Prognostischer Wert einer perkutanen Koronarinter-vention bei Patienten mit stabiler Angina pectoris
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Interventionelle Kardiologie Kardiologe 2008 M. Seyfarth · A. de Waha · J. Mehilli · J. Pache · A. Kastrati · A. Schömig DOI 10.1007/s12181-008-0129-2 Deutsches Herzzentrum München, Klinik an der © Springer Medizin Verlag 2008 Technischen Universität München, München Prognostischer Wert einer perkutanen Koronarinter- vention bei Patienten mit stabiler Angina pectoris Schlussfolgerungen einer Metaanalyse von 17 randomisierten Studien unter Einschluss von COURAGE Die koronare Herzerkrankung (KHK) rapeutischen Maßnahmen der KHK zäh- men differenziert gesehen [1]. Dabei spielt und ihre Manifestation, die ischämische len die konservative Therapie einschließ- der Manifestationsstatus der koronaren Herzerkrankung, sind die häufigsten To- lich der Erkenntnis, die kardiovaskulären Herzerkrankung (stabile Angina pectoris desursachen in den westlichen Industri- Risikofaktoren frühzeitig und konsequent bzw. ACS) eine große Rolle. So ist in meh- eländern. Für Deutschland gibt das sta- medikamentös zu behandeln, und revas- reren Studien gut belegt, dass die PCI bei tistische Bundesamt für das Jahr 2007 die kularisierende Maßnahmen wie die per- Patienten mit ACS die Sterblichkeit signi- „chronische ischämische Herzkrankheit“ kutane Koronarintervention (PCI) sowie fikant reduziert. Im Vergleich zur medi- mit 9,4% aller Sterbefälle als führende To- die chirurgische Bypassversorgung, wobei kamentösen Therapie (Fibrinolyse) senkt desursache an, gefolgt von der Diagnose sich die konservative Therapie und revas- die PCI bei Patienten z. B. mit einem ST- „akuter Myokardinfarkt“ mit 6,9% und kularisierende Maßnahmen vom Prinzip Hebungsinfarkt die Sterblichkeit inner- „Herzinsuffizienz“ mit 6,0% [27]. In den her ergänzen und nicht ausschließen. halb der ersten 4–6 Wochen um 30% [17]. letzten 10 Jahren ist es dabei in Deutsch- Innerhalb der revaskularisierenden Bei Patienten mit einem Nicht-ST-He- land gelungen, die Sterbeziffer der ischä- Maßnahmen verzeichnet die PCI eine bungsinfarkt konnte ebenfalls ein signi- mischen Herzkrankheiten (d. h. die An- steigende Tendenz bei der Behandlung fikanter Vorteil eines frühinvasiven Vor- zahl der Verstorbenen mit entsprechender der KHK. In Deutschland wurden im Jahr gehens (PCI) gegenüber einem konser- Diagnose an 100.000 Einwohnern) kon- 2006 290.000 PCIs durchgeführt, was ei- vativen Vorgehen über einen Beobach- tinuierlich von 225 auf 180 im Jahr 2005 ner Steigerung von 7,4% gegenüber dem tungszeitraum von 2 Jahren nachgewie- zu senken [5]. Welchen Anteil therapeu- Vorjahr entsprach [5]. Die Indikation zur sen werden. Auf dem Boden einer Meta- tische Maßnahmen an dieser Reduktion PCI bestand dabei in 43% der Fälle aus der analyse von 7 randomisierten Studien be- der Sterbeziffer haben, lässt sich aus die- Diagnose „stabile Angina pectoris“ und trug die Reduktion der Mortalität in die- sen Daten allein nicht ableiten. Theore- in 48% der Fälle aus der Diagnose „akutes sem Fall durch eine PCI 25% [2]. Für Pa- tisch wäre auch eine Abnahme der Präva- Koronarsyndrom“ [7]. Während der pro- tienten mit einer stabilen Angina pectoris lenz der Erkrankung als Erklärung denk- gnostische Wert einer medikamentösen ist der Wert einer PCI auf das Überleben bar. Da die Prävalenz der KHK jedoch Therapie bei Patienten mit stabiler An- jedoch umstritten, da kontrollierte Studi- sehr stark mit dem Alter korreliert, muss gina pectoris in großen klinischen Studi- en eine signifikante Reduktion der Mor- bei einer tendenziell älter werdenden Be- en untersucht wurde und eine Reduktion talität bisher nicht überzeugend nachwei- völkerung eher von einer Zunahme der der Mortalität für Thrombozytenaggrega- sen konnten. Dies ist insbesondere der Prävalenz der KHK ausgegangen wer- tionshemmer, einschließlich Thienopyri- unzureichenden Power und der Beob- den, sodass die Abnahme der Sterbezif- dinen, Inhibitoren des RAS-Systems und achtungsdauer der einzelnen Studien ge- fer als Erfolg therapeutischer Maßnah- Statinen gut belegt ist, wird der prognos- schuldet. Während sich Beschwerdefrei- men gedeutet werden kann. Zu den the- tische Wert revaskularisierender Maßnah- heit und Symptomlinderung auch bei Pa- Der Kardiologe 2008 |
Interventionelle Kardiologie Tab. 1 Studiencharakteristika Studie Publika Zeitraum des Anzahl der Mittleres Anteil Anteil der Anteil Anteil der Patienten Nachver tionsjahr Patienten Patienten Alter der Frauen Patienten mit Stents mit Revaskulari folgungs einschlusses Patienten (%) Myokardinfarkt (%) sation im rein medi zeitraum (Jahren) in der Vergan kamentös behandel (Jahre) genheit (%) ten Arm (%) Sievers et al. 1993 NR 88 56 NR 55 0 20 24 [24] ACME 1 [10] 1997 1987–1990 227 60 0 34 0 41 60 ACME 2 [10] 1997 1987–1990 101 60 0 45 0 40 60 ACIP [8] 1997 1991–1993 558 62 14 40 0 29 24 Dakik et al. [7] 1998 1995–1996 44 54 41 100 29 9 12 AVERT [21] 1999 1995–1996 341 58 16 42 28 12 20 MASS [15] 1999 1988–1991 144 65 42 0 0 17 60 Bech et al. [3] 2001 NR 181 61 36 25 46 7 24 ALKK [30] 2003 1994–1997 300 57 13 100 16 24 52 RITA 2 [13] 2003 1992–1996 1018 58 18 47 8 35 84 TIME [20] 2004 1996–2000 301 80 42 47 44 42 48 Hambrecht et 2004 1997–2001 101 60 0 46 100 6 12 al. [12] DANAMI [17] 2006 1990–1994 1008 57 18 100 0 20 28 INSPIRE [18] 2006 1999–2002 205 64 24 100 39 26 60 MASS II [25] 2006 1995–2000 408 60 32 46 68 24 60 SWISSI II [9] 2007 1991–1997 201 55 12 100 0 44 122 COURAGE [4] 2007 1991–2004 2287 61 15 38 90 31 54 tienten mit einer stabilen Angina pectoris halb als ischämieäquivalente Symptome den (Angina, Dyspnoe, Rhythmusstörun- innerhalb kurzer Beobachtungszeiträume gewertet werden. Sind Patienten in die- gen) besteht aufgrund der früheren und sinnvoll untersuchen lassen, ist der pro- sem Sinne symptomatisch, kann eine PCI jetzigen Studien kein Zweifel. gnostische Wert der PCI auf das Über- im Vergleich zur medikamentösen The- leben nur bei ausreichender Anzahl von rapie die Beschwerdefreiheit schnell und Prognostischer Wert einer PCI Ereignissen (Todesfällen) beurteilbar. Da signifikant erreichen [14, 20, 23]. Auch auf das Überleben der Patienten die Inzidenz der Todesfälle bei Patienten die neueste und gleichzeitig größte Ver- mit einer stabilen Angina pectoris mit 1– gleichsstudie zur Behandlung von Pati- Die oben erwähnte COURAGE-Studie 3% pro Jahr gering ist, kann der prognos- enten mit einer stabilen Angina pecto- hatte als primären Endpunkt die Kombi- tische Wert eines therapeutischen Ein- ris konnte für Patienten, die mittels PCI nation aus Tod und nichttödlichem Myo- griffes bei diesen Patienten nur bei ent- behandelt wurden, im Vergleich zur rein kardinfarkt untersucht. Nach einem mitt- sprechender Studiengröße, Studienlän- medikamentösen Therapie eine Redukti- leren Beobachtungszeitraum von 4,6 Jah- ge und entsprechender statistischer Pow- on der Beschwerden (Angina pectoris) be- ren war es zu keiner signifikanten Re- er sinnvoll untersucht werden [28]. Kei- legen, die über einen Zeitraum von 2 Jah- duktion dieses primären Endpunktes ge- ne der bisherigen Studien war allein aus- ren signifikant nachweisbar blieb [29]. Be- kommen [4]. Von insgesamt 2287 Pati- reichend groß konzipiert, um diese Frage- merkenswert an der COURAGE-Studie enten verstarben 68 Patienten in der PCI- stellung beantworten zu können. war jedoch auch die hohe Erfolgsrate der Gruppe und 74 Patienten in der medika- rein medikamentös behandelten Patienten mentösen Gruppe. Obwohl die COURA- Prognostischer Wert einer PCI auf in Bezug auf eine Beschwerdefreiheit. Bei GE-Studie die größte randomisierte Stu- das Beschwerdebild des Patienten einem Viertel der Patienten konnte durch die zum Vergleich einer interventionellen eine konsequente medikamentöse The- Therapie mit einer rein medikamentösen Das klinische Erscheinungsbild eines Pa- rapie eine komplette Beschwerdefreiheit Therapie bei Patienten mit Angina pec- tienten mit hämodynamisch wirksamer nach 1 Jahr erreicht werden. Allerdings toris ist, hatte auch diese Studie nicht die Koronarstenose, d. h. einer symptoma- wurde bei immerhin 33% der Patienten, Power für eine prognostische Evaluati- tischen KHK, wird typischerweise als die initial der medikamentös zu behan- on der PCI auf das Überleben. Keine der Angina pectoris beschrieben. Aber auch delnden Gruppe zugeordnet waren, nach vorangegangenen randomisierten Studi- Atemnot unter Belastung oder ischä- durchschnittlich 11 Monaten (Median) ei- en hatte deshalb als primären Endpunkt mieinduzierte Rhythmusstörungen kön- ne Revaskularisation mittels PCI durch- allein die Gesamtmortalität untersucht. nen durch eine signifikante Koronarste- geführt. An der Effektivität einer PCI zur Einige der Studien konnten jedoch unab- nose ausgelöst werden und müssen des- Reduktion ischämiebedingter Beschwer- hängig davon eine signifikante Reduktion | Der Kardiologe 2008
Zusammenfassung · Abstract der Mortalität über einen längeren Zeit- Kardiologe 2008 DOI 10.1007/s12181-008-0129-2 raum nachweisen [9, 10, 30]. Die Mehr- © Springer Medizin Verlag 2008 zahl verfehlte jedoch einen signifikanten M. Seyfarth · A. de Waha · J. Mehilli · J. Pache · A. Kastrati · A. Schömig Nachweis einer Reduktion der Mortalität Prognostischer Wert einer perkutanen Koronarintervention aus den oben genannten Gründen. Um bei Patienten mit stabiler Angina pectoris. die Limitationen unzureichender Pow- Schlussfolgerungen einer Metaanalyse von 17 er zu überwinden und die Ergebnisse al- randomisierten Studien unter Einschluss von COURAGE ler Studien zur prognostischen Evaluation eines interventionellen Vorgehens auf die Zusammenfassung Mortalität bei Patienten mit stabiler An- Die Behandlung der stabilen Angina pecto- vorgestellte Metaanalyse fasst nun alle ran- gina pectoris zusammenzufassen, bietet ris umfasst medikamentöse wie revaskulari- domisiert durchgeführten Studien zusam- sich eine Metaanalyse an. Eine Metaana- sierende Maßnahmen. Eine Revaskularisati- men und berechnet die Effektivität einer PCI lyse mit Fokus auf die Gesamtmortalität on kann mittels perkutaner Koronarinterven- auf das Langzeitüberleben der Patienten im entgeht dem immanenten Problem aller tion (PCI) oder Bypassoperation erfolgen. Bei Vergleich zur medikamentösen Therapie. Da- zusammenfassenden Analysen, dass sich allen Therapiemaßnahmen wird sowohl eine bei konnte gezeigt werden, dass bei einer Behandlung der Beschwerden als auch eine mittleren Beobachtungsdauer von 51 Mona- die Definition und Erfassung schwacher Verbesserung der Prognose angestrebt. Wäh- ten in allen Studien zusammengenommen Endpunkte wie Blutungen oder nichttöd- rend die Effektivität einer PCI zur Behandlung die Gesamtsterblichkeit im Vergleich zur rein liche Myokardinfarkte von Studie zu Stu- der Beschwerden unbestritten ist, wurde die medikamentösen Therapie signifikant um die unterscheiden können. Der Endpunkt Effektivität einer PCI zur Verbesserung der 20% gesenkt werden konnte. „Tod jeglicher Ursache“ kann eindeutig Prognose der Patienten kontrovers diskutiert. erfasst und zugeordnet werden. Damit Allerdings war keine der bisher randomisiert Schlüsselwörter durchgeführten Einzelstudien aufgrund der Perkutane Koronarintervention · Koronare kann eine Metaanalyse mit Fokus auf die fehlenden „Power“ geeignet, den Effekt einer Herzerkrankung · Angina pectoris · Mortali- Gesamtmortalität tatsächlich die notwen- PCI auf das Überleben der Patienten mit sta- tät · Metaanalyse dige Power zur Evaluation des prognosti- biler Angina pectoris zu evaluieren. Die hier schen Wertes einer Intervention liefern. Metaanalyse 17 randomisierter Prognostic value of a percutaneous coronary intervention Studien zur Behandlung in patients with stable angina pectoris. Conclusions from a von Patienten mit stabiler meta-analysis of 17 randomized studies including COURAGE Angina pectoris Abstract Eingeschlossen in die nun vorliegende Treatment options for patients with stable to assess the effect of a PCI on mortality. We coronary artery disease are based on medical therefore performed a meta-analysis of 17 Metaanalyse, die kürzlich veröffentlicht drugs and revascularization procedures. Re- randomized trials comparing a PCI-based in- wurde, wurden alle Studien, die bei Pati- vascularization in patients with coronary ar- vasive strategy with medical treatment alone enten unter kontrollierten Bedingungen tery disease can be performed by bypass sur- for all-cause death. After an average follow- ein interventionelles Vorgehen mit einem gery or percutaneous coronary intervention up period of 51 months in these trials, pa- rein medikamentösen Vorgehen prospek- (PCI). The aim of both medical drugs and re- tients with a PCI-based invasive strategy had tiv und randomisiert verglichen haben vascularization procedures is to relieve symp- a 20% significant reduction in all-cause mor- toms and to improve survival. While the im- tality compared to medical treatment alone. [24]. Dabei mussten die Patienten eine pact of PCI on the reduction of symptoms in stabile Angina pectoris bzw. den Nachweis patients with stable angina pectoris is well Keywords einer Myokardischämie aufweisen. Nicht established, its effects on the prognosis of Percutaneous coronary intervention · Corona- eingeschlossen wurden Studien, die Pati- these patients are still not defined. None of ry artery disease · Angina pectoris · Mortality · enten mit einem ACS behandelten. Aus- the randomized studies performed in com- Meta-analysis parison to medical treatment alone was able geschlossen wurden deshalb alle Studien, die Patienten mit einem ACS innerhalb 1 Woche nach dem initialen Schmerzer- eignis aufgenommen haben. Mit diesen Ein- und Ausschlusskriterien fanden sich 17 Studien, die insgesamt 7513 Patienten zwischen 1987 und 2004 untersucht ha- ben. Das Publikationsdatum dieser Stu- dien liegt zwischen 1993 und 2007, wobei bei mehreren Veröffentlichungen zu einer Studie der längste Beobachtungszeitraum für die Metaanalyse herangezogen wur- de, um den tatsächlichen prognostischen Der Kardiologe 2008 |
Interventionelle Kardiologie Todesfälle/Patientenzahl Studie Publikationsjahr PCI Medikamentös Sievers et. al. 1993 0/44 1/44 ACME-1 1997 16/115 15/112 ACME-2 1997 9/51 10/50 ACIP 1997 2/192 20/366 Dakik et. al. 1998 1/21 1/23 AVERT 1999 1/177 1/164 MASS 1999 6/72 6/72 Bech et. al. 2001 2/90 4/91 ALKK 2003 6/149 17/151 RITA-2 2003 43/504 43/514 TIME 2004 45/153 40/148 Hambrecht et. al. 2004 0/50 0/51 DANAMI 2006 19/503 24/505 INSPIRE 2006 2/104 1/101 MASS II 2006 28/205 35/203 SWISSI II 2007 6/96 22/105 COURAGE 2007 85/1149 95/1138 Overall 271/3675 335/3838 Random effects model 0.80 (0.64 to 0.99) Abb. 1 9 Odds Ratio für Mortalität in 17 Studien Fixed effects model 0.80 (0.68 to 0.95) zum Vergleich PCI vs. rein Pheterogeneity =0.263; I2=17% medikamentöse Thera- pie bei Patienten mit sta- biler Angina pectoris. (Mit -1 1 10 freundlicher Genehmi- Odds Ratio (95% Konfidenzintervall) gung des Elsevier Verlags aus [23]) Wert zu ermitteln. Aufgrund der groß- lauf bei 28% der Patienten eine Revaskula- den kann [15]. Weiterhin besteht oft ei- en Zeitspanne, in der die Einzelstudien risation („Cross-over“) durchgeführt. ne Beziehung zwischen der Größe einer zu diesem Thema durchgeführt wurden, Der primäre Endpunkt der Metaana- Studie und dem beobachteten Effekt. Ei- wird klar, dass das interventionelle Vor- lyse war die Mortalität jeglicher Ursache. ne solche Korrelation zwischen der Grö- gehen der PCI nicht einheitlich war und Der mittlere Beobachtungszeitraum be- ße der einzelnen Studie und ihrem beob- von einer PTCA ohne Stent bis zu Studi- trug in den 17 Studien 51 Monate. Insge- achteten Effekt auf die Mortalität konn- en unter Einschluss von medikamenten- samt verstarben 271 Patienten in den PCI- te jedoch nicht gefunden werden. Auch beschichteten Stents (DES) reicht, wobei Gruppen und 335 Patienten in den medi- weitere Variablen, in denen sich die ein- DES in einer vernachlässigbar niedrigen kamentös behandelten Gruppen. Das ent- zelnen Studien unterschieden, korrelier- Zahl verwandt wurden (31 Patienten der spricht einer Risikoreduktion von 20% ten nicht mit dem beobachteten Interven- COURAGE-Studie). Insgesamt wurde bei durch das interventionelle Vorgehen (KI tionseffekt. Zu den in diesem Sinne unter- 43% der Patienten, die einem interventio- der Odds Ratio: 0,64–0,99). Die . Abb. 1 suchten Variablen zählten der „Zeitpunkt nellen Verfahren zugeordnet wurden, ei- zeigt die Odds Ratio der einzelnen Studi- der Studie“, der „Anteil der Patienten mit ne PTCA ohne Stentimplantation durch- en und die Odds Ratio aller Studien zu- einem stattgehabten Myokardinfarkt“, der geführt, bei 41% ein Koronarstent implan- sammen. Naturgemäß unterscheiden sich „Anteil der Patienten, die mit einem Stent tiert, und 8% erhielten eine Bypassopera- die einzelnen Studien in ihrer Mächtig- oder Bypass behandelt wurden“, und der tion. Aber auch die konservative Thera- keit und in ihren Effekten. Deswegen ist „Anteil der Patienten, die in der rein me- pie unterlag innerhalb dieses Zeitraums es für die Aussagekraft einer Metaanaly- dikamentös behandelten Gruppe eine einem erheblichen Wandel. Dieser Wan- se entscheidend, ob eine messbare Hete- nicht geplante Revaskularisation erhiel- del betraf z. B. den Einsatz und Stellen- rogenität vorliegt. Ein Maß für dieselbe ist ten“. Die . Tab. 1 listet die Charakteris- wert der Statine und der Thrombozyten- das Inkonsistenzmaß I2, welches mit 17% tika der einzelnen Studien auf. Eines be- aggregationshemmer. In der Gruppe, die in dieser Metaanalyse niedrig ist und des- sonderen Kommentars bedarf der An- einem rein medikamentösen Vorgehen halb eine relevante Heterogenität für den teil der Patienten mit einem stattgehabten zugeordnet war, wurde im weiteren Ver- Endpunkt Mortalität ausgeschlossen wer- Myokardinfarkt. Obwohl Studien, die Pa- | Der Kardiologe 2008
tienten mit einem akuten Myokardinfarkt 3 innerhalb der letzten 7 Tage aufgenom- men hatten, nicht berücksichtigt wur- den, hatten einige Studien einen größe- ren Anteil an Patienten mit einem statt- 2 gehabten Myokardinfarkt in der Vergan- Odds Ratio genheit [8, 10, 18, 19, 30]. Diese Studien mit einem größeren Anteil an Patienten mit einem abgelaufenen Myokardinfarkt 1 zeigten jedoch keine besondere Effekti- vität der PCI für den Langzeitverlauf der Sterblichkeit. Ein Trend ergab sich jedoch für das Gesamtergebnis, wenn der Beob- achtungszeitraum berücksichtigt wur- 0 de. Dazu wurden zusätzlich Veröffentli- Obere Grenze bis zu bis zu bis zu bis zu chungen herangezogen, die das Überle- des FU (Jahre) 1 3 5 10 ben der Patienten in den einzelnen Stu- Mittlere Dauer 11 21 44 51 dien zu späteren Zeitpunkten aufführten. des FU (Monate) Dabei zeigte sich, dass je länger der Be- Patientenzahl 2241 5222 6495 7513 obachtungszeitraum nach Randomisie- rung und primärer Intervention war, des- Abb. 2 8 Odds Ratio für die Mortalität zum Vergleich PCI vs. rein medika- to stärker der Effekt der Koronarinter- mentöse Therapie bei Patienten mit stabiler Angina pectoris in 17 Studien. vention auf das Überleben zu beobachten Dargestellt sind die Odds Ratios zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Lang- war (. Abb. 2). Dies belegt, dass der pro- zeitverlauf (FU Follow-up). Je länger der Beobachtungszeitraum war, des- gnostische Wert einer Koronarinterventi- to niedriger war die Odds Ratio für die Mortalität durch ein primär inva- on nicht vorübergehend war, und könnte sives Vorgehen (PCI-Strategie). Die jeweiligen Odds-Ratio-Paare stellen die Effekte berechnet nach dem „random model“ und nach dem „fixed model“ damit zusammenhängen, dass erst nach dar. (Mit freundlicher Genehmigung des Elsevier Verlags aus [23]) einer gewissen Zeit der Vorteil der Inter- vention den initialen Nachteil durch die mit der Intervention einhergehende Kom- plikationsrate wettmacht. Zu den mit der Intervention einher- konsistenzmaß (I2=56%) widerspiegelt. bozytenaggregationshemmer senken die gehenden Komplikationen gehören auch Eine Erklärung für die Heterogenität ist, Mortalität im Langzeitverlauf; Nitrate ver- nichttödliche Myokardinfarkte. Deshalb dass sich die Definition und die Erfassung bessern in erster Linie die Symptomatik, könnte die Rate an nichttödlichen My- nichttödlicher Myokardinfarkte von Stu- und β-Blocker bzw. Inhibitoren des RAS- okardinfarkten in der PCI-Gruppe er- die zu Studie erheblich unterschieden ha- Systems haben einen Mischeffekt. Der pro- höht sein. Auf der anderen Seite könnte ben. Damit ist eine Aussage über den pro- gnostische Effekt einer PCI wird kontro- eine PCI auch einen günstigen prognos- gnostischen Wert einer PCI auf die Rate vers diskutiert. Insbesondere die kürzlich tischen Effekt auf die Rate an nichttöd- an nichttödlichen Myokardinfarkten we- veröffentlichte COURAGE-Studie hat di- lichen Myokardinfarkten in der Zukunft niger gut möglich als für die Gesamtmor- ese Debatte neu entfacht. Der Schwierig- aufweisen. Deswegen wurde als sekun- talität, deren Analyse sich als robust und keit, dass im Gegensatz zu den großen kli- därer Endpunkt der Metaanalyse die Ra- konsistent erwies. nischen Studien mit Medikamenten kei- te an nichttödlichen Myokardinfarkten in ne der kontrolliert randomisierten Studien den beiden Studiengruppen verglichen Schlussfolgerungen zum Vergleich der Strategie (PCI vs. kon- (. Abb. 3). In den PCI-Gruppen wurden servativ) eine ausreichende Power hatte, um 319 nichttödliche Myokardinfarkte beob- Die therapeutischen Maßnahmen für Pa- diese Frage sinnvoll zu beantworten, kann achtet. Gegenüber 357 nichttödlichen My- tienten mit einer stabilen Angina pectoris derzeit nur mit einer Metaanalyse begeg- okardinfarkten in der rein medikamentös umfassen eine medikamentöse Therapie net werden, die Ergebnisse aller kontrol- behandelten Patientengruppe stellt das ei- sowie revaskularisierende Eingriffe. Das liert randomisierten Studien zusammen- ne kleine Risikoreduktion um 10% dar, die therapeutische Ziel ist eine Besserung der fasst. Diese Metaanalyse hat nun eine si- aber nicht statistisch signifikant war (KI Beschwerden (symptomorientierte Thera- gnifikante Reduktion der Mortalität durch der Odds Ratio: 0,66–1,23). Die . Abb. 3 pie) und eine Verbesserung der Prognose eine PCI bei Patienten mit Angina pectoris zeigt die Odds Ratios der einzelnen Studi- (Reduktion der Mortalität und Morbidi- um 20% ergeben. Auch die perkutane Ko- en für diesen sekundären Endpunkt. Er- tät). Sowohl die medikamentöse Therapie ronarintervention hat also einen Mischef- kennbar wird eine gewisse Heterogeni- wie die revaskularisierenden Maßnahmen fekt, da sie sowohl die Beschwerden des Pa- tät, die sich auch in einem erhöhten In- verfolgen beide Ziele. Statine und Throm- tienten mit Angina pectoris verringert als Der Kardiologe 2008 |
Interventionelle Kardiologie MI/Patientenzahl Studie Publikationsjahr PCI Medikamentös Sievers et. al. 1993 2/44 0/44 ACME-1 1997 14/115 8/112 ACME-2 1997 6/51 6/50 ACIP 1997 7/192 18/366 Dakik et. al. 1998 2/21 0/23 AVERT 1999 5/177 4/164 MASS 1999 5/72 3/72 Bech et. al. 2001 3/90 0/91 ALKK 2003 10/149 12/151 RITA-2 2003 32/504 23/514 TIME 2004 18/153 18/148 Hambrecht et. al. 2004 1/50 0/51 DANAMI 2006 32/503 59/505 INSPIRE 2006 5/104 7/101 MASS II 2006 23/205 31/203 SWISSI II 2007 11/96 40/105 COURAGE 2007 143/1149 128/1138 Overall 319/3675 357/3838 Abb. 3 9 Odds Ratio für Random effects model 0.90 (0.66 to 1.23) das Auftreten eines nicht- tödlichen Myokardinfarktes Fixed effects model 0.91 (0.77 to 1.06) (MI) in 17 Studien zum Ver- Pheterogeneity 2 =0.003; I =56% gleich PCI vs. rein medika- mentöse Therapie bei Pati- enten mit stabiler Angina -1 1 10 pectoris. (Mit freundlicher Odds Ratio (95% Konfidenzintervall) Genehmigung des Elsevier Verlags aus [23]) 3. Bech G, De Bruyne B, Pijls N et al. (2001) Fractional auch das Überleben des Patienten über ei- Korrespondenzadresse flow reserve to determine the appropriateness of angioplasty in moderate coronary stenosis: a ran- nen längeren Beobachtungszeitraum ver- Prof. Dr. M. Seyfarth domized trial. Circulation 103: 2928–2934 bessert. Das Hauptziel einer PCI wird si- Deutsches Herzzentrum München, Klinik an der 4. Boden W, O’rourke R, Teo K et al. (2007) Optimal cher die effektive Therapie der Angina- Technischen Universität München medical therapy with or without PCI for stable co- Lazarettstraße 36, 80636 München ronary disease. N Engl J Med 356: 1503–1516 pectoris-Beschwerden bleiben. Allerdings seyfarth@dhm.mhn.de 5. Bruckenberger E (2007) Herzbericht 2006 liegt die Größenordnung der Mortalitäts- 6. Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung reduktion durchaus im Bereich der Medi- Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor (2007) Koronarangiographie und PCI 7. Dakik H, Kleiman N, Farmer J et al. (1998) Intensive kamentenwirkung, wenn sich die Ergeb- weist auf folgende Beziehungen hin: Herr Prof. Sey- medical therapy versus coronary angioplasty for farth gibt an, Vortragshonorare der Firmen Bristol-My- nisse der Metaanalyse in prospektiv rando- ers Squibb, Lilly, Sanofi-Aventis erhalten zu haben. suppression of myocardial ischemia in survivors of misierten Studien mit ausreichender Pow- Herr Prof. Kastrati gibt an, Vortragshonorare der Firmen acute myocardial infarction: a prospective, rando- mized pilot study. Circulation 98: 2017–2023 er bestätigen lassen. Für Statine wird eine Bristol-Myers Squibb, Cordis, GlaxoSmithKline, Lilly, 8. Davies R, Goldberg A, Forman S et al. (1997) Medtronic, Novartis, Sanofi-Aventis erhalten zu haben. Risikoreduktion bei Patienten mit stabiler Herr Prof. Schömig gibt an, finanzielle Forschungsmit- Asymptomatic Cardiac Ischemia Pilot (ACIP) study Angina pectoris von 16% angegeben und tel der folgenden Institutionen und Firmen erhalten zu two-year follow-up: outcomes of patients rando- mized to initial strategies of medical therapy ver- für β-Blocker von 23% [12, 29]. In der Be- haben: TU München, Bayerische Forschungsstiftung, sus revascularization. Circulation 95: 2037–2043 Amersham/General Electric, Bristol-Myers Squibb, Cor- handlung von Patienten mit Angina pecto- dis, Cryocath, Guidant, Medtronic, Nycomed, Schering. 9. Erne P, Schoenenberger A, Burckhardt D et al. ris und Ischämienachweis sollten sich des- (2007) Effects of percutaneous coronary interven- tions in silent ischemia after myocardial infarction: halb sowohl zur Besserung der Symptoma- the SWISSI II randomized controlled trial. Jama tik als auch zur Verbesserung der Progno- Literatur 297: 1985–1991 se revaskularisierende und medikamentöse 10. Folland E, Hartigan P, Parisi A (1997) Percutane- 1. Abrams J (2005) Clinical practice. Chronic stable ous transluminal coronary angioplasty versus me- Maßnahmen ergänzen. dical therapy for stable angina pectoris: outcomes angina. N Engl J Med 352: 2524–2533 2. Bavry A, Kumbhani D, Rassi A et al. (2006) Benefit for patients with double-vessel versus single-ves- of early invasive therapy in acute coronary syndro- sel coronary artery disease in a veterans affairs co- mes: a meta-analysis of contemporary randomized operative randomized trial. Veterans affairs ACME clinical trials. J Am Coll Cardiol 48: 1319–1325 investigatorS. J Am Coll Cardiol 29: 1505–1511 | Der Kardiologe 2008
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