Gleiche Arbeit - Gleicher lohn! - informationen zu leiharbeit - FAU.org
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e i c h e a r b e i t - Eine Publikation der FAU Kaiserslautern G l r lo h n ! gleiche Kontakt: Pirmasenserstraße 48 67655 Kaiserslautern E-Mail: zu Le i h a r b e i t in Informationen faukl@fau.org Website: Deutschland kaiserslautern.fau.org Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union Kaiserslautern www.fau.org
FAU Kaiserslautern Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Informationen zu Leiharbeit in Deutsch- land 1. Auflage, März 2019 Herausgeber: Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU) Kaiserslautern Pirmasenser Straße 48 67655 Kaiserslautern Kontakt: faukl@fau.org Web: kaiserslautern.fau.org FAU bundesweit: www.fau.org Zeitung: direkteaktion.org V.i.S.d.P.: Berthold Cahn Pirmasenser Straße 48 c/o FAU Kaiserslautern 67655 Kaiserslautern
Inhaltsverzeichnis Die Bedeutung von Leiharbeit in Deutschland.....................................3 Was ist Leiharbeit?................................................................................................ 3 Die rechtliche Grundlage von Leiharbeit: das AÜG.............................6 Der Klageweg gegen die Ausbeutung.......................................................... 7 Rechtstipps für LeiharbeiterInnen.............................................................9 Niedriglöhne veredeln, Spaltung vertiefen: Die Rolle des DGB bei der Leiharbeit..................................................... 10 Wem nützt die Leiharbeit?......................................................................... 12 Wir fordern!......................................................................................................14 Leiharbeit verbieten!..........................................................................................14 Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!..................................................................14 DGB: Keine neuen Tarifverträge mehr mit den Sklavenhändlern.................................................................................................14 Würde und Gerechtigkeit sind nicht verleihbar – Gemeinsam für Verbesserungen kämpfen!......................................... 15 Anmerkungen................................................................................................16
Die Bedeutung von Leiharbeit in Deutschland Die Leiharbeitsbranche boomt: Im Jahresdurchschnitt von Juli 2017 bis Juni 2018 waren gut eine Million LeiharbeiterInnen gemeldet.1 Leiharbeit erklimmt seit Jahren immer neue Höhen. Sie findet hauptsächlich in zwei großen Berufsbranchen statt: Laut einem Bericht der Agentur für Arbeit arbeiten die meisten LeiharbeiterInnen (431 000, 42%) in der industriellen Produktion, insbesondere in der Metall- und Elektroindustrie, sowie im Maschinen- und Fahrzeugbau. 330 000 LeiharbeiterInnen arbeiten in so- genannten „sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungsberufen“, also z.B. in der Logistik oder in der Gebäudereinigung. Oft werden LeiharbeiterInnen für Arbeiten mit einem niedrigen Anforderungsniveau eingesetzt. Die Zahl der LeiharbeiterInnen, die in sogenannten „personenbezogenen Dienst- leistungsberufen“ wie z.B der Pflege arbeiten, nimmt zu. Was ist Leiharbeit? Leiharbeit ist gekennzeichnet durch ein Dreiecksverhältnis zwischen dem/der LeiharbeiterIn, der Verleiherfirma und dem Entleiherbetrieb. Die LeiharbeiterInnen stehen in einem meist befristeten Arbeitsverhältnis mit der Verleihfirma und erbringen ihre Arbeitsleistung beim Entleiherbe- trieb, dem sie weisungsgebunden sind, ohne dass ein Arbeitsverhältnis zu diesem besteht. Die LeiharbeiterInnen erhalten ihren Lohn von der Verleihfirma. Zwischen der Verleiherfirma und Entleiherbetrieb wird ein Stundensatz für die zu leistende Arbeitszeit des Leiharbeiters vereinbart, der deutlich über dem eigentlichen Lohn des Leiharbeitnehmers liegt. LeiharbeiterInnen sind damit Diener zweier Herren. Die Leiharbeit macht es möglich, dass ArbeiterInnen nicht nur ihre Arbeitskraft verkaufen müssen sondern nunmehr auch von ihren Chefs wie andere Betriebsmittel verliehen werden können. Branchenvertreter der Zeitarbeitsfirmen, also der Verleihfirmen, geben sich große Mühe, als Saubermänner dazustehen, da Leiharbeit als verwerflich gilt und ein unseriöses Image hat.2 3
Die Situation für die LeiharbeiterInnen LeiharbeiterInnen verdienen weniger als ihre festangestellten KollegIn- nen. Nach einer Statistik der Agentur für Arbeit (Stand Februar 2019) lag der durchschnittliche Brutto-Verdienst von LeiharbeiterInnen bei 1 868 Euro. Der Verdienst war damit um 42% geringer, als der durchschnittliche Verdienst von festangestellten ArbeiterInnen. Das liegt nicht daran, dass LeiharbeiterInnen häufiger Tätigkeiten „geringer Qualifikation“ ausüben, sondern sie werden schlicht und einfach schlechter bezahlt, obwohl sie die gleiche Arbeit verrichten. Ein anderes Beispiel: Der Durchschnittslohn einer „normal“ angestellten Fachkraft liegt bei 2 965 Euro Brutto, der Durchschnittslohn einer Leiharbeitsfachkraft liegt bei 2 209 Euro Brutto.3 Öfter als ArbeiterInnen der Stammbelegschaft erleiden Leiharbeiter- Innen Arbeitsunfälle4: unsichere Arbeitsverhältnisse sind psychisch be- lastend, z.B. durch Überforderung, Übermüdung, Nervosität, Hektik, Quelle: https://www.boeckler.de/fotostrecke_boeckler_im- puls-r.htm?id=118347&chunk=4# (Januar 2019) 4
Aufmerksamkeitsdefizite, Angst. Das hat einen überproportional hohen Einfluss auf das Unfallrisiko.5 Zudem wird es mit dem Arbeitsschutz von LeiharbeiterInnen wohl auch einfach nicht so genau genommen. LeiharbeiterInnen berichten oft davon, dass sie sich als Kollegen zweiter Klasse fühlen.6 Dazu trägt sicher auch der Aufbau des Entleihsystems bei, der zwischenmenschlich isolierend wirkt: Die LeiharbeiterInnen kennen ihre KollegInnen innerhalb der Leiharbeitsfirma oft nur zu einem geringen Teil. Dadurch ist die Herausbildung kollektiver und gemeinsamer Strukturen (z.B. einen Betriebsrat oder einfach nur das Gespräch unter Kollegen) bei der Verleihfirma erschwert. Das System Leiharbeit spaltet die Belegschaft. Für die festangestellten KollegInnen hat Leiharbeit durchaus auch Abschreckungspotenzial. Dadurch kommt es bei der Stammbelegschaft zu einem Herabsetzen eigener Ansprüche an Gehaltshöhe, Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitsbe- dingungen, sowie zu erhöhtem Leistungsdruck und zu einer getriebe- nen Arbeitsmoral. Das Abschreckungspotenzial ist auch beim Verhältnis Leiharbeit – Hartz IV zu sehen: LeiharbeiterInnen droht Hartz IV und Hartz IV-Empfängern droht Leiharbeit. Letztlich wirkt das Ineinander- greifen von Hartz IV und Leiharbeit lohnsenkend, da der Arbeitslose aufgrund des Hartz IV-Systems durch die Androhung von Sanktionen gezwungen ist, jede Art von Arbeitsverhältnis anzunehmen. In einigen Fällen werden von größeren Unternehmen keine Arbeitskräfte mehr eingestellt, der einzige Weg zur Festanstellung in diesen Betrieben geht über die konzerneigene Leiharbeitsbude. Das hat gleichzeitig noch andere Auswirkungen: durch gesteigerte Kon- kurrenz der Arbeiterschaft, schreitet die Verrohung der Gesellschaft weiter voran. Das bedeutet einen Verlust an Lebensqualität und dient gleichzei- tig als Nährboden für rechte Parteien. 5
Die rechtliche Grundlage von Leiharbeit: das AÜG Leiharbeit wird im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. Zum Thema Equal Pay, also Gleicher Lohn, steht im AÜG folgendes: Gleichstellungsgebot nach § 8 AÜG: LeiharbeiterInnen haben grundsätzlich ab dem ersten Tag einen An- spruch auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen (equal treatment) einschließlich des Arbeitsentgelt (equal pay) wie vergleichbare Arbei- terInnen des Entleihbetriebs. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nur im Zeitraum, wenn LeiharbeiterInnen verliehen sind. Im verleihfreien Zeitraum findet er hingegen keine Anwendung. Gesetzliche Schlupflöcher verhindern „Gleichen Lohn für Gleiche Arbeit“ Nach dem Gesetz sind Leiharbeitsunternehmen also grundsätzlich verpflichtet die gleichen Arbeitsbedingungen zu bieten, sowie den gleichen Lohn zu zahlen. Dass praktisch niemand diesen gleichen Lohn erhält liegt an gesetzlich festgelegten Schlupflöchern zugunsten des Unternehmertums im AÜG, wie im Folgenden zu sehen ist: • Equal Pay (Gleicher Lohn): Die LeiharbeiterInnen müssen den glei- chen Lohn wie die Stammbelegschaft im Entleiherbetrieb erhalten. Ausnahme: durch Tarifvertrag zwischen Gewerkschaften und Zeitar- beitsbranche. Beispiel: der Tarifvertrag BZ (Branchenzuschlag) zwischen IG Metall und BAP (Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister) defi- niert, dass LeiharbeiterInnen erst nach dem 15. Monat den gleichen Lohn wie Festangestellte bekommen müssen • Unterbrechungsfrist bei Equal Pay und Höchstüberlassungsdauer: Wenn LeiharbeiterInnen mehr als drei Monate und einen Tag nicht beim selben Betrieb eingesetzt wurden, kommt eine sogenannte „Unterbrechungsfrist“ zum Tragen. Eine unbegrenzte Überlassung der LeiharbeiterInnen kann daher durch Auswechseln der LeiharbeiterIn- nen erreicht werden. Entleiherbetriebe können so ihren dauerhaften Arbeitsbedarf durch LeiharbeiterInnen abdecken. 6
Zudem gibt es Ausnahmen bei der Höchstüberlassungsdauer zum Nachteil der LeiharbeiterInnen: • Höchstüberlassungsdauer: LeiharbeiterInnen dürfen höchstens 18 Monate bei dem Entleiherbetrieb arbeiten. Ausnahme: durch tarifliche Vereinbarungen zwischen Gewerk- schaft und Arbeitgeberverband der jeweiligen Branche, kann von einer Höchstüberlassung abgewichen werden. Davon wurde bei- spielsweise bereits durch einen Tarifvertrag der IG Metall und dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall Gebrauch gemacht und eine Höchstüberlassungsdauer von 4 Jahren in der Automobilindustrie vereinbart. Der Klageweg gegen die Ausbeutung Eine Kampagne der unabhängigen, gewerkschaftlichen Internetseite „La- bournet“7 unterstützt LeiharbeiterInnen dabei, sich für gleiche Lohn- und Arbeitsbedingungen durch die Instanzen zu klagen. Unter der Mailadresse prof.daeubler@labournet.de können sich an einer Klage interessierte LeiharbeiterInnen (bzw. Ex-Leiharbeiter ei- ner Leiharbeitsfirma) an Herrn Prof. Däubler wenden. Bestandteil der Kampagne sind juristische Betreuung, Vermittlung von Rechtsanwälten sowie eine Spendenkampagne. Im Folgenden klären wir über die rechtlichen Hintergründe des Klage- wegs gegen die Ausbeutung auf: Laut dem AÜG richtet sich die Höhe des Lohns danach, was der Leihar- beiter verdient hätte, wenn er als Festangestellter beim Entleiherbetrieb beschäftigt worden wäre. Allerdings wird der Grundsatz des Equal Pay durch Tarifverträge unter- wandert. Die DGB- Gewerkschaften haben Tarifverträge mit dem „Bundes- arbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V.“ (kurz BAP), sowie mit dem „Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.“ (kurz iGZ) geschlossen. Der Arbeitsvertrag des Leiharbeiters verweist auf diese Tarifverträge, was zur Folge hat, dass die Höhe der Vergütung nach dem jeweiligen Tarifvertrag bestimmt wird. Daher kommt es nicht darauf an, ob die LeiharbeiterInnen in einer DGB Gewerkschaft organisiert sind. Durch 7
die Einbeziehung im Arbeitsvertrag gilt der Tarifvertrag für alle Beschäftig- ten, ohne dass diese Einfluss auf den Abschluss des Tarifvertrags haben. Es stellt sich die Frage, ob nicht durch die abgeschlossenen Tarifverträge mit der Unterwanderung des Equal Pay gegen EU-Recht verstoßen wird. Die Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit legt Mindeststandards für die Arbeitsbedingungen für LeiharbeiterInnen fest. Artikel 5 der Richtlinie besagt, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der LeiharbeiterInnen während der Dauer der Überlassung grundsätzlich mindestens jenen entsprechen müssen, die für sie gelten würden, wenn sie von dem Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz direkt eingestellt worden wären. Art. 5 der Richtlinie garantiert den LeiharbeiterInnen daher grundsätz- lich die gleiche Behandlung wie der Stammbelegschaft, das heißt auch gleicher Lohn. Zwar sind nach der Richtlinie Abweichungen vom Equal Pay möglich, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Die Richtlinie sieht vor, dass durch einen Tarifvertrag von dem Grundsatz des Equal Pay abgewi- chen werden kann, aber nur, wenn „der Gesamtschutz“ der Leiharbei- terInnen weiter besteht. Auch die EU-Kommission hat klargestellt, dass von dem Gleichbehandlungsgrundsatz nur in beschränktem Umfang und unter strengen Bedingungen abgewichen werden kann. Zudem kann bezweifelt werden, dass eine Abweichung durch Tarifvertrag gem. Art 5 Abs. 3 der Richtlinie möglich ist, wenn der Tarifvertrag lediglich durch den Arbeitsvertrag Anwendung findet.8 Das heißt, es wird be- zweifelt, dass LeiharbeiterInnen, die keine Gewerkschaftsmitglieder sind, an den für sie schlechteren Tarifvertrag gebunden sind, wenn auf diesen im Arbeitsvertrag Bezug genommen wird. Der aktuelle Stand der Kampagne9 Ob die derzeitige Praxis, durch Tarifverträge den Anspruch der Leiharbei- terInnen auf „gleichen Lohn“ zu unterwandern, zulässig ist, kann durch eine Vorlage des nationalen Gerichts beim EuGH geklärt werden. Durch Klagen vor dem Arbeitsgericht soll die Vorlage vor dem Europäischen Gerichtshof erreicht werden. 8
Beim Arbeitsgericht Gießen wurde versucht, für einen Leiharbeiter den Lohn der Stammbelegschaft einzuklagen. Das Arbeitsgericht Gießen sah im aktuellen AÜG allerdings keinen Verstoß gegen die EU-Richtli- nie und hat die Klage abgewiesen. Das Verfahren befindet sich aktuell (Stand: Februar 2019) in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht in Frankfurt. Die mündliche Verhandlung steht noch aus. Rechtstipps für LeiharbeiterInnen Anspruch auf Lohn auch bei einsatzfreier Zeit Die LeiharbeiterInnen haben auch einen Anspruch auf Lohn, wenn sie nicht im Entleiherbetrieb eingesetzt werden, also in der unproduktiven Zeit. Eine Vereinbarung, dass der Leiharbeiter auf Abruf arbeitet, also nur, wenn er in einer Fremdfirma eingesetzt werden kann, ist unzulässig.10 Auch Regelungen im Arbeitsvertrag der LeiharbeiterInnen, wonach die unproduktive Zeit als unbezahlter Urlaub gilt, ist unwirksam.11 Allerdings versuchen Verleihfirmen diesen Anspruch auf Lohn für LeiharbeiterInnen in der verleihfreien Zeit durch Zeitkonten zu unterlaufen. So werden von den Arbeitgebern Zeitkonten eingesetzt, um die Mehrstunden, die die LeiharbeiterInnen im Entleihbetrieb angesammelt haben, in der einsatz- freien Zeit (sprich in der Zeit, in der sie nicht im Entleiherbetrieb einge- setzt werden) abzubauen. Damit wird das Betriebsrisiko, dass der Leihar- beiter nicht beschäftigt werden kann, auf den Leiharbeiter abgewälzt, was grundsätzlich unwirksam ist.12 Lohn für einsatzfreie Zeiten eingeklagt LeiharbeiterInnen setzen sich gegen diese Praxis zur Wehr. Nachdem einem Leiharbeiter in der einsatzfreien Zeit einfach die Mehrstunden von seinem Zeitkonto abgezogen wurden, hat er gegen die Verrechnung der Mehrstunden in der einsatzfreien Zeiten geklagt.13 Nachdem das Bundsar- beitsgericht (BAG) die Revision zugelassen hatte, hat die Verleihfirma dem Leiharbeiter den nicht gezahlten Lohn für die einsatzfreie Zeit ausgezahlt, um eine Entscheidung durch das BAG zu verhindern. Die Leiharbeitsfirma wollte offensichtlich verhindern, dass das BAG sich mit dieser Praxis ausei- nandersetzt, um sie gegebenenfalls für unzulässig zu erklären. 9
Der klagende Leiharbeiter meinte dazu: „Ich hätte gern ein Grundsatzurteil gehabt, für alle Leiharbeiter. Aber zu- mindest ist für mich klar: Es lohnt sich für Leiharbeiter, gegen die Verrech- nung ihrer einsatzfreien Zeiten zu klagen. Geht zu Eurer Gewerkschaft und wehrt Euch.“ Kündigungen in der einsatzfreien Zeit sind unwirksam Zudem kommt es immer wieder vor, dass die Verleiherfirma den Leiharbei- ter in der einsatzfreien Zeit kündigt, um damit seinen Lohnzahlungspflich- ten zu entgehen. Eine Vielzahl dieser Kündigungen sind rechtswidrig, da die Voraussetzung einer „betriebsbedingten“ Kündigung nicht vorliegt. Niedriglöhne veredeln, Spaltung vertiefen: Die Rolle des DGB bei der Leiharbeit Startschuss für den Erfolg der Leiharbeit war die Agenda 2010. Die Kom- mission von Peter Hartz arbeitete an einer Reform zur Ausweitung des Niedriglohnsektors. In dieser Kommission war der DGB mit zwei von insgesamt 15 Mitgliedern vertreten und hat somit die Reform mitgestaltet. Diese Kommission entfesselte im Auftrag der rot-grünen Bundesregierung unter anderem auch die Leiharbeit: Der damalige Bundeskanzler Schröder (SPD) war der Meinung: „Jede Arbeit ist besser als keine“ – und deswegen sollten Leute auch gefälligst Leiharbeit machen und für Niedriglöhne ar- beiten. Die Entwicklung von Leiharbeit vollzog sich, vom Staat unterstützt, im gewerkschaftlichen Kernland, das heißt in industriellen Großbetrieben. Leiharbeit: Lieber ohne Tarif ? Tarifverträge stehen ja eigentlich für Verbesserung. Bei der Leiharbeit ist es jedoch anders: Ohne Tarifvertrag gilt für LeiharbeiterInnen der einfache Grundsatz: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Nichtstun wäre für seriöse Gewerkschaften das Gebot der Stunde. Heute ist jedoch die Leiharbeit eine Branche mit einer sehr hohen Tarifbindung und dies obwohl kaum LeiharbeiterInnen selbst in den tarifabschließenden Gewerkschaften orga- nisiert sind. 10
Wie konnte es dazu kommen? 2003 fingen die gelben Gewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) damit an, Tarifverträge mit Zeitarbeitsverbänden abzuschließen. Daraufhin lau- tete die offizielle Linie des DGB: Tarifverträge müssen abgeschlossen werden, sonst geht die ganze Leiharbeit an die christlichen Verbände. Schnell gab es daraufhin Verhandlungen des DGB mit dem Bundesver- band Zeitarbeit-Personaldienstleistungen (BZA). Das Ergebnis, wirksam ab 2004, hob sich von den Tarifen der Christlichen Gewerkschaften nur geringfügig ab. Im Jahr 2010 urteilte das Bundesarbeitsgericht, dass die CGZP (Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen) nicht tariffähig ist. Eine nicht tariffähige Tarifgemeinschaft kann auch keine wirksamen Tarifverträge abschlie- ßen. Daher hätte der DGB die Tarifverträge kündigen müssen, damit der Gleichbehandlungsgrundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gelten würde: Namhafte Arbeitsrechtler haben seit Jahren darauf hingewiesen, dass die wirkungsvollste Anhebung der Löhne und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von LeiharbeiterInnen – neben dem Verbot der Leiharbeit – darin bestünde, dass der DGB die entsprechenden Tarifverträge kündigt und seine Absicht mitteilt, keinen neuen Vertrag mehr abzuschließen, um damit eine Nachwirkung auszuschließen. Bedauerlicherweise ist festzustellen, dass der DGB weiterhin Tarifver- träge mit den Zeitarbeitsverbänden abschließt und damit den Anspruch der LeiharbeiterInnen auf gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft des Entleiherbetriebs unterwandert. DGB – mit uns abwärts! Der DGB legte in Sachen Leiharbeit die alte Haltung „Hauptsache mit uns“ an den Tag – „Jeder Tarifvertrag ist besser als keiner“ scheint die Devise zu lauten. Mit der daraus resultierenden „Lohnungleichheit“ spaltet der DGB die sogenannte „Stammbelegschaft“ tiefer von den LeiharbeiterInnen ab. Die Politik des DGB begünstigt somit vordergründig die Stammbeleg- schaften. Die LeiharbeiterInnen sind ein willkommener Puffer für die Ar- beitsplätze der Stammbelegschaften. Dass das Ganze auf Kosten der Leih- arbeiterInnen geschieht, das ist für den DGB wohl irgendwie hinnehmbar, da es unter ihnen scheinbar kaum Gewerkschaftsmitglieder gibt. 11
Hierdurch wird deutlich, dass der DGB ein politisches Machtspiel betreibt, statt auf die Rechte der Arbeiterklasse insgesamt einzugehen. Ausschlaggebend für die Politik des DGB dürfte auch sein Ziel sein, die Menschen in Arbeit zu bringen. Offensichtlich sind die Funktionäre der Meinung Schröders „Jede Arbeit ist besser als keine“ – Lebensqualität ist für diese Leute kein Argument, einen Arbeitsplatz abzulehnen. Damit hat sich der DGB in dieser Sache als Arm der Politik Schröders und der Agenda 2010 entlarvt statt als Interessenvertreter aller ArbeiterInnen. Gleichzeitig fordern DGB-Gewerkschaften in Kampagnen immer wieder „Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit“. Die Forderung des DGB ist die nach Tarifverträgen und „Equal Pay“. Das würde aber voraussetzen, dass in den Tarifen auch „Equal Pay“ festgeschrieben ist, denn ansons- ten ergeben Tarifverträge gegenüber der Forderung nach gleichem Lohn keinen Sinn. Denn es sind ja gerade die Tarifverträge des DGB mit den Zeitarbeitsverbänden, die diese Forderung unterlaufen! Wem nützt die Leiharbeit? Gewinner: das deutsche Unternehmertum mit Schützenhilfe der Bundesregierung Im Dezember 2002 verabschiedete die Bundesregierung das Gesetz für „moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“: Hartz I. Damit änder- ten sich zahlreiche Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), denn das war der Startschuss für den Boom der Leiharbeit, die Leiharbeit wurde „entfesselt“. Der Gedanke dahinter ist folgende Faus- tregel: was deutschen Betrieben nutzt, nutzt der deutschen Wirtschaft, nutzt der Gesellschaft, nutzt den einzelnen Bürgern (also den Arbei- terInnen). Das ist Quatsch.14 Genutzt hat es den Unternehmen – die Situation der ArbeiterInnen hat sich verschlechtert. Neben Hartz IV war Hartz I das krasseste und im Alltag am meisten spür- bare Gesetz der „Agenda 2010“. Die Agenda 2010 wollte unter anderem die Lohnkosten in Deutschland reduzieren und hat das erreicht. Seitdem ist die Zahl der LeiharbeiterInnen kontinuierlich gestiegen. Die Trennung von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis führt bei den Entleiherbetrieben zu geringen Lohnkosten und einer Senkung der Personalkosten. Zudem 12
war es großen Unternehmen möglich, die Stammbelegschaft durch billige LeiharbeiterInnen zu ersetzen und damit ihre Gewinne weiter zu maximie- ren. Zudem trägt der Unternehmer des Entleiherbetriebs nicht das Risko, dass der Leiharbeiter ausfällt aufgrund von Krankheit oder Urlaub, das er bei Beschäftigung eines Arbeiters hat. Denn zuständig für die Entgeltfort- zahlung bei Krankheit und Urlaub ist der Verleiherbetrieb. Leiharbeit ist bei den Unternehmen auch beliebt, weil sie es ermöglicht, flexibel auf Auf- tragsspitzen zu reagieren – auf Kosten der LeiharbeiterInnen, die, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, wieder draußen sind. Genutzt hatte die Agenda 2010 also vor allem dem deutschen Unter- nehmertum: In den 2000er Jahren haben die Unternehmen ihre Gewin- ne kräftig steigern können. Doch statt die Löhne zu erhöhen, behielten sie einen großen Teil davon ein. Die Gewinne der Unternehmer stiegen, die Löhne der ArbeiterInnen nicht. Gerade im Export konnte Deutsch- land große Gewinne einfahren und hatte wegen der niedrigen Lohnkos- ten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Ländern. Auch heute ist der Niedriglohnsektor15 fest am deutschen Arbeitsmarkt etabliert. 4,2 Millionen Vollzeitbeschäftigte arbeiteten 2018 für Niedriglöhne.16 Die Niedriglöhne haben einen großen Anteil an Deutschlands Erfolg als sogenanntem „Exportweltmeister“. Auch das deutsche Jobwunder, also die sogenannte Vollbeschäftigung, über das sich Politiker wie Merkel und andere ständig freuen, ist nur möglich durch Niedriglöhne und Leiharbeit. Das deutsche Unternehmertum freut sich den Arsch ab über den Geldre- gen auf Kosten der Arbeiterklasse, bei dem die Bundesregierung fleißig Schützenhilfe leistet. Weitere Gewinner: Die Leiharbeitsfirmen Wer natürlich auch noch kräftig abkassiert, sind die Leiharbeitsfirmen, also die Unternehmen, bei denen die LeiharbeiterInnen tatsächlich angestellt sind und von denen sie an andere verliehen werden. Große Namen in der Branche sind: Randstad, Manpower oder Adecco. Die international agierende Firma Randstad hatte 2017 einen Umsatz von etwas über 2,3 Milliarden Euro17. Es gibt in vielen Städten aber auch zahlreiche kleinere Leiharbeitsbuden. Eine Leiharbeitsfirma kann auf zwei Wegen verdienen: 13
1. durch den Aufschlag, den die Entleihfirmen zahlen, und 2. durch einen möglichst geringen Stundenlohn. An einem Klebeeffekt, also die Festan- stellung einer Arbeiterin bei einer Entleihfirma, haben die Leiharbeitsfir- men in der Regel kein Interesse. Hinzu kommt, dass oft bei einer Übernah- me des Leiharbeiters der Entleiherbetrieb zu einer Provisionszahlung an die Verleiherfirma verpflichtet wäre. Wir fordern! Leiharbeit verbieten! Leiharbeit wird zurecht als moderner Sklavenhandel bezeichnet. Daher muss unsere Forderung heißen: Leiharbeit verbieten! Klar ist aber auch: Ein Verbot ist unter jetzigen Bedingungen nicht durchsetzbar, da neben der Regierung und den Unternehmen scheinbar auch der DGB ein Interesse an dieser modernen Form der Sklaverei hat. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Daher fordern wir, dass LeiharbeiterInnen aufgrund ihrer Mehrbelastung und ihrer unsicheren Perspektive mindestens 10% mehr Bruttolohn erhal- ten als ein Arbeiter der Stammbelegschaft, der die gleiche oder gleichwer- tige Arbeit verrichtet, so wie es in Frankreich der Fall ist. Mittels Haustarifverträgen bei Leiharbeitsfirmen ist es möglich 10% mehr Lohn, mindestens jedoch „Gleichen Lohn für Gleiche Arbeit“ durchzuset- zen. DGB: Keine neuen Tarifverträge mit den Sklavenhändlern Die aktuellen Tarifverträge zwischen DGB-Gewerkschaften und Zeitar- beitsverbänden enden zum 31.12.2019. Es ist leider zu erwarten, dass der DGB wieder neue Tarifverträge abschließt und „Equal Pay“ weiter unter- gräbt. Von den DGB-Gewerkschaften fordern wir, diese Tarifverträge ersatzlos zu kündigen und keine weiteren Tarifverträge mehr zulasten der Leihar- beiterInnen abzuschließen, um das Recht auf „Equal Pay“ zu ermöglichen. 14
Soweit die DGB-Gewerkschaften die Rechte der LeiharbeiterInnen nicht vertreten, so sollen sie es doch unterlassen, die Rechte der LeiharbeiterIn- nen zu untergraben und die miserablen Arbeitsverhältnisse dieser Arbei- terInnen durch den Abschluss von Tarifverträgen zugunsten der Leihar- beitsfirmen aufrecht zu erhalten. Würde und Gerechtigkeit sind nicht verleihbar – Gemeinsam für Verbesserungen kämpfen! Die Annäherung an die Zahl von 1 Million LeiharbeiterInnen zeigt, dass die Unternehmen ohne sie zunehmend aufgeschmissen sind. Gerade dadurch haben LeiharbeiterInnen die Möglichkeit für ihren Lohn, ihre Rechte und ihre Würde zu kämpfen. Die Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU) Kaiserslautern hilft Euch bei der Durchsetzung Eurer Rechte: Wir beraten Euch in rechtli- chen Fragen oder helfen Euch, Lohnanspruch in einsatzfreien Zeiten durchzusetzen. Mittels Haustarifverträgen ist es außerdem möglich, die Tarifverträge des DGB zu untergraben und „Gleichen Lohn für Gleiche Arbeit“ zu erreichen. Gegen die Leiharbeit kann man nicht alleine kämpfen! Wir helfen das Sys- tem der Leiharbeit und ihre Profiteure gesellschaftlich zu ächten, indem wir die schlimmen Folgen für Euch öffentlich machen. Wir kämpfen mit Euch, bis diese Form der Ausbeutung aus der Gesellschaft verschwunden ist und ihre Geschädigten Gerechtigkeit erfahren! 15
Anmerkungen 1 https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/ Branchen/generische-Publikationen/Arbeitsmarkt-Deutschland-Zeitarbeit-Ak- tuelle-Entwicklung.pdf 2 Es gibt eine ganze Reihe von Dokumentation der öffentlich – rechtlichen Sen- der zum Thema. Außerdem hat eine ausführliche kritische Beschäftigung der Kabarett-Sendung „Die Anstalt“ (ZDF) für viel Aufmerksamkeit gesorgt. 3 https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/ Branchen/generische-Publikationen/Arbeitsmarkt-Deutschland-Zeitar- beit-Aktuelle-Entwicklung.pdf 4 https://www.sifa-news.de/news/arbeitsschutzorganisation/2047-zeitarbeits- kraefte 5 Ebd. 6 Berichte aus persönlichen Gesprächen mit LeiharbeiterInnen und/oder Familienangehörigen, Freunden/Bekannten. 7 http://www.labournet.de/ 8 Dazu Zimmer NZA 2013, S. 289 und S. 292. 9 Stand: Februar 2019, aktuelle Infos auf: http://www.labournet.de/ 10 Schüren in Münchner Handbuch des Arbeitsrecht. 4. Auflage. § 145 Rn. 118. 11 Schüren aaO § 145 Rn 126. 12 Vergleiche auch BAG 5 AZR 483/12. 13 http://www.labournet.de/politik/alltag/leiharbeit/arbed_leiharbeit/leiharbei- ter-klagt-lohn-fuer-einsatzfreie-zeiten-ein/ 14 Solche Sprüche sind ein Propaganda-Mittel um ArbeiterInnen eine Ver- schlechterung ihrer Situation schmackhaft zu machen. 15 „Die Niedriglohnschwelle […] hat sich […] auf 10,44 € im Jahr 2016 er- höht“: http://aktuelle-sozialpolitik.de/2018/11/12/niedrigloehne-2016/ 16 https://www.wallstreet-online.de/nachricht/11022619-deutschland-niedrig- lohnsektor-weitet 17 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/370252/umfrage/um- satz-der-randstad-holding-weltweit/ 16
e i c h e a r b e i t - Eine Publikation der FAU Kaiserslautern G l r lo h n ! gleiche Kontakt: Pirmasenserstraße 48 67655 Kaiserslautern E-Mail: zu Le i h a r b e i t in Informationen faukl@fau.org Website: Deutschland kaiserslautern.fau.org Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union Kaiserslautern www.fau.org
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