Forderungen der norddeutschen Wirtschaft zur Bundestagswahl 2005
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Arbeitsgemeinschaft Norddeutscher Industrie- und Handels- kammern Forderungen der norddeutschen Wirtschaft zur Bundestagswahl 2005 Die in der Arbeitsgemeinschaft Norddeutscher Industrie- und Handelskammern (IHK Nord) organisierte norddeutsche Wirtschaft erwartet von der neu gewählten Bundes- regierung eine grundsätzliche Kurskorrektur hin zu einer wachstumsstärkenden Wirt- schaftspolitik. Durch investitionsfördernde Rahmenbedingungen, insbesondere eine veränderte Steuer- und Arbeitsmarktpolitik sowie den Abbau von Bürokratie muss die Grundlage für einen allgemeinen Aufschwung sowie für die Sicherung und Schaffung neuer Arbeitsplätze gelegt werden. Die Wirtschaft Norddeutschlands unterstützt dar- über hinaus die Reform des Föderalismus, insbesondere die Entflechtung von Kom- petenzen. Die Arbeitsgemeinschaft Norddeutscher Industrie- und Handelskammern schließt sich in diesen generellen wirtschafts- und strukturpolitischen Forderungen dem vorliegenden DIHK-Positionspapier „100 Vorschläge für mehr Wachstum in Deutschland“ an. Über diese generelle Position der deutschen Wirtschaft hinaus hat die IHK Nord die nachfolgenden Forderungen formuliert, die speziell für den norddeutschen Wirt- schaftsraum wichtig sind. Diese Forderungen resultieren auch aus der Tatsache, dass Norddeutschland beim Ausbau seiner Infrastrukturen im Verhältnis zu seinem Bevölkerungsanteil und seiner Wirtschaftskraft über viele Jahre benachteiligt worden ist. Dabei ist gerade die maritime Wirtschaft Norddeutschlands für Wachstum und Wohlstand im ganzen Bundesgebiet von besonderer Bedeutung. Die Hafenstandorte an Nord- und Ostsee sind in einer globalisierten Wirtschaft logistische Wachstums- zonen und übernehmen Gateway-Funktionen für den gesamten deutschen und eu- ropäischen Außenhandel. Zur Stärkung des norddeutschen Wirtschaftsraumes fordert die IHK Nord daher ins- besondere: 1. Maritime Technologie stärken Die Entwicklung neuer maritimer Technologien in Deutschland sichert die Wett- bewerbsfähigkeit norddeutscher Unternehmen und hilft bei der Schaffung von Ar- beitsplätzen in Wachstumsbranchen. Der Anteil der Ausgaben für Meerestechnik an den Ausgaben des Bundes für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung be- trug im Zeitraum 2001 bis 2003 lediglich 0,25 Prozent (82,5 Mio. Euro). Auch für das Jahr 2004 waren nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung lediglich 0,27 Prozent der Gesamtausgaben (29,1 Mio. Euro) für die- sen innovativen Bereich eingeplant. In der Schaffung von Clustern der maritimen Technologie besteht eine große Chance für den norddeutschen Wissenschafts-
-2- und Wirtschaftsstandort und die Menschen, die im maritimen Umfeld ihre berufli- che Zukunft suchen. Die Ausgaben des Bundes für Meerestechnik sollten daher erhöht werden. 2. Maritime Verbundwirtschaft: Für fairen Wettbewerb sorgen Der deutsche Schiffbau konnte in den vergangenen Jahren trotz des scharfen Wettbewerbs, insbesondere fernöstlicher Schiffbauunternehmen, seine führende Stellung in Europa erhalten. Dazu beigetragen hat vor allem auch die Schiffbau- Zuliefererindustrie, die weltweit mit an der Spitze liegt. Um diese Position beizu- behalten, ist es notwendig, dass zur Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen und Überwindung der Preisdumpingpolitik einiger Staaten weiterhin Wettbe- werbshilfen gewährt werden. 3. Nationale Maritime Konferenzen weiterführen Spätestens mit der vierten "Nationalen Maritimen Konferenz" im Januar 2005 in Bremen hat sich dieses norddeutsche Forum als wichtigste Plattform der mariti- men Wirtschaft etabliert. Diese Veranstaltung gibt wichtige Impulse zur Verbesse- rung der Rahmenbedingungen der maritimen Wirtschaft in Deutschland dar. Für die weitere positive Entwicklung der sowohl volkswirtschaftlich als auch regional- wirtschaftlich außerordentlich wichtigen maritimen Wirtschaft ist die Fortsetzung der "Nationalen Maritimen Konferenz" sowie die Beibehaltung eines Koordinators für die maritime Wirtschaft durch die Bundesregierung daher von großer Bedeu- tung. 4. Hinterlandverbindungen der Seehäfen an Nord- und Ostsee ausbauen Für die norddeutsche Wirtschaft mit ihren Häfen an Nord- und Ostsee als Dreh- scheiben des internationalen Warenverkehrs ist der anforderungsgerechte Aus- bau der Straßen-, Schienen- und Wasserstraßeninfrastruktur sowie der seewärti- gen Zufahrten existenziell. Aktuell bestehen in diesem Zusammenhang folgende Handlungserfordernisse: - Zügige Umsetzung der 15 prioritären Projekte des Schwerpunktes "Stärkung des maritimen Standortes" im Bundesverkehrswegeplan 2003 und der Anpassung des Nord-Ostsee-Kanals an den verkehrlichen Bedarf. - Schnellstmögliche Umsetzung des auf Grund der anstehenden Bundestagswahl gestoppten Infrastruktur-Planungsbeschleunigungsgesetzes. Dabei sollte die Beschränkung auf ausgewählte Verkehrsprojekte zu Gunsten einer generellen Gültigkeit fallengelassen werden. - Umsetzung des im März vorgestellten Zwei-Milliarden-Investitionsprogramms 2005 bis 2008. Dieses Sonder-Investitionsprogramm muss in vollem Umfang – und ohne die übrigen Investitionsmittel für die Verkehrsinfrastruktur zu kürzen – umgesetzt werden. - Die Entwicklung aller norddeutschen Häfen und ihre seewärtige Erreichbarkeit darf nicht durch eine unangemessene Umweltgesetzgebung gefährdet werden. 5. Europa mit dem "EuroRapid" schwebend zusammenbringen Die neue Bundesregierung hat für die Weiterentwicklung der Magnetschwebe- bahntechnologie und die zügige Realisierung von Referenzstrecken in Deutsch- land Sorge zu tragen. Im Rahmen eines europäischen Hochgeschwindigkeitsnet- zes von Amsterdam bis Warschau und von Stockholm bis Budapest ("EuroRa- pid") ist der Einsatz der Magnetschwebebahn auch im Fernverkehr entschlossen
-3- voranzutreiben. Die Bundesregierung muss mit einem klaren Bekenntnis zu die- ser überlegenen Technologie ein Zeichen setzen. 6. Richtlinienentwurf "Port Package II" grundlegend überarbeiten Der im Herbst 2004 vorgelegte Richtlinienentwurf der EU muss grundlegend ü- berarbeitet werden. Der Vorschlag verkennt im Bereich der ladungsbezogenen Dienstleistungen die tatsächlich bereits vorhandene Wettbewerbssituation zwi- schen den europäischen Häfen, die ein kostengünstiges und qualitativ hervorra- gendes Angebot an Hafendienstleistungen sicherstellt. Insbesondere die zu kur- zen Geltungsdauern von Genehmigungen in Verbindung mit den unzureichenden Regelungen über Ausgleichszahlungen bei Auslaufen der Genehmigungen könn- ten die Investitionstätigkeit der Hafenbetreiber massiv gefährden. Begrüßt wird dagegen die Offenlegung der finanziellen Verflechtungen zwischen Hafen- dienstleistern und staatlichen Stellen, da hiermit ein Beitrag zur Herstellung von fairen Wettbewerbsbedingungen geleistet wird. Zu bedauern ist die den Lotsen eingeräumte Sonderstellung. Abgesehen von der im Rahmen eines Zulassungs- verfahrens sicherzustellenden Qualifikation gibt es keine grundsätzliche Rechtfer- tigung, die Lotsendienstleistung vom Wettbewerb auszunehmen. 7. Energiewirtschaft – Energiemix sicherstellen Energiekosten sind ein Standortfaktor. Eine gute Energiepolitik sichert den Stand- ort – eine verfehlte Energiepolitik schafft Arbeitslosigkeit! Ziel einer nachhaltigen Energiepolitik muss daher ein Konzept zur verlässlichen, kostengünstigen, um- weltschonenden sowie langfristig planbaren Energieversorgung unseres Wirt- schaftsraums sein. Die Preise für elektrische Energie steigen trotz der Liberalisierung des Strom- marktes in Deutschland seit Dezember 2000 stetig an. Dazu kommt, dass bis 2024 allein in Norddeutschland 8.000 MW Kernkraftwerksleistung wegen Stillle- gung und 4.000 MW Leistung an konventionellen Kraftwerken altersbedingt weg- fallen. Dies wird nicht vollständig durch Ersatz, Umbau oder Neubau von Energie- anlagen ausgeglichen. Die Wertschöpfung aus der Erzeugung elektrischer Ener- gie wird sich deshalb am Wirtschaftsstandort Norddeutschland verringern, wenn keine gegensteuernden Maßnahmen ergriffen werden. Die IHK Nord hat Leitlinien für ein Energiekonzept für Norddeutschland, das auf die ganze Bundesrepublik Anwendung finden kann, veröffentlicht. Wichtig ist dabei den künftigen Energie-Mix mit Anteilen konventioneller Energie einschließlich Kernenergie und regenerativer Energie zur Sicherung des Wirt- schaftsstandortes sicher zustellen. Die Forschung auf dem Energiesektor ist so zu verstärken, dass sich in ihr der geforderte Energie-Mix widerspiegelt. Auch ist eine Umgestaltung der Fördersysteme nötig, damit Investitionen in die unterschiedlichen erneuerbaren Energien dort vorgenommen werden, wo die na- türlichen Voraussetzungen, die Energieerzeugungskosten und die Klimaschutz- ziele den höchsten Nutzen bringen. Die Förderquoten aus dem EEG müssen da- her noch stärker marktwirtschaftlich ausgerichtet werden. Ein bedeutender Be- standteil des Stromendpreises sind die Netznutzungsentgelte. Für einen funktio- nierenden Wettbewerb ist ein ungehinderter und uneingeschränkter Zugang zu Elektrizitätsnetzen notwendig. Zur Erreichung der eingangs genannten Ziele sind transparente Netz-Entgelte nötig. Kosten für Netz-Ausbau und Regelenergie- Ausgleich auf Grund des Ausbaus der Regenerativen Energien sind bundesweit umzulegen. Aber auch eine Senkung der Abgabenlast auf Energie durch den Wegfall von Doppelbelastungen ist zu prüfen.
-4- Die Rahmenbedingungen für die Planung und den beschleunigten Bau der künfti- gen Energie-Infrastruktur Norddeutschlands sind zu verbessern. Dies kann durch eine zeitliche Straffung des Anhörungsverfahrens, eine Vereinfachung des Pla- nungsverfahrens (Plangenehmigung anstelle von Planfeststellungsverfahren) und Straffung des Verwaltungsgerichtsverfahrens durch Verkürzung des Rechtsweges auf eine Instanz erreicht werden. 8. Luft- und Raumfahrtstandort Norddeutschland weiter stärken Norddeutschland ist einer der weltweit führenden Standorte der Luft- und Raum- fahrtindustrie. In den sieben Standorten der Airbus Deutschland GmbH und der EADS Space Transportation GmbH arbeiten über 20.000 Beschäftigte. Dazu kommen noch eine Vielzahl von Zuliefererbetrieben und wissenschaftlichen Ein- richtungen, die in diesen Bereichen tätig sind. Es muss auch in Zukunft sicherge- stellt werden, dass die von staatlicher Seite geplanten Weltraum- und Verteidi- gungsprojekte weitergeführt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist eine erhöhte Forschungs- und Technologieförderung auf einem international vergleichbaren Niveau. 9. Bürokratieabbau konsequent fortsetzen Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWA) hat im Jahr 2003 das Projekt „Inno- vationsregionen für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung durch Bürokratieab- bau“ ins Leben gerufen. Das Land Bremen und das westliche Mecklenburg spie- len darin als zwei von drei Modellregionen für Bürokratieabbau in Deutschland ei- ne zentrale Rolle. Besonders für KMUs soll die Deregulierung zur Entlastung bei- tragen und mehr wirtschaftliche Flexibilität ermöglichen. Wo sich ein bundesweiter Abbau wirtschafts- und beschäftigungshemmender Vorschriften politisch derzeit nicht durchsetzen lässt, muss durch die Einrichtung von „Testregionen für Büro- kratieabbau und Deregulierung“ eine zeitlich und regional begrenzte Erprobung von Bürokratieabbau und Deregulierung ermöglicht werden. Das testweise Aus- setzen von Regelungen bietet die Chance, effektive Deregulierung probeweise auch dort umsetzen zu können, wo ansonsten bei einer gesamtstaatlichen Rege- lung Interessengruppen die einzelnen Vorschläge voraussichtlich verwässern o- der ablehnen würden. Am Ende der Testphase kann dann evaluiert werden, in- wieweit sich das Aussetzen der jeweiligen Regulierung wirtschaftsstärkend und beschäftigungsfördernd ausgewirkt hat. Die vom BMWA bereits Ende 2003 auf- gegriffene und bislang nicht umgesetzte Testidee muss erneut aufgegriffen wer- den. 10. Spielräume für regionale Wirtschaftsförderung erweitern und den Wettbe- werb der Regionen stärken Die künftige EU-Förderkulisse orientiert sich zunehmend an Wirtschaftsräumen von überregionaler Bedeutung als Wachstumskerne ganzer Regionen. Ziel der nationalen Wirtschafts- und Strukturpolitik muss es daher sein, die Standortattrak- tivität und die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen sowohl im überre- gionalen als auch im regionalen Vergleich herauszustellen und weiter zu stärken. Daneben sind Wissenschaft und Innovation entscheidende Impulse für Beschäfti- gungs- und Wirtschaftswachstum. Über den Einsatz von Strukturfördermitteln soll- te dezentral entschieden werden. Mit größerer Transparenz und weniger Bürokra- tie sind diese Mittel zudem konzentriert und wirkungsoptimiert einzusetzen. Die Bundesregierung sollte zudem für großräumige Regionalkooperationen gesetzli- che und steuerrechtliche Spielräume eröffnen und individuelle Gestaltungsfreihei-
-5- ten zulassen. Im Rahmen abgestimmter Entwicklungsstrategien für die Regionen gilt es des Weiteren insbesondere die Ausweisung von Gewerbe- und Aus- gleichsflächen intensiver abzustimmen. Wirtschaftsförderprogramme für die regi- onale Wirtschaft sollten unter Vermeidung von Mitnahmeeffekten, Zielgruppen- überschneidungen und Mehrfachförderungen ausreichend dotiert sein. 11. Internationalisierung der Wirtschaft aktiv unterstützen Die norddeutsche Wirtschaft hängt auf Grund ihrer Stärken im Hafen- und Au- ßenhandelsbereich von den auf den Weltmärkten herrschenden Rahmenbedin- gungen ab. Sie ist auf liberale Weltmarktbedingungen angewiesen, die möglichst frei von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen sind und jede andere Form von Wettbewerbsverzerrung verhindern. Deshalb fordert die IHK Nord: • Zum erfolgreichen Abschluss der WTO-Verhandlungsrunde beitra- gen: Die Bundesregierung muss sich mit allen Mitteln dafür einsetzen, dass die laufende WTO-Verhandlungsrunde zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht wird. Dies gilt insbesondere für das Ministertreffen im Dezember 2005 in Hong- kong. Auf europäischer Ebene sollte die Bundesregierung unbedingt verhindern, dass einseitige europäische Schutzmaßnahmen gegen wettbewerbsfähige Dritt- landsprodukte verhängt werden, die ihrerseits anderen WTO-Mitgliedern, wie z. B. China, einen Vorwand für "Protektionismus durch die Hintertür" liefern könnten. • Außenwirtschaftsförderung strategisch einsetzen: Im Rahmen der nationalen Außenwirtschaftsförderung muss das bewährte 3-Säulen-System - be- stehend aus den deutschen Auslandsvertretungen, den Auslandshandelskam- mern und der Bundesagentur für Außenwirtschaft - erhalten, strategisch ausge- richtet und weiterentwickelt werden. Das in einer Private Public Partnership aus Mitteln der Wirtschaft und des Bundeswirtschaftsministeriums getragene erfolg- reiche Auslandshandelskammernetz muss finanziell gesichert werden. 6. Juli 2005
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