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Schriftenreihe der Baden-Württemberg Stiftung Soziale Verantwortung: Nr. 59 Gesundheitsförderung im Kindergarten Evaluation des Programms „Komm mit in das gesunde Boot“ der Baden-Württemberg Stiftung in Kindergärten in Baden-Württemberg Ein Programm der
Soziale Verantwortung Gesundheitsförderung im Kindergarten Evaluation des Programms „Komm mit in das gesunde Boot“ der Baden-Württemberg Stiftung in Kindergärten in Baden-Württemberg Impressum Gesundheitsförderung im Kindergarten Herausgeberin Baden-Württemberg Stiftung gGmbH Im Kaisemer 1 • 70191 Stuttgart Verantwortlich Birgit Pfitzenmaier Autor Dr. Freia De Bock Prof. Dr. Joachim E. Fischer Mannheimer Institut für Public Health, Universität Heidelberg Bildmaterial Baden-Württemberg Stiftung Mannheimer Institut für Public Health, Universität Heidelberg Konzeption und Gestaltung FLAD & FLAD Communication GmbH © September 2011, Stuttgart Schriftenreihe der Baden-Württemberg Stiftung Soziale Verantwortung: Nr. 59 ISSN 1610-4269
Soziale Verantwortung Grußwort der Baden-Württemberg Stiftung 6 6. Was wurde erreicht, was ist noch zu tun? 80 Christoph Dahl, Geschäftsführer 6.1 Kinder mit Migrationshintergrund Birgit Pfitzenmaier, Abteilungsleiterin Soziale Verantwortung 6.2 Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Kindergärten 6.3 Sozioökonomischer Hintergrund 1. Zusammenfassung 10 6.4 Geschlechterunterschiede 6.5 Einbezug der Eltern 2. Die Herausforderung 16 6.6 Integration und Qualifikation der Fachkräfte 2.1 Grundlegendes zu Übergewicht und Adipositas 6.7 Einbau in das Curriculum der Erzieherinnen-Ausbildung 2.2 Bewegungsmangel 6.8 Integrierter Ansatz 2.3 Ernährung 6.9 Förderung der Nachhaltigkeit 6.10 Abstimmung der Interventionen 3. Das Programm „Komm mit in das gesunde Boot“ 24 6.11 Ownership, Leadership 3.1 Das Ernährungsmodul „lecker essen und trinken“ 6.12 Verankerung in der Alltagskultur 3.2 Das Bewegungsmodul „locker hüpfen und lustig spielen“ 7. Methodenanhang 92 4. Die Evaluation 32 7.1 Rekrutierung der Kindergärten und Kinder 4.1 Warum Evaluation? 7.2 Messausfälle 4.2 Die Methodik der Evaluation von 7.3 Evaluationsbausteine – Zielparameter und Modelle „Komm mit in das gesunde Boot“ 7.4 Ablauf der Messungen 4.3 Der partizipative Elternbaustein 7.5 Evaluationszeitplan 4.4 Welche Kindergärten und Kinder nahmen an der Evaluation teil? Fußnoten 106 5. Die Ergebnisse der Evaluation 52 Notizen 108 5.1 Die Rückmeldungen der Erzieherinnen 5.2 Die Rückmeldungen der Eltern 5.3 Die Ergebnisse der objektiven Messungen Schriftenreihe der Baden-Württemberg Stiftung 110 5.4 Vergleich mit anderen Projekten 4 5
Soziale Verantwortung Das „gesunde Boot“ findet spielerisch in zwei Modulen – dem Ernährungs- modul „lecker essen & trinken“ und dem Bewegungsmodul „locker hüpfen & lustig spielen“ – statt. Von der Baden-Württemberg Stiftung ausgebildete Ernährungs- und Bewegungsfachkräfte unterstützen die Kindergärten da- Liebe Leserin, lieber Leser, bei, die Bedeutung von gesunder Ernährung und Bewegung zu vermitteln. Kinder sind unsere Zukunft. Deshalb engagiert sich die Baden-Württemberg In den Modulen wird vor allem auf das gemeinsame Erleben und Mitmachen Stiftung schon seit Jahren in der Gesundheitsförderung unserer Jüngsten. Wert gelegt. Um die Kinder zu begeistern, führt die Figur eines Gesundheits- piraten die Kinder spielerisch durch das Programm. Durch sich verändernde Familienstrukturen verbringen Kinder heute viel mehr Zeit in den Lebenswelten Kindergarten und Schule. Gesundheitsbe- Im Ernährungsmodul „lecker essen & trinken“, das sich über sechs Monate wusstes Verhalten im Kindesalter wird maßgeblich von diesen Lebenswelten erstreckt, kommt eine externe Fachkraft einmal wöchentlich für zwei Stun- beeinflusst. Diese Orte für die Förderung der Gesundheit unserer Kinder zu den in den Kindergarten, wo sie mit den Kindern Mahlzeiten zubereitet und nutzen, ist daher eine bedeutende gesellschaftliche Aufgabe. Ausreichende verschiedene Nahrungsmittel erklärt. Die Eltern werden über einen Eltern- und vielseitige Bewegung und eine ausgewogene Ernährung sind für die abend und verschiedene Termine, an denen Eltern und Kinder gemeinsam gesunde körperliche und geistige Entwicklung unserer Kinder unverzichtbar. kochen und backen, mit einbezogen. Im Bewegungsmodul „locker hüpfen & lustig spielen“ erhalten die Kinder ebenfalls über einen Zeitraum von sechs Monaten zweimal wöchentlich eine strukturierte Bewegungsstunde. Darüber hinaus werden dem Kindergar- ten in Beratungsgesprächen Möglichkeiten aufgezeigt, den Kindergarten- alltag bewegungsfreundlicher zu gestalten. Der Auftakt-Aktionstag und „Der bewegte Elternabend“ laden die Eltern ein, selbst aktiv zu werden und mehr Bewegung in ihren und in den Alltag der Kinder zu bringen. Christoph Dahl Birgit Pfitzenmaier Geschäftsführer der Abteilungsleiterin Soziale Verantwortung der Die Erzieherinnen sind während dieser Zeit dazu eingeladen, sich aktiv an Baden-Württemberg Stiftung Baden-Württemberg Stiftung den Stunden zu beteiligen. So sollen sie von den Fachkräften zur eigenstän- Die Baden-Württemberg Stiftung hat deshalb im Jahr 2006 mit dem Gesund- digen Durchführung des Programms befähigt werden. Nach Ablauf der sechs heitsförderungsprogramm „Komm mit in das gesunde Boot“ ein umfassendes Monate, in denen die externe Fachkraft vor Ort ist, kann das Programm dann Bewegungs- und Ernährungsprojekt entwickelt und flächendeckend für ganz idealerweise durch die Erzieherinnen fortgeführt werden. Baden-Württemberg umgesetzt. Seit 2009 wird das Kindergartenprogramm auch auf die Grundschule ausgeweitet und inhaltlich entsprechend angepasst. Durch die breite Förderung von gesunder Ernährung und Bewegung soll vor allem dem zunehmenden Bewegungsmangel und Übergewicht bei Kindern Im Programm „Komm mit in das gesunde Boot – Kindergarten“ lernen Kinder, entgegengewirkt werden. Das Programm „Komm mit in das gesunde Boot“ was es heißt, gemeinsam zu speisen, einfache Gerichte selbst zuzubereiten wurde auf möglichst breiter wissenschaftlicher Grundlage entwickelt, jedoch sowie Freude an der Bewegung und an sportlicher Aktivität in der Gruppe gibt es in der Förderung von Ernährung und Bewegung in Kindergärten und zu erfahren. 6 7
Soziale Verantwortung deren Effektivität bisher nur wenig gesichertes Wissen. Es existieren zahl- reiche Programme, die zur Bekämpfung der „Übergewichtsepidemie“ ent- wickelt wurden, ob die Kinder und Familien davon aber wirklich profitieren, muss jeweils durch eine begleitende Evaluation untersucht werden. Die Baden-Württemberg Stiftung hat sich bewusst dafür entschieden, das Programm „Komm mit in das gesunde Boot“ einer solchen wissenschaft- lichen Prüfung zu unterziehen. Jede Evaluation dient letztlich dazu, eine Ver- besserung der Programme durch gesichertes Wissen über die Effektivität der durchgeführten Maßnahmen zu erzielen. Die vorliegende Broschüre bietet einen umfassenden Überblick über die Er- gebnisse der Evaluation des Programms „Komm mit in das gesunde Boot – Kindergarten“. Unser besonderer Dank gilt daher Professor Dr. med. Joachim E. Fischer und seinem Team vom Mannheimer Institut für Public Health für die Durchführung der wissenschaftlichen Untersuchung des Kindergarten- programms und der fundierten Aufarbeitung der Evaluationsergebnisse. Unser Dank gilt auch dem Forschungszentrum für den Schulsport und den Sport von Kindern und Jugendlichen in Karlsruhe sowie der Deutschen Gesell- schaft für Ernährung für die umfangreiche und kompetente Unterstützung bei der Entwicklung der Konzeption der Kindergartenmodule. Wir möchten auch dem Team um Professor Dr. Jürgen M. Steinacker vom Universitäts- klinikum Ulm herzlich für die Umsetzung und die wissenschaftliche Beglei- tung des Programms „Komm mit in das gesunde Boot – Grundschule“ danken. Nicht zuletzt geht der Dank und die Anerkennung der Baden-Württemberg Stiftung an die zahlreichen Fachkräfte und Erzieherinnen, aber auch die vielen Kinder, die mit ihrem Engagement und ihrer Begeisterung das Pro- gramm „Komm mit in das gesunde Boot“ lebendig werden lassen. Christoph Dahl Birgit Pfitzenmaier 8 9
Soziale Verantwortung 1. 1. Zusammenfassung Mangelnde Bewegung und Überernährung kennzeichnen den Alltag einer zunehmenden Zahl von Kindern im Kindergartenalter. Da Kinder aber die für ihre Gesundheit wichtigen Verhaltensweisen dort lernen, wo sie ihren Alltag verbringen und gestalten, haben Kindertagesstätten für die Förderung der kindlichen Gesundheit eine herausragende Bedeutung. Verschiedene Programme versuchen, dem Bewegungsmangel und der un- günstigen Ernährung vieler Kinder bereits im Kindergartenalter entgegen- zuwirken. Im Einklang mit dem Bildungsplan Baden-Württemberg hat die Baden-Württemberg Stiftung ein Programm entwickelt, das unter dem Titel „Komm mit in das gesunde Boot“ sowohl in Kindergärten als auch in Schulen einen Beitrag zur nachhaltigen Förderung gesünderer Ernährung und mehr Bewegung im Alltag leisten soll. Die Programme für Kindertagesstätten und für Grundschulen sind unter- schiedlich angelegt. Die Baden-Württemberg Stiftung griff bei der Entwick- lung der Programme die Erkenntnis auf, dass nur längerfristig angelegte Maßnahmen eine Chance haben, nachhaltig das Verhalten von Kindern zu verändern. Das Ziel des Kindergartenprogramms ist, den Anteil übergewich- tiger Kinder bei Schuleintritt durch ausgewogene Ernährung und Bewe- gung zu vermindern. Kindergärten aus Baden-Württemberg konnten sich wahlweise für das Ernährungs- oder Bewegungsprogramm bewerben. Jähr- lich nehmen jeweils 100–200 Kindergärten am Ernährungs- oder Bewe- gungsprogramm teil. Das Ernährungsmodul hat zum Ziel, die Handlungskompetenz der Kinder Die Ergebnisse – rund um das Essen und Trinken zu erhöhen. Eine externe, von der Baden- Württemberg Stiftung ausgebildete Fachkraft führt die zehn Bausteine des Moduls von je zwei Stunden Dauer für die Kinder durch und moderiert weitere fünf Bausteine für Eltern und Kinder im Kindergarten. Die Bausteine des Er- eine kleine nährungsmoduls erstrecken sich über 20 Wochen und sind als aufeinander ab- Zusammenfassung gestimmte Einheiten konzipiert. Sie führen teils neue Themen wie etwa das Kennenlernen von Obst und Gemüse ein, es gibt jedoch auch Wiederholungs- module. Lernen durch Vorleben und Erleben steht dabei im Mittelpunkt. 11
Soziale Verantwortung Die Evaluation war so angelegt, dass die teilnehmenden Kinderta- gesstätten den Programmen nach dem Zufallsprinzip zugeteilt wur- Das Bewegungsmodul erstreckt sich ebenfalls über eine Dauer von 20 Wochen. den und auf diese Weise systema- Ziel des Bewegungsmoduls ist, die kindliche Freude an Bewegung und sport- tische Verzerrungen der Ergebnisse licher Aktivität zu stärken und die koordinativen und konditionellen Fähig- etwa durch Unterschiede im Alter keiten der Kinder zu verbessern. Auch dieses Modul wird durch eine externe, und Geschlecht, Unterschiede durch geschulte Bewegungsfachkraft durchgeführt, die zweimal wöchentlich eine städtisches oder ländliches Umfeld Bewegungsstunde im Kindergarten sowie einen Auftakt-Aktionstag und oder Unterschiede durch Jahreszei- einen „bewegten Elternabend“ abhält. ten vermieden wurden. Abbildung 1: Kinder mit Actihearts Die Literatur zu Verhaltensänderungen in Lebenswelten legt nahe, dass Das Ernährungsmodul zeigte gegenüber der Kontrollgruppe folgende Verhaltensänderungen besonders dann nachhaltig verankert werden kön- Veränderungen: nen, wenn das Umfeld der Kinder aktiv miteinbezogen wird. Daher wurde innerhalb des Bewegungsmoduls eine Erweiterung entwickelt, die gezielt Die Angaben aus dem Elternfragebogen legen nahe, dass der Konsum von um die aktive Teilnahme der Eltern wirbt. Dieser partizipative Elternbaustein Obst, Gemüse und gesunden Lebensmitteln sich nach der Intervention ver- erweiterte das Bewegungsmodul mit dem Ziel, die aufgegriffene Freude besserte. Dies steht im Einklang mit dem, was das Personal der Kindergärten an Bewegung und körperlicher Aktivitäten in diesem Modul weit in den in Befragungen berichtete, die ebenfalls Teil der Evaluation waren. Bei den Alltag der Kinder und Familien zu überführen. Körpermaßen, namentlich dem Body-Mass-Index (BMI) und dem Taillen- Größen-Verhältnis, ließen sich in der Zeitdauer der Untersuchungen indes Nie zuvor ist in Deutschland ein Bewegungs- und Ernährungsinterventions- keine statistisch gesicherten Veränderungen beobachten – je nach gewählter programm so sorgfältig auf seine Wirksamkeit untersucht worden wie das Analysemethode wies allenfalls die Körperzusammensetzung (prozentualer Programm „Komm mit in das gesunde Boot“ der Baden-Württemberg Körperfettgehalt) eine geringe, aber nicht statistisch gesicherte Verbesse- Stiftung. Die Evaluation ging in Umfang und Intensität weit über bisherige rung auf. Versuche, Nachhaltigkeit von Bewegungs- oder Ernährungsprogrammen zu dokumentieren, hinaus. Neben einer qualitativen Untersuchung durch die Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass das Ernährungsmodul mög- Befragung von Erzieherinnen wurden die Eltern zu drei Messzeitpunkten, licherweise die Einstellung zur Ernährung und das Essverhalten günstig nämlich vor Programmbeginn, bei Programmende und sechs Monate nach beeinflussen kann, dass dies jedoch nicht ausreicht, um nachhaltige Verän- Programmende, zu mehr als 100 Punkten befragt. Ferner wurden zu allen derung von Körpermesswerten innerhalb von zwölf Monaten zu erreichen. drei Messzeitpunkten an insgesamt 1030 Kindern in 52 Kindergärten ob- Dies steht im Einklang mit den in der wissenschaftlichen Literatur beschrie- jektive Messungen der Bewegung und der Körpermaße durchgeführt. Für benen Ergebnissen zu vergleichbaren Interventionen. die Bewegungsmessung trugen die Kinder jeweils über mehrere Tage ein Messgerät, das Herzschlag und Bewegungsaktivität aufzeichnete und so Das Standard-Bewegungsprogramm führte nach Aussagen der Eltern zu ermöglichte, objektiv das Ausmaß und die Intensität der Bewegung sowohl mehr körperlicher Aktivität der Kinder und weniger, vor dem Fernseher ver- im Kindergarten als auch zu Hause zu dokumentieren (Abb. 1). brachter Zeit. Bei den objektiven Messungen ließ sich eine Änderung des 12 13
Soziale Verantwortung vention sogar mehr Zeit draußen als Kinder ohne Migrationshintergrund. Was bedeuten diese Ergebnisse für die zukünftige Gestaltung von Kinder- tagesstätten sowie eine Weiterentwicklung des Programms „Komm mit in Bewegungsverhaltens allerdings nicht beobachten. Bei der um den partizi- das gesunde Boot“ für Kindergärten? Die durch externe Fachkräfte abgehal- pativen Elternbaustein erweiterten Bewegungsintervention beobachteten tenen Unterrichtseinheiten in der Kindertagesstätte konnten sowohl im die Eltern ebenfalls mehr körperliche Aktivität und weniger, vor dem Fern- Ernährungs- als auch Bewegungsmodul noch keine nachhaltige und konsis- seher verbrachte Zeit. Dies ließ sich auch bei der objektiven Messung des tente Veränderung der objektiv messbaren Werte erreichen. Insbesondere Bewegungsverhaltens nachverfolgen, bei der sich in der „angereicherten“ konnten Kinder mit Migrationshintergrund nicht von dem Programm in Bewegungsintervention insbesondere eine Zunahme der mittleren körper- gleicher Weise profitieren wie Kinder ohne Migrationshintergrund. Stärkere lichen Aktivität und eine Abnahme der im Sitzen verbrachten Zeit zeigte Effekte zeigten sich überall dort, wo Kindergärten aktiv das Ergänzungs- (Abb. 2). Bei beiden Programmen nahm bei fast gleichbleibendem BMI das modul der Elternpartizipation aufnahmen und umsetzten (siehe Abb. 2). prozentuale Körperfett der Kinder ab. Dieser Effekt blieb auch nach Ende Hier gab es keinen Unterschied des Interventionserfolges bezüglich des des Programms erhalten. Migrationshintergrundes. Die zukünftige Weiterentwicklung des Programms „Komm mit in das gesunde Boot“ sollte daher darauf abzielen, die Ernäh- rungs- und Bewegungselemente stärker in den Alltag der Kindertagesstät- ten zu verankern und die Einbindung der Eltern zu intensivieren. Dies ist dann am ehesten möglich, wenn die Leiterinnen und Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätten selbst befähigt werden, die Ernährungs- und Bewegungs- module im Kindergartenalltag umzusetzen und ihre Rolle als Brücke zu den Familien nutzen zu können, um die Eltern „mit in das gesunde Boot zu neh- men“. Besonders wertvoll scheint eine solche Ergänzung des Programms im Hinblick auf Chancengleichheit zwischen Kindern mit Migrationshinter- grund und Kindern ohne Migrationshintergrund zu sein. Die Evaluation zeigt, dass eine bessere Wahrnehmung der Gesundheitsbe- Abbildung 2: Vergleich der Entwicklung der täglich im Sitzen verbrachten Zeit im Studienarm mit dürfnisse der Kinder durch alle Programmbestandteile angestoßen werden Standard-Bewegungsmodul und im Arm mit dem zusätzlichen partizipativen Elternbaustein. konnte, die Übersetzung von Bewusstseinsveränderung in nachhaltige Ver- (grün = Bewegungsprogramm plus Elternbaustein; blau = nur Bewegungsprogramm) haltensänderung jedoch einer Verankerung im Alltag der Kindergärten und des elterlichen Umfelds bedarf, die durch externe Fachkräfte alleine im Rah- Bedeutsam waren die Unterschiede bei Kindern mit und ohne Migrations- men der zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht zu leisten ist. Im Sinne hintergrund. So zeigte sich beim Bewegungs- und beim Ernährungmodul, des Bildungsplans Baden-Württemberg sollten daher dringend die Priori- dass sich bei Kindern mit Migrationshintergrund bereits vor der Interven- täten der Ausbildung und der Curricula für die Kindergärten dahingehend tion bestehende Unterschiede im Body-Mass-Index und beim Körperfett überarbeitet werden, dass ein höheres Gewicht auf die Vermittlung von zulasten der Kinder mit Migrationshintergrund vergrößerten. Dies gilt auch Kompetenzen zu Bewegung und Ernährung gelegt wird. für die täglich in hoher Aktivität verbrachte Zeit im Bewegungsmodul. Dieser Zusammenhang war im Studienarm mit Elternbaustein nicht nachweisbar, hier verbrachten die Kinder mit Migrationshintergrund nach Ende der Inter- 14 15
Soziale Verantwortung 2. 2. Die Herausforderung Kinder erlernen die für ihre Gesundheit wichtigen Verhaltensweisen dort, wo sie ihren Alltag verbringen und gestalten. Daher sind gerade Kinder- garten und Schule wichtige Orte, in denen die Gesundheit von Kindern gefördert werden kann. Eine der entscheidenden Aufgaben ist dabei die Förderung von Bewe- gung und gesunder Ernährung. Dies ergibt sich aus der in den letzten 20 Jahren stark angestiegenen Zahl kindlichen Übergewichts und den zunehmenden motorischen Defizi- ten bei Kindern. Anliegen der Baden-Württemberg Stiftung ist es daher, bestehende Programme zur Verbesserung von Abbildung 3: Poster zur Ankündigung des Messtermins Bewegung- und Ernährungsver- halten in Kindergärten in Baden- Württemberg zu implementieren und wissenschaftlich auszuwerten, um die Programme nach Maßgabe des Stands der wissenschaftlichen Forschung weiterentwickeln zu können. 2.1 2.1 Grundlegendes zu Übergewicht Warum fördern wir und Adipositas gesunde Ernährung und Liegt ein Kind mit dem Gewicht oder dem Body-Mass-Index (BMI) für sein Alter und Geschlecht oberhalb der 90 %-Perzentilenkurve, so gilt es als über- gewichtig (ganz grob liegt sein Körpergewicht dann etwa ein Fünftel über Bewegung im Kindergarten? dem „Mittelgewicht“ seiner gleichgeschlechtlichen Altersgenossen). Viele dieser Kinder haben langfristig mit Gesundheitsproblemen zu rechnen. Bei 17
Soziale Verantwortung Weil die Kinder ihren Körper weniger belasten, sind sie auch insgesamt weniger fit 4. Das lässt sich mit Zahlen belegen: Zehnjährige Jungs, die 1970 im Schnitt bei einem Sechs-Minuten-Sprint noch 1.150 Meter weit kamen, schaffen es heute nicht einmal mehr zur 900-Meter-Marke. Eine Übersichts- Überschreiten der 97. Perzentilenkurve spricht man von Adipositas (auch als arbeit kommt zu demselben Schluss 5: Nach neueren Untersuchungen be- Fettleibigkeit bezeichnet). Die meisten adipösen Kinder haben ein noch deut- ginnt der Bewegungsmangel schon sehr früh im Kleinkindalter 6. licher erhöhtes Risiko, während ihrer Kindheit oder im frühen Erwachse- 2.2.1 Grundbaustein der Entwicklung nenalter gesundheitliche Probleme zu entwickeln. Bewegung ist weit mehr als ein Mittel, um schlank und gesund zu bleiben. Bewegung ist vielmehr ein Grundbaustein der kindlichen Entwicklung. Denn Die Häufigkeit von Übergewicht Kinder brauchen Bewegung zum einen, um ihre überschüssige Energie loszu- und Adipositas ist in Deutschland, werden – um sich „auszutoben“. So schlafen Kinder eindeutig besser, wenn wie in den anderen Industrielän- sie sich tagsüber im Spiel anstrengen dürfen. Sie sind zudem emotional aus- dern auch, seit etwa 1980 ange- geglichener. stiegen. Heute sind in Deutschland etwa 15 % der Schulkinder überge- Aber Bewegung ist auch die Eintrittskarte in eine spannende Erfahrungswelt, Abbildung 4: Markierung der Wade zur wichtig, 6 % sind adipös 1. die Eintrittskarte in neue Lernräume – indem Kinder ihre Umgebung mit Hautfaltenmessung ihrem Körper erforschen, lernen sie sich auch selbst kennen. Diese Selbst- Übergewicht entsteht, wenn über längere Zeit mehr Kalorien mit der Nah- wahrnehmung ist nach Ansicht der heutigen Hirnforschung eine wichtige rung zugeführt werden, als durch den Grundumsatz und körperliche Aktivi- Voraussetzung, um ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. tät verbrannt werden. Übergewicht ist deshalb immer die Folge einer relativ zu hohen Kalorienzufuhr und/oder zu geringer körperlicher Aktivität, also Es ist also nicht nur der Körper, der durch mangelnde Belastung unbeweg- ein Ungleichgewicht von Energieaufnahme und Energieverbrauch. lich wird, sondern auch das Gehirn, oder anders gesagt: Durch Bewegung wachsen Körper und Seele zusammen. Kein Wunder also, wenn Lehrer berich- Die Balance zwischen Kalorienzufuhr und -verbrauch ist von Natur aus fein ten, dass die Entwicklung von Lern- und Konzentrationsfähigkeit von einem austariert. Untersuchungen an Kindern zeigen, dass 125 kcal Überschuss ausreichenden körperlichen Auslauf und regelmäßiger körperlicher „Ent- pro Tag (etwa 2 % der zugeführten Kalorien bzw. 15 Minuten Fernsehen statt ladung“ abhängt. Wer Kindern Belastung und Auslauf vorenthält, nimmt Bewegung) zu einer deutlichen Gewichtszunahme führen . 2 also nicht nur ihrem Körper, sondern auch ihrer Seele den Schwung. 2.2 Noch ein Weiteres kommt dazu: Für Kinder ist Bewegung Teil des Spiels, und das Spielen ist häufig eine Gemeinschaftserfahrung. Durch das ge- meinsame Erforschen der Umgebung wachsen Kinder deshalb auch in die 2.2 Bewegungsmangel Gruppe hinein, übernehmen Aufgaben und Rollen – kurz: Sie werden sozial kompetent. Sicher ist: Kinder bewegen sich heute weniger als früher. Dies scheint vor allem durch einen Mangel an Bewegungsmöglichkeiten für die Kinder in unserer modernen Gesellschaft bedingt zu sein 3. 18 19
Soziale Verantwortung tergrund mehr beeinflusst durch die veränderte „Ernährungsumgebung“ von heute als Kinder aus ressourcenreichen Umfeldern. Das beginnt schon im Säuglings- und Kleinkindalter. Kinder, die nicht gestillt Bei so vielem, was für Bewegung spricht, überrascht eines nicht: Kinder werden, haben ein erhöhtes Risiko, später übergewichtig zu sein – insbeson- WOLLEN sich bewegen! Sie sind von Natur aus dazu motiviert. Tatsächlich dere dann, wenn früh mit der Beifütterung begonnen wird 7, 8. Auch eine ist der Spiel- und Erforschertrieb der stärkste Antrieb für Bewegung. Dieser ungünstige Wahl der Säuglings- und Kleinkindgetränke (zu süß, zu eiweiß- kindliche Bewegungsdrang ist so stark, dass er erst erlischt, wenn Kinder und kalorienreich 9) oder die auch im Kleinkindalter fortgesetzte Ernäh- richtig krank oder erschöpft sind. Der Grund: Der Spieltrieb ist die Voraus- rung mit der Babyflasche sind bekannte Risikofaktoren 10. Tatsächlich zeigen setzung dafür, dass Kinder LERNEN – dass sie Kompetenzen erwerben und Erhebungen aus den USA, dass Übergewicht sehr häufig schon im Säuglings- ihre Entwicklung altersgerecht abläuft. und Kleinkindalter beginnt 11. 2.2.2 Hindernisse im modernen Alltag Aber auch der weitere Lebensweg findet oft in einem „adipogenen“ Um- feld statt. Kinder und Jugendliche verzehren insgesamt wenig pflanzliche Alles spricht also dafür, dass sich Kinder gerne bewegen. Warum bewegen sich Lebensmittel wie Gemüse und Obst. Nur 33 % der sechs- bis elfjährigen Mäd- Kinder heute so wenig? Die Forschungsergebnisse der letzten Untersuchung chen und 27 % der Jungen erreichen die Verzehrsempfehlungen für Obst weisen darauf hin, dass die abnehmende Bewegung bei Kindern vor allem ein und Gemüse 12. Die Ergebnisse von EsKiMo, einer repräsentativen Studie zur Spiegel des sozialen Wandels ist, der mit einer deutlich veränderten Bewe- Ernährung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland 12 belegen, dass gungsumgebung einhergeht. Die Straßen, auf denen früher gespielt wurde, außerdem zu viele fettreiche, tierische Lebensmittel (Fleisch und Wurst) und sind heute meistens zu gefährlich, die unbebauten Flächen und Grundstücke deutlich zu viele Süßigkeiten gegessen werden. Obwohl in Ernährungsem- sind „saniert“. Kinder, mit denen man spielen könnte, sind weniger geworden – pfehlungen die letzteren nur etwa 10 % der täglich aufgenommenen Gesamt- und sie wohnen oft ein ganzes Stück weg. Viele Wege werden den Kindern energie ausmachen sollten, liegen viele Kinder bis um das Dreifache darüber. heute abgenommen, auch weil sie zu gefährlich sind. Und die großen Bewe- Als gesichert gilt zudem, dass bei älteren Kindern und Jugendlichen der An- gungskonkurrenten wie Computer und Fernseher nehmen im Leben von Kin- teil von gesüßten Getränken wie Limonaden, die eine erhebliche Kalorien- dern (wie natürlich auch Erwachsenen) immer mehr Platz ein. Die meisten zufuhr darstellen, zu hoch ist. dieser Faktoren sind in den ressourcenschwachen Schichten besonders ausge- prägt. Tatsächlich betreffen zumindest die stärkeren Formen des Überge- Ungünstige Einflüsse gehen auch von der in den letzten Jahren zu verzeich- wichts (Adipositas) in erster Linie eine Risikogruppe von Kindern aus res- nenden starken Zunahme der kommerziellen Portionsgrößen sowie der heute sourcenschwachen Familien oder aus Einwandererfamilien. weitaus höheren Kaloriendichte der industriell fertig zubereiteten Nahrung aus – die heute einen immer größeren Teil der Kinderernährung ausmacht. 2.3 Über die Hälfte der Kleinkinder nehmen regelmäßig zu süße „Kindernahrung“ (dazu gehören auch speziell für Kinder beworbene „Kinderprodukte“) zu sich. 2.3 Ernährung Diese Risikofaktoren für ungünstige Ernährung lassen sich auf verschiede- nen Ebenen beeinflussen. Die Eltern spielen dabei insbesondere im Säug- Auch bei der Ernährung unserer Kinder hat sich der soziokulturelle Wandel lings- und Kleinkindalter eine erhebliche Rolle – am Lebensanfang bilden der letzten 20 Jahre ausgewirkt. Und: Wie auch beim Übergewicht, sind Kinder aus ressourcenschwachen Familien oder Kinder mit Migrationshin- 20 21
Soziale Verantwortung insbesondere Mutter und Kind eine Art „Ernährungseinheit“. Ernährungsge- wohnheiten lassen sich nur in diesem gemeinsamen Gewohnheitsrahmen verschieben 13. Im späten Kleinkindalter wird das soziale Lernen im Kindergarten als prä- gender Faktor für die Ernährungsgewohnheiten wichtig. Kinder orientieren sich bei der Wahl der Nahrungsmittel jetzt stark an Vorbildern unter den Erwachsenen und den anderen Kindern, etwa im Kindergarten. 22 23
Soziale Verantwortung 3. 3. Das Programm „Komm mit in das gesunde Boot“ „Komm mit in das gesunde Boot“ ist ein durch die Baden-Württemberg Stiftung finanziertes Programm. Das langfristige Ziel ist die Unterstützung einer gesunden Entwicklung der Kinder und die Reduktion des Anteils übergewichtiger Kinder bei Schuleintritt, was durch eine ausgewogene Ernährung und Bewegung erreicht werden soll. Die Module des Programms „Komm mit in das gesunde Boot“ stehen im Einklang mit den Bildungs- und Entwicklungsfeldern, die im Orientierungsplan für Bildung und Erziehung Baden-Württemberg formuliert sind (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2006), hier vor allem in den Entwicklungsfeldern „Körper“ und „Sinne“. Kindergärten aus Baden-Württemberg können sich für das Ernährungs- und/oder das Bewegungsmodul bewerben. Eine Fachkraft, die für das Projekt von der Baden-Württemberg Stiftung geschult wird, übernimmt die Durch- führung der Intervention im Kindergarten vor Ort. Die Kosten für Fachkraft und Organisation des Programms übernimmt die Baden-Württemberg Stiftung. Jährlich nehmen ca. 100–200 Kindergärten entweder am Ernäh- rungs- oder Bewegungsmodul teil. Im Folgenden werden die beiden Module des Programms kurz vorgestellt. 3.1 3.1 Das Ernährungsmodul „lecker essen und trinken“ Was gibt’s für die Kinder Das Ernährungsmodul hat zum Ziel, die Handlungskompetenz der Kinder rund um Essen und Trinken zu erhöhen, das kindliche Verhaltensrepertoire zu erweitern und zu vermitteln, dass Essen und Trinken Spaß macht. Im Modul werden diese Ziele so umgesetzt, dass die Kinder mit ihnen unbe- im Programm „Komm mit kannten gesunden Lebensmitteln wiederholt in Kontakt gebracht werden, in das gesunde Boot“? und die Fachkraft den Kindern und teilweise auch den Eltern die Zuberei- tung dieser Lebensmittel vermittelt. Außerdem üben die Kinder im Modul immer wieder alltägliche Situationen, wie etwa das Helfen beim Tisch- 25
Soziale Verantwortung ein gesundheitsförderliches Ernährungsverhalten unterstützen. „Lernen bein- haltet hierbei alle Vorgänge, die durch Erfahrungen entstehen und zu Ver- haltensänderung führen“ 14. Dieses Ziel soll vorrangig durch die Erhöhung des Konsums löslicher Faserstoffe (in Obst, Gemüse, Vollkorn, ...), die Erhö- abräumen oder Spülen (Abb. 5) und hung des Wasserkonsums und die Verminderung des Konsums kalorienhal- Abtrocknen. tiger Getränke erreicht werden. Das Ernährungsmodul erstreckt sich Lernen durch Vorleben und Erleben steht im Mittelpunkt. Dies soll durch eine über eine Dauer von 20 Wochen und speziell entwickelte „Piratenkultur“ unterstützt werden. Das Ernährungs- enthält Bausteine für Kinder und modul steht unter dem Motto der „Lebensmittelpiraten“. Zwei Piratenpup- Eltern. Das Programm wird von den pen ( jeweils ein Mädchen und ein Junge) begleiten die Kinder durch die externen Fachkräften durchgeführt Module, und jede Einheit wird mit einer Piratengeschichte untermalt. und von Erzieherinnen begleitet. Das Modul für Kinder ist in zehn Bau- Da Eltern den größten Einfluss auf die Ernährung ihrer Kinder haben 15–18, Abbildung 5: Abspülen im Kindergarten steine à zwei Stunden gegliedert, werden diese aktiv mit in das Projekt einbezogen. Hierfür wurden fünf die sich jeweils mit einem Schwerpunkt der Ernährung befassen. Diese Bau- Elternbausteine konzipiert, welche die Kinderbausteine unterstützen bzw. steine umfassen folgende Themen: ergänzen. Diese Elternbausteine umfassen: - das Kennenlernen von Obst und Gemüse (Bausteine 1 und 2) - Knackig und bunt – schnelle Obst- und Gemüsesnacks - Erzeugung von Lebensmitteln/Anbau von Pflanzen (Bausteine 3 und 4) (Baustein 1 mit Kindern) - Lebensmittelvielfalt im Supermarkt (Baustein 5) - Ess- und Trinkoase 1 – Ernährung nach optimiX®* (Baustein 2) - Zubereitung von Essen (Baustein 6) - Väter backen mit ihren Kindern (Baustein 3 mit Kindern) - Kennenlernen von Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Essgewohnheiten - Ess- und Trinkoase 2 – Essverhalten der Kinder (Baustein 4) (Baustein 7) - Ess- und Trinkoase 3 – Erfahrungsaustausch unter Eltern (Baustein 5) - Zusammenhänge von Essen/Trinken und dem Körper (Baustein 8) - die Bedeutung von Wasser für den Körper (Baustein 9) Durch den Einbezug der Eltern soll gewährleistet sein, dass das gesundheits- - gemeinsames Essen und Wiederholung der vorherigen Bausteine bewusste Ernährungsverhalten über die Lebenswelt im Kindergarten hinaus, (Baustein 10) also zu Hause, weitergelebt und unterstützt wird. Das Ernährungsmodul soll zudem die Erzieherinnen inspirieren, Teile des Programms nach Ende Kinder sollen durch das Ernährungs- der Tätigkeit der Fachkraft in ihrem Kindergarten eigenständig fortzusetzen. modul lernen, sich gesünder zu er- nähren. Dies soll aber nicht durch die direkte Wissensvermittlung stattfinden. Den Kindern soll nicht vorgegeben werden, was gesund ist und was nicht. Vielmehr sollen * optimiX® = Optimierte Mischkost, ein Konzept für die gesunde Ernährung von Kindern und nach dem Konzept der partizipa- Jugendlichen des Forschungsinstituts für Kinderernährung Dortmund tiven Gesundheitserziehung Kompe- Abbildung 6: Essen im Kindergarten tenzen vermittelt werden, welche 26 27
Soziale Verantwortung die Bewegungsstunden – analog zu den Ernährungsstunden im Ernäh- 3.2 rungsmodul – in Form einer durchgängigen Piratengeschichte umgesetzt. Dazu wird mit den teilnehmenden Kindern (ab vier Jahren) ein Piraten- 3.2 Das Bewegungsmodul tanz einstudiert. Die Piratengeschichte enthält als Stundenthemen bei- „locker hüpfen und lustig spielen“ spielsweise die Vorbereitung des Schiffs, eine Reise mit vielen Landgängen, Aktivitäten an Bord und die Rückkehr in den Heimathafen. Für eine genau- Das Bewegungsmodul erstreckt sich über eine Dauer von 20 Wochen. ere Beschreibung der Stundenabläufe verweisen wir auf das Arbeitshand- Hauptziel des Bewegungsmoduls ist es, die kindliche Freude an Bewegung buch zum Bewegungsmodul, das Sie bei Interesse an der Tätigkeit einer und sportlicher Aktivität aufzunehmen und zu stärken sowie dadurch die Bewegungsfachkraft bei der Baden-Württemberg Stiftung anfragen konditionellen und koordinativen Fähigkeiten der Kinder zu verbessern. können und das alle Bewegungsstunden von 1 „ Komm mit auf das Pira- Hauptzielgruppe der Intervention sind die Kinder, die Tageseinrichtung für tenboot – die Mannschaft lernt sich kennen“ bis 40 „Eine Ball-WM als Kinder wird jedoch an zwei Terminen hinsichtlich „Bewegungsfreundlich- Abschiedsfest“ enthält. Alle verwendeten Materialien sind Alltagsmate- keit“ beraten. Mittels des Elternabends und des Auftakt-Aktionstag sollen rialien und einfach zu beschaffen. Die Stunden beginnen mit einem Auf- die Eltern dafür sensibilisiert werden, wie wichtig Bewegung für die Entwick- wärmspiel, gehen in einen Hauptteil über und klingen entspannend aus. lung ihrer Kinder ist. Die Intervention wird durch externe, speziell geschulte Dieser Ablauf und die Dauer von 60 Minuten sind Qualitätskriterien gemäß Bewegungsfachkräfte durchgeführt, die mit maximal drei Kindergruppen den sportwissenschaftlichen Vorgaben, die von der Baden-Württemberg à maximal 15 Kindern pro Kindergarten zweimal wöchentlich über 60 Minu- Stiftung formuliert wurden und von den Bewegungsfachkräften einge- ten eine Bewegungsstunde abhalten. Während der Bewegungsstunden halten werden sollen. Zu Beginn wie auch zum Schluss des 20-Wochen- sind die zuständigen Erzieherinnen anwesend, um bei der Organisation Zeitraums (in Bewegungsstunde 3 und 38) führt die Bewegungsfach- der Stunde zu helfen, vor allem aber, um zu lernen, wie das Bewegungs- kraft einen Piraten-Fitnesstest durch, der die Kinder vor allem motivie- programm durchgeführt wird, und um teilweise selbst die Bewegungs- ren soll, und mit dessen Hilfe die Eltern eine kleine Rückmeldung über stunden unter Anleitung durchzuführen. Wenn die Fachkraft im Kinder- ihr Kind bekommen. Angelehnt an sportmotorische Tests werden vor garten das Programm beendet hat, soll die zuständige Erzieherin darauf allem die koordinativen Fähigkeiten der Kinder getestet. Die Testaufgaben vorbereitet sein, die Bewegungsstunden selbst im Rahmen des normalen umfassen daher beispielsweise, wie gut die Kinder auf einem Bein stehen, Kindergartenalltags fortzusetzen. rückwärts auf einer Langbank balancieren und wie häufig sie seitlich hin und her springen können. Weiter wird überprüft, wie weit die Kinder sich Bausteine des Bewegungsmoduls mit ihrem Rumpf vornüber beugen,wie weit sie aus dem Stand springen, 1) Erstkontakt vor Ort und wie viele Liegestütze sie in 40 Sekunden durchführen können. Die Zu diesem Termin wird vor allem die Organisation der folgenden Bewe- Ergebnisse des Piraten-Fitnesstests werden jedoch nicht standardisiert gungsstunden besprochen sowie eine sogenannte Ist-Analyse durchge- erhoben und sind somit für eine Ergebnisevaluation des Programms führt. Bei der Ist-Analyse geht es darum, welche Bewegungsrituale, -mög- „Komm mit in das gesunde Boot“ nicht geeignet. lichkeiten und -angebote sowie Personalfortbildungen zu „Bewegung“ es vor der Intervention im Kindergarten schon gibt. 3) Eingangsberatung Das Ziel der Beratung durch die Bewegungsfachkraft ist, dass der Kinder- 2) Beginn der Bewegungsstunden und anfänglicher bzw. abschließender garten bewegungsfreundlicher wird. Im Gespräch mit den Erzieherinnen Piraten-Fitnesstest greift die Bewegungsfachkraft damit im Sinne eines Moderators die Wünsche Über einen Zeitraum von 20 Wochen führt die Bewegungsfachkraft zwei Bewegungsstunden wöchentlich (2 x 60 Minuten) durch. Dabei werden 28 29
Soziale Verantwortung des Teams auf und stößt Veränderungsprozesse an. Diese beinhalten beispielsweise eine bewegungsfreundliche Umgestaltung des Außenge- ländes oder von Räumen, um mehr Platz für Bewegung im Kindergarten zu schaffen etc. 4) Auftakt-Aktionstag Der Auftakt-Aktionstag soll alle Eltern des Kindergartens über das Förder- programm „Komm mit in das gesunde Boot“ informieren und die Freude am gemeinsamen Aktivsein von Eltern, Kindern und Erzieherteam fördern. Nach einer Piratenrallye in verschiedenen Gruppen wird der Auftakt- Aktionstag mit einem gemeinsamen Familienpicknick abgerundet. 5) Der bewegte Elternabend Im Verlauf des Elternabends werden den Eltern die Vielfalt der kindlichen Abbildung 7: Kindergartenstimmung Bewegung und die Notwendigkeit von Bewegung für die kindliche Ent- wicklung bewusst gemacht, sowie ihre eigene Vorbildfunktion thema- tisiert. Der Elternabend wird von der Bewegungsfachkraft durchgeführt, eingeladen dazu sind alle Eltern der Kindergärten, nicht nur die Eltern der am Programm teilnehmenden Kinder. Mittels mehrerer kleiner Spiele, die auch zu Hause durchgeführt werden können, soll bei den Eltern selbst die Freude an gemeinsamer Aktivität, Bewegung und Spiel geweckt werden. 6) Abschlussberatung Hier haben die Erzieherinnen Raum für ein Feedback zum Programm und zur Bewegungsfachkraft. Die Bewegungsfachkraft selbst stellt die durch das Eingangsgespräch erzielten Veränderungen für mehr Bewegung im Kindergartenalltag dar und gibt einen Ausblick zur dauerhaften Veran- kerung von Bewegung im Kindergarten, beispielsweise durch Kooperati- onen mit Sportvereinen oder eine Bewerbung für das Zertifikat „Bewe- gungskindergarten“. 30 31
Soziale Verantwortung 4. 4. Die Evaluation 4.1 4.1 Warum Evaluation? Welche Methoden oder Maßnahmen am besten geeignet sind, um Kinder- gartenkinder nachhaltig zu einem gesünderen Verhalten zu motivieren, weiß auch die Forschung nicht bis ins letzte Detail. Zwar sind einzelne Elemente bekannt, die allen Kindern helfen, sich mehr zu bewegen und ein vielfältiges, also nicht einseitiges Nahrungsangebot zu nutzen – aber bekannt ist auch, dass diese Ele- mente möglicherweise in sehr unter- schiedlichem Maße wirken und dass diese Elemente stets auch verbessert werden können. Jedes Projekt ist damit eine Chance, die Gesund- heitsförderung an Kindergärten zu verbessern und noch stärker auf die Abbildung 8: Blutdruckmessung Bedürfnisse und Motivation der Kinder zuzuschneiden, es ist sozusagen ein „lernendes System“. Dieses Po- tenzial wird durch eine methodisch hochwertige Evaluation optimal genutzt. 4.2 4.2 Die Methodik der Evaluation von Wie wir die „Komm mit in das gesunde Boot“ Veränderungen Das Programm „Komm mit in das gesunde Boot“ besteht aus zwei Modulen, die beide unterschiedliche Ziele haben. Daher teilt sich die Evaluation in darstellen können ... zwei getrennte Analysen auf, nämlich in die Analyse der Effekte des Ernäh- rungsmoduls und in diejenige der Effekte des Bewegungsmoduls. 33
Soziale Verantwortung Daraus resultieren für die Evaluation des Bewegungsmoduls folgende Fragestellungen: 1. Verändert das Programm „Komm mit in das gesunde Boot“ die Einschät- zung der kindlichen Bewegung durch die Eltern? 4.2.1 Fragestellungen 2. Ändert sich durch das Programm „Komm mit in das gesunde Boot“ die Das Ernährungsmodul hat zum Ziel, die Handlungskompetenz der Kinder objektiv gemessene Bewegung der Kinder? Die objektive Bewegung wird rund um Essen und Trinken zu erhöhen, das kindliche Verhaltensrepertoire eingeteilt in 1) im Sitzen verbrachte Zeit; 2) in hoher Aktivität verbrachte zu erweitern und zu vermitteln, dass Essen und Trinken Spaß machen. Im Zeit; 3) mittlere tägliche Aktivität. Modul werden diese Ziele so umgesetzt, dass die Kinder mit neuen, gesun- den Lebensmitteln wiederholt vertraut gemacht werden, und die Fachkraft 3. Ändern sich durch das Programm die Körpermaße der Kinder? den Kindern und teilweise auch den Eltern die Zubereitung dieser Lebens- mittel vermittelt. Außerdem kommen im Modul immer wieder alltägliche Um diese Fragestellungen beantworten zu können, sind komplexe Berech- Situationen zum Zuge, wie etwa Tisch abräumen, spülen und abtrocknen. nungen, Modelle und Variablendefinitionen vonnöten, deren Beschreibung den Umfang dieses vorliegenden Berichts sprengt, jedoch beim Mannheimer Daraus resultieren für die Evaluation des Ernährungsmoduls folgende Institut für Public Health (MIPH) erfragbar ist. Eine kurze Darstellung der Fragestellungen: erhobenen Parameter ist in Abb. 9 gegeben. 1. Verändert sich durch das Ernährungsmodul des Programms „Komm mit in das gesunde Boot“ der kindliche Konsum von Obst und Gemüse, Wasser Primäre Zielparameter und gesunder Indikator-Lebensmittel? Parameter Wie erhoben? Operationalisierung Bewegung Actiheart – Accelerometrie und Objektiv gemessene Bewegung 2. Konsumieren die Kinder nach dem Programm „Komm mit in das gesunde Puls über 6 Tage Boot“ weniger gesüßte Getränke? Ernährungsverhalten Fragebogen Gemüse- und Obstkonsum 3. Ändert sich nach dem Programm „Komm mit in das gesunde Boot“ das Sekundäre Zielparameter Ausmaß, in dem die Kinder im Haushalt mithelfen? Parameter Wie erhoben? Operationalisierung Körpermessdaten Größe, Länge Body-Mass-Index 4. Gibt es durch das Programm „Komm mit in das gesunde Boot“ Zeichen Hautfaltendicken Körperfettanteil dafür, dass sich Body-Mass-Index, Körperfettgehalt oder Taillen-Größen- Taillen- und Hüftumfang Verhältnis signifikant ändern? Ernährungsverhalten Fragebogen Wasserkonsum, Konsum gesüßter Getränke, Mithelfen im Haushalt Das Bewegungsprogramm hat zum Ziel, die Kinder spielerisch und durch Bewegungsverhalten Fragebogen Draußen verbrachte Zeit, Einbinden in eine Piratengeschichte altersgerecht in Bewegung zu bringen, Fernsehzeit, von Eltern einge- in ihnen die Lust an Bewegung und sportlicher Aktivität zu entfachen und schätzte Bewegung die Erzieherinnen in den Kindergärten zu beraten, wie sie mehr Bewegung Abbildung 9: Primäre und sekundäre Zielparameter in den Kindergartenalltag bringen können. 34 35
Soziale Verantwortung ligten und weniger benachteiligten sozialen Umfeldern dem Kontroll- oder Interventionsarm zugeteilt wurden. Bei Interesse finden Sie mehr zur Bildung der Kontrollgruppen, zu Randomisierung und Stratifizierung im Methoden- anhang. 4.2.2 Die Methodik: Kontrollierte, randomisierte Evaluation 4.2.3 Die Zeitpunkte der Messungen Die Evaluation beruht auf einem kontrollierten Design. Dies bedeutet, dass Bestimmte Messgrößen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch das Pro- die Effekte der Module mittels einer Kontrollgruppe beurteilt werden. Es wird gramm „Komm mit in das gesunde Boot“ beeinflusst werden könnten, wer- also überprüft, ob durch das Programm über eine gewisse Zeit der Beobach- den vor Beginn des Programms, gegen Ende des Programms und noch ein- tung mehr Veränderung erreicht werden kann als in Kindergärten, die diese mal sechs Monate nach Programmende von allen teilnehmenden Kindern Programme nicht bekommen. In Untersuchungen mit Kontrollgruppen gibt erhoben. Da die Kindergärten im Kontrollarm eine Warteperiode von sechs es immer zwei Studienarme, einen Interventionsarm und einen Kontrollarm. Monaten durchlaufen, bevor sie mit dem Programm starten können, gibt Der Kontrollarm ist in der vorliegenden Untersuchung ein Wartelisten-Kon- es für diese Kindergärten also insgesamt vier Messungen: zwei vor Start trollarm. Dies bedeutet, dass in den Kindergärten im Kontrollarm erst nach des Programms, eine gegen Ende des Programms und eine sechs Monate sechs Monaten Wartezeit das Programm „Komm mit in das gesunde Boot“ nach Programmende. stattfindet und diese in der vorangehenden Wartezeit als Kontrollgruppe dienen, während in den restlichen Kindergärten das Programm durchgeführt Diese Messzeitpunkte, relativ zur Intervention, sind im Folgenden durch wird (Abb. 10). bestimmte Buchstaben bezeichnet (systematisch dargestellt in Abb. 10): Z: Messzeitpunkt sechs Monate vor Intervention (nur in Kontrollkindergärten) Ein weiteres Qualitätskriterium für wissenschaftliche Untersuchungen ist, A: Messzeitpunkt direkt vor Beginn der Intervention (0 Monate) dass es dem Zufall überlassen bleibt, ob eine Person direkt an der Interven- B: Messzeitpunkt gegen Ende der Intervention (6 Monate) tion teilnimmt oder der Kontrollgruppe zugewiesen wird. Das Verfahren, C: Messzeitpunkt sechs Monate nach Ende der Intervention (12 Monate) bei dem die Versuchspersonen unter Verwendung eines Zufallsmechanis- mus entweder der Interventionsgruppe oder der Kontrollgruppe zugeteilt Veränderungen im Ernährungs- und Bewegungsverhalten können auch werden, nennt man Randomisierung. durch andere Faktoren wie beispielsweise die Jahreszeit beeinflusst werden. Aus diesem Grund wurden Kindergärten in zwei Wellen in die wissenschaft- In der vorliegenden Untersuchung, bei der ja alle Kinder eines teilnehmen- liche Untersuchung einbezogen, einmal im Herbst 2008 und einmal im den Kindergartens die gleiche „Intervention“ erhalten, wird nicht das ein- Frühjahr 2009 (Abb. 10). zelne Kind, sondern der teilnehmende Kindergarten per Zufall in einen der beiden Studienarme verteilt. Man nennt diese Form der Evaluation auch eine „cluster-randomisierte“ Untersuchung („cluster“ bedeutet wortwörtlich „Ansammlung“, siehe auch Methodenteil bei weitergehendem Interesse). Da die teilnehmenden Kindergärten in unterschiedlichen Regionen Baden- Württembergs lokalisiert sind, wurde durch eine wissenschaftliche Methode (genannt Stratifizierung) dafür gesorgt, dass ungefähr gleich viele städtische wie ländliche Kindergärten sowie gleich viele Kindergärten aus benachtei- 36 37
Soziale Verantwortung Aus diesem Grund wurde beschlossen, Kindergärten des Bewegungsmoduls die Möglichkeit zu einer Teilnahme an einem durch Elternpartizipation intensivierten Programm zu geben. Für diese „Anreicherung“ des Bewe- gungsmoduls wurde ein spezielles, eigenes Projekt entwickelt: ENE MENE FIT, der partizipative Elternbaustein im Bewegungsmodul. 4.3.1 Beschreibung des partizipativen Elternbausteins Dieser Ansatz zur Elterneinbindung wurde zusätzlich in der Hälfte der eva- luierten Kindergärten angeboten. Diesem – nach dem Zufallsprinzip, also randomisiert zugeteilten – Zusatzangebot lag die Idee des sogenannten „Empowerments“ zugrunde. Empowerment bedeutet hier die „Ermächti- gung“ der Eltern, selbst für die gesunde Bewegung ihrer Kinder zu sorgen. Dazu müssen Eltern nach den Vorstellungen der Verhaltensforschung Erfah- rungen machen, die sie zu neuen Einstellungen und Gewohnheiten führen. Diese Erfahrungen konnten sie bei gemeinsamen Projekten im Rahmen des Elternbausteins machen. Ziel des partizipativen Elternbausteins war, das Abbildung 10: Studiendesign und Ablauf – Ernährungs- und Bewegungsprogramm Umfeld der Kinder (Eltern, Erzieherin, Lebensverhältnisse) in die Lage zu versetzen, durch gemeinschaftliche Aktivitäten, die allen Kindern zugute kommen, für mehr Bewegung und gesündere Ernährung zu sorgen. Gemein- 4.3 schaftlich bedeutet dabei der Einbezug von Kindern, engagierten Eltern, Fachkräften („Komm mit in das gesunde Boot“, als Moderatoren und lokale Vermittler), Erzieherinnen (auf freiwilliger Basis, nicht bezahlt) und Großel- 4.3 Der partizipative Elternbaustein tern. Der Elternbaustein war durch seinen partizipativen Ansatz auf die vor Ort vorgefundenen Fragestellungen, Probleme und Ressourcen zugeschnitten. Bei der Planung der Evaluation wurde klar, dass eine wichtige Frage allein durch die geschilderte Methodik nicht würde beantwortet werden können – Um in den lokalen Evaluationskindergärten einen solchen partizipativen nämlich ob nicht durch eine stärkere Elternbaustein durchführen zu können, wurden Fachkräfte aus dem Pool Einbeziehung der Eltern eine höhere der Bewegungsfachkräfte von „Komm mit in das gesunde Boot“ rekrutiert Wirksamkeit des Programms er- und geschult. Der partizipative Elternbaustein umfasste Elternabende und reicht werden kann. Dies liegt nach Workshops, in denen die Idee der Erarbeitung und Durchführung gemein- dem in 1.2 und 1.3 Geschilderten samer Bewegungsprojekte im Rahmen des Kindergartens besprochen wurde. nahe: Viele Aspekte des Gesund- Alle vorgestellten Projektideen stellten Möglichkeiten dar, gemeinsam Bewe- heitsverhaltens der Kinder prägen gungsräume für Kinder zu öffnen, Kinder mit anderen Kindern zusammen- sich auch am elterlichen Vorbild zubringen, in die Natur zu gehen, alltägliche Transportwege bewegt zu oder werden durch die Mitwirkung gestalten. Aus der „Good Practice-Toolbox“, die Eltern und Erzieherinnen Abbildung 11: Beim Badetag – ein von den Eltern neu konzipiertes Pro- der Eltern verstärkt oder gefestigt. jekt im Rahmen des Elternbausteins im Kindergarten in Plochingen 38 39
Soziale Verantwortung 4.4 4.4 Welche Kindergärten und Kinder nahmen an der Evaluation teil? 4.4.1 Teilnehmende Kindergärten nach Region mittels einer Internetseite (www.ene-mene-fit.de, Abb. 12) zugänglich ge- Die Bewegungs- und Ernährungskindergärten in der Evaluation sind wie in macht wurde, konnten die Eltern für „ihren“ Kindergarten abhängig von den Abb. 13 dargestellt über Baden-Württemberg verteilt. Die meisten Kinder- vorhandenen Möglichkeiten, Angeboten und Problemen ein jeweils indivi- gärten befinden sich in eher ländlichen Regionen, nämlich Göppingen, duelles „Menü“ zusammenstellen. Weitere Aufgabe der Fachkräfte war die Rottweil und Horb. Als Landeshauptstadt trägt Stuttgart insgesamt 17 Kin- Begleitung und Unterstützung von Eltern sowie eine gründliche Dokumen- dergärten bei, die Regionen Karlsruhe und Heidelberg insgesamt zehn. tation der Projekte, die von den Eltern vorgeschlagen oder gewählt wurden. Mittels dieser Projektdokumentationen konnten die Projekte auch von einem Elternbeirat zum nächsten weitergegeben werden. Region MA/HD: n=2 Region Karlsruhe: n=8 Region Stuttgart: n=17 Region Göppingen: n=11 Region Horb: n=6 Abbildung 12: Die Website des partizipativen Elternbausteins ENE MENE FIT Region Rottweil: n=8 4.3.2 Wie wurde dieser partizipative Baustein für die Evaluation genutzt? Abbildung 13: Regionale Verteilung der Kindergärten Um den zusätzlichen partizipativen Elternbaustein in das Studiendesign einschließen zu können, bekamen die Bewegungskindergärten im Kontroll- arm nach Abschluss der Wartezeit zusätzlich zum Standard-Bewegungs- modul des Programms „Komm mit in das gesunde Boot“ eine partizipative Elternintervention. Zur Evaluation dieser Elternintervention wird also der Effekt des Standard-Moduls verglichen mit dem Effekt der Kombination Standard-Modul plus Elternbaustein (also sozusagen die „Normalinterven- tion“ mit der „angereicherten“ Intervention, Abb. 10). 40 41
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