Gerinnungs- und Infektionsprobleme bei hämatologischen und onkologischen Patienten - infektiologie.
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Gerinnungs- und Infektionsprobleme bei hämatologischen und onkologischen Patienten Paul Knöbl Univ.Klinik f.Innere Med.1, Karl-Landsteiner Institut für seltene Abt. f. Hämatologie u. Hämostaseologie Erkrankungen in der Hämatologie Medizinische Universität Wien paul.knoebl@muv.ac.at © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Erklärungen Der Autor erklärt keine Interessenskonflikte in Bezug auf diese Präsentation. Alle Formulierungen in dieser Präsentation sind als geschlechtsneutral zu interpretieren. © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Gerinnungsprobleme bei hämatologisch-onkologischen Patienten Blutungskomplikationen Thromboseneigung verursacht durch die Erkrankung verursacht durch die Therapie Remissionsstatus Behandlung Verlauf aktiv/NR vor Therapie rezent aktiv/PR unter Therapie vor kurzem CR nach Therapie früher (>5J) © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Blutungen bei hämatologisch-onkologischen Patienten – durch die Erkrankung verursacht Koagulopathie: • Manifestationen: • DIC: PTZ ↓, Fibrinogen ↓↓, D-Dimer ↑, Antithrombin ↓ • Hyperfibrinolyse: PTZ ↓⊥, Fibrinogen ↓↓↓, D-Dimer ↑↑↑, Antithrombin ⊥ • Thrombogenität: TVT, PE • Freisetzung von gerinnungsaktiven- / profibrinolytischen Substanzen aus Tumorzellen • Vor allem bei akuter Promyelozytenleukämie (M3) und Monoblastenleukämie (M5), aber bei allen Leukämiearten und Lymphomen sowie bei soliden Tumoren möglich (n. bronchi, Pankreas, etc.) © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Koagulopathie-Ursache erkennen • Ans Mikroskop !!! • Blutausstrich im Labor färben lassen • M3-Phänotyp ??? • Granuliertes Plasma, gelappter Kern • PML-RARa Translokation ist beweisend. Kann auf Rückfrage innerhalb eines Tages gemacht werden • M5 Phänotyp ? • Zentralständige Kerne, rel. viel Zytoplasma © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
ISTH Score (manifeste DIC): Prädisponierende Grunderkrankung vorliegend Punkte 0 1 2 3 Summe Thrombozyten (G/l) >100 50-100 70 40-70 1,0 5 Punkte: kompatibel mit DIC < 5 Punkte: Score für latente DIC verwenden Taylor FB et al: Towards definition, clinical and laboratory criteria, and a scoring system for disseminated intravascular coagulation. Journal of Thrombosis and Haemostasis 2001; 86:1327–1330. © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Probleme des DIC Scores: Thrombopenie auch bei Knochenmarksdysfunktion bei Chemotherapie, Bluterkrankungen, toxischen Schäden, Stammzelltransplantation; extrakorporale Therapie, immunologische Erkrankungen, Hämodilution, Lebererkrankungen, Hypersplenismus. PTZ / INR beeinflusst durch Leberfunktionsstörungen, Vitamin K Mangel, Hämodilution, Immunphänomene oder Medikamente. Fibrinogen und D-Dimer Spiegel erhöht bei akut-Phasen Situationen (Infektionen, Tumorerkrankungen, Diabetes, chronische Erkrankungen, Operationen oder Trauma). Scheinbar noch normale Fibrinogenspiegel können unter solchen Umständen schon Zeichen einer Koagulopathie darstellen, obwohl sie in den Scores nicht punkten. Fibrinogenwerte sind immer in Kontext zu anderen akut-Phasen Parametern (CRP, Procalcitonin, IL-6) zu interpretieren. Behandlung mit Steroiden kann zu Downregulation von Fibrinogen führen, niedrige Spiegel müssen in diesem Zusammenhang nicht Zeichen einer Koagulopathie sein. Dynamik beachten (eher non-overt DIC Score verwenden) © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
ISTH Score für latente (non-overt) DIC: Punkte -1 0 1 2 Summe Zugrundeliegende nein ja Erkrankung Thrombozytenzahl >100 70 5 Punkte: kompatibel mit latenter DIC < 5 Punkte: keine DIC Taylor FB et al: Journal of Thrombosis and Haemostasis 2001; 86:1327–1330. © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Therapie der Koagulopathie • Ursache behandeln: Antineoplastische Therapie ! • Therapie bei AML M3: ATRA (all-trans Retinoic Acid) = Vesanoid®, 45 mg/m2/d po. • Therapie bei allen anderen Leukämien: Chemotherapie und/oder Hydroxyurea (Litalir®) • Therapie bei soliden Tumoren: spezifische Behandlung der Entität bzw. Cancer od Unknown Origin Th. • Gerinnungstherapie: • Substitution von Fibrinogenkonzentraten bei Fibrinogen < 1,0 g/L • Bei DIC: Plasma-Infusionen oder Prothrombinkomplex + Antithrombinkonzentrate • Bei Hyperfibrinolyse: Tranexamsäure (Cyclokapron®) 3x1g po oder iv. • Bei Thrombopenie: Thromboyztenkonzentrate (Ziel: PLT > 30 G/L) © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Blutungen bei hämatologisch-onkologischen Patienten – durch die Erkrankung verursacht Hyperfibrinolyse: • Mammae, Pankreas, Prostate • Diagnose: PTZ ↓⊥, Fibrinogen ↓↓↓, D-Dimer ↑↑↑, Antithrombin ⊥ • ROTEM • Therapie: Tranexamsäure (Cyklokapron®), Fibrinogenkonzentrate, Ursachen behandeln Patient nach Aprotinin © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Blutungen bei hämatologisch-onkologischen Patienten – durch die Erkrankung verursacht Thrombopenie: • bei Knochenmarksinfiltration • durch Immun-Phänomene Synthesestörung: • bei Leberversagen Lokale Probleme: • Arosion von Gefäßen Paraneoplastische Phänomene, Paraproteinämie • Autoimmunität, erworbene Hämophilie, erworbenes Willebrand Syndrom • Viskositäts-assoziierte Blutungsneigung • Haut- und Schleimhautveränderungen / Infiltration © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Blutungen bei hämatologisch-onkologischen Patienten – durch die Therapie verursacht Thrombopenie: • durch Zytostatika -> Aplasie Thrombozytenfunktionsstörung: • durch Medikamente (Analgetika, Antibiotika, etc….) Synthesestörung: • bei Leberversagen oder Malnutrition / Malabsorption Lokale Probleme: • Schleimhautschäden, Interventionen, Diagnostik, Tumorlyse, etc. © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Thrombosen bei hämatologisch-onkologischen Patienten – durch die Erkrankung verursacht Tumor-assoziierte Thromboseneigung • Tumor produziert prothrombogene Stoffe, Mikropartikel, etc. • Art des Tumors Lokale Problematiken • Kompression von Gefäßen Allgemeinsymptome • Immobilisation • Fatigue, allgemeine Schwäche, Kachexie • Dehydratation, Malnutrition Paraneoplastische Phänomene © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Thrombosen bei hämatologisch-onkologischen Patienten – durch die Therapie verursacht Thrombogene Medikamente • z.B. Asparaginase Interventionen • zentralvenöse Katheter, Port-A-Cath, Embolisationen, etc. Immobilisation Infektionen • Akut-Phasen Reaktion Thromboseprophylaxe ist Standard bei allen akut erkrankten hospitalisierten Patienten Therapeutische Antikoagulation ist indiziert bei manifester oder rezenter Thromboembolie © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
COVID-19 und Gerinnung Bei manchen Patienten Symptomatik wie bei schwerer Infektion • Akut-Phasen Reaktion (Anstieg von CRP, Procalcitonin, IL-6, Fibrinogen, FVIII, VWF, D-Dimer) E N • (Hyper)-Inflammation T IO N F EK • Allgemeinsymptomatik (Fieber, Neurologie, Kreislauf-Instabilität, I N respiratorische Symptome, andere R EN E HW Organfunktionseinschränkungen, Endothelzell-Schäden) N SC Selten Koagulopathie (DIC) ERE A ND D ZU Manche Publikationen berichten IE venöse und arterielle Thrombosen S CH R TE • BIAS: vermehrte /Nverminderte Diagnostik, Resourcen, Lokalisation, Schweregrad der U IN KE Erkrankung,Vorphase, Thromboseprophylaxe, etc. • Vorphase nicht berücksichtigt (wie lange waren die Pat. zu Hause immobilisiert/dehydriert/schlecht versorgt, etc.) © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
COVID-19 und Gerinnung bei hämatologisch-onkologischen Patienten Hämatologische und onkologische Patienten haben, wie beschrieben, manchmal eine erhöhte Blutungsneigung, oder eine erhöhte Thromboseneigung -> individuelle Entscheidung -> immer Thromboseprophylase sofern keine Kontraindikationen -> “Hausverstand einschalten” © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Onkopedia Artikel zur Antikoagulation bei COVID-19 • 6.1.6Antikoagulation • Die mit COVID-19 assoziierten, schweren Endothelschäden führen in Lungenarterien zu ausgedehnten Thrombosen und Mikroangiopathie [84]. Die aktuellen Empfehlungen der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung [66] und internationaler Fachgesellschaften [72, 73, 74] können folgendermaßen zusammengefasst werden: • E N Bei allen Patienten mit gesicherter SARS-CoV-2 Infektion sollte die Indikation zur medikamentösen VTE-Prophylaxe mit IO N niedermolekularem Heparin (NMH) großzügig gestellt werden. T • F EK Die Dosierung sollte in einem für den Hochrisikobereich zugelassenen Bereich erfolgen. Bei Kontraindikationen für eine I N Antikoagulation sollten physikalische Maßnahmen (z.B. Kompressionsstrümpfe) zur Anwendung kommen. R EN WE • Bei Patienten mit signifikant erhöhten D-Dimeren (≥ 1,5–2,0 mg/l) ist eine medikamentöse Thromboseprophylaxe indiziert. H • N SC Alle hospitalisierten Patienten sollten beim Fehlen von Kontraindikationen eine medikamentöse VTE-Prophylaxe erhalten. • RED-Dimere Bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren (z.B. BMI >30 kg/m², Eder Z. n. VTE, aktive Krebserkrankung), bei intensivmedizinisch behandelten Patienten und/oder bei einem raschen Anstieg D sollte unter Berücksichtigung von Nierenfunktion und Nerwogen werden (z.B. U A Blutungsrisiko eine intensivierte Thromboseprophylaxe NMH in halbtherapeutischer Dosierung 1 x täglich Z IEDsollte nur bei einer gesicherten Thromboembolie oder einer ECMO-Behandlung oder NMH in prophylaktischer Dosierung 2 x täglich). H SC • Eine therapeutisch dosierte Antikoagulation aktuell erfolgen. T ER • N UN mit SARS-CoV-2 Infektion sollten fortlaufend hämostaseologisch überwacht werden. Sinnvolle Alle hospitalisierten Patienten I KE Laborparameter sind: D-Dimere, Prothrombinzeit (Quick/INR), Thrombozytenzahl, Fibrinogen und Antithrombin. • Thrombozytopenie und eine verlängerte APTT oder Prothrombinzeit ohne Blutungssymptome stellen per se keine Kontraindikation zur Durchführung einer medikamentösen VTE-Prophylaxe dar. • Bei einer ECMO-Behandlung sollte unter Verwendung von unfraktioniertem Heparin (UFH) eine 1,5- bis 1,8-fache aPTT- Verlängerung angestrebt werden. • Bei fortbestehender Immobilität, hoher entzündlicher Aktivität und/oder zusätzlichen Risikofaktoren (siehe oben) ist nach Entlassung aus der stationären Behandlung eine prolongierte ambulante NMH-Prophylaxe sinnvoll. © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Infektionsprobleme bei hämatologisch-onkologischen Patienten durch die Grunderkrankung • gestörte Immunkompetenz • lokale Probleme (poststenotische Pneumonie, etc.) durch die Therapie: • Immunsuppression: Knochenmarksaplasie, lymphatische Immundepletion, etc. • Steroide • Checkpoint Inhibitoren • Biologicals © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Fulminante Sepsis Virusinfektionen • meist Bakterien oder Pilze • nach anti-lymphozytärer Therapie • bei schwerer Neutropenie • Antikörpertherapie, Biologicals. etc • bei Immunsuppression • bei Immunglobulin-Mangel • nach Splenectomie • bei langdauernder Steroidtherapie • bei manchen Keimen / Patienten • oft Reaktivierung von Herpesviren, Zoster, Cytomegalie, etc. In vielen Fällen wird eine antimikrobielle Prophylaxe empfohlen ! © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Neutropenische Sepsis: Management • Zeitkritisch! Sofortiges Handeln notwendig! • Phase 1: • Klinische Beurteilung: Intensivstation ja/nein, Monitoring ja/nein • Hämodynamik, Respiration, Neurologie, Nierenfunktion beurteilen • Hydrieren (1000-2000 ml, dann nach Klinik, oft große Mengen notwendig) • Diagnostik (Blutkulturen, Septifast, Labor – Blutbild, Chemie, Gerinnung, Laktat, Astrup) • Pseudomonas-wirksames Breitband-Antibiotikum in voller Dosis (z.B. Tazonam) • Wachstumsfaktoren (G-CSF) • Bei kritischer Situation: Granulozytenkonzentrate • Phase 2: • Focus suchen: Klinik, Mundhöhle, NNH, Lunge, Abdomen, rektal; C/P Röntgen erst wenn Pat. stabilisiert • Regelmäßige Evaluierung (kurzfristig) © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Einfluß von COVID-19 auf Infektionen bei hämatologisch-onkologischen Patienten • Haben immunsupprimierte Patienten schwerere Verläufe von COVID-19 oder stecken sie sich leichter an? - Keine eindeutigen Daten vorliegend, schwerere Verläufe wahrscheinlich schon. - Suszeptibilität wohl nicht unterschiedlich, da SARS-CoV2 sehr ansteckend. • Verzögerung von notwendiger Diagnostik und Therapie • Bindung von Resourcen (Zeit, Zutritt, Personal, Resourcen) • Präexistente Schäden durch Grunderkrankung / Therapie (Lunge – Bleomycin, etc.) © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
Zusammenfassung • Hämatologisch-onkologische Patienten haben vielfältige Hämostaseveränderungen durch Grunderkrankung und Therapien. • Das Management richtet sich nach den individuellen Erfordernissen. • Vorerst ist das Gerinnungs-Management von COVID-19 Patienten nicht anders als bei anderen schweren Infektionen. • Persönliche Schutzmaßnahmen, Reduktion der Weiterverbreitung, verfügbare Resourcen, etc. haben einen wesentlichen Einfluß auf das generelle Management von hämatologischen und onkologischen Patienten mit COVID-19 © Prof.Dr.Paul Knöbl 8.Juli 2020 - ÖGIT Wien
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