Einflüsse digitaler Medien auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen - Prof. Dr. Daniel Süss

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Einflüsse digitaler Medien auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen - Prof. Dr. Daniel Süss
Einflüsse digitaler Medien auf die
Persönlichkeitsentwicklung von Kindern
und Jugendlichen

Prof. Dr. Daniel Süss

Referat vom 16.11.2016 am Fachtag «on statt out» in
Offenbach
                                           Zürcher Fachhochschule
Einflüsse digitaler Medien auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen - Prof. Dr. Daniel Süss
Fragestellungen

• Wie haben sich die Lebenswelt und das Aufwachsen von Kindern
 und Jugendlichen durch die Mediennutzung verändert?
• Hat die Nutzung von Computer und Smartphone einen Einfluss
 auf die Persönlichkeitsentwicklung?
• Wirkt sich exzessive Mediennutzung negativ aus?
• Wirken sich Mediengewalt und Pornographie auf die Entwicklung
 aus?
• Warum ist das Anschauen von Mediengewalt so faszinierend?
• Welche Rolle spielen Medien bei der Entwicklung extremistischer
 Haltungen?
• Wie kann man die Kinder und Jugendlichen für eine positive
 Entwicklung unterstützen?

                                                                    Zürcher Fachhochschule
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Gliederung

1.   Aufwachsen in einer Mediengesellschaft
2.   Digital Natives: Always on!
3.   Die Gamer Generation: Leistung zählt!
4.   Risikobereiche: Mediengewalt, Extremismus, Pornographie,
     Verhaltenssucht
5. Kinder und Jugendliche unterstützen
6. Ausblick / Diskussion

                                                                Zürcher Fachhochschule
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1. Aufwachsen in einer Mediengesellschaft

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Perspektiven der Mediensozialisationsforschung
(Bonfadelli 1981, Süss 2004, Aufenanger 2008)

  • Wie lernen Menschen den Umgang mit Medien und welche Formen des
   Umgangs lassen sich unterscheiden? (Sozialisation zur
   Medienkommunikation)

  • Wie verändern Medien die allgemeinen Sozialisationsprozesse und sind
   dies entwicklungsfördernde oder –gefährdende Veränderungen?
       (Sozialisation durch Medienkommunikation)

  Selbst-, Menschen- und Weltbild werden durch Medien mitgeprägt.
  Entwicklungsaufgaben werden bewältigt.

                                                                  Zürcher Fachhochschule
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Medien und Persönlichkeitsentwicklung

 Hurrelmann (2002)                      Zürcher Fachhochschule
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Moderne Entwicklungsaufgaben im Jugendalter
(Flammer / Alsaker 2002; Hoppe-Graff / Kim )

  • Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, Selbständigkeit und
      Selbstkontrolle
  •   Aufnahme und Aufbau intimer Beziehungen
  •   Aufbau einer Zukunftsperspektive
  •   Aufbau sozialer Kompetenzen
  •   Kritische Haltung gegenüber der Gesellschaft
  •   Verständnis für komplexe Zusammenhänge in Politik und
      Wirtschaft
  • Erwerb von Medienkompetenz

                                                                  Zürcher Fachhochschule
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Weshalb werden Medien genutzt?

•   Kognitive Bedürfnisse (Orientierung, Kontrolle der Umwelt)
•   Affektive Bedürfnisse (Stimmungskontrolle, Unterhaltung)
•   Habituelle Bedürfnisse (Zeitgeber, Sicherheit)
•   Soziale Bedürfnisse (soziale und parasoziale Interaktion)

Identität und Lebensstil (Vergewisserung nach innen und
    aussen, sozialer Vergleich)

(vgl. Bonfadelli 2004)

                                                                 Zürcher Fachhochschule
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Generationsgestalten und Mediensozialisation
(Fend 1988, Thalmann-Hereth 2001, Süss 2004; Süss et al. 2013)
 Geburt           Leitmedium       Generationsgestalt
 Um 1925          Kino             Suchend und fragende Generation
 Um 1940          Radio            Skeptische und unbefangene G.
 Um 1955          Fernsehen        Politische und narzisstische G.
 Um 1965          TV / Video       Polarisierte Generation:
                                     alternativ und konsumistisch
 Um 1975          Computer         Sophisticated Generation:
                                     theoretisierend und dialogisch
 Um 1985          Internet,        Net Generation:
                  Multimedia,         pragmatisch und mobil
 Um 1995          Mobilkomm.       Generation Facebook
 Um 2005          Web 2.0          Touch-Screen Generation

                                                                      Zürcher Fachhochschule
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Wo entstehen Risiken?
Millner (1996): Beta-Kinder
Alpha-Welt versus Beta-Welt:
Anregungsgehalt, Geborgenheit, Kindgerechte (Handlungs- und
Erlebnis-) Räume, Sicherheit, Zuverlässigkeit, Unterhaltung
(Spannung und Entspannung), Werteangebote, Freiräume,
Identifikationsfiguren, Gruppenzugehörigkeiten usw.

                                    Beta-Welt

                                    reichhaltig   einseitig
     Alpha-Welt       reichhaltig
                       einseitig

                                                              Zürcher Fachhochschule
Kulturpessimismus

•   Das allmähliche Verschwinden der Wirklichkeit
•   Das Verschwinden der Kindheit
•   Die verstellte Welt
•   Die Droge im Wohnzimmer
•   Wir amüsieren uns zu Tode

       Medienkultur

•   Lebenswelten sind Medienwelten
•   Lebensgeschichten sind Mediengeschichten
•   Wirklichkeit in den Medien
•   Kulturtechnik Fernsehen
•   Medienkommunikation im Alltag
•   Aufwachsen im Medienzeitalter

                                                    Zürcher Fachhochschule
Grundpositionen

   • Naiver Pessimismus

   • Kritischer Pessimismus

   • Kritischer Optimismus

   • Naiver Optimismus

                              Zürcher Fachhochschule
Was heisst gelingende Mediensozialisation?
• Verfügen und verfügbar sein: Status und sozialer Druck,
 Selbstinszenierung und Selbstschutz. Neues Aushandeln
 von Intimität und Öffentlichkeit.

• Mobil und vernetzt sein: Neue Handlungsfreiheiten und
 Handlungsräume, neue Abhängigkeiten und Kontrollen.
 Unerreichbarkeit als (notwendiger) Luxus.

• Anteil nehmen und Impulse geben: Relativierung der
 Konsumentenrolle, Auswählen des Relevanten aus der
 permanenten Flut des Angebotes (Medien als Umwelt).

                                                            Zürcher Fachhochschule
2. Digital Natives: Always on!

                                 Zürcher Fachhochschule
Definition und Abgrenzungen (Prensky 2001)

 Menschen, welche mit den neuen Informations- und
 Kommunikationstechnologien aufgewachsen sind, d.h. diese vom
 Anfang ihres Lebens an als selbstverständlichen Bestandteil ihrer
 medialen und sozialen Umwelt erlebt haben.

 Sind Sie… Digital Native  Digital Immigrant  Digital Secondo
  Silver Surfer  Gray Gamer  Off-Liner? Ref(user)

  (Süss et al., 2013)                www.berlin.de / dpa
                                                                     Zürcher Fachhochschule
Zürcher Fachhochschule
Kleiner Selbsttest:
Sind Sie ein Digital Native oder ein
enthusiastischer Digital Immigrant?

•   Dokumente werden nur noch am PC / Laptop erfasst.
•   Jegliche Merkarbeit wird einer Technologie übertragen.
•   Zur Besprechung geht man immer mit Notebook, PDA.
•   Man ist praktisch immer online, das Handy immer eingeschaltet.
•   Viele Aktivitäten werden parallel bearbeitet.
•   Videospiele sind beliebte Freizeitaktivitäten.
•   Man ist Mitglied in mehreren Online-Communities.

Seufert / Brahms 2007

                                                                             17
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Kritik am Konzept „Digital Natives“

• Genauso wie Jugendliche nicht nur gewalthaltige Inhalte
 konsumieren oder Mediensuchtprobleme haben, verhalten sich
 auch heutzutage nicht alle Heranwachsenden wie „Digital
 Natives“

                                              (GDI-Studie 2015)

                                                                  Zürcher Fachhochschule
Mediennutzungstypologie
 JAMESfocus

                                     Analoge                      Unterhaltungs-
                                                                 orientierte

                    Musiker

                              Computer-
                                                        Informations-
                             freaks
Quelle: Willemse, Waller, Süss (2011) - JAMES-Studie   orientierte

                                                                                   Zürcher Fachhochschule
Social Networks: Stark vernetzte Jugend
(JAMES-Studie 2014)

                                          Zürcher Fachhochschule
Sozialer Vergleich und Fear of Missing out

                                             Zürcher Fachhochschule
Persönlichkeit und Social Web - Nutzung

• Tendenziell neurotische Persönlichkeiten neigen eher dazu,
  Einsamkeit mithilfe von Internetnutzung zu überbrücken.
• Introvertierte Personen geben online mehr von sich preis als face-
  to-face.
• Extravertierte Personen nutzen das Social Web mehr als
  Introvertierte.
• Guter Prädikator für Interesse an neuen Medien: hohe Werte bei
  «Offenheit für neue Erfahrungen»
• «Gewissenhaftigkeit»: führt eher dazu, dass neue Medien nicht
  ausprobiert werden (um Prokrastination zu vermeiden)

Quellen: Butt und Phillips (2008), Amichai-Hamburger et al. (2002), Correa, Hinsley & de Zuniga (2010), Hall (2005),
Ross et al. (2009)

                                                                                                     Zürcher Fachhochschule
3. Die Gamer Generation

  John C. Beck & Mitchell Wade (2004): Got Game.
    How the Gamer Generation is Reshaping Business    Befragung von 2500
    Forever. Harvard Business School Press.           erwachsenen US-
                                                      Amerikaner/innen.

  John C. Beck & Mitchell Wade (2006): The Kids are
    Alright. How the Gamer Generation is Changing
    the Workplace. Harvard Business School Press.
    (Paperback)

                                                                 gamer.ubicom.com

                                                                     Zürcher Fachhochschule
Geburtenraten in den USA (Beck/Wade 2004:17)

Number of Births
(Millions)
                          Babyboom      Gamer Generation

       5

       4

       3

   2

       1

           1910    1930   1950   1970    1990   2010   2030

                                                              Zürcher Fachhochschule
Nutzungsmotive bei Online-Spielen

 Studie mit 1366 Online-Spielern zwischen 14-28 Jahren in der Schweiz
 (Husar, 2005)
 Spieletypen: Rollenspiele, Strategiespiele, Egoshooter

 1. Machtmotiv (Kompetenz, Beherrschung)
 2. Leistungsmotiv (Wettbewerb, E-Sport)
 3. Anschlussmotiv (Gilden, Clans, virtuelle Gemeinschaft)

 Vergleich mit Jantz & Martens (2005: 337f): 6 Motive bei jüngeren Jugendlichen:
      Wettbewerb, Kontrolle, Unterhaltung, Eskapismus, Zeitvertreib, Geselligkeit.

                                                                              Zürcher Fachhochschule
Stärken der Gamer Generation?
(Beck / Wade 2004)

• Hohe Risikobereitschaft
• Versuch-und-Irrtum-Strategie als nahe-
  liegender Weg
• Durch Misserfolge nicht leicht zu entmutigen
• Starke soziale Orientierung:
  vom Expertenwissen anderer profitieren
• Globale Orientierung
• Hohe Flexibilität
• Starker Teamgeist

                                                 Zürcher Fachhochschule
4. Risikobereiche

                    Zürcher Fachhochschule
Der Risikogruppenansatz bei Computerspielen:
High-Risk Players (Funk, 2002)

• Geringes Alter (unter 11-12 Jahren): Moralische Entwicklung,
    Wertsysteme, Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion.
•   Exzessiver Computerspielkonsum: Suchtverhalten, negative
    Reaktionen auf Einschränkungen.
•   Starke Präferenz für violente Genres.
•   Geringe soziale Problemlösefähigkeiten, z.B. Bullies und ihre
    Opfer: Skripts für aggressive Situationen.
•   Probleme bei der Gefühlsregulierung. Erhöhte Reizbarkeit,
    geringe Frustrationstoleranz.
•   Gewalttätige Umgebung.
•   Fehlende elterliche Regulierung des Spielverhaltens.
•   Feindselige Persönlichkeit (vgl. Big Five).
•   Frühere aggressive Verhaltensweisen.

                                                                    Zürcher Fachhochschule
Faszination von Mediengewalt:
1. Angstlust und Angstbewältigung

• Kontrollierte Herausforderung
• Sich probeweise und spielerisch
 mit dem Angstmachenden
 konfrontieren
• Aktivierung / Erregung, ohne echte
 Gefährdung
• Horrorfilme: Negative
 Erwartungsaffekte (Angst,
 Erschrecken, Ekel) und positive
 Erwartungsaffekte (Hoffnung,          www.bustybookbimbo.wordpress.com
 Zuversicht, Entspannung).

• Hirnphysiologische Basis:
 Spiegelneurone (vgl. Bauer
 2006): Innere Simulation
                                                                Zürcher Fachhochschule
Faszination von Mediengewalt:
2. Identifikation und Abgrenzung

• Wunsch-Identifikation: Ideal-
  Selbstbild
• Heldenfiguren:
  durchsetzungsstark, bewundert,
  nonkonform oder Garanten der
  Ordnung und Moral
• Gender-Rollenbilder
• Gruppen-Identifikation
• Abgrenzung von schwachen oder
  hilflosen Leitbildern
• Abgrenzung von rigiden
  normativen Vorgaben
• Figuren der verborgenen /
  verkannten Stärke und Macht      www.de.community.wikia.com

                                                   Zürcher Fachhochschule
Faszination von Mediengewalt:
3. Beobachten aus sicherer Distanz

• Das Beobachten von Kämpfen
 vermittelt Lust ohne
 Anstrengung oder Gefährdung

• Aggressive Reize verbreiten
 Triebstimmung

• Man kann sich jederzeit mit
 dem Sieger identifizieren
                                     www.urbia.de
• Siegen durch Zuschauen kann
 zur Sucht werden

                                      Zürcher Fachhochschule
Radikalisierung im Netz:

• Hassreden, Shitstorms, Diskriminierung, Propaganda, Sexismus,
 extreme Formen von Cybermobbing.
• Oft getarnt als Satire, Humor oder politische Aufklärung,
 Falschmeldungen (sog. Hoax) über vermeintliche Straftaten, etc.
• Jugendgerechte Form in Videos und Songs, als Kommentare zu
 Fotos, Blogs, auf Facebook-Seiten, Twitter, etc.
• Aktuell nehmen Beschimpfungen gegen Flüchtlinge massiv zu.
• Kognitive Extremisten  gewaltbereite Extremisten
• Entstehung von (gewaltbereitem) Extremismus:
           • Persönliche Erfahrung von Unzufriedenheit,
           Ausgrenzung, Identitätskonflikt
          • Übernahme extremistischer Ideologien
          • Einbindung in Sozial- und Gruppenprozesse:
           Gruppendruck und -loyalität

                                                                                        Seite
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Ausprägungen

•   Rechtsextremismus
•   Rassistische Diskriminierung
•   Dschihadistischer Extremismus
•   Linksextremismus
•   (Hetero-)Sexismus
•   Hassreden (Hate Speech) gegen Minderheiten oder exponierte
    Einzelpersonen

                                                                 Zürcher Fachhochschule
Dynamik von Hetze im Netz:

•   Online-Verbreitung viel schneller als offline
•   Hemmschwelle zur Unterstützung geringer
•   Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe entsteht schneller
•   Anonymes Probehandeln mit Fake-Profilen
•   Zunehmende Komplexität weckt Sehnsucht nach einfachen
    Welterklärungen, die im Netz schnell gefunden werden
• Erlebniswelten werden geschaffen: Freizeit- und
    Unterhaltungswert, verbunden mit politischen Inhalten
• Casting-Shows: Von Fan-Communities zu Hass-Gemeinschaften:
    verbindende Emotionen als teil der Identitätsfindung

www.jugendundmedien.ch  Extremismus

                                                               Zürcher Fachhochschule
Prävention und Deradikalisierung

• Sich informieren, wer hinter einer Meldung steckt, bevor man sie
    unterstützt oder weiter verbreitet.
•   Vermitteln einer klaren Haltung gegen Hass.
•   Debattenkultur entwickeln.
•   Mit Gegenrede Zivilcourage zeigen.
•   Grenzen zwischen Scherz, Satire, Ironie und Beleidigung,
    Bedrohung oder Menschenverachtung reflektieren.
•   Hetzende Nutzer in Sozialen Medien blockieren.
•   Via Meldebutton beim Plattformprovider Meldung erstatten.
•   Beratung beanspruchen und evtl. Polizei einschalten.
•   Beweismittel aufbewahren: Screenshots mit Zeitstempel und URL
www.no-hate-speech.de
www.klicksafe.de Werte-Navi fürs digitale Leben

                                                                     Zürcher Fachhochschule
Gibt es Computerspielsucht?

• Leidenschaftliches Spielen ist nicht Sucht.
• Die Dauer allein macht es nicht aus.
• Verhaltenssucht als These, immer im Zusammenhang
 mit anderen Problemen und Defiziten:
   - Mangel an Erfolgserlebnissen
   - Die eigenen Gefühle nicht im Griff haben
   - Schlechter Umgang mit Stress

   Grüsser / Thalemann 2007; Rehbein et al. 2009

                                                   Zürcher Fachhochschule
Computerspielabhängigkeit bei
Jugendlichen?
(Rehbein et al. 2009)
Basis: 15‘000 15-jährige Schüler/innen der neunten Klassen (DE)

Abhängigkeitsgefährdet              0,5% der Mädchen
                                    4,7% der Jungen

Computerspielabhängig               0,3% der Mädchen
                                    3% der Jungen

Durchschnittliche Zeit für Games:
Betroffene Jugendliche:             mehr als 4,5 Std. / pro Tag.
Vergleich andere Jugendliche:       56 Min. (w), 141 Min. (m).

                                                                   Zürcher Fachhochschule
Handy-Abhängigkeit (Waller & Süss, 2012)
N = 1245 befragte 12- bis 19-jährige Jugendliche aus der Schweiz.

Prädiktoren für Handy-Abhängigkeit bei Jugendlichen:
•   Extraversion
•   Neurotizismus
•   Niedriges Selbstwertgefühl
•   Impulsives Verhalten

Handy-Abhängige:
•   haben eine schlechtere Beziehung zu den Eltern
•   verkehren häufiger in Jugend-Clubs und auf Partys
•   führen einen hektischeren Alltag
•   schätzen das Risikopotenzial der Handystrahlen geringer ein.
                                                                    Zürcher Fachhochschule
Geschlechterdifferenzen

Geschlecht   Nicht-       Zurückhal-   Engagierte    Handy-
             Nutzer       tende        Nutzer        süchtige
                          Nutzer
Mädchen      1.4%         46.7%        45.9%         6.0%
Knaben       3.1%         59.2%        33.4%         4.3%

  Engagierte Nutzer sind signifikant mehr Mädchen.

                                                                Zürcher Fachhochschule
Altersdifferenzen

Alter      Nicht-       Zurückhal-   Engagierte   Handy-
           Nutzer       tende        Nutzer       süchtige
                        Nutzer
12-13      5.9%         58.9%        30.6%        4.6%
14-15      2.1%         46.1%        44.8%        7.0%
16-17      0.4%         52.5%        43.2%        3.9%
18-19      0.4%         52.7%        40.7%        6.2%

 Hochrechnung: 5% = 37’000 Jugendliche mit Symptomen
 von Handy-Sucht in der Schweiz.

                                                             Zürcher Fachhochschule
Onlinesucht (Radix 2013)

• Grundsätzliches Kriterium einer Onlinesucht ist, dass sich der
 Lebensmittelpunkt vom realen hin zum virtuellen Leben
 verschiebt, längerfristig mit dramatischen Folgen:
• Leistungsrückgang, Ausbildungsabbruch, Jobverlust
• Sozialer Rückzug, das heisst Vernachlässigung von Freunden
 und Familie
• Bewegungsarmut, Übermüdung, problematisches Essverhalten
• Die häufigsten Bereiche, in denen es zu exzessiver Nutzung des
 Computers kommt, sind Onlinegames insbesondere Rollenspiele
 (z.B. World of Warcraft), Kommunikationsplattformen (Facebook,
 Chats) sowie Sex- und Pornosites.

Quelle: http://www.spielsucht-radix.ch

                                                                   Zürcher Fachhochschule
Generation Porno? (Gernert 2010)

                         Effekte des
                         Pornokonsums? Primär
                         ein Potenzial für
                         Verunsicherungen und
                         Stress.

                         Skripte: Drehbücher im
                         Kopf, Liebeslandkarten.
                         Vorhandende
                         Strukturen des
                         Begehrens.
                                                   Zürcher Fachhochschule
Wirkungen bei Jugendlichen (Gernert 2010)

• Johannes Gernert: Generation Porno:
     - Basis: Gespräche mit Teenagern in Deutschland.
     - Gespräche mit Experten
     - Höhepunkt des Pornokonsums bei 16-17 Jahren
     - Trivialisierung der Sexualität
     - Sexuelle Begriffe in der Jugendsprache als Metaphern ohne
      sexuelle Bedeutung
     - Zunehmende Verunsicherung über die Standards: Sexualität
      und Attraktivität als Leistungsbereiche.

                                                                   Zürcher Fachhochschule
Anteil Kinder, die sexuelle Darstellungen
gesehen haben (Hermida 2013) N= 1000

                                            Zürcher Fachhochschule
Studie von «Lust und Frust», Fachstelle für
Sexualpädagogik, Zürich 2012 (www.lustundfrust.ch)
Basis: 943 13- bis 16-jährige aus dem Kanton Zürich

                                                      Zürcher Fachhochschule
Studie «Lust und Frust» 2012

                               Zürcher Fachhochschule
Zuwendungsmotive (Zillmann 2004)

• Neugier/Aufklärung: Beobachten von sexuellen Praktiken
• Grenzüberschreitungen in der Phantasie: unbekannte und
 ungewöhnliche Praktiken
• Sexuelle Stimulation: Selbstbefriedigung
• Jungen: Zeichen des Erwachsen- und Mann-Werdens
• Anschlusskommunikation und Prestige innerhalb der Peergroup

                                                                Zürcher Fachhochschule
Wirkungspotenziale (Zillmann 2004)

Positive Wirkungen
• Überwindung sexueller Verklemmungen und Schuldgefühle
• Förderung der sexuellen Lustgefühle
• Bereicherung des Sexuallebens

Negative Wirkungen
•   Klischees und Geschlechtsrollenstereotype
•   Missachtung von Frauen
•   Gewalttätige Phantasien und Verhaltensweisen
•   Relativierung partnerschaftsbezogener Werte
•   Sexueller Leistungsdruck und sexuelle Unzufriedenheit
 Kultivierungsthese und sozialer Vergleich

                                                            Zürcher Fachhochschule
Dimensionen von riskantem Medienalltag
Verfügbarkeit von Medien und anderen Ressourcen in der Familie
 und im ökologischen Nahraum  karg oder wahllos

Umgang mit der Zeit: Medienzeit und gemeinsame Aktivitäten in
 den Familien  beliebig oder fragmentiert

Förderung von Interessen und Nutzungsformen.  keine
 Anregungen für altersgemässe Angebote und keine Regeln für
 die Mediennutzung.

Werthaltungen  keine Auseinandersetzung, keine Vorbilder

Erziehung  keine Zuwendung und keine Verlässlichkeit, Gewalt
 oder beliebig schwankender Lenkungsanspruch.

                                                                 Zürcher Fachhochschule
5. Kinder und Jugendliche unterstützen

                                         Zürcher Fachhochschule
Was sind positive Medien?

• Anregungen zur Auseinandersetzung mit Wertfragen (Förderung
 der Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit).
• Vielfältige Rollenmodelle und Identifikationsfiguren.
• Konfliktlösungsmodelle jenseits von Gewalt und Überanpassung.
• Altersgerechte Inhalte: Impulse zur Bewältigung von
 Entwicklungsaufgaben.
• Kulturelle Horizonterweiterung: Förderung der ästhetischen
 Bildung und der differenzierten Wahrnehmung.

                                                                  Zürcher Fachhochschule
Anregende Spiele finden: Altersfreigaben

PEGI-Ratings seit 2003, in 30 europ. Ländern (www.pegi.info)

 Sprache: Das Spiel enthält vulgäre Sprache
 Diskriminierung: Das Spiel zeigt Darstellungen von Diskriminierung oder verherrlicht /
 verharmlost diese.
 Drogen: Das Spiel zeigt Drogenkonsum oder verherrlicht / verharmlost diesen.
 Angst: Das Spiel könnte jüngere Kinder ängstigen.
 Glücksspiel: Das Spiel enthält Glücksspielelemente. Es ermuntert zum Glücksspiel
 und lehrt, wie man es macht.
 Sex: Das Spiel enthält Nackt- oder Sexdarstellungen.
 Gewalt: Das Spiel enthält Gewaltdarstellungen oder verherrlicht / verharmlost Gewalt.

Deutschland: USK - Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle seit 1993

                                                                                Zürcher Fachhochschule
Anregende Spiele finden: positive Merkmale
   Positivprädikatisierung in Österreich (http://bupp.at)

   Kriterien: Spielspass (50%), Pädagogik (40%), Technik und Ausstattung (10%)
   Beispiele für die pädagogischen Kriterien:
   Lebensbezüge, Lerneffekte, Förderungspotentiale, vermittelte Werte, Gewalt und
     Aggression, Genderaspekte, Darstellung, Sprache und Symbole.
   Anforderungen des Spiels: Reaktion/Geschicklichkeit, Denken/Planung, Ausdauer
    (wenig – mittel – viel)

   Beispiel:                     PEGI Freigabe ab 3 Jahren (für alle)
                                 USK Freigabe ab 6 Jahren
                                 BUPP-Empfehlung ab ca. 12 Jahren

                                                                            Zürcher Fachhochschule
Vermitteln von Kulturtechniken
  (Doelker, 2005; Süss, Lampert & Wijnen 2013)

• Lesen
• Schreiben
• Rechnen
• Fernsehen, Visual Literacy
• Digitale Kompetenz, Virtual Literacy
Ziel: Umfassende Alphabetisierung aller Mitglieder der Gesellschaft.

                                                               Zürcher Fachhochschule
Big Data und Medienbildung (Gapski 2015)
•   Lesen
•   Schreiben
                                    Lifelogging als
•   Rechnen                         Bürgerpflicht?
•   Visual Literacy                 Selftracking,
•   Digital Literacy                Quantified Self
                                    Movement
•   Data Literacy
                                    Kontrollverlust,
•   Code Literacy
                                    Selbstverteidigung
•   Privacy Literacy                und Souveränität

                                                         Zürcher Fachhochschule
Medienkompetenzförderung: Ziele

• Medialitätsbewusstsein: Rahmungskompetenz
 bewahren
• Medien bedürfnisgerecht nutzen und Nebeneffekten
 vorbeugen können
• Medienkritik und Mediengenussfähigkeit:
 Alphabetisierung und Kulturtechniken
• Mit Medien kommunizieren und kreativ sein können
• Anschlusskommunikation: Medienerlebnisse
 gemeinsam verarbeiten können

 Groeben 2004; Doelker 2005; Treumann et al. 2007 (Bielefelder
 Medienkompetenzmodell)

                                                                 Zürcher Fachhochschule
Medienkompetenzförderung: Wege

• Möglichst früh anfangen!
• Bewertung des Medienkonsums: Wichtiger als das „wie viel“ ist
    das „was“ und das „warum“.
• Gemeinsame (Medien-)Erlebnisse als Gesprächsbasis.
• Abgrenzung ermöglichen, Vertrauen schenken, aufmerksam
    bleiben.
•   Vereinbarungen treffen über die angestrebte Balance.
•   Medienwissen vermitteln: security4kids
•   PEGI Altersempfehlungen beachten (mit Augenmass fürs Kind).
•   Empfehlungen von wertvollen Angeboten helfen mehr als
    Verbotslisten. (www.bupp.at)
• Anzeichen von Kontrollverlust und Abhängigkeit ernst nehmen.

                                                                  Zürcher Fachhochschule
Gemeinsame Aktivitäten innerhalb der
Familie
(Süss 2004: 210ff)
Rangfolge:
• Gemeinsam essen (vgl. Lerner 2008: Indikator für positive
    Entwicklung)
•   Gemeinsam fernsehen (Co-Viewing)
•   Über Dinge sprechen, die das Kind beschäftigen (Anteilnahme)
•   Über aktuelle Ereignisse sprechen (Offenheit)
•   Gemeinsam ausgehen (Erlebnisse in der Alpha-Welt)
•   Gemeinsam Spiele machen (Spass und Humor als Ressource)

Meinungsverschiedenheiten und Konfliktfelder:
Hilfe bei Hausarbeiten, Fernsehen, zu Bett gehen, Hausaufgaben
 machen, aus dem Haus gehen. (Jungen: Computergames)

                                                                   Zürcher Fachhochschule
Reflexion des Medienalltags
• Welche Inhalte werden gewählt?
• Aus welchen Motiven werden Inhalte gewählt?
• Mit wem werden welche (Medien-)Erlebnisse geteilt?
• Wie werden Medienerlebnisse verarbeitet?
• Welche Anteile von Medienkompetenz sind verfügbar?
• Welche Optionen (funktionale Alternativen) sind im Blick?
• Weshalb werden Medienaktivitäten anderen Aktivitäten
 vorgezogen?

Methoden: Medientagebuch; Selbstversuche mit
        Medienverzicht

                                                       59
                                                              Zürcher Fachhochschule
6. Ausblick

              Zürcher Fachhochschule
Generalisierungen sind verlockend –
aber irreführend

Fehlende Balance                                        Intakte Balance

           Problematische Nutzung

                               80-90%                          5-10%
5-10%

                                    Sinnvolle Nutzung

Hohe Risiken                                             Geringe Risiken
Wenig Ressourcen                                         Hohe Ressourcen

                                                                           Zürcher Fachhochschule
Was hat sich verändert?

• Kindheit als durchlässiger Schonraum
• Neue Handlungsräume, neue Freiräume - und Risiken
• Kinder sind nicht nur Rezipienten, sondern auch Akteure in den
 Medien: nicht nur Opfer, auch Täter
• Kinder und Erwachsene lernen gegenseitig
• Leistungsdruck und Stress nehmen zu
• Medien werden zur Stressverarbeitung genutzt

Was ist konstant geblieben?
• Kinder und Jugendliche bevorzugen direkte Kontakte
• Echte Freundschaften bleiben gut ausgewählt (5-7)
• Direkte Bezugspersonen sind die wichtigste Orientierung für die
 Persönlichkeitsentwicklung

                                                                    Zürcher Fachhochschule
Fazit: Wie wirken sich die Medien auf das
Aufwachsen aus?
Risikopotenzial:                   Produktives Potenzial:

Konsum- und                        Medien als Bausteine einer
 Konformitätsdruck,                 anregenden sozialen, dinglichen und
 Kommerzialisierung der             symbolischen Umwelt
 Kindheit                          Medienumgang als bewusstes
Fremdbestimmte Zeit bis zu          Zeitmanagement im Suchen von
  Verhaltenssucht                   Balance
Verzerrungen im Selbst- und        Sozial verortete Selbstgestaltung
 Weltbild, Aggressivität, Angst,   Medienkompetenz als Erwerb von
 sexuelle Devianzen                 Handlungskompetenz
Auflösung von Identitätsgrenzen

                                                                       Zürcher Fachhochschule
Quellen: Interessante Links
EU-Kids Online: Nutzung von Onlinemedien und deren Risiken:
 www.eukidsonline.de
Bundesprogramm Jugend und Medien: www.jugendundmedien.ch (Schweiz)
Fachhochschule Köln: Spielraum – Institut zur Förderung von
 Medienkompetenz. Online: http://www1.fh-koeln.de/spielraum/
Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von Computer- und Konsolenspielen
 (Oesterreich). Online: http://bupp.at
PEGI Online: Pan European Game Information (ein Portal der Spielbranche).
 Online: http://www.pegionline.eu
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (Deutschland):
 Indizierungsstelle. Online: http://www.bundespruefstelle.de
Jugendschutz im Internet (Deutschland). Online: http://www.jugendschutz.net
Institut zur Prävention von Onlinesucht (Oesterreich). Online:
  http://www.onlinesucht.at

                                                                              Zürcher Fachhochschule
Literaturhinweise

Bilke-Hentsch, Oliver (2013): Süchtig nach Computer und Internet? Interventionen bei pathologischem
Mediengebrauch in der Adoleszenz. In: Pädiatrie, H. 2, S. 1-5.
Döring, Nicola (2011): Pornographie-Kompetenz. Definition und Förderung. In: Zeitschrift für Sexualforschung, H. 24,
S. 228-255.
Hasebrink, Uwe (2013): Entwicklungs- und Nutzungstrends im Bereich der digitalen Medien und damit verbundene
Herausforderungen für den Jugendmedienschutz. Referat am 2. Nationalen Fachforum Jugendmedienschutz. Bern: 7.
März 2013.
Hermida, Martin (2013): EU Kids Online: Schweiz. Schweizer Kinder und Jugendliche im Internet: Risikoerfahrungen
und Umgang mit Risiken. Online: http://www.martinhermida.ch/wp-content/uploads/EU_Kids_Online_Schweiz.pdf
«Lust und Frust» Fachstelle für Sexualpädagogik (2012): Medien- und Pornographiekonsum von Jugendlichen in
Stadt und Kanton Zürich. (Autor: Lukas Geiser, HSLU 2011) Online: www.lustundfrust.ch
Pfeiffer, Christian (2003): Medienverwahrlosung als Ursache von Schulversagen und Jugenddelinquenz? Online
unter: http://kfn.de/versions/kfn/assets/medienverwahrlosung.pdf
Schuppisser, Ka (2008): Alter und Informationsgesellschaft – den digitalen Graben überbrücken. In: Soziale
Sicherheit CHSS 1/2008, S. 25-29.
Süss, Daniel (2004): Mediensozialisation. Dimensionen – Konstanten – Wandel. Wiesbaden: VS Verlag.
Süss, Daniel / Hipeli, Eveline (2010): Medien im Jugendalter. In. Vollbrecht, Ralf / Wegener, Claudia (Hg.): Handbuch
Mediensozialisation. Wiesbaden: VS Verlag, S. 142-150.
Süss, Daniel / Lampert, Claudia / Wijnen, Christine (2013): Medienpädagogik. Ein Studienbuch zur Einführung. 2.,
aktualisierte und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag.

                                                                                                                        Zürcher Fachhochschule
Fragen und Diskussion!

Prof. Dr. Daniel Süss      daniel.suess@zhaw.ch

ZHAW – Departement Angewandte Psychologie
Psychologisches Institut
Fachgruppe Medienpsychologie
www.zhaw.ch/psychologie/medienpsychologie

IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
der Universität Zürich
Professur Mediensozialisation und Medienkompetenz
www.ipmz.uzh.ch
                                                                  Zürcher Fachhochschule
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