Länderreport 37 Republik Moldau - Politische Situation und Menschenrechtslage Stand: 06/2021 - BAMF

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Länderreport 37 Republik Moldau - Politische Situation und Menschenrechtslage Stand: 06/2021 - BAMF
Länderreport 37
         Republik Moldau
         Politische Situation und Menschenrechtslage

         Stand: 06/2021

Asyl und Flüchtlingsschutz

                                                       Länderanalysen
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Länderreport Republik Moldau

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Länderreport 37 Republik Moldau - Politische Situation und Menschenrechtslage Stand: 06/2021 - BAMF
Länderreport Republik Moldau

Abstrakt
Seit ihrer Unabhängigkeit und insbesondere dem Abschluss eines Assoziierungsabkommens mit der EU bemüht
sich die Republik Moldau in wechselnder Intensität um eine Annäherung an europäische Standards hinsichtlich
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Das multiethnische Land zwischen Rumänien und der Ukraine ist
dabei mit vielfältigen inneren wie äußeren Herausforderungen konfrontiert. Der vorliegende Länderreport
beleuchtet die Fortschritte und Defizite hinsichtlich der Menschenrechtslage unter Berücksichtigung der
politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre.

Abstract
Since its independence and, in particular, since the conclusion of the Moldova-EU Association Agreement, the
Republic of Moldova has been striving to move closer to European standards with regards to rule of law and
human rights. However, the multi-ethnic and landlocked country between Romania and Ukraine is still facing
various internal and external challenges. This country report examines the progress and deficits concerning the
human rights situation in Moldova, taking into account the political developments of the past years.
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Inhaltsverzeichnis

1.     Allgemeine politische Lage ............................................................................... 2
  1.1. Hintergrund ............................................................................................. 2
  1.2. Politisches System & Parteiensystem ...................................................... 3
  1.3. Rechtsstaatlichkeit................................................................................... 4
  1.4. Politische Lage in Gagausien .................................................................... 5
  1.5 Politische Lage in Transnistrien ................................................................ 6

2.     Menschenrechtslage .......................................................................................... 8
  2.1. Rechtlicher Rahmen................................................................................. 8
  2.2. Ethnische Zugehörigkeit und Religionszugehörigkeit ............................... 8
  2.3. Politische Betätigungsfreiheit ................................................................ 10
  2.4. Presse- und Meinungsfreiheit ................................................................ 10
  2.5. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit .............................................. 11
  2.6. Wehr- und Ersatzdienst ......................................................................... 12
  2.7. Situation von LGBTI................................................................................ 12
  2.8. Situation von Frauen und Kindern ......................................................... 13
  2.9. Menschenhandel ................................................................................... 13
  2.10. Häusliche Gewalt................................................................................ 14
  2.11. Folter, Haftbedingungen und willkürliche Verhaftungen .................... 15
  2.12. Todesstrafe ........................................................................................ 15
  2.13. Lage in Gagausien............................................................................... 15
  2.14. Lage in Transnistrien .......................................................................... 15

3.     Fazit & Ausblick ................................................................................................ 17

4.     Literaturverzeichnis ......................................................................................... 18
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1. Allgemeine politische Lage

1.1. Hintergrund
Die Republik Moldau befindet sich seit Ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1991 in einem Spannungsverhältnis
zwischen westlichen und russlandorientierten Kräften. Das heutige Staatsgebiet umfasst den Großteil der
historischen Region Bessarabien, die als Pufferzone zwischen den angrenzenden Großmächten über
Jahrhunderte konkurrierenden politischen Einflüssen ausgesetzt war. Nach langer Zugehörigkeit zum
Einflussbereich des Osmanischen Reiches fiel Bessarabien zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter die Herrschaft
des Russischen Kaiserreiches. Im Zuge des Untergangs des zaristischen Russlands im Ersten Weltkrieg erfolgte
die staatliche Vereinigung Bessarabiens mit Rumänien, ein Schritt, der von der neuen russischen
Sowjetregierung nicht anerkannt und durch die politische Neuordnung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg
seitens der Sowjetunion revidiert wurde. Bis zu deren Auflösung war das Gebiet schließlich als Moldauische
Sozialistische Sowjetrepublik eine Unionsrepublik des sowjetischen Staates. In der heutigen Republik Moldau
erschweren ein ungelöster Territorialkonflikt, anhaltende Defizite im Rechtssystem und äußere politische
Einflussfaktoren die Entwicklung des Landes. Die rumänische Sprache ist Amtssprache der Republik Moldau, sie
wurde bis 2013 offiziell als „moldauische Sprache“ bezeichnet und war so auch in der Verfassung
festgeschrieben. Da es sich de facto um ein und dieselbe Sprache handelt, gilt der Gebrauch des Begriffs
„moldauische Sprache“ oft als Ausdruck sprachlichen Separatismus, der auf die Zeit der Zugehörigkeit des
heutigen Moldaus zur Sowjetunion zurückgeht. Im offiziellen Gebrauch wird der Begriff heute nur noch im
separatistischen Landesteil Transnistrien verwendet. 1 Die Hauptstadt und zugleich bevölkerungsreichste Stadt
des Landes ist Chişinău; weitere größere Städte sind Bălți, Comrat, Bender und Tiraspol, wobei die beiden
letztgenannten aufgrund des Transnistrien-Konflikts derzeit nicht unter der Kontrolle der moldauischen
Zentralregierung stehen. Die Republik Moldau ist – mit Ausnahme der autonomen bzw. separatistischen
Landesteile Gagausien und Transnistrien – zentralstaatlich organisiert. Nach Zensusangaben von 2014 wurde
eine Bevölkerung von knapp 3 Mio. Menschen in der Republik Moldau erfasst 2, ohne Einschluss des Gebietes
Transnistrien.

Die Republik Moldau nimmt an der Östlichen Partnerschaft der Europäischen Union teil, die auf eine
Vertiefung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der jeweiligen Partnerländer mit der EU abzielt. In
diesem Zusammenhang kam es 2014 zur Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens zwischen der
Republik Moldau und der EU 3; ebenfalls wurde das Visaregime für die Einreise moldauischer Staatsangehöriger
seitens der EU gelockert. 4 Die wesentlichen Anliegen der EU in den Beziehungen zur Republik Moldau
umfassen u.a. die Förderung von Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung sowie
die Unterstützung der territorialen Integrität des Landes innerhalb seiner völkerrechtlich anerkannten
Grenzen. 5

Moldau grenzt als Binnenstaat an die Ukraine und Rumänien; mit letzterem teilt es eine enge historisch-
kulturelle Verbundenheit aufgrund der gemeinsamen Sprache und zeitweisen staatlichen Einheit im Königreich
Rumänien („Großrumänien“) zwischen den beiden Weltkriegen. Politische Überlegungen über eine staatliche
Vereinigung mit Rumänien spielten vor allen Dingen im Rahmen des moldauischen Unabhängigkeitsprozesses
zu Beginn der 1990er Jahre noch eine Rolle, in den heutigen politischen Beziehungen zwischen beiden Ländern
sind sie allerdings weitgehend von der politischen Agenda verschwunden. Rumänien unterstützt als EU-
Mitgliedsstaat grundsätzlich den Assoziierungsprozess des moldauischen Nachbarn und gewährt moldauischen
Staatsangehörigen durch eine entsprechend offen gehaltene Vergabepraxis bevorzugt rumänische Reisepässe. 6

1
    Dort als eine der drei Amtssprachen neben Russisch und Ukrainisch.
2   National Bureau of Statistics of the Republic of Moldova: The Population of the Republic of Moldova at the time of the Census was
    2,998,235, 31.03.2017
3   EUR-Lex: Association Agreement between the European Union and the European Atomic Energy Community and their Member States, of
    the one part, and the Republic of Moldova, of the other part, 30.08.2014
4
    Eine visafreie Einreise in die EU für moldauische Staatsbürger ist seither für bis zu 90 Tage pro Halbjahr möglich, vgl. auch European
    Commission, Association Implementation Report on Moldova, 11.09.2019, S. 18
5   European External Action Service: Facts and Figures about EU-Moldova Relations, 10.06.2020
6
    Judah, Tim: Die „existenzielle“ Bevölkerungskrise von Moldau, 27.08.2020
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Durch diese Praxis erlangten bereits vor Abschluss des Assoziierungsabkommens zahlreiche moldauische
Staatsangehörige Zugang zum europäischen Arbeits- und Binnenmarkt.

Mit der Ukraine teilt die Republik Moldau die gemeinsame politisch-ökonomische Assoziierung zur EU im
Rahmen der Östlichen Partnerschaft, außerdem stellt der ethnisch ukrainische Bevölkerungsteil eine der
zahlenmäßig größten Minderheiten in Moldau. 7 Aufgrund der langen historischen Zugehörigkeit des
Staatsgebietes der heutigen Republik Moldau zum Russischen Zarenreich und später zur Sowjetunion sowie der
aktiven Rolle der Russischen Föderation insbesondere im Transnistrien-Konflikt sind die moldauisch-russischen
Beziehungen von besonderer innen- wie außenpolitischer Bedeutung und Schauplatz anhaltender Konflikte im
politischen System des Landes.

1.2. Politisches System & Parteiensystem
Nach dem Zerfall der Sowjetunion konstituierte sich das unabhängige Moldau als demokratische
parlamentarische Republik 8, die sich laut Verfassung zu den Grund- und Menschenrechten sowie zum
politischen Pluralismus und zur Gewaltenteilung bekennt. Das Parlament der Republik Moldau besteht derzeit
aus insgesamt 101 Sitzen, von denen bis einschließlich der Parlamentswahl 2019 in einem gemischten
Wahlsystem 51 Sitze in Einzelwahlkreisen und 50 Sitze über Parteienlisten gewählt wurden. 9 Mit einer
Gesetzesnovellierung vom 15.08.2019 wurde ein reines Verhältniswahlrecht für die 101 Sitze eingeführt. 10 Es
gilt eine Sperrhürde von 5% der abgegebenen gültigen Stimmen für Einzelparteien; Wahlblöcke benötigen
mindestens 7% und unabhängige Kandidatinnen bzw. Kandidaten mindestens 2% der Stimmen für den Einzug
in das Parlament. 11 Die Präsidentin bzw. der Präsident der Republik Moldau wurde bis 1996 und erneut seit
2016 per landesweiter Direktwahl bestimmt, in der Zwischenzeit erfolgte die Wahl per 3/5 Mehrheit durch das
moldauische Parlament. Das Amt ist hauptsächlich mit repräsentativen und außenpolitischen Kompetenzen
ausgestattet, während die exekutive Regierungsarbeit durch das dem Parlament verantwortlichen Kabinett
unter Vorsitz der Ministerpräsidentin bzw. des Ministerpräsidenten ausgeübt wird.

Das politische System der Republik Moldau ist zwar grundsätzlich pluralistisch und parlamentarisch
ausgerichtet, jedoch von anhaltend starker Krisenanfälligkeit und Polarisierung unter den politischen Akteuren
geprägt. Insbesondere 2009 und 2019 mündeten die Ergebnisse von Parlamentswahlen in Verfassungskrisen
und offenbarten in beiden Fällen ein labiles Zusammenspiel der legislativen, exekutiven und judikativen
Verfassungsorgane in der politischen Praxis. 2009 kam es nach dem umstrittenen Wahlsieg der bis dahin
alleinregierenden Partei der Kommunisten der Republik Moldau (PCRM) zu gewalttätigen Straßenschlachten
und zahlreichen Verhaftungen von Demonstrierenden in Chişinău; zudem scheiterte in zwei Wahlgängen die
Wahl eines neuen Staatsoberhauptes im Parlament. 12 Die darauf verfassungsgemäß notwendig gewordene
Neuwahl des Parlaments im Juli 2009 erbrachte zwar eine knappe Mehrheit für die Opposition, jedoch konnte
das Amt des Staatsoberhaupts nach Rücktritt von Präsident Vladimir Voronin (PCRM) in Ermangelung einer 3/5-
Mehrheit lediglich kommissarisch mit dem Parlamentssprecher Mihai Ghimpu (Liberale Partei Moldaus) besetzt
werden. 13 Erst 2012 wurde mit dem parteilosen Richter Nicolae Timofti wieder regulär ein Staatsoberhaupt im
Parlament gewählt. 14

2019 kam es im Zuge der Regierungsbildung nach der Parlamentswahl zur vorübergehenden Suspendierung
des damaligen Staatspräsidenten Dodon durch das moldauische Verfassungsgericht aufgrund der Auffassung
des Gerichts, dass Dodon dessen Anordnung zur Auflösung des gerade gewählten Parlaments missachtet
habe. 15 Die Auflösung des Parlaments war vom Verfassungsgericht angeordnet worden, da nach dessen

7
   Vgl. Kapitel 2.2.
8  U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 1
9 Bundeszentrale für politische Bildung: Parlamentswahlen in Moldau, 26.02.2019
10 Justizministerium der Republik Moldau: Gesetz Nr. 113 zur Änderung einiger Rechtsakte, russische Version, 15.08.2019
11 Ebd., Artikel 94 des Gesetzes
12
   Moser, Stefanie: Von der Krise zum Aufbruch? Die Republik Moldau nach dem Regierungswechsel, Februar 2010, S. 2
13 Ebd., S. 4
14 BBC: Nicolae Timofti finally elected Moldova President, 16.03.2012
15
   Deutsche Welle: Moldaus Präsident Dodon entmachtet, 09.06.2019
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Auffassung die Regierungsbildung nicht in der verfassungsmäßigen Frist von drei Monaten erfolgt war. 16
Letztlich wurde die Legitimität der neugewählten Regierung unter Ministerpräsidentin Maia Sandu durch das
Verfassungsgericht jedoch anerkannt, ebenso konnte Staatspräsident Dodon sein Amt wieder ausüben.

Das Parteiensystem der Republik Moldau ist bislang von Unbeständigkeit und rasch wechselnden Allianzen
unter den politischen Parteien geprägt. Eine der stärksten Kräfte im derzeitigen Parteienspektrum ist die Partei
der Sozialisten der Republik Moldau (PSRM); sie stellte mit Igor Dodon von 2016 bis 2020 den
Staatspräsidenten und ging als stärkste Einzelkraft aus den Parlamentswahlen 2014 und 2019 hervor. 17 Ab der
Parlamentswahl 2014 gelang es der PRSM erfolgreich das russischsprachige bzw. russlandorientierte
Wählerspektrum anzusprechen, welches zuvor als Stammklientel der PCRM galt. Die PCRM konnte von 2001
bis 2009 eine absolute parlamentarische Mehrheit einnehmen sowie die Position des Staatspräsidenten mit
ihrem Parteivorsitzenden Vladimir Voronin besetzen. Bei der Wahl 2019 scheiterte die Partie jedoch an der
Sperrhürde für den Einzug in das Parlament.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums konstituierte sich eine Vielzahl an Parteien des zentristischen
bzw. liberalen politischen Spektrums, die nach dem Machtverlust der PCRM ab 2009 in verschiedenen
kurzlebigen Wahlbündnissen (Allianz für europäische Integration 2009-2013, Pro-europäische Koalition 2013-
2015, Politische Allianz für ein Europäisches Moldau 2015, Allianz für europäische Integration III 2015-2016) in
der moldauischen Regierung offiziell eine zur EU gerichtete Annäherungspolitik verfolgten. Diese fand
schließlich ihren Höhepunkt im Abschluss des EU-Moldau-Assoziierungsabkommens 2014, das seither den
Rahmen der offiziellen Beziehungen zwischen beiden Seiten festlegt. Nach der Parlamentswahl 2014 konnten
die pro-europäischen Parteien weiterhin eine parlamentarische Mehrheit einnehmen, die innenpolitische und
rechtsstaatliche Lage verschlechterte sich jedoch zunehmend. 18 Zu den gegenwärtig im Parlament vertretenen
Parteien des liberalen und reformorientierten Spektrums gehören die Partei der Aktion und Solidarität (PAS)
sowie die Plattform Würde und Wahrheit (Platforma DA), die zur Parlamentswahl 2019 ein gemeinsames
Wahlbündnis bildeten. Die ehemalige Ministerpräsidentin und heutige Staatspräsidentin Maia Sandu war bis
Ende 2020 Parteivorsitzende der PAS. Ebenfalls in das Parlament zogen bei der Wahl 2019 die Demokratische
Partei Moldaus (PDM) sowie die Șor-Partei des Geschäftsmanns Ilan Șor ein. Die nächste Parlamentswahl findet
am 11.07.2021 als vorgezogene Wahl statt.

1.3. Rechtsstaatlichkeit
Zu den zentralen Problemfeldern der Republik Moldau zählen die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz und die
schwach ausgeprägte Bereitschaft der Strafverfolgungsbehörden zur Verurteilung von amtstragenden
Personen bei Korruption und Menschenrechtsverletzungen. 19 Während der 2010er Jahren verdichtete sich das
internationale Bild der Republik Moldau als sogenannter „captured state“ 20 infolge von Korruptionsskandalen
und des politischen Einflusses oligarchischer Akteure. Als Schlüsselfigur in Wirtschaft und Politik galt dabei der
Oligarch Vladimir Plahotniuc 21, der zugleich als Parteivorsitzender der zeitweise an der Regierung beteiligten
PDM fungierte. Nach der Parlamentswahl 2019 wurde die PDM zunächst in die Opposition verwiesen;
Plahotniuc setzte sich wenig später nach mutmaßlichem Erhalt persönlicher Drohungen in das Ausland ab. 22
Die moldauischen Behörden erwirkten später einen internationalen Haftbefehl gegen ihn. 23

Als Beispiel systemischer Korruption der jüngeren Vergangenheit gilt vor allem das Verschwinden von
insgesamt rund einer Milliarde US-Dollar über zweifelhafte Kredite an ausländische Firmen von drei
moldauischen Banken im Jahr 2014. 24 In der Folge kam es u.a. zur Verhaftung des ehemaligen moldauischen
Ministerpräsidenten und mutmaßlich Beteiligten Vladimir Filat, der zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt

16
   Ebd.
17 Bundeszentrale für politische Bildung: Parlamentswahlen in Moldau, 26.02.2019
18 Vgl. Kapitel 1.3.
19 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 1-2
20 Transparency International Moldova: State Capture: The Case of the Republic of Moldova, 16.07.2017
21
   Ebd.; Sieg, Martin/Avram, Andrei: Republik Moldau: Maia Sandu zur Präsidentin gewählt, November 2020
22 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2011, S. 29
23 Ebd.
24
   Popsoi, Mihail: Anti-Corruption Policy Failure: The Case of Moldova’s Billion Dollar Scandal, Juni 2017
Länderreport Republik Moldau                                                                                                               5

wurde. 25 Der Vorsitzende der Șor-Partei, Ilan Șor, wurde wegen Geldwäsche im Zusammenhang mit dem
Skandal zu einer Haftstrafe von 7,5 Jahren verurteilt, gegen die er Berufung einlegte. 26

Mit der Wahl Maia Sandus zur neuen Staatspräsidentin im November 2020 verbinden sich Erwartungen auf
einen reformorientierten Kurs der Republik Moldau hinsichtlich der Stärkung rechtsstaatlicher Mechanismen. 27
Die ehemalige Ministerpräsidentin stützte sich im Wahlkampf auf eine dezidierte Antikorruptions- und
Modernisierungsagenda 28, ist aber in innenpolitischen Fragen auf ein konstruktives Zusammenspiel unter den
parlamentarischen Kräften angewiesen. 29 Im Kontext der Amtsübergabe kam es im Dezember 2020 erneut zu
größeren Demonstrationen in der Hauptstadt Chişinău zur Unterstützung der neugewählten Präsidentin, als
Vorstöße im Parlament zur Einschränkung der präsidialen Kompetenzen in die Öffentlichkeit drangen. 30 Im
Frühjahr 2021 spitzte sich die innenpolitische Lage zwischen Präsidentin Sandu und der Parlamentsmehrheit
unter Führung der PSRM um die Frage der Herbeiführung einer vorgezogenen Parlamentsneuwahl zu einer
erneuten Verfassungskrise zu. Der Europarat äußerte sich besorgt über ein verfassungswidriges
Misstrauensvotum der Parlamentsmehrheit gegen mehrere Richter des Verfassungsgerichts 31, welches zuvor
die von Präsidentin Sandu beabsichtigte Auflösung des 2019 gewählten Parlaments als rechtmäßig
anerkannte. 32

Die Bekämpfung der Korruption stellt nach wie vor eine zentrale Herausforderung der moldauischen Politik
dar. 33 Im Korruptionswahrnehmungsindex 2020 von Transparency International befindet sich die Republik
Moldau auf dem 115. Platz von 180 untersuchten Staaten. 34 Trotz einer Vielzahl rechtlicher und institutioneller
Reformen in den vergangenen Jahren sind die praktischen Defizite bei der Korruptionsbekämpfung nach wie
vor evident 35, insbesondere mit Blick auf den niedrigen wirtschaftlichen Entwicklungsstatus des Landes. Mit
einem Bruttoinlandsprodukt von rund 11,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 ist die Republik Moldau eines der
ärmsten Länder in Europa. 36 Infolgedessen hat ein großer Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung das Land
verlassen. Als Zielsektoren zur Arbeitsmigration für moldauische Staatsangehörige gelten insbesondere das
Sozial- und Baugewerbe in EU-Ländern und in der Russischen Föderation. 37 Nach einer Studie der Vereinten
Nationen könnte die Bevölkerung der Republik Moldau bis 2035 infolge des massiven Bevölkerungsrückgangs
auf rund 2,08 Mio. schrumpfen. 38

1.4. Politische Lage in Gagausien
Das im Süden Moldaus liegende und auf mehrere geographisch voneinander getrennten Verwaltungseinheiten
verteilte Gebiet Gagausien (offiziell: Autonome Territoriale Einheit Gagausien) verfügt als Siedlungsgebiet der
gagausischen Minderheit über einen speziellen Autonomiestatus, der innerhalb der moldauischen Verfassung
verankert ist. 39 Im Gegensatz zur moldauischen Mehrheitsbevölkerung und den ansässigen slawischen
Minderheiten in der Republik Moldau handelt es sich bei der gagausischen Volksgruppe um ein überwiegend
christlich-orthodoxes Turkvolk, dessen Sprache als Varietät des Türkischen gilt. Nach Zensusangaben betrug die
Bevölkerung im Jahr 2014 rund 147.500 Personen. 40

25
   bne IntelliNews: Moldovan ex-premier Filat jailed for 9 years in $1bn bank fraud case, 27.06.2016
26 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 29
27
   Minzarari, Dumitru: Moldovan Presidential Elections Driven by Insecurity Not Geopolitics, Dezember 2020
28
   Milewski, Oktawian: Challenging the status quo in Moldova. What now after Maia Sandu´s victory?, 01.12.2020
29 Cenusa, Denis: Moldovans elected an anti-corruption president, avoiding „colour revolution“, 18.11.2020
30 Euronews: Thousands protest in call for resignation of Moldovan government, 06.12.2020
31 Council of Europe: CONSTITUTIONAL CRISIS IN THE REPUBLIC OF MOLDOVA – call for restraint and dialogue – Parliament should repeal

   today’s decision - statement by President Buquicchio, 23.04.2021
32 Dulgher, Maria: Constitutional Court decided that Parliament can be dissolved. The next question: When there will be snap elections?,

   15.04.2021
33 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 2
34 Transparency International: Korruptionswahrnehmungsindex 2020, Tabellarische Rangliste
35 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 30
36 Nach Angaben der Weltbank, Moldova Overview 2020, 06.04.2021
37
   Stemmer, Anna: The Republic of Moldova and the Migration, 09.10.2011, S. 43
38 Gagauz, Olga et al.: Population Situation Analysis in the Republic of Moldova, 2016, S. 9
39 Verfassungsgericht der Republik Moldau: Art. 111 der moldauischen Verfassung
40
   Minority Rights Group International: Moldova, Roma, Januar 2018
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Ähnlich wie in Transnistrien kam es infolge der „Rumänisierungspolitik“ der moldauischen Regierung Anfang
der 1990er Jahre zu einer faktischen Sezession Gagausiens, im weiteren Verlauf nach erfolgreichen
Verhandlungen jedoch zu einer Wiedereingliederung des Gebiets in den Staatsverband der Republik Moldau.
Präzisiert ist der Autonomiestatus durch ein entsprechendes Gesetz des moldauischen Parlaments aus dem
Jahr 1994. 41 Demnach besitzt Gagausien eigene politische Institutionen wie ein Parlament und ein direkt
gewähltes Regierungsoberhaupt. Außerdem hält das Gesetz in Artikel 1 fest, dass Gagausien das Recht auf
externe Selbstbestimmung für den Fall gewährt wird, dass die Republik Moldau ihren Status als unabhängiger
Staat verlieren sollte. 42

Die politischen Beziehungen zwischen Gagausien und der Republik Moldau waren in den vergangenen Jahren
von Spannungen geprägt. Insbesondere stößt die Annäherungspolitik der Republik Moldau an die EU auf
Skepsis in Gagausien, das enge Beziehungen zur Türkei und zur Russischen Föderation unterhält. 43 Tatsächlich
votierten über 98% der teilnehmenden gagausischen Bevölkerung in einem umstrittenen Referendum 2014 für
eine Aufnahme in der unter russischer Ägide stehenden Eurasischen Zollunion. 44 Das Referendum selbst fand
gegen den Willen der moldauischen Zentralregierung statt, wurde jedoch seitens der Russischen Föderation
unterstützt. 45

1.5        Politische Lage in Transnistrien
Die im Osten der Republik Moldau jenseits des Dnjestr-Flusses liegende Region Transnistrien hat sich infolge
des moldauischen Unabhängigkeitsprozesses Anfang der 1990er Jahre in einem bewaffneten Konflikt gegen die
Zentralregierung in Chișinău abgespalten und seither unter der Bezeichnung „Pridnestrowische Moldauische
Republik (PMR)“ de facto eigenstaatliche Strukturen aufgebaut. Völkerrechtlich gilt sie jedoch nach wie vor als
Teil der Republik Moldau. Als Hauptgrund der damaligen Sezession galt vor allem der Widerwille der ethnisch
heterogen geprägten Bevölkerung des Gebiets gegenüber der als nationalistisch wahrgenommenen Politik der
moldauischen Regierung sowie der zeitweisen Forderung einflussreicher politischer Kräfte in Chișinău nach
einer Vereinigung mit dem rumänischen Nachbarland. 46 Transnistrien ist zudem mit weiteren
Sezessionsgebieten im postsowjetischen Raum – Abchasien, Südossetien und Bergkarabach – in der
„Gemeinschaft nicht-anerkannter Staaten“ verbunden, die sich gegenseitig anerkennen. 47

Obgleich bis heute ohne jegliche offizielle internationale Anerkennung, steht Transnistrien faktisch unter
weitgehender Abhängigkeit von der Russischen Föderation. 48 Seit dem Ende der Kampfhandlungen 1992 durch
einen Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien ist der Transnistrien-Konflikt einer der ungelösten
„eingefrorenen Konflikte“ im postsowjetischen Raum. Russische Streitkräfte überwachen seither auf Seiten
Transnistriens offiziell als friedenssichernde Truppen die Einhaltung des Status Quo. 49 Der seit langem von der
Republik Moldau erhobenen Forderung nach einem Abzug des russischen Militärs aus Transnistrien ist die
Russische Föderation bislang nicht nachgekommen. 50 Zuletzt bekräftigte Staatspräsidentin Maia Sandu kurz vor
ihrem Amtsantritt im Dezember 2020 erneut die Forderung nach einem Truppenabzug sowie der Einsetzung
einer zivilen Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und
stieß damit auf Ablehnung seitens der russischen Regierung. 51

41 Regione Autonoma Trentino-Alto Adige/Südtirol: The Law on the Special Legal Status of Gagauzia, (Gagauz Yeri), englische Version, ohne
   Datum
42 Ebd.
43 Goble, Paul: Moscow Concerned About Turkish Influence on the Gagauz, 10.12.2020
44 Büscher, Klemens: Der Transnistrienkonflikt im Lichte der Ukraine-Krise, Juli 2016, S. 39
45
   Ebd.
46 Dulgher, Maria: Fighting for human rights in Transnistria – using all legal means or not using them at all, 22.05.2021; Heinemann-Grüder,

   Andreas: Postsowjetische De-Facto-Regime, 20.11.2020
47 Ebd.
48 Ebd.
49
   Ebd.
50 Lins de Albuquerque, Adriana/Hedenskog, Jakob: Moldova. A Defence Sector Reform Assessment, Swedish Armed Forces, Dezember

   2016, S. 18-19
51
   Nienhuysen, Frank: Streit um russisches Faustpfand, 03.12.2020
Länderreport Republik Moldau                                                                                                                 7

Die moldauischen Behörden üben bis dato keinerlei Kontrolle über das Gebiet Transnistriens aus. Zahlreiche
Vermittlungsversuche, primär im sogenannten „5+2-Format“ 52, konnten bislang keinen Durchbruch zur Lösung
des Konflikts erzielen. Zur Friedens- und Grenzsicherung existieren weitere institutionelle Plattformen zwischen
den Konfliktparteien wie die Joint Control Commission (JCC) unter russischer Beteiligung sowie die European
Union Border Assistance Mission to Moldova and Ukraine (EUBAM). Für die OSZE ist seit Januar 2020 der
Österreicher Thomas Mayr-Harting als Sonderbeauftragter für die Beilegung des Transnistrien-Konflikts
eingesetzt, der als Mediator zwischen den Parteien fungieren soll. 53 Ein zuletzt im Juli 2020 erfolgtes
persönliches Treffen des moldauischen Präsidenten Igor Dodon mit dem transnistrischen de-facto-
Staatsoberhaupt brachte keine Fortschritte bei der Konfliktlösung. 54

Trotz der Existenz quasi-staatlicher Strukturen und der Abhaltung von Wahlen kann von freier demokratischer
Partizipation in Transnistrien nicht gesprochen werden. 55 Es existiert zwar formal ein Multiparteiensystem,
jedoch konzentriert sich die politische Macht auf das Staatsoberhaupt und die derzeit dominierende
„Republikanische Partei – Erneuerung“ (russisch: Обновление/Obnovlenie). Alle wesentlichen politischen
Kräfte betonen die enge Verbundenheit zur Russischen Föderation und lehnen bislang eine Wiederannäherung
oder gar Wiedervereinigung mit dem moldauischen Staat grundsätzlich ab. 56 Großen Einfluss auf Politik und
Wirtschaft wird dem Mischkonzern Sheriff zugeschrieben, der als reichstes und einflussreichstes Unternehmen
in Transnistrien gilt und in weiten Teilen des ökonomischen Sektors eine faktische Monopolstellung
einnimmt. 57 Die jüngsten „Parlamentswahlen“ im November 2020 ergaben eine Wahlbeteiligung von rund
28%; in 23 von 33 Wahlkreisen trat dabei lediglich ein Kandidat der Regierungspartei Obnovlenie an, die nun 29
der 33 Parlamentssitze hält. 58 Die restlichen vier Sitze gingen an formal unabhängige Kandidaten mit
mutmaßlich engen Verbindungen zur Obnovlenie-Partei und zum Sheriff-Konzern. 59 Als „Präsident“
Transnistriens amtiert seit 2016 Vadim Krasnoselsky.

In den internationalen Fokus geriet der Transnistrien-Konflikt zeitweise wieder ab 2014 durch die politischen
Ereignisse in der benachbarten Ukraine. Nach Vorbild der im März 2014 erfolgten russischen Annexion der
ukrainischen Halbinsel Krim stellte die transnistrische de-facto-Regierung einen (folgenlosen) Beitrittsantrag an
die Russische Föderation. 60 Durch die infolge der Krise eingetretene rapide Verschlechterung der Beziehungen
zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation entstand zugleich auch für Transnistrien eine Zuspitzung
der politischen und wirtschaftlichen Lage, als die ukrainische Regierung die Versorgung der russischen Truppen
in Transnistrien auf dem Landweg einstellte und intensivere Grenzkontrollen zu Transnistrien einführte. 61

52 Bestehend aus den Mediatoren Russland, Ukraine, USA, der EU und der OSZE sowie den beiden Konfliktparteien Moldau und
   Transnistrien/“Pridnestrowische Moldauische Republik“.
53 OSCE: Thomas Mayr-Harting, Special Representative of the OSCE Chairperson-in-Office for the Transdnestrian Settlement Process, ohne

   Datum
54 Amnesty International: Moldova 2020, ohne Datum
55 Freedom House: Freedom in the World 2020: Country report Transnistria, Abschnitt „Overview“
56 Heinemann-Grüder, Andreas: Postsowjetische De-Facto-Regime, 20.11.2020
57 Socor, Vladimir: Transnistrian Voting Raid: A Bad Precedent for Moldova and Other Conflict Theaters, 11.03.2019
58
   Ernst, Iulian: Breakaway Transnistria fully under Sherrif’s control as Obnovlenie party sweeps board in parliament election, 03.12.2020
59 Ebd.
60 Heinemann-Grüder, Andreas: Postsowjetische De-Facto-Regime, 20.11.2020
61
   Büscher, Klemens: Der Transnistrienkonflikt im Lichte der Ukraine-Krise, Juli 2016, S. 40
Länderreport Republik Moldau                                                                                                           8

2. Menschenrechtslage

2.1. Rechtlicher Rahmen
Die Republik Moldau bekennt sich verfassungsgemäß zur Einhaltung der Menschen- und Freiheitsrechte in
Übereinstimmung mit der universellen Deklaration der Menschenrechte. 62 Sie ist Mitglied des Europarats und
hat die Europäische Menschenrechtskonvention sowie die Europäische Konvention gegen Folter ratifiziert.

Es existiert das Amt einer unabhängigen Ombudsperson für Menschenrechte, welches jeweils für eine
siebenjährige Amtsperiode besetzt wird und die Kompetenz für eigenständige Untersuchungen bei
eingehenden Beschwerden besitzt. 63 Zudem existiert eine separate Ombudsperson für Kinderrechte, die
innerhalb derselben Strukturen tätig ist. 64 Des Weiteren wurde ein nationaler Menschenrechtsrat, bestehend
aus der moldauischen Regierung sowie Vertretenden von Nichtregierungsorganisationen und der Vereinten
Nationen gegründet, der die Implementierung der rechtlichen Verpflichtungen evaluieren soll. 65 Dazu gehören
neben den internationalen Standards und Konventionen das Monitoring der nationalen Aktionspläne für
Menschenrechte, die unter Berücksichtigung der Empfehlungen durch die EU, den Europarat, die OSZE und
andere internationale Organisationen aufgestellt werden. Im aktuell gültigen Nationalen Aktionsplan für
Menschenrechte 2018-2022 hat sich die Republik Moldau auf die Umsetzung strategischer Ziele in
Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren verpflichtet. 66 Der Europarat beschloss im November
2020 einen Aktionsplan für die Republik Moldau 2021 bis 2024 mit dem Ziel der weiteren legislativen,
institutionellen und praktischen Annäherung an europäische Standards. 67 Am 19.04.2021 wurde dieser neue
Aktionsplan im Beisein von Staatspräsidentin Sandu in Straßburg offiziell in Kraft gesetzt. 68

Bei der Umsetzung der Vorhaben aus den bisherigen Aktionsplänen gibt es nach wie vor anhaltende Probleme
in wesentlichen Bereichen, vor allem bei Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und Menschenhandel;
zudem fehlt es zum Teil an ausreichender Finanzierung der einzelnen Vorhaben.

2.2. Ethnische Zugehörigkeit und Religionszugehörigkeit
Die Titularethnie der Moldauerinnen und Moldauer stellt nach Zensusangaben von 2014 rund 75% der
Bevölkerung, hinzu kommen ca. 7% sich als rumänisch verstehende Staatsangehörige. 69 Weiterhin leben rund
6,6% Ukrainerinnen und Ukrainer, 4,6% Gagausinnen und Gagausen, 4,1% Russinnen und Russen, 1,9%
Bulgarinnen und Bulgaren, 0,3% Roma und weitere kleinere Minderheiten in Moldau. 70 Nach Art. 16 der
moldauischen Verfassung ist die Diskriminierung ethnischer Minderheiten verboten. Das Zusammenleben der
ethnischen Minderheiten im Alltag verläuft vor dem Hintergrund der langen multiethnischen Geschichte des
Landes zumeist friedlich. Die russisch- und ukrainischstämmige Bevölkerung ist insbesondere in dem nicht von
der Zentralregierung kontrollierten Gebiet Transnistrien ansässig, wo sie gemeinsam eine
Bevölkerungsmehrheit gegenüber dem moldauischen Bevölkerungsteil bildet. Die gagausische Bevölkerung
verfügt als einzige nationale Minderheit in ihrem angestammten Siedlungsgebiet über einen Autonomiestatus.
Es existiert ein Büro für interethnische Beziehungen als Regierungsinstitution für die Minderheitenpolitik,
dieses wird beraten von einem koordinierenden Rat der nationalen Minderheiten mit

62 Verfassungsgericht der Republik Moldau: Art. 4 der moldauischen Verfassung
63
   U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 32
64 Ebd.
65 Government of Republic of Moldova: Moldova’s national council for human rights holds meeting at government, 15.09.2020
66 Council of Europe: National Human Rights Action Plan for the period 2018-2022, ohne Datum
67 Council of Europe: Council of Europe adopts new Action Plan for the Republic of Moldova, 26.11.2020
68
   Council of Europe: New Council of Europe Action Plan for the Republic of Moldova launched in Strasbourg, 19.04.2021
69 National Bureau of Statistics of the Republic of Moldova: The Population of the Republic of Moldova at the time of the Census was

   2,998,235, 31.03.2017
70
   Ebd.
Länderreport Republik Moldau                                                                                                          9

Minderheitenvertretenden als Mitgliedern. 71 Die Regierung beschloss im Dezember 2016 eine Strategie für die
interethnischen Beziehungen für die Jahre 2017 bis 2027. 72

Als Verkehrs- und Alltagssprache unter den ethnischen Minderheiten – aber auch in der Gesamtbevölkerung –
ist die russische Sprache faktisch im ganzen Land weit verbreitet und unterliegt in der Praxis keiner
Behinderung durch den moldauischen Staat, besitzt aber lediglich in Transnistrien und Gagausien den Status
einer offiziell anerkannten Amtssprache. Insbesondere in Transnistrien ist das Russische die dominierende
Sprache in Öffentlichkeit und Verwaltung, formal ist sie jedoch den beiden anderen dortigen Amtssprachen
Moldauisch (Rumänisch) und Ukrainisch gleichgestellt. Auch in Gagausien findet die russische Sprache als
Verwaltungs- und Alltagssprache weite Verbreitung. Zuletzt wurde im Januar 2021 ein zuvor parlamentarisch
beschlossenes Sprachengesetz vom moldauischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, welches
das Russische offiziell in ganz Moldau in den Status als Sprache der interethnischen Kommunikation erheben
sollte. 73 Zur Begründung führte das Gericht u.a. aus, dass das Gesetz der integrativen Funktion der rumänische
Sprache als offizielle Staatssprache zuwiderlaufe und zudem eine diskriminierende Wirkung auf andere im Land
verwendete Sprachen ausginge. 74

Die Bevölkerungsgruppe der Roma ist von stark erhöhter Vulnerabilität und gesellschaftlicher Marginalisierung
– insbesondere im Bildungs- und Arbeitsbereich – betroffen. 75 Laut offizieller Zensusangaben von 2014
gehören rund 9.000 Personen den Roma an, nach Schätzungen von Roma-Vertretenden jedoch bis zu 250.000
Personen. 76 Roma-Angehörige weisen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung eine deutlich niedrigere
Alphabetisierungs- und überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquote auf. 77 Einer Studie zufolge liegt die
Beschäftigungsrate von Roma-Angehörigen bei lediglich 6,4%. 78 Frauen, Kinder und Jugendliche mit Roma-
Hintergrund sind besonders von mangelndem Zugang und Diskriminierungen im Bildungs- und Sozialbereich
betroffen. 79 Die Emigrationsrate der Roma aus der Republik Moldau ist nach Angaben von Roma-Vertretenden
auf unvermindert hohem Niveau. 80

Die Mehrheit der Roma-Angehörigen lebt in ländlichen Gebieten der Republik Moldau mit unzureichendem
Zugang zu sozialen und medizinischen Dienstleistungen sowie schlechten Wohnverhältnissen. 81 Insbesondere
Roma-Mädchen sind nach wie vor von Zwangsheiraten betroffen. 82 Die moldauische Regierung hat in den
vergangenen Jahren Bemühungen zur Verbesserung der gesellschaftlichen Inklusion der Roma unternommen,
so beispielsweise durch die Einführung spezieller Mediatorinnen und Mediatoren, die zwischen ihren lokalen
Roma-Gemeinschaften und den staatlichen Behörden interagieren. 83 Im Jahr 2020 existierten nach Angaben
des U.S. Department of State landesweit 54 aktive Roma-Mediatorinnen und Mediatoren. 84 In der praktischen
Umsetzung sind diese bei ihrer Aufgabenerfüllung jedoch mit finanziellen und logistischen Hürden konfrontiert,
die teils mit der noch nicht hinreichenden Umsetzungsbereitschaft der staatlichen Behörden
zusammenhängen. 85 Nach Angaben der Roma hat der moldauische Staat trotz rechtlicher Verpflichtung die

71
   Minority Rights Group International: Moldova, Roma, Januar 2018
72
   Government of Republic of Moldova: Government approved Strategy of strengthening interethnic relations, 14.12.2016
73
   Dulgher, Maria: The Status of the Russian Language in Moldova caused a collision of remarks made by Russian and Moldovan authorities:
   Why shouldn’t have this happened?, 23.01.2021
74
   Ebd.
75
   U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 43
76 Minority Rights Group International: Moldova, Roma, Januar 2018
77 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 43
78 Ebd.
79 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 36f., 43f.; Minority Rights Group International: Moldova,

   Roma, Januar 2018
80
   U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 44
81 Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dunja Mijatovic: Country report following her visit to the Republic of Moldova

   from 9 to 13 March 2020, 25.06.2020, S. 21
82 U.S. Department of State: Moldova 2019 Human Rights Report, S. 28
83 Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dunja Mijatovic: Country report following her visit to the Republic of Moldova

   from 9 to 13 March 2020, 25.06.2020, S. 20
84 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 44
85 Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dunja Mijatovic: Country report following her visit to the Republic of Moldova

   from 9 to 13 March 2020, 25.06.2020, S. 20
Länderreport Republik Moldau                                                                                    10

Finanzierung der Mediatorinnen und Mediatoren bislang nicht umgesetzt, da dem Aktionsplan 2016-2020 für
die Roma-Bevölkerungsgruppe keine finanziellen Mittel zugrunde lagen. 86

Die Glaubensfreiheit ist in Art. 37 der moldauischen Verfassung verankert, religiöse Gruppierungen genießen
demnach eine Autonomie. Dem orthodoxen Christentum wird jedoch rechtlich seitens des moldauischen
Staates eine „außergewöhnliche Bedeutung und fundamentale Rolle“ eingeräumt. 87 Religiöse Gruppen müssen
zur Ausübung ihres Glaubens nicht staatlich registriert sein, jedoch sind viele Privilegien wie beispielsweise der
Erwerb von Grundstücken oder der Bau von Glaubenshäusern nur registrierten religiösen Minderheiten
vorbehalten. 88 Eine Glaubensgemeinschaft muss mindestens hundert Gläubige im Falle einer beabsichtigten
Registrierung nachweisen. 89

Nach Zensusangaben von 2014 sind rund 90% der Bevölkerung orthodoxe Christen, davon gehören wiederum
90% der Moldauisch-Orthodoxen Kirche als mit Abstand größter Glaubensgemeinschaft und 10% der
Bessarabisch-Orthodoxen Kirche an. 90 Als größte nicht-orthodoxe religiöse Gruppen gelten Baptistinnen und
Baptisten, Zeugen Jehovas sowie Pfingstkirchlerinnen und Pfingstkirchler mit zwischen 15.000 und 30.000
Angehörigen. 91 Weniger als 5% der Bevölkerung umfassen Angehörige der Siebenten-Tags-Adventisten;
evangelikale, katholische sowie lutheranische Christinnen und Christen; Musliminnen und Muslime; Jüdinnen
und Juden sowie sich als atheistisch verstehende Personen. 92 Religiöse Gruppierungen, insbesondere die
jüdische Gemeinschaft, berichten von anhaltenden Vandalismusvorfällen und Online-Hassreden; insgesamt
sind nach Angaben des U.S. Department of State im Jahr 2020 bedingt durch die COVID-19-Pandemie allerdings
weniger religiös motivierte Übergriffe im Vergleich zu den Vorjahren zu verzeichnen. 93 Die dominierende Rolle
der Moldauisch-Orthodoxen Kirche zeigt sich nach Angaben religiöser Minderheiten auch in teils
schikanierendem Umgang moldauisch-orthodoxer Priester gegenüber Angehörigen anderer Religionen. 94

2.3. Politische Betätigungsfreiheit
Die politische Betätigungsfreiheit ist grundsätzlich gegeben, oppositionelle Parteien sind sowohl
parlamentarisch als auch außerparlamentarisch vertreten. Einschüchterungsversuche und politisch motivierte
Strafverfahren von staatlicher Seite gegenüber oppositionellen Parteien oder Einzelpersonen kommen vor,
allerdings nach Angaben des U.S. Department of State im Jahr 2020 mit rückläufiger Tendenz. 95
Parlamentsabgeordnete berichteten etwa von Einschüchterungsversuchen durch Telefonabhörung bei Partei-
bzw. Fraktionswechsel. 96 Der Zugang zu Finanzen und Medien ist sehr ungleich verteilt und oppositionellen
Akteuren durch die Konzentration politischer und medialer Strukturen in der Praxis oft verwehrt. 97

2.4. Presse- und Meinungsfreiheit
Presse- und Meinungsfreiheit sind verfassungsmäßig geschützt und werden in der Praxis grundsätzlich
gewährleistet, auch bei regierungskritischem Inhalt. 98. Einschränkungen finden nur statt bei Themen, die die
nationale Sicherheit, territoriale Integrität, öffentliche Ordnung oder Sicherheit berühren. 99 Die
Medienlandschaft ist heterogen, in der Praxis aber in starkem Ausmaß von Eigentümerkonzentration und
Monopolisierung des Werbemarktes geprägt, was insbesondere kleinere und unabhängige Medien unter Druck

86 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 44
87 U.S. Department of State: Moldova 2020 International Religious Freedom Report, 12.05.2021, S. 3
88 Ebd., S. 3-4
89 Ebd., S. 4
90 Ebd., S. 2
91
   Ebd.
92 Ebd., S. 2-3
93 Ebd., S. 14-15
94 Ebd., S. 2
95 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 28
96
   Ebd.
97 Vgl. Kapitel 2.5.
98 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 17
99
   Ebd.
Länderreport Republik Moldau                                                                                                 11

setzt. 100 Zudem besteht eine starke Abhängigkeit von privatem Sponsoring mit typischerweise klarer politischer
Tendenz. 101 Der zuvor vom Oligarchen Plahotniuc dominierte Medienmarkt wird nach Einschätzung des U.S.
Department of State zunehmend abgelöst durch Medienunternehmen im Umfeld der sozialistischen Partei
PSRM des abgewählten Präsidenten Dodon. 102

In den vergangenen Jahren hat sich die Pressefreiheit in Moldau auch in der internationalen Bewertung negativ
entwickelt. Im Press Freedom Index 2021 von Reporter ohne Grenzen wird Moldau auf Platz 89 von 180
untersuchten Staaten geführt. 103 Noch 2014 wurde das Land auf dem 56. Platz eingeordnet. 104 Auch kritische
Medienschaffende werden in der Praxis zum Teil mit Schikanen, Einschüchterungen und Gerichtsverfahren
durch moldauische Behörden unter Druck gesetzt. 105 2018 kam es zum Beschluss eines kontrovers diskutierten
Mediengesetzes mit der inhaltlichen Festlegung, dass zum Zwecke der audiovisuellen Informationssicherheit in
Moldau nur Fernsehprogramme aus der EU, den USA, Kanada sowie all denjenigen Ländern in Moldau
ausgestrahlt werden dürfen, die das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen
ratifiziert haben. 106 Obgleich nicht erwähnt, richtet sich das Gesetz gegen russische Fernsehsender, da die
Russische Föderation das Übereinkommen bislang nicht ratifiziert hat, und wurde in der
Medienberichterstattung auch als „Anti-Propaganda-Gesetz“ bezeichnet. 107 Das Gesetz sieht bei Verstößen
Geldstrafen zwischen 4.000 € und 5.000 € bis hin zum Entzug der Sendelizenz vor und stieß auf heftige Kritik
seitens der russischen Staatsduma. 108

2.5. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
Staat und Verfassung garantieren die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in Moldau, gewöhnlich werden
diese Rechte in der Praxis respektiert. 109 Nichtregierungsorganisationen, Parteien sowie weitere soziale oder
politische Gruppierungen können in der Regel ungehindert gegründet werden, solange sie nicht gegen
politischen Pluralismus, das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit sowie gegen die Souveränität, Unabhängigkeit oder
territoriale Integrität des Staates gerichtet sind. 110 Im Juli 2020 kam es zum Beschluss eines NGO-Gesetzes im
moldauischen Parlament, welches Vorgaben zu Finanzierung und Berichtswesen von NGOs enthält und mit
Vertretenden aus der Zivilgesellschaft abgestimmt wurde. 111 Friedliche Demonstrationen und Protestzüge
finden häufig statt 112, vor allem in der Hauptstadt Chişinău. Vereinzelt gibt es Berichte über
unverhältnismäßigen Mitteleinsatz durch Polizei- und Sicherheitskräfte. So setzte die Polizei beispielsweise am
16.07.2020 Tränengas bei einer Demonstration von mehreren Dutzenden friedlich Demonstrierenden in
Chişinău ein. 113 2015 und 2016 fanden in Chişinău großflächige und weitgehend ungehinderte
Demonstrationen mit teilweise zehntausenden Teilnehmenden statt, die sich hauptsächlich gegen die
systemische Korruption und die moldauische Regierung richteten. 114

100
    European Commission: Joint Staff Working Document: Association Implementation Report on Moldova, 11.09.2019, S. 3-4
101
    Amnesty International: Moldova 2020, ohne Datum
102 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 18
103 Reporter ohne Grenzen: 2021 World Press Freedom Index, Ranking 2021
104 Konrad-Adenauer-Stiftung: Media Freedom in Moldova, 2020
105 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 17
106 Gancev, Vasile: What is the future of Moldova’s „law on propaganda“?, 20.01.2020
107
    Ebd.
108 Necsutu, Madalin: Duma Slates Moldovas’s Ban on Russian TV Shows, 19.01.2018
109 Amnesty International: Moldova 2020, ohne Datum
110 U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 23
111 Amnesty International: Moldova 2020, ohne Datum
112
    Ebd.
113 Ebd.
114 Deutsche Welle: Thousands of protesters decry Moldovan government corruption, 24.01.2016; Deutsche Welle: Zehntausende

  protestieren gegen Regierung in Moldau, 06.09.2015
Länderreport Republik Moldau                                                                                                             12

2.6. Wehr- und Ersatzdienst
In der Republik Moldau existiert eine allgemeine zwölfmonatige Wehrpflicht für alle männlichen Staatsbürger
zwischen 18 und 27 Jahren, bei einer Hochschulausbildung gilt eine verkürzte Wehrdauer von drei Monaten. 115
Die Registrierung zum Wehrdienst erfolgt bereits im Alter von 16 Jahren. 116 Rechtliche Grundlage zur Regelung
der Wehrpflicht ist das Gesetz Nr. 1245 vom 18.07.2002. 117 Freistellungen vom Wehrdienst sind laut Gesetz
unter besonderen Umständen möglich, insbesondere aus Gesundheitsgründen oder Fürsorgepflichten für
Kinder. 118 Die moldauische Regierung plant seit mehreren Jahren, die allgemeine Wehrpflicht zugunsten einer
professionellen Berufsarmee bis 2021 abzuschaffen 119, ein endgültiges Datum steht allerdings zum jetzigen
Stand noch nicht fest.

Nach moldauischem Strafrecht ist die Umgehung der Wehrpflicht etwa durch Täuschung ein Straftatbestand
und kann nach Artikel 353 des Strafgesetzbuches mit einer Geldstrafe bis zu umgerechnet rund 1.500 € oder
bis zu 150 Stunden Sozialdienst bestraft werden. 120 Desertion kann nach Artikel 371 des Strafgesetzbuches mit
einer Geldstrafe bis zu umgerechnet rund 2.200 € oder einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft
werden. 121 Es besteht laut Gesetz das Recht zur Ableistung eines zwölfmonatigen Ersatzdienstes, wenn
Wehrdienstpflichtige aus religiöser Überzeugung oder wegen pazifistischer, ethischer, moralischer bzw.
humanitärer Anschauung den Militärdienst nicht ableisten wollen. 122 Für Staatsangehörige mit
Hochschulausbildung beträgt die Dauer des Ersatzdienstes laut Gesetz sechs Monate. 123

2.7. Situation von LGBTI
Beim rechtlichen Schutz von LGBTI in der Republik Moldau sind in den vergangenen Jahren – u.a. vor dem
Hintergrund des politischen Assoziierungsprozesses mit der EU – Fortschritte zu verzeichnen. Seit 1995 ist
Homosexualität legalisiert. Eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften sowie Ehen sind jedoch nach
derzeitigem Stand nicht möglich, da die moldauische Verfassung die Ehe bislang ausschließlich als Verbindung
zwischen Frau und Mann bestimmt. 124 2013 trat ein Antidiskriminierungsgesetz für den Arbeitsbereich in Kraft,
welches 2012 beschlossen wurde. 125 Das seit 2018/2019 existierende Mediengesetz untersagt auch
diskriminierende mediale Darstellungen u.a. basierend auf die sexuelle Orientierung. 126

Die tatsächliche Akzeptanz von LGBTI ist in der weithin konservativ geprägten moldauischen Gesellschaft
jedoch nach wie vor sehr niedrig. 127 Vor allem die Moldauisch-Orthodoxe Kirche als dominierende religiöse
Institution im Land nimmt eine ablehnende Position zu den Rechten und Freiheiten sexueller Minderheiten ein.
Auch Diskriminierungen durch staatliche Stellen kommen vor, etwa durch mangelnde Bereitschaft der Polizei
bei der Entgegennahme von Beschwerden bei Übergriffen aufgrund der sexuellen Identität oder bei der
Behandlung transsexueller Personen. 128 Menschenrechtsorganisationen berichten über anhaltende
gewalttätige Übergriffe auf LGBTI-Angehörige und diskriminierende öffentliche Äußerungen (Hassreden) auch
hochrangiger politischer Akteure wie dem ehemaligen Staatspräsidenten Igor Dodon, der sich für das Verbot

115
    Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Memet Kilic, Agnes Brugger, Josef Philip
    Winkler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/9494: Folgen der Aussetzung der
    Wehrpflicht in Deutschland für Deutsche mit einer doppelten Staatsangehörigkeit, 29.05.2012, S. 3
116
    Ebd.
117
    Justizministerium der Republik Moldau: Gesetz Nr. 1245 über die Vorbereitung der Bürger auf die Verteidigung des Mutterlands,
    russische Version, 18.07.2002
118 Ebd.
119 Necsutu, Madalin: Moldova to Scrap Compulsory Military Service by 2021, 21.09.2018
120 Justizministerium der Republik Moldau: Strafgesetzbuch der Republik Moldau, Artikel 353, 01.01.2021
121 Ebd., S. 159
122
    Justizministerium der Republik Moldau: Gesetz Nr. 156 über die Organisation des öffentlichen (alternativen) Dienstes, russische Version,
    06.07.2007
123 Ebd., Artikel 371 des Gesetzes
124 Verfassungsgericht der Republik Moldau: Art. 48 Abs. 2 der moldauischen Verfassung
125 Council of Europe: Law 121 on Ensuring Equality: 5 years in force in the Republic of Moldova, 28.02.2018
126
    Laut Artikel 11 des Gesetzes, vgl. Venice Commission: Republic of Moldova, Code of Audiovisual Media Services, 30.07.2020
127 COWI/The Danish Institute for Human Rights: Study on Homophobia, Transphobia and Discrimination on

    Grounds of Sexual Orientation and Gender Identity. Sociological Report: Moldova, S. 4
128
    U.S. Department of State: Moldova 2020 Human Rights Report, 30.03.2021, S. 44
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