Corporate Health Management - Gesundheit in Unternehmen - weiter gedacht - INSITE-Interventions
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Corporate Health Management Gesundheit in Unternehmen – weiter gedacht
Corporate Health Management | 3 Inhalt 1. Gesundheit im Unternehmen muss grundlegend neu gedacht werden ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 6 2. Das Potenzial zur Förderung von Gesundheit wird heute nicht ausgeschöpft ������������������������������������������������������������������������������� 13 3. Hürden auf dem Weg zum betrieblichen Gesundheitsmanagement ��������������������������������������������������������������������������������������������� 16 4. Corporate Health Management als langfristiger Erfolgsfaktor �������������������������������������������������������������������������������������������� 18 5. Die erfolgreiche Umsetzung erfordert einen gesamtunternehmerisch integrierten Ansatz �������������������������������������� 21
4 | Corporate Health Management Vorwort Die Welt ist im Jahr 2020 eine andere geworden. Die Covid-19-Pandemie hat binnen kürzester Zeit radikale Veränderungen notwendig gemacht – politisch, wirt- schaftlich und gesellschaftlich. Noch ist nicht klar, wie lange die aktuelle Krise anhalten wird und wie schnell sie überwunden werden kann. Klar ist aber bereits heute: Ein Zurück zur alten Normalität wird es nicht geben, Covid-19 wird bleibende Spuren hinterlassen. Dazu gehört auch: Nie war das Thema Gesundheit in Wirtschaft und Politik so präsent wie heute, nie muss- ten sich Arbeitgeber so intensiv mit dem Thema Gesund- heitsschutz beschäftigen und nie war der Einfluss eines effektiven Gesundheitsschutzes auf den wirtschaft lichen Erfolg von Unternehmen so evident wie heute. Präventionsmaßnahmen sind in der Corona-Krise zur zwingenden Voraussetzung für jedwede wirtschaftliche Tätigkeit geworden. Die Frage ist: Erlebt das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) dadurch eine dauer- hafte Renaissance? Wird sich, wenn Schutzmasken und Abstandsregeln irgendwann einmal der Vergangenheit angehören, der Fokus wieder auf die vermeintlich här- teren Faktoren der betrieblichen Realität verlagern? Oder verankert sich langfristig in den Köpfen ein neues Bewusstsein dafür, dass nur gesunde Beschäftigte auch leistungsfähig sein und zum Unternehmenserfolg bei- tragen können? Die vorliegende Studie liefert eine Fülle von Argumen- ten für Letzteres. Die Idee dazu entstand lange vor Aus- bruch der Covid-19-Pandemie. Im Lichte der jüngsten Ereignisse haben die Ergebnisse der Studie jedoch an Brisanz und Bedeutung gewonnen. Das betriebliche Gesundheitsmanagement hatte vor Corona nicht den Stellenwert in den Unternehmen, den es verdient, die Diese Studie wurde von der Asklepios Kliniken bisherigen Maßnahmen konnten ihre volle Wirkung GmbH bei Roland Berger in Auftrag gegeben. nie entfalten. Nach Corona gibt es dafür keine Ausre- Die Ergebnisse wurden unabhängig erarbeitet. den mehr.
Corporate Health Management | 5 Künftig wird es nicht mehr reichen, lediglich Fehlzeiten Dafür muss das betriebliche Gesundheitsmanagement zu messen und den Fokus auf Unfälle und Unfallver- neu gedacht werden. Die zentrale Empfehlung lautet: meidung zu legen. Es ist vielmehr möglich, die wesent- weg vom Gießkannenprinzip hin zu einem auf einer lichen Einflussfaktoren für die körperliche und auch die gründlichen Selbstanalyse basierenden ganzheitlichen – bisher völlig vernachlässigte – psychische Gesundheit Konzept mit individuell auf die Bedürfnisse der Be- im Unternehmen zu ermitteln. Und überdies dafür zu schäftigten abgestimmten Maßnahmen. sorgen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch gezielte gesundheitsunterstützende Maßnahmen und Asklepios engagiert sich schon seit einigen Jahren ver- gesundheitsförderliche betriebliche Rahmenbedingun- mehrt in der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention gen dauerhaft und nachhaltig gesünder werden. der Unternehmensgesundheit. Wir fühlen uns darin durch die vorliegende Studie und die von Roland Berger Die vorliegende Studie zeigt klar auf, dass die Potenziale erarbeiteten Empfehlungen für Unternehmen, ihre Stra- zur Förderung von Gesundheit heute bei Weitem nicht tegien und ihre Führungskräfte bestätigt und bestärkt. ausgeschöpft werden – und dass ein effektives betrieb- Um die Potenziale der betrieblichen Gesundheit voll liches Gesundheitsmanagement gleichzeitig entschei- ausschöpfen zu können, sind ein neues Denken und dend sowohl zum Unternehmenserfolg als auch zur ein neuer, gesamtunternehmerischer Ansatz notwendig. Leistungsfähigkeit des Einzelnen beitragen kann. Dabei begleiten und unterstützen wir Sie gerne. Sicher ist: Die nächsten Generationen von Beschäftig- Viel Freude beim Lesen! ten legen mehr denn je Wert auf sinnstiftende Tätigkeit, selbstbestimmtes Arbeiten und eine gesunde Unter- nehmenskultur. Sie legen Wert auf einen kooperativen Managementstil, flache Hierarchien und eine gute Ar- beitsatmosphäre. Dazu gehören auch ein achtsames Kai Hankeln Miteinander und attraktive Gesundheitsangebote. Äl- CEO, Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA tere Arbeitnehmer, deren fachliches Know-how und Erfahrung weiterhin maßgeblich zum Erfolg des Unter- nehmens beitragen, brauchen wiederum andere Rah- menbedingungen, um leistungsfähig und motiviert zu bleiben. Die unterschiedlichen Bedürfnisse erfordern somit eine Individualisierung der Programme und eine bessere Einbettung in die jeweilige Unternehmensreali- tät. Erfolgreich kann ein Gesundheitskonzept nur sein, wenn es auf allen Organisationsebenen sowie über die Führungskultur fest in den betrieblichen Strukturen verankert wird.
1.Gesundheit im Unternehmen muss grundlegend neu gedacht werden Viel zu oft wird Gesundheit von Arbeitgebern als "einfa- Wahrscheinlichkeit bessere Leistungen im Arbeitsalltag. che" Vermeidung von Krankheitstagen verstanden. Den Herrschen umgekehrt hoher Druck und ein schlechtes Anforderungen der modernen Arbeitswelt wird diese Betriebsklima, wirkt sich das negativ auf die Fehltage Herangehensweise längst nicht mehr gerecht. Gesund- und Leistung der Beschäftigten aus. Von einem breiter heit muss stattdessen ganzheitlich gedacht werden. Sie gefassten Gesundheitsbegriff profitieren darum beide muss stärker auf die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen Seiten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich und Mitarbeiter abgestimmt werden. Nur so können wohler fühlen, sich stärker in ihrem Beruf verwirklichen Unternehmen langfristig für eine zufriedenere und ge- und werden gesünder sein. Die Unternehmen wiederum sündere Belegschaft sorgen, was im Ergebnis zu einer haben weniger Fehltage und bessere Leistungen zu ver- insgesamt gesteigerten Leistungsfähigkeit aller Be- zeichnen. Die Studienlage ist eindeutig: Unternehmens- schäftigten und damit auch des Unternehmens führt. erfolg und -kultur, der Stellenwert von Gesundheit und Davon profitieren am Ende alle Beteiligten. die Mitarbeitermotivation – all das hängt in vielfältiger Breiteres Verständnis von Gesundheit Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Ge- A Abhängigkeiten zwischen Unternehmenserfolg, sundheit wie folgt: "Gesundheit ist ein Zustand vollkom- Gesundheit und Kultur menen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefin- dens und [stellt] nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen."1 Gesundheit Wir plädieren dafür, den Begriff im betrieblichen Kon- text in ähnlich umfassender Form zu verstehen. Der Grad des Wohlbefindens ist ein Kontinuum. Je gesün- UNTERNEHMEN der sich Beschäftigte fühlen, umso mehr sind sie in der Lage, die Aufgaben im beruflichen Kontext bestmöglich zu erfüllen. Die Kultur eines Unternehmens spielt dabei eine entscheidende Rolle. Beschäftigte, die von ihrem Unternehmenserfolg Kultur / Motivation Arbeitgeber eine hohe Wertschätzung erfahren, füh- len sich nachweislich wohler und erbringen mit hoher Quelle: Roland Berger
Corporate Health Management | 7 Weise zusammen. Auf einige Studien werden wir in den B Mehrwert durch effektives betriebliches folgenden Abschnitten im Detail eingehen. A Gesundheitsmanagement Unternehmenserfolg und Gesundheit Eine Vielzahl an Studien aus dem vergangenen Jahr- zehnt betont einen signifikanten Zusammenhang + 76 % - 40 % zwischen der Gesundheit von Mitarbeiterinnen und + 11 % Mitarbeitern, ihrer Leistungsfähigkeit und dem Unter- nehmenserfolg. Immer wieder wird festgestellt, dass das Wohlbefinden einen positiven Einfluss auf deren Aktienwert Umsatz pro MA Fluktuation Konzentration, Gründlichkeit und Effizienz hat.2 Quelle: Grossmeier, Towers Watson Grossmeier et al. berichten von einem höheren Aktien- wert derjenigen Unternehmen, die zuvor hohe Investi Towers Watson berichtet im Rahmen einer Analyse von tionen in die betriebliche Gesundheit getätigt haben. 350 Unternehmen (mit mehr als 1.000 Beschäftigten), Um dies zu belegen, wurde sechs Jahre lang der Aktien dass die Gesundheit der Belegschaft einen signifikant wert von 45 Unternehmen aus dem amerikanischen positiven Einfluss auf die Unternehmensperformance Leitindex S&P 5003, deren Gesundheitsmanagement hat. So konnten Unternehmen mit einer guten Bewer- überdurchschnittlich war, mit dem von Unternehmen tung in diesem Bereich einen Anstieg der Rendite von mit unterdurchschnittlicher Bewertung verglichen. Be- 14,8% in fünf Jahren verzeichnen. Demgegenüber sank rücksichtigt wurden Themen wie das Engagement der die Rendite bei Unternehmen mit einer schlechten Be- Führungskräfte, die Gesundheitsprogramme oder die wertung im selben Zeitraum um 10,1%. Allgemein galt: Evaluation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Im Unternehmen konnten den Umsatz pro Mitarbeiterin Ergebnis stieg der Aktienkurs bei Unternehmen mit gu- oder Mitarbeiter durch effektive Gesundheitsmaßnah- tem Gesundheitsmanagement in sechs Jahren im Schnitt men um 11% steigern8, gleichzeitig konnte die Fluk um 76 Prozentpunkte4 schneller.5 tuationsrate deutlich gesenkt werden. Die Wahrschein- lichkeit, dass Beschäftigte in einem Unternehmen Auch die Kundenzufriedenheit hängt von der Unter- bleiben, lag um rund 40% höher9, sobald ein Arbeit nehmenskultur ab. Hier lässt sich ein signifikanter Zu- geber entsprechende Gesundheitsprogramme durchge- sammenhang nachweisen. Zu diesem Ergebnis kommt führt hatte. B eine Studie von Boyce et al., die den Einfluss auf die Ver- kaufszahlen von 95 Franchise-Autohändlern in den USA Gesundheit stärkt die Mitarbeitermotivation unter die Lupe nahm.6 Aussagen von Führungskräften stützen diese These. In einer Umfrage der Harvard Bu- Das Queen's University Centre for Business Venturing siness Review mit 568 Führungskräften gaben 71% an, hat in zehn Jahren Mitarbeiterumfragen speziell den dass das Engagement der Beschäftigten essenziell für Zusammenhang zwischen der Unternehmenskultur den Unternehmenserfolg sei (dritthöchste Nennung).7 und dem Erfolg untersucht. Ein Kernergebnis: Je stär-
8 | Corporate Health Management ker die Kultur auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter In einer weiteren Studie analysiert Gallup, welche Fak- abgestimmt ist, desto niedriger sind die Krankheits toren zu einem "high-performance workplace" führen. raten in den Unternehmen. Firmen mit einer mitarbei- Dabei zeigte sich, dass sich besonders Investitionen in terfreundlichen Kultur kamen im Schnitt auf 20% we- die Mitarbeiterentwicklung auszahlen und zu einer hö- niger Fehltage als die Vergleichsgruppe.10 Eine positive heren Motivation und damit auch zu einer gesteigerten Unternehmenskultur lohnt sich doppelt: einerseits, weil Leistungsfähigkeit führen. Nach Ansicht der Forscher durch den Abbau von negativen Stressfaktoren die tat- lassen sich dadurch im Schnitt Profitabilitätszuwächse sächliche Krankheitsrate abnimmt. Andererseits, weil in Höhe von 11% realisieren. Anreize entfallen, Krankheiten vorzutäuschen, um dem Arbeitsplatz fernzubleiben. Krekel et al. betrachteten im Rahmen einer Studie die Produktivität von fast zwei Millionen Beschäftigten in Laut einer Datenerhebung11 der Bundesanstalt für Ar- 230 Organisationen, verteilt auf 73 Länder. Auch sie beitsschutz und Arbeitsmedizin sind gesunde Mitarbei- maßen eine starke positive Korrelation zwischen dem terinnen und Mitarbeiter grundsätzlich über verschie- Wohlbefinden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dene Dimensionen hinweg zufriedener und motivierter. und ihrer Leistungsfähigkeit. Dies galt vor allem in Konkret in Zahlen: Personen mit einem guten Gesund- den Bereichen Kundenloyalität, Leistungsfähigkeit der heitszustand empfinden zu 92% auch das Betriebskli- Belegschaft und Profitabilität des jeweiligen Unterneh- ma in ihrem Unternehmen als gut. Personen mit einem mens. Die Fluktuation wiederum sank mit steigendem schlechteren Gesundheitszustand hingegen nur in 72% Wohlbefinden.15 der Fälle. Die Bedürfnispyramide von Maslow liefert einen guten Badura et al. berichten im Rahmen einer Repräsenta- Erklärungsansatz zur Mitarbeitermotivation. Wer unzu- tivbefragung12 von noch größeren Unterschieden. Dar- frieden ist und nur in einem Unternehmen arbeitet, um in heißt es, dass 80% der sehr gesunden Beschäftigten Geld zu verdienen, bewegt sich auf der untersten Stufe mit ihrem Arbeitgeber zufrieden sind. Bei den sehr dieser Pyramide. Das heißt, er oder sie versucht, im Un- ungesunden waren es hingegen nur 8%.13 Daraus lässt ternehmen zu überleben. Beschäftigte dieser Kategorie sich einmal mehr ableiten, dass gesündere Beschäftigte werden alles tun, um ihre Arbeit mit dem geringsten grundsätzlich zufriedener sind und damit auch moti- Aufwand zu erledigen. Dem Unternehmen zum maxi- vierter arbeiten. mal möglichen Erfolg verhelfen sie nicht. Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter, die sich dagegen hoch moti- Der Gallup Engagement Index misst die Auswirkungen viert auf der obersten Stufe (der Selbstverwirklichung) von Motivation auf die Leistungsfähigkeit von Personen. befinden, lieben ihren Job. Sie hoffen, durch ihre Arbeit Mit einem dramatischen Ergebnis: Aus der Untersu- Menschen zu inspirieren und Dinge zu verändern.16 Für chung der Wissenschaftler geht hervor, dass der deut- jedes Unternehmen kann das nur eines bedeuten: Es schen Volkswirtschaft jedes Jahr rund 99 Milliarden muss sich darum bemühen, möglichst viele Beschäftig- Euro aufgrund einer mangelhaften Arbeitnehmermoti- te so zu motivieren, dass sie die oberste Stufe der Pyra- vation verloren gehen.14 mide erreichen.
Corporate Health Management | 9 Alle diese Studien haben eines gemeinsam: Sie zeigen Ein Blick auf die Zahl der potenziellen Erwerbstätigen eindringlich, wie sich für jedes Unternehmen durch zeigt jedoch, dass dieses Problem deutschen Unterneh- gezielte Investitionen im Bereich Gesundheitsmanage- men bisher keine allzu großen Probleme bereitete. In ment das Betriebsergebnis steigern lässt. Eine Erkennt- den kommenden Jahren wird sich das allerdings radikal nis, die naheliegt und trotzdem viel zu oft übersehen ändern: Die "Babyboomer" gehen in Rente, durch Zu- wird. Zu wenige Unternehmen in Deutschland haben wanderung aus dem Ausland können die Engpässe der sie verinnerlicht. Eine Empfehlung können wir deshalb geburtenschwachen Jahrgänge nicht mehr ausreichend bereits jetzt aussprechen: "Corporate Health Manage- aufgefangen werden.17 C ment" muss in den Unternehmen endlich zur "Chefsa- che" erklärt werden. Empirische Untersuchungen stimmen wenig optimis- tisch. Eine Befragung unter Personalern ergab, dass Wettbewerb um die besten Talente 55% den Fachkräftemangel bereits heute stark oder sehr stark spüren.18 Auch die Bundesagentur für Arbeit Bereits 1997 rief Steven Hankin den "War for Talents" bestätigt einen starken Nachfrageüberschuss.19 Außer- aus. Er beschrieb damit die wachsende Kluft zwischen dem heißt es, dass es für Unternehmen immer schwieri- einer steigenden Nachfrage nach gut ausgebildeten Ar- ger wird, die veränderten Bedürfnisse jüngerer Beschäf- beitskräften und dem gleichzeitig gesunkenen Angebot. tigter zu erfüllen. C Entwicklung der potenziell Erwerbstätigen in Deutschland [in Millionen] 50 45 40 35 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060 Quelle: Destatis Mögliche Erwerbstätige in Deutschland (25 – 67 Jahre)
10 | Corporate Health Management D Krankentage pro Jahr in Deutschland E Verteilung der Erwerbstätigen nach Altersgruppe [in Millionen] [in Prozent] 73 63 +37% 449 328 37 27 Erwerbstätige ≤ 50 Erwerbstätige > 50 2008 2018 2008 2018 Quelle: Destatis Quelle: Destatis In kritischen Bereichen wird der "War for Talents" be- Anstieg der Krankentage reits heute mit deutlich härteren Bandagen ausge- fochten. Die Nachfrage nach jungen Talenten in den Wie eingangs ausgeführt, ist Gesundheit im Unterneh- MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwis- men mehr als die simple Reduzierung von Kranken senschaft, Technik) hat sich durch die Digitalisierung tagen. Gleichwohl sind diese ein relevanter Faktor mit noch einmal erhöht. Laut der Bundesagentur für Arbeit zunehmender Bedeutung in den Betrieben. So sind die kommen im MINT-Bereich aktuell 187 Arbeitslose auf Krankentage in Deutschland von 2008 bis 2018 um rund 100 gemeldete nicht besetzte Stellen – im Durchschnitt 37% auf einen Stand von 449 Millionen Tagen angestie- aller Fächer kommen 438 Arbeitslose auf 100 gemeldete gen D nicht besetzte Stellen. Gleichzeitig sind die Studieren- denzahlen in diesem Bereich rückläufig. Im Rekord-Stu- Die Zahl der Krankentage wird aus den Zahlen des Sta- dienjahr 2011/2012 begannen noch rund 207.000 Stu- tistischen Bundesamtes zu Erwerbstätigen und zum dierende ein Studium in den MINT-Fächern. 2018/2019 Krankenstand in Deutschland errechnet, welches für waren es nur noch 195.00020. Ein Rückgang von 12.000 beide Jahre Krankenstände von 3,4 bzw. 4,3% der ver- Studierenden pro Jahr ist für sich genommen noch nicht fügbaren Arbeitszeit über alle Erwerbstätigen angibt.22 alarmierend für Unternehmen. Eine Untersuchung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bestä- Wir haben diese Zahlenbasis mit den Zahlen aus den tigt aber den Fachkräfteengpass. 352 von 801 Berufsgat- Gesundheitsberichten der Gesetzlichen Krankenver- tungen sind inzwischen davon betroffen.21 sicherung (GKV) abgeglichen, welche generell höher
Corporate Health Management | 11 F Krankenstand in Deutschland nach Alterskohorte [bezogen auf 249 Arbeitstage] [in Prozent] 10 2008 2018 8,0 6,4 5,3 5,3 4,9 5 4,5 4,3 3,8 3,3 3,5 3,0 3,0 2,9 3,1 2,7 2,6 2,8 2,8 2,3 2,5 0 15 – 19 20 – 24 25 – 29 30 – 34 35 – 39 40 – 44 45 – 49 50 – 54 55 – 59 > 60 Quelle: Destatis, GKV liegen. Aus den verfügbaren Berichten, die ca. 91% gen. So ist die Zahl der Erwerbstätigen, welche jährlich der GKV abdecken, ergibt sich ein Krankenstand von (wie die anderen für diese Berechnung verwendeten 5,1% für 2018. Grund für diese Abweichung ist die un- Zahlen) vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht terschiedliche Populationsbasis. Die GKV enthält die wird, zum Beispiel im betrachteten Zeitraum von 38,7 Daten aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Millionen (2008) auf 41,9 Millionen (2018) angestie- inklusive der Arbeitslosen. Die offizielle Statistik erfasst gen.23 Treiber hierfür waren der Rückgang der Arbeits- die Arbeitslosen hingegen nicht, in der Regel weisen sie losenzahlen von 3,2 auf 1,5 Millionen24 sowie das einen höheren Krankenstand auf. Sehr wohl enthalten Wachstum der Bevölkerung von 80,8 Millionen auf 83,0 sind dafür aber die Privatversicherten, wo besonders bei Millionen25 durch Zuwanderung. den Selbstständigen eine hohe nicht erfasste Anzahl an Krankheitstagen zu vermuten ist. Wir arbeiten im Wei- Gleichzeitig altern die Belegschaften. Das Durch- teren mit den niedrigeren Zahlen von Destatis (4,3% vs. schnittsalter der Beschäftigten in Deutschland stieg 5,1% bei der GKV), sodass die Krankheitslast in Deutsch- von 41 auf 43 Jahre.26 Die höheren Alterskohorten mit land tendenziell eher etwas zu niedrig dargestellt wird. größeren Krankenständen sind somit in der Erwerbs bevölkerung überrepräsentiert. Die Altersgruppe der Die Ursachen für die steigende Zahl der Krankentage über 50-Jährigen machte beispielsweise 2008 noch 27% sind eine insgesamt wachsende Beschäftigtenzahl, die aus, zehn Jahre später waren es bereits 37% der Arbeit- Alterung der Belegschaften und ein Anstieg der Krank- nehmer. Dieser demografische Wandel sorgt für 45 Mil- heitshäufigkeit, besonders bei psychischen Erkrankun- lionen zusätzliche Krankentage. E
12 | Corporate Health Management Schließlich gibt es noch einen dritten Effekt: Der Kran- G Gründe für den Anstieg der Krankentage kenstand stieg nämlich auch in jeder einzelnen Al- in Deutschland terskohorte an. Die deutschen Arbeitnehmerinnen und [in Millionen] Arbeitnehmer sind bei einem Vergleich der Altersstufen jeweils häufiger krank als noch zehn Jahre zuvor. F +37% 449 Dieser Effekt lässt sich fast vollständig auf das Wachs- 53 Anstieg psychischer Erkrankungen tum bei den psychischen Erkrankungen zurückführen. 45 Demografischer Wandel Wurden 2008 pro Erwerbstätigen noch 1,6 Fehltage 328 27 Größere Arbeitnehmerschaft aufgrund psychischer Erkrankungen verzeichnet, waren es im Jahr 2018 bereits 3,0.27 Ein Anstieg um 88% und damit um 53 Millionen zusätzliche Krankentage pro Jahr. 328 Krankentage 2008 Die Zunahme der psychischen Erkrankungen ist hin- länglich bekannt. Weiter diskutiert wird aber die Frage, ob die Zahl der Erkrankten oder nur die Zahl der doku- -4 Rückgang sonstiger Erkrankungen mentierten Diagnosen zugenommen habe. Interessan- 2008 2018 terweise ist die Zunahme im restlichen Gesundheits- system geringer als bei den Krankentagen. In der GKV Quelle: Destatis, GKV, eigene Berechnungen stieg die Zahl der Diagnosen im gleichen Zeitraum nur um 66%28 – und das obwohl dem Risikostrukturaus- die früher beispielsweise als Rückenerkrankungen er- gleich (RSA) eher ein Anreiz zur Überdiagnostizierung fasst wurden, stärker auf psychische Ursachen zurück- unterstellt wird. Die tatsächliche Inanspruchnahme geführt werden. G von Versorgungsleistungen stieg im gleichen Zeitraum sogar noch geringer, nämlich um 42% in der ambu- Volkswirtschaftlicher Schaden lanten Psychotherapie und um 10% in der stationären Versorgung.29 Ein mögliches Erklärungsmuster könnte Mit den Krankentagen steigt auch der volkswirtschaftli- also darin liegen, dass Versorgungsengpässe zu einer che Schaden beziehungsweise die Kosten für die Gesell- Erhöhung der Krankheitstage führen, weil längere War- schaft. Im Jahr 2008 betrugen sie noch 45,4 Milliarden tezeiten eine Chronifizierung der Beschwerden verursa- Euro und 2018 bereits 78 Milliarden Euro, was einem chen. Anstieg von 73% entspricht. Diese Zunahme ist teilwei- se auf das gestiegene Durchschnittseinkommen (28.056 Zusammenfassung: Die beschriebenen drei Faktoren Euro in 2008 vs. 36.084 Euro in 2018)30 bei gleichzeitig ergäben in Summe einen Anstieg der Krankheitstage, leicht gesunkenen Lohnnebenkosten (23%/21%) zu- der um 4 Millionen höher liegen würde als bisher ange- rückzuführen. Den größten Einfluss hat aber unbestrit- nommen. Dies kann allerdings auch auf ein verändertes ten das starke Wachstum der Krankentage. Es besteht Diagnoseverhalten zurückzuführen sein, sodass Fälle, also dringender Handlungsbedarf.
2. Das Potenzial zur Förderung von Gesundheit wird heute nicht ausgeschöpft Trotz zahlreicher naheliegender Gründe, sich als Unter- langwierigen Prozess stellt das im Jahr 2016 in Kraft nehmen umfassend um die Gesundheit von Mitarbei- getretene Präventionsgesetz dar. Es verpflichtet die terinnen und Mitarbeitern zu kümmern, werden die Kranken- und Pflegekassen, über 500 Millionen Euro Chancen eines aktiven Gesundheitsmanagements bis im Jahr für Gesundheitsförderung und Prävention aus- heute nicht ausreichend genutzt. zugeben.33 Entwicklung der betrieblichen Gesundheit Rückläufiges Interesse Bemühungen von Arbeitgebern, die Gesundheit ihrer Im Zeitraum von 2005 bis 2015 erschienen viele Publi- Beschäftigten zu verbessern, gibt es bereits seit Anfang kationen zu betrieblichem Gesundheitsmanagement. der 1940er Jahre. In dieser Zeit kam das Thema "Emplo- Nutzen und Rendite wurden sehr optimistisch beziffert, yee Assistance Programs" (EAP) in den USA zum ersten und ein "Return on Investment" (ROI) wurde mindes- Mal auf. Hintergrund war, dass aufgrund des Zweiten tens mit 2:1 oder 3:1, oft noch höher beziffert. Inzwi- Weltkrieges und der wachsenden Perspektivlosigkeit schen hat sich die Zahl der veröffentlichten Studien ge- in einigen Bevölkerungsgruppen die Fälle von Alkohol- rade seit Inkrafttreten des neuen Präventionsgesetzes missbrauch zunahmen. Gleichzeitig stuften Mediziner in Deutschland im deutschsprachigen Raum insgesamt Sucht als Krankheit ein, die wie jede andere Erkran- deutlich reduziert. Ein naheliegender Grund könnte in kung behandelt werden musste. In dieser Zeit wurden der schweren Umsetzbarkeit vieler Maßnahmen liegen als erste Sofortmaßnahme sämtliche Beschäftigten von und auf dem Nichterreichen der erwarteten Rendite. Unternehmen geschult, Kollegen mit Suchtproblemen zu identifizieren und sie von einer Behandlung zu über- Eine aktuelle Metastudie zu den beschriebenen Effek- zeugen.31 ten kann nur auf ältere Publikationen verweisen.34 Aktu- ell werden kaum noch Studien publiziert, die sich ganz Einen stärkeren Fokus auf die präventive Gesundheits- allgemein mit dem Thema befassen. Einzig die Zahl der förderung legten die Behörden in Deutschland gegen Publikationen mit Fokus auf psychische Gesundheit Ende der 1980er Jahre. Großen Anteil daran hatte unter und Digitalisierung nimmt weiter zu, was angesichts anderem das 1989 geschaffene Gesundheitsreformge- der steigenden Bedeutung psychischer Erkrankungen setz, welches den Krankenkassen erstmals die Möglich- verständlich ist.35 Der Anstieg ist vermutlich mit neuen keit gab, präventive und gesundheitsfördernde Maß- Möglichkeiten zu erklären, durch digitale Initiativen nahmen durchzuführen.32 Ein Meilenstein in diesem vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kostengüns-
14 | Corporate Health Management tig Zugang zu Gesundheitsmaßnahmen zu ermöglichen. im Bereich der betrieblichen Gesundheit zurückgreifen Auch die grundsätzliche Aktualität des Themas Digitali- können.37 sierung dürfte eine entscheidende Rolle spielen. Haufe berichtet dagegen noch 2019, dass vor allem im Der Status quo in Deutschland Mittelstand nur wenige Unternehmen diese Maßnah- men überhaupt anbieten. Primärer Hintergrund sei, Mit Blick auf die stark ansteigenden Krankentage kann dass diese Unternehmen hier von einer Bringschuld davon ausgegangen werden, dass in den vergangenen der Beschäftigten ausgehen. In diesem Zusammenhang Jahren zu wenig in den Bereich der betrieblichen Ge- wird von einer allgemeinen Teilnahmerate in Höhe von sundheit investiert wurde. Betroffene Unternehmen 50% gesprochen.38 Das deckt sich mit einer Mehrthe- hätten stärker und effizienter handeln können und menbefragung von Statista aus dem Jahr 2017. Darin sollen. Allerdings berichtet eine Statista-Mehrthemen- heißt es, dass nur 50% der Beschäftigten von der Mög- befragung aus dem Jahr 2017 auch, dass nur rund zwei lichkeit zur Teilnahme am betrieblichen Gesundheits- Drittel der Beschäftigten diese Angebote – sofern sie vor- management Gebrauch machen.39 handen sind – auch wahrnehmen.36 Zusätzlich zu dieser relativ geringen Teilnahmerate ge- Bei Weitem nicht allen Beschäftigten werden Maßnah- ben die Unternehmen heutzutage nur wenig Geld für men in diesem Bereich angeboten. Ein wichtiger Grund vorbeugende Maßnahmen aus. Ein großes Pharmaun- könnte darin liegen, dass viele Unternehmen nicht an ternehmen gibt beispielsweise an, den Beschäftigten die Wirksamkeit der Maßnahmen glauben. Langsam Trainings, Präventionskurse, Vorträge, Vorsorgetermine findet aber ein Umdenken statt. Die Teilnahmerate der und Trainingspläne über eine eigene Gesundheitsplatt- Unternehmen an entsprechenden Programmen ist in form anzubieten. Die kostenpflichtigen Leistungen auf den letzten Jahren leicht angestiegen, liegt aktuell aber dieser Plattform erhalten die Beschäftigten zu vergüns- noch unter 65%. Eine genaue Bezifferung ist schwie tigten Konditionen. Darüber hinaus gibt das Unterneh- rig. Es handelt sich um Eigenangaben der Beschäftigten, men an, bis zu 25 Euro im Jahr pro Beschäftigten für sodass die tatsächliche Zahl vermutlich überschätzt zertifizierte Präventionskurse auszugeben. wird. Eine andere Untersuchung kommt auf Ausgaben in In vielen Unternehmen werden auch punktuelle Maß- Höhe von rund 60 Euro pro Mitarbeiter/-in und Jahr.40 nahmen (wie zum Beispiel das Bereitstellen von Obst) In den geführten Expertengesprächen geben mehrere als Bemühung in diesem Bereich angegeben. Die pronova Unternehmen an, über 100 Euro im Jahr (teilweise sogar BKK führte zum Thema der betrieblichen Gesundheit deutlich mehr) in diesem Bereich aufzuwenden. Hier eine Umfrage durch, bei welcher untersucht wurde, was muss jedoch beachtet werden, dass die befragten Un Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Gesundheit ternehmen vermutlich eine höhere Affinität für prä tun und ob der Arbeitgeber sie bei diesem Bestreben un- ventives Gesundheitsmanagement aufweisen als der terstützt. Eines der Ergebnisse der Befragung von 1.650 Durchschnitt. Um dies in Relation zu setzen: Haufe Beschäftigten verschiedenster Unternehmen ist, dass schätzt, dass ein Unternehmen 350 bis 500 Euro pro Per- rund zwei Drittel in ihrem Unternehmen auf Angebote son ausgeben müsste, um gesundheitliche Probleme
Corporate Health Management | 15 der Beschäftigten zu lösen und gesundheitliche Risi Um diese Zahl einzuordnen, hilft ein Vergleich mit ken in der Zukunft zu vermeiden.41 Diese Zahlen kön- den Präventionsausgaben der Deutschen Gesetzlichen nen als Anhaltspunkte genutzt werden, geben jedoch Unfallversicherung. In diesem System werden aktuell nur eine isolierte und individuelle Literaturmeinung circa 1,2 Milliarden Euro aufgewandt.44 Eine Zahl, die wieder. die niedrigen Ausgaben der Unternehmen und GKVen für Gesundheit und Prävention klein erscheinen lässt. Die große Diskrepanz zwischen rational gebotenen und Denn Unfälle verursachen in Deutschland nur 5,8% der den tatsächlich getätigten Ausgaben kann als Indikator Krankentage und somit einen volkswirtschaftlichen dafür angesehen werden, dass die Unternehmen heut- Schaden von 4,4 Mrd. Euro.45 H zutage zurückhaltend mit Investitionen sind und aus diesem Grund viel Potenzial ungenutzt lassen. Größe des Marktes H Verhältnis von Verteilung der Krankentage zu den Ausgaben Diese Skepsis der Unternehmen spiegelt sich auch im [in Prozent] [in Millionen] aktuellen Marktvolumen in Deutschland wider. Das Sonstige Krankentage Unternehmen und GKVen Volumen quantifizieren wir über eine Approximation Unfälle Unfallversicherung über die Einzelausgaben der beteiligten Akteure (Unter nehmen und gesetzliche Krankenversicherungen). 94,2 5,8 1.200 958 Unternehmen in Deutschland stellten 2019 33,4 Millio- nen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte an.42 Als Anteil der durch Maßnahmen erreichten Beschäftigten verwenden wir den Mittelwert der drei genannten Stu- dien (55,6%). Gleiches gilt für die Ausgaben pro Mitar beiter/-in und Jahr (42,5 Euro). Insgesamt investieren die Unternehmen in Deutschland demnach 788 Mil lionen Euro pro Jahr. Die gesetzlichen Krankenversiche- rungen geben laut GKV-Spitzenverband noch einmal 170 Millionen Euro zusätzlich für Betriebliches Gesund- Verteilung der Krankentage Ausgaben für heitsmanagement (BGM) aus43. So ergibt sich ein aktu- Gesundheit/Prävention elles Marktvolumen in Höhe von 958 Millionen Euro. Hinzu kommen die schwer zu beziffernden internen Quelle: GKV, DGUV, eigene Berechnungen Ausgaben der Unternehmen in Form von Investitionen und Personalkosten, sodass sich ein Gesamtwert von über einer Milliarde Euro ergibt. Dies allerdings steht im Verhältnis zu volkswirtschaftlichen Verlusten von 78 Milliarden Euro allein durch Fehltage.
3. Hürden auf dem Weg zum betrieblichen Gesundheits management Angesichts des großen wirtschaftlichen Potenzials be- I46 Hürden für erfolgreiches betriebliches trieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) wäre zu Gesundheitsmanagement47 vermuten, dass jedes Unternehmen verstärkte Maßnah- [in Prozent] men in diesem Bereich ergreift. Unternehmen stehen jedoch vor einer Reihe von Hürden, die sie an der Ein- Vorrang des 61 Tagesgeschäftes führung und Umsetzung eines BGM hindern. Fehlende Ressourcen 56 Vorrang des Tagesgeschäftes für BGM und fehlende Ressourcen Fehlendes Wissen 38 über Umsetzung Die beiden ersten Hürden hängen zusammen: 61% Kein persönliches der Unternehmen geben an, dass sie bei der Verteilung des 37 Engagement Personals im Zweifelsfall immer dem Tagesgeschäft den Umsetzung zu Vorrang geben – es fehlt schlicht an der Zeit, sich mit dem 34 kostspielig Thema zu befassen. 56% der Unternehmen geben fehlen- de interne Ressourcen als Hürde für ein erfolgreiches BGM Kein Wissen über 33 externe Unterstützung an. Diese Ressourcen werden dann weiter in drei Teilprob- leme unterteilt, an erster Stelle das fehlende spezialisier- Fehlende Motivation 33 der Belegschaft te48 Personal. Es mangelt demnach an dedizierten Beschäf- tigten, die sich über einen längeren Zeitraum mit dem Fehlendes Wissen 29 Thema beschäftigen, ein Konzept erstellen und dieses über Anbieter umsetzen. Zweiter Unterpunkt sind die finanziellen Mittel Unbekannter 23 für Maßnahmen der betrieblichen Gesundheit. Den Unter- Bedarf nehmen ist nicht klar, ob und wie sich ihre Investitionen Keine Unterstützung refinanzieren. Drittens fehle das Know-how für die selbst- 11 durch Betriebsrat ständige Umsetzung von Programmen sowie das Wissen, Andere welche Anbieter und welche Angebote es in diesem Be- 5 Hürden reich gibt. Eine weitere Hürde für die Einführung von BGM besteht laut IGA-Studie im fehlenden persönlichen En- gagement der Führungskräfte49. I Quelle: IGA
Corporate Health Management | 17 Einzelmaßnahmen bremsen ganzheitliches große Motivation darstellen würden, die Maßnahmen Corporate Health Management im Unternehmen auszuweiten beziehungsweise erste Maßnahmen zu initiieren54. Darüber hinaus gibt es in vielen Unternehmen heut zutage bereits Maßnahmen zur Förderung der Gesund- Unklare Bedürfnisse heit. So werden beispielsweise häufig Mahlzeiten in der Kantine oder die Mitgliedschaft im Fitnessstudio Hinzu kommt, dass Unternehmen häufig nicht wissen, subventioniert. Zu häufig bleibt es jedoch bei solchen mit welchen Maßnahmen sie konkrete Erfolge im Sinne einzelnen, nicht in ein umfassendes Programm inte der Steigerung von Wirtschaftlichkeit und Mitarbeiter- grierten Maßnahmen. Dabei ist gerade die Ganzheitlich- zufriedenheit erreichen können. Im Rahmen einer Um- keit eines Programms der entscheidende Erfolgsfaktor frage geben 44% der Unternehmen an, dass sie fehlen- eines modernen Corporate Health Managements. Ein- des Wissen über die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen seitige Programme führen nämlich häufig zu geringen und Mitarbeiter an der Umsetzung eines betrieblichen oder gar keinen positiven Ergebnissen. Ein ganzheit Gesundheitsmanagements hindert55. Dieses Problem liches Programm baut auf drei Säulen auf: Arbeits- und tritt noch stärker im Bereich der Unternehmenskultur Gesundheitsschutz, betriebliche Gesundheitsförderung auf. Hier haben Führungskräfte sehr große Schwierig und Eingliederungsmanagement50. keiten, die Wünsche und Bedürfnisse der Belegschaft zu erkennen. Unklarheit über positive Effekte Fehlende Motivation der Beschäftigten Das Engagement der Unternehmen wird außerdem da- durch gebremst, dass sich der Mehrwert ganzheitlicher In einer Studie der IGA geben 33% der Unternehmen Programme nicht eindeutig bestimmen lässt. Studien, die fehlende Motivation der Mitarbeitenden als Grund welche den ROI im Bereich der betrieblichen Gesund- an, den Ausbau von Maßnahmen der betrieblichen Ge- heit untersuchen, kommen zu unterschiedlichen Ergeb- sundheit nicht weiter voranzutreiben56. Dies darf jedoch nissen. So wird von möglichen ROIs zwischen 2,7 (IGA)51 nicht zwangsläufig als Defizit seitens der Beschäftig- und 5,56 (Chapman)52 berichtet. Diese Werte liegen sehr ten gewertet werden. Laut Oliver Walle von der Deut- weit auseinander. schen Hochschule für Prävention und Gesundheits management besteht ein starker Zusammenhang Außerdem sind sie deutlich höher als normalerweise er- zwischen der Führungskultur in einem Unternehmen reichbare ROIs – vielen Unternehmen erscheinen sie da- und dem Interesse der Beschäftigten an solchen Ange- her als unrealistisch. Der durchschnittliche ROI liegt für boten. Bei schlechter Unternehmens- und Führungs- "normales" unternehmerisches Handeln im deutschen kultur ist eine offene Befassung mit Krankheit und Ge- Mittelstand im Schnitt bei ungefähr 0,153. Diese Unsi- sundheit nicht möglich. Die Angst, sich angreifbar zu cherheit spiegelt sich ebenfalls in der Umfrage der IGA machen, ist zu groß. Eine mögliche Lösung sind externe aus dem Jahr 2011 wider. Hier geben 47% der deutschen Angebote wie EAP. Darüber hinaus können digitale An- Unternehmen an, dass zusätzliche Informationen über gebote die Anonymität und damit das Vertrauen und die den tatsächlichen Mehrwert solcher Maßnahmen eine Akzeptanz der Beschäftigten steigern.57
4. Corporate Health Management als langfristiger Erfolgsfaktor Wenn Unternehmen die beschriebenen Hürden über- Die Studien von Grossmeier et al. und Yu & Bang zeigen, winden, können sie ihren Erfolg durch abgestimmte dass sich die Aktienkurse von denjenigen Unternehmen Maßnahmen im Bereich der betrieblichen Gesundheit besser entwickeln, die im Bereich der betrieblichen Ge- langfristig steigern. Sie erhöhen die Leistungsfähig- sundheit gut bewertet werden. Der Kurs dieser Unter- keit der Belegschaft, senken die Krankheitskosten und nehmen stieg pro Jahr um 10 Prozentpunkte stärker an. verbessern zudem ihre Position am Arbeitsmarkt. Das Gleichzeitig wurde ein um 11% höherer Umsatz pro Mit- erleichtert es ihnen, qualifizierte Mitarbeitende zu ge- arbeiter/-in in Unternehmen mit effektiven Gesundheits- winnen und zu halten. maßnahmen ermittelt. Steigerung der Leistungsfähigkeit Badura et al. berichten darüber hinaus von höherer geis- tiger Leistungsfähigkeit und stärkerer Stressresistenz in Das größte Potenzial eines neu gedachten Corporate Unternehmen, in denen es ein an die Beschäftigten an- Health Managements besteht in der Leistungssteigerung gepasstes und verhaltensbasiertes betriebliches Gesund- der Beschäftigten und damit des gesamten Unternehmens. heitsmanagement gibt58. J J Ergebnisse des Ausbaus von betrieblicher Gesundheit Erhöhung der Leistungsfähigkeit Senkung der Krankheitskosten Verbesserung der Positionierung am Arbeitsmarkt Quelle: Roland Berger
Corporate Health Management | 19 Die von uns befragten Unternehmen bestätigen diesen tig angesetzt weitere 5% der restlichen Krankheitskosten Zusammenhang: Ein umfassendes Gesundheitsmanage- abgesenkt werden, was eine Einsparung in Höhe von 2,9 ment wirkt sich positiv auf die Leistungsfähigkeit der Mit- Milliarden Euro bedeuten würde. Unter Einbeziehung arbeitenden und damit auf die Leistungsfähigkeit des Ge- dieser Werte ist eine potenzielle Reduktion des volkswirt- samtunternehmens aus. schaftlichen Schadens in einer Größenordnung von 9,0 Milliarden Euro p. a. denkbar. Senkung der Krankheitskosten KOSTEN EINSPARPOTENZIAL Betriebliches Gesundheitsmanagement steigert nicht nur in % in Millionen in Milliarden die Leistung der Beschäftigten. Großes Potenzial zeigt Tagen Euro BGM auch in der Senkung der Krankentage. Vor allem Erkrankungen 20 8,9 1,3 Erkrankungen von Psyche und Rücken können durch des Rückens frühe Interventionen verhindert werden. Hier ist der Erkrankungen 20 24,9 3,6 Einfluss auf das Unternehmensergebnis am einfachsten der Psyche direkt messbar. Weitere 3 8,4 1,2 Erkrankungen Wir weisen die Potenziale hier in Form einer Modell rechnung aus: Bei konsequenter Prävention und früher Mögliche 5 20,3 2,9 Abstrahleffekte Behandlung psychischer Erkrankungen und Rücken leiden kann eine Einsparung in Höhe von 20% der Krank- Gesamt 62,5 9,0 heitskosten erwartet werden. Insgesamt sind diese beiden Krankheitsgruppen in Deutschland für 151 Millionen Darüber hinaus sind bei einer mittelfristigen Betrachtung Krankentage59 und somit für rund 33% der Krankentage noch deutlich höhere Einsparungen sichtbar. Eine aktu- verantwortlich. Umgerechnet könnten bei psychischen elle Untersuchung (Forbes 2020) schätzt, dass sogar eine Erkrankungen 3,6 Milliarden Euro und bei Erkrankun- Senkung von 20% über alle Krankentage möglich wäre. Da gen des Rückens 1,3 Milliarden Euro pro Jahr eingespart sich viele gesundheitliche Beschwerden über Jahre erstre- werden. Dies entspricht insgesamt einem Einsparpoten cken, hat eine frühzeitige Verbesserung mithilfe von BGM zial von 33,8 Millionen Krankheitstagen oder 4,9 Milliar- nicht nur Auswirkungen auf die direkten Fehltage, son- den Euro. dern auch auf den Krankheitsverlauf und die Fehltage in den Folgejahren. Bei weiteren Erkrankungen (bspw. Herz/Kreislauf) sind ebenfalls Effekte zu vermuten, wenn auch schwieriger zu Anwerben und Halten von Beschäftigten erzielen. Daher setzen wir hier nur 3% der Krankheits kosten oder 1,2 Milliarden Euro an. Schließlich entstehen Neben der Senkung der Krankheitskosten können Unter- Abstrahleffekte über alle Krankheitsarten. Wie beschrie- nehmen von einer besseren Positionierung am Arbeits- ben kann durch eine höhere Motivation und Zufriedenheit markt, einer höheren Arbeitgeberattraktivität und einer der Mitarbeitenden die Krankheitsrate gesenkt werden60. damit einhergehenden geringeren Fluktuationsrate pro- Nach den oben zitierten Einschätzungen könnten vorsich- fitieren.
20 | Corporate Health Management In einer Umfrage aus dem Jahr 2017 geben 80% der Be- angemessener und ist in ihrer Größenordnung auch auf fragten an, dass Gesundheit für sie sehr wichtig und erstre- die Situation in Deutschland übertragbar. benswert ist. Dies stellt in der Befragung den Höchstwert dar61. Allerdings erwarten gerade die jungen Generationen Bei einer Unternehmensgröße von 1.000 verlassen also (Gen Z/Millennials) von Unternehmen keine klassischen jedes Jahr 110 Personen ihren Arbeitgeber. Laut einer Stu- Maßnahmen betrieblicher Gesundheit wie beispielsweise die von Oxford Economics in ausgewählten Wirtschafts- Sportangebote; diese werden als Teil der Freizeit und da- sektoren liegen die durchschnittlichen Kosten einer Neu- mit unabhängig vom Unternehmen gesehen62. Vielmehr einstellung bei rund 34.000 Euro67. Die Kosten entstehen sind jüngeren Mitarbeitergenerationen ein gesundes Be- zum einen durch den Ausfall der Arbeitskraft bis zur Neu- triebsklima und die Möglichkeit, sich selbst um die Ge- besetzung, zum anderen durch die Rekrutierungs- und sundheit zu kümmern, wichtig. Einarbeitungskosten. Die Fluktuationskosten bei 1.000 Mitarbeitenden und 110 unfreiwilligen Abgängen betra- Bei den angebotenen Maßnahmen müssen die Unterneh- gen also rund 3,7 Millionen Euro im Jahr. Wenn durch men deshalb darauf achten, dass diese zu den Wünschen gutes Gesundheitsmanagement und eine gesunde Unter- und Bedürfnissen der jungen Generationen passen. So hat nehmens- und Führungskultur die Fluktuation um 20% eine Studie des Zukunftsinstituts aus dem Jahr 2013 ge- gesenkt werden kann68, können diese Vergleichsunter zeigt, dass gerade der Generation Y (Geburtsjahrgang ca. nehmen 748.000 Euro pro Jahr beziehungsweise 748 Euro 1985 – 1999) vor allem die Themen Unabhängigkeit und pro Mitarbeiter/-in und Jahr einsparen.69 Spaß, gerade in Bezug auf die Arbeit, wichtig sind63. Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt macht sich also eher an einer gesunden Unternehmenskultur und "gesunder Füh- rung" fest, weniger an Rückenmassagen am Arbeitsplatz. Gesunde Führung beschreibt in diesem Zusammenhang einen Führungsstil, der die Gesundheit der Beschäftigten als zentrales Gut für das Unternehmen berücksichtigt. Das heißt, dass unternehmerische Entscheidungen auch mit Blick auf ihre Auswirkungen auf die Gesundheit der Be- schäftigten bewertet werden. Ein gesundes Betriebsklima und ein gesunder Führungs- stil tragen auch zum Halten von Arbeitskräften bei. Die durchschnittliche Fluktuationsrate in Deutschland lag laut Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2017 bei 32,4%64, 65. Dies schließt allerdings Kündigungen durch den Arbeit geber mit ein. Eine Studie von Deloitte spricht dagegen in Österreich von einer ungewollten Fluktuation in Höhe von 11%66. Diese Zahl scheint uns für die weitere Berechnung
5. Die erfolgreiche Umsetzung erfordert einen gesamtunter nehmerisch integrierten Ansatz Die Potenziale eines Corporate Health Managements heitsmanagement als Beitrag zum Unternehmenserfolg können nur mithilfe eines breiten Ansatzes und der Ein- und setzt die entsprechenden Verantwortlichkeiten bindung des gesamten Unternehmens erzielt werden. und Berichtsroutinen ein wie bei anderen erfolgskriti- Konkret kann ein erfolgreiches Gesundheitsmanage- schen Faktoren. Damit dies gelingt, muss man die Un- ment in fünf Schritten umgesetzt werden. K ternehmensleitung für diese Aufgabe sensibilisieren und schulen. Dazu gehört, den klaren Mehrwert des Positionierung als authentisches Gesundheitsmanagements aufzuzeigen und erreichba- C-Level-Thema re Teilziele zu setzen. Im ersten Schritt muss Corporate Health Management Die Unternehmensleitung allein kann die Umsetzung auf der Agenda der Unternehmensleitung positioniert eines ganzheitlichen Ansatzes allerdings nicht ohne werden. Das Ziel: Das Topmanagement sieht Gesund- breite Unterstützung aus dem Unternehmen leisten. K Mögliche Hebel zur Einführung eines effektiven Programms 5 3 4 Bedarfsbezogene 1 2 Verankerung in Entwicklung einer modernen Nutzung digitaler Angebote Unternehmens- der Unternehmens- Unternehmens- Positionierung bezogene strategie kultur als authentisches Individualisierung C-Level- der Programme Thema Quelle: Roland Berger
22 | Corporate Health Management Neben einem spezialisierten Bereich für Planung und beitenden und die Altersgruppen der Mitarbeitenden. Die Koordination des Gesundheitsmanagements muss jede besten Erfolge werden erzielt, wenn die Ebenen der Or- einzelne Führungskraft mitgenommen, überzeugt und ganisation, der Führungskräfte und der Mitarbeitenden befähigt werden, die Gesundheit ihrer Teams und eine parallel und aufeinander abgestimmt adressiert werden. gesunde Teamkultur zu fördern. Um eine solche unternehmensindividuelle Anpassung Zusätzlich ist es wichtig, dass die Beschäftigten in die des Instrumentenbaukastens vorzunehmen, bietet sich Ausgestaltung von Gesundheitsprogrammen eingebun- die Einbeziehung von spezialisierten Dienstleistern an. den werden. So ist es möglich, eine neue Kultur erleb- Dies gilt insbesondere für kleine und mittlere Unterneh- bar zu machen, die richtigen Maßnahmen zu finden men (KMU). Große Unternehmen verfügen häufig über und eine hohe Akzeptanz zu schaffen. Schließlich fin- eigene Ressourcen in diesem Bereich und wissen daher det man in Unternehmen mit hoher Mitarbeiterparti- oftmals, wo sie welche Instrumente benötigen und was zipation grundsätzlich eine bessere Fehlerkultur vor. sie ihren Mitarbeitenden genau zur Verfügung stellen So ist es möglich bei einem Programm im Bereich der sollten. Diese Unternehmen benötigen typischerweise betrieblichen Gesundheit schnell etwaige Schwächen Unterstützung bei der Bereitstellung von Angeboten aufzuzeigen und zu beheben70. Hier kommt es auch da- und zur kritischen Überprüfung der definierten Strate- rauf an, sämtliche Beschäftigten anzusprechen und zu gien und Maßnahmen (Sparring). erreichen, nicht nur diejenigen, die sich ohnehin schon um ihre Gesundheit kümmern. KMU dagegen benötigen in der Regel Unterstützung bei der Konzeption und Umsetzung eines ganzheitlichen Im Rahmen unserer Expertengespräche wurde deutlich, Ansatzes. Besonderen Mehrwert bieten hierbei Dienst- dass das Thema Gesundheit in vielen Unternehmen leister, welche für jedes Unternehmen eine individu- nur unregelmäßig mit der Unternehmensleitung ab- elle Lösung aus vielen Bausteinen zusammenstellen. gestimmt wird. Die Experten sind der Ansicht, dass ein So kann die auf das jeweilige Unternehmen bestmög- stärkeres und stetiges Engagement der Unternehmens- lich angepasste Instrumentenkombination ausgewählt leitung die Wirkung der Maßnahmen deutlich erhöhen werden. kann. Dies bestätigen diejenigen Befragten, in deren Unternehmen Gesundheit als Thema auf der Leitungs Verankerung in der Unternehmensstrategie ebene verankert ist: Sie sehen darin einen wichtigen Faktor für den Erfolg. Die Verankerung des Themas Gesundheit in der Orga- nisation und der Unternehmensstrategie ist der dritte Unternehmensbezogene Erfolgsfaktor für Corporate Health Management. Initia- Individualisierung der Programme tiven und Programme, welche dies nicht tun, schöpfen nicht das volle Potenzial aus71. Bereits heute geben 80% Die Inhalte der Programme sind auf die individuellen der Unternehmen an, dass sich die Personalstrategie Bedürfnisse der Unternehmen und der jeweiligen Beleg- direkt aus der Unternehmensstrategie und -kultur ablei- schaft abzustimmen, also bspw. auf die Art der Arbeit, typi- tet. Daran anschließend müssen Unternehmen auch Ge- sche Überlastungsprobleme, Ausbildungsgrade der Mitar- sundheit eng mit der Unternehmensstrategie verzahnen.
Corporate Health Management | 23 Das Thema Mitarbeitergesundheit muss in Strukturen, Vielzahl möglicher Maßnahmen, wir stellen im Folgen- Prozesse und Anreizsysteme eingebunden werden, um den die am häufigsten genannten vor. nicht im Tagesgeschäft unterzugehen. Dies ist nach un- serem Eindruck aus Expertengesprächen selbst in sehr Zunächst muss bedacht werden, dass eine funktionie- fortschrittlichen Unternehmen nicht immer der Fall. rende Unternehmenskultur nicht "von oben" angeord- net werden kann. Doch mit der Fokussierung auf die Entwicklung einer modernen richtigen Themen und Initiativen kann das Manage- Unternehmenskultur ment Impulse dafür setzen, dass sich die Kultur im Unternehmen in die gewünschte Richtung entwickelt. Wir haben auf den vorhergehenden Seiten bereits darge- L stellt, dass eine gesunde Unternehmenskultur ein wich- tiger Teil des Gesundheitsmanagements ist. 98,4% der Arbeitnehmer in Deutschland nennen das Wohlfühlen am Arbeitsplatz als wichtigsten Faktor. Es folgen eine L Maßnahmen für eine moderne Unternehmenskultur gute Zusammenarbeit mit den Kollegen (97,9%) und ein gutes Betriebsklima (96,8%)72 – alle drei Faktoren Dauerhaftes Lernen hängen stark von der Unternehmenskultur ab. Zeitgemäße Fokus auf Boyce et al. beschreiben, dass vier Bereiche eine gute Führung Ergebnisse und damit auch die Gesundheit der Beschäftigten för- dernde Unternehmenskultur ausmachen: Beteiligung der Beschäftigten, Konsistenz, Anpassungsfähigkeit und Mission. Die Beteiligung der Beschäftigten be- Fördern schreibt dabei, inwieweit ein Unternehmen die team- Wohlfühlen Teamkultur basierte Zusammenarbeit und das individuelle Lernen/ die individuelle Entwicklung fördert. Konsistenz ist der Grad, zu dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Aufbrechen von Silos Werten eines Unternehmens übereinstimmen. Die An- passungsfähigkeit beschreibt, wie gut Organisationen auf Anforderungen der Kunden, Wettbewerber und Be- Quelle: Roland Berger schäftigte reagieren. Die Mission betrachtet, inwieweit eine Organisation eine klar formulierte strategische Zeitgemäßes Führungsverhalten: Das Verständnis Richtung sowie Ziele hat, anhand derer die Beschäftig- vom richtigen Verhältnis zwischen Mitarbeiterin- ten die Umsetzung der Strategie verfolgen können73. nen bzw. Mitarbeitern und Vorgesetzten ändert sich mit der Zeit – von Unternehmen wird erwartet, Darüber hinaus gibt es verschiedene Maßnahmen, mit diese Veränderungen mitzutragen und umzusetzen. deren Hilfe Unternehmen eine effektive Unternehmens- Studien zeigen, dass der Führungsstil generell eine kultur schaffen können. In der Literatur findet sich eine große Auswirkung auf die Gesundheit der Beschäf-
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