Glukokortikoide in der Neurointensivmedizin - welche Indikationen sind gesichert ? - Krause und ...

 
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Journal für

 Neurologie, Neurochirurgie
 und Psychiatrie
             www.kup.at/
 JNeurolNeurochirPsychiatr   Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems

Glukokortikoide in der
                                                                               Homepage:
Neurointensivmedizin - welche
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Indikationen sind gesichert ?                                    JNeurolNeurochirPsychiatr

Briegel J, Möhnle P, Uhl E                                             Online-Datenbank
                                                                         mit Autoren-
Journal für Neurologie
                                                                      und Stichwortsuche
Neurochirurgie und Psychiatrie
2008; 9 (2), 7-12

                                                                                            Indexed in
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Glukokortikoide in der Neurointensivmedizin

          Glukokortikoide in der Neurointensivmedizin –
               welche Indikationen sind gesichert?
                                                                  P. Möhnle1, E. Uhl2, 3, J. Briegel1

 Kurzfassung: Der Einsatz von Glukokortikoiden ist        lang unzureichend untersucht. Die adjuvante Gabe        under the terms of evidence-based medicine, the
 im klinischen Alltag in der Intensivmedizin weit ver-    von Glukokortikoiden bei raumfordernden intrazere-      treatment of bacterial meningitis is the only proven
 breitet, so auch bei der Behandlung von Patienten        bralen Abszessen wird zwar aufgrund der antiöde-        indication for the use of glucocorticoids in neuroin-
 mit neurologischen bzw. neurochirurgischen Krank-        matösen Wirkung empfohlen, jedoch fehlen auch           tensive care. Concerning the therapy of brain tumors
 heitsbildern. Glukokortikoide wirken sowohl über         hier klinische Studien. Nach der derzeitigen Studien-   with glucocorticoids, there are 40 years of positive
 genomische als auch nicht-genomische Mechanis-           lage sollte in jedem Fall bei Schädel-Hirn-Trauma       clinical experience and positive results from radio-
 men antiinflammatorisch und immunsuppressiv, eine        aufgrund gravierender Nebenwirkungen auf eine           logic studies, nevertheless, there has been a lack of
 daraus resultierende neuroprotektive Wirkung wird        hochdosierte Gabe von Glukokortikoiden verzichtet       corresponding controlled trials up to now. The wide-
 bei verschiedenen Krankheitsbildern postuliert. Im       werden. Beachtenswert ist, dass eine Reihe von          spread use of high-dose methylprednisolone for spi-
 Sinne der evidenzbasierten Medizin ist der Einsatz       Hochdosis-Glukokortikoid-Studien in der Neurointen-     nal trauma is based solely on the results of subgroup
 von Glukokortikoiden in der Neurointensivmedizin         sivmedizin vorzeitig abgebrochen wurden aufgrund        analyses, prospective controlled trials are lacking. In
 streng genommen allerdings nur bei bakterieller Me-      des gehäuften Auftretens von Komplikationen wie         the neurovascular emergencies stroke and subarach-
 ningitis gerechtfertigt. Für die Gabe von Glukokor-      z. B. schwerer sekundärer Infektionen oder Diabetes     noid hemorrhage beneficial effects of glucocortico-
 tikoiden bei Hirntumoren sprechen jedoch 40 Jahre        mellitus unter hochdosierter Glukokortikoidgabe.        ids seem possible based on experimental data. Still,
 klinische Erfahrung und die Ergebnisse bildgebender                                                              there is insufficient data to support a general use. In
 Untersuchungen, kontrollierte klinische Studien für                                                              brain abscess, the use of glucocorticoids is recom-
 diese Indikation fehlen allerdings bis heute. Das        Abstract: Glucocorticoids in Neurointensive             mended to reduce perifocal edema, however, no con-
 vielerorts durchgeführte Protokoll zur Hochdosis-        Care – Critical Appraisal of the Current Evi-           trolled trials have been performed. According to the
 Methylprednisolon-Therapie beim spinalen Trauma          dence. The use of glucocorticoids in intensive care     available study results, glucocorticoids should be
 ist lediglich durch retrospektive Subgruppenanaly-       medicine is common, especially in neurological and/     avoided in traumatic brain injury in any case. Impor-
 sen abgesichert, nicht jedoch durch prospektive,         or neurosurgical patients. The effects of immunosup-    tantly, in neurointensive care there is a remarkably
 kontrollierte Studien. Bei neurovaskulären Notfällen     pressive and antiinflammatoric effects of glucocorti-   high rate of preliminarily terminated research trials
 wie Schlaganfall und Subarachnoidalblutung ist ein       coids are based on both genomic and non-genomic         due to the complications of high-dose glucocorticoid
 Benefit durch Glukokortikoide gerade aufgrund            mechanisms. A neuroprotective effect has been dis-      therapy, mainly infectious morbidity and diabetes.
 neuerer experimenteller Studien denkbar, aber bis-       cussed for a variety of disease patterns. However,      J Neurol Neurochir Psychiatr 2008; 9 (2): 7–12.

„ Einleitung                                                                          das Steering Committee der CRASH- (Corticosteroid Rando-
                                                                                      misation After Significant Head Injury-) Studie nach Rekru-
In der Intensivtherapie werden Glukokortikoide bei vielfälti-                         tierung von 10.008 erwachsenen Patienten mit SHT die Stu-
gen Indikationen zur Neuroprotektion eingesetzt. Dabei kom-                           die. Eine Analyse des „Safety Boards“ hatte ergeben, dass
men unterschiedliche Präparate und Dosierungen zur Anwen-                             hochdosierte Steroide bei Patienten mit SHT und einem
dung. Nur für einen Teil dieser Indikationen existiert ausrei-                        Punktewert von 14 oder weniger auf der Glasgow Coma Scale
chendes Datenmaterial in Form von experimentellen und kli-                            (GCS) nicht nur wirkungslos waren, sondern vielmehr die
nischen Studien. Nicht selten basieren Therapieentscheidun-                           Sterberate signifikant erhöhten. Im Vergleich zur Kontroll-
gen bezüglich Glukokortikoiden auf klinischer Empirie oder                            gruppe war das Risiko, innerhalb von zwei Wochen zu ver-
auf Hypothesen. Zudem bestehen für bestimmte Indikationen                             sterben, in der Steroidgruppe höher (1052 [21,1 %] vs. 893
in der Neurointensivmedizin seit Jahrzehnten Kontroversen                             [17,9 %] Todesfälle; relatives Risiko 1,18 [95 %-CI 1,09–
über Sinn oder Unsinn einer Steroidtherapie.                                          1,27]; p = 0,0001). Dabei war die Zunahme der Sterbe-
                                                                                      rate unabhängig von der Schwere der Verletzung (p = 0,22)
Jüngstes Beispiel hierfür ist die Hochdosis-Glukokortikoid-                           oder dem Zeitintervall zwischen Verletzung und Behandlung
therapie beim Schädel-Hirn-Trauma (SHT). Nachdem in den                               (p = 0,05) [2].
1990er Jahren zunehmend auf Steroide bei SHT verzichtet
wurde, kam im Jahre 1997 eine Metaanalyse zu dem Schluss,                             Die Ergebnisse der CRASH-Studie machen deutlich, dass der
dass aus den bis dato publizierten Studien durch Glukokor-                            Einsatz von Glukokortikoiden in der Notfall- und Intensiv-
tikoide eine Reduktion der absoluten Sterblichkeit um 1–2 %                           medizin neben einem potentiellen Nutzen auch eine Gefähr-
möglich erscheint. Die Autoren empfahlen daher eine multi-                            dung für den Patienten bedeuten kann – er ist ein zweischnei-
zentrische Studie mit hoher Patientenzahl und einfachem De-                           diges Schwert. Sicherlich sind die Überlegungen richtig, dass
sign durchzuführen [1]. Man berechnete, dass bei Rekrutie-                            jede Schädigung im zentralen Nervensystem (ZNS), sei sie
rung von 20.000 Patienten mit SHT ein Nutzen von Glukokor-                            nun traumatischer, ischämischer oder infektiöser Genese, zu
tikoiden nachgewiesen werden könne. Im Mai 2004 stoppte                               einer lokalen inflammatorischen Antwort führt. Richtig ist
                                                                                      auch, dass diese Neuroinflammation mit anderen Mechanis-
                                                                                      men der akuten Neurodegeneration eng verbunden ist, wie mit
Aus der 1Klinik für Anästhesiologie, der 2Neurochirurgischen Klinik, Klinikum der
                                                                                      toxischen Phänomenen, oxidativem Stress und Apoptose.
Universität München und der 3Neurochirurgischen Abteilung, LKH Klagenfurt
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Josef Briegel, Klinik für Anästhesiologie,       Glukokortikoide sollten aufgrund ihrer antiinflammatori-
Klinikum der Universität München, D-81366 München, Marchioninistraße 15;              schen Wirkungen prinzipiell geeignet sein, in diese Neuro-
E-mail: josef.briegel@med.uni-muenchen.de                                             inflammation attenuierend bzw. modulierend einzugreifen.

                                                                                                                   J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2)                 7
       For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Glukokortikoide in der Neurointensivmedizin

Außerdem besitzen Glukokortikoide in höheren Dosen einen         Tabelle 1: Relative genomische und nicht-genomische Potenzen
rasch stabilisierenden Effekt auf Zellmembranen und verhin-      für verschiedene Glukokortikoide im Verhältnis zu Prednisolon
dern einen sekundären Gewebeschaden durch Membranlipid-          (nach [6])
peroxidation.                                                                             Genomischer       Nicht-genomischer
                                                                                             Effekt               Effekt
In dieser Übersicht soll anhand physiologischer Grundlagen
                                                                 Prednisolon                     1                   1
sowie experimenteller und klinischer Studienergebnisse dar-
                                                                 Methylprednisolon             1,25                 2,5
gestellt werden, bei welchen Indikationen in der Neurointen-     Dexamethason                  6,25                 2,9
sivmedzin der Einsatz von Glukokortikoiden gegenwärtig           Betamethason                  6,25                0,56
sinnvoll erscheint und durch entsprechende Studien abgesi-
chert ist.                                                       ge ist eine sofortige und anhaltende Aktivierung von immun-
                                                                 kompetenten Zellen, die durch später einsetzende genomische
                                                                 Effekte unterstützt werden. Zudem wird ein sekundärer Ge-
„ Genomische und nicht-genomische                                webeschaden durch Membranlipidperoxidation abgemildert
  Effekte von Glukokortikoiden                                   [4, 5].

Obwohl Glukokortikoide seit mehr als 50 Jahren im klini-         Synthetische Glukokortikoide unterscheiden sich erheblich
schen Einsatz sind, wurden erst in den letzten zehn Jahren       hinsichtlich ihrer genomischen und nicht-genomischen Effek-
wichtige Mechanismen zu deren Wirkungsweise aufgedeckt.          te. Relative Potenzen nicht-genomischer Effekte bezogen auf
Glukokortikoide besitzen genomische und nicht-genomische         Prednisolon wurden vor einigen Jahren hinsichtlich ihrer Wir-
Effekte. Genomische Effekte sind für die klassischen Hor-        kung auf immunkompetente Zellen ermittelt [6]. Vor allem
monwirkungen des Kortisols verantwortlich. Kortisol wie          Dexamethason und Methylprednisolon zeichnen sich durch
auch seine synthetischen Abkömmlinge (Prednison, Predni-         relativ ausgeprägte nicht-genomische Effekte aus (Tab. 1).
solon, Methylprednisolon, Dexamethason u. a. m.) kontrollie-     Diese Präparate werden häufig in der Neurointensivmedizin
ren Genorte, die Peptide und Proteine der unspezifischen Im-     eingesetzt.
munität („innate immunity“) kodieren. Die lipophilen Gluko-
kortikoide passieren die Zellwand und binden nach Abspal-        Eine Reihe von Indikationen zur Gabe von Glukokortikoiden
tung von Hitzeschock-Protein an zytosolische Glukokorti-         in der Neurointensivmedizin zielt primär auf nicht-genomi-
koid-Rezeptoren. Danach transloziert der aktivierte Gluko-       sche Effekte ab und nur in geringerem Maße auf genomische
kortikoid-Rezeptorkomplex in den Nukleus, bindet an be-          Wirkungen. Präzise Dosis-Wirkungsbeziehungen einzelner
stimmte Promotorgene und kann dort entweder die Transkrip-       Glukokortikoide sind nicht vollkommen geklärt. Jedoch sind
tionsrate von mRNA erhöhen („glucocorticoid-responsive           genomische Effekte schon mit relativ niedrigen Dosen
elements“) oder abbremsen („negative glucocorticoid-respon-      (< 60 mg Prednisolon-Äquivalent pro Tag) zu erreichen, wäh-
sive elements“). So wird die De-Novo-Synthese bestimmter         rend nicht-genomische Effekte erst mit höheren Dosen
antiinflammatorischer Peptide (z. B. Interleukin-10 [IL-10])     (> 250 mg Prednisolon-Äquivalent pro Tag) zu erzielen sind.
und Proteine (z. B. Lipocortin) erhöht oder die De-Novo-         Zu berücksichtigen ist insbesondere beim kritisch Kranken,
Synthese von proximalen, proinflammtorischen Zytokinen           dass jede hochdosierte Glukokortikoidgabe zu einer Down-
(Tumornekrosefaktor [TNF], Interleukin-1 [IL-1], Interleu-       Regulation von zytosolischen Glukokortikoid-Rezeptoren
kin-6 [IL-6]) abgebremst. Durch direkte Interaktion von Glu-     führt. Deshalb sind nach abruptem Absetzen von hochdosier-
kokortikoid-Rezeptorkomplex mit Transkriptionsfaktoren           ten Glukokortikoiden aufgrund eines relativen Mangels an
wird dieser Effekt noch verstärkt. Die antiinflammatorischen     endogenem Kortisol sekundäre System-inflammatorische
Wirkungen von Glukokortikoiden sind vorwiegend auf geno-         Syndrome möglich. Auch eine länger anhaltende, unspezifi-
mische Effekte zurückzuführen. Sie treten nach frühestens        sche Immunsuppression mit Komplikationen wie schweren
30 Minuten, meist aber erst nach 6 bis 8 Stunden ein, und sind   sekundären Infektionen im Therapieverlauf sind in der Litera-
bereits im hoch-physiologischen Konzentrationsbereich von        tur immer wieder nach hochdosierter Glukokortikoidtherapie
Kortisol zu beobachten [3, 4].                                   berichtet worden.

Glukokortikoide können aber auch innerhalb von Sekunden          „ Die unspezifische Immunität des ZNS
bis Minuten über nicht-genomische Mechanismen wirken.
Diese beruhen auf direkten Wechselwirkungen des Steroids         Lange Zeit nahm man an, dass das Gehirn nicht in der Lage
mit der Zellmembran und sind erst zu beobachten, wenn alle       ist, eine Immunantwort zu entwickeln. Jedoch zeigt das Ge-
zytosolischen Glukokortikoid-Rezeptoren besetzt sind, also       hirn ein wohl organisiertes, unspezifisches Immunsystem, das
in einem hohen pharmakologischen Dosisbereich (> 250 mg          sowohl auf lokale als auch auf systemische Reize mit Inflam-
Prednisolon). Durch Bindung an Membran-ständige Rezepto-         mation reagiert. Dieses in der Evolution bereits zu einem frü-
ren und in höheren Dosen durch Einbau des Steroids in die        hen Zeitpunkt angelegte unspezifische Immunsystem zeigt
Zellmembran ändert sich die physikochemische Eigenschaft         eine relativ uniforme Antwort auf bakterielle Infektionen,
der Zellmembran im Sinne einer Stabilisierung mit geringerer     Ischämien oder traumatische Läsionen. In den zirkumventri-
Permeabilität für Natrium und Kalzium. Dies führt zu einem       kulären Bereichen, im Plexus choroideus und in den Lepto-
Abfall von freiem Kalzium im Zytosol und zu einer Abnahme        meningen sind konstitutiv CD14 and Toll-like-Rezeptor 4
des ATP-Verbrauches, wohingegen an den Membranen der             (TLR4) exprimiert. Wird beispielsweise in diesen Bereichen
Mitochondrien die Protonenpermeabilität zunimmt. Die Fol-        mit Endotoxin stimuliert, lässt sich experimentell eine rasche

8    J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2)
Glukokortikoide in der Neurointensivmedizin

Transkription von Genen nachweisen, die proinflammatori-                      eine adrenokortikale Dysfunktion aufweisen. So wurde jüngst
sche Peptide kodieren.                                                        für Patienten mit SHT eine adrenokortikale Dysfunktion mit
                                                                              relativem Kortisolmangel beschrieben und eine Substitutions-
Mikroglia-Zellen stellen einen Teil des residenten Immun-                     therapie mit Hydrokortison diskutiert [12].
systems des Gehirns dar und sind zur Phagozytose fähig [7].
Sie werden im Rahmen von Trauma, Ischämie, Infektion und                      Klinisch von Bedeutung ist die bereits diskutierte „Down-
neurodegenerativen Erkrankungen aktiviert und können zu                       Regulation“ zellulärer Glukokortikoid-Rezeptoren. Diese
progressivem neuronalem Schaden führen. Jedoch zeigen                         kann durch eine schwere systemische Inflammation oder, wie
neue Befunde, dass diese Zellen und deren sezernierte Zyto-                   oben beschrieben, durch exogene Glukokortikoide induziert
kine auch protektive Wirkungen auf neuronale Strukturen                       werden. Sowohl die Anzahl als auch die Affinität der zyto-
ausüben können, vorausgesetzt deren Aktivierung ist zeitlich                  plasmatischen Glukokortikoid-Rezeptoren nimmt ab. Ursache
kontrolliert und limitiert [8]. Jeder Schritt in der Kaskade der              ist eine hohe lokale Konzentration proinflammatorischer
inflammatorischen Antwort wird durch genomische Effekte                       Zytokine, die über Bildung von Transkriptionsfaktoren wie
der Glukokortikoide kontrolliert. Glukokortikoide können                      „activator protein 1“ und „nuclear factor kappa β“ zu einer
abhängig von der Konzentration in der immunkompetenten                        Komplexbildung mit aktivierten Glukokortikoid-Rezeptor-
Zelle sowohl die Expression inflammatorischer Peptide, Che-                   komplexen führt. Hierdurch können die genomischen Effekte
mokine und Proteine hemmen oder zulassen (permissive                          endogener Glukokortikoide, wie die des Kortisols, nicht mehr
Effekte) [9]. Neuere Untersuchungen belegen, dass hohe Kon-                   oder nur unzureichend vermittelt werden [13].
zentrationen von Glukokortikoiden oder aber der absolute
Mangel an Glukokortikoiden neurodegenerativ wirken, wäh-                      „ Glukokortikoide bei Schädel-Hirn-Trauma
rend physiologische Konzentrationen ausgesprochen neuro-
protektive Effekte aufweisen [9]. Dieses „fine tuning“ erfolgt                Mit dem Abbruch der CRASH-Studie aufgrund einer erhöh-
über die Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Neben-                       ten Sterblichkeit in der Steroidgruppe ist die Gabe von hoch
nierenrinden-Achse (HHNA) durch TNF, IL-1 und IL-6. All                       dosiertem Methylprednisolon obsolet [2]. Dies geht konform
diese Befunde legen die Hypothese nahe, dass Kortisol die                     mit den Empfehlungen der Brain Trauma Foundation von
immunologische Antwort des Organismus auf inflammatori-                       2000 [14] sowie mit der aktualisierten Version der Empfeh-
sche Stimuli regulieren und modulieren kann. Voraussetzung                    lungen von 2007, denen eine erneute Analyse der bislang
für diesen protektiven Effekt des Kortisols ist jedoch eine ad-               zu diesem Thema existierenden Untersuchungen zugrunde
äquate adrenokortikale Adaptation an die Stresssituation, das                 gelegt wurde [15]. Ältere tierexperimentelle Untersuchungen
heißt eine ungestörte Funktion der HHNA.                                      belegen zwar, dass hochdosierte Steroide die Entwicklung
                                                                              eines Hirnödems nach SHT, die Bildung freier Sauerstoff-
                                                                              radikale und die Lipidperoxidation abmildern. Offensichtlich
„ Relativer Kortisolmangel bei kritisch                                       werden diese Effekte mit gravierenden Nebenwirkungen er-
  kranken Patienten/Intensivpatienten                                         kauft, die zu einer erhöhten Sterblichkeit in der Steroidgruppe
                                                                              führen [2]. Möglicherweise erhöht eine Steroid-induzierte
Der Anstieg von Kortisol bei kritisch kranken Patienten bzw.                  Hyperglykämie das Ausmaß neuronaler Läsionen nach SHT
Intensivpatienten ist ein wichtiger protektiver Regulations-                  und löscht damit den potentiellen Nutzen aus. Ein anderer
mechanismus des Organismus. Viele Akuterkrankungen oder                       Aspekt ist, dass kurzfristige Steroidgaben länger bestehende
Therapiemaßnahmen führen zu einem relativen Kortisolman-                      Störungen im Bereich der Hypophysen-Nebennierenrinden-
gel [10]. Ein inzwischen viel diskutiertes Beispiel hierfür ist               Achse (HNNA) nicht beheben können. Wie Dimopoulou et al.
der septische Schock [11]. Auch in der Neurointensivmedizin                   zeigen konnten, blieben bei einer Subgruppe von Patienten
werden zunehmend Gruppen von Patienten beschrieben, die                       mit SHT anhaltend Störungen der HNNA bestehen. Dies ging
                                                                              mit Vasopressorpflichtigkeit und erhöhten Konzentrationen
                                                                              von IL-6 einher [12]. Der resultierende relative Kortisol-
                                                                              mangel kann das Ausmaß der Neuroinflammation verstärken.
                                                                              Diese Daten geben Hinweise darauf, dass eine bestimmte
                                                                              Subgruppe von Patienten mit SHT von einer Kortisol-Sub-
                                                                              stitutionstherapie mit Hydrokortison profitieren könnte [12].

                                                                              „ Glukokortikoide beim spinalen Trauma
                                                                              Sechs randomisierte Studien wurden zum Einsatz von hoch-
                                                                              dosierten Glukokortikoiden beim spinalen Trauma durchge-
                                                                              führt. Eine der ersten Studien (NASCIS I) wurde vorzeitig aus
                                                                              Sicherheitsgründen gestoppt [16]. Die Ergebnisse der folgen-
                                                                              den NASCIS II- und NASCIS III-Studien werden heute her-
                                                                              angezogen, um die Gabe von hochdosierten Glukokortikoiden
                                                                              beim spinalen Trauma zu rechtfertigen [17, 18]. Dabei konnte
                                                                              lediglich in retrospektiven Subgruppenanalysen ein potentiel-
Abbildung 1: Genomische und nicht-genomische Glukokortikoidwirkungen in Ab-   ler Benefit für Glukokortikoide gefunden werden. So schei-
hängigkeit von der Konzentration                                              nen nur Patienten mit spinalem Trauma zu profitieren, die in

                                                                                                    J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2)   9
Glukokortikoide in der Neurointensivmedizin

einem Zeitfenster von drei bis acht Stunden nach spinalem          kleinen Studien mit unklarer Patientenallokation und potenti-
Trauma behandelt werden [19]. Follow-up-Studien dieser             ellem Publikationsbias basieren. Aufgrund fehlender Unter-
Subgruppen bestätigen einen konsistenten Behandlungseffekt         suchungen kann keine Empfehlung für den Einsatz von Dexa-
mit besserem neurologischem Status [20]. Diese Untersu-            methason bei HIV-positiven Patienten mit tuberkulöser Me-
chungen werden heute vielerorts herangezogen, um ein Hoch-         ningitis gegeben werden [30].
dosis-Methylprednisolon-Protokoll zur Behandlung von Pati-
enten mit spinalem Trauma umzusetzen, obwohl in keiner             Von der Gabe von Glukokortikoiden bei zerebraler Malaria
NASCIS-Studie der primäre Endpunkt erreicht wurde und              wird abgeraten, es existiert hierzu eine randomisierte Doppel-
kontrollierte Studien anderer Gruppen die NASCIS-Ergebnis-         blindstudie zur Gabe von Dexamethason bei 100 komatösen
se nicht bestätigen konnten [21]. In einer aktuellen retrospek-    Patienten. Ein Unterschied in der Mortalität zwischen der
tiven Analyse an einer relativ geringen Patientenzahl (n = 82)     Gruppe der mit Dexamethason sowie der mit Placebo behan-
ergaben sich gemäß MRT-Befunden eine etwas geringere An-           delten Patienten zeigte sich nicht, jedoch wiesen die über-
zahl sowie eine geringere Ausdehnung intramedullärer Häma-         lebenden Patienten in der Dexamethasongruppe eine signifi-
tome nach Methylprednisolon-Therapie im Vergleich zu Pati-         kant längere Komadauer sowie eine signifikant höhere Rate an
enten ohne Methylprednisolon-Gabe, jedoch war dieser Un-           Pneumonien und gastrointestinalen Blutungen auf [31].
terschied statistisch nicht signifikant, ebenso unterschied sich
das Ausmaß des Rückenmarködems nicht [22].                         Zur adjuvanten Gabe von Glukokortikoiden bei intrazerebra-
                                                                   lem Abszess existiert wenig Evidenz in der Literatur, klini-
„ Glukokortikoide bei Infektionen des ZNS                          sche Studien fehlen. In tierexperimentellen Modellen zum
                                                                   intrazerebralen Abszess wurde gezeigt, dass die Gabe von
In einem Tiermodell einer Pneumokokken-induzierten Me-             Glukokortikoiden die Ausbildung der Abszessmembran, ver-
ningitis reduzierten hochdosierte Glukokortikoidgaben in           mutlich durch verzögerte Kollagenanlagerung aufgrund redu-
Kombination mit Ampicillin das inflammatorisch bedingte            zierter fibroblastischer Aktivität, beeinträchtigt bzw. verzö-
Hirnödem vollständig. Im Vergleich zu Methylprednisolon            gert [32–34]. Beschrieben wurde auch eine Reduktion der
verhinderte Dexamethason zusätzlich einen Anstieg des Hirn-        Antibiotikakonzentration im Abszessgewebe bei adjuvanter
druckes und der Laktatkonzentration im Liquor cerebrospina-        Gabe von Glukokortikoiden in unterschiedlicher Ausprägung
lis [23]. In zwei großen klinischen Studien behandelten Lebel      und in Abhängigkeit vom verwendeten Antibiotikum [35].
et al. 200 Kinder mit bakterieller Meningitis entweder mit         Es wird spekuliert, dass durch die Glukokortikoid-induzierte
Cefuroxim oder Ceftriaxon und konnten nachweisen, dass die         Suppression der Immunabwehr die Penetration von anti-
zusätzliche Gabe von Dexamethason (0,15 mg pro kg Körper-          mikrobiellen Substanzen in Hirnabszessgewebe reduziert
gewicht [KG] alle 6 Stunden für 4 Tage) einen Hörschaden           wird [34]. In der Praxis steht jedoch die antiödematöse Wir-
abmindert bzw. verhindert [24]. In einer weiteren Studie aus       kung der Glukokortikoide bei raumfordernden intrazerebralen
Costa Rica, in der Dexamethason in gleicher Dosierung vor          Abszessen im Vordergrund. So wird die adjuvante Gabe von
der ersten Gabe von Cefotaxim appliziert wurde, konnte die-        Glukokortikoiden in der Therapie von Hirnabszessen zur
ses Ergebnis eindrucksvoll reproduziert werden [25]. Eine          Behandlung eines ausgeprägten perifokalen Ödems, bei mul-
Metaanalyse von 11 randomisierten Studien bestätigte diese         tiplen Abszessen mit deutlichem perifokalem Ödem, welche
Ergebnisse und empfahl die Therapie mit Dexamethason bei           nur teilweise operativ zu sanieren sind, sowie bei Abszessen
Meningitis durch Pneumokokken und H. influenza Typ B,              in Hirnregionen mit besonderer Schwellungsneigung empfoh-
wobei eine Therapiedauer von zwei Tagen als ausreichend er-        len [36, 37].
achtet wurde [26]. Auch in einer randomisierten Studie bei
301 Erwachsenen konnte Dexamethason (10 mg alle 6 Stun-            „ Glukokortikoide bei Hirntumoren
den für 4 Tage), appliziert vor der ersten Gabe des Antibioti-
kums, sowohl neurologische Defizite (p = 0,03) als auch die        Hirntumore sind von einem Ödem umgeben, das auf Störun-
Sterblichkeit (p = 0,04) reduzieren [27]. Eine Metaanalyse,        gen der Blut-Hirn-Schranke im peritumorösen Gebiet zurück-
die fünf kontrollierte Studien mit 623 Patienten einschloss,       zuführen ist. Glukokortikoide vermögen über eine Abnahme
bestätigte diese Ergebnisse und empfiehlt Dexamethason als         der Permeabilität den extrazellulären Flüssigkeitsanteil zu
adjunktive Therapie bei bakterieller Meningitis [28]. In einer     reduzieren. Dieser Effekt wurde in zahlreichen Studien mit-
kürzlich veröffentlichten Metaanalyse der Cochrane Library         tels Bildgebung bestätigt, wie jüngst in einer Untersuchung
mit einer Gesamtzahl von 2750 Patienten konnte der positive        gezeigt wurde, die die Methode der „Diffusion tensor magne-
Effekt der adjuvanten Behandlung mit Kortikosteroiden bei          tic resonance imaging“ (DT-MRI) einsetzte, um die Wasser-
bakterieller Meningitis erneut bestätigt werden, es zeigte sich    Diffusions-Parameter in peritumorösen und normalen Hirn-
auch hier eine Reduktion der Mortalität sowie der Inzidenz         anteilen zu messen und zu vergleichen. 48 bis 72 Stunden
von Hörverlust und schwerwiegender neurologischer Folge-           nach Behandlung mit Dexamethason (16 mg pro Tag) war in
schäden [29].                                                      den drei Gruppen von Patienten mit hochgradigen Gliomen,
                                                                   Meningeomen bzw. Metastasen eine konsistente und signifi-
Weniger eindeutig ist die Datenlage bei tuberkulöser Menin-        kante Abnahme des extrazellulären Wassergehaltes im peri-
gitis. In einer Metaanalyse, die sechs Studien mit 595 Patien-     tumorösen Gebiet festzustellen. Dies traf sowohl auf intra- als
ten einschloss, konnte zwar eine Reduktion neurologischer          auch auf extraaxiale Tumore zu [38].
Defizite und der Sterblichkeit infolge einer tuberkulösen
Meningitis nachgewiesen werden. Die Autoren weisen jedoch          Bereits in den 1950er Jahren wurden die eindrucksvollen kli-
ausdrücklich darauf hin, dass diese Schlussfolgerungen auf         nischen Effekte von Glukokortikoiden auf Hirntumore be-

10   J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2)
Glukokortikoide in der Neurointensivmedizin

schrieben [39]. Die klinische Wirkung war so überzeugend         Bereits in den 1980er Jahren legten experimentelle Untersu-
und wurde so häufig bestätigt, dass niemals der Versuch unter-   chungen nahe, dass bei Subarachnoidalblutung (SAB) durch
nommen wurde, die Wirkung von Glukokortikoiden in einer          Hochdosis-Methylprednisolon die Entwicklung des zerebra-
kontrollierten Studie zu überprüfen. Insofern fehlt für diese    len Vasospasmus verhindert und der zerebrale Blutfluss wieder-
Indikation der Nachweis im Sinne der evidenzbasierten Medi-      hergestellt werden kann [46]. Eine neuere Untersuchung zeigt,
zin. Aufgrund des ausgeprägten membranstabilisierenden           dass Methylprednisolon eine Aktivitätssteigerung der Protein-
Effektes (nicht-genomische Wirkung) und der langen Wirk-         kinase C verhindert [47]. Dieser nicht-genomische Effekt wird
dauer bei fehlender mineralokortikoider Wirkung hat sich         über membranständige Glukokortikoid-Rezeptoren vermittelt.
Dexamethason für diese Indikation durchgesetzt. Wirkungen        Die klinische Wertigkeit dieser Befunde bleibt bislang unge-
der Glukokortikoide bei der Therapie von Hirntumoren auch        klärt. Lediglich eine Pilotstudie von 1987 berichtet über eine
auf den Blutfluss im gesunden, kontralateralen Gewebe wur-       Reduktion sekundärer zerebraler Ischämien und über eine redu-
den kürzlich beschrieben [40].                                   zierte Sterblichkeit durch Hochdosis-Methylprednisolon [48].
                                                                 Weitere klinische Studien wurden hierzu nicht publiziert.
„ Glukokortikoide bei Schlaganfall
                                                                 Unklar bleibt auch, inwieweit Störungen der Hypothalamus-
Neuere tierexperimentelle Befunde belegen, dass das Ausmaß       Hypophysen-Nebennierenachse nach SAB therapiebedürftig
eines zerebralen Infarktes durch Hochdosis-Methylpredni-         sind. Möglicherweise entwickelt jeder dritte Patient nach
solon um 20–32 % reduziert werden kann [41, 42]. Slivka          einer SAB eine Hypophysenvorderlappeninsuffizienz mit
und Murphey schließen aus ihren Arbeiten, dass der neuro-        Mangel an ACTH [49].
protektive Effekt von Glukokortikoiden nur bei temporärem
Gefäßverschluss zum Tragen kommt, also nur wenn eine             „ Glukokortikoide bei demyelinisierenden
Reperfusion durch Thrombolyse oder interventionelle Tech-
                                                                   Erkrankungen
niken erzielt werden kann. Glukokortikoide verhindern offen-
sichtlich einen Reperfusionsschaden [35]. Limbourg et al.        Schwer verlaufende Schübe einer demyelinisierenden Erkran-
hingegen fanden, dass Hochdosis-Dexamethason die Infarkt-        kung können eine Behandlung auf der Intensivstation erfor-
größe auch bei anhaltendem Gefäßverschluss reduzieren            derlich machen. In der Behandlung der Multiplen Sklerose hat
kann. Neben einer Abnahme des Ödems ist ein Anstieg              die Therapie mit Glukokortikoiden bei akuten Schüben einen
des regionalen zerebralen Blutflusses (CBF) um 40–50 %           etablierten und unbestritten hohen Stellenwert [50, 51]. Auch
hierfür ursächlich. Da sich die Infarktgröße umgekehrt           bei der akuten demyelinisierenden Enzephalomyelitis (ADEM)
proportional zum zerebralen Blutfluss verhält, vermittelte       sowie der Hurst-Enzephalitis ist die hochdosierte Gabe von
Dexamethason in diesem Modell eine anhaltende Neuro-             Glukokortikoiden aufgrund klinischer Erfahrung trotz Man-
protektion. Vermittelt wird der erhöhte CBF durch eine           gels an randomisierten klinischen Studien Therapiestandard
rasche, nicht-genomische Aktivitätssteigerung der endo-          [52].
thelialen NO-Synthetase mit konsekutiver Vasodilatation
[42].                                                            „ Zusammenfassung
Klinische Studien zu Glukokortikoiden bei Schlaganfall zei-      Trotz einer großen Anzahl von experimentellen Studien zur
gen widersprüchliche Ergebnisse. Eine Cochrane-Metaana-          neuroprotektiven Wirkung der Glukokortikoide fehlen in vie-
lyse fand unter 22 klinischen Studien erhebliche methodische     len Bereichen prospektive klinische Studien zum Nachweis
Mängel. Unterschiedliche Dosierungen von Glukokortikoi-          der Wirksamkeit. Der einzige Einsatzbereich, in dem die Indi-
den, Variationen in den Zeitintervallen zwischen Schlaganfall    kation im Sinne der evidenzbasierten Medizin nachgewiesen
und Behandlungsbeginn („time is brain“) und eine mangelnde       ist, ist die Therapie der bakteriellen Meningitis. Die Gabe von
Vergleichbarkeit des neurologischen Outcomes ließen die          Glukokortikoiden bei der Therapie von Hirntumoren basiert
Reviewer schlussfolgern, dass Glukokortikoide zur begleiten-     jedoch auf langjähriger positiver Erfahrung und kann sicher-
den Therapie des Schlaganfalles derzeit nicht empfohlen wer-     lich auch trotz des Mangels an Studien nicht in Frage gestellt
den können [43].                                                 werden. Der Einsatz von Glukokortikoiden beim Schädel-
                                                                 Hirn-Trauma ist eindeutig nicht indiziert, beim spinalen Trau-
                                                                 ma ist die Indikation aufgrund der Studienlage zweifelhaft;
„ Glukokortikoide bei intrakraniellen Blu-                       bei neurovaskulären Notfällen ist ein positiver Effekt gemäß
  tungen                                                         Studienlage denkbar, jedoch bislang nicht ausreichend belegt.
                                                                 Vor allem die Hochdosis-Glukokortikoidtherapie ist mit Risi-
In einer gut geplanten randomisierten Doppelblindstudie wur-     ken wie Hyperglykämie und erhöhter Infektionsneigung asso-
de bei 93 Patienten mit supratentoriellen Hirnblutungen der      ziiert, dies spiegelt sich in vielen Untersuchungen wider und
Effekt von Dexamethason auf die Sterblichkeit nach 21 Tagen      sollte auch im klinischen Alltag bedacht werden.
untersucht. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, weil
kein Unterschied in der Sterblichkeit gefunden wurde (Dexa-       „ Relevanz für die Praxis
methason vs. Placebo, 21 von 46 vs. 21 von 47; χ2 = 0,01;
p = 0,93), wohl aber eine erhöhte Komplikationsrate im Sinne      Trotz teilweise eingeschränkter Datenlage ist der Einsatz
vermehrter Infektionen und Diabetes mellitus in der Dexa-         von Glukokortikoiden in der Neurointensivmedizin weit
methasongruppe [44]. Der fehlende Behandlungseffekt wird          verbreitet. Die Gabe von Glukokortikoiden hat einen Stel-
in einer neueren Studie bestätigt [45].                           lenwert bei der Behandlung von Hirntumoren, bakterieller

                                                                                       J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2)   11
Glukokortikoide in der Neurointensivmedizin

  Meningitis, intrazerebralen Abszessen, neurologischen                                             of two double-blind, placebo-controlled trials.   magnetic resonance imaging. Neurosurgery
                                                                                                    N Engl J Med 1988; 319: 964–71.                   2006; 58: 640–6.
  Systemerkrankungen, adrenokortikaler Dysfunktion sowie                                            25. Odio CM, Faingezicht I, Paris M, Nassar       41. Slivka AP, Murphy EJ. High-dose methyl-
  bei der adjuvanten Therapie der Sepsis. Bei ischämischen                                          M, Baltodano A, Rogers J, Saez-Llorens X,         prednisolone treatment in experimental focal
                                                                                                    Olsen KD, McCracken GH Jr. The beneficial         cerebral ischemia. Exp Neurol 2001; 167:
  Schlaganfällen und zerebralen Blutungen ist die Gabe von                                          effects of early dexamethasone administra-        166–72.
  Glukokortikoiden nach derzeitiger Studienlage nicht ange-                                         tion in infants and children with bacterial       42. Limbourg FP, Huang Z, Plumier JC,
                                                                                                    meningitis. N Engl J Med 1991; 324: 1525–31.      Simoncini T, Fujioka M, Tuckermann J, Schutz
  zeigt. Für Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma ist, nachdem                                         26. McIntyre PB, Berkey CS, King SM, Schaad       G, Moskowitz MA, Liao JK. Rapid nontran-
  eine erhöhte Sterblichkeit unter Glukokortikoid-Therapie                                          UB, Kilpi T, Kanra GY, Perez CM. Dexametha-       scriptional activation of endothelial nitric
                                                                                                    sone as adjunctive therapy in bacterial men-      oxide synthase mediates increased cerebral
  gezeigt wurde, die Gabe von Glukokortikoiden obsolet, für                                         ingitis. A meta-analysis of randomized clinical   blood flow and stroke protection by cortico-
  Patienten mit spinalem Trauma ist ein möglicher positiver                                         trials since 1988. JAMA 1997; 278: 925–31.        steroids. J Clin Invest 2002; 110: 1729–38.
  Effekt zweifelhaft. In der Praxis gilt auch zu bedenken,                                          27. De Gans J, van de Beek D. European            43. Qizilbash N, Lewington SL, Lopez-Arrieta
                                                                                                    Dexamethasone in Adulthood Bacterial Men-         JM. Corticosteroids for acute ischaemic
  dass vor allem die Hochdosis-Glukokortikoid-Therapie mit                                          ingitis Study Investigators. Dexamethasone        stroke. Cochrane Database Syst Rev 2002;
  Risiken wie Hyperglykämie und erhöhter Infektionsnei-                                             in adults with bacterial meningitis. N Engl       CD000064.
                                                                                                    J Med 2002; 347: 1549–56.                         44. Poungvarin N, Bhoopat W, Viriyavejakul
  gung assoziiert ist.                                                                              28. Van de Beek D, de Gans J, McIntyre P,         A, Rodprasert P, Buranasiri P, Sukondhabhant
                                                                                                    Prasad K. Steroids in adults with acute bac-      S, Hensley MJ, Strom BL. Effects of dexam-
                                                                                                    terial meningitis: a systematic review. Lancet    ethasone in primary supratentorial intracer-
                                                                                                    Infect Dis 2004; 4: 139–43.                       ebral hemorrhage. N Engl J Med 1987; 316:
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2. Roberts I, Yates D, Sandercock P, Farrell B,                                                     31. Warrell DA, Looareesuwan S, Warrell           perimental subarachnoid hemorrhage by
                                                  Shepard MJ, Wagner FW, Silten RM,
Wasserberg J, Lomas G, Cottingham R,                                                                MJ, Kasemsarn P, Intaraprasert R, Bunnag D,       large intravenous doses of methylpred-
                                                  Hellenbrand KG, Ransohoff J, Hunt WE, Perot
Svoboda P, Brayley N, Mazairac G, Laloe V,                                                          Harinasuta T. Dexamethasone proves delete-        nisolone. Exp Neurol 1988; 99: 594–606.
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