sowohl mündlich (Piercy et al.,       bengröße. Die Anzahl der Schülerinnen
2002) als auch schriftlich (Gillies & Ash-    und Schüler mit sonderpädagogischem För-
man, 2000) durchgeführt werden kann und       derbedarf über die Studien hinweg ist ge-
Sie können auch lesen