Future Skills im Vergleich - Zur Konstruktion eines allgemeinen Rahmen-modells für Zukunftskompetenzen in der aka-demischen Bildung Prof. Dr ...
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Future Skills im Vergleich Zur Konstruktion eines allgemeinen Rahmen- modells für Zukunftskompetenzen in der aka- demischen Bildung Prof. Dr. Ulf-Daniel Ehlers © 2022, Ulf-Daniel Ehlers 16
Editorial Future Skills im Vergleich © 2022 by Ulf-Daniel Ehlers Karlsruhe, Germany Author: Ulf-Daniel Ehlers Contributors: Emily Rauch, Laura Eigbrecht, Nicole Marie Schindele Layout: Nicole Marie Schindele For more information, please go to: www.nextskills.org/ www.next-eductaion.org/ Pictures: Clem Onojeghuo on Pexels (Titlepage) iMagwee on WC Studio (Chapter 1) TeroVesalainen—809550 on Pixabay (Chapter 2) Fotografierende on Pexels (Chapter 3) Anncapictures on pixabay (Chapter 4) Umnat Seebuaphan (Chapter 5) Contact: ulf.ehlers@googlemail.com This report is representing original research. It is published under the following creative commons licence: Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0) You are free to: • Share — copy and redistribute the material in any medium or format • Adapt — remix, transform, and build upon the material Under the following terms: • Attribution — You must give appropriate credit, provide a link to the license, and indicate if changes were made. You may do so in any reasonable manner, but not in any way that suggests the licensor endorses you or your use. • NonCommercial — You may not use the material for commercial purposes. • ShareAlike — If you remix, transform, or build upon the material, you must distribute your contri- butions under the same license as the original. • No additional restrictions — You may not apply legal terms or technological measures that legally restrict others from doing anything the license permits
Bedeutung. All diese Fähigkeiten sind in der NextSkills-Studie als „Future Skills“ unter dem Label „Ambiguitätskompetenz“ zusammenge- Mit zunehmender Flexibilisierung von Biogra- fasst. Diese Labels werden in der NextSkills- fien wächst die Verantwortung Einzelner, indi- Studie als Future Skills-Profile bezeichnet. Sie viduelle Kompetenzstrategien für das eigene enthält 17 solcher Future Skills-Profile (Ehlers Leben zu entwickeln. Berufliche und private 2020). Lebensräume entgrenzen sich dabei zuneh- In den letzten fünf Jahren – seit 2017 mit der mend und greifen ineinander. In Bezug auf Bil- Publikation der ersten (expliziten) Future Skills- dung können wir eine regelrechte „Drift to Studie in Deutschland (siehe Anhang I) – hat Self-Organisation“ diagnostizieren (Ehlers sich das Interesse an Future Skills für den Be- 2020). Kennzeichnend dafür ist eine Entstan- reich der akademischen Bildung vervielfacht dardisierung von Bildungsverläufen, bei der und fasst die Diskussion um Schlüsselkompe- die Passung von informellen und formellen tenzen neu. Die Gründe dafür sind vielfältiger Bildungsangeboten zu beruflichen und priva- Natur, die in gesellschaftlichen Megatrends ten Anforderungen zunehmend selbst priori- wie bspw. Digitalisierung, demographischem siert und in individuelle Lern- und Handlungs- Wandel, Entwicklung einer Bildungsgesell- strategien umgesetzt werden muss, die ver- schaft (Ehlers 2020) liegen. Sie führen zu einer stärkt auf einen Erwerb von „Future Skills“ ab- steigenden Bedeutung von Future Skills als zielen. Hochschulen stehen vor der Herausfor- eben solchen Fähigkeiten, die es Individuen er- derung, darauf zu reagieren. lauben, in einer Welt in ständigem Wandel und Future Skills sind Handlungskompetenzen ei- in zukünftigen emergenten – also unvorherseh- nes bestimmten Zuschnitts (bspw. Ehlers 2020, baren – und sich schnell ändernden Anforde- Agentur Q 2021). Geht es beispielsweise da- rungssituationen Gestaltungsfähigkeit für das rum, für eine neue Problemstellung eine Lö- eigene Leben und für gesellschaftliche Zusam- sung zu entwickeln, so ist die Fähigkeit zum menhänge zu besitzen und/oder wieder zu er- Perspektivwechsel, Flexibilität und Offenheit, langen.1 Bei „Future Skills“ geht es also um jene aber auch Interdisziplinarität von Bedeutung. Kompetenzen, die besondere Bedeutung für In der NextSkills-Studie sind diese Kompeten- die Handlungsfähigkeit in solchen zukünftigen zen in einem „Future Skill“-Profil mit dem Label Situationen haben, die aufgrund ihrer schnel- „Design-Thinking-Kompetenzen“ zusammen- len Veränderungen immer wieder neue, kom- gefasst (Ehlers 2020). Geht es in einem anderen plexe Problemlagen hervorbringen, für die eine Bereich bspw. darum, sich beruflich in zuneh- Vorbereitung durch (Aus)bildung im bisherigen mend vernetzten, oft unklaren und komplexen Sinne (Wissensvermittlung im Vorbereitungs- Organisationsrollen und Gesprächskontexten modus) nicht mehr gut möglich ist. Sowohl in- zurechtzufinden oder privat in sehr weit ausdif- ternational als auch für Deutschland liegen ferenzierten familiären Patchwork- und Wahl- mittlerweile zahlreiche Future Skills-Studien familienkonstellationen zu agieren, so sind Fä- vor (vgl. Anhang I zur Bibliographie der seit higkeiten wie beispielsweise der Umgang mit 2016 publizierten Studien). Sie sind allerdings Vieldeutigkeit, Handeln in unsicheren Situatio- sowohl im Verständnis davon, was Future Skills nen und der Umgang mit Heterogenität von sind, als auch im methodologischen Design der 1 Eine ausführliche Analyse der Treiber und Fakto- unter Ehlers (2020) und im NextSkills-Portal frei ver- ren, die zu geänderten gesellschaftlichen und insti- fügbar abgerufen werden: www.nextskills.org tutionellen Rahmenbedingungen führen, kann 6
Ermittlung und der Konzeptqualität sehr hete- Ansatz der NextSkills-Studie herangezogen und rogen. Ein Beispiel ist die Formulierung der anhand der vorliegenden anderen Studien „virtuellen Führung“ sowie „Führungsfähig- überprüft, inwieweit sich deren Future Skills- keit“ in ein und derselben Studie (Steps- Formulierungen in die Future Skills-Profile der tone/Kienbaum 2020) und „Anpassung der NextSkills-Studie einordnen lassen. Die Frage- Führungskultur“ (Hays 2017) sowie „Führungs- stellung des vorliegenden Beitrages lautet da- fähigkeit“ (Agentur Q 2021) in anderen Studien mit: Ist der Future Skills-Ansatz der NextSkills- – es bleibt unklar, ob es sich um das Gleiche Studie dazu geeignet, einen begrifflich analyti- handelt oder in welcher Weise die genannten schen Rahmen für die derzeit existierenden Fu- Zukunftskompetenzen ggf. unterschiedlich nu- ture Skills-Studien und -Konzepte darzustellen? anciert sind. Auch sind die Ansätze und die ver- Zunächst wird ein knapper Überblick über die wendeten Begriffe nicht immer (bildungs-)the- begriffliche Genese des Begriffes Future Skills oretisch anschlussfähig, arbeiten also nicht mit gegeben (Abschnitt 2). Darauf folgt eine Dar- Konzepten, die im eigentlich bildungswissen- stellung des Forschungsstandes zu Future Skills schaftlichen Sinne Gehalt besitzen. im Hinblick auf die Implementierung in die Es fehlt derzeit an Ansätzen zu einem gemein- Hochschulbildung (Abschnitt 3). Um den Future samen Rahmen, der es erlaubt, die vorliegen- Skills-Kategorienrahmen für einen Vergleich den Konzepte vergleichend einzuordnen. Dabei der Future Skills-Studien darzustellen, wird geht es sowohl um die Benennung von einzel- dann in Abschnitt 4 die empirische Methode nen Future Skills als auch eine vergleichende beschrieben, mit der die 17 Future Skills-Profile Darstellung von Umfang und Wirkbereich der ermittelt wurden, und diese umfassend darge- jeweiligen Studien. Daraus resultiert ein Ge- stellt. Zudem werden das Kompetenzverständ- staltungsvakuum in Bezug auf Unterstützungs- nis und die Binnenstruktur des NextSkills-Mo- prozesse und dem damit einhergehenden Lern- dells dargelegt. In einem weiteren Schritt – Ab- kulturwandel für den Erwerb von Future Skills, schnitt 5 – werden dann die Future Skills-Listen sowohl in Hochschulen, als auch an anderen der 12 im deutschsprachigen Raum existieren- Lernorten, wie dem Arbeitsplatz und für Wei- den Future Skills-Studien seit 2016 den 17 Pro- terbildung. Worauf soll man sich stützen, an filen zugeordnet. was orientieren, wie verhalten sich die Begriffe und Konzepte des einen zu jenen des anderen Ansatzes? Damit ist das Problem beschrieben, welches mit dem vorliegenden Beitrag bearbeitet und gelöst werden soll: Die Vielfalt der derzeit vor- liegenden Ansätze und Konzeptionen ist nicht ohne Weiteres miteinander vergleichbar. Was einzelne Ansätze und Studien leisten und wel- che Kompetenzbereiche sie abdecken, ist nicht transparent und damit auch nicht für eine Ori- entierung im Bereich der Hochschulbildung zu- gänglich. Im vorliegenden Beitrag soll ein Kate- gorienrahmen entwickelt werden, der es er- laubt, alle im deutschsprachigen Raum vorlie- genden Ansätze und Studien seit 2016 im Ver- gleich miteinander darzustellen. Dazu wird der 7
2014). In Deutschland hat sich – nach Schlüssel- qualifikation beginnend mit Mertens 1974 - seit den 90ern der Begriff Schlüsselkompeten- Forschung und Praxis zum Thema Future Skills zen etabliert (Kunze 2021), der nun durch Fu- für die Hochschulbildung haben Hochkonjunk- ture Skills (Ehlers 2020) weitergeführt wird, die tur. Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten als spezifische Profilierung von Handlungskom- und Verständnisse, die sich in der dazuge- petenzen verstanden werden können. hörenden Diskussion herausbilden, lassen sich grob in zwei Richtungen einteilen: Zum einen #Konzept eine generelle Auseinandersetzung mit zu- Konzeptuell betrachtet stellen Future Skills nächst beruflichen und dann auch spezifisch eine Auswahl zukunftsbedeutsamer Hand- hochschulischen Bildungskonzepten im Span- lungskompetenzen dar. Diese wiederum sind nungsfeld des Wandels von einem „mimeti- definiert als Handlungsdispositionen, welche schen“ (auf Nachahmung angelegten) zu ei- durch Wissen fundiert, Fähigkeiten ermöglicht nem „transformativen“ (auf Wandel ausge- und Werte und Einstellungen motiviert sind richteten ) Paradigma, das in Deutschland (zur Definition von Handlungskompetenzen 1974 mit Dieter Mertens und seinem Begriff vgl. auch Heyse & Erpenbeck 2009). Angelehnt der Schlüsselqualifikation einen Anfang fand an diese Begriffsdefinitionen werden auch Fu- und international in bis heute anhaltender In- ture Skills als Kompetenzen definiert, die es In- tensität in Forschungsarbeiten zum Thema dividuen erlauben, in hochemergenten Hand- Graduate Attributes Ausdruck findet. Zum an- lungskontexten selbstorganisiert komplexe deren – aufkommend seit den 2000er Jahren Probleme zu lösen (siehe Abschnitt 3.2 für eine – zum Thema Future Skills oder 21st Century ausführliche Definition). Ausgangspunkt für die Skills. enorme Karriere des Konzeptes der Future Ski- lls ist die Diagnose, dass derzeitige Konzepte Die zunehmende Relevanz zeigt sich in der der Hochschulbildung den drängenden Heraus- stark ansteigenden Anzahl der Publikationen forderungen unserer Gesellschaften keine zum Thema innerhalb der letzten 15 Jahre überzeugenden Zukunftskonzepte entgegen- (dazu ausführlicher Ehlers 2020). Im Hinter- stellen (Hippler 2016; Kummert 2017) – weder grund dazu läuft eine Debatte um Employabi- der nachhaltigen Gestaltung unserer Umwelt lity, die insbesondere seit der Bolognareform in noch den damit zusammenhängenden sozialen Europa die Diskussion um die Ausbildungsfunk- oder ökonomischen Herausforderungen. tion der Hochschulen auf die Agenda der Hochschulent- #Bedeutung wicklung gesetzt hat. Zwar hochschulpolitisch Die Bedeutung von Future Skills lässt sich für interessant, so ist der Begriff in der Fachde- Deutschland sowohl spezifisch für den Bereich batte jedoch umstritten. Teichler (2013: 35) der Hochschulabsolvent*innen (Kunz 2021, stellt resümierend fest, dass der Begriff Schlaeger & Tenorth 2020, Huber 2016: 106, „Employability“ in mehrfacher Hinsicht un- 2019: 157, Ehlers 2020, Wild et al. 2018: 274) glücklich sei, da er vor allem die Tausch-Dimen- als auch für die berufliche Weiterbildung kon- sion (Einkommen, Position usw.) adressiert, statieren (Agentur Q 2021, Kienbaum & StepS- während es beim Bologna-Prozess primär um tone 2021, Stifterverband & McKinsey 2018), die Gebrauchs-Dimension des Studiums auch international (OECD 2018, World Econo- (selbständiges Handeln usw.) ginge und die Be- mic Forum 2020, McKinsey Global Institute schäftigungsdimension nur ergänzend sei 2017, Ashoka & McKinsey 2018). Derzeit liegen (auch ausführlich dazu: Schubarth & Speck für Deutschland seit 2016 13 und international 9
mindestens 37 Future Skills-Studien vor (s. An- sprechen in diesem Zusammenhang auch von hang I). Genereller Trend: Future Skills-Kon- einem „implementation gap“, Osmani et al. zepte enthalten auch Digitalkompetenzen, le- (2015: 367) betiteln diese als „broad mis- gen aber einen Schwerpunkt auf Kompetenzen match“. Tran (2015) zufolge sind Hochschulab- transversaler Natur (z.B. ethische Kompetenz, solventen schlecht auf „Lifeskills“ vorbereitet, Umgang mit Ambiguität usw., umfassend dazu da Curricula häufig veraltet oder irrelevant siehe Abschnitt 3.2). Zum aktuellen Stand der seien. Future Skills in der Hochschulbildung liegen nur wenige und nicht-systematische Daten vor, die #Begriffsgeschichte sich zumeist eher auf allgemeine Kompetenz- Die Begrifflichkeiten für Future Skills sind inner- entwicklung beziehen, bspw. im Bericht „Bil- halb der letzten 20 Jahre einer begriffsge- dung in D 2020“ (Autorengruppe Bildungsbe- schichtlich differenzierten Entwicklung unter- richterstattung 2020) sowie aus dem Absolven- legen. In Deutschland entwickeln sie sich im Be- ten*innenpanel des DZHW (Fabian et al. 2021), reich der Berufsausbildung von Schlüsselquali- dem Nationalen Bildungspanel (LIfBi 2021), fikation – 1974 durch Mertens eingebracht – dem Projekt Digitales Deutschland (JFF 2021) über Schlüsselkompetenzen auch für den oder auch international aus den PIACC-Studien Hochschulbereich in einer intensiven Debatte (GESIS 2021). Die Ursachen für diese unzu- innerhalb der 90er Jahre zu weiteren Konzep- reichende Datenlage liegen zum einen in der ten rund um Kern- und Schlüsselbergiffe, die Komplexität der Messung von Future Skills Echterhoff 2014 detailliert nachvollzieht. Inter- (bspw. Messung von Kreativität oder ethischer national benennen Treleavan und Voola 2008 Kompetenz) und andererseits in dem noch ge- elf verschiedene Begriffe: Key skills, key com- ringen Reifegrad der jungen und sich dazu erst petencies, transferable skills, graduate attrib- noch entwickelnden empirischen Forschung. utes, employability skills (Curtis & McKenzie 2002), soft skills (BIHECC 2007; Freeman et al. Trotz unzureichend vorliegender Messverfah- 2008); graduate capabilities (Bowden et al. ren ist in der internationalen Forschungslitera- 2000); generic graduate attributes (Barrie tur detailliert und mit nur wenigen Diskrepan- 2004, Bowden et al. 2000); professional skills, zen beschrieben, dass Hochschulen nicht hin- personal transferable skills (Drummond et al. reichend auf Future Skills ausgerichtet sind. 1998); generic competencies (Tuning Report Demnach kann festgestellt werden, dass gene- 2008). Rigby et al. (2009) fassen diese synonym rell ein Defizit bei den Curricula der Hochschu- verwendeten Begriffe unter dem Überbegriff len besteht, diese auf die Förderung von beson- der „graduate skills“ zusammen. Sie definieren ders Future Skills-relevanten Kompetenzen diese als Skills, die nicht nur für die berufliche auszurichten. In der US-Literatur wird die Lücke Entwicklung relevant sind, sondern vor allem zwischen den durch am Arbeitsmarkt nachge- die persönliche Entwicklung und die ganzheitli- fragten und den an Hochschulen vermittelten che Ausbildung des Individuums zu einem en- Fähigkeiten durch eine Reihe von empirischen gagierten Mitglied der Gesellschaft fokussieren Studien belegt (z. B. Aasheim, Williams & Butler (ibid.: 4). (2009); Cox et al. (2013); Koppi et al. (2009); Koppi et al. (2009)). Koppi und Kollegen (2009), Eine Analyse von mehr als 50 vorliegenden An- Daud et al. (2011) und Finch et al. (2013) iden- sätzen zu Future Skills von Ehlers (2020) zeigt, tifizieren dabei, dass Arbeitgeber*innen „Soft dass diese in der Regel aus Listen von mehr Skills“ am meisten Bedeutung zumaßen – aka- oder weniger wichtigen Fähigkeiten bestehen; demische Reputation wurde als am unbedeu- jedoch basieren die Ansätze zumeist nicht auf tendsten eingestuft. Rigby et al. (2009: 8) fundierten kompetenztheoretischen Ansätzen (Barrie 2004; Clanchy & Ballard 1995; Sin & 10
Reid 2005, Ehlers 2020). Es findet zudem keine Der vorlegende Beitrag möchte diese derzeit empirische oder konzeptuelle Modellbildung noch existierende Orientierungslücke schlie- statt, die ermöglicht, die Modelle hinsichtlich ßen. Dazu wird ein kategoriales Rahmenmodell ihrer Substanz und Reichweite kritisch einzu- konstruiert, mittels dessen bestehende An- ordnen. Aus bildungswissenschaftlicher Per- sätze in größere und gut definierte Kompetenz- spektive kann für viele der Ansätzen der Cha- felder eingeteilt werden können. rakter des zufälligen konstatiert werden. 11
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3.1 Methodisches Design der NextSkills-Studie Der Forschungsstand zeigt, dass Future Skills Das Forschungsvorhaben NextSkills zielt darauf für die Zukunft der Hochschulen eine hohe Re- ab, zu analysieren, welche Fähigkeiten – also levanz besitzen, sowohl curricular als auch Future Skills – für eine produktive und proak- strategisch für das Profil der Hochschulen und tive Gestaltung zukünftiger Lebens- und Ar- ihrer Fähigkeit attraktive Angebote für Studie- beitskontexte benötigt werden, um daraus An- rende zu machen. Um Future Skills als Aus- forderungen an Hochschulen abzuleiten. Dabei gangspunkt für curriculare und strategische waren folgende Fragestellungen forschungslei- Prozesse zu nehmen ist eine Orientierung in- tend: nerhalb der derzeit existierenden Ansätze Ist es möglich, Kompetenzen zu identi- notwendig. Derzeit existiert kein allgemein- fizieren, die als Future Skills für eine zu- gültiger Rahmen, der es ermöglicht, Future künftig erfolgreiche und wirksame Ge- Skills-Studien und die dort aufgelisteten Skills staltung von und Teilhabe an verschie- miteinander zu vergleichen. denen Lebensbereichen – einschließ- lich der wirtschaftlichen, politischen, In der NextSkills-Studie wurde zum ersten Mal sozialen und der individuellen persön- ein solcher kategorialer Rahmen entwickelt. lichen Entwicklung – von großer Be- Dieser wurde aus einem empirisch qualitativ deutung sind? ermittelten umfangreichen Inventar von Fu- Wenn ja, welcher Art sind diese Kom- ture Skills, die in thematische Felder, sog. Fu- petenzen und was zeichnet sie als Fu- ture Skills aus? Wie lassen sie sich be- ture Skills Profile gruppiert wurden, entwickelt. schreiben und bildungstheoretisch be- Die auf diese Weise konstruierten Felder die- gründen? Was sind die Bestandteile nen als Future Skills-Profile innerhalb derer und Subkompetenzen dieser Future wiederum sog. Bezugskompetenzen enthalten Skills? sind. Diese Struktur geht über eine einfach Funktionieren Future Skills unabhängig Kompetenzliste hinaus und bietet über die De- voneinander, oder sollten sie als inter- finition von Profilen die Möglichkeit, für ande- dependente Gruppe oder Konstella- tion von Kompetenzen betrachtet wer- ren bestehende Listen und Konzepte ein Ord- den? nungsrahmen darzustellen. Die Herleitung der Konstruktion dieses Rahmens und seine Eig- Dazu wurden in einem mehrschrittigen For- nung wird im vorliegenden Beitrag für die der- schungsprozess mittels eines Multimethoden- zeit existierenden Studien zum Thema Future designs Future Skill-Profile ermittelt. Skills geprüft. Im Folgenden wird zunächst die Entwicklung der 17 Future Skill-Profile metho- 1. Identifikation von Future Organisations: In einem ersten Schritt wurden als empiri- dologisch erläutert, das zugrunde liegende the- sches Feld Future Organisations identifi- oretische Konzept für Handlungskompetenzen ziert. Das sind solche Organisationen, die beschrieben und alle Future Skills-Profile mit bereits explizite Erfahrungen bei der Imple- der zugehörigen Definition erläutert. mentierung von Kompetenzmodellen, Vor- stellung über Future Skills und einen hohen Reifegrad bei der Gestaltung zukünftiger Arbeitskontexte aufweisen. Das Auswahl- verfahren fand im Jahr 2015 im Rahmen ei- nes Wettbewerbs statt, bei dem über 8.500 Partnerorganisationen der Dualen Hoch- schule Baden-Württemberg angeschrieben 13
wurden und die Möglichkeit hatten, ihre Expert*innenpanel durchgeführt. Die Del- Personalentwicklungskonzeptionen einzu- phi-Studie (zur Delphi-Methodologie siehe reichen. An dem Wettbewerb2 beteiligten Dalkey und Helmer 1963) mit dem Titel sich 124 Organisationen. Alle eingereich- „Future Skills – Future Learning and Future ten Konzeptionen wurden in einem kriteri- Higher Education“ (Ehlers und Kellermann engestützten Expertenrating bewertet. Das 2019) umfasste zwei Befragungsrunden. so entstehende Ranking wurde bei einer Zur Teilnahme an der Studie wurden 53 in- weiteren Diskussion von 15 Expert*innen ternationale Expert*innen aus unter- diskursiv validiert und 20 Organisationen schiedlichen Organisationen und Institutio- und ihre Kompetenzkonzeptionen für eine nen eingeladen (ebenda). Shortlist ausgewählt. Alle 20 Organisatio- nen wurden eingeladen, am nächsten Schritt der NextSkills-Studie teilzunehmen und 17 wurden schließlich in die Inter- 3.2 Das NextSkills-Konzept mit 17 Fu- viewstudie mit aufgenommen. Die Inter- ture Skills-Profilen views fanden zwischen Dezember 2016 und Juni 2017 statt. Die Ergebnisse der NextSkills-Studie zeigen: Fu- 2. Interviewstudie: Für die Interviewstudie ture Skills lassen sich ermitteln, beschreiben wurden Leitfragen entwickelt, die zur Ori- und operationalisieren. Auf Basis der Tiefenin- entierung im Rahmen eines offenen, wenig terviews und durch Einschätzung der weltweit strukturierten, problemvertiefenden Inter- befragten Expertinnen und Experten wurden views eingesetzt wurden. Teilnehmende 17 Skills-Profile konstruiert, die diejenigen der Interviews waren die Personalverant- Kompetenzen repräsentieren, die für zukünf- wortlichen der Future Organisations und teilweise auch die Studierenden, die im tige Hochschulabsolvent*innen Bedeutung ha- Rahmen von (dualen) Studiengängen dort ben. Jedes Skills-Profil besteht aus einem Bün- studierten. Insgesamt wurden 17 vertie- del einzelner Kompetenzen – sogenannter Be- fende Interviews geführt, an denen sich 20 zugskompetenzen. Skills-Profile sind gleichsam Personen beteiligten und die zu etwa 700 Cluster von zukunftsrelevanten Fähigkeiten. Minuten qualitativem Interviewmaterial Sie sind wiederum in drei übergeordnete Kom- führten. Die Interviews wurden wortgetreu petenzfelder eingeteilt. transkribiert und unter Anwendung der in- duktiven Codierungstechnik (Mayring Die Bedeutung von Future Skills deutet auf ei- 1996; Thomas 2006) mithilfe der Software nen Zustandswandel in der Hochschulbildung MaxQDA (VERBI Software 2017) von zwei Forschenden unabhängig codiert. Kon- hin, in dem nicht mehr die Funktion der Vorbe- strukte wurden aus den Interviewdaten reitung durch Wissensvermittlung in den Mit- herausgearbeitet, um Kontexte, Werte so- telpunkt gestellt wird, sondern wie Studie- wie Abläufe und Abhängigkeiten für zu- rende bei der Entwicklung von Future Skills, künftig als wichtig erachtete Fähigkeiten also Handlungsdispositionen und Handlungs- bei Individuen zu rekonstruieren. bereitschaft für den Umgang mit komplexen, 3. Internationale Delphi-Studie: Um die quali- unbekannten Problemsituationen durch Refle- tativ erworbenen Ergebnisse weiter zu ver- xion, Werte und Haltungen, unterstützt wer- feinern und zu validieren, wurde eine Del- phi-Studie mit einem internationalen den. Future Skills sind dabei wie folgt definiert: 2 Der Wettbewerb war in Kooperation der Dualen Südwestmetall organisiert und als „Dualer Partner Hochschule Baden-Württemberg, des Ministeriums Award“ ausgeschrieben worden. für Wissenschaft, Kunst und Kultur Baden-Würt- temberg und des Arbeitgeberverbands 14
Definition: „Future Skills sind Kompetenzen, die es Individuen erlauben, in hoch- emergenten Handlungskontexten selbst organisiert komplexe Probleme zu lösen und (erfolgreich) handlungsfähig zu sein. Sie basieren auf kognitiven, motivatio- nalen, volitionalen sowie sozialen Ressourcen, sind wertebasiert und können in einem Lernprozess angeeignet werden“ (Ehlers 2020: 57). Abschnitt 2 führt bereits ein, dass es sich bei dabei die Fähigkeit zum Handeln (gespeist aus Future Skills um Kompetenzkonstrukte mit be- Wissen und weiterentwickelt zu Fertigkeiten) sonderer inhaltlicher Profilierung handelt (Ab- mit Handlungsdispositionen und -bereitschaft bildung 1). Sie ermöglichen es Individuen, in zusammen, die sich vor allem aus Werten, mo- hochemergenten Kontexten zu handeln. Aus tivationalen und habituellen Faktoren speist – kompetenztheoretischer Perspektive kommt also Persönlichkeitsmerkmalen. A BBILDUNG 1: D AS F UTURE-SKILLS -KONZEPT ALS KOMPETENZKONSTRUKT , © E HLERS Im Begriff und im Konzept lassen sich Future Bewältigung der Anforderungen. Emergenz de- Skills von solchen Kompetenzen abgrenzen, die finiert also die Trennlinie, die bisherige oder nicht im besonderen Maße zukunftsorientiert traditionelle und zukünftige Arbeitsbereiche sind. Als Unterscheidungsdimension zwischen voneinander abgrenzt. Da diese Grenze nicht aktuellen oder bisherigen Kompetenzanforde- klar schematisch, sondern fließend verläuft rungen und solchen, die zukunftsrelevant sind, und viele Organisationen sich in Transformati- gilt dabei das Konzept der Emergenz: Insbeson- onsprozessen befinden, in denen sich schwach dere solche Handlungskontexte, die hoch- emergente Arbeitskontexte zu hochemergen- emergente Entwicklungen von Lebens-, Ar- ten Arbeitskontexten entwickeln, ist auch die beits-, Organisations- und Geschäftsprozessen Notwendigkeit von Future Skills ein sich aufweisen, benötigen Future Skills zur 15
entwickelnder Bereich und kein binärer Zu- Unvorhersagbarkeit. Analog zu Handlungen in- stand des entweder/oder. nerhalb von Organisationen lässt sich diese Be- schreibung auch auf den privaten Lebensbe- Emergenz versus Submergenz ist also eine reich und andere gesellschaftliche Handlungs- wichtige Grundunterscheidung zur Erklärung felder allgemein übertragen (ausführlich dazu: der Bedeutung von Future Skills. Die NextSkills- Ehlers 2020). Studie zeigt, dass niedrigemergente (stabile) professionelle Handlungskontexte sich oft, Future-Skills-Profile bestehen aus Bündeln ein- schnell und in hoher Intensität hin zu hoch- zelner zusammengehörender sogenannten Be- emergenten Handlungskontexten wandeln. zugskompetenzen. Insgesamt lassen sich aus Wir sprechen hier von der Drift-to-Self-Organi- den qualitativen Daten 17 solcher Kompetenz- sation. Dieser Wandel entspricht einer Verän- profile rekonstruieren (siehe Abbildung 2), die derung im Systemzustand von Organisationen. im Folgenden dargestellt und beschrieben wer- Er wird durch Veränderungen von Makro-, den. Die Einteilung in drei Kompetenzfelder, Meso- und Mikrosystemen ausgelöst und die in der Grafik als drei Straßenbahnlinien der durch deren interdependente Verschränkung Future Skills Map dargestellt sind, folgt der Sys- verstärkt. Im dadurch entstehenden neuen Sys- tematik des sog. „Triple-Helix-Modells“ von Eh- temzustand lassen sich die Systemelemente lers (2020). Es basiert auf der Erkenntnis, dass nicht kausal oder linear auf den vorherigen Zu- die zur Bewältigung von Handlungsanforderun- stand zurückführen. Es gilt die Systembedin- gen gung der Irreduzibilität sowie der notwendigen Skills sich anhand von drei zu- 2. solche Future Skills die sich auf kreative Lö- sammenwirkenden Dimensionen strukturieren sungsentwicklung und den Umgang mit lassen, die im Triple-Helix-Modell mit spezifi- Themen- und Arbeitsgegenständen, Ar- schen Begriffen bezeichnet werden: beitsaufgaben und Problemstellungen be- ziehen, hier individuell-objektbezogene 1. Kompetenzen zum Lernen und für persön- Kompetenzen genannt, und liche Entwicklung: Individuell-entwick- 3. solche Future Skills, die sich im Sinne von lungsbezogene Future Skills, die sich auf Co-Creation (Scharmer 2007) auf den Um- die Entwicklungsfähigkeit der eigenen Per- gang mit der sozialen, organisationalen son beziehen, hier individuell-entwick- und institutionellen Umwelt beziehen, hier lungsbezogene Kompetenzen genannt, als organisationsbezogene Kompetenzen bezeichnet. Innerhalb dieses dreidimensionalen Hand- genannten einzelnen Future Skills konzeptio- lungsraumes können die von den Befragten nell verortet werden (Abb. 2). 16
A BBILDUNG 2: FUTURE S KILL -P ROFILE IM Ü BERBLICK, © EHLERS Tabelle 1 stellt die einzelnen Future Skills-Profile, dazugehörige Bezugskompetenzen sowie die Be- schreibungen der Kompetenzfelder noch einmal im Überblick dar. T ABELLE 1: F UTURE SKILLS -KOMPETENZFELDER UND - PROFILE IM ÜBERBLICK Die 17 FutureSkills Profile: Definition und zugehörige Bezugskompetenzen Lernen: Individuell-entwicklungsbezogene Kompetenzen Subjekt-entwicklungsbezogene Kompetenzen umfassen die Fähigkeiten, im eigenen Professionsumfeld subjektiv handlungsfähig und aus sich heraus, selbst gesteuert zu lernen und sich zu entwickeln. Dabei spielen eine hohe Autonomie, Selbstkompetenz, Selbstwirksamkeit und Leistungsmotivation eine wich- tige Rolle. 1 Lernkompetenz: Lernkompetenz ist die Fähigkeit und Bereitschaft zum Lernen, insbesondere des selbst- gesteuerten Lernens. Sie erstreckt sich auch auf metakognitive Fähigkeiten. Bezugskompetenz/en: Selbstgesteuertes Lernen, Metakognitive Fähigkeit 2 Selbstwirksamkeit: Selbstwirksamkeit als Future Skill ist die Überzeugung und das (Selbst-) Bewusstsein dafür, die zu bewältigen Aufgaben mit den eigenen Fähigkeiten umsetzen zu können, dabei Verantwor- tung zu übernehmen und Entscheidungen treffen zu können. Bezugskompetenz/en: Selbstbewusstsein 3 Selbstbestimmtheit: Die Fähigkeit zur Selbstbestimmung als Future Skill oder auch Selbstbestimmungs- kompetenz bezeichnet die Fähigkeit, im Spannungsverhältnis von Fremd- und Selbstbestimmung pro- duktiv zu agieren und sich Räume zur eigenen Autonomie und Entwicklung zu schaffen, sodass die Be- friedigung der eigenen Bedürfnisse in Freiheit und selbst-bestimmt angestrebt werden kann. Bezugskompetenz/en: Autonomie 17
4 Selbstkompetenz: Selbstkompetenz als Future Skill ist die Fähigkeit, die eigene persönliche und berufli- che Entwicklung weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen zu gestalten. Dazu gehören weitere Kompetenzen wie zum Beispiel selbständige Motivation und Planung. Aber auch die Fähigkeit, sich Ziele zu setzen, das Zeitmanagement, Organisation, Lernfähigkeit und Erfolgskontrolle durch Feedback. Dar- über hinaus auch Cognitive Load Management und eine hohe Eigenverantwortlichkeit. Bezugskompetenz/en: Selbstmanagement, Selbstorganisationskompetenz, Eigenregulation, Cognitive Load Management, Eigenverantwortung 5 Reflexionskompetenz: Reflexionskompetenz als Future Skill umfasst die Bereitschaft und Fähigkeit zur Reflexion, also die Fähigkeit, sich selbst und andere zum Zweck der konstruktiven Weiterentwicklung hinterfragen zu können sowie zugrundeliegende Verhaltens-, Denk- und Wertesysteme zu erkennen und deren Konsequenzen für Handlungen und Entscheidungen holistisch einschätzen zu können. Bezugskompetenz/en: Kritisches Denken, Selbstreflexionskompetenz 6 Entscheidungskompetenz: Entscheidungskompetenz als Future Skill ist die Fähigkeit, Entscheidungsnot- wendigkeiten wahrzunehmen sowie mögliche alternative Entscheidungen gegeneinander abzuwägen, eine Entscheidung zu treffen und diese zu verantworten. Bezugskompetenz/en: Verantwortungsübernahme 7 Initiativ- und Leistungskompetenz: Initiativ- und Leistungskompetenz als Future Skills ist die Fähigkeit zur Selbstmotivation, eine hohe Aktivitäts- und Umsetzungskompetenz sowie der Wunsch, etwas beizu- tragen. Beharrlichkeit und Zielorientierung formen die Leistungsmotivation. Zusätzlich spielt ein positi- ves Selbstkonzept eine Rolle, sodass Erfolge und Misserfolge in einer Weise attribuiert werden, die nicht zur Senkung der Leistungsmotivation führen. Bezugskompetenz/en: Motivation (intrinsische), Eigenmotivation, Motivationsfähigkeit, Initiative, Leis- tungsbereitschaft/-wille, Engagement, Beharrlichkeit, Zielorientierung 8 Ambiguitätskompetenz: Ambiguitätskompetenz ist die Fähigkeit, Vieldeutigkeit, Heterogenität und Un- sicherheit zu erkennen, zu verstehen und produktiv gestaltend damit umgehen zu können sowie in un- terschiedlichen und auch konfligierenden Rollen agieren zu können. Bezugskompetenz/en: Umgang mit Unsicherheit, Umgang mit Heterogenität, Fähigkeit, in unterschied- lichen Rollen zu agieren 9 Ethische Kompetenz: Ethische Kompetenz umfasst die Fähigkeit zur Wahrnehmung eines Sachverhalts beziehungsweise einer Situation als ethisch relevant einschließlich seiner/ihrer begrifflichen, empiri- schen und kontextuellen Prüfung (wahrnehmen), die Fähigkeit zur Formulierung von einschlägigen prä- skriptiven Prämissen zusammen mit der Prüfung ihrer Einschlägigkeit, ihres Gewichts, ihrer Begründung, ihrer Verbindlichkeit und ihrer Anwendungsbedingungen (bewerten) sowie die Fähigkeit zur Urteilsbil- dung und der Prüfung ihrer logischen Konsistenz, ihrer Anwendungsbedingungen und ihrer Alternativen (urteilen). Entwickeln: Individuell-objekt-bezogene Kompetenzen In einer zweiten Gruppe von Kompetenzen befinden sich sogenannte individuell-objektbezogene Fähig- keiten. Dies sind Fähigkeiten in Bezug auf bestimmte Gegenstände, Themen und Aufgabenstellungen kreativ, agil, analytisch und mit hohem Systemverständnis zu agieren, auch unter hochgradig unsicheren und unbekannten Bedingungen. 10 Design Thinking-Kompetenz: Das Future Skills-pProfil Design Thinking-Kompetenz umfasst die Fähigkeit, konkrete Methoden einzusetzen, um ergebnisoffen in Bezug auf gegebene Problem- und Themenstel- lungen kreative Entwicklungsprozesse durchzuführen und dabei alle Stakeholder in einen gemeinsamen Prozess zum Problem- und Lösungsdesign mit einzubeziehen. Bezugskompetenz/en: Flexibilität & Offenheit, Vielseitigkeit, Fähigkeit zum Perspektivwechsel, Interdis- ziplinarität 11 Innovationskompetenz: Innovationskompetenz als Future Skills-Profil umfasst die Bereitschaft, Innova- tion als integralen Bestandteil eines jeden Organisationsgegenstandes, -themas und -prozesses zu för- dern und die Fähigkeit zur Organisation als Innovationsökosystem beizutragen. Bezugskompetenz/en: Kreativität, Innovatives Denken, Experimentierbereitschaft 12 Systemkompetenz: Systemkompetenz als Future Skill ist die Fähigkeit, komplexe personal-psychische, soziale und technische (Organisations-)systeme sowie deren wechselseitige Einflüsse zu erkennen, zu verstehen und darauf abgestimmte Planungs- und Umsetzungsprozesse für neue Vorhaben im System gestalten und/oder begleiten zu können. 18
Bezugskompetenz/en: Systems Thinking, Wissen über Wissensstrukturen, Navigationsfähigkeit in Wis- sensstrukturen, Vernetztes Denken, Analytische Kompetenz, Synergieherstellung, Anwendungskompe- tenz, Problemlösekompetenz, Anpassungsfähigkeit 13 Digitalkompetenz: Digitalkompetenz ist die Fähigkeit, digitale Medien zu nutzen, produktiv gestaltend zu entwickeln, für das eigene Leben einzusetzen und reflektorisch, kritisch und analytisch ihre Wirkungs- weise in Bezug auf die Einzelne/den Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes zu verstehen sowie die Kenntnis über die Potenziale und Grenzen digitaler Medien und ihrer Wirkungsweisen. Bezugskompetenz/en: Medienkompetenz, Informationskompetenz Co-Kreation: Organisationsbezogene Kompetenzen In einer dritten Gruppe befinden sich Kompetenzen, die sich auf den Umgang mit der sozialen, organisa- tionalen und institutionellen Umwelt beziehen. Hierzu gehören Fähigkeiten wie Sinnstiftung und Wer- tebezogenheit, die Fähigkeit, Zukunft gestaltend mitzubestimmen, mit anderen zusammenzuarbeiten und zu kooperieren und in besonderer Weise kommunikationsfähig, kritik- und konsensfähig zu sein. 14 Sensemaking: Das Future Skill Profil Sensemaking umfasst die Bereitschaft und Fähigkeit, die sich schnell wandelnden Sinnstrukturen von Future Organisations zu verstehen, bestehende Sinnstrukturen weiter- zuentwickeln oder die Entstehung neuer zu befördern, dort wo sie abhandengekommen sind. Bezugskompetenz/en: Sinnstiftung, Wertebezogenheit 15 Zukunfts- und Gestaltungskompetenz: Zukunfts- und Gestaltungskompetenz ist die Fähigkeit, mit Mut zum Neuen, Veränderungsbereitschaft und Vorwärtsgewandtheit die derzeit gegebenen Situationen in andere, neue und bisher nicht bekannte Zukunftsvorstellungen weiterzuentwickeln und diese gestalte- risch anzugehen. Bezugskompetenz/en: Veränderungsbereitschaft, Fähigkeit zur kontinuierlichen Verbesserung, Zu- kunftsfokus, Mut zu Neuem, Entwicklungsbereitschaft, Selbstherausforderung 16 Kooperationskompetenz: Ambiguitätskompetenz ist die Fähigkeit, Vieldeutigkeit, Heterogenität und Unsicherheit zu erkennen, zu verstehen und produktiv gestaltend damit umgehen zu können sowie in unterschiedlichen und auch konfligierenden Rollen agieren zu können. Bezugskompetenz/en: Soziale Intelligenz, Teamfähigkeit, Führungskraft als Coach, Interkulturelle Kom- petenz (Organisationskultur), Beratungskompetenz 17 Kommunikationskompetenz: Kommunikationskompetenz umfasst neben sprachlichen Fähigkeiten auch Diskurs-, Dialog- und strategische Kommunikationsfähigkeit, um in unterschiedlichen Kontexten und Si- tuationen situativ angemessen erfolgreich kommunikativ handlungsfähig zu sein. Sprachkompetenz, Präsentationskompetenz, Dialogfähigkeit, Kommunikationsbereitschaft, Konsensfä- higkeit, Kritikfähigkeit Im nächsten Schritt wird untersucht, inwieweit für andere derzeit aktuelle Future Skills-Stu- die 17 Future Skills-Profile der NextSkills-Studie dien zu bieten. geeignet sind, um einen begrifflichen Rahmen 19
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Kompetenzen transversaler Natur (z.B. ethi- sche Kompetenz, Umgang mit Ambiguität usw.) legen. Sie unterscheiden sich durch Aus- 4.1 Forschungsmethodischer Ver- richtung, Methodik und Orientierung. So sind gleich Studien wie beispielsweise der D21-Digital-In- Derzeit liegen für Deutschland seit 2016 13 dex (Initiative 21) stärker auf Digitalisierungs- und international mindestens 37 Future Ski- , Digital- und Medienkompetenzen bzw. Digi- tal Skills fokussiert. Stifterverband/McKinsey lls-Studien vor (s. Anhang). Dabei ist als gene- haben ebenfalls einen Schwerpunkt im Be- reller Trend festzustellen, dass Future Skills- reich digitaler Kompetenzen, nehmen aber Konzepte auch Digitalkompetenzen enthal- auch transversale Future Skills und soge- ten, aber einen Schwerpunkt auf nannte transformative Kompetenzen mit auf. A BBILDUNG 3: METHODEN FÜR FUTURE SKILLS - STUDIEN Methodisch nutzen Future Skills-Studien als die genutzten Methoden im Überblick dar. Die Vorhaben der Ermittlung zukünftiger Kompe- meisten der Ansätze nutzen mehrere Verfah- tenzanforderungen sog. Forecasting-Metho- ren, wobei nur drei der Studien qualitative Ver- den (Wagemann et al. 2018). Abbildung 3 stellt fahren nutzen, die geeignet sind, zukünftige 21
Kompetenzanforderungen auch induktiv zu Eine in der Analyse der methodologischen Her- modellieren (explorative qualitative Inter- angehensweisen nicht betrachtete, aber in al- views, Delphi- oder Fokusgruppenverfahren). len Ansätzen ebenfalls in sehr heterogener Alle anderen Studien nutzen eher konfirmato- Weise berücksichtigte Dimension ist jene der rische Ansätze, die auf bereits vorzufindenden den Ansätzen zugrunde liegenden Kompetenz- Operationalisierungen durch Kompetenzbe- verständnisse und bildungstheoretischen schreibungen bspw. aus Stellenanzeigen basie- Grundlagen. Sie variieren von einer Auflistung ren. Das Beispiel der Studie der Agentur Q zeigt von derzeit in Stellenportalen (Agentur Q 2021) besonders gut, wie über die Analysen aktueller häufig gefundenen Begriffen bis hin zu bil- Stellenanzeigen versucht wird, solche Kompe- dungstheoretisch verankerten Bezügen zu tenzen zu ermitteln, die in bestimmten Bran- Handlungskompetenzen und ihren Komponen- chen aktuell besonders wichtig sind (Agentur Q ten (Ehlers 2020). Während sich alle genannten 2021). Während diese Verfahren zwar gut em- Studien zwar thematisch auf Future Skills be- pirisch operationalisierbar sind – und insbeson- ziehen, führen die ethische Heterogenität und dere durch Zuhilfenahme von Machine Learn- die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen ing-Verfahren auch große Datenmengen verar- daher zu unterschiedlichen Benennungen von beitet werden können – beschreiben sie jedoch Future Skills. Unterschiedlich bezeichnete Fu- eher aktuelle Kompetenzanforderungen, die ture Skills beziehen sich dabei auf tatsächlich heute schon Relevanz besitzen. Möchte man ähnliche Kompetenzen. Die Bezeichnungen für hingegen über die in Stellenanzeigen definier- die Fähigkeit zum Perspektivwechsel werden ten Anforderungen hinausgehend ermitteln, beispielsweise auch als Flexibilität und Offen- wie die Konturen zukünftiger Lebens- und Ar- heit bezeichnet, oder wie in der NextSkills-Stu- beitsformen sowie deren Kompetenzanforde- die mit dem Future Skills-Profil „Design Thin- rungen aussehen können, so kann dies eher king-Kompetenz“. Die Fähigkeit zum Umgang durch offene und qualitative Verfahren wie Ex- mit zunehmend vernetzten, oft unklaren und pert*innen- und Lernenden- oder Mitarbei- komplexen Organisationsrollen wird ebenfalls ter*inneninterviews oder weitere qualitative in einigen der Studien als wichtige Zukunfts- Verfahren wie Datenerhebungen über Fokus- kompetenz mit unterschiedlichen Benennun- gruppenmethoden oder auch Delphi-Verfah- gen aufgenommen. In der NextSkills-Studie ist ren und daran angeschlossene induktive kon- diese Kompetenz mit dem Label „Ambiguitäts- struktbildende Datenauswertungsverfahren kompetenz“ zusammengefasst. erfolgen. Dies gilt insbesondere für Einschät- zungen zu Szenarien, die in einer weiter ent- fernten Zukunft liegen. Die Unterscheidung 4.2 Inhaltlicher Vergleich von Niklas Luhmann (1976) in Bezug auf die Prognose der Zukunft greift hier sehr passend: Um eine Möglichkeit zu schaffen, die Kompe- Luhmann unterscheidet zwischen zukünftiger tenzlisten der verschiedenen vorliegenden Fu- Gegenwart und gegenwärtiger Zukunft. Gegen- ture Skills-Studien miteinander vergleichen zu wärtige Zukünfte sind Projektionen in Gestalt können, wird ein Kategorienrahmen benötigt, von Utopien (basierend auf bspw. qualitativen mit Hilfe dessen die ähnlichen, aber unter- konstruktgenerierenden Methoden), zukünf- schiedlich bezeichneten Kompetenzen inhalt- tige Gegenwarten solche, die auf Basis von lich erfasst und eingeordnet werden können. technologischen, kausalen oder stochastischen Dieser muss weit genug sein, um die unter- Verbindungen zukünftiger Ereignisse vorherge- schiedlich nuancierten Bezeichnungen für ähn- sagt werden (bspw. Stellenanzeigenanalysen). liche oder gleiche Kompetenzen zusammenzu- fassen und differenziert genug, um 22
unterschiedliche Kompetenzen hinreichend Vorgehens in deduktiver, konfirmatorischer voneinander zu diskriminieren. Als Kategorien- Weise (nach Mayring 2005), und zwar insofern, rahmen für den vorzunehmenden Vergleich als dass Kompetenzbezeichnungen aus den 12 wird der bereits oben eingeführte Ansatz der zu untersuchenden Studien immer dann einem NextSkills-Studie mit ihren 17 Future Skills-Pro- Kompetenzprofil zugordnet werden, wenn sie filen herangezogen. Die in der Studie enthalte- sich auf die Handlungsfähigkeit beziehen, die nen Profile beschreiben Kompetenzfelder, in- für das jeweilige Kompetenzprofil definiert ist. nerhalb derer einzelne Kompetenzen, die für Diese Definitionen sind ausführlich in der die Bewältigung von Handlungssituationen NextSkills-Studie erarbeitet worden und liegen ähnlichen Zuschnitts bedeutsam sind, als „Be- dem Vorgehen zugrunde (s. Tab. 1 und ausführ- zugskompetenzen“ zugeordnet werden kön- lich Ehlers 2020). Dabei wurde in der Bearbei- nen. Für den Vergleich der Future Skills-Studien tung durch ein Forscher*innenteam mit zwei werden daher im Folgenden die 17 Future Ski- Forscher*innen und einem Prozess der kom- lls-Profile (s. Tab. 1) herangezogen. Die Zuord- munikativen Validierung versucht, die Inter- nung der in den bestehenden Future Skills-Stu- coderreliabilität zu erhöhen (Mayring 2008). dien vorhandenen Begrifflichkeiten ist ein qua- Zur Illustration des Prozesses der Zuordnung litativ konstruktiver Akt. Dabei besteht die Not- dient Abbildung 4. wendigkeit eines qualitativ inhaltsanalytischen Beispiel: Digitalkompetenz Beispiel: Systemkompetenz Beispiel: Initiativ- und Leistungskompetenz A BBILDUNG 4: BEISPIELE FÜR DAS VORGEHEN BEI DER INHALTSANALYTISCHEN Z UORDNUNG 23
Zur Aufarbeitung der insg. 252 Future Skills-Be- mehrdimensional formuliert waren, also meh- grifflichkeiten und Benennungen aus den 12 rere Kompetenzen umfassen, in ihre jeweilige analysierten Future Skills-Studien, die zu den Kompetenzdimensionen ausdifferenziert wur- 17 Future Skills-Profilen zugeordnet werden den. Insgesamt enthalten die 12 zu untersu- sollten, wurde so vorgegangen, dass zunächst chenden Studien 252 auf diese Weise differen- Kompetenzlisten angefertigt wurden, sofern zierte, unterschiedliche Future Skills. Diese diese nicht bereits bestanden. Diese Kompe- wurden dann – analog zum qualitativen Codie- tenzlisten wurden insofern bearbeitet, als dass ren – den 17 Future Skills-Profilen der NextSki- Kompetenzbezeichnungen, die lls-Studie zugeordnet. A BBILDUNG 5: VERGLEICHENDE A NALYSE BESTEHENDER FUTURE SKILLS -MODELLE (QUELLEN SIEHE A NHANG) Im Ergebnis zeigt sich, dass es möglich war, prozentualen Anteil der zugeordneten Kompe- eine vollständige Zuordnung aller 252 Kompe- tenzen der jeweiligen Studie angibt (s. Tab. 2). tenzen der 12 untersuchten Future Skills-An- Die Zuordnungsquote lag bei 100%, was bedeu- sätze zu einem der 17 Future Skills-Profile der tet, dass alle Future Skills-Bezeichnungen er- NextSkills-Studie vorzunehmen. Das zeigt der folgreich zugeordnet werden konnten. Die 17 ermittelte „Zuordnungsquotient“, der den Profile der NextSkills-Studie können als 24
Rahmenmodell dienen, das einen begrifflich Der Ansatz, der durch Stifterverband und kategorialen Vergleich der untersuchten Fu- McKinsey erarbeitet wurde, liegt bereits in ei- ture Skills-Ansätze ermöglicht. ner zweiten Variante vor. In der jüngeren Vari- ante von 2021 wurde dem Ansatz eine neue Di- Anhand der Zuordnungen der Future Skills-Be- mension von Future Skills hinzugefügt, die sog. zeichnungen aus den 12 zuzuordnenden Future transformativen Kompetenzen. Es wird jedoch Skills-Ansätzen kann festgestellt werden, dass nicht angegeben, mittels welcher Methode die die im Rahmenmodell formulierten Profilbe- neu hinzugefügten Future Skills ermittelt wur- zeichnungen hinreichend präzise sind, um den und andere verworfen wurden. trennscharfe Zuordnungen zuzulassen und an- dererseits weit genug, um alle in den Future 4.3 Analyse der digitalbezogenen Skills-Ansätzen thematisierten Bereiche abzu- Future Skills decken. In fünf der untersuchten 12 Studien ist der Be- Zwei der untersuchten Future Skills-Ansätze lis- reich der digitalbezogenen Future Skills beson- ten neben Future Skills noch fachbezogene und ders ausdifferenziert und bildet einen Schwer- branchen- und/oder berufsbezogene Future punkt. Im Rahmen der hier vorgenommenen Skills auf (Agentur Q und TH Nürnberg). Diese Analyse wurden alle digitalbezogenen Future spielen eine besondere Rolle, da sie neben den Skills dem Profil Digitalkompetenzen zugeord- übergreifend wichtigen Future Skills zukünftig net. Da den digitalbezogenen Kompetenzen je- als wichtige Fachkompetenzen in einer be- doch eine besondere Bedeutung in vielen An- stimmten Branche oder einem Beruf verstan- sätzen zukommt und ihnen zusätzlich durch den werden können. Sie wurden in der Tabelle spezifische Leitfäden und Kompetenzkonzepte gesondert ausgewiesen und sind nicht in den für Digitalisierung besondere Aufmerksamkeit Zuordnungsprozess mit eingegangen. gewidmet werden, wird für diese Kompeten- Analysiert man die Häufigkeit der Nennungen zen hier eine zusätzliche, gesonderte Analyse innerhalb der jeweiligen Future Skills-Profile, durchgeführt. Dabei geht es vor allem um die zeigt sich eine Häufung in folgenden Bereichen: Frage der inhaltlichen (auf welche Handlungs- dispositionen richten sich die Kompetenzen?) 1. Selbstkompetenz (10 Nennungen) und und strukturellen (zu welchen Kompetenzdi- Lernkompetenz (8 Nennungen) in der mensionen gehören die Kompetenzen?) Be- individuell-subjektorientierten Dimen- sion schaffenheit. 2. Digitalkompetenz (9 Nennungen) und Als Analysekategorien wurde dafür auf die vier Design Thinking-Kompetenz (8 Nen- Dimensionen des baacke‘schen Medienkompe- nungen) in der individuell-objektbezo- tenzansatzes (Quelle) zurückgegriffen. Diese genen Dimension eigenen sich für einen inter-Kompetenzver- 3. Kooperationskompetenz (12 Nennun- gleich, da es der einzige Ansatz ist, der sowohl gen) und Kommunikationskompetenz (9 Nennungen) in der organisationbe- Handlungsdimensionen, wie bspw. Mediennut- zogenen Dimension zung und Mediengestaltung enthält als auch analytisch-reflexive Dimensionen abbilden Die Future Skills-Profile Selbstbestimmtheit (2) kann. Die vier zugrunde liegenden Kompetenz- und Ethische Kompetenzen sind innerhalb der dimensionen teilen sich wie in Tabelle 2 darge- untersuchten Ansätze diejenigen mit den we- stellt auf. nigsten Nennungen. 25
T ABELLE 2: MEDIENKOMPETENZDIMENSIONEN NACH B AACKE (1997) A Medienkritik Kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten von Medien A1 analytisch angemessenes Erfassen von gesellschaftlichen Prozessen A2 reflexiv das Analysierte auf sich und sein Handeln beziehen A3 ethisch Abklärung der Analyse und Reflexion auf soziale Verantwortung B Medienkunde Wissen über Medien und Mediensysteme B1 informativ Wissen über Abläufe und Strukturen, z.B. wie arbeiten Journalisten instrumentell-qualifika- B2 torisch Wissen über die Bedienung bzw. technische Handhabung C Mediennutzung Medien anwenden und interaktive Angebote nutzen C1 rezeptiv, anwenden Programm-Nutzungskompetenz, Rezeption C2 interaktiv, anbieten interaktives Handeln - über rezeptiv-wahrnehmende Nutzung hinaus D Mediengestaltung Innovative, kreative, ästhetische Veränderungen & Entwicklungen D1 innovativ Veränderungen und Weiterentwicklung des Mediensystems D2 kreativ Neue, kreative, ästhetische Innovationen Innerhalb der 12 untersuchten Studien wurde zweiten Schritt wurden diejenigen Kompeten- zunächst eine Basisliste mit allen 93 Kompeten- zen zugeordnet, für die es keine unmittelbaren zen erstellt, die im ersten Analyseschritt der Entsprechungen in den Medienkompetenzdi- Kategorie der „Digitalkompetenzen“ zugeord- mension gab, da sie bspw. lediglich einen The- net worden waren (s. Abb. 5 zur Illustration). menbereich bezeichnen, aber keine Hand- Bei den meisten der in den derzeit vorliegen- lungskompetenzformulierung darstellen den Studien enthaltenen Digitalkompetenzen (bspw. „Cybersecurtity“). Mit diesen Kompe- fällt auf, dass keine eindeutige Definition zu tenzen wurde so verfahren, dass sie als „An- den aufgeführten digitalen Future Skills ange- wendung und Implementierung von Konzepten geben wird (bspw. „Cybersecurity“ als Future im jeweiligen Themenbereich“ verstanden Skill). Daher wurde bei der Zuordnung wurden. Das Themenstichwort „Cybersecurity“ mehrschrittig vorgegangen. In einem ersten wurde insofern als „Anwendung und Imple- Schritt wurden diejenigen Kompetenzen den mentierung von Konzepten im Themenfeld Cy- vier Dimensionen und Unterdimensionen des bersecurity“ interpretiert und daher der Kate- Medienkompetenzmodells zugeordnet, die gorie C1 (Mediennutzung, rezeptiv) zugeord- sich inhaltlich eindeutig zuordnen ließen. Im net. 26
A BBILDUNG 6: BEGRIFFSWOLKE MIT DEN BEZEICHNUNGEN IM BEREICH D IGITALKOMPETENZEN Durch dieses Vorgehen konnten alle 93 Future Kompetenzen zugeordnet werden. Skills im Bereich der digitalbezogenen Abbildung 7 zeigt das Ergebnis. A BBILDUNG 7: D IGITALE F UTURE SKILLS IM VERGLEICHENDEN ÜBERBLICK 27
Die Analyse zeigt, dass es eine überproportio- (D2) ist mit nur zwei Nennungen am schwächs- nal starke Besetzung der Mediennutzungsdi- ten überhaupt besetzt. Die innovative Medien- menion innerhalb der digitalbezogenen Future gestaltung (D1) ist mit insg. 11 Nennungen stär- Skills gibt. Fast jede zweite dieser Skills fällt in ker ausgeprägt. diesen Bereich (42 von 93). Die Dimension der Im Bereich der digitalbezogenen Future Skill Medienkunde ist mit insgesamt 23 von 93 Nen- Nennungen kann den untersuchten Konzepten nungen ebenfalls stark ausgeprägt. Dabei liegt – mit den genannten Ausnahmen – also attes- der Schwerpunkt auf den instrumentell-qualifi- tiert werden, dass sie sich weniger auf einen katorischen Handlungsfähigkeiten (18 Nennun- kreativ gestaltenden, gesellschaftlich reflek- gen). Damit sind in den vorliegenden Future tierten und ethisch fundierten Umgang mit ei- Skills-Ansätzen solche digitalen Kompetenzen, ner ungewissen digitalen Zukunft beziehen die sich auf rezeptive und interaktive Nutzungs- denn vielmehr darauf, bestehende Konzepte zu kompetenz sowie Wissen über Medien (infor- nutzen und anzuwenden. Eine Weiterentwick- mative Unterdimension) und die instrumentell- lung der digitalbezogenen Future Skills inner- qualifikatorische Nutzung beziehen, am stärks- halb der bestehenden Future Skills-Ansätze ist ten ausgeprägt. insofern sowohl strukturell (zu welchen Kom- Im Gegensatz dazu sind reflexiv-ethische As- petenzdimensionen gehören die Kompeten- pekte und auch Fähigkeiten, die gesellschaftli- zen?) als auch inhaltlich (auf welche Hand- chen Folgen der Digitalisierung zu analysieren, lungsdispositionen richten sich die Kompeten- die in der Dimension der Medienkritik zusam- zen?) notwendig. mengefasst sind, stark unterproportional be- setzt. Insgesamt fallen nur 15 der 93 Nennun- gen auf die drei Unterdimensionen der Medi- enkritik: ethisch (4), reflexiv (3) und analytisch (8). Das zeichnet ein Bild von Future Skills-An- sätzen, die vor allem auf Nutzung und Anwen- dung und Implementation (Dimensionen B & C) fokussiert sind, während eine reflexiv hinter- fragende Positionsbestimmung der digitalen Handlungsfähigkeiten sich in den analysierten Future Skills-Ansätzen nicht stark nieder- schlägt. Lediglich Stifterverband (2021), Ehlers (2020) und Agentur Q (2021) benennen über- haupt ethisch-digitale Kompetenzen explizit. Die vierte Dimension, die kreative Medienge- staltung, ist schließlich am schwächsten ausge- prägt. Eigentlich geht es hierbei um eine refle- xiv-kreative Handlungsfähigkeit, um innovativ neue kreative Lösungsmöglichkeiten für bis- lang unbekannte Probleme entwickeln zu kön- nen und dabei durchaus auch ästhetische Ver- änderungen Entwicklungen zu erschaffen. Die Unterdimension kreative Mediengestaltung 28
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