Der Krieg gegen die Drogen und HIV/Aids - Wie die Kriminalisierung des Drogenkonsums die globale Pandemie anheizt
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
JUNI 2012 Der Krieg gegen die Drogen und HIV/Aids Wie die Kriminalisierung des Drogenkonsums die globale Pandemie anheizt bericht der weltkommission für DRogenpolitik
Vor der russischen Botschaft in London fordern Demonstranten die Einführung der Opiat-Substitutionstherapie und den Ausbau der Spritzenabgabeprogramme. Foto: International Network of People who Use Drugs www.inpud.net SEKRETARIAT BERATER WEITERES MATERIAL UNTER: Ilona Szabó de Carvalho Dr. Alex Wodak, Australian www.unodc.org Miguel Darcy de Oliveira Drug Law Reform Foundation www.drugpolicy.org Patricia Kundrat www.adlrf.org.au www.icsdp.org Rebeca Lerer www.idpc.net Ethan Nadelmann, www.igarape.org.br Drug Policy Alliance UNTERSTÜTZUNG www.talkingdrugs.org www.drugpolicy.org Igarapé Institute www.tni.org/drugs Dan Werb, International Centre for www.ihra.net Instituto Fernando Henrique Science in Drug Policy www.countthecosts.org Cardoso www.icsdp.org www.intercambios.org.ar Open Society Foundations www.cupihd.org Dr. Evan Wood, International www.wola.org/program/drug_policy Sir Richard Branson, Gründer Centre for Science in Drug Policy www.beckleyfoundation.org und Verwaltungsratspräsident www.icsdp.org www.comunidadesegura.org der Virgin Group (Unterstützung Martin Jelsma, erbracht durch Virgin Unite) Transnational Institute www.tni.org/drugs Deutsche Übersetzung Herausgegeben vom Mike Trace, International Fachverband Sucht und der Arud Drug Policy Consortium www.fachverbandsucht.ch www.idpc.net www.arud.ch
BERICHT DER MITGLIEDER DER KOMMISSION WELTKOMMISSION FÜR Aleksander Kwasniewski, ehemaliger Präsident von Polen DROGENPOLITIK Asma Jahangir, Menschenrechtsaktivistin, ehemalige UN-Sonderberichterstatterin über willkürliche, aussergerichtliche und summarische Hinrichtungen, Pakistan Carlos Fuentes, Schriftsteller und Intellektueller, Mexiko – in memoriam César Gaviria, ehemaliger Präsident von Kolumbien Ernesto Zedillo, ehemaliger Präsident von Mexiko Fernando Henrique Cardoso, ehemaliger Präsident von Brasilien (Vorsitz) George Papandreou, ehemaliger Ministerpräsident von Griechenland George P. Shultz, ehemaliger Aussenminister, Vereinigte Staaten (Ehrenvorsitz) Javier Solana, ehemaliger Generalsekretär für die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, Spanien John Whitehead, Bankier und Beamter, Vorsitzender der World Trade Center Memorial Foundation, Vereinigte Staaten Louise Arbour, ehemalige UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Präsidentin der International Crisis Group, Kanada Maria Cattaui, ehemalige Generalsekretärin der Internationalen Handelskammer, Schweiz Nähere Informationen zur Kommission unter: www.globalcommissionondrugs.org Mario Vargas Llosa, Schriftsteller und Intellektueller, Peru Oder per E-Mail: declaration@globalcommissionondrugs.org Marion Caspers-Merk, ehemalige Staatssekretärin, Bundesministerium für Gesundheit, Deutschland Michel Kazatchkine, ehemaliger Geschäftsführer des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, Frankreich Paul Volcker, ehemaliger Vorsitzender der Notenbank der Vereinigten Staaten und des Economic Recovery Board Pavel Bém, ehemaliger Oberbürgermeister von Prag, Mitglied des tschechischen Parlaments Ricardo Lagos, ehemaliger Präsident von Chile Richard Branson, Unternehmer, Aktivist für soziale Gerechtigkeit, Gründer der Virgin Group, Mitbegründer von The Elders, Vereinigtes Königreich Ruth Dreifuss, ehemalige Bundespräsidentin und Vorsteherin der Eidgenössischen Departements des Innern, Schweiz Thorvald Stoltenberg, ehemaliger Aussenminister und UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Norwegen
KURZFASSUNG Der weltweite Krieg gegen die Drogen verstärkt die HIV/ gängige Gradmesser des «Erfolgs» der Drogenrepression dazu Aids-Pandemie unter den Drogenkonsumierenden und ihren beitragen, die Verfügbarkeit von illegalen Drogen zu verringern. Sexualpartnern. Rund um den Globus hat die Forschung über- Daten des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbre- einstimmend gezeigt, dass eine repressive Strafverfolgungs- chensbekämpfung zeigen jedoch, dass das weltweite Angebot praxis im Drogenbereich die Drogenkonsumierenden von der an illegalen Opiaten wie Heroin in den letzten Jahrzehnten um Gesundheitsversorgung fernhält und sie in den Untergrund mehr als 380 Prozent zugenommen hat: Es stieg von 1000 Ton- drängt, wo ein deutlich erhöhtes HIV-Risiko besteht. Auch die nen im Jahr 1980 auf über 4800 Tonnen im Jahr 2010. Parallel massenweise Inhaftierung von nicht gewalttätigen Drogende- zu dieser Erhöhung sank der Heroinpreis in Europa zwischen linquenten trägt erheblich zur Erhöhung des HIV-Risikos bei. In 1990 und 2009 um 79 Prozent. vielen Ländern ist dies ein grosses Problem für die öffentliche Gesundheit. Dies gilt auch für die Vereinigten Staaten, wo sich Auch aus den Daten der Drogenüberwachung der Vereinigten jährlich bis zu 25 Prozent der HIV-infizierten Einwohnerinnen Staaten, ergeben sich ähnliche Hinweise darauf, dass sich das und Einwohner in einer Haftanstalt befinden und wo überpro- Drogenangebot mit dem Drogenkrieg nicht einschränken lässt. portionale Inhaftierungsraten einen der Hauptgründe für deutlich Zum Beispiel wurden seit den frühen 1980er-Jahren die Bun- höhere HIV-Raten in der afroamerikanischen Bevölkerung dar- desmittel zur Drogenbekämpfung in den Vereinigten Staaten stellen. um mehr als 600 Prozent aufgestockt, während der Heroinpreis in diesem Zeitraum um rund 80 Prozent sank und der Rein- Zudem ist belegt, dass die strafrechtliche Verfolgung von Dro- heitsgrad des Heroins sich um mehr als 900 Prozent erhöhte. genkonsumierenden Hindernisse für die HIV-Behandlung schafft. Ein ähnliches Muster mit sinkenden Drogenpreisen und einer Wissenschaftliche Daten zeigen, dass die Behandlung einer zunehmenden Stärke der Drogen geht aus den Überwachungs- HIV-Infektion das Risiko einer HIV-Übertragung durch infizierte daten der USA zu Kokain und Cannabis hervor. Personen erheblich verringert. Doch die aggressive Strafver- folgungstaktik im Drogenbereich führt zu Unterbrüchen in der Wie bei der Alkoholprohibition in den USA in den 1920er-Jahren HIV-Therapie. Heute wird noch zu wenig anerkannt, dass die heizt die weltweite Drogenprohibition heute die Gewalt im Dro- Folgen, die sich daraus für die öffentliche Gesundheit ergeben, genmarkt rund um den Globus an. So wird geschätzt, dass seit die Anstrengungen zur Eindämmung der weltweiten HIV/Aids- der militärischen Eskalation des Vorgehens gegen die Drogen- Pandemie stark behindern. kartelle, die 2006 durch die mexikanischen Regierungstruppen eingeleitet wurde, über 50’000 Menschen getötet wurden. Der Krieg gegen die Drogen hat auch zu einer Verzerrung der Befürworter von aggressiven Strafverfolgungsstrategien im Dro- Politik geführt. In diesem Zusammenhang wurden evidenz- genbereich gehen möglicherweise davon aus, dass ein Blutver- basierte Massnahmen zur Behandlung der Abhängigkeit und giessen dieses Ausmasses dem Drogenmarkt die Möglichkeit zum Schutz der öffentlichen Gesundheit heruntergespielt oder nimmt, illegale Drogen herzustellen und zu vertreiben. Kürzlich ignoriert. Während dieses Problem an vielen Orten der Welt be- vorgenommene Schätzungen weisen jedoch darauf hin, dass die steht, nimmt eine Reihe von Ländern, unter anderem die USA, Heroinproduktion in Mexiko seit 2004 um mehr als 340 Prozent Russland und Thailand, die wissenschaftlichen Daten und die zugenommen hat. Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation überhaupt nicht zur Kenntnis und widersetzt sich der Einführung von evidenzba- In den Regionen und Ländern, in denen sich die HIV-Epidemie sierten HIV-Präventionsprogrammen – mit verheerenden Folgen. hauptsächlich durch den intravenösen Drogenkonsum ausbrei- In Russland ist heute beispielsweise jeder hundertste Erwach- tet, verstärkt sie sich zunehmend. Nach neueren Erkenntnissen sene mit HIV infiziert. nehmen die Infektionen, die mit dem intravenösen Drogenkon- sum zusammenhängen, unterdessen auch in weiteren Regionen Im Gegensatz dazu konnte in Ländern, die eine evidenzbasierte zu, unter anderem in den afrikanischen Ländern südlich der Suchttherapie und Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Sahara. Leider wurden die Gesundheitsbehörden der einzelnen Gesundheit eingeführt haben, die HIV-Epidemie unter den Dro- Staaten und der Vereinten Nationen ausgebootet. Während genkonsumierenden – ebenso wie die Raten des intravenösen der Krieg gegen die Drogen die HIV-Epidemie in vielen Regio- Drogenkonsums – markant eingedämmt werden. Zwar beste- nen anheizt, verfolgen die Strafverfolgungsbehörden und UN- hen klare Konsensrichtlinien, um derartige Erfolge zu erreichen. Agenturen aktiv ein aggressives Programm zur strafrechtlichen Doch die Instrumente der HIV-Prävention werden zu wenig Verfolgung von Drogendelikten auf Kosten der öffentlichen genutzt, während schädliche politische Handlungskonzepte, die Gesundheit. Eine nüchterne Betrachtung der Auswirkungen des auf den Krieg gegen die Drogen ausgerichtet sind, nur sehr lang- Drogenkriegs würde zeigen, dass viele nationale und internatio- sam angepasst werden. nale Organisationen, die sich mit der Eindämmung des Drogen- problems befassen, in Wirklichkeit dazu beigetragen haben, die Möglicherweise ist dies auf die falsche Annahme zurückzufüh- Gesundheit und Sicherheit der Gemeinschaft zu verschlechtern. ren, dass Beschlagnahmungen, Festnahmen und strafrechtliche Das muss sich ändern. Verurteilungen im Zusammenhang mit Drogen sowie weitere 2 BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK
ZUSAMMENFASSUNG DER EMPFEHLUNGEN AUS DIESEM BERICHT* Die folgenden Massnahmen müssen von den führenden Persönlichkeiten in den einzelnen Staaten und vom Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, von UNAIDS und von der Betäubungsmittelkommission getroffen werden: 1. Die Kausalzusammenhänge anerkennen und angehen, die zwi- die schädlichen Folgen der Drogenmärkte verringern, da die Ge- schen dem Krieg gegen die Drogen und der Ausbreitung von samtnachfrage nach Drogen zurückgeht. HIV/Aids, der Gewalt im Drogenmarkt und weiteren gesund- heitlichen (z. B. Hepatitis C) und sozialen Schäden bestehen. 7. Alle Behörden – von der Gemeindeebene bis zur internationa- 2. len Ebene – müssen anerkennen, dass es mit dem Krieg gegen Darauf reagieren, dass das HIV-Risikoverhalten, das auf re- die Drogen nicht gelungen ist, das Drogenangebot merklich pressive politische Handlungskonzepte zur Drogenbekämpfung einzuschränken. Sie müssen somit von den konventionellen und auf mangelnde finanzielle Unterstützung von evidenz- Massnahmen abrücken, auf die sich der «Erfolg» der strafrecht- basierten Ansätzen zurückzuführen ist, das Hauptproblem lichen Verfolgung von Drogendelikten stützt (z. B. Festnahmen, darstellt, das die HIV-Epidemie in vielen Regionen der Welt Beschlagnahmungen, Verurteilungen), da diese keine positiven verstärkt. Auswirkungen auf die Gemeinschaften haben. 3. 8. Die nationalen Regierungen dazu bewegen, auf die Festnahme Den Erfolg der Drogenpolitik anhand von Indikatoren messen, und Inhaftierung von Menschen zu verzichten, die Drogen kon- die für die Gemeinschaften wirklich von Bedeutung sind, wie sumieren, aber anderen keinen Schaden zufügen. tiefere Übertragungsraten für HIV und andere Infektionskrank- heiten (z. B. Hepatitis C), weniger Todesfälle aufgrund einer 4. Überdosis, weniger Gewalt im Drogenmarkt, weniger inhaftierte Unwirksame Massnahmen, die auf die Kriminalisierung und Be- Personen und geringere Raten von problematischem Substanz- strafung von Drogenkonsumierenden ausgerichtet sind, durch konsum. evidenzbasierte Interventionen ersetzen, welche die Rechte stärken und die negativen Folgen des Drogenkonsums für das 9. Individuum und die Gemeinschaft nachweislich verringern. Die für die öffentliche Gesundheit zuständigen Stellen inner- halb des Systems der Vereinten Nationen werden dazu auf- 5. gerufen, bei den Massnahmen gegen den Drogenkonsum und Länder, welche die erprobten Massnahmen zum Schutz der die damit verbundenen Schäden eine Führungsrolle zu über- öffentlichen Gesundheit noch zu wenig nutzen, sollten unver- nehmen und evidenzbasierte Lösungen zu fördern. Weitere züglich vermehrt evidenzbasierte Strategien zur Verringerung Gremien, einschliesslich des Internationalen Kontrollorgans für von HIV-Infektionen und zum Schutz der Gesundheit von Dro- Suchtstoffe, sollten einer unabhängigen externen Überprüfung genkonsumierenden verfolgen, einschliesslich der Abgabe von unterstellt werden, um sicherzustellen, dass die von ihnen sterilen Spritzen und weiteren Programmen für den sicheren geförderten politischen Handlungskonzepte die Gesundheit und intravenösen Konsum. Eine Unterlassung dieser Schritte ist Sicherheit der Gemeinschaft nicht beeinträchtigen. ein Verbrechen. 10. 6. Dringend Massnahmen treffen: Der Krieg gegen die Drogen ist Der öffentliche und der private Sektor sollten in eine einfach gescheitert. Millionen von neuen HIV-Infektionen und Aids- zugängliche Palette von evidenzbasierten Optionen für die Todesfällen lassen sich verhindern, wenn jetzt gehandelt wird. Behandlung der Drogenabhängigkeit investieren, einschliess- lich der Substitutionstherapie und der heroingestützten *Die Empfehlungen aus dem Bericht «Krieg gegen die Drogen», den Behandlung. Mit diesen Strategien lassen sich die Zahl der die Weltkommission für Drogenpolitik 2011 veröffentlicht hat, sind Erkrankungen und Todesfälle senken und auch die Grösse und auf der letzten Seite des vorliegenden Berichts zusammengefasst. BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK 3
2012 GCDP bericht WIE DER DROGENKRIEG DIE HIV-PANDE- MIE ANHEIZT: • Die Angst vor einer Festnahme treibt Drogenkonsumie- rende in den Untergrund, wo sie keinen Zugang zu HIV- Tests und zu Massnahmen der HIV-Prävention haben und wo ein hohes Risiko besteht. • Einschränkungen bei der Abgabe von sterilen Spritzen an Drogenkonsumierende führen zu vermehrtem gemein- samem Spritzengebrauch. • Verbote oder Einschränkungen der Opiat-Substitutions- therapie und anderer evidenzbasierter Behandlungen haben unbehandelte Abhängigkeiten und ein vermeidbares HIV-Risikoverhalten zur Folge. • Die Haftbedingungen und die fehlenden HIV-Präventions- massnahmen in Haftanstalten führen zu gehäuften HIV- Übertragungen unter inhaftierten Drogenkonsumierenden. • Unterbrüche der antiretroviralen HIV-Therapie führen zu einer hohen HIV-Viruslast und in der Folge zu HIV-Über- Der Krieg gegen die Drogen und die HIV/Aids- tragung und erhöhter Resistenz gegen die antiretroviralen Pandemie Medikamente. Der weltweite Krieg gegen die Drogen verstärkt die HIV/ • Die beschränkten öffentlichen Mittel werden für schäd- Aids-Pandemie unter den Drogenkonsumierenden und ihren Sexualpartnern. Nach Schätzungen leben heute weltweit 33 liche und unwirksame Anstrengungen zur strafrechtlichen Millionen Menschen mit dem Humanen Immundefizienz-Virus Verfolgung von Drogendelikten verschwendet statt in er- (HIV) und rund ein Drittel der HIV-Neuinfektionen, die ausser- probte HIV-Präventionsstrategien investiert. halb der afrikanischen Länder südlich der Sahara auftreten, sind auf den intravenösen Drogenkonsum zurückzuführen. Während die jährliche Zahl der Neuinfektionen seit den späten 1990er- Jahren rückläufig ist, nahm die HIV-Inzidenz in diesem Zeitraum in sieben Ländern um mehr als 25 Prozent zu, hauptsächlich aufgrund der HIV-Übertragung im Zusammenhang mit dem intravenösen Drogenkonsum. Fünf dieser Länder liegen in Osteuropa und Zentralasien, wo der Krieg gegen die Drogen aggressiv geführt wird. Als Folge davon hat sich die Zahl der Menschen mit HIV, die in diesem Teil der Welt leben, seit dem Jahr 2000 fast verdreifacht.1 Weltweit konsumieren schätzungsweise 16 Millionen Men- schen intravenös illegale Drogen. Davon sind rund drei Millionen oder fast jede fünfte Person mit HIV infiziert.2 Die durchschnittliche HIV-Prävalenz bei Drogeninjizierenden in China, in den Vereinigten Staaten von Amerika und in der Russischen Föderation – den drei Ländern mit den grössten 4 BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK
Foto Seite 4: Patrouille der US Marines in einem Mohnfeld in Afghanistan.Foto: United States Marine Corps (CC BY-NC 2.0) In der ostindischen Stadt Siliguri wird einem Drogenabhängigen am Strassenrand von einem Kol- legen Heroin injiziert, das lokal als brauner Zucker bezeichnet wird. Foto: Reuters / Rupak De Chow- dhuri Gruppen von Drogeninjizierenden – wird auf 12 Prozent, Es kann und sollte verhindert werden, dass die strafrechtliche 16 Prozent beziehungsweise 37 Prozent geschätzt. Diese Verfolgung von Drogendelikten zum HIV-Risikoverhalten statistischen Daten weisen auf einen gravierenden Notstand beiträgt. In der britischen medizinischen Fachzeitschrift The im Bereich der öffentlichen Gesundheit hin, ohne dass Lancet wurde eine Studie publiziert, mit der untersucht wurde, sie die kausale Rolle aufzeigen, welche die repressiven wie die Konfrontationen mit der Polizei das HIV-Risikoverhalten Strafverfolgungsmassnahmen im Drogenbereich bei der verstärken. Gemäss Schätzungen, die im Rahmen dieser Verstärkung der HIV-Epidemie in diesen Gruppen ge- Studie angestellt wurden, liessen sich bis zu 19 Prozent der spielt haben.3 Wie unten dargelegt, heizt die Einstufung HIV-Infektionen bei Drogenabhängigen in der ukrainischen des Drogenkonsums als Straftat die HIV-Epidemie über Stadt Odessa verhindern, wenn den polizeilichen Übergriffen verschiedene Mechanismen an. gegen Drogenkonsumierende ein Ende gesetzt würde.8 Die Angst vor der Polizei und die Stigmatisie- Es wurde aufgezeigt, dass eine harte Drogengesetzgebung rung verstärken das HIV-Risikoverhalten das HIV-Risikoverhalten in vielen Situationen verstärkt und Drogenkonsumierende von der Gesundheitsversorgung Eine aggressive Strafverfolgungspraxis im Drogenbereich, die fernhält. Die folgende Aussage einer jungen Frau aus Mos- auf die Ausschaltung des Drogenmarktes ausgerichtet ist, kau zeigt, welche Angst eine aggressive Strafverfolgung hält Drogenabhängige von der Gesundheitsversorgung fern im Drogenbereich auslöst: und drängt sie in den Untergrund, wo ein deutlich erhöhtes HIV-Risiko besteht.4 Immer wieder wird über Polizeigewalt «Angst. Angst. Das ist der Hauptgrund. Und nicht nur und Folterung von Drogenkonsumierenden berichtet5 und die Angst, erwischt zu werden, sondern auch die Angst, auch Schikanen durch die Polizei, die Beschlagnahmung von erwischt zu werden und keine Möglichkeit zu haben, zu sauberen Spritzen und Festnahmen wegen Spritzenbesitz einem Schuss zu gelangen. Du wirst also nicht nur [von sind weit verbreitet. Für alle diese Praktiken wurde mehr- der Polizei] unter Druck gesetzt und ausgenommen, son- fach aufgezeigt, dass sie die gemeinsame Nutzung von ge- dern riskierst auch üble Entzugssymptome. Und deshalb brauchten Spritzen sowie andere riskante Injektionspraktiken verwendest du jede Spritze, die jeweils gerade verfügbar begünstigen.6,7 ist.»7 BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK 5
2012 GCDP bericht 3. Juni 2011: Inhaftierte sitzen in einem Aufenthaltsraum, in dem sie untergebracht wurden, weil das kalifornische Staatsgefängnis für Männer in Chino überfüllt ist. Das oberste Bundesgericht der Vereinig- ten Staaten hat den Bundesstaat Kalifornien angewiesen, in den kommenden zwei Jahren mehr als 30’000 Inhaftierte zu entlas- sen oder andere Massnahmen zu ergreifen, um die Überfüllung der Haftanstalten abzubauen und damit unnötiges Leiden und Todesfälle zu verhindern. Statt der rund 80’000 Personen, für welche die 33 kali- fornischen Hafteinrichtungen für Er- wachsene ausgelegt sind, befinden sich dort heute über 145’000 Insas- sen. In den USA sind über zwei Mil- lionen Menschen in Haftanstalten auf Ebene der Bundesstaaten und in lokalen Gefängnissen unterge- bracht. Das Land wies lange die höchste Inhaftierungsrate der Welt auf. Reuters / Lucy Nicholson Die massenweise Inhaftierung heizt die HIV- kofaktor für eine HIV-Infektion darstellt. Die Forschung belegt Übertragung an auch, dass die gemeinsame Nutzung von gebrauchten Spritzen den Hauptgrund für die Ausbreitung von HIV in Haftanstalten Obwohl die meisten HIV-Übertragungen unter Drogenkon- darstellt.13 Mit epidemiologischen Untersuchungen, die mit Hilfe sumierenden in ihren Gemeinschaften auftreten, spielt auch von virusgenetischen Techniken durchgeführt wurden, wurde die massenweise Inhaftierung von nicht gewalttätigen Dro- nachgewiesen, dass als Folge des gemeinsamen Spritzenge- gendelinquenten eine bedeutende Rolle in der Epidemie. In brauchs unter den Inhaftierten gehäufte HIV-Übertragungen vielen Ländern ist dies ein grosses Problem für die öffentliche aufgetreten sind.13–15 Wie unten beschrieben, erhöht eine Inhaf- Gesundheit. Dies gilt auch für die Vereinigten Staaten, wo die tierung auch das Risiko einer HIV-Infektion und -Erkrankung, da HIV-Prävalenz und die Zahl der Aidsfälle im Freiheitsentzug um die antiretrovirale HIV-Therapie unterbrochen wird. ein Vielfaches höher sind als in der Gesamtbevölkerung9,10 und wo sich nach Schätzungen jährlich bis zu einem Viertel der Ein- In den Vereinigten Staaten ist das Risiko, wegen Drogendelik- wohnerinnen und Einwohner, die mit HIV infiziert sind, in einer ten inhaftiert zu werden, für ethnische Minderheiten um ein Haftanstalt befinden.11 Die Statistiken für die USA decken sich Vielfaches höher als für Weisse. Die Forschung hat dort gezeigt, mit den weltweiten Tendenzen: Aus 20 Ländern mit tiefem bis dass die überproportionalen Inhaftierungsraten einen der Haupt- mittlerem Einkommen wird eine HIV-Prävalenz von über 10 gründe für die deutlich höheren HIV-Infektionsraten in der afro- Prozent bei Insassen von Hafteinrichtungen gemeldet.12 amerikanischen Bevölkerung darstellen.16, 17 Das ist ein Problem für die öffentliche Gesundheit, das dringend angegangen wer- Die hohen Inhaftierungsraten bei Drogenkonsumierenden mit den muss. Denn obwohl nur 12 Prozent der Bevölkerung des einer HIV-Infektion oder einem entsprechenden Risiko sind Landes Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner sind, traten in äusserst beunruhigend. Denn an vielen Orten auf der ganzen den letzten Jahren über 50 Prozent der HIV-Neuinfektionen in Welt wurde festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen den USA in dieser Bevölkerungsgruppe auf.18 der Inhaftierung und gemeinsamem Spritzengebrauch, un- geschütztem Geschlechtsverkehr und gehäuften HIV-Über- Die Tatsache, dass die strafrechtliche Verfolgung von Drogen- tragungen besteht. So wurde in verschiedenen west- und delikten weltweit im Vordergrund steht, hat auch zur mas- südeuropäischen Ländern, in Russland, Kanada, Brasilien, senweisen Unterbringung von Drogenkonsumierenden in Iran und Thailand aufgezeigt, dass die Inhaftierung einen Risi- «Drogeninternierungszentren» geführt, vor allem an Orten, 6 BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK
wo sich HIV in dieser Gruppe rasch ausbreitet.19 Obwohl diese fizienz-Virus im Blut und in den Sexualsekreten verringert. Zentren unterschiedlich gestaltet sind und betrieben werden, Zudem belegen neuere klinische Studien, dass diese Wirkung weisen Berichte übereinstimmend darauf hin, dass diese auch die HIV-Übertragungsraten senkt. Daher legen nun viele Einrichtungen keine evidenzbasierte Suchttherapie und keine internationale Behörden und nationale HIV-Programme den HIV-Behandlung anbieten. In diesem Umfeld wurden zahlreiche Schwerpunkt auf die «HIV-Therapie zur Prävention» als zent- Fälle von Zwangsarbeit, Folter und anderen Menschenrechts- rale HIV/Aids-Strategie.25-28 Diese Verlagerung hat erhebliche verletzungen dokumentiert.20 Obwohl kürzlich verschiedene Folgen für die Gestaltung der weltweiten Massnahmen gegen Gesundheits- und Menschenrechtsorganisationen sowie die HIV/Aids, da noch deutlicher wird, wie wichtig es für die öf- Vereinten Nationen und die US-Regierung Kritik geäussert fentliche Gesundheit ist, dass alle Segmente der Bevölkerung, haben, werden weiterhin durch Zwang geprägte Drogeninter- einschliesslich der Drogeninjizierenden, Zugang zur HIV-Thera- nierungszentren betrieben, vor allem in China und in Südost- pie erhalten. asien.21, 22 Zahlreiche Studien haben jedoch gezeigt, dass auf Zwang Die strafrechtliche Verfolgung von Drogen- beruhende Strafverfolgungsmassnahmen im Drogenbereich delikten behindert die antiretrovirale Therapie und häufige Inhaftierungen Drogenkonsumierende davon ab- und begünstigt damit die HIV-Übertragung halten, HIV-Tests und -Behandlungen in Anspruch zu nehmen, und zur Unterbrechung der HIV-Therapie beitragen, falls eine Repressive Strafverfolgungsmassnahmen im Drogenbereich solche eingeleitet wurde.29 Aus einer Studie, die kürzlich in begünstigen nicht nur den gemeinsamen Spritzengebrauch Kanada durchgeführt wurde, geht zum Beispiel hervor, dass und weitere Verhaltensweisen, die mit einem HIV-Risiko ver- es umso unwahrscheinlicher war, dass eine HIV-infizierte Per- bunden sind, sondern schaffen auch Hindernisse für HIV-Tests son die antiretrovirale Behandlung korrekt befolgte, je öfter und -Behandlungen. Die Kriminalisierung des Drogenkonsums diese Person inhaftiert wurde.30 In ähnlicher Weise wurde in kann den Zugang zur unbedingt erforderlichen Therapie für einer in Baltimore durchgeführten Studie mit HIV-infizierten HIV-infizierte Drogenkonsumierende auf verschiedene Weise Patientinnen und Patienten festgestellt, dass selbst kurze In- be- oder verhindern. Zu diesen Hindernissen für eine Behand- haftierungen das Risiko des gemeinsamen Spritzengebrauchs lung gehören die Stigmatisierung und Diskriminierung im verdoppelten und das Risiko eines virologischen Versagens Rahmen der Gesundheitsversorgung, die Verweigerung von gar versiebenfachten.31 Die nationalen und internationalen Leistungen, die Missachtung der Schweigepflicht, die Forde- rung nach Abstinenz als Voraussetzung für die Behandlung sowie der Einsatz von Registern, welche die Vorenthaltung von Grundrechten wie des Rechts auf Arbeit und des Sor- gerechts für Kinder zur Folge haben.19, 23 Wie die Forschung wiederholt aufgezeigt hat, führt dies bei Drogenkonsumieren- den zu tieferen Nutzungsraten in Bezug auf die antiretrovirale Therapie sowie zu höheren HIV/Aids-Sterberaten.24 Eine repressive Strafverfolgungspolitik und -praxis im Dro- genbereich hat auch allgemeinere Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit. Insbesondere ist bekannt, dass die antiretrovirale Therapie die Menge des Humanen Immunde- 1. Dezember 2011: Auf der HIV/Aids-Station des YouAn-Spitals in Peking ste- hen Medikamente für die Verteilung bereit. Gemäss den staatlichen Medien, in denen Gesundheitsbeamte zitiert werden, nimmt die Zahl der neuen HIV/ Aids-Fälle in China rasant zu. Gleichzeitig sind bei Studierenden und älteren Männern steigende Infektionsraten zu verzeichnen. Wie die amtliche Nach- richtenagentur Xinhua berichtet, traten 2011 gemäss den Zahlen des chine- sischen Zentrums für Krankheitsbekämpfung und Prävention in China 48’000 neue Fälle auf. Ursprünglich gestand die chinesische Regierung in den 1990er-Jahren nur zögerlich ein, dass im Land ein HIV/Aids-Problem besteht. Reuters / David Gray BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK 7
2012 GCDP bericht HIV-Präventionsstrategien müssen der Tatsache Rechnung Interventionen äusserst tief sind, auch in jenen Situationen, tragen, dass Strafverfolgungsmassnahmen im Drogenbereich in denen sie am dringendsten benötigt werden.24 Entgegen oft zu Unterbrüchen in der HIV-Behandlung führen und damit dem Rat zahlreicher wissenschaftlicher Organe und den die Resistenz auf HIV-Medikamente fördern und das Risiko Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation widersetzt einer HIV-Übertragung erhöhen.27, 28 Denn bisher berücksich- sich zum Beispiel eine Reihe von Ländern, unter anderem tigen und diskutieren die politischen Verantwortlichen die die USA und Russland, der Einführung von evidenzbasierten «Therapie zur Prävention» sowie neue Präventionsstrategien HIV-Präventionsprogrammen. Nur zwei Jahre nach der Auf- wie den vermehrten Einsatz der Präexpositionsprophylaxe mit hebung eines Verbots, das während 21 Jahren bestanden antiretroviralen Medikamenten noch kaum je als Massnahmen hatte, führte der US-Kongress kürzlich erneut das Verbot gegen HIV bei Drogeninjizierenden. ein, Spritzenabgabeprogramme in den Vereinigten Staa- ten und im Ausland mit Bundesmitteln zu finanzieren. In Werden Ansätze zum Schutz der öffentlichen verschiedenen anderen Ländern mit hohen HIV-Raten bei Gesundheit ignoriert, gerät die HIV-Epidemie Drogeninjizierenden ist der Zugang zu sterilen Spritzen ein- ausser Kontrolle geschränkt. Der Krieg gegen die Drogen verstärkt nicht nur das HIV-Risiko- Es liegen umfangreiche Erkenntnisse aus der klinischen verhalten und behindert die HIV-Therapie, sondern hat auch Forschung vor, die den Nutzen der Methadonbehandlung zur zu einer Verzerrung der öffentlichen Politik geführt. In diesem Verringerung der Schäden für das Individuum und die Ge- Zusammenhang wurden evidenzbasierte Interventionen zur meinschaft sowie zur Senkung des HIV-Risikos belegen.35, 36 Suchttherapie und zum Schutz der öffentlichen Gesundheit Erstaunlicherweise ist der Einsatz von Methadon in vielen ignoriert oder heruntergespielt. 2008 räumte der Direktor des Ländern dennoch weiterhin eingeschränkt. In Russland ist er Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechens- gar illegal. In ähnlicher Weise sind in den zentralasiatischen bekämpfung im Rückblick auf das vorangegangene Jahrzehnt Republiken und in weiteren Ländern des ehemaligen Sow- der Drogenbekämpfung ein: «Die öffentliche Gesundheit, die jetblocks Methadonprogramme tendenziell als «permanente bei der Drogenbekämpfung klar im Vordergrund steht, benötigt Pilotprogramme» konzipiert. In einigen Fällen wurden sie auf auch erhebliche Ressourcen. In vielen Fällen flossen die Mittel Druck der Geldgeber eingeführt, aber nie so weit ausgebaut, jedoch in die öffentliche Sicherheit und in die Strafverfolgung, dass sie die bestehende Nachfrage decken können. auf die sich diese stützt. Als Folge davon wurde die öffentliche Gesundheit in den Hintergrund gedrängt und wurde eher zu In einem neueren Bericht der UNO, der die Situation der HIV- einem Lippenbekenntnis und einer leeren Floskel als zu einer Prävention in Polen beschreibt, wird die Drogengesetzge- tatsächlichen Praxis.» bung des Landes kritisch beurteilt. Unter anderem wird darin festgehalten, es bestehe eine Lücke bei der Finanzierung Durch die Konzentration auf die Strafverfolgung im Drogenbe- und Durchführung der HIV-Prävention, die sich wiederum reich wurden rechtliche Schranken für evidenzbasierte HIV- auf die Verfügbarkeit von Präventionsleistungen auswirke, Präventionsmassnahmen (wie die Abgabe von sauberen einschliesslich von Massnahmen zur Schadenminderung.37 Spritzen) sowie für evidenzbasierte Methoden zur Sucht- Umfelder, in denen die HIV-Präventionsmassnahmen aus therapie (wie die Methadonbehandlung) geschaffen. Diese wirtschaftlichen Überlegungen eingeschränkt wurden, waren Ansätze zum Schutz der öffentlichen Gesundheit verringern besonders von einem Anstieg des HIV-Risikos bei Drogenin- nachweislich das HIV-Risiko und werden von bedeutenden jizierenden betroffen. Zum Beispiel wurde in den ersten sie- internationalen Stellen im Bereich Medizin und Gesundheit ben Monaten des Jahres 2011 aus Griechenland gemeldet, breit unterstützt.32, 33 So steht Methadon beispielsweise auf dass sich die neu diagnostizierten HIV-Infektionen bei Dro- der Modell-Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltge- geninjizierenden mehr als verzehnfacht haben.38 Obwohl die sundheitsorganisation. Verschiedene wissenschaftliche Über- Russische Föderation in der letzten Zeit beinahe USD 800 sichtsarbeiten über die Wirksamkeit der Abgabe von sterilen Millionen pro Jahr in Initiativen investiert hat, die sich auf Spritzen zur Verringerung des HIV-Risikos haben die Vereinten HIV beziehen, war weniger als ein Prozent dieses Betrags Nationen dazu bewogen, die Spritzenabgabe mit Nachdruck auf Drogenkonsumierende ausgerichtet, die von der russi- zu empfehlen.34 schen Epidemie besonders betroffen sind.39 Aufgrund der fehlenden evidenzbasierten Massnahmen zur Suchttherapie Dennoch haben gesundheitswissenschaftliche Untersu- und HIV-Prävention ist heute fast jeder hundertste russische chungen ergeben, dass die Nutzungsraten von erprobten Erwachsene mit HIV infiziert (Abbildung 1). 8 BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK
Figure 1. Estimated number of HIV-infected individuals in the Russian Federation 1,000,000 ABBILDUNG 1 900,000 Geschätzte Zahl von HIV- 800,000 Infizierten in der Russi- 700,000 schen Föderation HIV-infected individuals 600,000 HIV-Infizierte Quelle: Gemeinsames HIV/Aids- 500,000 Programm der Vereinten Nationen 400,000 300,000 200,000 100,000 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Figure 2. Figure Figure 2. 2. Source: Joint United Nations Programme on HIV/AIDS ABBILDUNG 2 60 60 60 Estimated HIV prevalence (%) Estimated HIV prevalence (%) Estimated HIV prevalence (%) Geschätzte HIV-Präva- 50 50 50 lenz in verschiedenen Geschätzte HIV-Prävalenz (%) Risikogruppen in Thai- 40 40 40 land 30 30 30 Quelle: Thailändisches Amt für 20 20 20 Epidemiologie, HIV Total Sentinel Surveillance. Gesundheitsministe- rium (2011) 10 10 10 0 0 0 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 1989 1990 1989 1991 1990 1992 1991 1993 1992 1994 1993 1995 1994 1996 1995 1997 1996 1998 1997 1999 1998 2000 1999 2001 2000 2002 2001 2003 2002 2004 2003 2005 2004 2006 2005 2007 2006 2008 2007 2009 2008 2009 Injection drug users Drogeninjizierende Injection Injection drugdrug usersusers Female Kommerzielle commercial Female Female sex workers Sexarbeiterinnen commercial commercial sex workers sex workers Male clients at MaleMale STIclients clientsclinics Männliche Patienten at STI atclinics in STI-Kliniken STI clinics Blood donors Blutspenderinnen BloodBlood donorsund Blutspender donors Pregnant women at antenatal Schwangere Pregnant Pregnant women women care atFrauen inclinics antenatal at Geburts antenatal care care clinics clinics vorbereitungskliniken Source: Thailand Bureau Source:Source: of Thailand Epidemiology, Thailand BureauBureau HIVEpidemiology, Total Sentinel of Epidemiology, of Surveillance. HIV Total HIVSentinel Ministry Total Sentinel of Ministry Surveillance. Public Ministry Surveillance. Health (2011) of Public of Health Public Health (2011) (2011) Daten belegen, dass der intravenöse Heroinkonsum in vielen Ein wichtiges Anschauungsbeispiel bietet auch Thailand: Das Küstenregionen in Afrika südlich der Sahara, vor allem an der Land wird oft dafür gelobt, dass durch die Abgabe von Kon- ostafrikanischen Küste, seit langem ein Problem darstellt, das domen und die Förderung ihres Gebrauchs in Verbindung mit sich ausweitet.2 Dennoch sind ein kleines Methadonprogramm weiteren evidenzbasierten Massnahmen die HIV-Raten bei Sex- in Mauritius sowie ein entsprechendes Programm, das im arbeiterinnen und deren Kunden erfolgreich gesenkt wurden. Februar 2010 in Tansania lanciert wurde, praktisch die einzigen Bei den kommerziellen Sexarbeiterinnen in Thailand ging die öffentlichen Initiativen für eine opiatgestützte Behandlung geschätzte HIV-Prävalenz von einem Spitzenwert von über 40 südlich der Sahara. In ähnlicher Weise bleibt Methadon in vie- Prozent im Jahr 1995 auf unter 5 Prozent in den letzten Jahren len süd- und ostasiatischen Regionen faktisch unzugänglich, zurück. Gleichzeitig behielt Thailand jedoch seinen seit langem selbst dort, wo bekannt ist, dass in bedeutendem Umfang verfolgten Drogenkrieg-Ansatz gegenüber dem Konsum von Opiate intravenös konsumiert werden. illegalen Drogen bei. Drogenkonsumierende gelten deshalb als BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK 9
2012 GCDP bericht «Bedrohung für die Sicherheit». Aufgrund des harten Durch- weltweit immer wieder ähnliche Ergebnisse verzeichnet.32 greifens gegen Personen, die des Drogenhandels verdächtig So wurde beispielsweise in Tallinn, Estland – einem Land, das waren, wurden 2003 mehr als 2500 Menschen aussergericht- in Europa eine der höchsten HIV-Raten aufweist – parallel zur lich getötet.40 Dieses scharfe Vorgehen und eine anhaltende Zunahme der Zahl der abgegebenen Spritzen von 230‘000 im Repression verringerten die Wahrscheinlichkeit, dass Dro- Jahr 2005 auf 770‘000 im Jahr 2009 ein Rückgang der HIV- genkonsumierende Leistungen der Gesundheitsversorgung, Infektionen unter den Personen, die neu Drogen injizieren, von einschliesslich einer HIV-Therapie, in Anspruch nahmen. Es 34 Prozent auf 16 Prozent festgestellt.43 In Portugal entkrimi- überrascht somit nicht, dass zwar die HIV-Prävalenz bei den nalisierten die Behörden 2001 den Konsum und Besitz einer Sexarbeiterinnen markant zurückgegangen ist, dass jedoch die geringen Menge von illegalen Drogen für den persönlichen HIV-Raten bei den thailändischen Drogenkonsumierenden kon- Gebrauch. Damit wurde die Drogenabhängigkeit neu in erster stant hoch blieben, mit einer geschätzten HIV-Prävalenz von Linie als Problem für die öffentliche Gesundheit betrachtet. fast 50 Prozent in den letzten Jahren (Abbildung 2). Dies führte dazu, dass im Zeitraum 2000 bis 2008 die Zahl der HIV-Neuinfektionen bei Drogeninjizierenden von 907 auf 267 Auch wenn verschiedene Regionen innerhalb eines Landes ver- zurückging, während die Zahl der Aidsfälle von 506 auf 108 glichen werden, lassen sich in den Gebieten, in denen Drogen- abnahm.44 delikte am intensivsten strafrechtlich verfolgt werden, eindeutig höhere HIV-Raten erkennen. Zum Beispiel wurde in einer Studie In der Schweiz wurde in den 1980er-Jahren eine Ausweitung zu den 96 grössten städtischen Ballungsräumen in den USA der HIV-Epidemie bei Drogeninjizierenden verzeichnet. Auf festgestellt, dass Massnahmen zur gesetzlichen Repression diese Entwicklung reagierten die Behörden mit der Umset- von Drogen mit einer höheren HIV-Prävalenz bei Drogeninjizie- zung von innovativen politischen Handlungskonzepten, in renden einhergingen. In der Studie wurde der Schluss gezogen, deren Rahmen saubere Spritzen, überwachte Einrichtungen dass die Angst vor einer Festnahme und/oder Bestrafung die für den intravenösen Drogenkonsum sowie ein einfacher Zu- Drogeninjizierenden dazu veranlassen könne, Spritzenabgabe- gang zur Methadonbehandlung, zur Heroinverschreibung und stellen zu meiden oder Injektionen überstürzt, an Fixertreffs zu antiretroviralen Therapien gewährleistet wurden.45 Diese oder in einem anderen Umfeld zu injizieren, in dem mehrere Strategie führte zu einem markanten Rückgang der HIV-Neu- Personen gemeinsam Injektionen vornehmen. Im Vordergrund infektionen, die mit dem intravenösen Drogenkonsum zusam- stehe für sie, nicht erwischt zu werden.41 menhängen, von schätzungsweise 68 Prozent im Jahr 1985 auf rund 15 Prozent im Jahr 1997 und auf ungefähr 5 Prozent Wird Abhängigkeit als Gesundheitsfrage behan- im Jahr 2009.45 Ebenso reagierte die kanadische Provinz Bri- delt, lässt sich der Kampf gegen HIV gewinnen tish Columbia auf die explosive Ausbreitung der HIV-Epidemie unter den Drogeninjizierenden Mitte der 1990er-Jahre mit der Die Erfahrungen in Russland, Thailand, den USA und in ande- Einführung eines entsprechenden Handlungskonzepts, das die ren Ländern, in denen der Krieg gegen die Drogen aggressiv folgenden Elemente umfasste: antiretrovirale Therapie, Opiat- geführt wird, können den Ergebnissen in Ländern gegenüber- Substitutionstherapie (einschliesslich der Verschreibung von gestellt werden, die eine evidenzbasierte Suchttherapie und Heroin), Abgabe von sterilen Spritzen und Bereitstellung von Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit einge- Einrichtungen für den intravenösen Konsum unter ärztlicher führt haben, um gegen die HIV-Epidemie vorzugehen. In den Aufsicht. Dies führte zu einem Rückgang der HIV-Inzidenz und Ländern dieser zweiten Gruppe, zu denen auch eine Reihe von der Aids-Todesfälle bei Drogeninjizierenden (Abbildung 3). westeuropäischen Ländern und Australien gehören, sind unter den Drogenkonsumierenden kaum noch neu diagnostizierte Während in Bezug auf die Behandlung der Opiatabhängigkeit HIV-Infektionen zu verzeichnen. Ebenso konnte in Ländern, gewisse Erfolge erzielt wurden, wird der Konsum von illegalen in denen Massnahmen zur Prävention der Mutter-Kind-Über- Drogen in vielen Regionen der Welt von Methamphetamin tragung breit zugänglich sind, die vertikale HIV-Übertragung und anderen Stimulanzien dominiert. Diesbezüglich stehen beseitigt werden. erst in eingeschränktem Umfang wissenschaftlich abgestützte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.19 Nach Auffassung So ergab eine weltweit durchgeführte Studie bereits 1997, der Kommission sind dringend zusätzliche Forschungsaktivi- dass die HIV-Prävalenz in 52 Städten ohne Spritzenabgabe um täten zur substanzgestützten Behandlung und zu weiteren rund 6 Prozent pro Jahr angestiegen war, während die HIV-Prä- therapeutischen Ansätzen für das Management des Konsums valenz in 29 Städten mit einem Spritzenabgabeprogramm um von Stimulanzien erforderlich, auch als Bestandteil von HIV- etwa 6 Prozent pro Jahr zurückgegangen war.42 Seither wurden Präventionsprogrammen. 10 BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK
HIV/Aids hat sich ausgebreitet, weil das Drogen- angebot durch den Krieg gegen die Drogen nicht eingeschränkt wurde Wissenschaftliche Daten zeigen unwiderlegbar, dass die HIV- Epidemie durch den Krieg gegen die Drogen angeheizt wurde. Trotzdem werden die politischen Handlungskonzepte in diesem Bereich nur sehr langsam angepasst. Möglicherweise ist dies weitgehend auf die falsche Annahme zurückzuführen, dass Beschlagnahmungen von Drogen, Festnahmen und strafrecht- liche Verurteilungen im Zusammenhang mit Drogen sowie wei- tere gängige Gradmesser des «Erfolgs» der Drogenrepression wirksam dazu beitragen, das Drogenangebot einzuschränken. Im Rahmen der nationalen Strategie für die Drogenbekämp- fung der Vereinigten Staaten von 2012 wurde die Bedeutung von taktischen Massnahmen für die Verknappung des Drogen- angebots betont. Dabei wurde die Schlussfolgerung gezogen, in vielen Fällen bestehe ein enger Zusammenhang zwischen Der Inhalt eines Spritzensets. Beschränkungen des Drogenangebots und der Abnahme des Foto: Todd Huffman (CC BY 2.0) Drogenkonsums sowie von dessen Auswirkungen.46 Jedes Mal, wenn der Öffentlichkeit die Erfolge des neuesten «Schla- ges gegen den Drogenhandel» vorgeführt werden, wird auf die positiven Auswirkungen der Drogenrepression verwiesen. Doch die Annahmen hinsichtlich dieser positiven Folgen wur- den keiner kritischen Überprüfung unterzogen. Figure . in ew HIV cases attributable to drug injecting in British Columbia coinciding with public he rv ABBILDUNG 3 Beginn der Methadonabgabe in Kombination mit einer hochaktiven antiretroviralen Therapie 400 Rückgang der neuen 350 HIV-Fälle aufgrund von intravenösem Drogenkon- 300 sum in der kanadischen 250 HIV-Fälle Eröffnung von Provinz British Columbia Ausweitung der Spritzen- beaufsichtigten Einrichtungen für 200 in Korrelation mit Mass- abgabe den intravenösen Drogenkonsum nahmen zum Schutz der 150 Beginn des Versuchs mit der Heroinverschreibung öffentlichen Gesundheit. 100 Quelle: BC Centre for Disease 50 Control und BC Centre for Excel- ence in HIV/AIDS 0 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 r r f ea C r Centre or Ex V/ S BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK 11
2012 GCDP bericht Figure 4. Estimated global production of opiates 10,000 ABBILDUNG 4 tons)(Tonnen) 9000 Geschätzte weltweite Opiaten 8000 Produktion von illegalen of opiates (metric 7000 Opiaten von illegalen 6000 Quelle: Vereinte Nationen 5000 Weltdrogenbericht 2011, Büro der Global production Vereinten Nationen für Drogen- 4000 und Verbrechensbekämpfung Weltweite Produktion 3000 Verbot des Opiumanbaus durch die Taliban 2000 1000 0 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Wenn die intensive Drogenrepression, die im Rahmen des während sich der Reinheitsgrad des Heroins um mehr als 900 weltweiten Kriegs gegen die Drogen praktiziert wird, ihr defi- Prozent erhöhte. Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass mit den niertes Ziel einer deutlichen Reduktion des Drogenangebots Ausgaben für die Massnahmen zur Beschränkung des Heroin- erreichen würde, müssten die zunehmenden Ausgaben für angebots in den Vereinigten Staaten das angestrebte Ziel nicht die Drogenbekämpfung mit höheren Drogenpreisen, einer ge- erreicht wurde (Abbildung 6).* ringeren Stärke der Drogen und einer insgesamt geringeren Verfügbarkeit von Drogen einhergehen. Doch wissenschaftli- Bei den oben erläuterten Zusammenhängen zwischen dem che Daten aus verschiedenen Teilen der Welt weisen darauf Krieg gegen die Drogen und HIV/Aids lag der Fokus auf He- hin, dass dies nicht der Fall ist. roin. Ähnliche Muster zeigen sich jedoch, wenn die Ausgaben zur Drogenbekämpfung und die Zahlen zur Verfügbarkeit in So geht beispielsweise aus Daten des Büros der Vereinten Bezug auf andere Drogen untersucht werden. So haben bei- Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung hervor, spielsweise die Vereinigten Staaten im Rahmen verschiedener dass das weltweite Angebot an illegalen Opiaten wie Heroin Initiativen beträchtliche Mittel zur Unterbindung des Kokainhan- und Opium in den letzten 30 Jahren dramatisch zugenom- dels eingesetzt. Als Beispiel lässt sich der sogenannte «Plan men hat. In diesem Zeitraum stieg das weltweite Angebot an Colombia» anführen. Dabei handelte es sich um ein Programm, illegalen Opiaten um insgesamt über 380 Prozent: von 1000 in dessen Rahmen mehrere Milliarden Dollar aufgewendet Tonnen im Jahr 1980 auf über 4800 Tonnen im Jahr 2010 wurden, um die Kokaernten in Kolumbien zu vernichten. Dieses (Abbildung 4).47 Diese Zunahme, von der ein Grossteil aus Massnahmenpaket umfasste die Zerstörung der Kokapflanzen Afghanistan stammte, trug dazu bei, dass der Heroinpreis in aus der Luft, die manuelle Vernichtung der Ernte, militärische Europa zwischen 1990 und 2009 um über 75 Prozent zurück- Ausbildung und Unterstützung sowie weitere Massnahmen. ging (Abbildung 5). Doch trotz wiederholter Aufstockungen des Budgets der Vereinigten Staaten für die internationalen Aktivitäten zur Auch die Daten aus der Drogenüberwachung der Vereinigten Eindämmung des Drogenangebots und zur Bekämpfung von Staaten zeigen, dass der Drogenkrieg gescheitert ist. So wurde Betäubungsmitteln blieb der Reinheitsgrad des Kokains perma- beispielsweise das Budget des Office of National Drug Control nent hoch. Der Kokainpreis sank in den Vereinigten Staaten in Policy der Vereinigten Staaten von 1981 bis 2011 um über 600 diesem Zeitraum inflationsbereinigt und unter Berücksichtigung Prozent erhöht (inflationsbereinigt). Doch obwohl die jährlichen des Reinheitsgrads um über 60 Prozent (Abbildung 7). Aus Ausgaben für die Drogenbekämpfung in Höhe von mehreren Milliarden Dollar immer weiter aufgestockt wurden, geht aus den Daten der US-Regierung hervor, dass der Heroinpreis *Die Strukturierung des Budgets des Office of National Drug Control Policy der Vereinigten Staaten wurde zwischen 2003 und 2010 geändert. Daher im Zeitraum 1981 bis 2002 inflationsbereinigt und unter Be- sind vergleichende Analysen zwischen der Budgetzahlen für diesen Zeitraum rücksichtigung des Reinheitsgrads um etwa 80 Prozent sank, und jenen für andere Zeiträume nur beschränkt möglich (siehe Abbildung 6). 12 BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK
Figure 5. Average estimated heroin prices in Europe ABBILDUNG 5 600 Einzelhandelspreis pro Gramm (USD) Geschätzte durch- 500 schnittliche Heroinpreise Retail price per gram (USD) 400 in Europa 300 Hinweis: Die Heroinpreise sind in- flationsbereinigt. Alle Preise in USD 200 2011. Quelle: Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrech- 100 ensbekämpfung 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 FigureFigure 6. Change 6. Change Figure Figure in 6. estimated 6.in Change estimated Change heroin in heroin estimated in price and and estimated priceheroin purity heroin purity price and in in price the the purity purity and context context in the of inofthe the context the increasing increasing context of the of annual annual increasing the drug increasing drug control annual control annual drug budget budget control in the budget drugincontrol the budget in the in the United United StatesStatesUnited United States States ABBILDUNG 6 2500 2500 2500 2500 50 50 50 50 45 45 Veränderung des ge- 45 45 pro Gramm (USD) schätzten Heroinpreises 2000 2000 2000 2000 40 40 40 40 und Reinheitsgrads im 35 35 Retail price per gram (USD) 35 35 Retail price per gram (USD) Retail price per gram (USD) Retail price per gram (USD) Zusammenhang mit dem Reinheitsgrad (%) 1500 1500 1500 1500 30 30 30 30 zunehmenden jährlichen Purity (%) Purity (%) Purity (%) Purity (%) 25 25 25 25 Einzelhandelspreis Budget der Vereinigten 1000 20 Staaten für die Drogen- 1000 1000 1000 20 20 20 15 bekämpfung 15 15 15 500 10 500 500 500 10 10 10 Hinweis: Die Daten sind nur bis 5 zum Jahr 2002 angegeben, da das 5 5 5 22.59 23.52 16.51 11.88 19.23 23.06 18.64 21.68 19.44 18.79 23.15 18.19 20.71 17.79 4.44 8.80 5.82 3.94 3.68 9.32 5.03 5.66 22.59 22.59 22.59 23.52 23.52 23.52 16.51 16.51 16.51 11.88 11.88 11.88 19.23 19.23 19.23 23.06 23.06 23.06 18.64 18.64 18.64 21.68 21.68 21.68 19.44 19.44 19.44 18.79 18.79 18.79 23.15 23.15 23.15 18.19 18.19 18.19 20.71 20.71 20.71 17.79 17.79 17.79 1982 4.44 4.44 4.44 8.80 8.80 8.80 5.82 5.82 5.82 1981 3.94 3.94 3.94 3.68 3.68 3.68 9.32 9.32 9.32 5.03 5.03 5.03 5.66 5.66 5.66 US-Bundesbudget für die Drogen- 0 0 0 0 0 0 0 0 bekämpfung danach nicht mehr 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 1981 1982 1983 1981 1984 1982 1981 1985 1983 1982 1986 1984 1983 1987 1985 1984 1988 1986 1985 1989 1987 1986 1990 1988 1987 1991 1989 1988 1992 1990 1989 1993 1991 1990 1994 1992 1991 1995 1993 1992 1996 1994 1993 1997 1995 1994 1998 1996 1995 1999 1997 1996 2000 1998 1997 2001 1999 1998 2002 2000 1999 2001 2000 2002 2001 2002 einheitlich erstellt wurde. Die Heroin- preise sind inflationsbereinigt und der Reinheitsgrad des Heroins wurde Estimated price (USD) Estimated purity (%) Drug control budget (in billions USD) Estimated price Geschätzter Estimated (USD) Estimated price (USD) price (USD) Geschätzter Estimated purity Estimated (%) Estimated Rein- purity (%) purity (%) Budget Drug für controlDrug die budget Drogenbekämpfung control Drug (in billions control budgetUSD) budget (in billions (in billions USD) USD) berücksichtigt; die Ausgaben sind Preis (in USD) heitsgrad (%) (in Milliarden USD) inflationsbereinigt. Program Program Program Program Quelle: Office of National Drug Control Policy der Vereinigten Staaten, Drug Enforcement Agency (DEA) STRIDE Surveillance System, DEA Heroin Domestic Monitor Program BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK 13
2012 GCDP bericht (Fortsetzung von Seite 12) ABBILDUNG 7 Markanter Rückgang des inländischen Kokainpreises trotz zunehmender Ausgaben der Vereinigten Staaten für die Drogenbekämpfung im Ausland Figure 7. Hinweis: Dieby Kokainpreise the Unitedsind inflationsbereinigt und der Reinheitsgrad des Kokains wurde berücksichtigt; die Ausgaben sind inflationsbereinigt. States Alle Preise in USD 2011. Quelle: Office of National Drug Control Policy der Vereinigten Staaten Figure 6. Figure Change 6. Change in estimated in estimated heroin heroin price and price purity and in purity the context in the context of the of increasing the increasing annual annual drug control drug control budgetbudget in the in the United United States States Ausgaben der Vereinigten Staaten für die internatio- 800 7 nale Drogenbekämpfung (in Milliarden) 700 Einzelhandelspreis pro Gramm (USD) 2500 2500 50 50 6 US spending on international 600 45 45 Retail price per gram (USD) 5 drug control (billions) 2000 2000 40 40 500 35 35 4 Retail price per gram (USD) Retail price per gram (USD) 400 1500 1500 30 30 3 Purity (%) Purity (%) 300 25 25 1000 1000 20 20 2 200 15 15 100 1 500 500 10 10 0 5 5 0 22.59 22.59 23.52 23.52 16.51 16.51 11.88 11.88 19.23 19.23 23.06 23.06 18.64 18.64 21.68 21.68 19.44 19.44 18.79 18.79 23.15 23.15 18.19 18.19 20.71 20.71 17.79 17.79 4.44 4.44 8.80 8.80 5.82 5.82 1982 3.94 3.94 3.68 3.68 9.32 9.32 5.03 5.03 5.66 5.66 1981 1982 1983 1984 19811985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 0 0 0 0 1981 1983 1982 1984 1983 1985 1984 1986 1985 1987 1986 1988 1987 1989 1988 1990 1989 1991 1990 1992 1991 1993 1992 1994 1993 1995 1994 1996 1995 1997 1996 1998 1997 1999 1998 2000 1999 2001 2000 2002 2001 2002 Price per gram (USD) Preis pro Estimated Gramm Estimated price (USD) price (USD) US international (USD) Estimated drug Ausgaben Estimated control purity (%) (%) spending purityder (billions Vereinigten StaatenUSD) Drug für Drugdie control internationale control budget budget (in billions USD)Drogenbekämpfung (in billions USD) (in Milliarden USD) Program Program diesen langfristigen Trends lässt sich der Schluss ziehen, dass Gemäss neuen Schätzungen des Büros der Vereinten Nationen das Gesamtangebot an Kokain durch die Anstrengungen im für Drogen- und Verbrechensbekämpfung hat die Herstellung Bereich der Drogenrepression nicht reduziert werden konnte. von amphetaminartigen Stimulanzien im letzten Jahrzehnt Damit wird auch klar, dass den jüngsten Berichten der US- stark zugenommen. Diese Entwicklung war so ausgeprägt, Regierung über die Abnahme des Kokainangebots in den Verei- dass diese Kategorie von illegalen Drogen nun abgesehen von nigten Staaten mit grosser Skepsis zu begegnen ist.48 Marihuana am häufigsten konsumiert wird. Doch die Strategien für eine aggressive Drogenrepression, die auf die Konsumen- Cannabis steht im Mittelpunkt des Kriegs gegen die Drogen, tinnen und Konsumenten dieser neuen synthetischen Drogen den die US-Regierung seit Jahrzehnten führt. Wird die Ent- ausgerichtet sind, haben die gleichen negativen Auswirkungen wicklung in diesem Bereich untersucht, lassen sich ähnliche auf die öffentliche Gesundheit. Ergebnisse feststellen. Unter Berücksichtigung der Stärke und inflationsbereinigt ging der Cannabispreis in den Vereinigten Insgesamt weisen diese Indikatoren klar darauf hin, dass die Staaten seit 1990 um 33 Prozent zurück, während die Stärke Ausgaben zur Drogenbekämpfung in Höhe von mehreren Mil- von Cannabis um 145 Prozent anstieg. Das National Institute liarden Dollar praktisch keine Auswirkungen auf das gesamte on Drug Abuse der Vereinigten Staaten gelangte zum Schluss, Drogenangebot hatten (wie verschiedene Indikatoren belegen, dass Cannabis während der letzten 30 Jahre der Cannabispro- die auf eine zunehmende Produktion, abnehmende Preise und hibition für amerikanische Jugendliche der zwölften Schulstufe eine steigende Stärke der Drogen hinweisen). Mit diesen Mit- fast generell verfügbar blieb. Zwischen 80 und 90 Prozent die- teln hatte man versucht, das Drogenangebot durch kostspie- ser Jugendlichen gaben übereinstimmend an, diese Droge sei lige politische Handlungskonzepte, Festnahmen und Verbote «sehr einfach» oder «recht einfach» zu beschaffen.49 zu unterbinden. 14 BERICHT DER WELTKOMMISSION FüR DROGENPOLITIK
Sie können auch lesen