Future Skills im Vergleich - Zur Konstruktion eines allgemeinen Rahmen-modells für Zukunftskompetenzen in der aka-demischen Bildung Prof. Dr ...

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Future Skills im Vergleich - Zur Konstruktion eines allgemeinen Rahmen-modells für Zukunftskompetenzen in der aka-demischen Bildung Prof. Dr ...
Future
Skills im
Vergleich
Zur Konstruktion eines allgemeinen Rahmen-
modells für Zukunftskompetenzen in der aka-
demischen Bildung

Prof. Dr. Ulf-Daniel Ehlers

© 2022, Ulf-Daniel Ehlers
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Future Skills im Vergleich - Zur Konstruktion eines allgemeinen Rahmen-modells für Zukunftskompetenzen in der aka-demischen Bildung Prof. Dr ...
Editorial
Future Skills im Vergleich
© 2022 by Ulf-Daniel Ehlers
Karlsruhe, Germany

Author: Ulf-Daniel Ehlers

Contributors: Emily Rauch, Laura Eigbrecht, Nicole Marie Schindele

Layout: Nicole Marie Schindele

For more information, please go to: www.nextskills.org/
www.next-eductaion.org/

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Clem Onojeghuo on Pexels (Titlepage)
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Bedeutung. All diese Fähigkeiten sind in der
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                                                       Label „Ambiguitätskompetenz“ zusammenge-
Mit zunehmender Flexibilisierung von Biogra-           fasst. Diese Labels werden in der NextSkills-
fien wächst die Verantwortung Einzelner, indi-         Studie als Future Skills-Profile bezeichnet. Sie
viduelle Kompetenzstrategien für das eigene            enthält 17 solcher Future Skills-Profile (Ehlers
Leben zu entwickeln. Berufliche und private            2020).
Lebensräume entgrenzen sich dabei zuneh-
                                                       In den letzten fünf Jahren – seit 2017 mit der
mend und greifen ineinander. In Bezug auf Bil-
                                                       Publikation der ersten (expliziten) Future Skills-
dung können wir eine regelrechte „Drift to
                                                       Studie in Deutschland (siehe Anhang I) – hat
Self-Organisation“ diagnostizieren (Ehlers
                                                       sich das Interesse an Future Skills für den Be-
2020). Kennzeichnend dafür ist eine Entstan-
                                                       reich der akademischen Bildung vervielfacht
dardisierung von Bildungsverläufen, bei der
                                                       und fasst die Diskussion um Schlüsselkompe-
die Passung von informellen und formellen
                                                       tenzen neu. Die Gründe dafür sind vielfältiger
Bildungsangeboten zu beruflichen und priva-
                                                       Natur, die in gesellschaftlichen Megatrends
ten Anforderungen zunehmend selbst priori-
                                                       wie bspw. Digitalisierung, demographischem
siert und in individuelle Lern- und Handlungs-
                                                       Wandel, Entwicklung einer Bildungsgesell-
strategien umgesetzt werden muss, die ver-
                                                       schaft (Ehlers 2020) liegen. Sie führen zu einer
stärkt auf einen Erwerb von „Future Skills“ ab-
                                                       steigenden Bedeutung von Future Skills als
zielen. Hochschulen stehen vor der Herausfor-
                                                       eben solchen Fähigkeiten, die es Individuen er-
derung, darauf zu reagieren.
                                                       lauben, in einer Welt in ständigem Wandel und
Future Skills sind Handlungskompetenzen ei-            in zukünftigen emergenten – also unvorherseh-
nes bestimmten Zuschnitts (bspw. Ehlers 2020,          baren – und sich schnell ändernden Anforde-
Agentur Q 2021). Geht es beispielsweise da-            rungssituationen Gestaltungsfähigkeit für das
rum, für eine neue Problemstellung eine Lö-            eigene Leben und für gesellschaftliche Zusam-
sung zu entwickeln, so ist die Fähigkeit zum           menhänge zu besitzen und/oder wieder zu er-
Perspektivwechsel, Flexibilität und Offenheit,         langen.1 Bei „Future Skills“ geht es also um jene
aber auch Interdisziplinarität von Bedeutung.          Kompetenzen, die besondere Bedeutung für
In der NextSkills-Studie sind diese Kompeten-          die Handlungsfähigkeit in solchen zukünftigen
zen in einem „Future Skill“-Profil mit dem Label       Situationen haben, die aufgrund ihrer schnel-
„Design-Thinking-Kompetenzen“ zusammen-                len Veränderungen immer wieder neue, kom-
gefasst (Ehlers 2020). Geht es in einem anderen        plexe Problemlagen hervorbringen, für die eine
Bereich bspw. darum, sich beruflich in zuneh-          Vorbereitung durch (Aus)bildung im bisherigen
mend vernetzten, oft unklaren und komplexen            Sinne (Wissensvermittlung im Vorbereitungs-
Organisationsrollen und Gesprächskontexten             modus) nicht mehr gut möglich ist. Sowohl in-
zurechtzufinden oder privat in sehr weit ausdif-       ternational als auch für Deutschland liegen
ferenzierten familiären Patchwork- und Wahl-           mittlerweile zahlreiche Future Skills-Studien
familienkonstellationen zu agieren, so sind Fä-        vor (vgl. Anhang I zur Bibliographie der seit
higkeiten wie beispielsweise der Umgang mit            2016 publizierten Studien). Sie sind allerdings
Vieldeutigkeit, Handeln in unsicheren Situatio-        sowohl im Verständnis davon, was Future Skills
nen und der Umgang mit Heterogenität von               sind, als auch im methodologischen Design der

1 Eine ausführliche Analyse der Treiber und Fakto-     unter Ehlers (2020) und im NextSkills-Portal frei ver-
ren, die zu geänderten gesellschaftlichen und insti-   fügbar abgerufen werden: www.nextskills.org
tutionellen Rahmenbedingungen führen, kann
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Ermittlung und der Konzeptqualität sehr hete-       Ansatz der NextSkills-Studie herangezogen und
rogen. Ein Beispiel ist die Formulierung der        anhand der vorliegenden anderen Studien
„virtuellen Führung“ sowie „Führungsfähig-          überprüft, inwieweit sich deren Future Skills-
keit“ in ein und derselben Studie (Steps-           Formulierungen in die Future Skills-Profile der
tone/Kienbaum 2020) und „Anpassung der              NextSkills-Studie einordnen lassen. Die Frage-
Führungskultur“ (Hays 2017) sowie „Führungs-        stellung des vorliegenden Beitrages lautet da-
fähigkeit“ (Agentur Q 2021) in anderen Studien      mit: Ist der Future Skills-Ansatz der NextSkills-
– es bleibt unklar, ob es sich um das Gleiche       Studie dazu geeignet, einen begrifflich analyti-
handelt oder in welcher Weise die genannten         schen Rahmen für die derzeit existierenden Fu-
Zukunftskompetenzen ggf. unterschiedlich nu-        ture Skills-Studien und -Konzepte darzustellen?
anciert sind. Auch sind die Ansätze und die ver-
                                                    Zunächst wird ein knapper Überblick über die
wendeten Begriffe nicht immer (bildungs-)the-
                                                    begriffliche Genese des Begriffes Future Skills
oretisch anschlussfähig, arbeiten also nicht mit
                                                    gegeben (Abschnitt 2). Darauf folgt eine Dar-
Konzepten, die im eigentlich bildungswissen-
                                                    stellung des Forschungsstandes zu Future Skills
schaftlichen Sinne Gehalt besitzen.
                                                    im Hinblick auf die Implementierung in die
Es fehlt derzeit an Ansätzen zu einem gemein-       Hochschulbildung (Abschnitt 3). Um den Future
samen Rahmen, der es erlaubt, die vorliegen-        Skills-Kategorienrahmen für einen Vergleich
den Konzepte vergleichend einzuordnen. Dabei        der Future Skills-Studien darzustellen, wird
geht es sowohl um die Benennung von einzel-         dann in Abschnitt 4 die empirische Methode
nen Future Skills als auch eine vergleichende       beschrieben, mit der die 17 Future Skills-Profile
Darstellung von Umfang und Wirkbereich der          ermittelt wurden, und diese umfassend darge-
jeweiligen Studien. Daraus resultiert ein Ge-       stellt. Zudem werden das Kompetenzverständ-
staltungsvakuum in Bezug auf Unterstützungs-        nis und die Binnenstruktur des NextSkills-Mo-
prozesse und dem damit einhergehenden Lern-         dells dargelegt. In einem weiteren Schritt – Ab-
kulturwandel für den Erwerb von Future Skills,      schnitt 5 – werden dann die Future Skills-Listen
sowohl in Hochschulen, als auch an anderen          der 12 im deutschsprachigen Raum existieren-
Lernorten, wie dem Arbeitsplatz und für Wei-        den Future Skills-Studien seit 2016 den 17 Pro-
terbildung. Worauf soll man sich stützen, an        filen zugeordnet.
was orientieren, wie verhalten sich die Begriffe
und Konzepte des einen zu jenen des anderen
Ansatzes?

Damit ist das Problem beschrieben, welches
mit dem vorliegenden Beitrag bearbeitet und
gelöst werden soll: Die Vielfalt der derzeit vor-
liegenden Ansätze und Konzeptionen ist nicht
ohne Weiteres miteinander vergleichbar. Was
einzelne Ansätze und Studien leisten und wel-
che Kompetenzbereiche sie abdecken, ist nicht
transparent und damit auch nicht für eine Ori-
entierung im Bereich der Hochschulbildung zu-
gänglich. Im vorliegenden Beitrag soll ein Kate-
gorienrahmen entwickelt werden, der es er-
laubt, alle im deutschsprachigen Raum vorlie-
genden Ansätze und Studien seit 2016 im Ver-
gleich miteinander darzustellen. Dazu wird der
                                                                                                   7
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2014). In Deutschland hat sich – nach Schlüssel-
                                                   qualifikation beginnend mit Mertens 1974 -
                                                   seit den 90ern der Begriff Schlüsselkompeten-
Forschung und Praxis zum Thema Future Skills       zen etabliert (Kunze 2021), der nun durch Fu-
für die Hochschulbildung haben Hochkonjunk-        ture Skills (Ehlers 2020) weitergeführt wird, die
tur. Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten       als spezifische Profilierung von Handlungskom-
und Verständnisse, die sich in der dazuge-         petenzen verstanden werden können.
hörenden Diskussion herausbilden, lassen sich
grob in zwei Richtungen einteilen: Zum einen
                                                   #Konzept
eine generelle Auseinandersetzung mit zu-          Konzeptuell betrachtet stellen Future Skills
nächst beruflichen und dann auch spezifisch        eine Auswahl zukunftsbedeutsamer Hand-
hochschulischen Bildungskonzepten im Span-         lungskompetenzen dar. Diese wiederum sind
nungsfeld des Wandels von einem „mimeti-           definiert als Handlungsdispositionen, welche
schen“ (auf Nachahmung angelegten) zu ei-          durch Wissen fundiert, Fähigkeiten ermöglicht
nem „transformativen“ (auf Wandel ausge-           und Werte und Einstellungen motiviert sind
richteten ) Paradigma, das in Deutschland          (zur Definition von Handlungskompetenzen
1974 mit Dieter Mertens und seinem Begriff         vgl. auch Heyse & Erpenbeck 2009). Angelehnt
der Schlüsselqualifikation einen Anfang fand       an diese Begriffsdefinitionen werden auch Fu-
und international in bis heute anhaltender In-     ture Skills als Kompetenzen definiert, die es In-
tensität in Forschungsarbeiten zum Thema           dividuen erlauben, in hochemergenten Hand-
Graduate Attributes Ausdruck findet. Zum an-       lungskontexten selbstorganisiert komplexe
deren – aufkommend seit den 2000er Jahren          Probleme zu lösen (siehe Abschnitt 3.2 für eine
– zum Thema Future Skills oder 21st Century        ausführliche Definition). Ausgangspunkt für die
Skills.                                            enorme Karriere des Konzeptes der Future Ski-
                                                   lls ist die Diagnose, dass derzeitige Konzepte
Die zunehmende Relevanz zeigt sich in der          der Hochschulbildung den drängenden Heraus-
stark ansteigenden Anzahl der Publikationen        forderungen unserer Gesellschaften keine
zum Thema innerhalb der letzten 15 Jahre           überzeugenden Zukunftskonzepte entgegen-
(dazu ausführlicher Ehlers 2020). Im Hinter-       stellen (Hippler 2016; Kummert 2017) – weder
grund dazu läuft eine Debatte um Employabi-        der nachhaltigen Gestaltung unserer Umwelt
lity, die insbesondere seit der Bolognareform in   noch den damit zusammenhängenden sozialen
Europa die Diskussion um die Ausbildungsfunk-      oder ökonomischen Herausforderungen.
tion                                         der
Hochschulen auf die Agenda der Hochschulent-       #Bedeutung
wicklung gesetzt hat. Zwar hochschulpolitisch      Die Bedeutung von Future Skills lässt sich für
interessant, so ist der Begriff in der Fachde-     Deutschland sowohl spezifisch für den Bereich
batte jedoch umstritten. Teichler (2013: 35)       der Hochschulabsolvent*innen (Kunz 2021,
stellt resümierend fest, dass der Begriff          Schlaeger & Tenorth 2020, Huber 2016: 106,
„Employability“ in mehrfacher Hinsicht un-         2019: 157, Ehlers 2020, Wild et al. 2018: 274)
glücklich sei, da er vor allem die Tausch-Dimen-   als auch für die berufliche Weiterbildung kon-
sion (Einkommen, Position usw.) adressiert,        statieren (Agentur Q 2021, Kienbaum & StepS-
während es beim Bologna-Prozess primär um          tone 2021, Stifterverband & McKinsey 2018),
die Gebrauchs-Dimension des Studiums               auch international (OECD 2018, World Econo-
(selbständiges Handeln usw.) ginge und die Be-     mic Forum 2020, McKinsey Global Institute
schäftigungsdimension nur ergänzend sei            2017, Ashoka & McKinsey 2018). Derzeit liegen
(auch ausführlich dazu: Schubarth & Speck          für Deutschland seit 2016 13 und international

                                                                                                  9
mindestens 37 Future Skills-Studien vor (s. An-    sprechen in diesem Zusammenhang auch von
hang I). Genereller Trend: Future Skills-Kon-      einem „implementation gap“, Osmani et al.
zepte enthalten auch Digitalkompetenzen, le-       (2015: 367) betiteln diese als „broad mis-
gen aber einen Schwerpunkt auf Kompetenzen         match“. Tran (2015) zufolge sind Hochschulab-
transversaler Natur (z.B. ethische Kompetenz,      solventen schlecht auf „Lifeskills“ vorbereitet,
Umgang mit Ambiguität usw., umfassend dazu         da Curricula häufig veraltet oder irrelevant
siehe Abschnitt 3.2). Zum aktuellen Stand der      seien.
Future Skills in der Hochschulbildung liegen nur
wenige und nicht-systematische Daten vor, die      #Begriffsgeschichte
sich zumeist eher auf allgemeine Kompetenz-        Die Begrifflichkeiten für Future Skills sind inner-
entwicklung beziehen, bspw. im Bericht „Bil-       halb der letzten 20 Jahre einer begriffsge-
dung in D 2020“ (Autorengruppe Bildungsbe-         schichtlich differenzierten Entwicklung unter-
richterstattung 2020) sowie aus dem Absolven-      legen. In Deutschland entwickeln sie sich im Be-
ten*innenpanel des DZHW (Fabian et al. 2021),      reich der Berufsausbildung von Schlüsselquali-
dem Nationalen Bildungspanel (LIfBi 2021),         fikation – 1974 durch Mertens eingebracht –
dem Projekt Digitales Deutschland (JFF 2021)       über Schlüsselkompetenzen auch für den
oder auch international aus den PIACC-Studien      Hochschulbereich in einer intensiven Debatte
(GESIS 2021). Die Ursachen für diese unzu-         innerhalb der 90er Jahre zu weiteren Konzep-
reichende Datenlage liegen zum einen in der        ten rund um Kern- und Schlüsselbergiffe, die
Komplexität der Messung von Future Skills          Echterhoff 2014 detailliert nachvollzieht. Inter-
(bspw. Messung von Kreativität oder ethischer      national benennen Treleavan und Voola 2008
Kompetenz) und andererseits in dem noch ge-        elf verschiedene Begriffe: Key skills, key com-
ringen Reifegrad der jungen und sich dazu erst     petencies, transferable skills, graduate attrib-
noch entwickelnden empirischen Forschung.          utes, employability skills (Curtis & McKenzie
                                                   2002), soft skills (BIHECC 2007; Freeman et al.
Trotz unzureichend vorliegender Messverfah-        2008); graduate capabilities (Bowden et al.
ren ist in der internationalen Forschungslitera-   2000); generic graduate attributes (Barrie
tur detailliert und mit nur wenigen Diskrepan-     2004, Bowden et al. 2000); professional skills,
zen beschrieben, dass Hochschulen nicht hin-       personal transferable skills (Drummond et al.
reichend auf Future Skills ausgerichtet sind.      1998); generic competencies (Tuning Report
Demnach kann festgestellt werden, dass gene-       2008). Rigby et al. (2009) fassen diese synonym
rell ein Defizit bei den Curricula der Hochschu-   verwendeten Begriffe unter dem Überbegriff
len besteht, diese auf die Förderung von beson-    der „graduate skills“ zusammen. Sie definieren
ders Future Skills-relevanten Kompetenzen          diese als Skills, die nicht nur für die berufliche
auszurichten. In der US-Literatur wird die Lücke   Entwicklung relevant sind, sondern vor allem
zwischen den durch am Arbeitsmarkt nachge-         die persönliche Entwicklung und die ganzheitli-
fragten und den an Hochschulen vermittelten        che Ausbildung des Individuums zu einem en-
Fähigkeiten durch eine Reihe von empirischen       gagierten Mitglied der Gesellschaft fokussieren
Studien belegt (z. B. Aasheim, Williams & Butler   (ibid.: 4).
(2009); Cox et al. (2013); Koppi et al. (2009);
Koppi et al. (2009)). Koppi und Kollegen (2009),   Eine Analyse von mehr als 50 vorliegenden An-
Daud et al. (2011) und Finch et al. (2013) iden-   sätzen zu Future Skills von Ehlers (2020) zeigt,
tifizieren dabei, dass Arbeitgeber*innen „Soft     dass diese in der Regel aus Listen von mehr
Skills“ am meisten Bedeutung zumaßen – aka-        oder weniger wichtigen Fähigkeiten bestehen;
demische Reputation wurde als am unbedeu-          jedoch basieren die Ansätze zumeist nicht auf
tendsten eingestuft. Rigby et al. (2009: 8)        fundierten kompetenztheoretischen Ansätzen
                                                   (Barrie 2004; Clanchy & Ballard 1995; Sin &
10
Reid 2005, Ehlers 2020). Es findet zudem keine    Der vorlegende Beitrag möchte diese derzeit
empirische oder konzeptuelle Modellbildung        noch existierende Orientierungslücke schlie-
statt, die ermöglicht, die Modelle hinsichtlich   ßen. Dazu wird ein kategoriales Rahmenmodell
ihrer Substanz und Reichweite kritisch einzu-     konstruiert, mittels dessen bestehende An-
ordnen. Aus bildungswissenschaftlicher Per-       sätze in größere und gut definierte Kompetenz-
spektive kann für viele der Ansätzen der Cha-     felder eingeteilt werden können.
rakter des zufälligen konstatiert werden.

                                                                                             11
16
3.1 Methodisches Design der
                                                    NextSkills-Studie

Der Forschungsstand zeigt, dass Future Skills       Das Forschungsvorhaben NextSkills zielt darauf
für die Zukunft der Hochschulen eine hohe Re-       ab, zu analysieren, welche Fähigkeiten – also
levanz besitzen, sowohl curricular als auch         Future Skills – für eine produktive und proak-
strategisch für das Profil der Hochschulen und      tive Gestaltung zukünftiger Lebens- und Ar-
ihrer Fähigkeit attraktive Angebote für Studie-     beitskontexte benötigt werden, um daraus An-
rende zu machen. Um Future Skills als Aus-          forderungen an Hochschulen abzuleiten. Dabei
gangspunkt für curriculare und strategische         waren folgende Fragestellungen forschungslei-
Prozesse zu nehmen ist eine Orientierung in-        tend:
nerhalb der derzeit existierenden Ansätze
                                                        Ist es möglich, Kompetenzen zu identi-
notwendig. Derzeit existiert kein allgemein-             fizieren, die als Future Skills für eine zu-
gültiger Rahmen, der es ermöglicht, Future               künftig erfolgreiche und wirksame Ge-
Skills-Studien und die dort aufgelisteten Skills         staltung von und Teilhabe an verschie-
miteinander zu vergleichen.                              denen Lebensbereichen – einschließ-
                                                         lich der wirtschaftlichen, politischen,
In der NextSkills-Studie wurde zum ersten Mal            sozialen und der individuellen persön-
ein solcher kategorialer Rahmen entwickelt.              lichen Entwicklung – von großer Be-
Dieser wurde aus einem empirisch qualitativ              deutung sind?
ermittelten umfangreichen Inventar von Fu-              Wenn ja, welcher Art sind diese Kom-
ture Skills, die in thematische Felder, sog. Fu-         petenzen und was zeichnet sie als Fu-
                                                         ture Skills aus? Wie lassen sie sich be-
ture Skills Profile gruppiert wurden, entwickelt.
                                                         schreiben und bildungstheoretisch be-
Die auf diese Weise konstruierten Felder die-            gründen? Was sind die Bestandteile
nen als Future Skills-Profile innerhalb derer            und Subkompetenzen dieser Future
wiederum sog. Bezugskompetenzen enthalten                Skills?
sind. Diese Struktur geht über eine einfach             Funktionieren Future Skills unabhängig
Kompetenzliste hinaus und bietet über die De-            voneinander, oder sollten sie als inter-
finition von Profilen die Möglichkeit, für ande-         dependente Gruppe oder Konstella-
                                                         tion von Kompetenzen betrachtet wer-
ren bestehende Listen und Konzepte ein Ord-
                                                         den?
nungsrahmen darzustellen. Die Herleitung der
Konstruktion dieses Rahmens und seine Eig-          Dazu wurden in einem mehrschrittigen For-
nung wird im vorliegenden Beitrag für die der-      schungsprozess mittels eines Multimethoden-
zeit existierenden Studien zum Thema Future         designs Future Skill-Profile ermittelt.
Skills geprüft. Im Folgenden wird zunächst die
Entwicklung der 17 Future Skill-Profile metho-      1. Identifikation von Future Organisations: In
                                                       einem ersten Schritt wurden als empiri-
dologisch erläutert, das zugrunde liegende the-
                                                       sches Feld Future Organisations identifi-
oretische Konzept für Handlungskompetenzen             ziert. Das sind solche Organisationen, die
beschrieben und alle Future Skills-Profile mit         bereits explizite Erfahrungen bei der Imple-
der zugehörigen Definition erläutert.                  mentierung von Kompetenzmodellen, Vor-
                                                       stellung über Future Skills und einen hohen
                                                       Reifegrad bei der Gestaltung zukünftiger
                                                       Arbeitskontexte aufweisen. Das Auswahl-
                                                       verfahren fand im Jahr 2015 im Rahmen ei-
                                                       nes Wettbewerbs statt, bei dem über 8.500
                                                       Partnerorganisationen der Dualen Hoch-
                                                       schule Baden-Württemberg angeschrieben
                                                                                                  13
wurden und die Möglichkeit hatten, ihre           Expert*innenpanel durchgeführt. Die Del-
   Personalentwicklungskonzeptionen einzu-           phi-Studie (zur Delphi-Methodologie siehe
   reichen. An dem Wettbewerb2 beteiligten           Dalkey und Helmer 1963) mit dem Titel
   sich 124 Organisationen. Alle eingereich-         „Future Skills – Future Learning and Future
   ten Konzeptionen wurden in einem kriteri-         Higher Education“ (Ehlers und Kellermann
   engestützten Expertenrating bewertet. Das         2019) umfasste zwei Befragungsrunden.
   so entstehende Ranking wurde bei einer            Zur Teilnahme an der Studie wurden 53 in-
   weiteren Diskussion von 15 Expert*innen           ternationale Expert*innen aus unter-
   diskursiv validiert und 20 Organisationen         schiedlichen Organisationen und Institutio-
   und ihre Kompetenzkonzeptionen für eine           nen eingeladen (ebenda).
   Shortlist ausgewählt. Alle 20 Organisatio-
   nen wurden eingeladen, am nächsten
   Schritt der NextSkills-Studie teilzunehmen
   und 17 wurden schließlich in die Inter-       3.2 Das NextSkills-Konzept mit 17 Fu-
   viewstudie mit aufgenommen. Die Inter-        ture Skills-Profilen
   views fanden zwischen Dezember 2016
   und Juni 2017 statt.                          Die Ergebnisse der NextSkills-Studie zeigen: Fu-
2. Interviewstudie: Für die Interviewstudie      ture Skills lassen sich ermitteln, beschreiben
   wurden Leitfragen entwickelt, die zur Ori-    und operationalisieren. Auf Basis der Tiefenin-
   entierung im Rahmen eines offenen, wenig      terviews und durch Einschätzung der weltweit
   strukturierten, problemvertiefenden Inter-    befragten Expertinnen und Experten wurden
   views eingesetzt wurden. Teilnehmende
                                                 17 Skills-Profile konstruiert, die diejenigen
   der Interviews waren die Personalverant-
                                                 Kompetenzen repräsentieren, die für zukünf-
   wortlichen der Future Organisations und
   teilweise auch die Studierenden, die im       tige Hochschulabsolvent*innen Bedeutung ha-
   Rahmen von (dualen) Studiengängen dort        ben. Jedes Skills-Profil besteht aus einem Bün-
   studierten. Insgesamt wurden 17 vertie-       del einzelner Kompetenzen – sogenannter Be-
   fende Interviews geführt, an denen sich 20    zugskompetenzen. Skills-Profile sind gleichsam
   Personen beteiligten und die zu etwa 700      Cluster von zukunftsrelevanten Fähigkeiten.
   Minuten qualitativem Interviewmaterial
                                                 Sie sind wiederum in drei übergeordnete Kom-
   führten. Die Interviews wurden wortgetreu
                                                 petenzfelder eingeteilt.
   transkribiert und unter Anwendung der in-
   duktiven Codierungstechnik (Mayring           Die Bedeutung von Future Skills deutet auf ei-
   1996; Thomas 2006) mithilfe der Software
                                                 nen Zustandswandel in der Hochschulbildung
   MaxQDA (VERBI Software 2017) von zwei
   Forschenden unabhängig codiert. Kon-          hin, in dem nicht mehr die Funktion der Vorbe-
   strukte wurden aus den Interviewdaten         reitung durch Wissensvermittlung in den Mit-
   herausgearbeitet, um Kontexte, Werte so-      telpunkt gestellt wird, sondern wie Studie-
   wie Abläufe und Abhängigkeiten für zu-        rende bei der Entwicklung von Future Skills,
   künftig als wichtig erachtete Fähigkeiten     also Handlungsdispositionen und Handlungs-
   bei Individuen zu rekonstruieren.             bereitschaft für den Umgang mit komplexen,
3. Internationale Delphi-Studie: Um die quali-   unbekannten Problemsituationen durch Refle-
   tativ erworbenen Ergebnisse weiter zu ver-
                                                 xion, Werte und Haltungen, unterstützt wer-
   feinern und zu validieren, wurde eine Del-
   phi-Studie mit einem internationalen          den. Future Skills sind dabei wie folgt definiert:

2 Der Wettbewerb war in Kooperation der Dualen   Südwestmetall organisiert und als „Dualer Partner
Hochschule Baden-Württemberg, des Ministeriums   Award“ ausgeschrieben worden.
für Wissenschaft, Kunst und Kultur Baden-Würt-
temberg     und     des    Arbeitgeberverbands
14
Definition: „Future Skills sind Kompetenzen, die es Individuen erlauben, in hoch-
 emergenten Handlungskontexten selbst organisiert komplexe Probleme zu lösen
 und (erfolgreich) handlungsfähig zu sein. Sie basieren auf kognitiven, motivatio-
 nalen, volitionalen sowie sozialen Ressourcen, sind wertebasiert und können in
 einem Lernprozess angeeignet werden“ (Ehlers 2020: 57).

Abschnitt 2 führt bereits ein, dass es sich bei      dabei die Fähigkeit zum Handeln (gespeist aus
Future Skills um Kompetenzkonstrukte mit be-         Wissen und weiterentwickelt zu Fertigkeiten)
sonderer inhaltlicher Profilierung handelt (Ab-      mit Handlungsdispositionen und -bereitschaft
bildung 1). Sie ermöglichen es Individuen, in        zusammen, die sich vor allem aus Werten, mo-
hochemergenten Kontexten zu handeln. Aus             tivationalen und habituellen Faktoren speist –
kompetenztheoretischer Perspektive kommt             also Persönlichkeitsmerkmalen.

A BBILDUNG 1: D AS F UTURE-SKILLS -KONZEPT ALS KOMPETENZKONSTRUKT , © E HLERS

Im Begriff und im Konzept lassen sich Future         Bewältigung der Anforderungen. Emergenz de-
Skills von solchen Kompetenzen abgrenzen, die        finiert also die Trennlinie, die bisherige oder
nicht im besonderen Maße zukunftsorientiert          traditionelle und zukünftige Arbeitsbereiche
sind. Als Unterscheidungsdimension zwischen          voneinander abgrenzt. Da diese Grenze nicht
aktuellen oder bisherigen Kompetenzanforde-          klar schematisch, sondern fließend verläuft
rungen und solchen, die zukunftsrelevant sind,       und viele Organisationen sich in Transformati-
gilt dabei das Konzept der Emergenz: Insbeson-       onsprozessen befinden, in denen sich schwach
dere solche Handlungskontexte, die hoch-             emergente Arbeitskontexte zu hochemergen-
emergente Entwicklungen von Lebens-, Ar-             ten Arbeitskontexten entwickeln, ist auch die
beits-, Organisations- und Geschäftsprozessen        Notwendigkeit von Future Skills ein sich
aufweisen, benötigen Future Skills zur
                                                                                                 15
entwickelnder Bereich und kein binärer Zu-         Unvorhersagbarkeit. Analog zu Handlungen in-
stand des entweder/oder.                           nerhalb von Organisationen lässt sich diese Be-
                                                   schreibung auch auf den privaten Lebensbe-
Emergenz versus Submergenz ist also eine
                                                   reich und andere gesellschaftliche Handlungs-
wichtige Grundunterscheidung zur Erklärung
                                                   felder allgemein übertragen (ausführlich dazu:
der Bedeutung von Future Skills. Die NextSkills-
                                                   Ehlers 2020).
Studie zeigt, dass niedrigemergente (stabile)
professionelle Handlungskontexte sich oft,         Future-Skills-Profile bestehen aus Bündeln ein-
schnell und in hoher Intensität hin zu hoch-       zelner zusammengehörender sogenannten Be-
emergenten Handlungskontexten wandeln.             zugskompetenzen. Insgesamt lassen sich aus
Wir sprechen hier von der Drift-to-Self-Organi-    den qualitativen Daten 17 solcher Kompetenz-
sation. Dieser Wandel entspricht einer Verän-      profile rekonstruieren (siehe Abbildung 2), die
derung im Systemzustand von Organisationen.        im Folgenden dargestellt und beschrieben wer-
Er wird durch Veränderungen von Makro-,            den. Die Einteilung in drei Kompetenzfelder,
Meso- und Mikrosystemen ausgelöst und              die in der Grafik als drei Straßenbahnlinien der
durch deren interdependente Verschränkung          Future Skills Map dargestellt sind, folgt der Sys-
verstärkt. Im dadurch entstehenden neuen Sys-      tematik des sog. „Triple-Helix-Modells“ von Eh-
temzustand lassen sich die Systemelemente          lers (2020). Es basiert auf der Erkenntnis, dass
nicht kausal oder linear auf den vorherigen Zu-    die zur Bewältigung von Handlungsanforderun-
stand zurückführen. Es gilt die Systembedin-       gen
gung     der     Irreduzibilität  sowie     der
notwendigen Skills sich anhand von drei zu-        2. solche Future Skills die sich auf kreative Lö-
sammenwirkenden Dimensionen strukturieren             sungsentwicklung und den Umgang mit
lassen, die im Triple-Helix-Modell mit spezifi-       Themen- und Arbeitsgegenständen, Ar-
schen Begriffen bezeichnet werden:                    beitsaufgaben und Problemstellungen be-
                                                      ziehen, hier individuell-objektbezogene
1. Kompetenzen zum Lernen und für persön-             Kompetenzen genannt, und
     liche Entwicklung: Individuell-entwick-       3. solche Future Skills, die sich im Sinne von
     lungsbezogene Future Skills, die sich auf        Co-Creation (Scharmer 2007) auf den Um-
     die Entwicklungsfähigkeit der eigenen Per-       gang mit der sozialen, organisationalen
     son beziehen, hier individuell-entwick-          und institutionellen Umwelt beziehen, hier
     lungsbezogene Kompetenzen genannt,               als organisationsbezogene Kompetenzen
                                                      bezeichnet.

Innerhalb dieses dreidimensionalen Hand-           genannten einzelnen Future Skills konzeptio-
lungsraumes können die von den Befragten           nell verortet werden (Abb. 2).

16
A BBILDUNG 2: FUTURE S KILL -P ROFILE IM Ü BERBLICK, © EHLERS

Tabelle 1 stellt die einzelnen Future Skills-Profile, dazugehörige Bezugskompetenzen sowie die Be-
schreibungen der Kompetenzfelder noch einmal im Überblick dar.

T ABELLE 1: F UTURE SKILLS -KOMPETENZFELDER UND - PROFILE IM ÜBERBLICK
 Die 17 FutureSkills Profile: Definition und zugehörige Bezugskompetenzen
      Lernen: Individuell-entwicklungsbezogene Kompetenzen
      Subjekt-entwicklungsbezogene Kompetenzen umfassen die Fähigkeiten, im eigenen Professionsumfeld
      subjektiv handlungsfähig und aus sich heraus, selbst gesteuert zu lernen und sich zu entwickeln. Dabei
      spielen eine hohe Autonomie, Selbstkompetenz, Selbstwirksamkeit und Leistungsmotivation eine wich-
      tige Rolle.
 1    Lernkompetenz: Lernkompetenz ist die Fähigkeit und Bereitschaft zum Lernen, insbesondere des selbst-
      gesteuerten Lernens. Sie erstreckt sich auch auf metakognitive Fähigkeiten.
      Bezugskompetenz/en: Selbstgesteuertes Lernen, Metakognitive Fähigkeit
 2    Selbstwirksamkeit: Selbstwirksamkeit als Future Skill ist die Überzeugung und das (Selbst-) Bewusstsein
      dafür, die zu bewältigen Aufgaben mit den eigenen Fähigkeiten umsetzen zu können, dabei Verantwor-
      tung zu übernehmen und Entscheidungen treffen zu können.
      Bezugskompetenz/en: Selbstbewusstsein
 3    Selbstbestimmtheit: Die Fähigkeit zur Selbstbestimmung als Future Skill oder auch Selbstbestimmungs-
      kompetenz bezeichnet die Fähigkeit, im Spannungsverhältnis von Fremd- und Selbstbestimmung pro-
      duktiv zu agieren und sich Räume zur eigenen Autonomie und Entwicklung zu schaffen, sodass die Be-
      friedigung der eigenen Bedürfnisse in Freiheit und selbst-bestimmt angestrebt werden kann.
      Bezugskompetenz/en: Autonomie

                                                                                                           17
4    Selbstkompetenz: Selbstkompetenz als Future Skill ist die Fähigkeit, die eigene persönliche und berufli-
      che Entwicklung weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen zu gestalten. Dazu gehören weitere
      Kompetenzen wie zum Beispiel selbständige Motivation und Planung. Aber auch die Fähigkeit, sich Ziele
      zu setzen, das Zeitmanagement, Organisation, Lernfähigkeit und Erfolgskontrolle durch Feedback. Dar-
      über hinaus auch Cognitive Load Management und eine hohe Eigenverantwortlichkeit.
      Bezugskompetenz/en: Selbstmanagement, Selbstorganisationskompetenz, Eigenregulation, Cognitive
      Load Management, Eigenverantwortung
 5    Reflexionskompetenz: Reflexionskompetenz als Future Skill umfasst die Bereitschaft und Fähigkeit zur
      Reflexion, also die Fähigkeit, sich selbst und andere zum Zweck der konstruktiven Weiterentwicklung
      hinterfragen zu können sowie zugrundeliegende Verhaltens-, Denk- und Wertesysteme zu erkennen und
      deren Konsequenzen für Handlungen und Entscheidungen holistisch einschätzen zu können.
      Bezugskompetenz/en: Kritisches Denken, Selbstreflexionskompetenz
 6    Entscheidungskompetenz: Entscheidungskompetenz als Future Skill ist die Fähigkeit, Entscheidungsnot-
      wendigkeiten wahrzunehmen sowie mögliche alternative Entscheidungen gegeneinander abzuwägen,
      eine Entscheidung zu treffen und diese zu verantworten.
       Bezugskompetenz/en: Verantwortungsübernahme
 7    Initiativ- und Leistungskompetenz: Initiativ- und Leistungskompetenz als Future Skills ist die Fähigkeit
      zur Selbstmotivation, eine hohe Aktivitäts- und Umsetzungskompetenz sowie der Wunsch, etwas beizu-
      tragen. Beharrlichkeit und Zielorientierung formen die Leistungsmotivation. Zusätzlich spielt ein positi-
      ves Selbstkonzept eine Rolle, sodass Erfolge und Misserfolge in einer Weise attribuiert werden, die nicht
      zur Senkung der Leistungsmotivation führen.
      Bezugskompetenz/en: Motivation (intrinsische), Eigenmotivation, Motivationsfähigkeit, Initiative, Leis-
      tungsbereitschaft/-wille, Engagement, Beharrlichkeit, Zielorientierung
 8    Ambiguitätskompetenz: Ambiguitätskompetenz ist die Fähigkeit, Vieldeutigkeit, Heterogenität und Un-
      sicherheit zu erkennen, zu verstehen und produktiv gestaltend damit umgehen zu können sowie in un-
      terschiedlichen und auch konfligierenden Rollen agieren zu können.
      Bezugskompetenz/en: Umgang mit Unsicherheit, Umgang mit Heterogenität, Fähigkeit, in unterschied-
      lichen Rollen zu agieren
 9    Ethische Kompetenz: Ethische Kompetenz umfasst die Fähigkeit zur Wahrnehmung eines Sachverhalts
      beziehungsweise einer Situation als ethisch relevant einschließlich seiner/ihrer begrifflichen, empiri-
      schen und kontextuellen Prüfung (wahrnehmen), die Fähigkeit zur Formulierung von einschlägigen prä-
      skriptiven Prämissen zusammen mit der Prüfung ihrer Einschlägigkeit, ihres Gewichts, ihrer Begründung,
      ihrer Verbindlichkeit und ihrer Anwendungsbedingungen (bewerten) sowie die Fähigkeit zur Urteilsbil-
      dung und der Prüfung ihrer logischen Konsistenz, ihrer Anwendungsbedingungen und ihrer Alternativen
      (urteilen).
      Entwickeln: Individuell-objekt-bezogene Kompetenzen
      In einer zweiten Gruppe von Kompetenzen befinden sich sogenannte individuell-objektbezogene Fähig-
      keiten. Dies sind Fähigkeiten in Bezug auf bestimmte Gegenstände, Themen und Aufgabenstellungen
      kreativ, agil, analytisch und mit hohem Systemverständnis zu agieren, auch unter hochgradig unsicheren
      und unbekannten Bedingungen.
 10   Design Thinking-Kompetenz: Das Future Skills-pProfil Design Thinking-Kompetenz umfasst die Fähigkeit,
      konkrete Methoden einzusetzen, um ergebnisoffen in Bezug auf gegebene Problem- und Themenstel-
      lungen kreative Entwicklungsprozesse durchzuführen und dabei alle Stakeholder in einen gemeinsamen
      Prozess zum Problem- und Lösungsdesign mit einzubeziehen.
      Bezugskompetenz/en: Flexibilität & Offenheit, Vielseitigkeit, Fähigkeit zum Perspektivwechsel, Interdis-
      ziplinarität
 11   Innovationskompetenz: Innovationskompetenz als Future Skills-Profil umfasst die Bereitschaft, Innova-
      tion als integralen Bestandteil eines jeden Organisationsgegenstandes, -themas und -prozesses zu för-
      dern und die Fähigkeit zur Organisation als Innovationsökosystem beizutragen.
      Bezugskompetenz/en: Kreativität, Innovatives Denken, Experimentierbereitschaft
 12   Systemkompetenz: Systemkompetenz als Future Skill ist die Fähigkeit, komplexe personal-psychische,
      soziale und technische (Organisations-)systeme sowie deren wechselseitige Einflüsse zu erkennen, zu
      verstehen und darauf abgestimmte Planungs- und Umsetzungsprozesse für neue Vorhaben im System
      gestalten und/oder begleiten zu können.

18
Bezugskompetenz/en: Systems Thinking, Wissen über Wissensstrukturen, Navigationsfähigkeit in Wis-
      sensstrukturen, Vernetztes Denken, Analytische Kompetenz, Synergieherstellung, Anwendungskompe-
      tenz, Problemlösekompetenz, Anpassungsfähigkeit
 13   Digitalkompetenz: Digitalkompetenz ist die Fähigkeit, digitale Medien zu nutzen, produktiv gestaltend
      zu entwickeln, für das eigene Leben einzusetzen und reflektorisch, kritisch und analytisch ihre Wirkungs-
      weise in Bezug auf die Einzelne/den Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes zu verstehen sowie die
      Kenntnis über die Potenziale und Grenzen digitaler Medien und ihrer Wirkungsweisen.
      Bezugskompetenz/en: Medienkompetenz, Informationskompetenz
      Co-Kreation: Organisationsbezogene Kompetenzen
      In einer dritten Gruppe befinden sich Kompetenzen, die sich auf den Umgang mit der sozialen, organisa-
      tionalen und institutionellen Umwelt beziehen. Hierzu gehören Fähigkeiten wie Sinnstiftung und Wer-
      tebezogenheit, die Fähigkeit, Zukunft gestaltend mitzubestimmen, mit anderen zusammenzuarbeiten
      und zu kooperieren und in besonderer Weise kommunikationsfähig, kritik- und konsensfähig zu sein.
 14   Sensemaking: Das Future Skill Profil Sensemaking umfasst die Bereitschaft und Fähigkeit, die sich schnell
      wandelnden Sinnstrukturen von Future Organisations zu verstehen, bestehende Sinnstrukturen weiter-
      zuentwickeln oder die Entstehung neuer zu befördern, dort wo sie abhandengekommen sind.
      Bezugskompetenz/en: Sinnstiftung, Wertebezogenheit
 15   Zukunfts- und Gestaltungskompetenz: Zukunfts- und Gestaltungskompetenz ist die Fähigkeit, mit Mut
      zum Neuen, Veränderungsbereitschaft und Vorwärtsgewandtheit die derzeit gegebenen Situationen in
      andere, neue und bisher nicht bekannte Zukunftsvorstellungen weiterzuentwickeln und diese gestalte-
      risch anzugehen.
      Bezugskompetenz/en: Veränderungsbereitschaft, Fähigkeit zur kontinuierlichen Verbesserung, Zu-
      kunftsfokus, Mut zu Neuem, Entwicklungsbereitschaft, Selbstherausforderung
 16   Kooperationskompetenz: Ambiguitätskompetenz ist die Fähigkeit, Vieldeutigkeit, Heterogenität und
      Unsicherheit zu erkennen, zu verstehen und produktiv gestaltend damit umgehen zu können sowie in
      unterschiedlichen und auch konfligierenden Rollen agieren zu können.
      Bezugskompetenz/en: Soziale Intelligenz, Teamfähigkeit, Führungskraft als Coach, Interkulturelle Kom-
      petenz (Organisationskultur), Beratungskompetenz
 17   Kommunikationskompetenz: Kommunikationskompetenz umfasst neben sprachlichen Fähigkeiten auch
      Diskurs-, Dialog- und strategische Kommunikationsfähigkeit, um in unterschiedlichen Kontexten und Si-
      tuationen situativ angemessen erfolgreich kommunikativ handlungsfähig zu sein.
      Sprachkompetenz, Präsentationskompetenz, Dialogfähigkeit, Kommunikationsbereitschaft, Konsensfä-
      higkeit, Kritikfähigkeit

Im nächsten Schritt wird untersucht, inwieweit              für andere derzeit aktuelle Future Skills-Stu-
die 17 Future Skills-Profile der NextSkills-Studie          dien zu bieten.
geeignet sind, um einen begrifflichen Rahmen

                                                                                                             19
16
Kompetenzen transversaler Natur (z.B. ethi-
                                                     sche Kompetenz, Umgang mit Ambiguität
                                                     usw.) legen. Sie unterscheiden sich durch Aus-
4.1 Forschungsmethodischer Ver-                      richtung, Methodik und Orientierung. So sind
gleich                                               Studien wie beispielsweise der D21-Digital-In-
Derzeit liegen für Deutschland seit 2016 13          dex (Initiative 21) stärker auf Digitalisierungs-
und international mindestens 37 Future Ski-          , Digital- und Medienkompetenzen bzw. Digi-
                                                     tal Skills fokussiert. Stifterverband/McKinsey
lls-Studien vor (s. Anhang). Dabei ist als gene-
                                                     haben ebenfalls einen Schwerpunkt im Be-
reller Trend festzustellen, dass Future Skills-
                                                     reich digitaler Kompetenzen, nehmen aber
Konzepte auch Digitalkompetenzen enthal-
                                                     auch transversale Future Skills und soge-
ten,  aber   einen     Schwerpunkt  auf
                                                     nannte transformative Kompetenzen mit auf.

A BBILDUNG 3: METHODEN FÜR FUTURE SKILLS - STUDIEN

Methodisch nutzen Future Skills-Studien als          die genutzten Methoden im Überblick dar. Die
Vorhaben der Ermittlung zukünftiger Kompe-           meisten der Ansätze nutzen mehrere Verfah-
tenzanforderungen sog. Forecasting-Metho-            ren, wobei nur drei der Studien qualitative Ver-
den (Wagemann et al. 2018). Abbildung 3 stellt       fahren nutzen, die geeignet sind, zukünftige

                                                                                                   21
Kompetenzanforderungen auch induktiv zu            Eine in der Analyse der methodologischen Her-
modellieren (explorative qualitative Inter-        angehensweisen nicht betrachtete, aber in al-
views, Delphi- oder Fokusgruppenverfahren).        len Ansätzen ebenfalls in sehr heterogener
Alle anderen Studien nutzen eher konfirmato-       Weise berücksichtigte Dimension ist jene der
rische Ansätze, die auf bereits vorzufindenden     den Ansätzen zugrunde liegenden Kompetenz-
Operationalisierungen durch Kompetenzbe-           verständnisse und bildungstheoretischen
schreibungen bspw. aus Stellenanzeigen basie-      Grundlagen. Sie variieren von einer Auflistung
ren. Das Beispiel der Studie der Agentur Q zeigt   von derzeit in Stellenportalen (Agentur Q 2021)
besonders gut, wie über die Analysen aktueller     häufig gefundenen Begriffen bis hin zu bil-
Stellenanzeigen versucht wird, solche Kompe-       dungstheoretisch verankerten Bezügen zu
tenzen zu ermitteln, die in bestimmten Bran-       Handlungskompetenzen und ihren Komponen-
chen aktuell besonders wichtig sind (Agentur Q     ten (Ehlers 2020). Während sich alle genannten
2021). Während diese Verfahren zwar gut em-        Studien zwar thematisch auf Future Skills be-
pirisch operationalisierbar sind – und insbeson-   ziehen, führen die ethische Heterogenität und
dere durch Zuhilfenahme von Machine Learn-         die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen
ing-Verfahren auch große Datenmengen verar-        daher zu unterschiedlichen Benennungen von
beitet werden können – beschreiben sie jedoch      Future Skills. Unterschiedlich bezeichnete Fu-
eher aktuelle Kompetenzanforderungen, die          ture Skills beziehen sich dabei auf tatsächlich
heute schon Relevanz besitzen. Möchte man          ähnliche Kompetenzen. Die Bezeichnungen für
hingegen über die in Stellenanzeigen definier-     die Fähigkeit zum Perspektivwechsel werden
ten Anforderungen hinausgehend ermitteln,          beispielsweise auch als Flexibilität und Offen-
wie die Konturen zukünftiger Lebens- und Ar-       heit bezeichnet, oder wie in der NextSkills-Stu-
beitsformen sowie deren Kompetenzanforde-          die mit dem Future Skills-Profil „Design Thin-
rungen aussehen können, so kann dies eher          king-Kompetenz“. Die Fähigkeit zum Umgang
durch offene und qualitative Verfahren wie Ex-     mit zunehmend vernetzten, oft unklaren und
pert*innen- und Lernenden- oder Mitarbei-          komplexen Organisationsrollen wird ebenfalls
ter*inneninterviews oder weitere qualitative       in einigen der Studien als wichtige Zukunfts-
Verfahren wie Datenerhebungen über Fokus-          kompetenz mit unterschiedlichen Benennun-
gruppenmethoden oder auch Delphi-Verfah-           gen aufgenommen. In der NextSkills-Studie ist
ren und daran angeschlossene induktive kon-        diese Kompetenz mit dem Label „Ambiguitäts-
struktbildende Datenauswertungsverfahren           kompetenz“ zusammengefasst.
erfolgen. Dies gilt insbesondere für Einschät-
zungen zu Szenarien, die in einer weiter ent-
fernten Zukunft liegen. Die Unterscheidung         4.2 Inhaltlicher Vergleich
von Niklas Luhmann (1976) in Bezug auf die
Prognose der Zukunft greift hier sehr passend:     Um eine Möglichkeit zu schaffen, die Kompe-
Luhmann unterscheidet zwischen zukünftiger         tenzlisten der verschiedenen vorliegenden Fu-
Gegenwart und gegenwärtiger Zukunft. Gegen-        ture Skills-Studien miteinander vergleichen zu
wärtige Zukünfte sind Projektionen in Gestalt      können, wird ein Kategorienrahmen benötigt,
von Utopien (basierend auf bspw. qualitativen      mit Hilfe dessen die ähnlichen, aber unter-
konstruktgenerierenden Methoden), zukünf-          schiedlich bezeichneten Kompetenzen inhalt-
tige Gegenwarten solche, die auf Basis von         lich erfasst und eingeordnet werden können.
technologischen, kausalen oder stochastischen      Dieser muss weit genug sein, um die unter-
Verbindungen zukünftiger Ereignisse vorherge-      schiedlich nuancierten Bezeichnungen für ähn-
sagt werden (bspw. Stellenanzeigenanalysen).       liche oder gleiche Kompetenzen zusammenzu-
                                                   fassen und differenziert genug, um
22
unterschiedliche Kompetenzen hinreichend                 Vorgehens in deduktiver, konfirmatorischer
voneinander zu diskriminieren. Als Kategorien-           Weise (nach Mayring 2005), und zwar insofern,
rahmen für den vorzunehmenden Vergleich                  als dass Kompetenzbezeichnungen aus den 12
wird der bereits oben eingeführte Ansatz der             zu untersuchenden Studien immer dann einem
NextSkills-Studie mit ihren 17 Future Skills-Pro-        Kompetenzprofil zugordnet werden, wenn sie
filen herangezogen. Die in der Studie enthalte-          sich auf die Handlungsfähigkeit beziehen, die
nen Profile beschreiben Kompetenzfelder, in-             für das jeweilige Kompetenzprofil definiert ist.
nerhalb derer einzelne Kompetenzen, die für              Diese Definitionen sind ausführlich in der
die Bewältigung von Handlungssituationen                 NextSkills-Studie erarbeitet worden und liegen
ähnlichen Zuschnitts bedeutsam sind, als „Be-            dem Vorgehen zugrunde (s. Tab. 1 und ausführ-
zugskompetenzen“ zugeordnet werden kön-                  lich Ehlers 2020). Dabei wurde in der Bearbei-
nen. Für den Vergleich der Future Skills-Studien         tung durch ein Forscher*innenteam mit zwei
werden daher im Folgenden die 17 Future Ski-             Forscher*innen und einem Prozess der kom-
lls-Profile (s. Tab. 1) herangezogen. Die Zuord-         munikativen Validierung versucht, die Inter-
nung der in den bestehenden Future Skills-Stu-           coderreliabilität zu erhöhen (Mayring 2008).
dien vorhandenen Begrifflichkeiten ist ein qua-          Zur Illustration des Prozesses der Zuordnung
litativ konstruktiver Akt. Dabei besteht die Not-        dient Abbildung 4.
wendigkeit eines qualitativ inhaltsanalytischen

                                        Beispiel: Digitalkompetenz

                                        Beispiel: Systemkompetenz

                                Beispiel: Initiativ- und Leistungskompetenz

 A BBILDUNG 4: BEISPIELE FÜR DAS VORGEHEN BEI DER INHALTSANALYTISCHEN Z UORDNUNG

                                                                                                      23
Zur Aufarbeitung der insg. 252 Future Skills-Be-   mehrdimensional formuliert waren, also meh-
grifflichkeiten und Benennungen aus den 12         rere Kompetenzen umfassen, in ihre jeweilige
analysierten Future Skills-Studien, die zu den     Kompetenzdimensionen ausdifferenziert wur-
17 Future Skills-Profilen zugeordnet werden        den. Insgesamt enthalten die 12 zu untersu-
sollten, wurde so vorgegangen, dass zunächst       chenden Studien 252 auf diese Weise differen-
Kompetenzlisten angefertigt wurden, sofern         zierte, unterschiedliche Future Skills. Diese
diese nicht bereits bestanden. Diese Kompe-        wurden dann – analog zum qualitativen Codie-
tenzlisten wurden insofern bearbeitet, als dass    ren – den 17 Future Skills-Profilen der NextSki-
Kompetenzbezeichnungen,                      die   lls-Studie zugeordnet.

A BBILDUNG 5: VERGLEICHENDE A NALYSE BESTEHENDER FUTURE SKILLS -MODELLE (QUELLEN SIEHE A NHANG)

Im Ergebnis zeigt sich, dass es möglich war,       prozentualen Anteil der zugeordneten Kompe-
eine vollständige Zuordnung aller 252 Kompe-       tenzen der jeweiligen Studie angibt (s. Tab. 2).
tenzen der 12 untersuchten Future Skills-An-       Die Zuordnungsquote lag bei 100%, was bedeu-
sätze zu einem der 17 Future Skills-Profile der    tet, dass alle Future Skills-Bezeichnungen er-
NextSkills-Studie vorzunehmen. Das zeigt der       folgreich zugeordnet werden konnten. Die 17
ermittelte „Zuordnungsquotient“, der den           Profile der NextSkills-Studie können als
24
Rahmenmodell dienen, das einen begrifflich         Der Ansatz, der durch Stifterverband und
kategorialen Vergleich der untersuchten Fu-        McKinsey erarbeitet wurde, liegt bereits in ei-
ture Skills-Ansätze ermöglicht.                    ner zweiten Variante vor. In der jüngeren Vari-
                                                   ante von 2021 wurde dem Ansatz eine neue Di-
Anhand der Zuordnungen der Future Skills-Be-
                                                   mension von Future Skills hinzugefügt, die sog.
zeichnungen aus den 12 zuzuordnenden Future
                                                   transformativen Kompetenzen. Es wird jedoch
Skills-Ansätzen kann festgestellt werden, dass
                                                   nicht angegeben, mittels welcher Methode die
die im Rahmenmodell formulierten Profilbe-
                                                   neu hinzugefügten Future Skills ermittelt wur-
zeichnungen hinreichend präzise sind, um
                                                   den und andere verworfen wurden.
trennscharfe Zuordnungen zuzulassen und an-
dererseits weit genug, um alle in den Future       4.3 Analyse der digitalbezogenen
Skills-Ansätzen thematisierten Bereiche abzu-
                                                   Future Skills
decken.
                                                   In fünf der untersuchten 12 Studien ist der Be-
Zwei der untersuchten Future Skills-Ansätze lis-
                                                   reich der digitalbezogenen Future Skills beson-
ten neben Future Skills noch fachbezogene und
                                                   ders ausdifferenziert und bildet einen Schwer-
branchen- und/oder berufsbezogene Future
                                                   punkt. Im Rahmen der hier vorgenommenen
Skills auf (Agentur Q und TH Nürnberg). Diese
                                                   Analyse wurden alle digitalbezogenen Future
spielen eine besondere Rolle, da sie neben den
                                                   Skills dem Profil Digitalkompetenzen zugeord-
übergreifend wichtigen Future Skills zukünftig
                                                   net. Da den digitalbezogenen Kompetenzen je-
als wichtige Fachkompetenzen in einer be-
                                                   doch eine besondere Bedeutung in vielen An-
stimmten Branche oder einem Beruf verstan-
                                                   sätzen zukommt und ihnen zusätzlich durch
den werden können. Sie wurden in der Tabelle
                                                   spezifische Leitfäden und Kompetenzkonzepte
gesondert ausgewiesen und sind nicht in den
                                                   für Digitalisierung besondere Aufmerksamkeit
Zuordnungsprozess mit eingegangen.
                                                   gewidmet werden, wird für diese Kompeten-
Analysiert man die Häufigkeit der Nennungen        zen hier eine zusätzliche, gesonderte Analyse
innerhalb der jeweiligen Future Skills-Profile,    durchgeführt. Dabei geht es vor allem um die
zeigt sich eine Häufung in folgenden Bereichen:    Frage der inhaltlichen (auf welche Handlungs-
                                                   dispositionen richten sich die Kompetenzen?)
    1. Selbstkompetenz (10 Nennungen) und          und strukturellen (zu welchen Kompetenzdi-
       Lernkompetenz (8 Nennungen) in der
                                                   mensionen gehören die Kompetenzen?) Be-
       individuell-subjektorientierten Dimen-
       sion                                        schaffenheit.
    2. Digitalkompetenz (9 Nennungen) und          Als Analysekategorien wurde dafür auf die vier
       Design Thinking-Kompetenz (8 Nen-           Dimensionen des baacke‘schen Medienkompe-
       nungen) in der individuell-objektbezo-
                                                   tenzansatzes (Quelle) zurückgegriffen. Diese
       genen Dimension
                                                   eigenen sich für einen inter-Kompetenzver-
    3. Kooperationskompetenz (12 Nennun-
                                                   gleich, da es der einzige Ansatz ist, der sowohl
       gen) und Kommunikationskompetenz
       (9 Nennungen) in der organisationbe-        Handlungsdimensionen, wie bspw. Mediennut-
       zogenen Dimension                           zung und Mediengestaltung enthält als auch
                                                   analytisch-reflexive Dimensionen abbilden
Die Future Skills-Profile Selbstbestimmtheit (2)
                                                   kann. Die vier zugrunde liegenden Kompetenz-
und Ethische Kompetenzen sind innerhalb der
                                                   dimensionen teilen sich wie in Tabelle 2 darge-
untersuchten Ansätze diejenigen mit den we-
                                                   stellt auf.
nigsten Nennungen.

                                                                                                25
T ABELLE 2: MEDIENKOMPETENZDIMENSIONEN NACH B AACKE (1997)
A      Medienkritik               Kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten von Medien
A1     analytisch                 angemessenes Erfassen von gesellschaftlichen Prozessen
A2     reflexiv                   das Analysierte auf sich und sein Handeln beziehen
A3     ethisch                    Abklärung der Analyse und Reflexion auf soziale Verantwortung
B      Medienkunde                Wissen über Medien und Mediensysteme
B1     informativ                 Wissen über Abläufe und Strukturen, z.B. wie arbeiten Journalisten
       instrumentell-qualifika-
B2     torisch                    Wissen über die Bedienung bzw. technische Handhabung

C      Mediennutzung              Medien anwenden und interaktive Angebote nutzen
C1     rezeptiv, anwenden         Programm-Nutzungskompetenz, Rezeption
C2     interaktiv, anbieten       interaktives Handeln - über rezeptiv-wahrnehmende Nutzung hinaus
D      Mediengestaltung           Innovative, kreative, ästhetische Veränderungen & Entwicklungen
D1     innovativ                  Veränderungen und Weiterentwicklung des Mediensystems
D2     kreativ                    Neue, kreative, ästhetische Innovationen

Innerhalb der 12 untersuchten Studien wurde                zweiten Schritt wurden diejenigen Kompeten-
zunächst eine Basisliste mit allen 93 Kompeten-            zen zugeordnet, für die es keine unmittelbaren
zen erstellt, die im ersten Analyseschritt der             Entsprechungen in den Medienkompetenzdi-
Kategorie der „Digitalkompetenzen“ zugeord-                mension gab, da sie bspw. lediglich einen The-
net worden waren (s. Abb. 5 zur Illustration).             menbereich bezeichnen, aber keine Hand-
Bei den meisten der in den derzeit vorliegen-              lungskompetenzformulierung           darstellen
den Studien enthaltenen Digitalkompetenzen                 (bspw. „Cybersecurtity“). Mit diesen Kompe-
fällt auf, dass keine eindeutige Definition zu             tenzen wurde so verfahren, dass sie als „An-
den aufgeführten digitalen Future Skills ange-             wendung und Implementierung von Konzepten
geben wird (bspw. „Cybersecurity“ als Future               im jeweiligen Themenbereich“ verstanden
Skill). Daher wurde bei der Zuordnung                      wurden. Das Themenstichwort „Cybersecurity“
mehrschrittig vorgegangen. In einem ersten                 wurde insofern als „Anwendung und Imple-
Schritt wurden diejenigen Kompetenzen den                  mentierung von Konzepten im Themenfeld Cy-
vier Dimensionen und Unterdimensionen des                  bersecurity“ interpretiert und daher der Kate-
Medienkompetenzmodells zugeordnet, die                     gorie C1 (Mediennutzung, rezeptiv) zugeord-
sich inhaltlich eindeutig zuordnen ließen. Im              net.

26
A BBILDUNG 6: BEGRIFFSWOLKE MIT DEN BEZEICHNUNGEN IM BEREICH D IGITALKOMPETENZEN

Durch dieses Vorgehen konnten alle 93 Future         Kompetenzen zugeordnet werden.
Skills im Bereich der digitalbezogenen               Abbildung 7 zeigt das Ergebnis.

A BBILDUNG 7: D IGITALE F UTURE SKILLS IM VERGLEICHENDEN ÜBERBLICK

27
Die Analyse zeigt, dass es eine überproportio-         (D2) ist mit nur zwei Nennungen am schwächs-
nal starke Besetzung der Mediennutzungsdi-             ten überhaupt besetzt. Die innovative Medien-
menion innerhalb der digitalbezogenen Future           gestaltung (D1) ist mit insg. 11 Nennungen stär-
Skills gibt. Fast jede zweite dieser Skills fällt in   ker ausgeprägt.
diesen Bereich (42 von 93). Die Dimension der
                                                       Im Bereich der digitalbezogenen Future Skill
Medienkunde ist mit insgesamt 23 von 93 Nen-
                                                       Nennungen kann den untersuchten Konzepten
nungen ebenfalls stark ausgeprägt. Dabei liegt
                                                       – mit den genannten Ausnahmen – also attes-
der Schwerpunkt auf den instrumentell-qualifi-
                                                       tiert werden, dass sie sich weniger auf einen
katorischen Handlungsfähigkeiten (18 Nennun-
                                                       kreativ gestaltenden, gesellschaftlich reflek-
gen). Damit sind in den vorliegenden Future
                                                       tierten und ethisch fundierten Umgang mit ei-
Skills-Ansätzen solche digitalen Kompetenzen,
                                                       ner ungewissen digitalen Zukunft beziehen
die sich auf rezeptive und interaktive Nutzungs-
                                                       denn vielmehr darauf, bestehende Konzepte zu
kompetenz sowie Wissen über Medien (infor-
                                                       nutzen und anzuwenden. Eine Weiterentwick-
mative Unterdimension) und die instrumentell-
                                                       lung der digitalbezogenen Future Skills inner-
qualifikatorische Nutzung beziehen, am stärks-
                                                       halb der bestehenden Future Skills-Ansätze ist
ten ausgeprägt.
                                                       insofern sowohl strukturell (zu welchen Kom-
Im Gegensatz dazu sind reflexiv-ethische As-           petenzdimensionen gehören die Kompeten-
pekte und auch Fähigkeiten, die gesellschaftli-        zen?) als auch inhaltlich (auf welche Hand-
chen Folgen der Digitalisierung zu analysieren,        lungsdispositionen richten sich die Kompeten-
die in der Dimension der Medienkritik zusam-           zen?) notwendig.
mengefasst sind, stark unterproportional be-
setzt. Insgesamt fallen nur 15 der 93 Nennun-
gen auf die drei Unterdimensionen der Medi-
enkritik: ethisch (4), reflexiv (3) und analytisch
(8). Das zeichnet ein Bild von Future Skills-An-
sätzen, die vor allem auf Nutzung und Anwen-
dung und Implementation (Dimensionen B & C)
fokussiert sind, während eine reflexiv hinter-
fragende Positionsbestimmung der digitalen
Handlungsfähigkeiten sich in den analysierten
Future Skills-Ansätzen nicht stark nieder-
schlägt. Lediglich Stifterverband (2021), Ehlers
(2020) und Agentur Q (2021) benennen über-
haupt ethisch-digitale Kompetenzen explizit.

Die vierte Dimension, die kreative Medienge-
staltung, ist schließlich am schwächsten ausge-
prägt. Eigentlich geht es hierbei um eine refle-
xiv-kreative Handlungsfähigkeit, um innovativ
neue kreative Lösungsmöglichkeiten für bis-
lang unbekannte Probleme entwickeln zu kön-
nen und dabei durchaus auch ästhetische Ver-
änderungen Entwicklungen zu erschaffen. Die
Unterdimension kreative Mediengestaltung

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