Forschungsdatenmanagement und Informationskompetenz - Neue Entwicklungen an Hochschulbibliotheken Neuseelands - De Gruyter
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Information. Wissenschaft & Praxis 2015; 66(4): 230–236 Gerhard-Lustig-Preis Katrin Steiner, Münster Forschungsdatenmanagement und Informationskompetenz – Neue Entwicklungen an Hochschulbibliotheken Neuseelands DOI 10.1515/iwp-2015-0040 research setting. In Anglo-American countries as well as in Germany, the concept of information literacy has been Die Beschäftigung mit Forschungsdaten als Grundlage broadened and now includes the whole academic re- der wissenschaftlichen Arbeit ist ein neues Feld für Bi- search process as well as dealing with research data. bliotheken. Ihre Rolle in diesem Bereich und die Servi- After a short glance at the broadened concept of informa- ces, die sie für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tion literacy, the author analyses which services and entwickeln könnten, wird gerade verhandelt und gewinnt structures are being developed and applied in New Zea- vor dem Hintergrund veränderter digitaler wissenschaft- land in the field of research data management and re- licher Arbeitsrealität an Bedeutung. Der Begriff Informa- flects on the problems which have to be considered when tionskompetenz hat hierbei im anglo-amerikanischen setting up these new services. New Zealand with its well- Raum eine Ausweitung erfahren, der den gesamten For- developed tertiary education system can serve as a mod- schungsprozess inklusive des Umgangs mit Forschungs- el here to see which problems have to be taken into ac- daten beschreibt und mittlerweile auch in Deutschland count when striving for the same aim in Germany. Struc- aufgegriffen wird. Nach einer kurzen Erläuterung zur turally and conceptually, the holistic Research Content Weiterentwicklung des Begriffs Informationskompetenz Ecology model of Lincoln University can serve as an ex- wird untersucht, welche Services und Strukturen es in ample for the German context on how to establish a uni- Neuseeland im Bereich Forschungsdaten bereits gibt und versity-wide service for the support of research activities welche Faktoren und Probleme den Aufbau von Services and the enhancement of researchers’ information literacy. beeinflussen. Neuseeland kann mit seinem überschauba- ren, aber gut entwickelten Hochschulsystem genutzt wer- Descriptors: Research, Data, Information literacy, Library, den, um den Blick für ähnliche Problemstellungen in Service, New Zealand Deutschland zu schärfen. Gleichzeitig wird mit dem An- satz der Research Content Ecology der Universität Lincoln ein holistischer Ansatz analysiert, der konzeptionell und La gestion des données de recherche et la maîtrise de strukturell einen umfassenden Service im Bereich der l’information – de nouveaux développements dans les Forschungsunterstützung und Informationskompetenz bibliothèques universitaires en Nouvelle-Zélande ermöglicht und als Anregung für den deutschen Kontext L’étude des données de recherche comme base du travail dienen kann. scientifique est un nouveau domaine pour les bibliothè- ques. Le rôle de ces dernières dans ce domaine et les ser- Deskriptoren: Forschung, Informationskompetenz, Biblio- vices qu’elles pourraient développer pour les scientifi- thek, Dienstleistung, Neuseeland ques est en cours de négociation et gagne en importance sur fond de changements de la réalité de travail scienti- fique numérique. Le terme « compétence de l’informa- Research Data Management and Information Literacy – tion » qui décrit le processus de recherche, y compris le New Developments at New Zealand University Libraries traitement des données de recherche, a connu une ex- Dealing with research data as the basis of academic re- pansion dans le monde anglo-américain et est désormais search is a new field for libraries. Their role and scope in également relayé en Allemagne. Après une brève intro- this new field is still being discussed and gains impor- duction au développement du concept compétence de tance within the changing reality of the digital academic l’information, l’article examine les services et structures
K. Steiner, Forschungsdatenmanagement und Informationskompetenz Gerhard-Lustig-Preis 231 qui existent déjà en Nouvelle-Zélande dans le domaine wissenschaftliche Bibliotheken hier engagieren und In- des données de recherche, ainsi que les facteurs et pro- formationskompetenz-Angebote entsprechend auswei- blèmes qui influencent le développement de services. La ten? Wie wäre ein solches Angebot organisatorisch und Nouvelle-Zélande avec son système d’enseignement supé- inhaltlich umzusetzen? rieur gérable, mais bien développé, peut être utilisée pour Mit diesen Fragen im Kopf bin ich Anfang 2013 nach aiguiser notre regard sur des problèmes similaires en Al- Neuseeland geflogen. Neuseeland ist nämlich nicht nur lemagne. En même temps, l’auteur analyse la Research ein interessantes Land, sondern hat auch ein gut ent- Content Ecology, une approche holistique de l’Université wickeltes Hochschulsystem und eine lange Tradition im de Lincoln qui permet un service complet au niveau Bereich Informationskompetenz, wie sich nicht zuletzt an conceptuel et structurel dans le domaine de l’appui de la den ANZIL-Standards zeigt (s. Bundy 2004). Gute Vo- recherche et de la compétence de l’information, et qui raussetzungen also, um hier Feldforschung zu betreiben peut servir d’inspiration dans le contexte allemand. und von dieser Perspektive aus einen Blick zurück nach Deutschland zu werfen. Descripteurs: recherche, faits, compétence de l’informa- tion, librairie, service d’information, Nouvelle-Zélande Überblick zur Fachdebatte Die oben genannten Fragen waren natürlich nicht der Einleitung einzige Ausgangspunkt für die Forschungsreise nach Neuseeland. In der Fachdebatte gibt es einige interessan- Das Thema Forschungsdatenmanagement ist in aller te Aufsätze und Monographien, die sich gerade mit der Munde. Neue Services für Forschende sollen etabliert Verknüpfung von Forschungsdatenmanagement und In- werden, neben der Ablage und Langzeitverfügbarkeit von formationskompetenz befassen. Hier im Folgenden nur Daten stehen auch Fragen der Lizenzierung, der Zitier- ein kurzer Überblick – weitere Hinweise finden sich in barkeit und der Sicherheit von Daten auf der Agenda. Zu- der Masterarbeit (Steiner 2013, insbes. S. 7–30). dem scheint immer wieder das Thema Open Data, also Früher als in Deutschland hat im anglo-amerikani- das freie Teilen von Forschungsdaten, am Horizont auf – schen Bereich der Begriff information literacy eine Er- sicherlich ein hoher Anspruch, der sich mit der Realität weiterung erfahren. So fasst die Definition der britischen im wissenschaftlichen Alltag einiger Disziplinen derzeit Society of College, National and University Libraries dies noch nicht vereinbaren lässt.1 folgendermaßen: „Information literacy is an umbrella Ende 2012 hat die Hochschulrektorenkonferenz in term which encompasses concepts such as digital, visual einer Empfehlung zudem den Umgang mit Forschungs- and media literacies, academic literacy, information hand- daten zu einem wichtigen Teilbereich der Informa- ling, information skills, data curation and data manage- tionskompetenz erklärt. Informationskompetenz umfasst ment.“ (SCONUL 2011, S. 3) demnach „[…] ‚die Gesamtheit aller Fähigkeiten und Fer- Neben dieser abstrakten Definition sind noch tigkeiten, die erforderlich sind, um situationsrelevante SCONULs Seven Pillars of Information Literacy mit dem Informationsbedarfe festzustellen, Information zu be- Fokus Forschung von Bedeutung (vgl. Corrall 2012, S. 115), schaffen, weiterzuverarbeiten, zu bewerten, zu präsen- ebenso wie die Information Literacy Lens on the Vitae Re- tieren und Nutzungsbedingungen von Information ein- searcher Development Framework (vgl. Vitae 2012). Beide zuordnen.‘ […] Außerdem muss betont werden, dass Modelle fassen Informationskompetenz für Forschungs- Informationskompetenz heute in besonderer Weise auf datenmanagement jedoch sehr abstrakt. Zudem lässt sich den Umgang mit den neuen Entwicklungen der wissen- feststellen, dass es noch keine Bezeichnung hierfür gibt, schaftlichen Informationsinfrastrukturen (z. B. mit Vir- die einheitlich gebraucht wird. Hilfreich sind jedoch die tuellen Forschungsumgebungen und Forschungsdaten) etwas konkreter gefassten Kompetenzen, die Carlson et zu beziehen ist.“ (Hochschulrektorenkonferenz 2012, S. 6). al. herauskristallisiert haben. Sie nutzen für diese Kern- Was genau bedeutet dies aber für Ausbildung des kompetenzen die Bezeichnung data information literacy akademischen Nachwuchses? Sollen und können sich (vgl. Carlson et al. 2013, S. 213): – Datenbanken und Datenformate (Databases and Data Formats) – Finden und Erwerben von Daten (Discovery and 1 Vgl. Büttner/Hobohm/Müller 2011; Tappenbeck 2015; Pryor 2012 Acquisition)
232 Gerhard-Lustig-Preis K. Steiner, Forschungsdatenmanagement und Informationskompetenz – Management und Organisation von Daten (Data Ma- und in Anlehnung an die Grounded Theory ausgewertet. nagement and Organization) Bei der Auswertung wurden neben dem Servicespektrum – Konvertierung von Daten und Interoperabilität (Data der Bibliotheken im Bereich Forschungsdaten (und in Conversion and Interoperability) data information literacy) auch untersucht, welche Haupt- – Datenqualität und -dokumentation (Data Quality and probleme für die Entwicklung von Services die Inter- Documentation) viewten sehen, die möglicherweise übertragbar sind auf – Metadaten und Datenbeschreibung (Metadata and deutsche Verhältnisse. Schließlich wurde analysiert, ob Data Description) es strukturelle Ansätze gibt, die in Deutschland in ähn- – Datenpflege und Nachnutzung (Data Curation and licher Weise fruchtbar gemacht werden könnten. Reuse) – Richtlinien zum adäquaten Umgang mit Daten (Cul- tures of Practice) Ergebnisse – Erhaltung von Daten (Data Preservation) – Verarbeitung und Analyse von Daten (Data Proces- Wie Abbildung 1 zeigt, boten die befragten Universitäts- sing and Analysis) bibliotheken Services in sechs Bereichen an. Drei von – Visualisierung und Darstellung von Daten (Data Vi- sechs Bibliotheken unterstützten Forschende beispiels- sualization and Representation) weise mit Hinweisen zur Ablage der Daten in Reposito- – Ethische Aspekte und ihre Anwendung, inklusive rien. Abzugrenzen davon sind längerfristige Beratungs- des Zitierens von Daten (Ethics and Attribution) angebote wie sie von zwei Bibliotheken geleistet wurden. Zwei Bibliotheken schließlich betrieben Repositorien zur Deutlich wird hier ebenfalls, dass die fachliche Spezifi- Ablage von Daten von Masterarbeiten oder Dissertatio- zierung dieser Aspekte wichtig ist, damit sie für die Ziel- nen. gruppen der verschiedenen Disziplinen tatsächlich Befragt nach Problemstellungen, sahen die Inter- handhabbar werden und von den Forschenden einsetzbar viewten das größte Hindernis in der Rolle der For- sind. schenden selbst. Hier wurde nicht nur deutlich, dass die Neuseeland ist im Hinblick auf Aktivitäten von Hoch- Interessen und Bedarfe der Forschenden je nach Fach- schulbibliotheken im Forschungsdatenmanagement bis- richtung sehr heterogen waren, sondern auch, dass die her nur selten untersucht worden. Maßgeblich sind hier Bereitschaft zum Teilen von Daten sehr unterschiedlich die beiden Studien von Brown (2009) und Corrall et al. ausgeprägt war. An fünf von sechs befragten Universi- (2013). Beide zeigen deutlich, dass das Thema Forschungs- tätsbibliotheken in Neuseeland war Forschungsdaten- datenmanagement in Neuseeland noch in den Kinder- management 2013 zudem noch kein Thema auf der Ebe- schuhen steckt und Neuseeland damit im Vergleich zu ne der Universität, und vier Befragte betonten, dass es Ländern wie Australien, den USA oder Großbritannien der nationalen Förderpolitik noch nicht gelungen sei, die zurückliegt. Forschenden tatsächlich zum Teilen von Daten zu be- wegen, wenn keine Persönlichkeitsrechte o. ä. entgegen- stünde. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass techno- Methodik logische Fragestellungen noch zu lösen seien und dass die Debatte zum Teilen von Daten und dem freien Zugang Daher entschied ich mich, für die Masterarbeit qualita- und der Nachnutzung von Daten (Shared Data/Open tive Experteninterviews an möglichst allen Universitäts- Data) noch nicht sehr weit fortgeschritten sei. Schließlich bibliotheken zu führen. Auf Grundlage der in der Litera- wurde in zwei Interviews herausgestellt, dass die neusee- tur diskutierten Themen enthielt der Leitfaden folgende ländischen Universitäten und damit auch ihre Bibliothe- Themen: Bereits bestehende Services im Forschungs- ken in starkem Wettbewerb um Fördermittel und Studie- datenmanagement, Zielgruppen dieser Services, der in- rendenbeiträge stünden, so dass eine Zusammenarbeit terne Blick der Bibliothek auf das neue Betätigungsfeld der Universitätsbibliotheken sehr erschwert werde. und die neue Rolle sowie der Blick der Universität auf Zusammenfassend lässt sich die Situation einer Uni- die Rolle der Bibliothek. Sechs von acht Universitäts- versitätsbibliothek wie in Grafik 3 darstellen. Idealer- bibliotheken sagten einen Interviewtermin zu. Interviewt weise sind die Aufgaben im Forschungsdatenmanage- wurden die für Forschungsservices zuständigen Personen ment auf den verschiedenen Ebenen zufrieden stellend in der Bibliothek im Zeitraum März bis April 2013. Die geklärt. Auf nationaler Ebene gibt es eine Förderpolitik, Interviews wurden digital aufgezeichnet, transkribiert die Open Data propagiert und fördert, auf universitärer
K. Steiner, Forschungsdatenmanagement und Informationskompetenz Gerhard-Lustig-Preis 233 Abbildung 1: Bestehende Services für Forschungsdaten an sechs von acht Universitätsbibliotheken Neuseelands im März/April 2013 (eigene Darstellung). Abbildung 2: Überblick über Probleme für Forschungsdaten-Services nach Aussagen in den Interviews (März/April 2013) an sechs Univer- sitätsbibliotheken in Neuseeland (eigene Darstellung).
234 Gerhard-Lustig-Preis K. Steiner, Forschungsdatenmanagement und Informationskompetenz Abbildung 3: Problemfaktoren im Forschungsdatenmanagement aus Sicht einer Bibliothek (eigene Darstellung). Ebene übernehmen die verschiedenen Institutionen (re- ment anbieten zu können. Dies betrifft auch data infor- search office, university board, library, IT services) klar de- mation literacy-Services. finierte Aufgaben und es gibt eine institutional policy, Als wichtiges Ergebnis auf organisatorischer Ebene die auf Open Data zielt, und auch in der Bibliothek sind lässt sich aus Neuseeland insbesondere das Modell der die Aufgaben, organisatorischen Strukturen und Ressour- Lincoln University in der Nähe von Christchurch als in- cen vorhanden, um effektive Services im Forschungs- teressante Referenz anführen, das für Universitäten in datenmanagement bieten zu können. Hier wurden die Deutschland möglicherweise gewinnbringend adaptiert subject librarians („Fachreferent*innen“) in mehreren werden könnte. In Lincoln bietet ein interdisziplinäres Interviews als wichtige Ansprechpartner*innen für die Team (Library, Teaching and Learning = LTL) aus For- Fachbereiche hervorgehoben. Ihrer Aus- und Weiterbil- schenden, Lehrenden, Bibliothekar*innen und einer dung kommt damit eine wichtige Rolle zu. Schließlich ist Psychotherapeutin Services im Bereich Informations- festzuhalten, dass eine verlässliche und einfach zu- kompetenz an. Von den Fachrichtungen her sind die gängliche technologische Grundlage wichtig ist. Weitere Naturwissenschaften ebenso vertreten wie Geisteswissen- externe Faktoren können den Aufbau von Services im schaften. LTL arbeitet eng mit anderen universitären In- Forschungsdatenmanagement erheblich erschweren. In stitutionen wie dem research office zusammen und zielt Neuseeland sind dies vor allem die Konkurrenzsituation mit den Angeboten auf den gesamten Universitätszusam- der Universitäten untereinander sowie die traditionelle menhang. Verschiedene technologische Services wurden akademische Reputationsstruktur, die sich auf Veröffent- und werden unter dem Dach einer Research Content lichungen stützt. Die verschiedenen Bereiche beeinflus- Ecology zusammengeführt (Dawson 2012). Theoretisch sen und bedingen einander, und es wird deutlich, dass knüpft Lincoln dabei an das umfassende Konzept der verschiedene Bedingungen erfüllt sein müssen, um er- information ecology von Nardi und O’Day an. Diese beto- folgreich Services im Bereich Forschungsdatenmanage- nen, dass die Interaktion der Menschen innerhalb eines
K. Steiner, Forschungsdatenmanagement und Informationskompetenz Gerhard-Lustig-Preis 235 Systems wichtig ist und die technologischen Instrumen- policy verabschiedet haben, zum Beispiel die Universität te daran gemessen werden sollten, wie effektiv sie die Bielefeld oder die Humboldt-Universität zu Berlin.2 Kommunikation und Kollaboration der Akteurinnen und Der Ansatz in Lincoln ist sowohl auf theoretisch- Akteure untereinander befördern. (Nardi/O’Day 1999, praktischer Ebene wie strukturell gesehen interessant, hier S. 66) weil sich durch ein Team wie LTL Synergieeffekte gene- LTL begreift Lernen und Forschen als ganzheitlichen rieren lassen, die für Services im Forschungsdatenmana- Prozess, bei dem die Studierenden und Forschenden zu gement gewinnbringend genutzt werden können. Aller- jeder Zeit möglichst umfassend unterstützt werden soll- dings ist die Universität Lincoln eine kleine Universität ten und in dessen Verlauf auch Zwischenergebnisse ver- mit nur etwa 3500 Studierenden und 400 Forschenden. öffentlicht werden sollen, um weitere Forschungsfragen Es müsste also untersucht werden, ob das Modell für an- zu fördern. Daher gibt es neben dem Repositorium für dere Rahmenbedingungen adaptiert werden könnte, bei- Veröffentlichungen auch das Lincoln Community Archive, spielsweise für eine große Universität mit mehr Studie- in dem Material abgelegt wird, das einen Bezug zur Uni- renden. Hier wäre denkbar, dass mittelfristig Teams für versität hat, ohne direkt als Forschungsdatenset oder einzelne Fachbereiche gebildet werden, in denen neben wissenschaftliche Veröffentlichung eingeordnet werden Bibliothekar*innen auch die Forschenden beteiligt sind. zu können. An der Universitätsbibliothek selbst könnte es dann ein Im Bereich data information literacy bietet LTL Ser- zentrales Team geben, das sowohl für die Infrastruktur vices an, die auch im Researcher Development Frame- als auch die inhaltliche Weiterbildung zum Beispiel der work (RDF) Erwähnung finden. Beispielsweise wird die Fachreferent*innen zuständig ist und auf das die Fach- Relevanz des Forschungsdatenmanagements regelmäßig bereichsteams zurückgreifen können. Eine ähnliche in Orientierungsprogrammen für Promovierende hervor- Struktur wurde an einer Universitätsbibliothek Neusee- gehoben, ebenso wie es Hinweise zu Open Acces und lands bereits erfolgreich eingeführt. zur Open Data Policy der Universität gibt. Dies fällt in RDF in den Bereich A1 („Understands what constitutes robust and reliable data creation and the importance Ausblick of good data management for analysis of information/ data“) und C1 („Understands information/data owner- Nicht zuletzt in der Literatur wird immer wieder deutlich ship, and by extension the implications of copyright hervorgehoben, wie komplex und vielschichtig der Be- and licensing“) (Vitae 2012). Weitere Services und Mate- reich Forschungsdatenmanagement ist. Für jeden lokalen rialien zur data information literacy müssten noch ent- Kontext dürfte sich die Situation zudem immer wieder et- wickelt werden. was anders darstellen und Entwicklungen und Aktivitä- ten in diesem Bereich laufen bei weitem nicht linear und kontinuierlich in einer Richtung ab. Es wird zudem die Fazit Frage gestellt, ob sich wissenschaftliche Bibliotheken hier überhaupt engagieren sollten. Wie die Empfehlung der Abbildung 3 fasst die Problemstellungen zusammen, die Hochschulrektorenkonferenz jedoch zeigt, geht es aber sich für den neuseeländischen Bereich im März/April wohl nicht mehr um das Ob sondern das Wie. Sicherlich 2013 feststellen ließen. Sie beruht auf den Aussagen der wird nicht jede Universitätsbibliothek eine umfangreiche Kolleg*innen in den Bibliotheken. Sie ist also zunächst technologische Infrastruktur aufbauen und eine große nur als erster Hinweis zu sehen, welche Faktoren wichtig Bandbreite an Services im Forschungsdatenmanagement sind und müsste mit anderen Informationen, z. B. aus abdecken können noch müssen. Denn es geht nicht da- der universitären Ebene und anderen nationalen Kontex- rum, das Rad an jedem Ort neu zu erfinden, sondern auf ten, ergänzt werden, um sie zu einem allgemeingültigen passende Services hinzuweisen, die es bereits in Deutsch- Modell weiter zu entwickeln. land, Europa oder sogar weltweit gibt. So verfolgt die Uni- Deutlich wird jedoch auch jetzt schon, dass eine För- versität Lincoln nicht mehr uneingeschränkt den Ansatz, derpolitik, die den freien Zugang zu den Daten propa- selbst ein großes Forschungsdatenrepositorium anzubie- giert, wichtig ist, um Entwicklungen auf lokaler Ebene ten, sondern verweist auch auf Angebote wie Figshare. zu begleiten und zu befördern. In Deutschland geschieht dies bereits, wie die Förderpolitik der Deutschen For- schungsgemeinschaft zeigt. Auf lokaler Ebene gibt es 2 S. https://data.uni-bielefeld.de/de/policy und https://www.cms. ebenso bereits einige Universitäten, die eine institutional hu-berlin.de/de/ueberblick/projekte/dataman/policy [15.06.2015]
236 Gerhard-Lustig-Preis K. Steiner, Forschungsdatenmanagement und Informationskompetenz Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie Bibliothekar*in- Dawson, R. (2012): Making Visible the Experience and Activity in nen sich mit dem Forschungsdatenmanagement und den the Research Ecology at Lincoln University. An invited address to colleagues at the Holmes Bay Retreat, Banks Peninsula, neuen Aufgaben vertraut machen können. Neben Mate- 12 November 2012. Präsentation. URL: https://researcharchive. rialien aus dem anglo-amerikanischen Bereich, wie sie lincoln.ac.nz/handle/10182/5047 [07.07.2015]. z. B. im britischen Projekt MANTRA3 entwickelt und zur Hochschulrektorenkonferenz (2012): Hochschule im Digitalen Zeit- Verfügung gestellt wurden oder sie Cox et al. (2014) vor- alter: Informationskompetenz neu begreifen – Prozesse anders stellen, liefern insbesondere Erkenntnisse aus dem data steuern. Entschließung der 13. Mitgliederversammlung der HRK information literacy-Projekt wertvolle Hinweise (Carlson am 20. November 2012 in Göttingen. URL: http://www.hrk.de/ uploads/tx_szconvention/Entschliessung_Informationskom- et al. 2015). petenz_20112012_01.pdf [07.07.2015]. Schließlich ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, Nardi, B., O’Day, V. (1999): Information Ecologies. Cambridge, dass das Thema Open Data für manche Disziplinen einen Massachusetts, London: MIT Press. Kapitel 4 „Information Eco- Paradigmenwechsel bedeutet und es hier Anknüpfungs- logy“ in: First Monday, 4 (5) 3 May 1999. URL: http://firstmon- punkte an die Argumentation im Bereich Open Access day.org/ojs/index.php/fm/article/view/672/582 [07.07.2015]. Pryor, Graham (Hrsg.) (2012): Managing Research Data. London: gibt: Die Grundlagen öffentlich geförderter Forschung Facet Publishing. sollen auch frei nachnutzbar sein. Ähnlich wie bei Open SCONUL (2011): The SCONUL Seven Pillars of Information Literacy. Access braucht es also einen langen Atem und Erfin- A Research Lens for Higher Education. URL: http://www.sco- dungsreichtum. Aber es lohnt sich. Oder, wie vielleicht nul.ac.uk/sites/default/files/documents/researchlens.pdf die Māori sagen würden: „Nā tō rourou, nā taku rourou [07.07.2015]. Stand: April 2011. ka ora ai te iwi.“4 Steiner, K. (2013): Forschungsdatenmanagement und Informations- kompetenz – Neue Entwicklungen in Hochschulbibliotheken Neuseelands. Masterarbeit. URN: urn:nbn:de:hbz:79pbc- 2014030638; Literatur URL: http://publiscologne.fh-koeln.de/frontdoor/index/index/ docId/311 [07.07.2015]. Büttner, S., Hobohm, H.-C., Müller, L. (Hrsg.) (2011): Handbuch For- Tappenbeck, I. (2015): Fachreferat 2020: from collections to con- schungsdatenmanagement. Bad Honnef: Bock + Herchen. URL: nections. In: Bibliotheksdienst 49 (2015) 1, S. 37–48. http://www.forschungsdatenmanagement.de [07.07.2015]. Vitae (2012): Information Literacy Lens on the Vitae Researcher Bundy, Alan (Hrsg.) (2004): Australian and New Zealand Informa- Development Framework using the SCONUL Seven Pillars of tion Literacy Framework. 2. Auflage. Adelaide: Australian and Information Literacy. URL: https://www.vitae.ac.uk/vitae- New Zealand Institute for Information Literacy. URL: http:// publications/rdf-related/information-literacy-lens-on-the-vitae- archive.caul.edu.au/info-literacy/InfoLiteracyFramework.pdf researcher-development-framework-rdf-apr-2012.pdf. [07.07.2015]. Carlson, J. et al. (2013): Developing an Approach for Data Manage- ment Education: A Report from the Data Information Literacy Project. In: International Journal of Digital Curation (1), S. 204–217. URL: http://www.ijdc.net/index.php/ijdc/article/ Katrin Steiner download/8.1.204/306 [07.07.2015]. LOTSE-Geschäftsstelle, ULB Informations- Carlson, J., Johnston, L., Huang Y. (Hrsg.) (2015): Data Information kompetenz Literacy. Librarians, Data and the Education of a New Genera- Universitäts- und Landesbibliothek Münster tion of Researchers. Purdue Information Literacy Handbooks. Krummer Timpen 3 Purdue University Press. 48143 Münster Corrall, S. (2012): Roles and Responsibilities: Libraries, Librarians Telefon 0251 83-25513 and Data. In: Pryor, Graham (Hrsg.): Managing Research Data. steinerk@uni-muenster.de London: Facet Publishing. S. 105–133. Cox, M., Verbaan, E., Sen, B. (2014): A Spider, an Octopus, or an Katrin Steiner koordiniert seit 2008 die Aktivitäten im Bereich Animal Just Coming into Existence? Designing a Curriculum for Informationskompetenz an der Universitäts- und Landesbibliothek Librarians to Support Research Data Management. In: Journal Münster und hat die LOTSE-Geschäftsstelle inne. 2013 schloss sie of eScience Librarianship 3(1), Article 2, URL: http://dx.doi. den Studiengang Master of Library and Information Science an der org/10.7191/jeslib.2014.1055 [07.07.2015] FH Köln ab. 3 S. http://datalib.edina.ac.uk/mantra/ [07.07.2015] 4 „With your food basket and my food basket the people will thrive.“ Frei übersetzt: „Mit deinem und meinem Essenskorb wird unsere Gemeinschaft aufblühen.“ (Kōrero Māori (o. J.): „Whakataukī – Pro- verbs“. URL: http://tetaurawhiri.govt.nz/learning-maori/tikanga- maori/whakatauki-en-nz/ [07.07.2015].
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