Wissenschaftliche Erläuterungen zur Stellungnahme Transfusionsassoziierte Immunmodulation (TRIM) des Arbeitskreises Blut vom 13. Februar 2020

Die Seite wird erstellt Jasper Engelmann
 
WEITER LESEN
Bekanntmachungen – Amtliche Mitteilungen

Bundesgesundheitsbl 2020 · 63:1025–1053           Wissenschaftliche Erläuterungen zur TRIM-Stellungnahme
https://​doi.org/​10.1007/​s00103-​020-​03183-y
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil

                                                  Wissenschaftliche Erläuterungen
von Springer Nature 2020

                                                  zur Stellungnahme
                                                  Transfusionsassoziierte
                                                  Immunmodulation (TRIM)
                                                  des Arbeitskreises Blut vom
                                                  13. Februar 2020
                                                  Bei der 88. Sitzung des Arbeitskreises Blut am
                                                  13. Februar 2020 wurde folgende Ergänzung
                                                  zu Stellungnahme (S 22) verabschiedet

1. Einführung                                     beispielsweise proinflammatorische Ef-              Die Diskussion um mögliche klinisch
                                                  fekte durch freigesetzte Zytokine von al-       relevante, negative Auswirkungen von
Erythrozytenkonzentrate (EK) haben ihre           logenen Monozyten und T-Zellen und              Transfusionen auf das Immunsystem wur-
Indikation in der Behandlung akuter und           immunsuppressive Effekte durch Zytoki-          de auch in der Laienpresse aufgegriffen
chronischer Anämien und Blutungen.                ne von Neutrophilen nach Kontakt mit            (Die rote Gefahr, Stern 12.02.2017; Do-
Diese Therapie ist seit Jahrzehnten im kli-       allogenen EK-Überständen [5–7]. Auch            kumentation „Böses Blut – Transfusions-
nischen Alltag etabliert.                         die Induktion von regulatorischen T-Zel-        risiken, Kehrtwende in der Intensivmedi-
    Die Sicherheit der Anwendung von              len mit potentiellem Einfluss auf Tumor-        zin“, ARD 24.11.2014; „Wenn das Blut uns
EK ist aufgrund von Daten aus Beobach-            wachstum und Infekt­abwehr wurde nach           krank macht“, odysso – Wissen im SWR,
tungsstudien (z. B. [1, 2]) zum Gegenstand        Kontakt mit allogenen EK-Überständen            SWR Fernsehen 08.06.2017) und verunsi-
der wissenschaftlichen Diskussion gewor-          beobachtet [8]. Einige Effekte werden ab-       cherte sowohl Patientinnen und Patienten
den. Hierbei standen zuletzt nicht das Ri-        hängig von der Lagerung und dem Zeit-           als auch Ärztinnen und Ärzte.
siko der Übertragung von infektiösen Er-          punkt der Leukozytendepletion (vor oder             In dieser Stellungnahme bewertet der
krankungen (z. B. HIV, Hepatitis u. a.),          nach Lagerung) verstärkt, andere scheinen       Arbeitskreis Blut die vorhandenen Da-
sondern klinische Komplikationen wie              lagerungsunabhängig zu sein (z. B. Induk-       ten zu immunmodulatorischen Effekten
das vermehrte Auftreten von Infektionen           tion regulatorischer T-Zellen) [7]. Auch        von leukozytendepletierten EK hinsicht-
bzw. die Begünstigung einer Krebsent-             die Adhäsion von transfundierten Ery-           lich der Assoziation mit Infektionen und
stehung oder das Wiederauftreten einer            throzyten an das Gefäßendothel und eine         Krebserkrankungen. Aufgrund der Kom-
Krebserkrankung im Vordergrund. In                dadurch angestoßene Endothelzell-Akti-          plexität der Fragestellung und Bewertung
Beobachtungsstudien waren diese Kom-              vierung mit Auswirkungen auf das Ge-            wird eine methodische Erläuterung vor-
plikationen mit der Transfusion von EK            rinnungssystem werden zum Verständnis           angestellt.
assoziiert. Als mögliche Ursache wird un-         von TRIM-Effekten herangezogen [9, 10].
ter anderem eine durch Bluttransfusionen          Weitgehend unklar ist bisher der Einfluss       2. Bewertung der Fragestellung
vermittelte Veränderung der Immunreak-            einer vorbestehenden krankheitsbeding-          – methodischer Prolog
tion, eine sog. transfusionsassoziierte Im-       ten Immundysregulation bei Personen,
munmodulation (transfusion-related im-            die EK erhalten, sowie die Relevanz der         2.1 Studientypen
munomodulation, TRIM), diskutiert [3,             Transfusion von Früh- und Reifgeborenen
4]. Die genauen Mechanismen, wie eine             mit Erythrozyten eines Erwachsenen für          Randomisierte kontrollierte Studien
TRIM eine Infektion oder eine Krebser-            die mögliche zusätzliche Beeinflussung          (RCT) gelten aus erkenntnistheoretischer
krankung begünstigen könnte, sind bis             des Immunsystems durch EK-Transfusi-            Sicht als Goldstandard der klinischen
dato nicht bekannt. Diskutiert werden             onen [11].                                      Forschung. Ihnen wird der höchste Evi-

                                                                    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8 · 2020   1025
Bekanntmachungen – Amtliche Mitteilungen

       denzgrad bei der Erstellung von Thera-           multiplen Testen steigt. Andererseits ist      bestimmte Therapie auch Einfluss auf
       pieempfehlungen zugeschrieben [12]. Die          die Power der Studien in der Regel für         das Behandlungsergebnis hat. Beispiels-
       zufällige Zuordnung von Patienten zu ei-         die Betrachtung des primären Endpunk-          weise erhalten Patienten mit schwereren
       ner Interventionsgruppe führt dabei mit          tes in der gesamten Studienpopulation          Krankheitsverläufen und somit schlechte-
       hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Struk-         ausgelegt, so dass die Power für den sta-      ren Prognosen zumeist intensivere Thera-
       turgleichheit der Patientengruppen und           tistischen Nachweis von Unterschieden          pien als Patienten mit leichten Erkrankun-
       ermöglicht einen direkten Vergleich von          bei sekundären Endpunkten bzw. in Sub-         gen. Die intensiven Therapiemaßnahmen
       Therapieeffekten – sofern im Studienver-         gruppen eventuell nicht ausreicht [17, 18].    sind deshalb häufig statistisch mit einem
       lauf keine weiteren Verzerrungen auftre-         Ohne Berücksichtigung dieser Limitatio-        schlechteren Outcome assoziiert und
       ten [13].                                        nen (z. B. durch statistische Tests auf In-    scheinen weniger gut für die Behandlung
          Um die Randomisierung aus einer               teraktionen bei Subgruppenanalysen [18,        geeignet zu sein als die Vergleichstherapi-
       möglichst homogenen Basispopulation              19]) sind die Ergebnisse solcher Analysen      en [22].
       zu gewährleisten, gelten für die Patienten       nicht verwertbar oder sogar falsch, wie            Durch Vermeidung systematischer
       meist sehr spezifische Einschluss- bzw.          die Autoren der ISIS-2-Studie am Beispiel      Verzerrungen bei der Studiendurch-
       Ausschlusskriterien bezüglich demografi-         von Patientengruppen mit verschiedenen         führung und die Berücksichtigung von
       scher Merkmale, Krankheitsschwere, Ko-           Sternzeichen zeigen konnten [20].              Confoundern bei der Analyse der Studi-
       morbiditäten etc.. Die Erkenntnisse aus              Bei der Interpretation von Studien-        endaten können jedoch auch Beobach-
       RCTs sind durch eine hohe interne Vali-          ergebnissen sollte beachtet werden, dass       tungsstudien ähnlich valide Ergebnisse
       dität gekennzeichnet, lassen sich jedoch         in publizierten randomisierten Studien         liefern wie RCTs. Beobachtungsstudien
       wegen der selektionierten Patientenkol-          einige Outcome-Parameter oftmals un-           bilden meist das klinische, nicht-experi-
       lektive mit speziellen Eigenschaften und         vollständig oder nicht berichtet werden.       mentelle Therapieprozedere besser ab und
       den zum Teil künstlichen Studienbedin-           Nebenwirkungsereignisse sind davon of-         schließen häufig eine hinsichtlich demo-
       gungen nur bedingt auf andere Patienten-         fenbar häufiger betroffen als Parameter        grafischer und klinischer Charakteristika
       gruppen übertragen.                              für die Wirksamkeit einer Intervention         diverse Patientenpopulation ein. Die Re-
          Allerdings sind auch RCTs nicht frei          [21].                                          präsentativität solcher Studienpopulatio-
       von möglichen Verzerrungen. Beispiels-               Ergebnisse aus (nicht-randomisierten)      nen ist oft höher als die der Patienten in
       weise kann eine unverblindete Zuordnung          Beobachtungsstudien, z. B. Kohortenstu-        RCTs. Außerdem können Beobachtungs-
       der Patienten zu einer der Therapiegrup-         dien oder Fall-Kontroll-Studien, werden        studien für bestimmte Fragestellungen,
       pen die (unverblindete) Erhebung des             in der Regel mit einem geringeren Evi-         für die RCTs nicht geeignet oder nicht
       Outcome mitunter erheblich beeinflussen          denzgrad bewertet, da sie anfälliger sind      durchführbar sind, valide Ergebnisse lie-
       und Studienergebnisse (Effektschätzer)           für systematische Fehler (Bias) und den        fern. Dies ist beispielsweise der Fall bei der
       verzerren [14, 15]. Kritisch hinterfragt         Einfluss von Störgrößen, die sowohl mit        Untersuchung seltener Nebenwirkungen
       werden sollte auch eine Datenanalyse per         der Exposition als auch mit dem Outcome        oder Spätfolgen von Medikamenten bzw.
       protocol, bei der nur jene Patienten ein-        assoziiert sind (Confounder). Sind mög-        Therapien.
       geschlossen werden, die tatsächlich auch         liche Confounder im Vorhinein nicht be-            Generell zeigt sich bei identischen
       die zugeloste Therapie erhalten haben, was       kannt oder werden sie aus anderen Grün-        Studienfragen eine weitgehende Kongru-
       zu einer Aufhebung der durch die Rando-          den nicht valide und vollständig erfasst,      enz zwischen den Ergebnissen von RCTs
       misierung ermöglichten Gleichverteilung          können die Studienergebnisse erheblich         und gut konzipierten Beobachtungsstudi-
       von Risikofaktoren in den Therapiearmen          verzerrt sein. Eine statistische Korrelation   en [23]. Mitunter weichen die Ergebnisse
       führen kann [16].                                (zwischen Exposition und Outcome) wür-         aber deutlich voneinander ab, wobei so-
          Neben den primären Endpunkten,                de in diesem Fall einen kausalen Zusam-        wohl RCTs als auch nicht-randomisierte
       auf die eine Intervention abzielt und un-        menhang lediglich vortäuschen. Grund-          Studien größere Therapieeffekte beobach-
       tersucht wird, wird in RCTs regelmäßig           sätzlich muss bei der Interpretation und       teten [24]. Die Beurteilung von Therapie-
       auch die Auswirkung der Intervention             Bewertung von retrospektiven Analysen          maßnahmen soll deshalb immer auf der
       auf weitere klinisch oder Public Health-         oder prospektiven, nicht randomisierten        Bewertung mehrerer unabhängiger Studi-
       relevante (sekundäre) Endpunkte analy-           Beobachtungsstudien beachtet werden,           en beruhen [25].
       siert. Häufig publiziert werden auch post        dass keine Kausalität, sondern allenfalls          Zu diesem Zweck werden zunehmend
       hoc-Subgruppenanalysen zur Überprü-              eine statistische Assoziation zwischen Ex-     Metaanalysen bzw. systematische Re-
       fung der Auswirkung von Interventio-             position (z. B. EK-Transfusion) und Out-       views erstellt, die die Ergebnisse aus ver-
       nen in Patientengruppen mit bestimmten           come (z. B. Pneumonierate) beschrieben         schiedenen Studien zur gleichen Frage-
       (Baseline-)Eigenschaften. Sowohl bei der         werden kann.                                   stellung zusammenfassend beschreiben
       Analyse von multiplen sekundären End-                Ein insbesondere in der klinischen         (systematischer Review) bzw. gepoolt
       punkten als auch bei Subgruppenanaly-            Forschung zu beachtendes Phänomen              auswerten (Metaanalysen). Metaanalysen
       sen besteht die Gefahr, dass die Wahr-           ist das sogenannte „confounding by indi-       wird ein hoher Evidenzgrad zugeschrie-
       scheinlichkeit für falsche Rückschlüsse          cation“ (oder „indication bias“). Dies tritt   ben – wenngleich die Methodik [26, 27]
       durch Akkumulation von α-Fehlern beim            auf, wenn die klinische Indikation für eine    und die Validität der gepoolten Ergebnis-

1026    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8 · 2020
se [28, 29] auch kritisch diskutiert wer-       2.2 Besonderheiten von Studien zu                  die Outcomes von EK-Transfusio-
den. Um wichtige – für die methodische          unerwünschten Nebenwirkungen                       nen bei niedrigem Grenzwert der
Qualität entscheidende – Aspekte bei sys-       von Bluttransfusionen                              Hämoglobinkonzentration (restrik-
tematischen Reviews und Metaanalysen                                                               tive Transfusionsstrategie) mit den
zu berücksichtigen, wurden in den letz-         Anders als bei klassischen pharmakolo-             Outcomes von Transfusionen bei
ten 25 Jahren methodische Standards eta-        gischen Studien untersuchen Studien zu             höheren Hämoglobinkonzentratio-
bliert und weiterentwickelt [30, 31]. Sys-      Bluttransfusionen die Auswirkungen/Ef-             nen (liberale Transfusionsstrategie)
tematisch zu prüfende Punkte sind vor           fekte naturgemäß heterogener Blutpro-              verglichen [46]. Obwohl solche Stu-
allem das Ausmaß von Fehlern (Bias) bei         dukte. Auch wenn die Herstellung von               dien nicht primär auf das Auftreten
der Identifikation geeigneter Primärstudi-      Blutkomponenten streng reguliert ist und           von TRIM abzielen, werden sie viel-
en (publication bias, search bias, selection    industriellen pharmazeutischen Stan-               fach dazu herangezogen. Die erho-
bias), die Verfügbarkeit von Patientenda-       dards sehr nahe kommt, zeichnen sich               benen Outcomes werden dabei mit
ten, die Bewertung der Ergebnisheteroge-        diese Blutprodukte durch individuelle              der Tatsache in Beziehung gesetzt,
nität sowie die Datenanalyse (Meta-Re-          Eigenschaften aus, die einerseits durch            dass bei liberaler Transfusionsstra-
gression) [32, 33].                             Spendercharakteristika bestimmt werden,            tegie im Allgemeinen EK häufiger
    Die zunehmende Publikation solcher          andererseits aber auch maßgeblich von              transfundiert werden bzw. mehr
Arbeiten, die nicht immer den oben ge-          Produktions- und Lagerungsprozessen                EK-Volumen eingesetzt wird als bei
nannten Qualitätsstandards entsprechen          abhängen [40]. Unerwünschte Transfusi-             restriktiver Transfusionsgrenze. Al-
[34], erfordert eine entsprechende Sorg-        onsreaktionen, die aus dem Vorhanden-              lerdings lassen sich auf diesem Wege
falt bei der Interpretation von Ergebnis-       sein bestimmter Produkteigenschaften               trotz Randomisierung die beobach-
sen aus Metaanalysen. Die oben genann-          resultieren, werden – solange diese Eigen-         teten Effekte nicht direkt auf eine
ten Kriterien sollten deshalb nicht nur         schaften im Dunkeln liegen bzw. in den             Exposition gegenüber Blutproduk-
beim Erstellen von Metaanalysen son-            Studien nicht separat untersucht werden            ten zurückführen, da 1. in der Re-
dern auch beim Lesen geprüft werden.            – generell dem Transfusionsereignis zu-            gel keine Vergleichspopulation ohne
Zu beachten ist insbesondere, dass Meta-        geordnet. Die überwiegende Anzahl von              EK-Transfusionen vorliegt und 2. die
analysen mitunter nicht repräsentativ für       Studien zu Transfusionsnebenwirkungen,             Patienten in den Therapiegruppen
die Gesamtheit der existierenden Studien        die eine durch die EK-Transfusion aus-             nach unterschiedlichen Protokol-
sind. So ist die Publikation von klinischen     gelöste TRIM nahelegen, berücksichtigt             len (liberal vs. restriktiv) transfun-
Studien mit signifikanten Therapieunter-        spezifische Produkteigenschaften (bis-             diert wurden. Es kann dabei nicht
schieden um einiges wahrscheinlicher als        her) nicht.                                        ausgeschlossen werden, dass sich
von Studien, die keine Unterschiede zwi-            Des Weiteren ist zu beachten, dass eine        Transfusionseffekte und Auswirkun-
schen den Interventionen fanden [35].           präoperativ vorliegende Anämie eine Ur-            gen von Anämien mit unterschiedli-
Häufig basieren Metaanalysen auch aus-          sache für die Indikation perioperativer            chem Schweregrad überlagern. Ran-
schließlich auf Studien mit unzureichen-        EK-Transfusionen [41, 42] und gleichzei-           domisierte Studien mit identischem
der Power, wie eine Analyse von ca. 2000        tig mit (postoperativer) Morbidität und            Transfusionsgrenzwert in den Inter-
Cochrane Reviews zeigt [36]. Die Ergeb-         Mortalität assoziiert ist und somit als un-        ventionsarmen und verschiedenen
nisse von Metaanalysen sollten deshalb          abhängiger Risikofaktor gilt. Sowohl in            Transfusionszielen (z. B. unterschied-
unter Berücksichtigung einer Heteroge-          bevölkerungsbasierten Langzeitkohorten             liche Hb-Werte) wären für die direk-
nitätsanalyse der Einzelstudien interpre-       als auch in klinischen Settings mit nicht-         te Untersuchung TRIM-spezifischer
tiert werden [37].                              transfundierten Patientenkohorten wurde            Effekte besonders geeignet.
    Metaanalysen spielen bei der Kausa-         gezeigt, dass eine prävalente Anämie die        2. Bei randomisierten Studien zu ver-
litätsbewertung von Zusammenhängen              Mortalitäts- und Morbiditätsprognose si-           schiedenen Transfusionsstrategien
eine wichtige Rolle, reichen aber nicht aus,    gnifikant verschlechtert [41, 43–45]. Die-         hat das Klinikpersonal in der Regel
um Kausalität zu belegen. Sie können auf        ser Zusammenhang ist bei der Bewertung             Kenntnis von der zugelosten Thera-
Basis statistischer Verfahren die Prüfung       von Studien (Design, Datenanalyse, Er-             pie (fehlende Verblindung). Auch die
der Konsistenz von Studien unterstützen         gebnisse) zur Auswirkung von EK-Trans-             Erhebung der verschiedenen Studi-
und Schätzungen für die Stärke von Zu-          fusionen zu berücksichtigen.                       enoutcomes erfolgt häufig unverblin-
sammenhängen und das Ausmaß einer                                                                  det [46]. Dies sollte bei der Bewertung
Dosis-Wirkungsbeziehung liefern [38].           2.2.1 Randomisierte klinische                      von Studienergebnissen berücksich-
Darüber hinaus sollte in die Bewertung          Studien                                            tigt werden, insbesondere wenn die
eines möglichen kausalen Zusammen-              1. Die meisten randomisierten Studi-               Möglichkeit/Gefahr besteht, dass die
hanges die Prüfung weiterer Kriterien,             en in der Transfusionsmedizin zie-              Patienten im Nachgang der Transfusi-
z. B. der sogenannten Bradford-Hill-Kri-           len auf die Bewertung der Sicherheit            onen unterschiedlich behandelt wer-
terien (biologische Plausibilität, Spezifität      bzw. auf die Prüfung der Nichtun-               den (performance bias). Die Erhebung
der Assoziation, Reproduzierbarkeit u. a.),        terlegenheit verschiedener Trans-               einiger Endpunkte wie beispielsweise
einfließen [39].                                   fusionsstrategien ab. Dazu werden               die Gesamtmortalität wird allerdings

                                                                  Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8 · 2020   1027
Bekanntmachungen – Amtliche Mitteilungen

          kaum von einer fehlenden Verblin-                hebenden Outcomes nicht mit der             folgt die Variablenselektion allerdings
          dung beeinflusst.                                Indikation für die Transfusion as-          ausschließlich auf Basis statistischer
       3. Ein Großteil der Studien schließt nur            soziiert sind. Dies kann nur in (we-        Assoziationen von Kovariablen und
          eine relativ kleine Zahl von Patien-             nigen) bestimmten Kohorten aus-             Outcome. Nicht selten werden da-
          ten ein. Hier ist empfehlenswert, vor            geschlossen werden, in denen eine           durch Mediator-Variablen (interme-
          allem Studien mit einer intention to             Transfusionsindikation nicht auf            diates) oder non-Confounder in die
          treat-Analyse für die Bewertung her-             einer bereits bestehenden Anämie            Modelladjustierung eingeschlossen,
          anzuziehen. Bei Studien mit niedriger            beruht bzw. davon beeinflusst wird.         was zu fehlerhaften Effektschätzern
          Fallzahl ist die Gefahr einer Verzer-            Für die Bewertung von möglichen             führt (overadjustment bias, unnecessa-
          rung durch Ausschluss von Patienten              negativen Effekten einer Transfusion        ry adjustment) [54].
          wegen Nichteinhaltung des Therapie-              im Sinne einer TRIM sollten in erster
          plans mitunter sehr groß.                        Linie Studien herangezogen werden,       2.2.3 Metaanalysen
       4. Aufgrund der Vielzahl an mögli-                  für die ein indication bias unwahr-      Bei Metaanalysen ist die Prüfung auf ei-
          chen patienten- und behandlungs-                 scheinlich ist.                          nen möglichen Publikationsbias empfeh-
          relevanten Folgen von Operationen,            3. Von entscheidender Bedeutung sind        lenswert. Ferner sollte überprüft werden,
          die durch Transfusionen beeinflusst              die Erhebung möglicher Confoun-          ob die Berechnung eines Gesamtschätzers
          werden können, wurden in den RCTs                der und deren Berücksichtigung bei       auf Studien mit vergleichbaren Interventi-
          mit verschiedenen Transfusionsstra-              der Analyse der Studiendaten. Dies       onen beruht. Beispielsweise erscheint eine
          tegien häufig >10 sekundäre End-                 kann entweder über die Adjustie-         gemeinsame Analyse von Studien mit der
          punkte definiert. Die sich aus mul-              rung multivariabler Modelle mit den      Fragestellung TRIM mit leukozytendeple-
          tiplen Signifikanztests ergebenden               Confoundervariablen realisiert wer-      tierten und leukozytenhaltigen EK wenig
          Limitationen sollten bei der Interpre-           den oder über die Zuordnung eines        sinnvoll. Auch große Unterschiede bei den
          tation der Ergebnisse berücksichtigt             sogenannten propensity score zu allen    Transfusionstriggern zwischen den jewei-
          werden – ebenso wie die Tatsache,                Patienten [50, 51]. Ohne diese statis-   ligen RCTs sollten bei der Interpretation
          dass die Studiengröße/Power für eine             tischen Verfahren ist eine möglichst     berücksichtigt werden. Es ist notwendig,
          valide Betrachtung sekundärer End-               verzerrungsfreie Berechnung von          die Einzelstudien gezielt zu analysieren.
          punkte und für andere post hoc-Ana-              Effektschätzern in Populationen mit      Dies ist bei den Studien zu Transfusions-
          lysen mitunter nicht ausreicht (vgl.             ungleichen Risikoprofilen nicht mög-     nebenwirkungen besonders angeraten,
          [47, 48]).                                       lich.                                    wenn die RCTs nur sehr kleine Fallzah-
                                                           Ein zentrales Problem bei den Be-        len aufweisen.
       2.2.2 Beobachtungsstudien                           obachtungsstudien zu Transfusions-           Für die hier vorgelegte Stellungnahme
       1. Im Gegensatz zu den randomisier-                 auswirkungen ist die bisher nahezu       zur TRIM wurden ausschließlich Studi-
          ten klinischen Studien lässt sich                unberücksichtigte Behandlungsqua-        en bewertet, die leukozytendepletierte
          in Beobachtungstudien ein Ver-                   lität (z. B. Qualifikation und Erfah-    EK untersuchten, da die Leukozytende-
          gleich von Outcomes bei Patienten                rung der Chirurgen) als Confounder,      pletion seit 2001 in Deutschland vorge-
          ohne Transfusion und Patienten mit               der sowohl das Risiko für eine Trans-    schrieben ist und den Standard der kli-
          Transfusion(en) realisieren. In der              fusion als auch für sich anschlie-       nischen Behandlung darstellt. Die Suche
          Vergangenheit wurden vor allem re-               ßende Behandlungskomplikationen          nach Studien erfolgte zum einen über
          trospektive Kohortenstudien zur Un-              beeinflusst [52]. Die Mehrzahl der       medizinische Datenbanken unter Einga-
          tersuchung möglicher TRIM-assozi-                Beobachtungsstudien ist aus diesem       be der relevanten Schlagworte, zum an-
          ierter Auswirkungen durchgeführt.                Grund kaum geeignet, valide Effekt-      deren über die in den systematischen Re-
          Kohortenstudien haben ein geeig-                 schätzer für mögliche transfusionsas-    views eingeschlossenen Studien und den
          netes Design, um das Auftreten so-               soziierte Nebenwirkungen zu liefern.     Bibliotheken der Autoren dieser Stellung-
          genannter „unintended effects“ (Ne-           4. Den statistischen Modellen zur Be-       nahme.
          benwirkungen) zu untersuchen [49].               rechnung möglicher Effekte von
          Untersuchungen zur Gesamtmorta-                  Transfusionen sollten kausale Modelle
          lität und -morbidität nach Bluttrans-            zugrunde liegen, die die strukturel-
          fusion können bei Kohortenstudien                len kausalen Beziehungen zwischen
          allerdings kritisch sein, da bei die-            den Patienten- und Behandlungs-
          sen Outcomes ein „indication bias“               variablen sowie der Exposition und
          („confoundig by indication“, s. unten)           dem Outcome berücksichtigen [53].
          meist nicht ausgeschlossen werden                Mit Hilfe solcher Modelle lassen sich
          kann.                                            a priori Faktoren (Variablen) identi-
       2. Confounding by indication in einer               fizieren, die in dem häufig multifak-
          Beobachtungsstudie kann nur ver-                 toriellen Wirkungsgefüge tatsächlich
          mieden werden, wenn die zu er-                   Confounder darstellen. Häufig er-

1028    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8 · 2020
3. Der Einfluss der Transfusion               dass zumindest ein Dosisunterschied in          ten Transfusionen nicht beurteilt werden
von Erythrozytenkonzentraten                  der Transfusion hinsichtlich einer TRIM         kann.
auf Infektionen und das                       berücksichtigt werden kann.                        Mit Blick auf Infektionen, die im Ver-
klinische Behandlungsergebnis                     Die vorliegenden RCTs wurden mit            lauf der Studie auftraten (Pneumonien und
in unterschiedlichen                          unterschiedlichen Patientengruppen              Wundinfektionen), wurden in den Studien
Patientengruppen                              (z. B. Patienten mit septischem Schock,         (. Tab. 1) zwischen den Studiengruppen
                                              Herzerkrankungen, Schädel-Hirn-Trau-            keine signifikanten Unterschiede gefun-
3.1 Erwachsene Patientinnen und               ma, etc.) durchgeführt, bei denen von ei-       den. Dies betrifft auch andere Endpunkte
Patienten                                     ner unterschiedlich starken Aktivierung         wie den akuten Myokardinfarkt und die
                                              des Immunsystems ausgegangen wird.              Schlaganfallrate.
In diesem Teil der Stellungnahme wurden       Da der Einfluss des Immunstatus auf die            Für die 30-Tage-Mortalität fanden alle
die Studien hinsichtlich der Auswirkun-       mögliche Entwicklung einer TRIM bisher          drei Studien in der intention to treat-Ana-
gen von Transfusionen bei unterschiedli-      nicht geklärt und außerdem aus medizi-          lyse keinen Unterschied zwischen den
chen Patientengruppen betrachtet. Dabei       nischer Sicht relevant für das Outcome          Transfusionsstrategien. Lediglich in der
ist zu beachten, dass die Studien mit dem     nach einer EK-Transfusion ist, wurden           per protocol-Analyse der TRIFE-Studie
Ziel durchgeführt wurden, die Sicherheit      die Studien für die Bewertung nach un-          [61] war die 30-Tage-Mortalität bei libe-
verschiedener Transfusionsstrategien hin-     terschiedlichen Patientengruppen und            ral transfundierten Patienten signifikant
sichtlich klinisch relevanter Endpunkte       Krankheitsentitäten systematisiert. Dies        niedriger.
zu bewerten oder als Machbarkeitsstudi-       erlaubt, bei mehreren vorliegenden Studi-          Zwei weitere RCTs [63, 64] haben bei
en konzipiert waren und nicht der Unter-      en zu einer Patientengruppe bzw. Krank-         orthopädischen Patientinnen und Patien-
suchung einer möglichen TRIM dienten.         heitsentität, die Ergebnisse miteinander        ten Effekte von unterschiedlichen Trans-
Deshalb fokussiert die Analyse insbeson-      zu vergleichen bzw. gemeinsam zu be-            fusionsgrenzwerten untersucht. In diesen
dere auf Infektionen und postinfektiö-        werten.                                         Studien unterschied sich allerdings weder
se Komplikationen, die als Surrogatpara-          Im Folgenden werden die Ergebnisse          die Anzahl transfundierter Personen noch
meter für eine TRIM dienen könnten. Da        für 10 Patientenkollektive dargestellt.         die Menge an EK signifikant in den bei-
auch andere klinische Endpunkte (insbe-                                                       den Gruppen, so dass eine Auswertung
sondere Mortalität) durch Organinfektio-      3.1.1 Patienten nach                            der Studienergebnisse hinsichtlich einer
nen oder (post)infektiöse Komplikationen      orthopädischen Operationen                      TRIM nicht möglich ist.
verursacht sein können, wurden auch die-      (Hüft- oder Kniegelenksersatz,
se Endpunkte in die Betrachtung einbe-        Hüftfrakturen)                                  3.1.2. Onkologische Patienten
zogen.                                        Insgesamt wurden 2500 Patienten in drei         Zu den möglichen Effekten unterschied-
    In erster Linie wurden RCTs heran-        Studien untersucht (. Tab. 1).                  licher Transfusionsgrenzwerte bei onko-
gezogen, um die oben beschriebenen,               Zu den möglichen Effekten unter-            logischen Patientengruppen wurden fünf
durch das Studiendesign möglicherwei-         schiedlicher Transfusionstrigger bei            Studien mit insgesamt 653 Patienten be-
se bedingten Verzerrungen zu begrenzen.       Patientengruppen, die sich orthopä-             trachtet (. Tab. 2).
Studien, in denen eine Patientengruppe        disch-unfallchirurgischen Operationen               In keiner der Studien waren postope-
nicht transfundiert (Placebo) und mit ei-     unterzogen, wurden sieben Publikatio-           rative Infektionen als primärer Endpunkt
ner Transfusionsgruppe verglichen wird,       nen von drei Studien betrachtet. Primä-         definiert. Lediglich eine Studie [67] erfass-
sind aus medizinethischen Gründen nur         res Studienziel war in allen Studien die        te das Auftreten von Infektionen als se-
schwer durchführbar. Nur zwei solche          Wiederherstellung der Mobilität. Als se-        kundäres Outcome. In dieser Studie fand
Studien mit dieser Fragestellung konn-        kundäre Endpunkte oder im Rahmen                sich kein Unterschied zwischen liberaler
ten identifiziert werden [55, 56]. Daher      von post hoc-Analysen wurden auch Un-           und restriktiver Transfusionsgruppe hin-
wurden für die Bewertung in erster Linie      terschiede im Auftreten von Infektionen         sichtlich der Gesamtinzidenz von Infek-
Studien herangezogen, die zwei unter-         bzw. die Gesamtmortalität, Liegedauer           tionen. In 6 Unterkategorien infektiöser
schiedliche Hb-Konzentration als Trans-       oder andere Parametern bewertet. Zu be-         Komplikationen wurden keine Inzidenz-
fusionsgrenzwerte („liberale“ vs. „restrik-   achten ist, dass die Randomisierung für         unterschiede beobachtet. Lediglich abdo-
tive“ Transfusionsstrategie) untersuchten.    einen bestimmten Transfusionstrigger in         minelle Infektionen traten in der restrikti-
Dieser Ansatz ist auch insofern plausibel,    allen betrachteten Studien erst postopera-      ven Gruppe signifikant häufiger auf.
als dass die Methodik die Entscheidungs-      tiv erfolgte, so dass die Auswirkung einer          Neben zwei Machbarkeitsstudien [65,
situation des klinischen Alltags widerspie-   prä- oder intraoperativen Transfusion un-       68] und einer Studie [66], die nach Ein-
gelt („Bei welchem Hb-Wert transfundie-       berücksichtigt bleibt. Dies ist insbesonde-     schluss von 6 Patienten wegen nicht-in-
re ich die Patientin bzw. den Patienten?“).   re mit Blick auf Parameter, die mit einem       fektiöser Komplikationen in der libe-
In fast allen Studien mit diesem Design       deutlichen zeitlichen Abstand gemessen          ral transfundierten Gruppe abgebrochen
wurden Patientinnen und Patienten im          wurden, von Relevanz, da der Einfluss der       wurde, untersuchte eine Studie ein Com-
liberalen Transfusionsarm erwartungs-         nicht der Randomisierung unterliegen-           posit-Outcome aus 30-Tage-Mortalität
gemäß signifikant mehr transfundiert, so      den prä- oder intraoperativ verabreich-         und/oder schweren klinischen Kompli-

                                                                Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8 · 2020    1029
Bekanntmachungen – Amtliche Mitteilungen

        Tab. 1 Studiencharakteristika und Ergebnisse von RCT zu Auswirkungen von EK-Transfusionen bei Patienten nach orthopädischen Operationen
        Studie(n)             Carson 2011 [57] (+Carson 2015) [58]
        Patientenkollektiv    Hüftfraktur
                              n = 2016
        Studienziel           Test der Hypothese, dass Hb ≥ 10 g/dl funktionelle Wiederherstellung verbessert und Mortalität/Morbidität reduziert
                              Primäroutcome: Tod oder Unfähigkeit zum selbständigen Gehen nach 60 Tagen
                              Sekundäroutcome: Composite aus Tod, Myokardinfarkt und instabiler Angina pectoris
                              Tertiäroutcome: 30-Tage-Morbidität inkl. Pneumonie, Wundinfektion
        Transfusionstrigger   8 Hb vs. 10 g/dl
                              postoperativ
        Ergebnisse            Keine signifikanten Unterschiede:
                              Infektionen: Pneumonie, Wundinfektion
                              Tod, Mobilität, Entlassungszeitpunkt, Körperlicher Aktivitäts- oder Fatigue-Score (Carson 2011)
                              3-Jahres-Mortalität,
                              Todesursachen (kardiovaskuläre Erkrankungen, Malignome, Schlaganfall, Demenz, Lungenerkrankung, andere oder unbekannte
                              Gründe),
                              Mortalität in der Subgruppe von Patienten mit Krebsanamnese (Carson 2015)
        Kommentar             Signifikant häufigere Gründe für Transfusion in der restriktiven Gruppe: schneller Blutverlust, Herzinsuffizienz, Tachykardie oder
                              Hypotension
                              Randomisierung für liberale oder restriktive Transfusionsstrategie erst postoperativ. Prä- bzw. intraoperativ kein signifikanter
                              Unterschied in der Transfusionshäufigkeit in beiden Gruppen
        Studie(n)             Parker 2013 [59]
        Patientenkollektiv    Hüftfraktur, ≥60 Jahre und postoperativer Hb 8–9,5 g/dl
                              n = 200
        Studienziel           Non-inferior study für Transfusion bei Anämiesymptomatik
                              Primäroutcome: Mobilität
        Intervention          Transfusion vs. Transfusion nur bei Anämiesymptomatik
                              postoperativ
        Ergebnisse            Keine signifikanten Unterschiede:
                              Infektionen: Pneumonie, Clostridien-Diarrhö, Wundinfektion, Septikämie mit septischem Schock
                              Alle anderen Parameter bzw. Komplikationen (z. B. Mobilitätsscore, Liegezeit)
        Kommentar             Power für Mortalitätsanalyse nicht ausreichend
        Studie(n)             TRIFE (Gregersen 2015 [48, 60, 61], Blandfort 2017 [62])
        Patientenkollektiv    Hüftfraktur bei geriatrischen Patienten
                              n = 284
        Studienziel           Physische Rehabilitation und Gesamtmortalität
        Transfusionstrigger   9,7 Hb vs. 11,3 g/dl
        Ergebnisse            Keine signifikanten Unterschiede:
                              Infektionen: Pneumonie, Harnwegsinfektionen, andere Infektionen
                              Signifikante Unterschiede:
                              In liberal transfundierter Gruppe:
                              Geringere Rate an Delir an Tag 10
                              30-Tage-Mortalität in per-protokoll-Analyse geringer (kein Mortalitätsunterschied bei intention-to-treat-Analyse)
                              Bessere Rehabilitation nach 1 Jahr (modifizierter Barthel-Index)
        Kommentar             Keine Angaben zu Transfusionen vor postoperativer Randomisierung
                              Problem des multiplen Testens durch Auswertung zahlreicher (post-hoc-) Analysen
                              Analyse der Infektionsinzidenzen ohne ausreichende Power
                              Einschränkung der Interpretierbarkeit der 1-Jahres-Ergebnisse durch hohe Sterblichkeit in der Patientenkohorte

       kationen als primären Endpunkt [67],                [69] nur die 90-Tage-Mortalität. Die Stu-              sachte Reaktion verstanden werden könn-
       eine weitere Studie [69] die 28-Tage Mor-           die von DeZern et al. [68], die Leukämie-              te, einen Unterschied zwischen den Studi-
       talität in beiden Gruppen. In diesen bei-           patienten untersuchte, wies bei keinem                 engruppen auf.
       den Studien war die Sterblichkeit in der            Endpunkt, auch nicht bei Episoden neu-                     Bei den Studien mit onkochirurgischen
       liberal transfundierten Gruppe signifikant          tropenischen Fiebers, das eventuell noch               Patienten erfasste nur eine Studie postope-
       niedriger – allerdings bei Bergamin et al.          am ehesten als eine immunologisch verur-               rative Infektionen, die keinen Hinweis auf

1030    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8 · 2020
Tab. 2 Studiencharakteristika
       (Fortsetzung)          und Ergebnisse von RCT zu Auswirkungen von EK-Transfusionen bei onkologischen Patienten
Studie(n)             Webert 2008 [65]
Patientenkollektiv    Akute Leukämie und Induktionschemotherapie oder Stammzelltransplantation
                      n = 60
Studienziel           Machbarkeitsstudie für multizentrisches RCT
                      Überprüfung der Rekrutierungsstrategie und der Eignung des Transfusionskriteriums als Exposition, Dokumentation von Blutungen
                      Infektionen in Studie nicht untersucht
Transfusionstrigger   8 Hb vs. 12 g/dl
Ergebnisse            Keine signifikanten Unterschiede:
                      Mediane Zeit bis zur ersten Blutung bzw. bis zur ersten klinisch signifikanten Blutung
                      Häufigkeit klinisch signifikanter Blutungen
Kommentar             Kein Unterschied im Anteil der Personen mit EK-Transfusion
                      Signifikante Unterschiede nur bei EK-Menge und Transfusionen/Patiententag
Studie(n)             Robitaille 2013 [66]
Patientenkollektiv    Kinder mit allogener Stammzelltransplantation
                      n =6
Studienziel           Untersuchung der Auswirkungen eines höheren Hb-Triggers auf Normalisierung der Granulozyten-Zahl
Intervention          7 Hb vs. 12 g/dl
Ergebnisse            Vermehrt veno-okklusive Erkrankung bei liberal transfundierten Kindern (0 vs. 3 Patienten, p = 0,05)
Kommentar             Studie wegen der Entwicklung einer veno-okklusiven Erkrankung bei allen 3 Patienten der liberalen Gruppe abgebrochen.
                      Alle 6 Patienten wurden transfundiert. Neben der größeren EK-Menge in der liberalen Gruppe unterschieden sich die Gruppen
                      auch in anderen Risikofaktoren für eine veno-okklusive Erkrankung
Studie(n)             De Almeida 2015 [67]
Patientenkollektiv    Gastrointestinale Onkochirurgie
                      n = 198
Studienziel           Superior study für restriktive Strategie für Mortalität und schwere klinische Komplikationen (30 Tage)
Transfusionstrigger   7 Hb vs. 9 g/dl
                      postoperativ
Ergebnisse            Signifikante Unterschiede:
                      abdominelle Infektionen seltener bei liberaler Transfusion,
                      kombinierter Endpunkt aus 30-Tage-Morbidität und -Mortalität, 30-Tage-Mortalität und kardiovaskuläre Komplikationen gerin-
                      ger bei liberaler Transfusion
                      Keine signifikanten Unterschiede:
                      Neue Infektionen, Lungen- oder Nierenversagen, septischer Schock, Beatmungsdauer, Vasopressorenbedarf, Wiederaufnahmera-
                      te Intensivstation, Liegedauer
Kommentar             Kein Unterschied bei prä-/intraoperativen Transfusionen
Studie(n)             DeZern 2016 [68]
Patientenkollektiv    Akute Leukämie
                      n = 89
Studienziel           Feasibility-Studie zur Vorbereitung einer multizentrischen Studie.
                      Prüfung Effektivität der Rekrutierung, physiologische Toleranz gegenüber niedrigem Trigger, Gruppenwechsel, Sicherheit
                      Infektionen in Studie nicht untersucht
Intervention          7 Hb vs. 8 g/dl
Ergebnisse            Keine signifikanten Unterschiede:
                      Mortalität, Länge der Krankenhaus-Liegezeit, Fatigue-Scores, Blutungsereignisse, Episoden neutropenischen Fiebers und Anspre-
                      chen auf die Chemotherapie
Kommentar             Keine Angaben zum Anteil transfundierter Patienten
                      Signifikanter Unterschied bei der medianen EK-Anzahl 8 vs. 10
Studie(n)             Bergamin 2017 [69]
Patientenkollektiv    Onkologische Patienten mit septischem Schock
                      n = 300
Studienziel           Superiority trial:
                      Restriktive Strategie verringert 28-Tage Mortalität
                      Infektionen in Studie nicht untersucht

                                                                        Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8 · 2020    1031
Bekanntmachungen – Amtliche Mitteilungen

        Tab. 2 (Fortsetzung)
        Studie(n)              Webert 2008
                               Bergamin    [65]
                                        2017 [69]
        Transfusionstrigger    7 Hb vs. 9 g/dl
        Ergebnisse             Signifikanter Unterschied:
                               90 Tage-Mortalität bei liberaler Strategie geringer
                               Keine signifikanten Unterschiede:
                               28-Tage-Mortalität, Beatmungsdauer, Nierenersatzverfahren, Bedarf an inotropen Medikamenten, Myokardinfarktrate, Schlagan-
                               fallrate, Extremitätenischämie, Darmischämie, Intensivstation-Wiederaufnahmerate, Krankenhaus-Liegezeit
        Kommentar              Im Median 1 Transfusion mehr im liberalen Transfusionsarm verabreicht (p = 0,001)

        Tab. 3 Studiencharakteristika und Ergebnisse von RCT zu Auswirkungen von EK-Transfusionen bei neurologischen Intensivpatienten
        Studie(n)              Naidech 2010 [71]
        Patientenkollektiv     Subarachnoidalblutung
                               n = 44
        Studienziel            Machbarkeit und Sicherheit von höherem Hb
                               Hypothesen:
                               Hb ≥ 11,5 g/dl erhöht nicht die Anzahl der Fiebertage >38 °C bzw. verringert nicht die Anzahl beatmungsfreier Tage (Sicherheit)
                               Höherer Hb-Zielwert führt zu höherem Hb im Studienzeitraum (Machbarkeit)
        Intervention           Ziel-Hb: 10 vs. 11,5 g/dl
        Ergebnisse             Keine signifikanten Unterschiede:
                               Fiebertage, respiratorische Insuffizienz, Schlaganfallrate, NIH-Stroke Scale Score an Tag 14, körperliche Unabhängigkeit nach der
                               modifizierten Rankin-Skala an Tag 14 und an Tag 28; beatmungsfreie Tage; Lungenödem, symptomatische Vasospasmen
        Kommentar              Pilotstudie
                               Kein signifikanter Unterschied im Anteil der transfundierten Patienten, Signifikanter Unterschied nur bei medianer EK-Menge (2
                               vs. 3; p < 0,05)
        Studie(n)              Robertson 2014 [72]
        Patientenkollektiv     Schädel-Hirn-Trauma
                               n = 200
        Studienziel            1. Bewertung Einfluss Erythropoietin auf neurologisches Outcome
                               2. Vorteile eines Hb von 10 g/dl überwiegen Transfusionsrisiken
                               Primäroutcome: Glasgow Outcome Score
                               Primäres Sicherheitsoutcome: Mortalität, ARDS, Infektionen
        Transfusionstrigger    7 Hb vs. 10 g/dl
        Ergebnisse             Keine signifikanten Unterschiede:
                               Infektiöse Komplikationen: Pneumonie, Harnwegsinfekte, Ventrikulitis und Bakteriämien
                               Glasgow Outcome Score nach 6 Monaten, Grad der körperlichen Einschränkung, Lungenversagen (ARDS)
                               Signifikante Unterschiede:
                               Thromboembolische Komplikationen (Lungenembolie und/oder Beinvenenthrombose) häufiger in der liberal transfundierten
                               Gruppe
        Kommentar              2 × 2-faktorielles Design
                               (Transfusionstrigger 7 vs. 10 g/dL und Erythropoietin vs. Placebo)

       eine erhöhte Infektionsinzidenz bei liberaler       mie-Symptomskalen. Eine Auswertung                    diesen Studien nicht unterschiedlich. In ei-
       Transfusionsstrategie gab. Für die Mortali-         hinsichtlich möglicher TRIM ist nicht                 ner Studie [72] fand sich in einer post hoc-
       tät/schwere Komplikationen zeigte sich in           sinnvoll.                                             Analyse, dass die Rate thromboembolischer
       dieser Patientengruppe bei liberaler Trans-                                                               Komplikationen (Lungenembolie, tiefe
       fusionsstrategie insgesamt eine geringere           3.1.3 Neurologische                                   Beinvenenthrombose) im liberalen Trans-
       Mortalität.                                         Intensivpatienten                                     fusionsarm erhöht war. Dies steht jedoch
          Eine weitere Studie [70] hat in einem               Zu den möglichen Effekten unter-                   aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit ei-
       RCT Effekte von unterschiedlichen Trans-            schiedlicher Transfusionstrigger bei neu-             ner TRIM in Zusammenhang.
       fusionsgrenzwerten bei onkologischen                rologischen Intensivpatienten wurden                      Ein weiteres RCT bei neurointensiv-
       Patienten untersucht. In dieser Mach-               zwei Studien mit insgesamt 244 Patienten              medizinischen Patienten [73] untersuch-
       barkeitsstudie wurde die Lebensqualität             betrachtet (. Tab. 3).                                te vergleichend die Messung der Sau-
       der Patienten untersucht, z. T. mit selbst             Die infektiösen Komplikationen bei                 erstoffsättigung bzw. einen Hb-Trigger
       auszufüllenden Fragebögen und Anä-                  neurologischen Intensivpatienten waren in             (8,6 g/dl) zur Transfusion. Primäres Stu-

1032    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8 · 2020
Tab. 4 Studiencharakteristika und Ergebnisse eines RCT zu Auswirkungen von EK-Transfusionen bei Patienten mit oberen gastrointestinalen
 Blutungen
 Studie(n)              Villanueva 2013 [74]
 Patientenkollektiv     Obere gastrointestinale Blutung
                        n = 921
 Studienziel            Superior Studie für restriktive Strategie
                        Primäroutcome: 45-Tage-Mortalität (alle Ursachen)
                        Sekundäroutcomes: Blutungsrate, Komplikationsrate (assoziiert mit aktiver Therapie und/oder Krankenhaus-Aufenthaltsverlän-
                        gerung)
 Transfusionstrigger    7 Hb vs. 9 g/dl
 Ergebnisse             Keine signifikanten Unterschiede:
                        Infektionen einschließlich nosokomialer Infektionen
                        Schlaganfall, Akutes Koronarsyndrom, Nierenversagen,
                        Signifikante Gruppenunterschiede:
                        45-Tage-Mortalität, Komplikationen, Reblutungsrate Transfusionsreaktionen, transfusion-associated cardiac overload (TACO),
                        kardiale Komplikationen und Krankenhaus-Liegezeit schlechter bei liberalem Transfusionsregime
 Kommentar              Besonders stark erhöhte Mortalität liberal transfundierter Patienten bei Leberzirrhose Child Pugh A oder B.
                        Anstieg des hepato-venösen Druckgradienten innerhalb der ersten 2–3 Tage nur bei liberal transfundierten Patienten.
                        Tendenziell höhere Volumengabe bei liberal transfundierten Patienten

dienziel war die Erfassung der Transfusi-          fundierten Patienten und eine höhere In-            tät) im liberalen Transfusionsarm signifi-
onen, die im Hb-Trigger-Arm signifikant            zidenz von Volumenüberladung (TACO).                kant niedriger.
höher lag. Für die ebenfalls untersuchten              Eine weitere große prospektive ran-                 Auch Metaanalysen randomisierter
klinischen Outcomes, wie Dauer der In-             domisierte Studie mit 936 Patienten [75]            Studien mit herzchirurgischen Patienten
tensivbehandlung oder Mortalität, reich-           untersuchte im Rahmen einer Machbar-                [80, 81], bei denen in älteren Studien zum
te die Power der Studie nicht aus. Daher           keitsstudie auch die 28-Tage Mortalität             Teil noch nicht-leukozytendepletierte EK
wird sie nicht in die Gesamtbewertung              sowie weitere klinische Auswirkungen                transfundiert wurden, zeigen keine Un-
hinsichtlich TRIM einbezogen.                      einschließlich Infektionen. Da die Unter-           terschiede bei Morbidität oder Mortalität.
                                                   suchung weder einen signifikanten Un-                   Ein weiteres RCT [82] untersuchte
3.1.4 Patienten mit oberer                         terschied beim Anteil transfundierter Pa-           den Gerinnungsstatus in Anhängigkeit
gastrointestinaler Blutung                         tienten (46 % vs. 33 %, p = 0,23) noch beim         vom Transfusionstrigger und adressierte
Zu den möglichen Effekten unterschied-             durchschnittlichen Transfusionsbedarf               als weitere Komplikationen in erster Linie
licher Transfusionstrigger bei Intensiv-           (1,9 EKs vs. 1,2 EKs, p = 0,12) in der libe-        Blutungen und keine möglichen TRIM-
patientinnen und -patienten mit einer              ralen und restriktiven Gruppe aufwies, ist          Effekte der Transfusion.
oberen gastrointestinalen Blutung wurde            sie für die Bewertung der Ergebnisse hin-
eine Studie mit insgesamt 921 Patienten            sichtlich TRIM ungeeignet.                          3.1.6 Patienten mit akutem oder
betrachtet (. Tab. 4).                                                                                 stabilem Koronarsyndrom
    In dieser Studie zeigte sich kein signifi-     3.1.5 Patienten der Hochrisiko- und                 Zu den möglichen Effekten unterschied-
kanter Unterschied in der Häufigkeit von In-       elektiven Herzchirurgie                             licher Transfusionstrigger bei Patienten
fektionen zwischen den Studiengruppen. Je-         Insgesamt wurden 7947 Patienten in vier             mit akutem oder stabilem Koronarsyn-
doch war die 45-Tage-Mortalität der liberal        Studien untersucht, in der Pilotstudie von          drom wurden in zwei Pilotstudien insge-
transfundierten Gruppe signifikant höher.          Shehata et al. [76] speziell elektive Patien-       samt 155 Patienten betrachtet (. Tab. 6).
    Gleiches gilt für weitere untersuchte          ten (n = 50) mit einem Hoch-Risikoprofil               Die Rate von infektiösen Komplikatio-
Endpunkte (z. B. Reblutungsrate, Kran-             für perioperative Komorbidität oder Mor-            nen wie Pneumonien und Bakteriämien
kenhausliegezeit, thromboembolische                talität (. Tab. 5).                                 war in der Studie von Carson et al. [84]
und ischämische Komplikationen).                       Die Rate infektiöser Komplikationen             nicht signifikant verschieden. In der Studie
    Bei der Interpretation dieser Studien-         wies in allen Studien, die diesen Endpunkt          von Cooper et al. [83] wurde die Infekti-
daten sollte beachtet werden, dass die li-         untersuchten, ebenso wie alle anderen klini-        onshäufigkeit nicht erfasst.
berale Transfusionsgruppe zusätzlich zu            schen Endpunkte keinen Unterschied zwi-                In der Studie von Cooper et al. [83]
dem höheren Transfusionsvolumen an                 schen den Studienarmen auf.                         zeigte sich ein signifikanter Unterschied
EK auch tendenziell mehr sonstige Volu-                Die Mortalität war in allen Studien             bezüglich des primären klinischen Si-
mentherapie erhalten hatte, welches das            bezogen auf den primären Studienzeit-               cherheitsendpunktes (kombiniert Kran-
Risiko einer Nachblutung und der Mor-              raum nicht unterschiedlich. In der Studie           kenhaus-Mortalität, erneuter Myo-
talität beeinflusst haben könnte. Hierfür          von Murphy et al. [77] war als sekundär-            kardinfarkt, neue oder verschlechterte
spricht auch ein Anstieg des hepato-venö-          er Endpunkt die 90-Tage-Mortalität (bei             Herzinsuffizienz), der hauptsächlich auf
sen Druckgradienten nur bei liberal trans-         nicht unterschiedlicher 30-Tage-Mortali-            einen höheren Anteil an neuer oder ver-

                                                                        Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8 · 2020    1033
Bekanntmachungen – Amtliche Mitteilungen

       Tab. 5 Studiencharakteristika und Ergebnisse von RCT zu Auswirkungen von EK-Transfusionen bei Patienten der Hochrisiko- und elektiven
       Herzchirurgie
       Studie(n)             Shehata 2012 [76]
       Patientenkollektiv    Hoch-Risiko herzchirurgische Patienten
                             n = 50
       Studienziel           Feasibility-Studie
                             Primär: Adhärenz zu Transfusionstriggern
                             Sekundär: Mortalität (alle Ursachen), Aufenthaltsdauer
       Transfusionstrigger   Intraoperativ: 7 Hb vs. 9,5 g/dL
                             Postoperativ: 7,5 Hb vs. 10 g/dL
       Ergebnisse            Keine signifikanten Unterschiede:
                             Infektionen: Pneumonie, Sepsis
                             Katecholaminbedarf >24 h, postoperativer Myokardinfarkt, Nierenfunktion, Schlaganfall, Lungenembolie/Beinvenenthrombose,
                             Multiorganversagen, Reintubationsrate, Intubation >48 h, Krankenhaus-Liegezeit >11 Tage, Intensivstation-Liegezeit >4 Tage,
                             durchschnittliche Krankenhaus-Liegezeit
       Kommentar             –
       Studie(n)             Murphy 2015 [77]
       Patientenkollektiv    Herzchirurgie
                             n = 2003
       Studienziel           Primäroutcome: Composite aus postoperativen Infektionen und Ischämien
                             Sekundäroutcomes: 90-Tage-Mortalität, einzelne Organkomplikationen, Liegezeit und Kosteneffektivität
       Transfusionstrigger   7,5 Hb vs. 9 g/dl
       Ergebnisse            Keine signifikanten Unterschiede:
                             Kombinierter Endpunkt (schwere Infektion oder ischämisches Ereignis), infektiöses Ereignis, Sepsis, Wundinfektion,
                             Ischämisches Ereignis, Schlaganfall, Myokardinfarkt, Mesenterialinfarkt, akute Nierenschädigung, Liegezeit, klinisch signifikante
                             pulmonale Komplikationen
                             Signifikanter Unterschied:
                             90 Tage-Mortalität niedriger bei liberaler Transfusionsstrategie
       Kommentar             –
       Studie(n)             Mazer 2017 [78]
       Patientenkollektiv    Herzchirurgie
                             n = 5092
       Studienziel           Non inferiority-Studie für restriktive Transfusion
                             Primäroutcome: Composite aus Tod, Herzversagen und Nierenversagen
                             Sekundäroutcomes: Infektionen und diverse Faktoren wie Liegezeit, Delir
       Transfusionstrigger   7,5 Hb vs. 9,5 g/dl intraoperativ und auf Intensivstation;
                             7,5 Hb vs. 8,5 g/dl auf Normalstation
       Ergebnisse            Keine signifikanten Unterschiede:
                             Infektionsrate (sekundärer Endpunkt)
                             kombinierter Endpunkt (Primäroutcome) sowie alle sekundären Endpunkte: Intensivstation-Behandlungsdauer, Hospitalisierungs-
                             zeit, Beatmungsdauer, Herzzeitvolumen, Darmischämie, akute Nierenschädigung, Krampfanfälle, Delirium und Enzephalopathien
       Kommentar             Auch in Subgruppenanalyse wurden keine Unterschiede beobachtet (ältere Patienten, Diabetes, Operationsart, chronische Atem-
                             wegserkrankung, Nierenerkrankung, Geschlecht, linksventrikuläre Funktion)
       Studie(n)             Koch 2017 [79]
       Patientenkollektiv    Herzchirurgie
                             n = 722
       Studienziel           Non-Inferior Studie für restriktive Strategie
                             Morbidität, Mortalität, EK-Gebrauch
       Transfusionstrigger   Hämatokrit 24 % vs. 28 %
       Ergebnisse            Keine signifikanten Unterschiede:
                             Infektionen
                             Kombinierter Endpunkt aus Mortalität und Morbidität, neurologische Komplikationen, pulmonale Komplikationen, Nierenversa-
                             gen, Beatmungspflicht über mehr als 24 h, Intensiv- oder Krankenhausbehandlungsdauer
       Kommentar             Nach persönlicher Mitteilung des Autors waren alle EK leukozytendepletiert.
                             Die Studie wurde wegen fehlender Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen (a priori definierte Futility Grenze) vorzeitig
                             abgebrochen

1034   Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8 · 2020
Tab. 6 Studiencharakteristika und Ergebnisse von RCT zu Auswirkungen von EK-Transfusionen bei Patienten mit akutem oder stabilem
 Koronar­syndrom
 Studie(n)              Cooper 2011 [83]
 Patientenkollektiv     Akuter Myokardinfarkt
                        n = 45
 Studienziel            Primäroutcomes: Anzahl EK, Hämatokrit,
                        Tod, Re-Infarkt, Herzinsuffizienz (als Composite)
                        Infektionen nicht untersucht
 Transfusionstrigger    8 Hb vs. 10 g/d
 Ergebnisse             Signifikante Unterschiede:
                        Primärer Sicherheitsendpunkt (kombiniert Krankenhaus-Mortalität, erneuter Myokardinfarkt, neue oder verschlechterte Herzin-
                        suffizienz) schlechter bei liberal transfundierten Patienten
                        Kein Signifikanter Unterschied:
                        30-Tage-Mortalität
 Kommentar              Pilotstudie, keine Angaben zur Volumentherapie
                        Liberal transfundierte Patienten waren im Mittel älter und wiesen mehr Vorerkrankungen bzw. schwerere Krankheitsstadien auf
 Studie(n)              Carson 2013 [84]
 Patientenkollektiv     Akutes Koronarsyndrom oder stabile Angina pectoris und
                        Hb < 10 g/dl
                        n = 110
 Studienziel            Primäroutcome: Composite aus Tod, Reinfarkt und ungeplanter Angioplastie
                        Sekundäroutcomes: Pneumonie, Bakteriämie und andere nicht-infektiöse klinische Komplikationen
 Transfusionstrigger    8 Hb vs. 10 g/dl
 Ergebnisse             Keine signifikanten Unterschiede:
                        Infektionen: Pneumonie und Bakteriämie
                        Kombinierte Endpunkt (Tod, Myokardinfarkt und instabile Angina pectoris), Myokardinfarkt, ungeplante koronare Revaskularisa-
                        tion, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, Stentthrombose, Lungenembolie oder Beinvenenthrombose
                        Signifikanter Unterschied:
                        30-Tage Mortalität niedriger bei liberal Transfundierten
 Kommentar              Multizentrische Pilotstudie; Patientenalter in der restriktiven Gruppe höher (im Median 7 Jahre).
                        Leukozytendepletion von 92 bzw. 95 % der transfundierten EK

schlechterter Herzinsuffizienz in der li-           Vergleich Transfusion versus abwarten-                3.1.9 Patienten mit septischem
beralen Gruppe zurückzuführen war.                  de Strategie bzw. versus i. v. Eisen einge-           Schock
Ob sich der Unterschied möglicherweise              schlossen (. Tab. 7).                                 Dieses Krankheitsbild wurde in einer Stu-
durch das höhere Alter und die häufige-                In der Studie von Prick et al. [56] zeigten        die untersucht (. Tab. 9).
ren Vorerkrankungen bei den Patientin-              sich keine Unterschiede im Auftreten von                  Der Einfluss eines Transfusionsregimes
nen und Patienten der liberalen Gruppe              Infektionen bzw. infektiösen Komplikatio-             auf das Auftreten von infektiösen Kom-
erklären lassen, haben die Autoren nicht            nen. Infektiöse Komplikationen wurden in              plikationen bei Patienten mit septischem
untersucht. Die 30-Tage-Mortalität unter-           der Studie von Holm et al. [55] nicht als             Schock kann anhand dieser Studie nicht be-
schied sich in den beiden Gruppen nicht.            Endpunkt untersucht.                                  urteilt werden, da infektiöse Komplikatio-
    In der Studie von Carson et al. [84] tra-                                                             nen nicht als Studienendpunkte untersucht
ten in der liberalen Gruppe weniger Er-             3.1.8 Patienten mit                                   wurden. Weder die 90-Tage-Mortalität als
eignisse des primären Outcomes (Kom-                respiratorischer Insuffizienz und                     primärer Studienendpunkt noch die weite-
binierter Endpunkt 30-Tage-Mortalität/              Beatmungspflichtigkeit                                ren klinischen Endpunkte zeigten einen Un-
Myokardinfarkt/Revaskularisation) auf –             Eine Studie untersuchte 100 Patienten                 terschied zwischen den Gruppen.
bei der 30-Tage-Mortalität war der Unter-           mit prolongierter Beatmungspflichtigkeit
schied signifikant. Ein möglicher Einfluss          (. Tab. 8).                                           3.1.10 Patienten mit schweren
des höheren Durchschnittalters in der re-              Das Auftreten von infektiösen Komplika-            Verbrennungen
striktiven Behandlungsgruppe kann nicht             tionen wurde in dieser Studie nicht unter-            In einer multizentrischen Studie wurden
ausgeschlossen werden.                              sucht. Die Zahl antibiotikafreier Tage war            345 Patienten mit Verbrennung von min-
                                                    wie die weiteren klinischen Endpunkte (In-            destens 20 % der Körperoberfläche unter-
3.1.7 Patientinnen mit postpartaler                 tensivstation- und Krankenhausliegezeit,              sucht (. Tab. 10).
Anämie                                              beatmungsfreie Tage innerhalb von 60 Ta-                 Obwohl liberal transfundierte Patien-
534 Patientinnen mit einer postparta-               gen Beobachtungszeitraum etc.) nicht unter-           ten etwa die doppelte Anzahl Erythrozy-
len Anämie wurden in zwei Studien zum               schiedlich zwischen den Transfusionsarmen.            tenkonzentrate erhielten, zeigten sich keine

                                                                            Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8 · 2020   1035
Bekanntmachungen – Amtliche Mitteilungen

        Tab. 7 Studiencharakteristika und Ergebnisse von RCT zu Auswirkungen von EK-Transfusionen bei Patientinnen mit postpartaler Anämie
        Studie(n)             Prick 2014 [56]
        Patientenkollektiv    Postpartale Anämie 4,8–7,9 g/dL
                              n = 521
        Studienziel           Non-inferiority trial
                              Primäres Outcome: Physical fatigue
        Intervention          Transfusion vs. Abwarten und keine Transfusion
        Ergebnisse            Keine signifikanten Unterschiede:
                              Spezifische Infektionshäufigkeiten (Wundinfektion, Endometritis, Harnwegsinfektion, lokale Infektion)
                              Signifikanter Unterschied:
                              Körperlicher Fatigue Score an Tag 3 und 7 nach der Geburt niedriger bei liberaler Transfusion
        Kommentar             Klinische Bedeutung der Unterschiede im Fatigue-Score ist gering
        Studie(n)             Holm 2017 [55]
        Patientenkollektiv    Postpartale Anämie
                              Blutverlust >1000 mL, Hb 5,6–8,1 g/dL
                              n = 13
        Studienziel           Machbarkeitsstudie
                              Primäres Outcome: Physical Fatigue Score
                              Sekundäroutcomes: Erschöpfung, Depression, Laborparameter
        Intervention          Eisen i.v. vs. Transfusion
        Ergebnisse            Keine signifikanten Unterschiede:
                              primäres Outcome
                              Ein Fall von Fieber in der transfundierten Gruppe
        Kommentar             –

        Tab. 8 Studiencharakteristika und Ergebnisse von RCT zu Auswirkungen von EK-Transfusionen bei Patienten mit respiratorischer Insuffizienz
        und Beatmungspflichtigkeit
        Studie(n)             Walsh 2013 [85]
        Patientenkollektiv    Patienten ≥55 Jahre und ≥4 Tage Beatmung
                              n = 100
        Studienziel           Machbarkeitsstudie
                              Primäres Outcome: Unterschied in Hb-Konzentration
                              Sekundäre Outcomes: Mortalität, beatmungsfreie Zeit, antibiotikafreie Zeit, Health related Quality of Life (HRQoL), körperliche
                              Funktion
                              Infektionen nicht untersucht
        Transfusionstrigger   7 Hb vs. 9 g/dl
        Ergebnisse            Keine signifikanten Unterschiede:
                              Mortalität, Intensivstation- und Krankenhaus-Liegezeit, Beatmungs- und Antibiotika-freie Tage innerhalb von 60 Tagen, River-
                              mead-Mobilitätsindex, SF-12 physischer Funktions- und mentaler Komponentenscore sowie Rate an akuten Koronarsyndromen
                              und thromboembolischen Komplikationen
        Kommentar             Pilotstudie
                              69 % der Patienten hatten bereits EK während des Aufenthalts erhalten

       signifikanten Unterschiede bei den infekti-         keine konsistenten und signifikant erhöh-            infektiösen Komplikationen, die als Sur-
       ösen Komplikationen (Bakteriämie, Pneu-             te Raten an Infektionen oder (post)infek-            rogatparameter einer TRIM gewertet wer-
       monie- und Wundinfektionsrate) oder bei             tiösen Komplikationen bei liberal trans-             den könnten, über- oder unterlegen war.
       Mortalität oder Morbidität im Vergleich zu          fundierten Patienten als mögliche direkte               Auch eine umfassende Metaanalyse der
       restriktiv transfundierten Patienten.               Folge einer TRIM, sofern diese Endpunk-              Cochrane-Library, die jedoch auch Studi-
                                                           te untersucht wurden.                                en mit nicht-leukozytendepletierten EK
       3.1.11 Zusammenfassung                                  Aus den Studien gibt es nach gegen-              einschloss, fand bei Analyse von 31 ran-
       Die Ergebnisse von 22 prospektiven RCTs             wärtiger Datenlage keinen Hinweis da-                domisierten Studien mit insgesamt 12.587
       mit 12.974 Patientinnen und Patienten in            rauf, dass eine liberale oder restriktive            Patienten keine Unterschiede im Outcome
       10 unterschiedlichen Behandlungsgrup-               Transfusionsbehandlung im Hinblick auf               von liberal und restriktiv transfundierten
       pen/Indikationen bei Erwachsenen zeigen             das Auftreten von Infektionen oder (post)            Patienten, insbesondere keine Unterschie-

1036    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8 · 2020
Sie können auch lesen