Alles klar? Sprache im Gottesdienst - Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - kath. Pfarrei Romanshorn

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Alles klar? Sprache im Gottesdienst - Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - kath. Pfarrei Romanshorn
Nummer 16
14. bis 27. August 2016

                          Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau

Alles klar?
Sprache im Gottesdienst
Alles klar? Sprache im Gottesdienst - Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - kath. Pfarrei Romanshorn
Kirche und Gesellschaft

                                                                  Editorial                                      Einfach reden wie beim Bie
                                                                  Ohne Zweifel, es gibt sie, die grossen un-     Kritik an lebensfremder Sprache in Gottesdiensten
                                                                  vergessenen Predigten. Eine von ihnen
                                                                  jährte sich in diesen Tagen zum 75. Mal.
                                                                  Damals hatte der Münsteraner Bischof,          Im Mai erschien ein Buch, das in kirch-
                                                                  Clemens August Graf von Galen, der zuvor       lichen Kreisen für Furore sorgt. Es trägt
                                                                  schon durch regimekritische Äusserungen        den provozierenden Untertitel «Wie die Kir-
                                                                  aufgefallen war, erstmals öffentlich ausge-    che an ihrer Sprache verreckt». In ihm kri-
                                                                  sprochen und aufs Schärfste verurteilt,        tisiert der Politikberater Erik Flügge, dass
                                                                  dass die Nazis Kranke und Behinderte           Predigten oft unverständlich seien und die
                                                                  umbringen würden. In der Kirche brachen        Angesprochenen nicht mehr erreichen
                                                                  daraufhin Tumulte aus, in denen sich die       würden. Er rät Theologinnen und Theolo-
                                                                  Wut gegen den NS-Staat entlud. Alarmiert       gen, so zu reden wie bei einem Bier.
                                                                  durch diese Predigt unterbrachen die NS-
                                                                  Funktionäre ihr Euthanasie-Programm. Der       Der Beginn des Buches, der ursprünglich
                                                                  Bischof blieb unbehelligt, da man keinen       als Blogeintrag veröffentlicht wurde, gleicht
                                                                  Märtyrer schaffen wollte. Seine Predigt, die   einem Aufschrei: «Liebe Theologinnen und
                                                                  Gottesdienstbesucher mitgeschrieben hat-       Theologen, ich halte es nicht aus, wenn ihr
                                                                  ten, verbreitete sich wie im Flug. Sie wurde   sprecht. Es ist oft so furchtbar. Verschrobe-
                                                                  vervielfältigt, unter der Hand weitergege-     ne, gefühlsduselige Wortbilder reiht ihr an-
                                                                  ben und erreichte sogar entlegene Front-       einander und wundert euch, warum das
                                                                  abschnitte in Finnland und Nordafrika.         niemand hören will.» Man bekommt den
                                                                                                                 Eindruck, da hat sich etwas lange aufge-
                                                                  Der Kontrast zu Predigten, die Erik Flügge     staut, da hält es einer nicht mehr aus. Und
                                                                  in seinem Buch beschreibt, könnte kaum         Flügge doppelt nach: «Wo bekommt man
                                                                  grösser sein. Dieser ist entsetzt darüber,     beigebracht, die Betonung im Satz an ge-
                                                                  wie blutleer die kirchliche Verkündigung       nau der falschen Stelle zu setzen? Gibt es
                                                                  heute oft daherkommt. Er fordert Theolo-       Rhetorikkurse für Zombie-Sprache für Pre-
                                                                  ginnen und Theologen auf, offen und au-        digten?» Dieser wuchtigen und schonungs-         Der Kommunikationsberater Erik Flügge macht sich daf
                                                                  thentisch von ihren eigenen Glauben zu         losen Rückmeldung folgt ein konkreter            wird, die die Menschen erreicht.
                                                                  erzählen.                                      Tipp: «Sprecht doch einfach über Gott, wie
                                                                  Hier zeigt sich meines Erachtens die           ihr bei einem Bier sprecht.»
                                                                  eigentliche Problematik: Wie kann man                                                           die Zahl der Gottesdienstbesucher ab-
                                                                  wöchentlich authentisch von seinem eige-       Aus Angst                                        nimmt, investieren sie immer weniger Zeit in
                                                                  nen Glauben erzählen? Warum gibt es in         Doch Erik Flügge bleibt nicht bei einfachen      ihre Predigtvorbereitung. Eine Fehlentschei-
                                                                  unserer Kirche nur ein paar wenige Exper-      Ratschlägen stehen. Er bohrt tiefer, sucht       dung, so Flügge, weil sich dadurch die Spira-
                                                                  ten, die dazu berufen sind, das Wort Got-      nach Ursachen für diese unglückliche Ent-        le noch weiter nach unten bewegt.
                                                                  tes auszulegen? Mit dem Predigtverbot          wicklung. Eine entdeckt er in der hohen Ar-      Nichtssagende Worte kommen auch dort
                                                                  für Laien, das Papst Johannes Paul II.         beitsbelastung von Seelsorgenden: Diese          heraus, wo Angst im Spiel ist. Viele liberal
                                                                  1997 aussprach, verschärfte sich diese         sind gezwungen, Prioritäten zu setzen. Da        eingestellte Theologinnen und Theologen
                                                                  Problematik noch.                                                                               hätten nach Ansicht des Kommunikations-
                                                                  Ich bin überzeugt, dass es in unseren                                                           experten durchaus etwas zu sagen. Sie
                                                                  Pfarreien einige Menschen gibt, die etwas      Inhalt                                           könnten mit ihrer Botschaft eine breite
                                                                  zu sagen hätten, die anderen etwas ge-                                                          Öffentlichkeit erreichen. Diese deckt sich
Titelbild: Cartoon von Thomas Plaßmann, Bild: © Thomas Plaßmann

                                                                  ben könnten. Menschen, die an den Her-         Jahr der Barmherzigkeit – «Berühren(d)»     7    allerdings oft nicht mit der kirchlichen Lehr-
                                                                  ausforderungen ihres Lebens gewachsen          Mehr als ein Dach über dem Kopf                  meinung. Aus Sorge, ihre Anstellung zu ver-
                                                                  sind und dabei tragende Glaubenserfah-         Wo Obdachlose eine Bleibe finden                 lieren, sehen sie sich dann gezwungen,
                                                                  rungen gemacht haben. Menschen, die                                                             «gegen sich selbst zu predigen», «ihre Aussa-
                                                                  lange nachgedacht haben oder wichtige          Kirche ohne Grenzen – Albanisch             10   gen ständig zu relativeren». Heraus kommt
                                                                  Fragen stellen. Sicherlich wären solche        Ein Kraftort für die Familie                     dabei «unambitioniertes Sprechen» oder
                                                                                                                 Der Schweizer Marienwallfahrtsort Ziteil/GR
                                                                  Glaubenszeugnisse nicht immer rheto-                                                            «das lange Reden um den heissen Brei».
                                                                  risch ausgefeilt und theologisch «wasser-
                                                                                                                 Serie «Ökumene»                            12
                                                                  fest». Vielleicht würden sie auch hier und     «Seife, Suppe, Seelenheil»
                                                                                                                                                                  Zu theatralisch
                                                                  da Widerspruch hervorrufen. Auf jeden          Einblicke in die Heilsarmee                      Bei Priestern scheint die Versuchung, sich
                                                                  Fall würden sie die Zuhörenden aufhor-                                                          einer Sondersprache zu bedienen, be-
                                                                  chen lassen, zum Nachdenken bringen            Kurse · Tagungen                           14    sonders gross. Die meisten von ihnen mei-
                                                                  und ihrem Glauben Nahrung bieten.                                                               nen, «sie müssten eine Bühne füllen. Der
                                                                                                                 Gottesdienste an den Wochenenden           15    Gottesdienst müsste der sonstigen Welt
                                                                                                                 Filmtipp                                         entrückt sein. Sie führen ein Schauspiel
                                                                                                                                                                  auf», zitiert Flügge einen ihm bekannten
                                                                                                                 Kalenderblatt · Zum Schluss                16    Geistlichen. Wer seine Rolle so versteht,

                                                                  2   forumKirche | 16-2016
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                                                                                                                                                                            Quelle: kath.ch
                                                                                                                             News
                                                                                                                             ■ Kloster feiert 700-jähriges Bestehen
                                                                                                                             Am 15. August, Fest «Mariä Himmelfahrt»,
                                                                                                                             beginnt das Dominikanerinnenkloster in

                                                       Bild: David Sievers
                                                                                                                             Estavayer-le-Lac (FR) mit den Feierlichkei-
                                                                              Zum Autor                                      ten zu seinem 700-jährigen Bestehen.
                                                                              Erik Flügge (30) wuchs in Backnang, in         Alain de Raemy, Weihbischof von Lausan-
                                                                              der Nähe von Stuttgart, auf. Dort begann       ne, Genf und Freiburg, wird der Eröff-
                                                                              er eine vorbildliche Karriere in der kirch-    nungsmesse vorstehen, in der auch ein
                                                                              lichen Jugendarbeit: Er brachte es zum         neuer Ambo geweiht wird. Am 20. August
                                                                              Oberministrant und durchlief in einem ka-      und am 10. September lädt das Kloster
                                                                              tholischen Jugendverband sämtliche Sta-        jeweils zu einem «Tag der offenen Tür» ein.
                                                                              tionen vom Dekanat, über die Diözese
                                                                              bis hin zur Bundesebene. Von 2005 bis          ■ Partriarch fordert Befreiung Mosuls
                                                                              2012 studierte er an der Universität Tü-       Zum zweiten Mal jährt sich die Vertreibung
                                                                              bingen, zunächst Theologie, später dann        der Christen aus der irakischen Ninive-
                                                                              Germanistik und Politologie. Heute ist er      Ebene durch die Terrormiliz IS. Der chaldä-
                                                                                                                             isch-katholische Patriarch Sako hat aus
                                                                              Geschäftsführer eines Unternehmens,
                                                                                                                             diesem Anlass erneut einen Appell an die
                                                                              das Spitzenpolitiker und Parteien bei der
                                                                                                                             Staatengemeinschaft gerichtet, die Befrei-
                                                                              Kommunikation berät.
                                                                                                                             ung Mosuls mit allen Kräften voranzutrei-
                                                                              Er bezeichnet sich selbst als «kirchenfern
                                                                                                                             ben. Er forderte auch, Geld- und Waffenlie-
                                                                              – so fern wie man nur sein kann». Auf der
                                                                                                                             ferungen in die Region zu unterbinden,
                                                                              anderen Seite zeigt sich in seinem Ringen
                                                                                                                             da diese meist in falsche Hände gerieten.
                                                                              um eine ansprechende Kirche seine Nähe
                                                                              und Verbundenheit zu dieser Institution,       ■ Olympia von Doping überschattet
                                                                              «in der man zu Hause sein kann» und die        Der katholische Olympia-Seelsorger Rolf
                                                                              «allem zum Trotz dennoch gut ist».             Faymonville sieht die Wettkämpfe in Rio
                                                                                                                             von zahlreichen negativen Begleiterschei-
ür stark, dass in der Kirche eine Sprache gesprochen                                                                         nungen überschattet. Bei aller Vorfreude
                                                                             Predigten brauchen erstens Relevanz, was        dürfe man nicht die Augen verschliessen
                                                                             bedeutet, dass man Themen aufgreifen            vor Doping, sozialen Problemen und ei-
                                                                             muss, die gerade viele Menschen beschäf-        nem übertriebenen Nationalismus im
       kann nicht natürlich und alltagsnah spre-                             tigen. Dies wiederum setzt voraus, dass         Sport. Doping etwa sei eine «schlimme
       chen. Daran ändert auch eine professionel-                            man gut informiert ist und die Menschen         Missachtung» der Sportler und ein Betrug,
       le Einführung in den Predigtdienst offen-                             kennt, zu denen man spricht. In Predigten       der die olympische Idee untergrabe.
       sichtlich nicht viel. Denn Berufsanfänger                             sollen auch die eigenen Emotionen spürbar
       würden sich in der Praxis an den erfahrene-                           werden: «Zorn eignet sich genauso gut…          ■ Flüchtlingsteam in Rio bestärkt
       ren Kollegen orientieren und deren Sprech-                            wie wahre Liebe, Trauer oder Enttäuschung.»     Papst Franziskus hat dem Flüchtlingsteam
       weise. So vererbt sich der Kirchenjargon                              Denn Emotionen wecken das Interesse bei         bei den Olympischen Spielen in Rio Erfolg
       immer weiter.                                                         den Zuhörern, weil sie für sie entschei-        gewünscht: Ihr Mut und ihre Kraft solle in
       Eine besondere Aversion lässt der Autor                               dungsrelevant und damit für ihren Alltag        den Wettkämpfen einen «Schrei nach
       gegenüber «emotionalen Methoden» erken-                               wichtig sind. Ausserdem lebt jede Predigt       Brüderlichkeit und Frieden» vernehmen
       nen. Mit spitzen Kommentaren schildert er                             von klaren, pointierten Aussagen: «Erfolg-      lassen, schrieb er an die zehn Athleten,
       das Bemühen einer Pastoralreferentin, in                              reicher ist man, wenn man… frei heraus          die er alle namentlich grüsste. Durch sie
       meditativer Weise und durch die Entfaltung                            sagt, was man denkt.» Und schliesslich          solle die Menschheit begreifen, «dass mit
       einer vertrockneten Wüstenblume, Firmlin-                             darf die theologische Substanz nicht feh-       dem Frieden alles gewonnen, aber mit
       gen das Osterereignis näherzubringen.                                 len. Allerdings betont Flügge, dass theologi-   dem Krieg alles verloren ist».
       Für Flügge zeigt sich in einer solch bildhaft                         sche Aussagen weder in verkürzter Kinder-
       überzogenen Sprache der Versuch, über an-                             sprache noch im universitären Vorlesungs-       ■ Kommission zum Diakonat der Frau
                                                                                                                             Papst Franziskus hat eine wissenschaftli-
       dere Menschen Macht auszuüben: «Man                                   stil daherkommen dürfen, sondern für alle
                                                                                                                             che Kommission zur Untersuchung der Ge-
       zwingt ihnen das Gefühl auf, das man aus-                             verständlich dargestellt werden müssen.
                                                                                                                             schichte des Frauendiakonats berufen.
       lösen möchte.»
                                                                                                                             Sechs der zwölf Mitglieder des Gremiums
                                                                             Nerv getroffen
                                                                                                                             sind Frauen. Die Kommission soll sich mit
       Worte, die verstören                                                  Eigentlich habe er in dem Blogeintrag nur
                                                                                                                             dem Amt weiblicher Diakone befassen, «vor
       Nach Kritik und Analyse folgt eine klare An-                          seinem Ärger über einen theologisch
                                                                                                                             allem mit Blick auf die frühesten Zeiten der
       sage: «Mein Problem ist, dass mich Kirche                             schwülstigen Facebook-Eintrag Luft ma-
                                                                                                                             Kirche». Ende Juni wandte sich der Papst
       nur unterbricht, aber nicht stört. Ich würde                          chen wollen, erzählt Erik Flügge auf Nach-
                                                                                                                             gegen Medienberichte über eine angebli-
       mir wünschen, sie würde mich stören oder                              frage. Doch innerhalb weniger Stunden ha-
                                                                                                                             che Öffnung der Kirche für Diakoninnen.
       gar verstören.» Wie das gelingen kann,                                be sich seine Sprachkritik explosionsartig
       fasst der Kommunikationsberater in vier                                                                                                             kath.ch/Red.
       Thesen zusammen.                                                                          (Fortsetzung auf Seite 4)

                                                                                                                                               forumKirche | 16-2016    3
Alles klar? Sprache im Gottesdienst - Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - kath. Pfarrei Romanshorn
Kirche und Gesellschaft

                                                                                                                         Weitere Wette
(Fortsetzung von Seite 3)                                                                                                Menschen in Ostafrika sind au

                                                                                               Bild: © Thomas Plaßmann
                                                                                                                         Ostafrika erlebt eine der schlimmsten
                                                                                                                         Nahrungsmittelkrisen der letzten Jahrzehn-
                                                                                                                         te. Allein in Äthiopien sind zehn Millionen
                                                                                                                         Menschen auf Hilfe angewiesen.
                                                                                                                         Hunderttausende von Kindern leiden an
                                                                                                                         akuter Mangelernährung. Jens Steuer-
                                                                                                                         nagel, Delegierter von Caritas Schweiz in
                                                                                                                         Ostafrika, berichtet über die aktuelle
                                                                                                                         Situation.

                                                                                                                         Welche Situation haben Sie angetroffen,
                                                                                                                         als Sie Anfang Juli die betroffenen Gebiete
                                                                                                                         in Äthiopien bereisten?
                                                                                                                         Seit zwei Jahren hat es in weiten Teilen des
                                                                                                                         Landes nicht mehr geregnet. Die Bauern
                                                                                                                         können in den betroffenen Gebieten nichts
                                                                                                                         mehr ernten. Sie sind auf Nahrungsmittel-
                                                                                                                         hilfe angewiesen. Die Regierung macht
                                                                                                                         zusammen mit den internationalen Hilfs-
                                                                                                                         organisationen viel und verhindert das
                                                                                                                         Schlimmste, indem sie Nahrungsmittelhilfe
                                                                                                                         organisiert. Die Gebiete, in denen die Cari-
                                                                                                                         tas Schweiz mit ihren lokalen Partnerorgani-
                                                                                                                         sationen arbeitet, sind besonders stark
in den sozialen Netzwerken, vor allen in        Aussage haben. Und wer nichts zu sagen                                   betroffen. Hier wohnen vor allem nicht
Predigtforen, verteilt. Bereits eine Woche      habe, solle «lieber die Klappe halten».                                  sesshafte Bauern, so genannte Pastoralis-
später erhielt er das Angebot eines Ver-        Ein Beispiel für gelungene Kommunikation                                 ten. Die Viehbestände, mit denen sie ihr
lags, über das aufgegriffene Thema ein          ist für ihn Papst Franziskus. Er drücke sich                             Überleben sichern, sind sehr stark dezi-
Buch zu schreiben. «Der Eintrag traf einen      klar und einfach aus, ohne dabei an Tief-                                miert. Die meisten besitzen nur noch eini-
Nerv. Ich sprach etwas an, was offensicht-      gang einzubüssen. «Ihm hören die Men-                                    ge wenige Ziegen und Schafe. Die betroffe-
lich viele beschäftigte.»                       schen gern zu.» Aber der Papst könne nicht                               nen Menschen sind verzweifelt und sehen
Dies zeigte sich auch in den Rückmeldun-        alles verändern. Entscheidender sei die                                  selber keinen Ausweg aus der Misere. Die
gen, die er erhielt. Viele dankten ihm dafür,   Verkündigung vor Ort. Wenn die Sprache in                                meisten Pastoralisten ziehen schon lange
«dass es endlich mal einer sagt». Flügge        Predigten und Ansprachen attraktiver wer-                                nicht mehr weiter, weil sie die Hoffnung auf
überraschten die vielen dramatischen Bele-      den soll, müssten Theologinnen und Theo-                                 das Auffinden eines ertragreicheren Weide-
ge von Menschen, die aufgehört haben,           logen damit beginnen, sich von Freunden                                  gebiets aufgegeben haben. An den Stras-
Gottesdienste zu besuchen, weil sie es in-      und Vertrauten ein Feedback geben zu las-                                senrändern liegen oft verhungerte Tiere,
haltlich nicht mehr aushalten und weil sie      sen und die ehrliche Meinung der Gottes-                                 vor allem Kühe und Esel. Wir haben selber
nicht den Eindruck haben, dass es sie           dienstbesucher einzufordern.                                             miterlebt, wie Tiere vor unseren Augen ver-
braucht. «Wohlgemerkt, das sind nicht                                                                                    hungert sind. Bauern, die vor allem Feldbau
Menschen, die die Kirche hinter sich gelas-                                   Detlef Kissner                             betreiben, sind von Regenfällen abhängig.
sen haben, sondern den Gottesdienstbe-                                                                                   Gibt es zu wenig oder gar keinen Regen,
such – eine Sache, die man durchaus än-         ■   Nähere Infos zum Buch beim Buchtipp                                  fällt die Ernte aus oder ist so gering, dass
dern kann», so Flügge.                              auf Seite 14.                                                        sie nicht zum Überleben reicht. Den Bau-
                                                                                                                         ern, die Zugang zur Bewässerung haben,
Feedback einholen                                                                                                        geht es verhältnismässig gut. Das sind
In seinem Buch nimmt Erik Flügge kein Blatt      Und Sie?                                                                aber weniger als ein Prozent der Bevölke-
vor den Mund, bisweilen in derber, umgangs-      Wie erleben Sie die Sprache in Gottes-                                  rung. Viele Menschen haben ihre letzten
sprachlicher Weise. Diese Art zu reden ist       diensten, die Sie besuchen? Was spricht                                 Saatgutreserven als Nahrungsmittel benut-
für ihn auch ein Modell für den kirchlichen      Sie an? Was befremdet Sie? Was nehmen                                   zen müssen. Zusätzlich zu der verheeren-
Raum, wie er in einem Telefonat bekräftigt.      Sie aus dem Gottesdienst für Ihren Alltag                               den Dürre der letzten zwei Jahre kam es in
Jesus habe ja auch Tische umgestossen            mit? Schreiben Sie uns Ihre Wahrnehmun-                                 diesem Jahr teils zu starken Überflutungen,
und herumgewütet. Er habe Klartext geredet       gen und Erfahrungen (an: redaktion@                                     die das Saatgut auf den bestellten Feldern
und seine Wort nicht «abgeschmirgelt».           forumkirche.ch). Wir veröffentlichen sie –                              einfach fortgewaschen haben.
Wichtig sei, dass man genau wisse, was           soweit möglich – in unserer nächsten
man theologisch sagen wolle. Das Spre-           Ausgabe.                                                                Zehn Millionen Menschen sind allein in
chen von Gott müsse eine starke, fundierte                                                                               Äthiopien von Hunger bedroht. Ist es abseh-

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Ostafrika

rextreme drohen
f Nothilfe angewiesen

                                                                                                                                                        Bild: Caritas Schweiz
    Caritas wird betroffenen Dorfgemeinschaften Pflugochsen abgeben, damit sie ihre Felder für die Aussaat vorbereiten können.

    bar, dass sich die Situation in den nächsten      helfen. Sie benötigen schnellkeimendes            von Hilfsmassnahmen kommt. Diese Zu-
    Monaten entspannen wird?                          Saatgut und genug ordentliches Futter für         sammenarbeit klappt mittlerweile recht gut.
    Der Regen hat nun endlich wieder einge-           die Pflugochsen. Zeit ist das grösste Pro-
    setzt. Aber von Entspannung kann noch kei-        blem, denn der Regen hat wieder eingesetzt        Die Dürre in Ostafrika ist eine Folge des
    ne Rede sein. Die Bauern besitzen weder           und die Feldarbeit muss jetzt beginnen.           Klimawandels. Ist zu befürchten, dass Ost-
    ausreichend Saatgut, um die Felder zu be-                                                           afrika in Zukunft häufiger solchen Katastro-
    stellen, noch verfügen sie über genug Pflug-      Was trägt Caritas dazu bei, die Krise zu          phen ausgesetzt sein wird?
    ochsen. Diese sind in den vergangenen             bewältigen?                                       Das ist wahrscheinlich. Nach den jüngsten
    zwei Jahren in grosser Zahl gestorben, der        Der Schwerpunkt der Arbeit von Caritas            Auswirkungen im Zuge des El Niño-Phäno-
    Bestand ist auf einen Fünftel gesunken.           liegt jetzt zuerst in der Nothilfe, um            mens werden jetzt – wenn auch abgemil-
    Viele der noch lebenden Ochsen sind zu            schnellstmöglich auf den dringendsten             dert – Effekte des so genannten La Niña-
    schwach, um die anstrengende Pflugarbeit          Bedarf zu reagieren: Bereitstellung von gu-       Phänomens erwartet. In der Natur der
    zu verrichten. Meteorologen wie auch die          tem Saatgut, Futter für die Pflugochsen und       Sache des Klimawandels liegt es aber,
    Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisa-          Sicherstellung, dass ausreichend Trinkwas-        dass eventuelle Auswirkungen immer unbe-
    tion der Vereinten Nationen sagen zudem           ser für die Menschen vorhanden ist. Diese         rechenbar sind. Man kann nicht sagen,
    voraus, dass es nach der jüngsten Dürre,          Massnahmen ergänzen die Anstrengungen             wann und in welchem Ausmass ähnliche
    die durch das globale El Niño-Phänomen            der Regierung gut. Denn es soll oberstes          Situationen wieder auftreten werden. In
    ausgelöst wurde, weitere Wetterextreme            Ziel sein und bleiben, dass Hilfsorganisa-        jedem Fall sind derzeit noch die unmittelba-
    geben wird.                                       tionen lediglich ergänzen. Die Menschen           ren Auswirkungen der vergangenen Dürre-
                                                      und die Regierung sollen immer ihr Mög-           jahre und der nachfolgenden Überschwem-
    Sie haben mit vielen Betroffenen gespro-          lichstes beisteuern. Caritas stimmt sich          mungen zu sehen und zu spüren. Daher ist
    chen. Was sind ihre grössten Probleme? Wel-       generell bei allen Massnahmen, die sie            es jetzt unerlässlich, die Menschen so zu
    che Unterstützung brauchen die Menschen,          unterstützt oder durchführt, mit anderen          unterstützen, dass sie sich schnell erholen
    um über die Krise hinwegzukommen?                 Organisationen ab. Darüber hinaus muss            können und ohne Hilfe zurechtkommen.
    Neben Nahrungsmitteln brauchen die Men-           jedes Projekt im Vorfeld von der Regierung
    schen jetzt vor allem wieder ausreichend          genehmigt werden, damit es nicht zu inhalt-
    Regen. Nur das kann wirklich und langfristig      lichen und räumlichen Überschneidungen                                     Caritas Schweiz/Red.

                                                                                                                            forumKirche | 16-2016   5
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Weltjugendtag

Vorreiter der Geschichte sein
Rückblick auf den Weltjugendtag in Krakau

                                                                                                                                                Bild: Vera Rüttimann
Alain de Raemy, Weihbischof von Lausan-
ne, Genf und Freiburg, war mit Schweizer
Jugendlichen über zehn Tage unterwegs
am Weltjugendtag in Krakau. Im Studen-
tenwohnheim «Krakowiak» sprach er über
seine persönlichen Erlebnisse und zog
Bilanz über dieses kirchliche Gross-
ereignis in Polen.

Mehr als eine Millionen Pilger trotzten der
Hitze und feierten mit dem Papst an der
Vigil. Mit einer grossen Messe endete der
Weltjugendtag. Wie haben Sie die beiden
letzten Tage erlebt?
Ich wohnte zusammen mit anderen Bischö-
fen aus aller Welt im Hotel «Krakowiak», ei-
nem der Studentenwohnheime der Univer-
sität etwas ausserhalb des Stadtzentrums.
Von dort wurden wir mit dem Bus zum «Feld
der Barmherzigkeit» gebracht. Auf der Fahrt
dorthin sah ich, wie Tausende Pilger sich in
der brütenden Hitze auf den Weg zum Feld
machten, um die nächtliche Vigil zu erleben.    Schweizer Jugendliche am Weltjugendtag in Krakau.

Was hat Sie am meisten beeindruckt?
Das war der Kreuzweg mit dem Papst auf          lich für die Aufnahme von Flüchtlingen ist,     tungen. Und ich bin überzeugt, dass der
den Krakauer Błonia-Wiesen, wo es auf dem       berichtete mir, wie schwierig es sei, eine      Weltjugendtag jeden in seiner persönlichen
ganzen Gelände verteilt zu jeder Kreuzweg-      offene Haltung diesem Thema gegenüber           Beziehung zu Gott weiterbringt.
station kunstvolle Inszenierungen gab.          selbst den Bischöfen zu vermitteln. Zweifel-
                                                los aber müsse sich die Gesellschaft –          Welche Begegnungen am Weltjugendtag
Gab es besonders starke Aussagen seitens        das war eines der Kernthemen während            stachen für Sie besonders heraus?
des Papstes?                                    dieses Treffens – der wurzellosen Secon-        Die erste eindrückliche Begegnung war
Es gab viele starke Aussagen von ihm in         dos annehmen und sich für die Aufnahme          gleich zu Beginn des Vortreffens mit einem
dieser Woche. Besonders berührt hat mich        von Flüchtlingen öffnen.                        jungen Paar, das bereits an drei Weltju-
sein Appell an die Jugendlichen an der                                                          gendtagen war. Sie kamen zu mir und sag-
nächtlichen Vigil, «Vorreiter der Geschichte»   Papst Franziskus und die Jugend: Wie nah-       ten, dass sie sich hier am Treffen verloben
zu sein. Stark fand ich, als er zu ihnen sag-   men Sie diese Beziehung in Krakau wahr?         wollten. Während einer Messe mit den
te, sie seien nicht auf die Welt gekommen,      Eindrücklich war seine Fahrt mit dem Tram       Westschweizer Pilgern hielt ich für sie eine
um zu vegetieren, um es sich bequem zu          ins Zentrum Krakaus, wo Tausende ihm            kleine Liturgiefeier. Ich stelle immer wieder
machen, um aus dem Leben ein Sofa zu            zujubelten. Er zeigte Grösse in seiner Ein-     fest: Der Weltjugendtag ist die beste katho-
machen, das uns einschläfert. Vor allem         fachheit – ein sehr nahbarer Papst. Ande-       lische Heiratsagentur der Welt.
sein Satz: «In der heutigen Zeit braucht es     rerseits ist mir aufgefallen, dass Papst
keine Sofa-Jugendlichen, sondern junge          Franziskus anders als seine Vorgänger           Auch die Schweizer Jugendlichen kehren
Menschen mit Schuhen, noch besser mit           nach der Vigil nach dem Segen nicht mehr        nun zurück. Der Papst wünscht, dass der
Stiefeln an den Füssen, um Spuren zu            auf die Bühne zurückkehrte, um die Jugend-      Weltjugendtag dort in ihrem Alltag weiter-
hinterlassen», bleibt wohl nicht nur mir in     lichen mit einigen Worten in die Nacht zu       geht. Was können die Pfarreien vom
Erinnerung.                                     verabschieden. Vielen ist das vielleicht        Schwung dieses Treffes mitnehmen?
                                                gar nicht aufgefallen oder sie haben es         Sie können die Begeisterung der Jugend-
Die nationalkonservative Regierung in War-      nicht vermisst.                                 lichen mitnehmen. Es kommt jetzt sehr
schau lehnt die Aufnahme von Flüchtlingen                                                       darauf an, ob es unsere Leute im Dienst der
ab. Auf welche Weise wurden Sie am Welt-        Wie deuten Sie das?                             Kirche vor Ort verstehen, die Jugendlichen in
jugendtag mit diesem Thema konfrontiert?        Ich habe gesehen und herausgespürt –            ihrem Elan zu packen und ihnen mit Neugier
Einen profunden Einblick erhielt ich durch      nicht nur an der Vigil – dass es den meis-      und Interesse zu begegnen. Gemeinsam
die Gespräche mit Weihbischof Krzysztof         ten Jugendlichen nicht allein um den Papst      kann auf diese Weise viel vom Schwung die-
Zadarko, dem Vorsitzenden des Rates für         oder nur um eine euphorisierende katholi-       ses Weltjugendtages erhalten bleiben.
Migration, Tourismus und Wallfahrt der pol-     sche Party-Stimmung geht. Ich glaube an
nischen Bischofskonferenz. Er, der persön-      die Kraft von spirituellen Grossveranstal-                             Vera Rüttimann/Red.

6   forumKirche | 16-2016
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Jahr der Barmherzigkeit – «Berühren(d)»

Mehr als ein Dach über dem Kopf
Wo Obdachlose eine Bleibe finden

Der Verlust der eigenen Wohnung ist             gebe es immer wieder Bewohner, die länger          Teamleitern, stundenweise arbeiten kön-
meist der Endpunkt eines längeren Ab-           bleiben würden, manche bis zu einem Jahr.          nen», sagt Eberhart. Ausserdem könne
stiegs. Menschen, die dieses Schicksal          In der Regel seien die zehn Notschlafplätze        man sich beim Umzugsservice oder im
in Schaffhausen trifft, werden in ihrer Not     in der SWG zur Hälfte belegt. Ein Unter-           Nähstüble engagieren. Mit diesen Diensten
aber nicht alleingelassen. Die Stadt stellt     schied in der Belegung zwischen Sommer             unterstütze man Hausbewohner und ande-
in ihrer Einrichtung Soziales Wohnen            und Winter sei nicht festzustellen.                re bedürftige Menschen ebenso wie öffent-
Geissberg (SWG) Notschlafstellen und            Finanziert werden die Plätze vom Sozialamt.        liche Einrichtungen.
Notwohnungen zur Verfügung – ein sozia-         Wer von dort keine Kostengutsprache er-
les Engagement, das nicht selbstver-            hält, muss aus eigener Tasche acht Franken         Professionelle Begleitung
ständlich ist.                                  pro Nacht für seinen Schlafplatz bezahlen.         Betreut wird das Haus am Geissberg von
                                                                                                   elf Teilzeit-Mitarbeitenden, die überwiegend
Jean-Claude Eberhart, der Leiter des SWG,       Eigenes Arbeitsprogramm                            Qualifikationen aus sozialen Berufen mit-
öffnet die Tür zu einem kleinen Zimmer: Ein     Die Notschlafstellen machen im ehemali-            bringen. «Wir versuchen, positiv auf die
frisch bezogenes Bett, ein Nachttisch, ein      gen Personalhaus des Kantonsspitals, in            Menschen hier einzuwirken, sie zu einem
Tisch, ein Stuhl und zwei Blechregale – das     dem das SWG seit 1989 untergebracht ist,           Entzug oder einer Therapie zu motivieren
ist die schlichte Ausstattung einer Not-        allerdings den kleineren Teil aus. Über 40         oder ihnen zu helfen, sich wieder ins
schlafstelle, in der Menschen ohne Woh-         Zimmer sind für das «Betreute Wohnen»              Arbeitsleben zu integrieren», sagt Jean-
nung unterkommen. «Das kann jemand              vorgesehen. Diese Wohnform ist für Men-            Claude Eberhart. Der Sozialpädagoge ver-
sein, der schon längere Zeit von Suchtmit-      schen gedacht, die über eine gewisse Ta-           heimlicht dabei nicht, dass dies mitunter
tel abhängig ist und von Sozialhilfe lebt.      gesstruktur verfügen, d. h. die mindestens         eine schwierige Aufgabe ist. Manchmal kä-
Weil er zunehmend seine Hygiene vernach-        drei Mal pro Woche einer Tätigkeit nachge-         me es auch vor, dass im Haus eine explosi-
lässigt oder durch sein Verhalten auffällt,     hen, sei es in der Privatwirtschaft oder           ve Stimmung herrsche. Wichtig sei ihm,
wird ihm eines Tages die Wohnung gekün-         im Rahmen eines Arbeitsprogramms. Sie              dass er allen Bewohnern – egal ob nüch-
digt», erzählt der 57-jährige Sozialpädago-     erhalten eigene Schlüssel und können sich          tern oder betrunken, friedlich oder aggres-
ge. Es würden sich aber auch junge Er-          tagsüber in ihrem Zimmer aufhalten.                siv – offen begegne. «Man muss unsere
wachsene melden, die aus der elterlichen        Um dieser Gruppe, aber auch anderen Sozi-          Leute gern haben», beschreibt er seine
Wohnung rausgeschmissen wurden, Rück-           alhilfeempfängern, weitere Beschäftigungs-         Grundeinstellung. Denn Eberhart weiss um
kehrer, die vergeblich ihr Glück im Ausland     möglichkeiten zu bieten, hat das SWG seit          die Schicksale vieler, die im SWG Unter-
suchten, oder Menschen mit einer psychi-        Ende 2013 mit finanzieller Unterstützung           schlupf finden. Und diese machen ihm be-
schen Erkrankung. Ebenso komme es vor,          der Hülfsgesellschaft ein eigenes Arbeits-         wusst, dass der Grat zwischen Gelingen und
dass die Polizei jemanden im Fall von häus-     programm aufgebaut. «Wir haben eine Holz-          Scheitern im Leben oft sehr schmal ist.
licher Gewalt vorbeibringe. Voraussetzung       und Metallwerkstatt eingerichtet, in der
für die Aufnahme im SWG ist, dass jemand        Interessierte, begleitet von qualifizierten                                         Detlef Kissner
obdachlos ist und aus dem Kanton Schaff-
hausen stammt. Menschen, die von woan-

                                                                                                                                                      Bild: Detlef Kissner
ders herkommen, können nur im Notfall für
eine Nacht bleiben. «Wir sind ja kein billi-
ges Hotel», so Eberhart.

Keine Dauerlösung
Von einem Hotel unterscheidet sich diese
Unterbringung auch in anderer Hinsicht:
Den Bewohnern steht eine zweckmässig
eingerichtete Küche zur Verfügung, in der
sie sich ihre Mahlzeiten zubereiten können.
Daneben teilen sie sich einen Aufenthalts-
raum, ein Bad und die Toiletten. Mit dem
Bezug der Notschlafstelle verpflichten sie
sich, das Haus tagsüber – von 10 bis 17
Uhr – zu verlassen. Sie erhalten auch kei-
nen Zimmer- oder Haustürschlüssel. Ihre
Habseligkeiten können sie im Zimmer las-
sen, Wertsachen werden weggeschlossen.
«Die Notschlafstelle soll nicht zur Dauerein-
richtung werden. Die Betroffenen sollen
sich nach einer anderen Lösung umschau-
en», erklärt Jean-Claude Eberhart. Dennoch      Jean-Claude Eberhart stellt die Einrichtung Soziales Wohnen Geissberg anhand eines Schaubildes vor.

                                                                                                                        forumKirche | 16-2016     7
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Kirche Schweiz · Thurgau

Konzert für 118 Glocken
Einzigartiges künstlerisches Projekt in St. Gallen

Am 21. August werden die Kirchenglocken von St. Gallen 35

                                                                                                                                                Bild: Hans Jürg Gnehm, Denkmalpflege der Stadt St. Gallen
Minuten lang zu einem Konzert zusammenklingen. An einem
zentralen Hörort ist die Musik koordiniert zu hören, an jedem
anderen Punkt in der Stadt eine Variation davon. Realisiert haben
das Projekt «Zusammenklang» die Komponistin Natalija
Marchenkova Frei und der Musiker Karl Schimke.

118 Glocken von 29 Kirchtürmen der Stadt St. Gallen werden am
21. August von 14.35 bis 15.10 Uhr in einem inszenierten Anschla-
gen von Karl Schimke und im Anschluss in einer neoromantischen
Komposition von Natalija Marchenkova Frei strukturiert erklingen.
Damit der Klang der bis zu 16 Kilometer auseinander liegenden Kir-
chenglocken am zentralen Hörort Dreilindenweg (unterhalb Buben-
weiher) koordiniert erklingt, ist eine ausgefeilte Technik notwendig.
Denn nicht nur die Distanzen, sondern auch die Wetterbedingungen
und die Reaktionszeit der Menschen, die die Glocken schlagen, ha-       Glocken der evangelisch reformierten Kirche St. Georgen
ben Einfluss auf die Dauer des Schalls. Alle Komponenten werden
von den Programmierspezialisten der Softwarefirma Namics AG und
den Experten für Glockensteuerung der Muff Kirchenturmtechnik AG        zudem eine gesellschaftliche und spirituelle Ebene. Nur durch die
berechnet und fliessen in die Entwicklung einer eigens für das Kon-     konfessionsübergreifende Zusammenarbeit aller Quartiere und
zert konzipierten Steuerungssoftware ein.                               Kirchen der Stadt, kann das Projekt gelingen.
Das Konzert-Projekt «Zusammenklang», das in Zusammenarbeit
mit den Kirchengemeinden St. Gallens und der Wirk Raum Kirche                                                         Ann Katrin Cooper/Red.
entstanden ist, ist ein weltweit einzigartiges künstlerisches Pro-
jekt. Noch nie wurden in einer Stadt alle Kirchenglocken «orches-       ■ Nähere Infos: www.zusammenklang.com
triert» zum Klingen gebracht. Für die Initiatoren hat das Projekt

Solidarisch mit Flüchtlingen                                            Patenschaften mit Kindern begleiten
Einladung zum Bistumsjugendtreffen 2016                                 Caritas Thurgau sucht freiwillige Vermittler

«Stand up for refugees» – so lautete das Motto des diesjährigen         Möchten Sie sich in der Region Kreuzlingen oder Frauenfeld als re-
Bistumsjugendtreffens. Bischof Felix Gmür lädt Jugendliche ab           gionale Vermittlerin oder Vermittler engagieren und so im Auftrag
14 Jahren aus der Diözese Basel am 11. September nach Biel -            der Caritas Thurgau Kontakt- und Vermittlungsperson von fünf bis
Bienne ein, um auf das Leid der Flüchtlinge aus aller Welt auf-         zehn Patenschaften sein? Sie vermitteln und begleiten die freiwilli-
merksam zu machen.                                                      gen Patinnen und Paten, die Patenkinder wie auch deren Eltern.
                                                                        Sie führen Abklärungs-, Vermittlungs- und Standortgespräche
Der Tag beginnt um 10 Uhr mit einem Gottesdienst, den Bischof Felix     durch. Dabei werden Sie von der Caritas Thurgau in Ihren Aufgaben-
Gmür zusammen mit den Jugendlichen feiert. Daran schliesst sich         bereich eingeführt, begleitet und weitergebildet.
ein Multi-Kulti-Apéro mit Spezialitäten aus Syrien, dem Libanon, Eri-   Sie bringen idealerweise Erfahrung in der Freiwilligenarbeit mit, Sie
trea, Kurdistan, Afghanistan und anderen Ländern an. In dessen Zen-     haben kommunikative Fähigkeiten und Gesprächsführungserfah-
trum stehen Begegnungen mit Menschen aus den jeweiligen Kulturen        rung. Ausserdem sind Sie team- und konfliktfähig, haben Erfahrun-
und untereinander. Ab 12 Uhr sind die Teilnehmenden eingeladen,         gen mit Familiensituationen, ein Flair für organisatorische und ad-
sich mit der Realtäten von Flucht auseinanderzusetzen Sie erfahren      ministrative Arbeiten und besitzen EDV-Basiskenntnisse. In Ihrer
mehr über die tragischen Bedingungen von Menschen auf der Flucht.       Tätigkeit ist Verschwiegenheit sehr wichtig. Ihre Einsätze sind an
Begegnungen und praktische Beispiele veranschaulichen die un-           verschiedenen Orten im Thurgau, deshalb sollten sie mobil sein.
glaublichen Wege, welche Flüchtlinge auf sich nehmen müssen. Nach       Die Caritas Thurgau sucht dafür dringend regionale Vermittlerinnen
einem Hip-Hop-Jamboree (Konzert) im Volkshaus wird Bischof Felix        oder Vermittler. Der Zeitaufwand beträgt ca. vier Stunden pro
Gmür gegen 15.30 Uhr den Tag mit den Teilnehmenden beschlies-           Woche. Melden Sie sich, wenn Sie sich für diesen anspruchsvollen
sen. Die Anmeldung läuft über eine Ansprechpersonen in den Pfar-        und spannenden Einsatz interessieren, bei Caritas Thurgau,
reien.                                                                  Patenschaftsprojekt «mit mir», Simone Rutishauser,
                                                                        srutishauser@caritas.ch oder Tel. 071 626 11 84.
                                                       Detlef Kissner
■   Nähere Infos: www.jugendtreffen.org                                                                                   Simone Rutishauser

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Kunst + Glauben

                                                                                                                                                  Bild: © Robert Weber / www.robert-weber.com
In Gott
geborgen
Es braucht seine Zeit, zwischen oder hinter
den schwebenden Kreisformen die sitzen-
de Gestalt der Maria zu erkennen. Die Vor-
lage ist die Maria aus der Verkündigungs-
gruppe vom Altar der Sieben Freuden
Mariens im Chor der Abteikirche von Brou,       Robert Weber – «Und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten», 2005, Öl auf Leinwand,
Franche-Comté, entstanden um 1520. In           190 × 150 cm
ein weites Gewand gehüllt, scheint sie
beim Lesen der Heiligen Schrift gerade in-
nezuhalten und den Kopf nachdenklich            und gegenseitige Bezüge sehen: So wie             denfülle, die Maria durch ihr gläubiges Ja-
nach hinten zu neigen. Hinter dem Schleier      Maria mit ihrem Ja-Wort Gott selbst leiblich      Wort bei Gott ausgelöst hat und die vom
ist sie unseren Blicken entrückt, Symbol für    in sich aufgenommen hat, so nimmt Gott            Künstler «schwebend» zwischen Maria und
ihr gleichzeitiges geistiges Entrückt-Sein      die Mutter seines Sohnes mit Leib und             den Betrachter gemalt wurde, fliesst weiter
bei Gott. Es ist die Stille zu spüren, in die   Seele bei sich auf. In der Verkündigung und       und macht auf wunderbare Weise für Men-
Maria hineinhorcht und durch den Engel          der Aufnahme in den Himmel stehen sich            schen Unmögliches möglich (vgl. Lk 1,37;
Gottes Wort und Anspruch hört: «einen           Anfang und Vollendung gegenüber, die              18,27): Gott in sich aufzunehmen als auch
Sohn wirst du gebären … er wird gross           Menschwerdung Gottes und die Erfüllung            von Gott aufgenommen und geborgen zu
sein und Sohn des Höchsten genannt wer-         des menschlichen Daseins bei Gott. In             werden.
den. … Die Kraft des Höchsten wird dich         Maria wird deutlich, wie Gott zu seiner Ver-
überschatten.» (Lk 1,31f.35)                    heissung durch Jesus steht: «Wer an mich                                        Patrik Scherrer
So sehr das Bild Maria bei der Verkündi-        glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und
gung darstellt, lässt es durch die weisslich-   jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf
rötliche Übermalung mit den vielen Kreis-       ewig nicht sterben.» (Joh 11,25-26) Maria
formen als Ausdruck der ihr Wesen «über-        hat geglaubt und ist dafür als Erste mit der
schattenden» göttlichen Gegenwart und           leiblichen Aufnahme in den Himmel belohnt
erfüllenden Gnade auch Mariens leibliche        worden.
Aufnahme in den Himmel sehen. Das ver-          Wie durch einen Schleier hindurch lässt
hüllende Weiss vermag dabei genauso auf         uns der Künstler ehrfurchtsvoll an diesen
ihre innere Reinheit zu verweisen wie auf       einzigartigen Geschehen teilhaben. Die Ver-
himmlische Sphären, die sie von nun an          wendung einer alten Mariendarstellung so-
umgeben. Die gleichzeitige Schau der bei-       wie die «blasse» Zeichnung Mariens mögen
den Glaubensgeheimnisse lässt Parallelen        in die Vergangenheit weisen. Doch die Gna-

                                                                                                                     forumKirche | 16-2016   9
Alles klar? Sprache im Gottesdienst - Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - kath. Pfarrei Romanshorn
Thurgau · Kirche ohne Grenzen – Albanisch

                     Glaubensgemeinschaft erwünscht                                                                Ein Kraftort fü
                     Thomas Mauchle ist neuer Gemeindeleiter ad interim                                            Der Schweizer Marienwallfahrt

                     Seit dem 1. August ist Thomas Mauchle          assistent gefunden. Nun fühlt er sich wie-     Was für die Juden Jerusalem oder für die
                     der neue Gemeindeleiter ad interim für die     der bereit für eine Leitungsfunktion, die      Muslime Mekka ist, das ist für das grau-
                     Pfarreien Gündelhart, Homburg, Pfyn und        ihm die Abteilung Personal des Bistums         bündnerische Tal Oberhalbstein Ziteil.
                     Steckborn. Wichtig ist ihm, dass unter         vorgeschlagen hat. Wobei die Gemeinde-         Der höchste Wallfahrtsort Europas (2’434
                     seiner Leitung jede der vier Pfarreien auch    leitung nur ein Teil seiner Arbeit sei, wie    Meter über Meer) liegt in der politischen
                     als eigene Pfarrei wahrgenommen wird.          Mauchle betont: «Ich bin Seelsorger, und       Gemeinde Salouf. Kirche ohne Grenzen hat
                                                                    zwar einer, der vor Ort präsent sein möch-     sich mit Sandra Cipolletta (46) aus Erma-
                     Thomas Mauchle ist ein Mann mit Erfah-         te.» Und zu einer Leitung gehöre es auch,      tingen getroffen und über den anerkannten
                     rung. Diese hat er sich nicht nur in seinem    zusammen mit den bereits tätigen Men-          Schweizer Marienwallfahrtsort gesprochen.
                     Theologiestudium angeeignet, sondern           schen vor Ort zusammenzuarbeiten. «Ich
                     auch in seinen bisherigen Tätigkeiten. Er      bin froh, dass wir nicht bei Null beginnen     Ziteil erinnert Sandra Cipolletta an ihre
                     war Pastoralassistent, Pastoralstellenleiter   müssen», sagt er dazu.                         Kindheit: «Meine Mutter ist in Salouf aufge-
                     wie auch Regionalverantwortlicher der Bis-                                                    wachsen. Als Kind bin ich regelmässig zum
                     tumsregion St. Urs (AG, BL, BS). Ein Mann      Kritisches Interesse                           Wallfahrtsort gepilgert.» Die Verbindung
                     also, der Kirche von der Basis als pastoral    Die Herausforderung und Chance sieht           zum Marienheiligtum verstärkte sich, als ih-
                     Tätiger wie auch von der Leitungsebene her     Mauchle darin, mit Menschen in den vier        re Tante die Pilgerbetreuung übernahm. «Es
                     kennengelernt hat. Seine Motivation be-        Pfarreien zusammenzuarbeiten. Er ist sich      gab einiges in der Kirche und in der Bewir-
                     schreibt er folgendermassen: «Ich erlebe       bewusst, dass mit der neuen Gemeinde-          tung der Pilger zu tun», erinnert sich die
                     Kirche als bunt, vielseitig und mit Tief-      leitung eine Menge Fragen und Unsicher-        46-Jährige. «Wir haben unserer Tante nach
                     gang.» Um sich für seinen Job als Regional-    heiten sichtbar werden. Das zeigte sich        Kräften geholfen. Die Begegnung mit den
                     verantwortlicher fit zu machen, hat er einen   bereits an einem ersten Treffen mit den        Pilgern war für mich eindrücklich.» Aber wie
                     Kurs für Kirchenmanagement absolviert.         vier Kirchenvorsteherschaften. «Ich spürte     wurde Ziteil zu einem Wallfahrtsort?
                     Diese Erfahrungen in Leitung und Führung       Interesse und grosses Wohlwollen, aber
                     kommen dem 51-jährigen Theologen nun in        auch Fragen wie etwa: Wie soll das gehen?»,    Die himmlische Begegnung
                     seiner neuesten Herausforderung zugute.        sagt Mauchle. Ein kritisches Interesse be-     Sandra Cipolletta erzählt: «1580 soll im
                                                                    grüsse er, ja, es sei sogar bereichernd, um    graubündnerischen Oberhalbstein einem
                     Leitung und Seelsorge                          sich zusammen auf den Weg zu machen.           18-jährigen Mädchen eine kleine weissge-
                     Und eine Herausforderung kann die Ge-          Ein Ziel ist, wie bei anderen Kirchgemeinden   kleidete Frau mit einem weissen Schleier
                     meindeleitung ad interim durchaus werden.      und Pfarreien auch, die Bildung eines Pasto-   erschienen sein.» Die Botschaft der himmli-
                     «Wie auch eine grosse Chance», sagt            ralraums.                                      schen Gestalt, Busse zu tun und mit dem
                     Mauchle. Er habe bewusst nach seiner Tä-                                                      Kreuz Prozessionen zu halten, richtete sich
                     tigkeit als Regionalverantwortlicher eine      Vier Begrüssungsgottesdienste                  an das sündige Volk im Tal Oberhalbstein.
                     Aufgabe in einer Pfarrei gesucht und diese     Bis dahin möchte er die vier Pfarreien und     Die junge Visionärin behielt aus Furcht die
                     vor 2 ½ Jahren in Weinfelden als Pastoral-     deren Menschen kennenlernen, mit ihnen         Botschaft für sich, worauf es am nächsten
                                                                    beten und glauben. «Ich bin ein Mitarbeiter    Tag zu einer zweiten himmlischen Begeg-
                                                                    wie die anderen auch, mit dem Unter-           nung mit der gleichen Botschaft gekommen
Bild: Claudia Koch

                                                                    schied, dass ich die Leitung inne habe und     sein soll. Die 18-Jährige schwieg aber
                                                                    über die Grenzen schauen werde», sagt er.      weiterhin. Erst als die Mutter der 18-Jähri-
                                                                    Um sich bei den Leuten bekannt zu ma-          gen bei der dritten Erscheinung Zeugin die-
                                                                    chen, wird er in jeder Pfarrei mit einem       ses Phänomens geworden war, verbreitete
                                                                    Begrüssungsgottesdienst willkommen ge-         sich die Botschaft bis zum Landvogt, der
                                                                    heissen. Den Anfang macht am 14. August        daraufhin die Prozession verordnete. Acht
                                                                    Pfyn. Angesprochen auf seine künftige          Tage später soll wiederum ein 16-jähriger
                                                                    Tätigkeit, sagt er: «Ich wünsche mir, dass     Knabe von einer Begegnung mit der himmli-
                                                                    wir eine Glaubensgemeinschaft werden,          schen Frau berichtet haben. Sandra
                                                                    über die Pfarreigrenzen hinaus.»               Cipolletta präzisiert: «Dieses Mal betonte
                                                                                                                   die himmlische Gestalt eine aufrichtige
                                                                                                   Claudia Koch    Bekehrung und verlangte weitere Prozessio-
                                                                                                                   nen.» Als man dieser Bitte nachkam, fingen
                                                                                                                   alle verdorrten Feldfrüchte wieder an zu
                                                                                                                   grünen. Seit circa 436 Jahren pilgern des-
                                                                                                                   halb Menschen nach Ziteil und erfüllen
                                                                                                                   so die Bitte der Muttergottes.

                                                                    Möchte mit den Menschen vor Ort glauben        Eine Botschaft für heutige Familien
                                                                    und leben: der neue Gemeindeleiter             Die Botschaft hat laut Sandra Cipolletta
                                                                    ad interim Thomas Mauchle                      auch heute an Aktualität nichts verloren:

                     10 forumKirche | 16-2016
Kirche ohne Grenzen – Albanisch

r die Familie
sort Ziteil/GR
   Bilder: Mike Qerkini

                          Sandra Cipolletta: «In Ziteil besinnen wir uns auf das Wesentliche im Leben!»   Die Wallfahrtskirche in Ziteil wird von zahlreichen Pilgern besucht.

                          «Ziteil ist ein Ort der Bekehrung und Besin-          «Obwohl unsere Hütte keinen grossen Lu-

                                                                                                                                                                                    Bild: zVg
                          nung.» Die schnelllebige Gesellschaft habe            xus bietet, wollen unsere drei Mädchen im-            Mike Qerkini (29), Religions-
                          verlernt, worauf es im Leben ankommt.                 mer wieder nach Som igls Mellens», erklärt            pädagoge, stammt aus
                          «Zeit füreinander zu haben und miteinander            die dreifache Mutter. Die kleinste Tochter,           dem Südosten des Kosovos
                          zu verbringen, ist nicht mehr selbstver-              Chiara (7), erzählt, dass sie gerne künftig           und studiert Theologie an
                          ständlich. Ziteil ist darum für meine Familie         ihre Schulferien mit ihrer Freundin dort ver-         der Universität in Luzern.
                          ein Kraftort, wo wir uns neu auf Gott aus-            bringen möchte. Auch Verwandte und Be-                Neben seiner Arbeit als
                          richten.» Dafür benutzt die Familie Cipolletta        kannte nutzen die Gelegenheit, in der Hütte           Religionspädagoge engagiert er sich
                          ihre Hütte ohne fliessendes Wasser und oh-            zu übernachten und den Kraftort Ziteil auf-           ehrenamtlich in der albanischen Mission
                          ne elektrische Geräte in Som igls Mellens.            zusuchen.                                             in Sirnach/TG.
                          Regelmässig pilgern sie den circa 1 ½ Stun-
                          den langen Weg zum Marienheiligtum.                         Bericht und Übersetzung: Mike Qerkini

                           Një vend për familje
                           Sandra Cipolletta flet për shënjtroren e Zojes në Ziteil/Graubünden
                           Ajo çka për hebrenjtë është Jerusalemi               vello të bardhë.» Por vajza që pa Zojën nuk         tharë, përsëri filluan të gjelbërohen. Ako-
                           apo për myslimanët Mekka, kjo është                  ju tregoj njerzëve në luginën Oberhalbstein         ma edhe ne këto ditë, 436 vjet pas shfa-
                           Ziteil për njërzit në Oberhalbstein / GR.            mesazhin. Të nesërmen perseri ju shfaq              qes së Zojes, besimtarët shtegtojnë në Zi-
                           Vendi më i lartë i pelegrinazhit në Evropë           Zoja duke kërkuar përseri pendimin dhe              teil dhe i lutën Zotit nëpermjet Zojes
                           (2’434 metra mbi nivelin e detit) është              procesionin. Por 18-vjeçaria perseri heshti.        Bekuar.
                           në komunen politike Salouf. «Kisha pa ku-            Mesazhi u përhap pasi që të tretën herë
                           fij» është takuar me znj Sandra Cipolletta           kur Zoja ju dëftua vajzës ishte dëshmitare          Fjalet e Zojës janë, sipas Sandra Cipollet-
                           (46) nga Ermatingen dhe foli për dëftimet            edhe nëna e 18-vjeçarjës. Qeveria e atë-            ta, edhe në kohën tonë aktuale. «Ziteil
                           e Zojes në Ziteil.                                   hershme urdhëroi procesionin me kryq. Te-           është një vend i kthimit dhe meditimit.»
                                                                                të ditë më vonë raportuan së një djalë 16-          Njërëzit e kanë harruar se çfarë është e
                           Sandra Cipolletta tregon, se dëftimi i Zojes         vjeçar perseri kishte te shfaqurit e Zojes          rëndësishme në jetë. Sandra Cipolletta
                           Bekuar ndodhi në vitin 1580: «Mesazhi                Bekuar. Sandra Cipolletta sqaron: «Këtë             dhe familja e saj gjëjnë kohë për njëri-tje-
                           qiellor ishte, që njerzit të pendohen dhe te         herë ka theksuar Zoja një kthim të sinqertë         trin dhe kalojnë kohë së bashku. «Ziteil
                           bëjnë procesione me Kryq. Kjo porosi i ish-          të njërzeve dhe kërkoi më shumë procesio-           është për familjen time një vend i mrekul-
                           te drejtuar një vajzës 18-vjeçare nga një            ne.» Pasiqe njerëzit e luginës u kthyen tek         lëshem. Atje kthehemi në tek Hyji.»
                           grua e vogël e veshur me të bardhë me një            Zoti të gjitha mbjellat e atij viti që ishin

                                                                                                                                                         forumKirche | 16-2016 11
Serie «Ökumene»

«Seife, Suppe, Seelenheil»
Einblicke in die Heilsarmee

                                                                                                 Bild: Maria Feck
                                                                                                                    Schlägereien bei Auftritten
                                                                                                                    1882 kam die Heilsarmee in die Schweiz.
                                                                                                                    Bei den ersten Versammlungen kam es
                                                                                                                    zum Teil zu gewalttätigem Widerstand. Da-
                                                                                                                    her war die Bewegung zu Beginn in man-
                                                                                                                    chen Kantonen verboten. Schliesslich ge-
                                                                                                                    wann sie die Sympathie der Bevölkerung.
                                                                                                                    Sie ist heute für ihre professionelle Arbeit
                                                                                                                    bekannt und betreibt in der Schweiz 34 so-
                                                                                                                    ziale Institutionen, 22 Sozialprojekte wie
                                                                                                                    Mittagstische, Beratungsstellen, 57 Ge-
                                                                                                                    meinden, 22 Brockis, und Projekte zu Mis-
                                                                                                                    sion und Entwicklung. Dazu kommt ein brei-
                                                                                                                    tes Bildungsangebot. Sie beschäftigt rund
                                                                                                                    1800 Mitarbeitende in verschiedenen Beru-
                                                                                                                    fen. Nur 20 Prozent davon sind auch Kir-
                                                                                                                    chenmitglieder.

                                                                                                                    Ökumenisch ausgerichtet
Die Mitarbeitenden der Heilsarmee begegnen Menschen in Not auf Augenhöhe.                                           Die Heilsarmee ist Gründungsmitglied der
                                                                                                                    Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in
                                                                                                                    der Schweiz und kantonal sowie lokal enga-
Sie begegnet uns bei Brockis, Männerhei-        Dabei geht es nicht ums Missionieren. Der                           giert. Sie arbeitet ausserdem mit unter-
men und Kleiderkammern. Ihre Hauptamt-          derzeitiger General André Cox betont, er                            schiedlichen Religionsvertretern zusam-
lichen fallen durch dunkelblaue Uniformen       würde niemals sagen: «Du musst so den-                              men. Bei den Sakramenten nimmt sie eine
auf. Wer ist diese 150 Jahre alte Freikirche?   ken wie wir, sonst unterstützen wir dich                            Sonderstellung ein: Sie spendet keine. Der
                                                nicht. Erst mal rollen wir die Ärmel hoch und                       Gründer William Booth glaubte, dass viele
Meist trifft man ihre Vertreter und Vertrete-   helfen. Und vielleicht fühlen die Menschen                          Christen ihr Heil in Ritualen suchten. Des-
rinnen an der Seite von Alkoholkranken,         dann etwas von der Wärme und der Liebe,                             halb beschloss er, Taufe und Abendmahl
Prostituierten, Gefangenen, Flüchtlingen        die uns motiviert.» Immer gehe es darum,                            wegzulassen. Es ist den Mitgliedern freige-
und Verzweifelten oder bei weihnachtlichen      «die Menschen am Rand in die Mitte der                              stellt, diese in anderen Gemeinschaften zu
Feiern für Bedürftige. Eine ihrer Bands hat     Gesellschaft und der Kirche zu holen». Cox                          praktizieren.
es auch schon bis in den Eurovision Song        wendet sich dabei gegen die Praxis vieler                           Die Tatsache, dass in der Heilsarmee Glau-
Contest geschafft. Die Heilsarmee ist für       Christen, «Gott in der Kirche zu loben und                          ben und Handeln eine Einheit bilden, wirkt
Überraschungen gut! Ihr Gründer kam aus         die Menschen in ihrem Leid zu vergessen».                           bis heute anziehend. «Sie muss aber auch
ärmlichen Verhältnissen. Der methodisti-                                                                            immer wieder ihre Konzepte an die aktuel-
sche Pfarrer William Booth lebte im Londo-      Gleichberechtigte Frauen                                            len Nöte anpassen. So nutzt das Sozial-
ner East End und war erschüttert über das       Die Heilsarmee ist wie eine Armee aufge-                            werk der Heilsarmee neben den bekannten
Elend in den Slums. 1865 gründete er mit        baut, an ihrer Spitze steht ein General oder                        Begriffen ‹Suppe, Seife, Seelenheil› auch
Freiwilligen aus verschiedenen Kirchen die      eine Generalin. Frauen waren von Beginn                             die Worte Sicherheit, Selbstwert und Sinn»,
Bewegung, die sich ab 1878 offiziell «Die       weg gleichberechtigt, auch in der Predigt.                          erklärt Mori.
Heilsarmee» nannte. Deren Auftrag fasste        Die uniformierten Mitglieder (Heilssoldaten
er mit dem legendären Slogan «Seife, Sup-       und Offiziere) verpflichten sich, nach christ-                                               Christiane Faschon
pe, Seelenheil» zusammen: Für ihn und           lichen Massstäben zu leben, auf Alkohol,
seine Frau Catharine ging es darum, die         Tabak, Drogen, Pornografie und übermässi-
Nöte der Menschen zu lindern und den Ar-        ge Medikamenteneinnahme zu verzichten.
men mit christlichem Glauben und sozialer       Sie engagieren sich aktiv in der sozialen                            Zahlen und Fakten
Nächstenliebe zu helfen.                        und verkündigenden Tätigkeit. Offiziere                              • Die Heilsarmee ist in 127 Ländern tätig
                                                sind ausgebildete Geistliche.                                          und hat etwa 1,7 Millionen Mitglieder.
Zuerst Unterstützung                            Man passt sich aber auch an: «Die Heilsar-                           • In 15’765 Gemeinden, rund 1’900
Paul Mori, Sonderbotschafter der Heilsar-       mee verhält sich so, dass sie in den jeweili-                          Schulen, 3’600 Sozialinstitutionen, 21
mee, betont: «Es gibt zwei Türen, durch die     gen Ländern nicht als Exotin auftritt, son-                            Spitälern und 202 Gesundheitszentren
Menschen Zugang zur Heilsarmee erhalten:        dern als eine Bewegung, die einerseits                                 beschäftigt sie rund 17’100 Offiziere
Wer einen seelsorgerlichen Rat will, be-        Farbe bekennt, gleichzeitig aber Teil der je-                          und 110’000 Angestellte.
kommt diesen und wer Hunger hat, be-            weiligen Gesellschaft ist», sagt Mori. So                            • Sie ist in Schaffhausen und an sechs
kommt etwas zu essen. Manchmal brau-            sind die Uniformen je nach Region und Kli-                             Orten im Thurgau tätig.
chen hilfesuchende Menschen beides.»            ma unterschiedlich.

12 forumKirche | 16-2016
Thurgau

Von der Vielfalt der Erzählkultur
Dem Kamishibai als Erzähltheater auf der Spur

Biblische Geschichten können nicht nur         sich damit schon selber. Anfangs des 20.           Freude an dieser Art des Erzählens, indem
erzählt oder durch Bilderbücher veran-         Jahrhunderts fuhren Süsswarenhändler auf           sie riefen: Das ist ja wie im Kino! Ausser-
schaulicht werden. Das japanische Erzähl-      ihren Fahrrädern durch Städte und Dörfer.          dem haben die Kinder und Jugendlichen
theater Kamishibai eignet sich dafür eben-     Im Gepäck hatten sie nicht nur Schlecke-           die Möglichkeit, sich durch selbstgemalte
so. Am 7. September bietet die Fachstelle      reien, sondern auch leichte, robuste und           oder -gestaltete Bilder sowie Fotos einzu-
Katechese eine Weiterbildung an.               transportfähige Holzrahmen, z. B. für A3-          bringen und an der Geschichte teilzuhaben
                                               Bilder, in die aus Papier gefertigte Bilder        oder ihre eigene Geschichte zu gestalten
«Geschichten zu erzählen ist etwas vom Ur-     geschoben wurden. Damit erzählten sie              und zu erzählen. Vom Alter her spricht das
tümlichsten, das wir haben», sagt Barbara      Geschichten und verdienten ihren Lebens-           Kamishibai mit seinen Möglichkeiten kleine
Schicker Fischer. Sie muss es wissen, ist      unterhalt durch den Verkauf der Süssigkei-         Kinder ab vier Jahren, Oberstufenschülerin-
sie doch Ressortleiterin der Mediothek der     ten. Mit dem Aufkommen des Fernsehers              nen und -schüler und auch Erwachsene
katholischen Landeskirche des Kantons          verlor diese Erzählkultur an Attraktivität,        gleichermassen an. «Erzählen ist eine
Thurgau und Katechetin. Erzählungen seien      fand in den späten 70er-Jahren hingegen            Kunst», sagt Barbara Schicker. Dazu leistet
lebenswichtig und hätten bereits vor dem       den Weg nach Europa und die USA. Was               das Kamishibai einen wichtigen Beitrag:
Schriftlichen existiert. So sei auch gewähr-   Barbara Schicker am Kamishibai schätzt, ist        Zusammen mit ansprechenden Bildern im
leistet gewesen, dass Kultur erhalten bleibt   die Konzentration und die Fokussierung, die        Holztheater, den Zuhörenden, der erzählen-
und Traditionen weitergegeben werden, sagt     das Theater ermöglicht. Im Mittelpunkt             den Person und der entsprechenden Erzähl-
Schicker. Biblische Geschichten bezeichnet     steht immer ein Bild, gehalten und gerahmt         Atmosphäre ergebe sich daraus ein «Ge-
sie als Urgestein des christlichen Glaubens.   durch das Theater. Es sei ideal, da ein Bild       samtkunstwerk». Inzwischen können in der
Es sind Geschichten von dem einen, der         auch länger stehen bleiben könne. Das              Mediothek zwei Kamishibais und eine Aus-
selbst Geschichten erzählt hat. Damit Er-      Kamishibai ermögliche bildgestütztes Erzäh-        wahl an Bildkartensets ausgeliehen wer-
zählen gelingt, muss man sich das Zielpubli-   len, unterstütze und fördere so auch die           den. Doch egal, auf welche Art und mit wel-
kum vor Augen halten, und die Geschichte       Sprache der Kinder, sagt sie dazu.                 chen Mitteln laut Schicker eine Geschichte
muss von der erzählenden Person verinner-                                                         erzählt wird, gilt: Jede Geschichte hat eine
licht werden. Ebenso ist auf eine Erzähl-      Wie im Kino                                        Botschaft, die ankommen will.
Atmosphäre zu achten, z. B. mithilfe eines     Der anfänglichen Zurückhaltung Schickers
Rituals (Erzählstuhl, Klangschale usw.).       gegenüber der ungewohnten Erzählart ist                                           Claudia Koch
                                               schnell eine grosse Akzeptanz gefolgt. Die
Hören und nacherzählen                         Kinder bestätigten ihr ihr Interesse und ihre      ■   Nähere Infos zum Kurs auf Seite 14.
Es gibt unterschiedliche Methoden, eine
biblische Geschichte zu erzählen. Die «klas-

                                                                                                                                                 Bild: Claudia Koch
sische» Variante ist das Erzählen aus der
Bibel. Bei dieser Methode stehen das ge-
sprochene Wort, das Hören, die Stimme, an
erster Stelle. Es mache einen Unterscheid,
ob man selber erzähle oder die Geschichte
via Tonträger abspiele, so Schicker. Beim
Erzählen hat man die Möglichkeit, bestimm-
te Szenen oder Personen hervorzuheben.
Biblische Bilderbücher können das Erzählte
unterstützen. Bei allen Methoden ist es der
erfahrenen Katechetin wichtig, dass die
Kinder die Geschichte mit eigenen Worten
nacherzählen. Hier zeigt sich, was den Kin-
dern wichtig ist, wie sie etwas verstanden
haben, wie sie sich etwas vorstellen.
Denn es ist schon passiert, dass die Jün-
ger Jesu als Jungs bezeichnet wurden oder
dass Jesus seine Jünger für das letzte
Abendmahl in ein Restaurant einlud.

Konzentration und Fokussierung
Aus Japan kommend gibt es eine Erzähl-
technik, die sich auch für biblische Ge-
schichten sehr gut eignet: Das Kamishibai.
Das Wort setzt sich zusammen aus «Kami»
= Papier und «shibai» = Theater und erklärt    Kamishibai eignet sich sehr, um biblische Geschichten zu erzählen.

                                                                                                                     forumKirche | 16-2016 13
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