FRAUENPOWER FRAUENPOWER - Leben in Bäumen - dieBILDSCHIRMZEITUNG
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
DAS MAGAZIN MÄRZ 2022 FÜR OBERSCHWABEN WWW.BLIX.INFO FRAUENPOWER FRAUENPOWER FRAUENPOWER S Die Neuen Leben in Bäumen Das Privileg A TI Seite 7 Seite 16 Seite 12 GR
INHALT AKTUELL „Ich will gestalten“ Seite 5 Heiko Graf folgt Klaus Reichert Seite 6 Aktuell FRAUENPOWER OB-Wahl in Laupheim Die Neuen Seite 7 Kleinvieh macht auch Mist Seite 10 Seite 5 Das Privileg Seite 12 „Es ist alles gesagt“ Seite 14 „Die Klinik ist unserer Meinung“ Seite 16 Geschichte als großes Kino Seite 19 NACHHALTIG REISEN Wie nachhaltig ist sanfter Tourismus? Seite 20 BILDUNG & BERUF Quereinsteiger/innen erwünscht Seite 24 Frauenpower Ein Jahr USA Seite 30 „Es ist alles gesagt“ Kretschmann trifft Seite 14 Handwerksnachwuchs Seite 31 KULTUR & FREIZEIT Der schwarze König und sein Nachhall Seite 34 GESCHICHTE & GEGENWART 200 Jahre alt und gesund Seite 38 HAUS & GARTEN Ab in den Garten! Seite 42 Geschichte Messe wird verschoben Seite 50 200 Jahre alt und gesund MOBILITÄT Seite 38 Veronika, der Lenz ist da ... Seite 51 ‚Oben ohne‘ im Aufwind Seite 52 LECKER & GESUND Weniger ist mehr Seite 54 Regionale Vielfalt Seite 64 LEIBESÜBUNGEN Über das Limit hinaus Firmenlauf Oberschwaben Seite 80 Seite 81 Kultur Ein schwarzer König RUBRIKEN Lage der Liga Seite 23 Seite 34 Fotograf des Monats Seite 40 Essen & Trinken Seite 65 Kino & Popcorn Seite 66 Veranstaltungskalender Seite 68 Literatur Seite 74 Zauber der Natur Seite 82 Tiervermittlung Seite 83 Titelfoto: Raphael Ziemowski IMPRESSUM Verlag: Layout: BLIX-Verlag GmbH & Co. KG Dein Satz - Manuela Hollmann, 88326 Aulendorf, Hauptstraße 93/1 Alexander Koschny Titelfoto: Raphael Ziemowski Geschäftsführung: Dr. Roland Reck, Tel. 07525-9212-0 Illustrationen: Assistenz: Angelika Friedrich-Reck -0 © Michael Weißhaupt www.monsterdisein.de Fax 07525- 9212-22 · info@blix.info Druckerei: Anzeigen: Dierichs Druck+Media GmbH & Co. KG Dr. Roland Reck 07525-9212-0 Frankfurter Straße 168, 34121 Kassel Franz Thoma 07525-9212-17 Stefan Zieglowski 07351-4290653 Anton Hänsler 07525-922184 anzeigen@blix.info Papier: BLIX wird auf Recyclingpapier gedruckt Sommerreifen- Vertrieb: Redaktion: Angelika Friedrich-Reck Dr. Roland Reck V.i.S.P., Tobias Köhler, Alexander Koschny, Andrea Reck, Christian Oita, Erscheinungsweise: Franz Thoma, Horst Hacker, Rüdiger Bäßler, 10 Magazine pro Jahr Uli Gresser, Johannes Reichert Tel. 07525-9212-0, Fax 07525-9212-22 Druckauflage: redaktion@blix.info 20.000 (IVW 1. Quartal 2020) Termine: termine@blix.info www.blix.info Auflage und Verbreitung unterliegen der ständigen Kontrolle durch die Informations- gemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. in Berlin. 3
EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, letztes Jahr war es noch eine Doppelausga- Lässt es sich vorstellen, dass eine Frau einen Frauen ihre (Um-)Welt betrachten und damit be, die wir für März und April kreiert haben. solchen willkürlichen Krieg vom Zaun brechen umgehen, nun liest es sich plötzlich wie das Ein Heft für zwei Monate, das war dem Virus würde? Ich kann es mir nicht vorstellen. Aber Kontraprogramm zur männlichen Hybris, denn geschuldet. Nicht so in diesem Jahr. BLIX er- ehrlich gesagt, ich hab’ es auch Putin nicht die gibt es natürlich nicht nur in der Weltpoli- scheint regulär als Monatsmagazin für März, zugetraut. Doch wenn ich mir sein Gebaren tik. wie es sein soll. Ein gutes Zeichen, dass die betrachte, dann erkenne ich darin männliche Mit unserem Titelbild greifen wir ein Thema Zeiten sich bessern, könnte man meinen. Vor- Hybris in Extremform. Es ist genau diese Hy- auf, das heftig diskutiert wird in diesen Tagen. wärts in die Normalität. Die Pandemie als glo- bris, die die Welt zerstört. Denn selbst wenn Wie weit darf Protest gehen? Um es kurz zu bale Geisel ist auch dank Impfungen auf dem dieser Krieg sich einhegen lässt – worum wir machen: Es mag vor dem Richterstuhl nicht Rückzug. Aber die Freude darüber, lässt sich beten sollten –, dann ist die Konsequenz dar- legal sein, wenn junge Menschen auf fremden nicht genießen. Mitnichten! Statt einem Virus, aus ein Wettrüsten auf Teufel komm raus. Das Grund und Boden auf Bäume klettern, um sie das auf heimlichem Weg uns attackiert, nun wird unglaublich viel Geld und Ressourcen und ihre Umwelt zu schützen, aber es ist an- ein Angriffskrieg in Europa. Die Atommacht vernichten, die wir und alle Menschen dieser gesichts des Zustands dieser Welt und der be- Russland attackiert sein souveränes Nachbar- Erde dringend benötigen, um die Klimakrise zu rechtigten Sorge um ihre eigene und die ihrer land, die Ukraine, die einst Teil der Sowjetunion bändigen. Mein Gott, was für ein Unglück! Kinder Zukunft mehr als legitim, wenn sie das war und als solches besondere Verheerungen Der 8. März ist bekannter Maßen der Internati- tun. Das mag nicht vor Strafe schützen, aber mit Millionen Toten erleiden musste, als Nazi- onale Frauentag. Und wir bemühen uns schon nötigt mir großen Respekt ab. Oder wie es der Deutschland 1941 die Sowjetunion überfiel. Es seit einigen Jahren, das März-BLIX darauf aus Lyriker Günter Eich (1907-1972) in seinem Hör- ist grauenhaft! Man steht diesem Wahnsinn zu richten, indem wir Ihnen, liebe LeserInnen, spiel „Träume“ (1951) formuliert hat: „Seid un- fassungslos gegenüber. Dieser Krieg tobt nicht ganz unterschiedliche Frauen und ihr Tun vor- bequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe am Hindukusch, sondern vor unserer Haustür. stellen. Es war die Absicht zu erfahren, wie der Welt!“ VIEL SPASS MIT BLIX Dr. Roland Reck, Chefredakteur 4
AKTUELL U L I G R E S S E R „Ich will gestalten“ BAD WURZACH. Die Bad Wurzacher Bürgermeisterin Alexandra Scherer (51) hat nicht nur ihre Gemeinde überrascht: Sie bewirbt sich auf den vakanten Posten des Oberbürgermeisters in ihrem Wohnort Laupheim. „Ich will gestalten“, mit diesen Worten begründete die Bürgermeisterin bei der Gemeinderatssitzung am 21. Februar ihre Entscheidung, sich in Laupheim auf die Nachfolge des verstorbenen Oberbürgermeisters Gerold Rechle zu bewerben. „Laupheim ist eine der bedeutendsten Städte im Landkreis Biberach.“ „Es war für mich nicht von Anfang an klar, dass ich mich bewerben werde“, erklärte Scherer, die seit 2018 Bürgermeisterin in der Kurstadt ist. Nachdem sie aber sehr oft und von verschiedenen Seiten auf eine Kandidatur angesprochen wurde, ist der Gedanke dann doch gereift. Bei diesen Überlegungen war ihr besonders wichtig, sagte sie, ob sie guten Gewissens Bad Wurzach zum jetzigen Zeitpunkt in die Hände eines neu- en Bürgermeisters bzw. einer neuen Bürgermeisterin übergeben kann. Sie sieht viele während der vergangenen vier Jahre in Bad Wurzach angestoßene Projekte auf einem guten Weg: Wohn- und Gewerbe- gebiete, Breitbandausbau, der Turm im Ried. Andere seien erfolgreich abgeschlossen: Umbau und Sanierung von Kurbetrieb und Kurhotel, Alexandra Scherer bewirbt sich als Nachfolgerin des verstorbenen Ober- das neue Hallenbad fertiggestellt, die Jugendmusikschule blieb in städ- bürgermeisters Gerold Rechle in Laupheim. Foto: Reck tischer Trägerschaft und hat eigene Räume im Schloss bezogen. „Meine bisherige Bilanz ist also ganz ordentlich, die Stadt kann gestärkt Gewinnt Alexandra Scherer die OB-Wahl am 27. März und sollte Haupt- und zuversichtlich in die Zukunft blicken. Der Gemeinderat ist über alle amtsleiter Frank Högerle eine Woche zuvor zum Bürgermeister von Themen der Stadt informiert und daran beteiligt, diese enge und ver- Burgrieden gewählt werden, bedeutete dies eine mächtige Zäsur für die trauensvolle Zusammenarbeit war und ist mir immer sehr wichtig. Dazu Bad Wurzacher Stadtverwaltung. gehört dann auch, dass ich zuallererst den Gemeinderat über meine Der OB-Stuhl in Laupheim ist allerdings begehrt. Alexandra Scherer ist Bewerbung informiert habe,“ sagte die, angesichts der vielen Besucher die Fünfte in der Riege der BewerberInnen. Kevin Wiest (42), Bürger- bei dieser Sitzung, sichtlich gerührte Bürgermeisterin. meister von Oberstadion und CDU-Kreisrat im Alb-Donau-Kreis hat als Warum aber jetzt Laupheim, wo sie doch in Bad Wurzach sattelfest ist Erster seine Bewerbung im Laupheimer Rathaus abgegeben. Raymond und sich auch sehr wohl fühlt? „Laupheim ist eine wirtschaftlich über- Ihle, der Technische Leiter der Laupheimer Stadtwerke, hat als dritter aus prosperierende, lebendige und dabei doch sehr liebenswerte Stadt Bewerber seinen Hut in den Ring geworfen. Der 43-jährige Ingenieur mit guter Infrastruktur und stabilen Finanzen, bietet also Gestaltungs- tritt als parteiloser Kandidat an. Ingo Bergmann (44) aus Ulm hat sich spielraum und Zukunftschancen in einer noch größeren Kommune. Und bereits 2017 um die Nachfolge von Rainer Kappelen beworben und Laupheim ist die Stadt, die für unsere Kinder die Heimatstadt ist, der landete mit 41 Prozent der Stimmen hinter Georg Rechle. Bergmann ist Ort ihrer Kindheit und Schulzeit sowie der Ort, an dem wir alle Freunde SPD-Mitglied und ist Projektleiter beim Aufbau des Einstein-Museums gefunden haben“, erklärt Scherer. Die Familie stehe hinter der Entschei- in Ulm. Michael Springer (54) tritt als „weitgereister Laupheimer“ zur dung und unterstütze sie. „Ich hoffe, auch meine Wurzacher können Wahl an, wie es in seiner Pressemitteilung heißt. Der Diplombetriebs- mich verstehen und nehmen mir diese Entscheidung nicht übel.“ wirt arbeitet bei einem Energieversorger. Am 27. März weiß man mehr. 5
AKTUELL A N D R E A R E C K Heiko Graf folgt Klaus Reichert UMMENDORF. Am 20. Februar wurde in der fünf Kilometer südlich von nahmen, die zum Erhalt des European Energy Award führten. Der rastlose Verwaltungsfach- Biberach gelegenen 4400-Einwohner-Gemeinde ein neuer Bürgermeister mann, der seine Gemeinderätinnen und - räte gewählt. Nach 24 Jahren war Klaus B. Reichert nicht mehr angetre- regelmäßig schon in den frühen Morgenstun- ten. Vor dem Rathaus verkündete der noch bis Mai tätige Reichert das den mit Mails aus dem Rathaus versorgt, wird auch in dem kommenden Jahren mitnichten die Wahlergebnis. Der 47-jährige Diplomverwaltungswirt Heiko Graf aus Hände in den Schoß legen. Neben der Musik gilt Mietingen erhielt 84,57 Prozent der Stimmen, der Offizier Dirk Gevater seine Leidenschaft dem Kochen. Er tritt daher (56) aus dem rheinland-pfälzischen Schornsheim 11,40 Prozent, der eine zweieinhalbjährige Ausbildung zum Koch in der „Linde“ in Steinhausen an. Ummendorfer Software Engineer Wolfgang Schmidt (46) 3,55 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 54 Prozent. Kurz nach 19 Uhr konnte der amtierende Bür- Rief und der CDU-Landtagsabgeordnete Tho- germeister von der Rathaustreppe herunter das mas Dörflinger, der am Ort Gemeinderat ist. Ergebnis bekanntgeben. Auf der abgesperrten Nach den Glückwünschen durfte der strahlende Straße beklatschten über 300 Menschen das Heiko Graf (der beim Musikverein Mietingen eindeutige Ergebnis. Heiko Graf dankte den Trompete bläst) den Taktstock übernehmen und Ummendorferinnen und Ummendorfern für das den Ummendorfer Musikverein „In Harmonie große Vertrauen. Auch Landrat Heiko Schmid vereint“ spielen lassen. Anschließend lud er alle trat ans Mikrofon, gratulierte dem Sieger und ein zu Freibier, das die Freiwillige Feuerwehr dankte den beiden anderen Bewerbern für ihre schon bereitgestellt hatte. Kandidatur. Er sieht auf das neben dem Schloss Graf tritt in große Fußstapfen, Klaus B. Reichert liegende Rathaus nach der Ära Dörflinger und (58) hat in drei Amtsperioden sehr viel für die der Ära Reichert eine „gräfliche“ Ära zukommen Gemeinde erreicht. Viele Tiefbau- und Infra- und meinte schmunzelnd, bei dem Vornamen strukturmaßnahmen gehen auf sein Konto wie könne ja nichts schiefgehen. Unter den zahlrei- etwa die Zentralisierung der Wasserversorgung chen Gratulierenden waren der Biberacher OB von Ummendorf und Fischbach, die freitra- Norbert Zeidler, der Bürgermeister von Schem- gende Brücke über die Bahnlinie, die viel Stau merhofen Mario Glaser und sein Amtskollege vermeidende Abbiegespur auf der B 312 vom Elmar Braun aus Maselheim. Gekommen waren Jordanbad nach Ummendorf, der Bau von Feu- auch der katholische Ortspfarrer Jürgen Sauter, erwehrhaus und Gemeindehalle, die General- die Grünen-Bundestagsabgeordnete Anja Rein- sanierung des Rathauses, die Wiedervernässung Von li: Heiko Graf, Klaus B. Reichert, Alexandra alter, der CDU-Bundestagsabgeordnete Josef des Rieds und weitere umweltfreundliche Maß- Graf und Landrat Heiko Schmid. Foto: Reck E R N E U E R B A R E E N E R G I E N Erneuerung der rechtlichen Grundlagen für den Windkraftausbau BLIX-LAND. Mit einem Appell zum Thema Windkraftausbau wandten sich der Landrat des Alb- relativ wenige Standorte ein, die schon weitge- Donau-Kreises Heiner Scheffold, der Ulmer Oberbürgermeister Gunter Czisch und der Landrat des hend ausgebaut sind. Erschwerend käme hinzu, Kreises Biberach Dr. Heiko Schmid am 9. Februar in einem Schreiben an Thekla Walker, Ministerin dass gemäß den Regelungen ältere Anlagen zwar für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg. bestehen bleiben dürfen, aber nicht im Zuge eines sogenannten „Repowering“-Prozesses durch leis- „Dem Ausbau der Windkraft kommt im Rahmen über die Zusammenarbeit in den Bereichen der tungsfähigere Modelle ersetzt werden können. der Energiewende eine zentrale Bedeutung Landesentwicklung und der Regionalplanung Dabei könnte sich der Stromertrag durch eine zu. (…) Im Zuge des Klimawandels und der abgeschlossen haben. Dieser Staatsvertrag bil- Erneuerung dieser Kraftwerke, die teilweise über Energiewende in unserem Land sollten wir det das rechtliche Fundament für die Regional- 20 Jahre alt sind, vervielfachen. „Das läuft dem vorhandene Potentiale zur alternativen sowie planung des Regionalverbandes Donau-Iller und Ziel der Energiewende komplett entgegen und nachhaltigen Energieproduktion ausloten und bestimmt die kommunalen Handlungsspielräume ist der Bevölkerung nicht vermittelbar“, so die konsequent nutzbar machen. (…) Ziel sollte es im Zusammenhang mit dem Bau und der Unterzeichner. aus unserer Sicht sein, die Rahmenbedingungen Nutzung von Windkraftwerken. Entsprechend „Unsere Region möchte ihren Beitrag zur [dafür] so zu verändern, dass ein sinnvoller den Vorgaben des Staatsvertrages unterschei- Förderung der regenerativen Energien leisten“, Ausbau von Windenergie nicht durch bestehende det der Regionalplan zwischen sogenannten erklären Landrat Scheffold, Oberbürgermeister rechtliche Vorgaben (…) zum Scheitern verurteilt Vorranggebieten, in denen Windkraftanlagen Czisch und Landrat Schmid den Anlass ihres ist. Deshalb muss der Staatsvertrag zwischen gebaut werden dürfen, und Ausschlussgebieten, Schreibens. Weil dies aber unter den gegebenen Baden-Württemberg und Bayern angepasst wer- in denen ein Neubau solcher Windkraftanlagen Rahmenbedingungen ihrer Ansicht nach kaum den“, so der Inhalt des Schreibens. nicht zulässig ist. möglich ist, fordern sie die Landesregierung und Ein massives Hemmnis für den Ausbau und die Dadurch, so Scheffold, Czisch und Schmid, Ministerin Walker auf, die rechtlichen Grundlagen Nutzung von Windkraft sei der Staatsvertrag, schränke der aktuell gültige Rechtsrahmen den für den Ausbau der Windkraft gemeinsam mit den die Länder Baden-Württemberg und Bayern Neubau solcher Anlagen im Verbandsgebiet auf dem Freistaat Bayern zu erneuern. 6
FRAUENPOWER R O L A N D R E C K Die Neuen BERLIN/OBERSCHWABEN. Es ist vermutlich, wie wenn man von Geschäftsführerin gewählt und ist somit auch Teil des Fraktionsvorstandes, folglich zuhause auszieht und in eine neue Welt aufbricht, aber immer wieder ist die Neue gleich ins Fraktionsmanagement gerne heimkommt. So ist es, wenn man nach Schule und Ausbildung aufgestiegen. „Im Fraktionsvorstand geht es das Elternhaus verlässt, um eigene Wege zu gehen, aber auch gerne vor allem um die politische und strategische Beratung der Bundestagsfraktion“, erklärt zurückkehrt, um Freunde und Familie zu treffen. Und so ähnlich muss Reinalter nicht ohne Stolz ihre neuen Auf- es wohl sein, was Heike Engelhardt und Anja Reinalter derzeit erle- gaben. ben als frisch gebackene Abgeordnete in Berlin. Oberschwaben trifft Und wie muss man sich den Arbeitsalltag Hauptstadt. Die beiden „Neuen“ sind angekommen und finden es gut. einer Bundestagsabgeordneten vorstellen? Auch wenn sie noch aus dem Koffer leben. „So ein Tag in Berlin kann von früh um 7 Noch sei vieles Provisorium, aber die Arbeit bis in die Nacht um 23 Uhr dauern“, meint strukturiere sich und nehme an Fahrt auf, Anja Reinalter. Heike Engelhardt: „Es ist un- erklären Heike Engelhardt (61), die Neue glaublich, wie viel Zeit wir Abgeordneten in von der SPD aus Ravensburg, und Anja Sitzungen und Besprechungen verbringen. Reinalter (52), die Neue von den Grünen In der aktuellen Lage treffen wir uns wei- aus Laupheim. Und von nun an heißt es testgehend online. Dadurch hat sich aber pendeln. Das Leben von Abgeordneten ist die Termindichte nochmal erhöht.“ Hinzu mindestens zweigeteilt. Das eine spielt sich kommen die Außentermine, Reinalter nennt im „Treibhaus“ (Wolfgang Koeppen), unter ein Beispiel: „So habe ich mich beispiels- der Glaskuppel in Berlin ab (bei Koeppen weise vor kurzem mit dem ‚Zentralverband war es noch Bonn), das andere dort, wo Deutsches Baugewerbe‘ über den Fachkräf- man herkommt, im Wahlkreis, wo die Familie temangel besprochen.“ Das alles spielt in und Freunde leben und man von nun an Berlin und zuhause in Oberschwaben? „Im als Bundestagsabgeordnete bei offiziellen Wahlkreis besuche ich derzeit viele Bürger- Anlässen immer zuerst begrüßt wird. Das meister*innen, um zu hören, wo der Schuh Protokoll schafft Bedeutung in der Heimat, Heike Engelhardt (SPD) an der Seite ihres drückt. Als langjährige Kommunalpolitikerin während in 21 Sitzungswochen in Berlin Kanzlers Olaf Scholz, ebenfalls SPD. ist mir das ein besonderes Anliegen. Und sich die öffentliche Aufmerksamkeit nur auf ich stelle mich als Gesprächspartnerin bei wenige der 736 Abgeordnete konzentriert. Unternehmen, Verbänden und Vereinen vor. Immerhin, Oberschwaben schickt von Ra- Ich nehme aber auch sehr gerne an Ge- vensburg bis Ulm und von Sigmaringen bis sprächsrunden in Schulen und mit Jugend- an die Iller vier Frauen und sechs Männer an lichen teil und suche das Gespräch mit den die Spree. Und die beiden „Neuen“ sind die Hochschulen.“ WahlgewinnerInnen und verstärken neben „Als Grüne aus dem ländlichen Raum“ ist der CDU-Abgeordneten Ronja Kemmer (32) für Reinalter „sehr wichtig“, dass der länd- aus Ulm und der Grünen Agnieszka Brugger liche Raum nicht abgehängt wird. Ihr Ziel: (36) aus Ravensburg die oberschwäbische „gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt Frauenpower im Deutschen Bundestag, der und Land“. Ihre Diagnose: Auf dem Land sei insgesamt jünger und weiblicher wurde. „vor allem die Erreichbarkeit wichtiger Da- Und beide kommen aus der Kommunalpolitik seinsvorsorgeangebote ein Problem“. „Für und wissen folglich, wie die Eingeborenen nur 43 Prozent der Bürgerinnen und Bürger (sorry: die Indigenen) und assimilierten Zu- sind ein Supermarkt, der Arzt, die Post, eine gezogenen in diesem wohlhabenden und Anja Reinalter (Grüne) aus Laupheim über den Grundschule oder eine ÖPNV-Haltestelle in- -anständigen Landstrich ticken. Zur Erin- Dächern Berlins auf dem Reichstag. nerhalb von einem Kilometer erreichbar.“ nerung: Berlin ist arm, aber sexy – immer „Mir ist es wichtig“, sagt Reinalter, „dass noch! Heike Engelhardt ist Kreisvorsitzende Anja Reinalter hat drei Kinder und Er- die vielen Beiträge der ländlichen Räume der SPD in Ravensburg, wo sie auch SPD- ziehungswissenschaften studiert und war für das Gemeinwohl anerkannt und berück- Fraktionsvorsitzende im Stadtrat ist. Die viele Jahre in der Erwachsenenbildung tätig, sichtigt werden“. Mit anderen Worten: Beim 61-Jährige ist Mutter von zwei erwachsenen bevor sie 2020 zur Professorin für soziale Verteilen des Geldes in Berlin soll der eigene Kindern, nahm Anlauf zur Lehrerin, aber Arbeit an der Hochschule Kempten berufen Wahlkreis nicht vergessen werden. Das ist statt in die Schule ging sie zur Schwäbischen wurde. Sie ist Fraktionsvorsitzende im Laup- die wichtige Aufgabe von allen Abgeordne- Zeitung, sie ist ausgebildete Journalistin und heimer Gemeinderat und grüne Kreisrätin in ten und verbessert die Wahlchancen. arbeitete schließlich als Pressesprecherin Biberach. Bis Ende 2021 war sie Mitglied im Die Bundestagswahl ist ein knappes halbes beim Zentrum für Psychiatrie Südwürttem- grünen Landesvorstand und frauenpoliti- Jahr her, am 26. September letzten Jahres berg und ist nun ordentliches Mitglied im sche Sprecherin des Landesparteirates. Nun wurde gewählt, am 8. Dezember fand die Ausschuss für Menschenrechte und huma- ist die 52-Jährige ordentliches Mitglied im Vereidigung der Ampel-Regierung statt. Ein nitäre Hilfe sowie im Gesundheitsausschuss Ausschuss für Bildung, Forschung und Tech- Novum, das zugleich eine Zäsur darstellt. des Bundestages. Die Gewerkschafterin ist nikfolgenabschätzung. Überdies wurde sie Nach 16 Jahren Angela Merkel als Kanzlerin vielfach ehrenamtlich tätig. von ihrer Fraktion zur Parlamentarischen gab es zum Jahresende einen Regierungs- 7
FRAUENPOWER wechsel, dabei ist die Koalition von SPD, Die Gibt es weibliche Politik? Und wenn ja, was ich nur bestätigen“, meint Heike Engelhardt. Grünen und FDP ein politisches Novum. Die zeichnet sie aus und wie unterscheidet sie Und Anja Reinalter hat „schnell gelernt: In Probleme, mit denen sich sowohl die neue sich von männlicher Politik? Berlin wird auch nur mit Wasser gekocht!“ Bundesregierung als auch die Frauen und Männer im Bundestag beschäftigen müssen, Reinalter: „Das ist eine gute Frage. Angela Bundestagsabgeordnete zu sein, ist das Ihr sind zwar nicht neu, aber stellen in ihrer Merkel war 16 Jahre lang die erste deutsche Traumjob? Dimension ebenfalls eine Zäsur dar. Die Pan- Bundeskanzlerin. Aber war die Politik deswe- demie, die Klimakrise und das Artensterben gen weiblicher? (…) Ich will, dass Parlamente Reinalter: „Ja, es ist ein Traumjob, aber vor sind epochale Herausforderungen, deren Be- und politische Gremien gemischter werden, allem ist es eine Ehre, die Bürger*innen aus wältigung über unser aller Zukunft entschei- wo sie es noch nicht sind. Die weibliche meiner oberschwäbischen Heimat vertreten det. Und weil alles mit allem zu tun hat, fällt Perspektive ist in der Politik wichtig, um die zu dürfen.“ es schwer, die Dimensionen zu begreifen. Lebenswelt von Frauen und Männern richtig Engelhardt: „Zum jetzigen Zeitpunkt: ja!“ Aber verstehen es die PolitikerInnen? abzubilden. Ein gutes Beispiel dafür ist das Thema Kinderbetreuung.“ Zum guten Schluss: Impfpflicht ja oder nein? Politik ist die Kunst des Möglichen, heißt Engelhardt: „Politisches Handeln ist eher es. Reicht das aus, um den Problemen und eine Typ- denn eine Geschlechterfrage. So Engelhardt: „Ganz klares Ja! So umfassend Herausforderungen gerecht zu werden? wie erfolgreiche Teams sich dadurch aus- und schnell wie möglich.“ zeichnen, dass unterschiedliche Tempera- Reinalter: „Ich unterstütze den interfrak- „Die Frage lässt vermuten, dass das ‚Mög- mente und Herangehensweisen Projekte tionellen Gesetzesentwurf „Gesetz zur liche‘ zu wenig ist“, stellt Anja Reinalter vor- vorantreiben, profitiert auch die Politik, Aufklärung, Beratung und Impfung aller sichtig fest. „Wir sollten uns aber bewusst wenn die Akteur*innen eine gewisse Diversi- Volljährigen gegen SARS-CoV-2“. Dieser Ge- machen – dass wir Menschen Dinge möglich tät mitbringen. Und zwar in allen Belangen.“ setzesentwurf sieht vor, dass die Kranken- machen. Zukunft passiert nicht, fällt nicht kassen allen erwachsenen Menschen bis zum vom Himmel. Wir machen das und müssen Die Atmosphäre im „Treibhaus“ scheint zu 15. Mai 2022 ein Gesprächsangebot über die sie möglich machen. Und bei dem, was an- stimmen. Man kümmert sich um die Neuen Gefahren der Covid-19-Erkrankung und die steht, werden wir über uns hinauswachsen fraktionsübergreifend. „Die meisten meiner Impfstoffe unterbreiten. Die Impfpflicht soll müssen – um das Bestmögliche und Not- Kolleginnen und Kollegen sind ganz norma- ab dem 1. Oktober 2022 gelten. Bis dahin wendige für einen besseren Klimaschutz le, nette Menschen. Traurig ist allerdings, können die notwendigen Impfungen vor- und mehr Gerechtigkeit zu erreichen.“ Eine dass das für eine Fraktion nicht zählt: Die genommen werden. Mich überzeugt dieser Konsequenz: Sie fährt Zug und fliegt nicht Blaubraunen sind gehässig und aggressiv. Gesetzentwurf auch, weil das Gesetz bis zum nach Berlin und zurück. Es heißt ja ‚Hass macht hässlich‘ - das kann 31. Dezember 2023 befristet ist.“ H O C H S C H U L E R A V E N S B U R G - W E I N G A R T E N Wie geht‘s weiter nach der Schule? WEINGARTEN. Wie geht’s weiter nach dem Schulabschluss? Die Hochschule Ravensburg- Weingarten (RWU) informiert am Donnerstag, den 24. März über ihre Studiengänge und alles, was mit dem Start ins Studium zusammenhängt. Der Bewerbungszeitraum zum Wintersemester beginnt bald. Für vie- le steht die Frage im Raum, was und wo soll ich studieren? Um bei der Wahl des passenden Studiengangs zu helfen, bietet die RWU eine Studienmesse vor Ort und online an. Am Donnerstag, den 24. März stellen sich die 19 Bachelor- sowie einige der Masterstudiengänge im Hauptgebäude der RWU und im Rahmen von Videokonferenzen vor. Das Informationsangebot richtet sich an Studieninteressierte, aber auch an „Entscheidungshelfer“ wie Eltern oder Lehrerinnen Die Messe bietet spannende Einblicke in Projekte und das Hochschulleben. und Lehrer. Professorinnen, Professoren und Studierende berichten aus ihrem Studienmesse an der RWU – in Präsenz und online Fach und stehen Rede und Antwort zu allen Fragen rund ums Studium. Donnerstag, 24. März, 14-18 Uhr Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, Schnuppervorlesungen zu besu- Programm und weitere Informationen: www.rwu.de/studienmesse chen und den Campus bei verschiedenen Führungen kennenzulernen. Neben den einzelnen Studiengängen präsentieren sich auch studen- tische Initiativen, zum Beispiel das Formula Student Team oder die Umwelt AG. Das Studierendenwerk Seezeit ist als Ansprechpartner zu den Themen Wohnheime und Bafög vor Ort. Individuelle Fragen be- antwortet der Studierendenservice und informiert über Bewerbungs- verfahren und Zulassung. 8
KU N DE N KO N TAKTMA NA GEMENT SCHMIEDER KUNDEN-KONTAKT-MANAGEMENT Wir sind mehr als ein Call-Center! Wie alle Unternehmen von Anne Schmieder aus Fronreute, wächst auch das dritte, die Kunden-Kontakt-Management GmbH & Co. KG, kontinuierlich. Mittlerweile 65 Mitarbeiter*innen kümmern sich professionell um die Kommunikation für namhafte Kunden der Region. E s ist das Gespür für Markt- lücken, das Anne Schmieder so erfolgreich macht. Angefangen hatte sie 1986 mit einer Schreib- maschine im Keller, daraus ist schnelles Handeln unabdingbar! Aus diesem Dienst-leistungsgedanken heraus begann Anne Schmieder, die Kunden von einer besseren Erreichbarkeit zu überzeu- gen. Für die Be-arbeitung der Mails, Tickets entwickelten sich die Schmieder Personal- sowie der Anrufe rekrutierte sie neue dienstleistungen und später die Schmieder Mitarbeiter*innen. Also eine Chance für Übersetzungen. Beide Unternehmen gab Studierende, Mütter, Ruhe-ständler oder sie 2019 an ihren Sohn Florian Schmieder Arbeitssuchende. Die Mitarbeitenden der weiter, um sich ihrem dritten Bereich, dem KKM agieren sowohl vor Ort beim Kunden, Kunden-Kontakt-Management (KKM), zu im Büro in Staig als auch im Home-Office. kompetent und zuverlässig zu allen Fragen widmen. zur technischen Anwendung Auskunft ge- Vielseitig und International wie der ben. Sie sind telefonisch stets erreichbar Erreichbarkeit – der Schlüssel zum Erfolg Kunde selbst – auch am Wochenende sowie abends – und beantworten E-Mails schnell. Sehr viele Unternehmen sind mit einem Anne Schmieder betont: „Wir sind deutlich super Produkt, mit einer genialen Leistung mehr als ein Call-Center und arbeiten teilwei- Außergewöhnliche Projekte und mit einem teuren Marketing-Konzept se für den weltweiten Markt in verschiede- am Markt – doch wie steht es mit der nen Sprachen.“ Für Firmen wie die J. Wagner Anne Schmieders Team macht einen tollen Erreichbarkeit?Ist das Telefon besetzt oder GmbH, Baby Walz oder die Ravensburger AG Job und übernimmt bei Bedarf aber auch hat der Kunde große Mühe, seine Wünsche können die Schmieder-KKM-Mitarbeitenden andere Projekte. So unterstützt Schmieder anzubringen?Insbesondere im Onlinehandel Bestellungen der Kunden annehmen und KKM seit Mai 2021 beispielsweise das Land- ratsamt Ravensburg bei der Bewältigung der Corona-Problematik. „Mit unserem indi- viduellen Projektservice übernehmen wir Sehr viele komplette Au�träge sowohl für Start-Ups als Mitarbeiterinnen auch für große Unternehmen und bieten die- vereinbaren sen so die Chance, sich auf ihr Kerngeschä�t Familie und Beruf vorbildlich zu konzentrieren“, erzählt Anne Schmieder. und machen einen tollen Job! Schon 2022 möchte die Chefin einen Ge- schä�tsführer/in einstellen. „Ich möchte Verantwortung abgeben und mich stärker im sozialen Bereich engagieren“, so Anne Schmieder. Bis ihr wieder eine neue, zünden- de Geschä�tsidee einfällt … Schmieder KKM GmbH & Co. KG Tel: +49 07502 94 49 10 Schussenstraße 14 E-Mail: kkm@schmiedergmbh.de D-88273 Fronreute–Staig www.schmieder-kkm.de 9
FRAUENPOWER J O H A N N E S R E I C H E R T Kleinvieh macht auch Mist RAVENSBURG. Nachmittag in der Dachwohnung von Rosie B. am Rand habe. Der liebe Gott hat auf mich aufgepasst.“ Die junge Familie hat mit viel Eigenleistung von Ravensburg. Die altdeutsche Anbauwand, die Sofaecke und der ein Haus gebaut. Zwei Kinder sind gekommen. große Wohnzimmertisch strahlen behäbige Gemütlichkeit aus. Zum „Meine Ehe war mit viel Arbeit verbunden. Ich Kaffee am Nachmittag strahlt die Sonne durch die großen Dachfens- hab gemeint, mit Mann und Haus habe ich ein anderes Leben.“ ter. Rosie geht einen Stapel Bildbände durch, meist Kochbücher. Dabei Es musste gespart werden, deshalb wurde für beurteilt ihr geübter Blick den Nachfragewert. Denn Rosie verkauft Trö- die Tochter auf dem Flohmarkt ein Kinderfahr- del auf Flohmärkten. Das Geschäft geht aber nicht mehr so gut. Ganz rad gesucht. Das war vor 35 Jahren in Baien- furt. Die Erinnerung ist noch lebendig. „Guck aufhören möchte die 71-Jährige aber noch nicht. mal, die vielen Sachen, die da rumliegen, wir machen auch Flohmarkt, sagte mein Mann.“ Mit dem Zeug aus der Abfallsortierung bei der Entsorgungsfirma war ein Anfang gemacht. Damals waren die blauen Schmalztöpfe und Sammeltassen der Renner. Ihr erster Flohmarkt als „Beschicker“ war ein voller Erfolg, der 700 DM einbrachte. Rosie hat nie wertvolle Sachen angeboten und immer nur gebrauchte Dinge, meistens für eine Mark oder später für einen Euro. Denn, sagt Rosie: „Kleinvieh macht auch Mist!“ Die junge Familie konnte Hypotheken abzahlen und mit diesen Zusatzeinnahmen zum Lohn gut leben. Man ging auf Märkte in ganz Oberschwaben. Ein Auto mit Anhän- ger war nötig. Und die gebrauchten Sachen mussten gewaschen und hergerichtet werden. Rosie: „Oft habe ich das bis nachts um elf Uhr geputzt.“ „In der heutigen Zeit ist gut, dass man alles Rosie B. sortiert ihre Schätze für den nächsten Flohmarkt. Fotos: Johannes Reichert hat“, meint Rosie. „Aber die Jugend ist mit nix mehr zufrieden!“ Und der Markt sei übersät- „Kind und Gesellschaft in der Kunst“ heißt sie heiratet. Die Firma in Nürnberg produzierte tigt. Sammeltassen und Bierkrüge gehen nicht der Ausstellungskatalog, den sie mustert. Da- Fernsehgeräte, zahlte anfangs die Unterkunft mehr, stellt sie fest. Die Schuld am schleppen- rin sind Bilder von noblen Familien mit edel und einen guten Lohn von 350 Mark im Mo- den Marktgeschäft gibt sie nicht dem Internet angezogenen Kindern zu sehen, aber auch nat. Mit einer Freundin hat sie eine eigene oder eBay oder Corona. Sondern: „Deesch isch Fabrikkinder, Kinder in Arbeitshäusern und Wohnung gehabt. Aber auch immer Heimweh. alles übersättigt. Die Kinder haben heute ganz großstädtischen Elendsquartieren und bei be- Ihr Trost: „Ein paar Jahre und dann heim!“ andere Ansichten. Junge Leute wollen nicht schwerlicher Feldarbeit auf dem Land. Rosies „Ich hab Deutschland schon bewundert, alles mehr sammeln.“ Sie akzeptiert es, sie kann Blick bleibt daran haften. Erinnerungen an die so schön, die Ordnung, die Blumen,“ erklärt es nicht ändern und kommt aus, weil sie seit Heimat im ehemaligen Jugoslawien kommen Rosie dem Besucher. Mit einer Freundin in den Kindheit genügsam zu leben gewohnt ist. Für hoch. Bus und zum Picknick ins Grüne war das Sonn- Recycling oder Upcycling hat sie großen Re- „Wir waren arm. Meine Mutter hat kein Geld tagsvergnügen. Kuchen und Bier das Festme- spekt. Die ökologisch begründete Genügsam- für Streichhölzer gehabt. Beim Nachbar hab nü. Geld hat sie gespart und heimgeschickt, keit schätzt sie und sagt: „Weniger ist mehr, ist ich mit einem Schäufele Glut geholt“, erzählt damit das Dach gemacht wird. War aber nix, gar nicht schlecht!“ die Seniorin aus ihrer Kindheit: Reingeregnet wie sie beim ersten Heimatbesuch feststellt. hat es in das Haus mit Lehmboden. Morgens Das war das Ende der Geldsendungen. Mit der vor der Schule war das Schwein zu füttern. Mutter habe sie viel Mitleid gehabt. Weil der Im Herbst Brombeeren sammeln und das Geld ältere Bruder auch wegzog und es zehn Jahre aus dem Verkauf dem Vater geben. Für seine lang keinen Kontakt gab, habe die Mutter viel Zigaretten und seinen Schnaps ging das bissle geweint. Geld weg. Einmal schickte der Vater die kleine Rosie mit zehn Eiern in einem Tuch in den Ort Flohmärkte sind ihr Leben mit der Eisdiele, sechs Kilometer für die kurzen In jungen Jahren hat sie ihren Mann kennen- Beine zu laufen, die Eier zu verkaufen und das gelernt. Ein Onkel war der Mittelsmann. Und Geld heimbringen. „Andere Kinder sind mit Eis so kam der Umzug nach Ravensburg. Zwei herausgekommen, ich hab gar nicht gewusst Jahre hat sie in der Küche einer Wirtschaft wie Eis schmeckt!“ geschafft. Was die Leute alles wegwerfen, hat Der Vater hat sie im Arbeitsbüro zur Vermitt- sie am nächsten Arbeitsplatz gesehen. Das lung nach Deutschland angemeldet. Da war sie war bei einer Entsorgungsfirma an der Abfall- achtzehn. Ein Nachthemd und einen Koffer hat sortierung. „Da waren auch Spritzen drin, ich er ihr gekauft. Sie sollte Geld heimschicken bis hab Glück gehabt, dass ich mich nicht verletzt 10
FRAUENPOWER K O N T A K T S T E L L E F R A U U N D B E R U F Erfolgreich im Leben und Beruf RAVENSBURG. Um berufliche Neuorientierung, Bewerbung und Selbstbewusstsein geht es in drei Online-Veranstaltungen der Kontaktstelle Frau und Beruf Ravensburg – Bodensee-Oberschwaben. Dabei wird es jeweils einen kurzen Input geben, danach folgt ein zwangloser Gedankenaustausch zu beruf- lichen Fragen, Erfahrungen und Wünschen. Zielgruppe sind Frauen, die sich vernetzen wollen, sich beruflich verändern oder weiterbilden wollen, nach einer Familienphase ihren Wiedereinstieg oder nach Ausbildung/Studium ihren Berufseinstieg pla- nen und auf Stellensuche sind. Referentin ist Fran- ziska Klampfl, die mit ih- rem Unternehmen Klampfl Per sonalmanagement sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen be- rät. Die Veranstaltungen sind kostenfrei. Franziska Klampfl infor- miert Frauen zu beruf- lichen Themen. Termine: Donnerstag, 24., 31. März und 7. April jeweils von 14 Uhr bis 15:30 Uhr. Die Kontaktstelle Frau und Beruf unterstützt Frauen bei Kinofilm „Die Unbeugsamen“ und anschließender Talk mit Politike- allen beruflichen Fragen. Das Beratungsportfolio gibt Hilfestellung zu rinnen anlässlich des Internationalen Frauentags 2022 beruflicher Neuorientierung, Stellenwechsel, Wiedereinstieg, Existenz- gründung oder auch zur beruflichen Weiterentwicklung oder Karriere- Das Frauenbündnis Internationaler Frauentag Ravensburg lädt am 8. planung. Die individuellen Beratungen sind kostenlos und vertraulich März 2022 um 19 Uhr in die Linse in Weingarten ein. Hier wird der und finden zurzeit per Telefon oder online statt. Kinofilm „Die Unbeugsamen“ gezeigt. Anschließend gibt es im Studio der Ravensburger Streamerei einen Talk mit Politikerinnen, der live in Nähere Infos und Anmeldung zu allen Veranstaltungen und Terminen: die Linse übertragen wird. Kontaktstelle Frau und Beruf Der Film „Die Unbeugsamen“ erzählt die Geschichte der Frauen in der Ravensburg – Bodensee-Oberschwaben c/o WiR GmbH Bonner Republik, die sich ihre Beteiligung an den demokratischen Tel. 0751/35906-63, E-Mail info@frauundberuf-rv.de Entscheidungsprozessen gegen erfolgsbesessene und amtstrunkene www.frauundberuf-rv.de Männer wie echte Pionierinnen buchstäblich erkämpfen mussten. Un- erschrocken, ehrgeizig und mit unendlicher Geduld verfolgten sie ihren Weg und trotzten Vorurteilen und sexueller Diskriminierung. Agnieszka Brugger MdB (Die Grünen), Heike Engelhardt MdB (SPD) und Elisabeth Jeggle MdEP a.D. (CDU) diskutieren im Anschluss an den Film über die aktuelle Situation von Frauen in der Politik. Hat sich viel geändert? Das Frauenbündnisses Internationaler Frauentag Ravensburg freut sich auf zahlreiche Teilnehmer*innen! Der Stream, d.h. der Talk mit den Poli- tikerinnen, kann auch online angeschaut werden. Einen Link dazu gibt es auf der Homepage und in den Sozialen Medien der Streamerei und der Kontaktstelle Frau und Beruf www.frauundberuf-rv.de. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Kulturzentrum Linse, der Streamerei und den Digital Media Women Bodensee-Oberschwaben statt. 11
FRAUENPOWER R O L A N D R E C K Das Privileg LEUTKIRCH. Den richtigen Deckel zu finden, ist eine Kunst. Er muss stehen: Wer kann es, wer will es, wer passt? Das Ehepaar Härle hat keine Kinder und passen. Nicht ungefähr, sondern richtig. Nicht nur scheinbar und auf hat sie doch. Denn Esther Straub kennt das den ersten Blick, sondern tatsächlich und dauerhaft. Hinzu kommt Ehepaar seit 28 Jahren, als es in die direkte die Frage: Wer sucht und wer findet wen – der Topf den Deckel oder Nachbarschaft zog. Straubs und Härles sind seitdem eng befreundet und Esther kennt die umgekehrt? Es scheint, Esther Straub ist der Deckel, der mit Gottfried Brauerei seit Kindesbeinen und fand den Um- Härle seinen Topf gefunden hat, indem die junge Frau Mitte des letzten trieb dort schon immer faszinierend. Aus In- Jahrzehnts dem schon etwas ergrauten Chef von der Brauerei Clemens teresse wurde gelegentliche Mitarbeit, denn es gab immer was zu tun. Es blieb dabei, denn Härle vorgeschlagen hat, zukünftig an seiner Seite die Geschäfte der niemand drängte. Das liberale Elternhaus war Leutkircher Traditionsbrauerei zu führen. Gefragt, gesagt, getan, seit für die vier Kinder ideales Sprungbrett in 2016 ist es so: die heute 33-Jährige ist Co-Geschäftsführerin in einer die Welt. Und Esther entschied sich für ein Studium, das sehr viel mit Juristerei und gar Brauerei, die in Nachhaltigkeit vorbildlich ist und dies nun auch in der nichts mit Hopfen und Malz zu tun hatte. Unternehmensnachfolge ist. Der Deckel passt exakt auf den Topf! Doch das Band hielt, die Freiheit stärkte es sogar. Und zog sie schließlich zurück. Und der Deckel ist quicklebendig und sondern auch ihren Mann mitgebracht. In So oder so ähnlich hat es sich zugetragen, schwärmt dem Besucher vor, wie toll es ist, Istanbul hat sie sich verliebt, tatsächlich und dass die Hochschulabsolventin mit ihrem aus als Unternehmerin zum Wohl von Unter- überhaupt – und trotzdem: Leutkirch ist ihre Libyen stammenden Mann in ihre Heimat nehmen und Beschäftigten zu arbeiten. Es- Bestimmung. zurückkehrte, wo sie Gottfried Härle ohne ther Straub ist wieder in ihrer Heimatstadt Die Nachfolge stellt sich irgendwann. In der Stress und mit offenen Armen empfing. Es- angekommen, die sie nach dem Abitur fürs Familie sind es die Kinder, die das Erbe einst ther Straub ist voll des Lobes über Härle, der Studium und den Duft der weiten Welt ver- antreten, aber ob es auch für die Unterneh- in seiner Führungsrolle sehr behutsam agiere. lassen hat. Sie hat aus Istanbul, wo sie neben mensnachfolge passt, ist damit noch lange „Gottfried hält mich nicht für selbstver- Passau und Mannheim Staatswissenschaften nicht gesagt. Das kann trösten, wenn man ständlich“, das zeige „seine Wertschätzung“, studiert hat, nicht nur ihren Master of Laws, keine Kinder hat, aber die Frage bleibt be- erklärt die Co-Chefin. Es war auch sein Be- Esther Straub freut sich und sieht es als ihre Pflicht, als Unternehmerin die Welt zum Besseren zu verändern. Fotos: Felix Kästle 12
FRAUENPOWER INFO Klimaneutral – auch online Clemens Härle, geboren in Kirchdorf, einer von vier Brüdern, die alle Brauer wurden, legte den Grundstein für die Härle-Brau- Tradition in Leutkirch. Zunächst hatte Cle- mens Härle die kleine Schlossbrauerei in Bad Wurzach gepachtet. Als diese im Jahre 1895 abbrannte, kaufte er das Anwesen der Mohren-Brauerei in Leutkirch und baute in nur acht Monaten ein völlig neues Brau- haus, in dem heute noch gebraut wird. Am 16. Februar 1897 wurde dort der erste Sud gekocht. 125 Jahre alt ist die Brauerei inzwischen und wird seit Mitte der 80er Jahre von Gottfried Härle geführt, der als grüner Pionier sein Erbe konsequent auf eine ökologische Schiene brachte. Dazu zählen auch Biobiere wie das „Landzüngle“ sowie das Erfrischungsgetränk „Seezüng- le“. Zusammen generieren die zertifizierten Bio-Produkte zwei Drittel des Umsatzes, erklärt Gottfried Härle und weist stolz da- rauf hin, dass sein Unternehmen die erste und einzige Brauerei in Deutschland ist, die zu 100 Prozent klimaneutral braut und vertreibt. Dazu wird Energie aus Holzhack- schnitzeln, Strom aus Wind, Wasserkraft und Sonne sowie Biodiesel aus deutschem Rapsanbau genutzt. Das nächste Ziel ist, Zwei, die sich verstehen. Gottfried Härle und Esther Straub folgen der gleichen Unternehmens- den zunehmenden CO2-Ausstoß durch die philosophie: Verantwortung, Regionalität und Bioqualität schaffen Nachhaltigkeit. Nutzung des Internets – durch den Be- trieb der Server – zu kompensieren. Das falls nicht mit Lob. „Esther Straub teilt halt des Unternehmens in einer intakten Um- Unternehmen hat sich deshalb der inter- und lebt aus voller Überzeugung die Wer- welt, darin sehe sie sowohl ihre „Pflicht“ als nationalen Initiative „CO2-neutral website“ te, die unsere Brauerei bereits seit Jahr- auch ein „Privileg als Unternehmerin, etwas angeschlossen. Diese berechnet anhand zehnten auszeichnen: Glaubwürdigkeit und tun zu können“. Und das begeistert sie. des Besucheraufkommens die durch den Verlässlichkeit, Verantwortung für Umwelt Die Zeiten sind schwierig. Corona sei eine Internetauftritt verursachten klimaschäd- und Natur, Tradition und Innovationsgeist, Herausforderung, die man gemeinsam „gut lichen Emissionen und kompensiert diese Verantwortung für unsere Mitarbeiter und gemeistert“ habe und nun hoffe sie auf einen durch Investitionen in Klima- und Umwelt- für unsere Heimatregion“. Das Zitat stammt guten Sommer. „Ich bin ein optimistischer schutzprojekte auf der ganzen Welt, dar- aus der „Unternehmerin“, dem Magazin des Mensch“, macht sie beim Abschied Mut, es unter Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Verbands deutscher Unternehmerinnen, der ihr gleich zu tun. Energien sowie ein Regenwaldprojekt der den Oberschwaben internationalen Naturschutzorganisation zum „Wegbereiter „World Land Trust“ in Ecuador. des Jahres“ mit dem Heilpraktikerin Wegen seinem außerordentlichen Engage- „she succeeds award ment beim Umwelt- und Klimaschutz wur- 2021“ auszeichnete. Hebamme de Härle und seine Brauerei schon vielfach Sie sei „Biertrinkerin“ Tierpsychologin ausgezeichnet. Zuletzt erhielt Gottfried und begeistert von TCM Therapeutin Härle 2021 vom Verband deutscher Unter- diesem „vielfältigen nehmerinnen und dem Bundeswirtschafts- Produkt“, bekennt Naturheilpraxis Mirka Holl Nach Teilnahme am theoretischen und praktischen ministerium den Preis zum „Wegbereiter indes Esther Straub Hebamme & Heilpraktikerin Akupunktur- und TCM-Fortbildungsprogramm nach dem des Jahres – mehr weibliche Nachfolge“. im Gespräch mit anerkannten Curriculum der Med. Schmerztherapie Am Ravensburger TorFortbildungsgesellschaft 14 Esther Straub ist die Glückliche. BLIX auf die Frage: Übergewicht Pro Medico in Mutterstadt 88339 Bad Waldsee „Was macht den Reiz chronische Leiden Telefon 07524 / 97 411 95 energetische Medizin freue ich mich Sie in Zukunft als www.heilkunde-mirka.de aus, Bier zu verkau- streben, dass sie berufsbegleitend an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen noch fen? “ Doch es ist viel mehr. Die von Härle „Master of Acupuncture“ den „Master für Family Entrepreneurship“ beschriebene Unter- noch besser in den bewährten Anwendungen absolvierte, ein Studiengang der speziell nehmensphilosophie der Akupunktur und TCM auf die Nachfolge in Familienunternehmen ist auch ihre. Die als Hebamme behandeln zu können. ausgerichtet ist und viele Fragen aufwirft, Ausrichtung auf Re- die gemeinsam beantwortet werden wollten, gionalität und Bio ist Naturheilpraxis Mirka Holl betont Esther Straub und sieht sich bes- ganz in ihrem Sinne. Am Viehmarkt 1 · 88410 Bad Wurzach tens aufgehoben in diesem ganz besonderen Es gehe ihr nicht um Telefon 07564 9495773 · info@heilkunde-mirka.de „Patschwork-Familienunternehmen“. ständiges Wachstum, www.heilkunde-mirka.de Der 67-jährige Brauereiinhaber spart eben- sondern um den Er- 13
FRAUENPOWER R O L A N D R E C K „Es ist alles gesagt“ BIBERACH. Es ist ein Tsunami, dessen Auswirkungen noch nicht abzu- sehen sind. Die Flutwelle des Entsetzens und der Entrüstung, die in Folge des Missbrauchs und der Gewalt in den Mauern der Katholi- schen Kirche, sich aufgebaut hat, rüttelt an den Grundfesten dieser 2000 Jahre alten Kirche, die einst prägende Macht des „Christlichen Abendlands“ war und heute akut einsturzgefährdet ist. Katastrophe, Krise, Chance. BLIX sprach mit drei Frauen über ihr Engagement in Birgit Hahn ist Vorsitzende des Katholischen Frauenbundes in Biberach. Fotos: Andrea Reck ihrer Kirche und ihr Leiden an ihrer Kirche. Birgit Hahn ist Vorsitzende des Katholischen les! Und haben ihre Forderungen bereits vor Frauenbundes in Biberach und hat zum Ge- einem Jahr unmissverständlich kundgetan, spräch ins Katholische Gemeindezentrum St. als sie die Initiative Maria 2.0 aufgriffen und Martin, direkt neben der Stadtpfarrkirche, in sieben Absätzen der bestehenden Praxis geladen. Begleitet von ihrer Stellvertreterin der Amtskirche eine Absage erteilten und Andrea Kerriou und Thekla Braun, Mitglied im stattdessen „gleiche Rechte“ und „gemein- Redaktionsteam von „Geistreich“, einer Zeit- same Verantwortung“ einforderten. Konkret schrift für die Seelsorgeeinheiten Biberach heißt es unter Punkt 2: „Macht wird geteilt. und Umland. Und alle drei, im Altersdurch- Denn der Klerikalismus ist heute eines der schnitt 60+, sind Maria 2.0-Aktivistinnen. Grundprobleme der katholischen Kirche und Es wird schnell klar: entweder die katholische fördert den Machtmissbrauch mit all seinen Kirche wird weiblicher, dort, wo entschie- menschenunwürdigen Facetten.“ Weiter heißt den und gesegnet wird und bisher ein rein es unter Punkt 3: „Denn viel zu lange schon männlicher Klerus herrscht, oder sie trif- ist die katholische Kirche ein Tatort sexueller tet weiter ab ins gesellschaftliche Nirwana. Gewalt. Kirchliche Machthaber halten immer Andrea Kerriou ist stellvertretende Vorsitzende Die Austrittszahlen sprechen für sich und sie noch Informationen zu solchen Gewaltver- des Frauenbundes in Biberach. lassen sich auch nicht mit dem Hinweis, es brechen unter Verschluss und stehlen sich aus ginge um die Kirchensteuer, negieren, sind der Verantwortung.“ Und selbstverständlich sich die drei Frauen einig. Sie reden Tache- verneinen die Frauen den Pflichtzölibat, der Frauen melden sich zu Wort. Nicht erst jetzt. Die Initiative „Maria 2.0“ forderte im Frühjahr 2019 vor dem Hintergrund des klerikalen (Macht-)Missbrauchs in der katholischen Kirche gleiche Rech- te für die Frauen und das Ende des Pflichtzölibats. Im April 2021 folgte der Thesenanschlag. In sie- ben Punkten wurde eine grundsätzliche Strukturreform der katholischen Kirche gefordert. Birgit Hahn (links), Vorsitzende des Frauenbundes in Biberach, und ihre Stellvertreterin Andrea Kerriou hängen am 21. Februar 2021 die Forderungen am Kirchplatz in Biberach aus. Thekla Braun ist Mitglied und Mitarbeiterin im Redaktionsteam von „Geistreich“. Menschen hindere, ihrer Berufung zu fol- gen und stattdessen einer „Scheinfassade“ gleiche, hinter der sich „existenzielle Krisen“ abspielten. Vielmehr solle die Kirche „eine wertschätzende Haltung und Anerkennung gegenüber selbstbestimmter Sexualität und Partnerschaft“ einnehmen. Die Fraueninitiative Maria 2.0 entsprang ei- nem Lesekreis im katholischen Münster, Stadt des Westfälischen Friedens (1648), im Mai 2019. Statt hinter verschlossenen Türen den (Macht-)Missbrauch des Klerus zu beklagen, traten die Frauen vor den Kirchentüren an die Öffentlichkeit, um gegen die bestehen- den (Macht-)Verhältnisse in der Kirche zu
FRAUENPOWER protestieren. Mit Maria, der Ikone des konser- vativen Katholizismus, forderten die Frauen einen Neustart (2.0) und fanden viel Zuspruch (aber nicht nur) – auch im konservativen Oberschwaben und auch beim Katholischen Frauenbund, so auch in Biberach, wo am 21. Februar 2021 Birgit Hahn und Andrea Kerriou das Thesenpapier am Kirchplatz anbrachten. Um den desaströsen Zustand der katholischen Kirche auch „im Himmelreich des Barock“ zu verstehen, sei Kurt Widmaier zitiert, der sich anlässlich des Münchner Gutachtens und des- sen Kritik an Ex-Papst Benedikt in einem Le- serbrief in der Schwäbischen Zeitung (29. Jan. 22) äußerte. Widmaier, sozialisiert in einem katholischen Studentenbund, verkörperte als Ravensburger Landrat (1999-2015) das ka- tholische Oberschwaben wie kein anderer. Widmaier schreibt: „Meine katholische Kirche hat durch die Vertuscherei und Heuchelei von Kirchenoberen einen Grad der Niedertracht erreicht, der seinesgleichen sucht. Von christ- Männerkirche: Stadtpfarrer Stefan Ruf (links) ist neuer katholischer Dekan von Biberach und lichem Tun kann hier keine Rede mehr sein. Nachfolger von Sigmund Schänzle, Ochsenhausen, der nicht mehr zur Wahl antrat. Der Stadtpfar- Das Schlimme daran ist: Man hat den Ein- rer war und ist Gesprächspartner der Frauen im Frauenbund in Biberach und wird von diesen so druck, die betroffenen Kirchenführer haben beschrieben: „Unser Pfarrer stellt sich nicht dagegen, aber wir fühlen auch keine Unterstützung.“ noch gar nicht erkannt, dass das Kirchenschiff In der Pressemitteilung der Diözese heißt es: „Ruf sprach sich bei der Kandidatenvorstellung für kurz vor dem Versinken ist. (…) Wir brauchen eine offene Kirche aus, die den Dialog sucht.“ Und die Schwäbische Zeitung weiß zu berichten, Ruf keine Kirche mehr mit einem absolutistischen habe bei seiner Vorstellung darauf hingewiesen, dass er der Kirche viel zu verdanken habe, und er System, sondern eine Kirche, die von unten halte sie bei allen Problemen „‚immer noch für einen Leuchtturm in der Gesellschaft‘“. Ruf: „Aus her maßgeblich bestimmt wird.“ dieser guten Erfahrung heraus will ich meine Kraft einbringen für eine bunte, vielfältige und of- Damit spricht der Alt-Landrat den drei Frauen fene Kirche.“ Zur Frage nach dem Diakonat von Frauen antwortete Ruf: „Ich setze mich dafür ein, im Gemeindezentrum St. Martin aus der Seele. nicht in einer Hauruckaktion, nicht plakativ und aggressiv, aber wir müssen dranbleiben.“ „Es ist alles gesagt“, sagt Thekla Braun. Den eingeschlagenen „Synodalen Weg“ der Ver- die harte Linie von Rom fahren würde“, warnt „Handelnd seine Ziele weiter verfolgen.“ Das ständigung von Amtskirche und Laien und Thekla Braun. Fundament ist ihr Glaube, dessen Gemein- dem Ringen um Reformen in Deutschland „Was tun: Bleiben oder gehen?“, war die ein- schaft sie in ihrer Kirche leben, aber sie wür- begrüßen die Frauen, aber sind skeptisch. gangs gestellte Frage, die die Frauen mit ihrer den ihren Glauben nicht verlieren, wenn sie Immer noch zu mächtig erscheint ihnen „der Bereitschaft zur öffentlichen Auskunft vor- die Institution Kirche aus Verzweiflung und Männerbund“, der sich an die Macht klamme- erst beantworteten. „Ich bin Christin und will schweren Herzens aufgeben würden, trösten re und gestützt werde aus Rom. „Es wäre das mich nicht vertreiben lassen“, beharrt Birgit sie sich. Die Frage bleibt: Gibt sich die Kirche Dümmste, was geschehen könnte, wenn man Hahn. Und Andrea Kerrious Motto lautet: auf? A L A M A N N E N M U S E U M E L L W A N G E N Ein kleines Dorf in einer Entdeckungsreise ins frühe Mittelalter großen Welt – Alltagsszenen des 5. und 6. Jahrhunderts ELLWANGEN. Bis zum 18. September 2022 ist Darüber hinaus laden Mitmach-Stationen zum Sonderausstellung im Alamannenmuseum im Alamannenmuseum die Sonderausstellung Entdecken und Ausprobieren verschiedener Ellwangen „Ein kleines Dorf in einer großen Welt – Handwerke ein. Auf diese Weise möchte die 2. Dezember 2021 Alltagsszenen des 5. und 6. Jahrhunderts“ Ausstellung auch den Blick schärfen für den Wert bis 18. September 2022 zu sehen. Die vom Römer und Bajuwaren materieller Dinge. Themen wie Landwirtschaft, Museum Kipfenberg konzipierte Ausstellung Produktion und Handel schlagen historisch die lädt zu einer spannenden Entdeckungsreise Brücke in unsere heutige Zeit und regen an, sich in die Welt des frühen Mittelalters ein. mit brennenden Umweltthemen und unserem eigenen Konsumverhalten auseinanderzusetzen. Alltagszenen vor der Kulisse eines kleinen Dorfes Im Begleitprogramm werden immer am ersten Fotos: Römer und Bajuwaren Museum Kipfenberg verschaffen Einblick in das Leben der Menschen Sonntag im Monat um 15 Uhr Führungen in der zur Zeit des berühmten „Kriegers von Kemathen“. Sonderausstellung angeboten Am 15. Mai findet Dieser oft als “Urbayer” bezeichnete Stammesfürst von 11 bis 17 Uhr der jährliche große Aktionstag hat um 430 n. Chr. bei Kipfenberg im Altmühltal am Internationalen Museumstag im Rahmen der gelebt. Mit Originalfunden, Repliken und viel Sonderausstellung statt. www.alamannenmuseum-ellwangen.de Liebe zum Detail werden Themenbereiche wie Nähere Infos unter Tel. 07961/969747 sowie häusliches Leben und Wohnen, Kleidung und unter www.alamannenmuseum-ellwangen.de In Kooperation mit: Handwerk, Ackerbau und Viehzucht dargestellt. erhältlich. 15
Sie können auch lesen