Leitlinie Enterale Ernährung der DGEM und DGG
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nahrung "542", 9.8.04/maisch/Diskette/may gel. D. Volkert R. Lenzen-Groûimlinghaus U. Krys M. Pirlich B. Herbst T. Schütz Leitlinie Enterale Ernährung der DGEM und DGG W. Schröer W. Weinrebe Enterale Ernährung (Trink- und Sondennahrung) in der Geriatrie J. Ockenga und geriatrisch-neurologischen Rehabilitation H. Lochs DGEM and DGG Guidelines Enteral Nutrition Leitlinie Enterale Ernährung ± Teil 2 Enteral Nutrition (Oral Liquid Supplements and Tube Feeding) in Geriatric Patients and Geriatric-Neurologic Rehabilitation Zusammenfassung Abstract Bei geriatrischen Patienten stellt die bedarfsgerechte Versorgung Nutrient and fluid intake is often compromised in elderly, multi- mit Flüssigkeit und Nährstoffen ein häufiges Problem dar. Ente- morbid patients. Enteral nutrition by means of oral liquid sup- rale Ernährung mittels Trink- und Sondennahrung bietet die plements and tube feeding offers the possibility to increase or Möglichkeit, bei unzureichender Lebensmittelaufnahme die to insure nutrient intake in case of insufficient oral food intake. Nährstoffversorgung zu verbessern bzw. sicher zu stellen. Die The present guideline is intended to give evidence-based recom- vorliegende Leitlinie gibt evidenzbasierte Empfehlungen für den mendations for the use of oral liquid supplements and tube feed- Einsatz von Trink- und Sondennahrung bei geriatrischen Patien- ing in geriatric patients. It was developed by an interdisciplinary ten. Sie wurde, basierend auf den seit 1985 erschienenen the- expert group in accordance with officially accepted standards menbezogenen Fachpublikationen, in einer interdisziplinär be- and is based on all relevant publications since 1985. The guide- setzten Expertengruppe nach den Richtlinien der Arbeitsge- line was discussed and accepted in a consensus conference. Ente- meinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesell- ral nutrition by means of oral liquid supplements is recommen- schaften (AWMF) und des ¾rztlichen Zentrums für Qualität in ded for geriatric patients with malnutrition or at risk of malnu- 198 der Medizin (¾ZQ) erarbeitet und im Rahmen einer Konsensus- trition, in case of multimorbidity and frailty, and following femur konferenz verabschiedet. Enterale Ernährungstherapie in Form fractures and orthopaedic-surgical procedures. In elderly people von Trinknahrung wird bei drohender oder manifester Mangeler- at risk of malnutrition oral liquid supplements may improve nu- nährung, bei Multimorbidität und Gebrechlichkeit, nach Schen- tritional status, reduce length of hospital stay and lower mortal- kelhalsfrakturen und orthopädisch-chirugischen Eingriffen ity. After femur fractures and orthopaedic-surgery oral liquid empfohlen. Sie führt bei drohender oder manifester Mangeler- supplements may reduce unfavourable outcome. Tube feeding nährung zu Verbesserungen im Ernährungszustand, Verkürzung is clearly indicated in patients with neurologic dysphagia and is der Krankenhausaufenthaltsdauer und zu einer Verlängerung recommended in case of depression in order to overcome phases der Überlebenszeit sowie nach Schenkelhalsfrakturen und or- of severe loss of motivation and refusal to eat. In contrast, tube thopädisch-chirurgischen Eingriffen zu einer Reduktion von feeding is not indicated in final disease states, including final de- Komplikationen. Sondenernährung ist eindeutig bei neurolo- mentia, and in order to facilitate patient care and to save time. gisch bedingten Schluckstörungen indiziert und wird bei De- Independent of the indication, the decision for or against enteral pression zur Überbrückung der Phase der schweren Antriebs- nutrition has to be made individually, in line with the (assumed) und Essstörung empfohlen. Nicht indiziert ist Sondenernährung patient will and under consideration of comorbidities, severity of dagegen in finalen Krankheitsstadien einschlieûlich finalen Sta- illness and prognosis. Altogether, it is strongly recommended not dien der Demenz sowie zur Pflegeerleichterung oder Zeiterspar- to wait until severe malnutrition has developed, but to start en- Institutsangaben Institut für Ernährungswissenschaft, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Korrespondenzadresse PD Dr. Dorothee Volkert ´ Institut für Ernährungswissenschaft ´ Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ´ Endenicher Allee 11 ± 13 ´ 53115 Bonn ´ E-mail: d.volkert@uni-bonn.de Bibliografie Aktuel Ernaehr Med 2004; 29: 198 ± 225 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ´ New York DOI 10.1055/s-2004-828309 ISSN 0341-0501
nahrung "542", 9.8.04/maisch/Diskette/may gel. nis. Unabhängig von der Indikation muss die Entscheidung für teral nutrition therapy early, as soon as a nutritional risk be- oder gegen Sondenernährung immer individuell unter Berück- comes apparent. sichtigung des (mutmaûlichen) Patientenwillens, vorhandener Komorbiditäten, des Krankheitsgrades und der Prognose getrof- Key words fen werden. Insgesamt wird dringend empfohlen, Ernährungs- Guideline ´ recommendations ´ geriatric patients ´ malnutrition ´ therapie nicht erst bei schwerer Mangelernährung zu beginnen, enteral nutrition ´ oral liquid supplementation ´ tube feeding sondern frühzeitig, sobald Hinweise auf Ernährungsrisiken vor- liegen. Schlüsselwörter Leitlinie ´ Empfehlungen ´ geriatrische Patienten ´ Mangelernäh- rung ´ enterale Ernährung ´ Trinknahrung ´ Sondennahrung Leitlinie Enterale Ernährung ± Teil 2 Vorbemerkung oder ist sie krankheitsbedingt nicht möglich, ist die enterale Er- nährung über eine Sonde indiziert. Dies ist in der Geriatrie der Zunehmendes Alter führt zu strukturellen und funktionellen Fall bei drohender oder manifester Mangelernährung (2.1), bei Veränderungen in Geweben und Organen, die mit einer Abnah- Gebrechlichkeit infolge Multimorbidität (2.2) und bei neurolo- me der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit und einer Zunahme gisch bedingter Dysphagie (2.3), sie kann aber auch infolge gro- von Funktionsstörungen einhergehen. Ressourcen und Kompen- ûer orthopädisch-chirurgischer Eingriffe (2.4), im Rahmen einer sationsmechanismen nehmen ab, die Krankheitshäufigkeit Depression (2.5) oder einer Demenz (2.6) erforderlich sein. Aus nimmt zu. pragmatischen Gründen wurde diese Gliederung nach Diagno- sen vorgenommen, obwohl bei Alterspatienten in der Regel Mul- Ein geriatrischer Patient wurde von der Zentraleuropäischen Ar- timorbidität vorliegt. beitsgemeinschaft gerontologischer/geriatrischer Gesellschaften folgendermaûen definiert: ¹Ein geriatrischer Patient ist ein bio- Orale Ernährungstherapie über eine gezielte Essensreichung ist logisch älterer Patient, der durch altersbedingte Funktionsein- aufgrund der Multimorbidität und der verlangsamten Abläufe schränkungen bei Erkrankungen akut gefährdet ist, der zu Multi- beim geriatrischen Patienten häufig schwierig und damit sehr morbidität neigt und bei dem ein besonderer Handlungsbedarf anspruchsvoll und zeitintensiv. Im Zeitalter abnehmender finan- rehabilitativ, somatopsychisch und psychosozial besteht.ª (Ers- zieller und damit auch personeller Ressourcen kann es trotzdem ter Altenbericht der Bundesregierung, S. 142) [1]. Durch die Wir- keine akzeptable Indikation darstellen, die Ernährung eines alten kungen und Wechselwirkungen multipler Erkrankungen und Be- Menschen zum Zweck der Pflegeerleichterung oder zur Zeiter- 199 hinderungen ist die Fähigkeit zur Selbstpflege und selbstständi- sparnis durch die enterale Applikation von Sondenkost sicherzu- gen Alltagsbewältigung eingeschränkt oder bedroht [2]. Die ge- stellen. sundheitliche Situation geriatrischer Patienten muss multidi- mensional erfasst werden, d. h. Diagnostik und Interventionen Im Rahmen des Entscheidungsprozesses zur Ernährungstherapie müssen die körperliche und die psychische Ebene sowie das per- über eine Sonde sollten folgende Fragen mit Blick auf die Progno- sonelle und materielle Umfeld in ihren Wechselwirkungen be- se des Patienten und die Dauer der enteralen Ernährung unab- rücksichtigen [2]. Nicht eine einzelne Diagnose oder Funktions- hängig von der Indikation immer geklärt werden: störung ist für das therapeutische Vorgehen entscheidend, son- ± Besteht eine Erkrankung, deren Symptomatik und Verlauf dern immer das Gesamtbild des Patienten, das sich sehr indivi- durch Ernährungstherapie positiv beeinflusst werden? duell aus zahlreichen Facetten (Haupt- und Nebendiagnosen, ± Besteht eine unheilbare Erkrankung, bei der durch Ernäh- körperlicher und geistiger Funktionszustand, psychische Verfas- rungstherapie die Lebensqualität des Patienten erhalten oder sung, soziale Situation) zusammensetzt. verbessert wird? ± Erfolgt durch enterale Ernährung eine Linderung von Leiden? Im Rahmen der medizinischen Betreuung älterer multimorbider ± Rechtfertigt der zu erwartende Benefit die zu erwartenden Patienten stellt die bedarfsgerechte Versorgung mit Flüssigkeit Komplikationen? und Nährstoffen ein häufiges Problem dar (vgl. S. 191f). Aufgrund ± Entsprechen die Ernährungsmaûnahmen dem (mutmaûli- der weit reichenden Folgen einer Mangelernährung muss bereits chen) Willen des Patienten? bei latenter oder drohender Mangelernährung in Zusammen- hang mit einer akuten Krankheitssituation frühzeitig auf die Si- Zur Erleichterung der Entscheidung für oder gegen enterale Er- cherung der Energie- und Nährstoffversorgung geachtet werden. nährung wurde die vorliegende Leitlinie erarbeitet. Bei Patienten mit erhaltener Schluckfunktion stellt orale Trink- nahrung dabei eine wichtige, nicht invasive und risikoarme Mög- Methodik lichkeit der Ernährungstherapie dar. Reicht die orale Nahrungs- aufnahme trotz adäquater diätetischer, pflegerischer und thera- Die Leitlinie Enterale Ernährung in der Geriatrie und der geri- peutischer Maûnahmen ± einschlieûlich oraler Trinknahrung ± atrisch-neurologischen Rehabilitation wurde im Rahmen der zur Deckung des Nährstoff- und Flüssigkeitsbedarfs nicht aus Leitlinie Enterale Ernährung [3] erarbeitet. Die grundsätzliche Volkert D et al. Leitlinie Enterale Ernährung ¼ Aktuel Ernaehr Med 2004; 29: 198 ± 225
nahrung "542", 9.8.04/maisch/Diskette/may gel. Tab. 1 Projektplan Januar bis Mai 2001 1. DGEM Beauftragung eines Verantwortlichen für die Entwicklung der Leitlinie 2. Verantwortlicher der DGEM Einrichtung eines Organisationsbüros; Gründung eines Leitungs- und Koordinationsteams (unter Einbindung des Organisationsbüros) 3. Koordinationsteam Erarbeitung eines Projektplans der Themengebiete und Vorschläge für die Besetzung der Arbeitsgruppe (= AG) 4. Koordinationsteam Gründung der Arbeitsgruppe (AG) unter Einbeziehung von Experten in interdisziplinärer Besetzung 28. Mai 2001 5. Koordinationsteam u. AG-Leiter Erste AG-Leiter-Sitzung zu Methodik, Arbeitsgruppenbesetzung, Themenschwerpunkten, Literaturrecherche 2001 bis Februar 2003 6. AG Durchführung der Literaturrecherche und -bewertung 7. AG Erstellung des Erstentwurfes März 2003 bis Oktober 2003 8. AG Überarbeitung des Entwurfes Leitlinie Enterale Ernährung ± Teil 2 6. November 2003 9. AG Vorstellung und Abstimmung der Leitlinie zur Konsenserzielung im 11. Jahrestagung der DGG Symposium ¹Enterale Ernährung im Alterª der AG Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie e. V. (DGG) November 2003 bis Februar 2004 10. AG Endredaktion des Entwurfes und Erstellung einer publikationsreifen Endfassung 11. Verantwortliche Information der Fachgesellschaften Vorgehensweise entspricht der bereits dort publizierten Metho- Dr. oec. troph. Almut Schmid, Naturwissenschaftliche Fakultät, dik. Universität Paderborn Dr. med. Wolfrid Schröer, Klinikum Duisburg, Wedau Kliniken, Der in Tab. 1 dargestellte Projektplan zeigt die Planungs-, Duisburg Organisations- und Durchführungsschritte, die zur Erstellung PD Dr. rer. nat. Dorothee Volkert, Institut für Ernährungswissen- der Leitlinie führten. schaft, Universität Bonn Dr. med. Wolfram Weinrebe, Krankenhaus zum Guten Hirten, Verantwortlich für die Leitlinienentwicklung Ludwigshafen Prof. Dr. med. Herbert Lochs für die Deutsche Gesellschaft für Er- Dr. med. Hansjörg Werner, Evangelisches Elisabethenstift, Darm- nährungsmedizin (DGEM). stadt 200 Dr. med. Ute Krys für die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie Dr. med. Rainer Wirth, St.-Marien-Hospital, Borken. (DGG). Arbeitsgruppenbildung und Unabhängigkeit Organisationsbüro Leitlinienentwicklung Enterale Ernäh- der Gruppenmitglieder rung Bei der Bildung der Arbeitsgruppen wurde versucht, alle betrof- Dipl. oec. troph. Brigitte Herbst. fenen Fachbereiche und Patientenorganisationen zu integrieren. Die Arbeitsgruppe Geriatrie bestand aus ¾rzten, Ernährungswis- Mitglieder des Koordinationsteams senschaftlerinnen und einer Juristin. Alle Experten arbeiteten Prof. Dr. med. Herbert Lochs* ehrenamtlich und bezogen keine Honorare. Reisekosten wurden Prof. Dr. med. Heinrich Lübke nach den im Hochschulbereich üblichen Richtlinien erstattet. PD Dr. med. Johann Ockenga* Dr. med. Matthias Pirlich* Die Themen Interessenskonflikte und Erklärung der Unabhän- Dr. rer. nat. Tatjana Schütz* gigkeit wurden im Rahmen der Arbeitsgruppenleitertreffen und Dipl. oec. troph. Brigitte Herbst*. innerhalb der Arbeitsgruppe diskutiert und in der Leitlinie Ente- rale Ernährung dargelegt [3]. * Diese Mitglieder des Koordinationsteams arbeiteten ab März 2003 in der AG mit. Die Fördergesellschaft diätetische Lebensmittel mbH hat die Ar- beit des Organisationsbüros und die Durchführung der verschie- Arbeitsgruppenmitglieder denen Arbeitssitzungen finanziell unterstützt. Themen und In- Dr. med. Mathias Bach, St. Elisabethen Krankenhaus, Frankfurt halte der Leitlinien wurden in keiner Weise beeinflusst. Dies Dr. med. Kristian Hahn, Hufelandhaus, Frankfurt wurde vertraglich festgelegt. Dr. med. Ute Krys, Evangelisches Krankenhaus, Enger Dr. med. Andreas Leischker, St. Bonifatius Hospital, Lingen Entwicklung der Leitlinie: Ziele und Vorgehen PD Dr. med. Romana Lenzen-Groûimlinghaus, Ev. Krankenhaus Die Leitlinie soll die enterale Ernährung auf eine wissenschaft- für Geriatrie, Potsdam lich fundierte Basis stellen. Dazu wurde eine umfassende Litera- Dr. med. Christian Marburger, Geriatrische Rehabilitationsklinik turrecherche und -bewertung der seit 1985 in Englisch, Deutsch Christophsbad, Göppingen und Französisch erschienenen Fachpublikationen durchgeführt. Dr. jur. Sonja Rothärmel, Juristische Fakultät, Universität Gieûen In der Arbeitsgruppe wurde unter Verwendung von Elementen Volkert D et al. Leitlinie Enterale Ernährung ¼ Aktuel Ernaehr Med 2004; 29: 198 ± 225
nahrung "542", 9.8.04/maisch/Diskette/may gel. des methodischen Verfahrens ¹nominaler Gruppenprozessª Empfehlungen erarbeitet. Die Empfehlungen wurden in einem Tab. 2 Kriterien zur Literaturrecherche: Datenbanken, Schlüssel- Symposium der AG Ernährung der Deutschen Gesellschaft für worte Geriatrie e. V. anlässlich der 11. Jahrestagung der DGG vorge- stellt, diskutiert und verabschiedet. Zur Endbearbeitung gingen Literaturrecherche Zeitraum ab mindestens 1.1.1985 die Texte in die Verantwortung der Arbeitsgruppe zurück. Bei Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch dieser endgültigen Ausformulierung und Kooperation der Grup- Filter Human penmitglieder kam die Delphi-Methode (schriftliche Befragung Datenbanken Medline, Pubmed, Cochrane und Beantwortung in mehreren Runden) zum Einsatz. Auûer- Literatur Originalarbeiten, Leitlinien, Empfehlungen, dem gab es mehrere Arbeitstreffen. Metaanalysen, systematische Übersichts- arbeiten, randomisierte kontrollierte Studien, Die Leitlinie will auf wissenschaftlicher Basis Indikationen und Beobachtungsstudien Schlüsselwörter Kontraindikationen der enteralen Ernährung darlegen und damit (elderly OR geriatric OR aged-80-and-over OR long-term care) AND (enteral zur Verbesserung von Gesundheit und Lebensqualität beim älte- nutrition OR perc* endosc* gastros* OR tube feeding OR nutritional supple- Leitlinie Enterale Ernährung ± Teil 2 ren Menschen beitragen. Sie will die Grundlage zur einheitlichen ment* OR oral supplement* Handhabung schaffen. zusätzliche Suchbegriffe nutritional status infection/complication Für die behandelnden ¾rzte sowie Ernährungsfachkräfte und aspiration rehabilitation Pflegepersonal soll die wissenschaftlich abgesicherte Diagnostik bedsores/pressure sores wound healing activities of daily living quality of life und Therapie dargestellt und ± über diese ± natürlich dem Pa- nursing home community tienten zugänglich gemacht werden. Bezogen auf unser Gesund- dementia stroke heitssystem wird angestrebt, dass die Leitlinie als wissenschaft- liche Empfehlung zur adäquaten Behandlung auch im Leistungs- katalog der Krankenkassen berücksichtigt wird. Literaturrecherche und -bewertung Tab. 3 Evidenzhärtegrade zur Bewertung von Studien nach ¾ZQ [4] Die Suche, Zusammenstellung und Bewertung der Literatur wur- de nach den in Tab. 2, 3 u. 4 aufgeführten Kriterien vorgenom- Härtegrad Evidenz aufgrund men. Ia von Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien Anmerkungen zur vorhandenen Literatur Ib von mind. einer randomisierten, kontrollierten Studie Die folgenden Ausführungen haben zum Ziel, die Besonderheiten IIa von mind. einer gut angelegten kontrollierten Studie ohne Randomisation der enteralen Ernährung in der Geriatrie darzustellen, und basie- 201 IIb mind. einer anderen Art von gut angelegter, quasiexperimen- ren deshalb primär auf Studien mit ausschlieûlich alten Patien- teller Studie ten oder Heimbewohnern. Studien mit altersgemischten Kollek- III gut angelegter, nicht experimenteller, deskriptiver Studien, tiven wurden berücksichtigt, wenn das Durchschnittsalter min- wie z. B. Vergleichsstudien, Korrelationsstudien und Fallkontroll- destens 65 Jahre betrug oder wenn getrennte Auswertungen für studien jüngere und ältere Teilnehmer vorgenommen wurden. IV von Berichten der Expertenausschüsse oder Expertenmeinun- gen und/oder klinische Erfahrungen anerkannter Autoritäten Erarbeitung einer konsensusfähigen Fassung ¾ZQ = ¾rztliches Zentrum für Qualität in der Medizin Die ausgewertete und einbezogene Literatur war die Grundlage für die Formulierung von Erstempfehlungen in der Arbeitsgrup- pe. Diese wurden während mehreren Treffen nach dem Verfah- ren des nominalen Gruppenprozesses diskutiert, überarbeitet Tab. 4 Einteilung der Empfehlungsklassen nach AHCPR 1993 [4] und abgestimmt. Klasse Evidenzgrade Erläuterung ist belegt durch: Symposium zur Erzielung eines Konsens A Ia, Ib schlüssige Literatur guter Qualität, die mindestens Am 6.11.03 stellten die Experten der Arbeitsgruppe im Symposi- eine randomisierte Studie enthält um der AG Ernährung auf der Jahrestagung der Deutschen Ge- B IIa, IIb, III gut durchgeführte, nicht randomisierte Studien sellschaft für Geriatrie ihre intern abgestimmten Empfehlungen C IV Berichte und Meinungen von Expertenkreisen und/ oder klinischer Erfahrung anerkannter Autoritäten. dem Plenum vor, das aus den anwesenden Mitgliedern der AG Er- Weist auf das Fehlen direkt anwendbarer klinischer nährung der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie und Teilneh- Studien guter Qualität hin mern der Jahrestagung bestand (54 Teilnehmer). Der Entwurf AHCPR = (US) Agency for Health Care Policy and Research wurde diskutiert, ¾nderungen aufgenommen und die überarbei- tete Fassung angenommen. sprachlich überarbeitet. Insbesondere wurde darauf geachtet, Weiteres Vorgehen zur Fertigstellung der Entwürfe einheitliche Begriffe zur enteralen Ernährung zu verwenden. Die Arbeitsgruppe arbeitete in den folgenden Wochen die ¾nde- Diese waren unter Berücksichtigung rechtlicher und handelsüb- rungen ein. In einem abschlieûenden Treffen der Arbeitsgruppe licher Bezeichnungen festgelegt und in der Leitlinie Enterale Er- am 19.2.04 wurde diese Fassung verabschiedet und formal und nährung veröffentlicht worden [3]. Volkert D et al. Leitlinie Enterale Ernährung ¼ Aktuel Ernaehr Med 2004; 29: 198 ± 225
nahrung "542", 9.8.04/maisch/Diskette/may gel. Aktualisierung und Verbreitung der Leitlinie haben gezeigt, dass die erwünschte Nahrungsmenge über eine Nach jeweils zwei Jahren wird die DGEM eine Überprüfung der PEG zu 100 % [13] bzw. 93 % [14] und damit wesentlich besser einzelnen Kapitel und gegebenenfalls ¾nderungen vornehmen verabreicht werden kann als über eine Nasensonde (76 bzw. lassen. 55 % der verordneten Menge). In drei Studien mit ergänzender nächtlicher Sondenernährung wurden zwischen 1000 und 1500 kcal pro Nacht zusätzlich zur täglichen Klinikkost verab- 1 Ziele der enteralen Ernährungstherapie in der Geriatrie reicht. Hierdurch konnte die gesamte Energie- und Nährstoffver- sorgung deutlich gesteigert werden [15 ± 17]. ± Steigerung der Energie- und Nährstoffzufuhr (quantitativ, qualitativ), 1.2 Lässt sich der Ernährungszustand von Alterspatienten ± Erhaltung oder Verbesserung des Ernährungszustands, durch enterale Ernährung erhalten bzw. verbessern? ± Erhaltung oder Verbesserung der Funktionalität und Aktivi- tät/Rehabilitationsfähigkeit, Durch orale Supplementierung lässt sich der Ernährungszu- ± Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität, stand erhalten bzw. verbessern (Ia). Leitlinie Enterale Ernährung ± Teil 2 ± Reduktion der Morbidität und Mortalität. Bei sondenernährten Patienten liefern mehrere Studien unab- hängig von der Hauptdiagnose Hinweise auf Erhalt bzw. Ver- Die Therapieziele unterscheiden sich bei älteren Patienten nicht besserung von Ernährungsparametern, systematische Unter- grundsätzlich von denen jüngerer Patienten, erfahren jedoch suchungen liegen hier jedoch nicht vor. Der vielfach äuûerst re- eine andere Gewichtung. Während bei jüngeren Erwachsenen duzierte Ernährungszustand zum Zeitpunkt der Sondenanlage die Reduktion von Morbidität und Mortalität Priorität haben, erschwert bzw. verhindert möglicherweise häufig eine erfolg- stehen bei geriatrischen Patienten der Erhalt der Funktionalität reiche Ernährungstherapie (III). und der Lebensqualität im Mittelpunkt. In Anbetracht der gerin- geren Adaptations- und Regenerationsfähigkeit geriatrischer Pa- Kommentar tienten ist enterale Ernährung bei diesem Patientenkollektiv je- Von oraler Trinknahrung werden unabhängig von der Hauptdiag- doch frühzeitiger und langfristiger indiziert als bei jüngeren Er- nose überwiegend positive Effekte auf den Ernährungszustand wachsenen. beschrieben. Gewichtsverluste, die üblicherweise infolge akuter Krankheiten und Krankenhausaufenthalte auftreten, können 1.1 Kann man durch enterale Ernährung die Energie- und durch die Gabe flüssiger Trinknahrung vermieden werden, viel- Nährstoffzufuhr bei geriatrischen Patienten verbessern? fach wurde sogar eine Zunahme des Körpergewichts erreicht. In der bereits zitierten Cochrane-Übersicht von Milne et al. [5] er- Durch enterale Ernährung (sowohl orale Supplemente als auch gab die gemeinsame Auswertung der prozentualen Gewichtsver- Sondenernährung) lässt sich bei geriatrischen Patienten die änderung von 22 randomisiert kontrollierten Studien mit 1723 202 Energie- und Nährstoffzufuhr erhöhen (Ia). älteren Probanden eine mittlere Gewichtszunahme von 2,4 % [5] Bei Zufuhr über eine Sonde ist die PEG der nasogastralen Sonde (Ia). Weniger einheitlich sind die Veränderungen anderer an- überlegen (Ia). thropometrischer Parameter, auch hier spiegeln sich jedoch ins- gesamt Verbesserungen des Ernährungszustands wider [5] (Ia). Kommentar Effekte auf die Körperzusammensetzung wurden bisher selten Der Effekt oraler Trinknahrung auf die Energie- und Nährstoffzu- untersucht. Verschiedentlich wird von einer Zunahme der fett- fuhr älterer Personen mit Risiko für Mangelernährung wurde freien Körpermasse [18,19] (Ib) [20] (IIa) bzw. Körperzellmasse kürzlich in einer Cochrane-Analyse untersucht [5]. In 20 der da- [21] (Ib) bei supplementierten Patienten berichtet, andere Auto- rin berücksichtigten Studien führte die Supplementierung zu ei- ren konnten diesbezüglich jedoch keine ¾nderung feststellen ner deutlichen Verbesserung der Energie- und Proteinaufnahme. [22 ± 24] (Ib) [25] (IIa). In nur 3 Studien fand sich dagegen keine ¾nderung der Gesamt- nahrungsaufnahme, da die Patienten die übrige Nahrungsmenge Systematische, kontrollierte Untersuchungen zur Entwicklung reduzierten (Ia). Hierzu muss angemerkt werden, dass der Erfolg des Ernährungszustands im Verlauf einer Sondenernährung lie- oraler Trinknahrung in der klinischen Praxis durch die oft unbe- gen nicht vor. Durch die Schwierigkeit, das Körpergewicht der friedigende Akzeptanz, insbesondere über längere Zeiträume, li- meist bettlägerigen Patienten zu bestimmen und durch hohe mitiert ist. Auch in der Literatur werden Complianceprobleme Ausfälle (Mortalität, Sondenentfernung ± insbesondere bei naso- beschrieben [6 ± 12]. Geschmackliche Vielfalt und Abwechslung gastraler Sonde) sind prospektive Auswertungen oft nicht mög- im Angebot (verschiedene Geschmacksrichtungen, Temperatu- lich und Verlaufsdaten nur in sehr begrenztem Umfang vorhan- ren, Konsistenzen), Aufforderung und Unterstützung durch Pfle- den. gepersonen sowie Verabreichung zwischen (und nicht während) den Mahlzeiten sind ganz wesentliche praktische Aspekte zur ef- Häufig befinden sich enteral ernährte ältere Menschen zum Zeit- fektiven Steigerung der Energie- und Nährstoffzufuhr. punkt der Sonden- bzw. PEG-Anlage in einem äuûerst schlechten Ernährungszustand [26 ± 34]. Eine Verbesserung des Ernäh- Sondenernährung ermöglicht generell die Verabreichung groûer rungszustands bei mangelernährten alten Patienten ist zwar ge- Energie- und Nährstoffmengen bei Patienten, die nicht oder nerell möglich, eine Ernährungstherapie ist jedoch deutlich we- nicht ausreichend zur oralen Nahrungsaufnahme in der Lage niger effektiv als bei jüngeren [35]. Die im Alter ohnehin redu- sind. Randomisiert kontrollierte Studien, die nasogastrale Son- zierte fettfreie Körpermasse/Körperzellmasse ist durch Ge- denernährung mit enteraler Ernährung über PEG vergleichen, wichtsverlust und Mangelernährung noch weiter reduziert, was Volkert D et al. Leitlinie Enterale Ernährung ¼ Aktuel Ernaehr Med 2004; 29: 198 ± 225
nahrung "542", 9.8.04/maisch/Diskette/may gel. eine schlechte Voraussetzung für eine erfolgreiche Ernährungs- ernährter geriatrischer Patienten und Volkert et al. [6] (Ib) in ei- therapie darstellt. ¾ltere Patienten mit Mangelernährung reagie- ner Subgruppe von Studienteilnehmern mit guter Akzeptanz des ren auf Ernährungsmaûnahmen mit geringerer Zunahme der Supplements über 6 Monate. Woo et al. [44] beschreiben bei Pa- fettfreien Körpermasse/Körperzellmasse als junge [35]. Zum tienten mit Lungenentzündung nach 3-monatiger Intervention Aufbau von Körperzellmasse benötigen sie im Vergleich zu jün- einen signifikant besseren ADL-Status als in der Kontrollgruppe. geren gröûere Nahrungsmengen [36]. Darüber hinaus stellt kör- In mehreren Studien waren jedoch im Hinblick auf die Selbst- perliche Aktivität eine wichtige Voraussetzung zum Aufbau von ständigkeit bei Alltagsverrichtungen keine Unterschiede zwi- Körperzellmasse dar [37]. Viele sondenernährte Patienten sind schen den Gruppen nachweisbar [21, 22, 45 ± 47] (Ib) [10, 48] jedoch bettlägerig und immobil und zu aktiver Muskelarbeit (IIa). Die Mobilität blieb in mehreren Studien ebenfalls unbeein- nicht mehr in der Lage. flusst [7, 42, 45] (Ib) [10] (IIa). Auch die Handkraftstärke war in den meisten Studien unverändert [7,10,11,19, 23, 49 ± 51] (Ib) Dennoch liefern mehrere Studien bei geriatrischen Patienten mit [20] (IIa). Lediglich eine randomisierte Studie [52] (IIa) sowie multiplen Krankheiten positive Hinweise im Hinblick auf den Er- zwei nicht randomisierte [25, 53] und eine nicht kontrollierte nährungszustand, wie Erhalt von Körpergewicht [26, 27, 31, 38] Studie [54] (IIb) berichten von verbesserter Handkraft bei sup- Leitlinie Enterale Ernährung ± Teil 2 (III) und Albuminwerten [27, 38] (III) bzw. Anstieg der Albumin- plementierten Patienten. In 4 Untersuchungen wurden die Effek- werte [26, 31, 39] (III). In 2 Studien bei hochbetagten, überwie- te auf die geistige Leistungsfähigkeit überprüft und ebenfalls kei- gend dementen Heimbewohnern werden sogar Gewichtszunah- ne Veränderungen festgestellt [22, 42, 50] (Ib) [48] (IIa). men bei groûen Teilen der Untersuchten berichtet [40, 41]. Ver- besserungen im Ernährungszustand werden auch bei alten Pa- Alte Patienten, bei denen sich die Frage nach enteraler Sondener- tienten mit neurologisch bedingten Schluckstörungen beschrie- nährung stellt, befinden sich zu diesem Zeitpunkt sehr häufig in ben, wobei sich die Entwicklung bei PEG-ernährten Patienten schlechtem Allgemeinzustand und sind meist schwer funktionell deutlich besser darstellt als bei nasogastraler Ernährung [13,14] beeinträchtigt [26, 32, 38, 55 ± 57]. Auch Untersuchungen mit (Ib). Heimbewohnern beschreiben eine groûe Gebrechlichkeit und Abhängigkeit bei PEG-versorgten Bewohnern [32, 41, 58 ± 61] Der Effekt nächtlicher Sondenkostgabe zusätzlich zur oralen Er- (III). nährung bei älteren Patienten mit Hüft- bzw. Femurfraktur wird in 3 randomisiert kontrollierten Studien uneinheitlich beschrie- Zur Entwicklung des funktionellen Status bzw. der Rehabilita- ben [15 ± 17]. Die gröûten Erfolge berichten Bastow et al. [15] bei tionsfähigkeit im Verlauf einer enterale Ernährung über Sonden unterernährten Patienten (vgl. 2.4). liegen nur wenige, nicht kontrollierte Studien bei Alterspatien- ten vor [26, 28, 32, 62, 63]. Callahan et al. [26] stellten in einer Insgesamt liefern die derzeit vorliegenden Untersuchungen so- prospektiven Studie bei 72 PEG-ernährten Patienten mit schwe- mit Hinweise auf verbesserte Ernährungsparameter im Verlauf ren körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen nur selten der Sondenernährung. Zumindest ein Teil der sondenernährten eine Verbesserung des funktionellen Status fest (IADL 6 %, ADL 203 Alterspatienten profitiert in dieser Hinsicht von der enteralen Er- 10 %, obere Körperfunktionen 18 %, untere Körperfunktionen nährungstherapie, unabhängig von der Hauptdiagnose. 29 %). Die Patienten wurden dabei vor und nach PEG-Anlage mit Hilfe von mehreren ADL-Skalen eingeschätzt (IIb). Kaw u. Sekas 1.3 Können der funktionelle Status bzw. die Rehabilitati- [32] sahen bei sondenernährten Heimbewohnern in schlechtem onsfähigkeit durch enterale Ernährung erhalten oder verbes- Allgemeinzustand (52 % Demenz, 48 % völlig ADL-abhängig) sert werden? ebenfalls keine Verbesserung des funktionellen Status nach 18 Monaten. Zur Einschätzung der Funktionen wurde die ¹Functio- Eine generelle Aussage zur Entwicklung des funktionellen Sta- nal Independence Measure Scale (FIM)ª benutzt (III). Weaver et tus und der Rehabilitationsfähigkeit durch orale Supplemen- al. [63] benutzten zur Funktionseinschätzung die ¹Quality of tierung oder Sondenernährung ist nicht möglich, da nur weni- Life Scaleª adaptiert nach Spitzer. Dabei werden Orientierung, ge Studien mit unterschiedlicher Methodik zum Thema vorlie- Kommunikationsfähigkeit, Grundpflegefähigkeit und Kontinenz gen. erfasst. Bei einem gemischten Kollektiv PEG-ernährter Patienten wurde keine signifikante ¾nderung nach Langzeiternährung ge- Kommentar funden. Angehörige der Patienten mit niedrigstem Wert auf der Der Effekt oraler Trinknahrung auf die funktionellen Fähigkeiten Funktionsskala tendierten dabei zu einem Nein auf die Frage, ob älterer Patienten ist derzeit nicht eindeutig abzuschätzen. Die sie in gleicher Situation an Stelle der Patienten eine Sondenver- Datenlage ist uneinheitlich, zu viele unterschiedliche Parameter sorgung wünschen würden (IIb). Nair et al. [28] konnten bei De- erlauben hier keine Metaauswertung [5]. Nur wenige Studien menzkranken mithilfe der ¹Karnofsky Performance Scaleª eben- liefern bisher Hinweise auf signifikante Verbesserungen. So be- falls keine Verbesserung der Funktionen nach 6 Monaten Ernäh- richten z. B. Gray-Donald et al. [11] (Ib) von einer geringeren rung über PEG feststellen (IIa). Lediglich Sanders et al. [62] be- Sturzhäufigkeit bei supplementierten im Vergleich zu nicht sup- schreiben in einer prospektiven Untersuchung bei 25 Schlagan- plementierten, gebrechlichen zu Hause lebenden Senioren und fallpatienten (Durchschnittsalter 80 Jahre) mit enteraler Ernäh- Unosson et al. [42] (Ib) von einem höheren Aktivitätsniveau bei rung über PEG-Sonde (PEG-Anlage im Mittel 14 Tage nach Patienten einer Langzeitpflegeeinrichtung nach 8-wöchiger ora- Schlaganfallereignis) eine Verbesserung der Alltagsfähigkeiten. ler Supplementierung. Verbesserungen in den ADL (Fähigkeit zur Der Barthel-Index betrug bei PEG-Anlage bei 84 % der Patienten Verrichtung grundlegender Aktivitäten des täglichen Lebens) be- 0 Punkte, im Mittel 0,5 Punkte. Nach 6 Monaten war ein Anstieg richten Potter et al. [43] (Ib) in einer Subgruppe schwer mangel- auf durchschnittlich 4,8 Punkte zu verzeichnen. 6 Patienten Volkert D et al. Leitlinie Enterale Ernährung ¼ Aktuel Ernaehr Med 2004; 29: 198 ± 225
nahrung "542", 9.8.04/maisch/Diskette/may gel. (24 %) zeigten eine deutliche Verbesserung in den Alltagsfähig- Daten zur subjektiven LQ nach PEG-Anlage bei Alterspatienten keiten (Barthel-Index-Anstieg von 0,5 auf 9 Punkte). 10 Patienten und/oder deren Angehörigen zu erheben. Von den Patienten, die zeigten keine oder nur eine minimale Besserung im Barthel-In- nach einem Jahr noch lebten und weiterhin über PEG ernährt dex (IIa). wurden (n = 23), waren 85 % nicht fähig, ihren Haushalt zu füh- ren, 67 % waren zur Grundpflege nicht in der Lage und 19 % gaben 1.4 Lässt sich durch enterale Ernährung eine Verkürzung ein starkes Krankheitsgefühl an. Dennoch war die Mehrheit von der stationären Behandlungsdauer erreichen? Patienten und Angehörigen der Meinung, dass sie die richtige Entscheidung bei der Zustimmung zur PEG getroffen hätten. Orale Supplemente verkürzen die Krankenhausverweildauer Alle 10 Patienten, die nach 1 Jahr noch lebten und befragt werden bei geriatrischen Patienten mit manifester oder drohender konnten, gaben an, dass sie sich wieder für die PEG entscheiden Mangelernährung (Ia). würden. Bei 3 dieser 10 Patienten war eine Verschlechterung im Karnofsky-Index eingetreten, bei 6 Patienten eine Besserung Kommentar (IIb). Diese Ergebnisse lassen jedoch auch nach Ansicht der Auto- Durch die gemeinsame Auswertung mehrerer Studien konnte in ren nicht unbedingt Rückschlüsse auf eine verbesserte Lebens- Leitlinie Enterale Ernährung ± Teil 2 der Cochrane-Analyse von Milne et al. [5] im Hinblick auf die qualität zu. Weaver et al. [63] evaluierten die subjektive Lebens- Verweildauer im Krankenhaus ein statistisch signifikanter Bene- qualität durch Interviews und stellen eine Korrelation zwischen fit oraler Trinknahrung nachgewiesen werden. Die mittlere Liege- subjektiver und objektiver Lebensqualität fest (vgl. 1.3). Signifi- dauer war in 7 Studien mit 658 Teilnehmern in der Supplement- kante ¾nderungen wurden auch bei der subjektiven Lebensqua- gruppe um 3 ± 4 Tage kürzer als in der nicht supplementierten lität nicht beobachtet (IIb). Abitbol et al. [31] benutzten in einer Gruppe (95 %-KI ± 6,1 bis ± 0,7 Tage) (Ia). Werden Patienten mit prospektiven Multizenterstudie die ¹Behavior Scaleª (ECPA) und Schenkelhalsfrakturen separat betrachtet, ergeben sich in eini- die ¹MADRS Depression Scaleª, um die Lebensqualitätsverbesse- gen Studien sogar deutlich gröûere Effekte [64 ± 67], die aller- rung nach enteraler Ernährung über PEG-Sonde bei 59 institutio- dings in anderen Arbeiten nicht bestätigt werden [68] (vgl. 2.4). nalisierten Patienten mit einem Durchschnittsalter von 85 Jah- ren einzuschätzen. Die Patienten waren bettlägerig, im Allge- 1.5 Lässt sich durch enterale Ernährung eine Verbesserung meinzustand sehr reduziert und wiesen in 25 % der Fälle Infek- der Lebensqualität (LQ) erreichen? tionen auf. 3 Monate nach enteraler Ernährung über PEG-Sonde konnte bei den Überlebenden kein signifikanter Effekt auf den Die Wirkung von oraler Supplementierung/Sondenernährung Behaviour-Score festgestellt werden, obwohl der Depressions- auf die Lebensqualität ist nicht gesichert. Score sich tendenziell verbesserte. Allerdings erreichten 16 Pa- tienten eine orale Nahrungsaufnahme und 6 Patienten konnten Kommentar mit PEG in die häusliche Umgebung entlassen werden (IIb). Obwohl die Lebensqualität von zentraler Bedeutung zur Beurtei- 204 lung des Therapienutzens in der Geriatrie ist, befassen sich nur Insgesamt lässt sich damit auch aus den Studien bei sondener- wenige Studien mit dieser Thematik. Dabei werden sehr unter- nährten Patienten keine eindeutige Wirkung auf die Lebensqua- schiedliche Parameter zur Einschätzung der Lebensqualität ver- lität ableiten. wendet. 1.6 Lässt sich bei geriatrischen Patienten durch enterale Er- In verschiedenen Studien zur Wirksamkeit von oralen Supple- nährung eine Verlängerung der Lebenszeit erreichen? menten wurden hierzu beispielsweise folgende Parameter unter- sucht: allgemeines Wohlbefinden, selbst-empfundene Gesund- Orale Supplementierung verbessert in der Gesamtgruppe die heit, 36-Punkte-Gesundheitsstatus (SF-36), Krankenhaus-Angst- Lebenserwartung (Ia). und-Depressions-Skala (HADS). Teilweise werden Verbesserun- Bei Patienten, die aufgrund der Schwere der Grunderkrankun- gen beschrieben [7, 52, 69] (IIa), andere Studien stellen dagegen gen eine enterale Ernährung über Sonde benötigen, ist eine Ver- keine Veränderung fest [11, 24, 49] (IIa). Die dürftige Datenlage längerung der Lebenszeit nicht gesichert. lässt somit keine allgemeinen Schlussfolgerungen über den Ein- fluss oraler Trinknahrung auf die Lebensqualität zu. Kommentar Die Frage, inwieweit eine orale Trinknahrung Einfluss auf die Wesentliche Schwierigkeiten bei der Erhebung von Daten zur Le- Mortalität älterer Menschen mit Mangelernährungsrisiko hat, bensqualität bestehen bei alten Patienten durch die gehäuft auf- wurde ebenfalls in der Cochrane-Analyse von Milne et al. [5] un- tretenden Einschränkungen von Kognition, Vigilanz und Spra- tersucht. Daten aus 22 randomisiert kontrollierten Studien mit che. Dies wird insbesondere bei den nachfolgend beschriebenen 1755 Teilnehmern ergaben in einer metaanalytischen Berech- Studien zur Sondenernährung deutlich. So waren in der Untersu- nung ein geringeres Mortalitätsrisiko bei supplementierten Se- chung von Callahan et al. [26] 60 % der Patienten zum Zeitpunkt nioren im Vergleich zu nicht supplementierten (RR 0,67; 95 %-KI der PEG-Anlage nicht in der Lage, zu kommunizieren, die Mehr- 0,52 ± 0,87) [5] (Ia). Die Probanden wurden hierbei mindestens heit der Patienten mit erhaltener Kommunikationsfähigkeit war eine Woche supplementiert und die Beobachtungszeit betrug kognitiv schwer eingeschränkt (IIb). In einer von Bannerman et mindestens 2 Wochen. Eine weitere Metaanalyse von 12 rando- al. [70] untersuchten Kohorte von 215 Patienten konnten nur misierten kontrollierten Studien (n = 1146) und 5 nicht randomi- bei 30 Patienten Daten zur subjektiven LQ erhoben werden (IIb). sierten Studien über den Effekt einer oralen Supplementation bei Verhoef et al. [71] verwendeten semistrukturierte Interviews geriatrischen Patienten im Krankenhaus (gemischte Diagnosen) bzw. die Karnofsky-Skala und den ¹Quality-of-Lifeª-Index, um kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis (RR 0,58; 95 %-KI Volkert D et al. Leitlinie Enterale Ernährung ¼ Aktuel Ernaehr Med 2004; 29: 198 ± 225
nahrung "542", 9.8.04/maisch/Diskette/may gel. 0,4 ± 0,83) [72] (Ia). Dagegen ergab eine Metaanalyse von 5 Stu- Kontrollgruppe) und 83 bzw. 46 % waren schwer ADL-abhängig. dien mit oraler Energie- und Proteinsupplementierung speziell Die Mortalität war mit 22 bzw. 12 % nach 1 Jahr vergleichsweise bei Patienten mit Hüftfrakturen kein verringertes Mortalitätsri- gering. In der Untersuchung von Bourdel-Marchasson et al. [58] siko [68]. Auch die Studien mit ergänzender nächtlicher Sonden- (III) bei einem gemischten Kollektiv von Altenheimbewohnern ernährung bei Hüftfrakturpatienten liefern kein anderes Ergeb- und hoher Abhängigkeit in den Alltagsaktivitäten betrug die nis (vgl. 2.4). Mortalität nach 30 Tagen bei Bewohnern mit PEG-Versorgung 14 % gegenüber 10 % bei Bewohnern ohne künstliche Ernährung. Der Effekt enteraler Sondenernährung auf die Lebenserwartung Auch diverse gastrointestinale und pulmonale Komplikationen von Alterspatienten wurde in 9 kontrollierten Studien (Tab. 5) waren nicht signifikant unterschiedlich. Die Häufigkeit von De- und zahlreichen Beobachtungsstudien (Tab. 6) untersucht. menz im Heim wird mit 55 %, von Schlaganfällen mit 19 % ange- geben, für das untersuchte Kollektiv werden keine spezifischen Aus ethischen Gründen ist keine der kontrollierten Studien ran- Angaben gemacht. domisiert. Vier dieser Studien wurden in Kliniken durchgeführt [28, 73 ± 75], 5 bei Heimbewohnern [58 ± 61, 76]; 2 der Studien 2 weitere Studien kommen bei schluckgestörten Klinikpatienten Leitlinie Enterale Ernährung ± Teil 2 sind prospektiv angelegt [28, 73], die anderen vergleichen retro- zu unterschiedlichen Ergebnissen. Croghan et al. [76] berichten spektiv eine Gruppe enteral ernährter Patienten mit einer Grup- bei 15 sondenernährten und 7 nicht sondenernährten Patienten pe ohne enterale Ernährung. mit Aspiration, die überwiegend aufgrund zerebrovaskulärer Er- eignisse videofluoroskopiert wurden, keinen Mortalitätsunter- In 5 Studien werden Probanden mit fortgeschrittener Demenz schied. Cowen et al. [74] (III) rekrutierte 149 schwer kranke Kli- untersucht [28, 59, 60, 73, 75]. Die jüngste dieser Arbeiten be- nikpatienten mit Schluckstörungen unterschiedlicher Ursache schreibt retrospektiv bei 23 schwer dementen, dysphagischen und verglich die Mortalität von drei Subgruppen nach 1 Jahr: Patienten mit PEG und bei 18 Patienten, bei denen gegen eine Von 80 Patienten, die eine PEG erhielten, waren 60 % verstorben, PEG entschieden wurde, eine mittlere Überlebenszeit von 59 von 18 Patienten, deren Zustand sich in der Klinik spontan gebes- bzw. 60 Tagen [75]. Eine Datenbankanalyse von Mitchell et al. sert hat, 10 % und von 51 weiteren Patienten ohne PEG 78 %. In der aus dem Jahre 1997 [60] bei 1386 Heimbewohnern mit schwerer letztgenannten Gruppe hatten 28 die enterale Ernährung ver- zerebraler Schädigung ± davon 135 enteral ernährt ± ergab eben- weigert, 12 verstarben vor der PEG-Anlage, einer wurde verlegt falls keinen Überlebensvorteil durch enterale Ernährung (III). Die und 10 wurden nasogastral ernährt. Mortalitätsrate nach 1 Jahr war mit ca. 15 % erstaunlich gering. Meier et al. [73] rekrutierten prospektiv 99 akut erkrankte Klinik- Mit dieser Studie von Cowen et al. [74] wird die Problematik aller patienten mit fortgeschrittener Demenz. 17 dieser Patienten nicht randomisierten, kontrollierten Studien offensichtlich: die wurden bereits bei Klinikaufnahme über PEG ernährt, 51 Patien- mangelnde Vergleichbarkeit der Gruppen mit und ohne enterale ten erhielten in der Klinik eine PEG, die übrigen 31 Patienten er- Ernährung. Tatsächlich waren in allen genannten Studien die en- nährten sich oral. Mit oder ohne Sonde war nach 6 Monaten etwa teral ernährten Patienten hinsichtlich entscheidender Kriterien 205 die Hälfte der Patienten verstorben. Nair et al. [28] stellte bei 55 nicht vergleichbar. Die einzige Ausnahme stellt die Untersu- schwer dementen Klinikpatienten mit PEG prospektiv nach 6 chung von Rudberg et al. [59] dar. In den Studien von Meier et Monaten eine höhere Mortalität fest als bei einer Kontrollgruppe al. [73] und Murphy u. Lipman [75] sind die Gruppen nicht näher ohne PEG (44 vs. 26 %). Die Gruppen waren nach Angabe der Au- beschrieben. toren hinsichtlich Alter, Geschlecht und Komorbidität vergleich- bar, allerdings hatten die PEG-Patienten im Gegensatz zur Kont- In nicht randomisierten Studien unterscheiden sich offensicht- rollgruppe häufig schwere Hypoalbuminämien (mittlere Albu- lich Patienten, die enteral ernährt werden von Patienten, bei de- minkonzentration 28,6 5 vs. 33,2 4 g/L). Die einzige Studie, nen ± aus welchen Gründen auch immer ± gegen die enterale Er- die eine signifikant geringere Mortalität bei Altenheimbewoh- nährung entschieden wurde. Vermutlich ist die Entscheidung für nern mit schwerer kognitiver Einschränkung feststellt, ist die bzw. gegen enterale Ernährung in gewisser Weise mit dem Zu- Datenbankanalyse von Rudberg et al. [59]. Nach 30 Tagen waren stand des Patienten assoziiert. Darüber hinaus wird auch die He- in der Gruppe enteral ernährter Senioren mit 15 % deutlich weni- terogenität geriatrischer Patientenkollektive deutlich. Eine Viel- ger Todesfälle zu verzeichnen als in der Kontrollgruppe (30 %). zahl einflussreicher Parameter ± Diagnose, Komorbidität, Ernäh- Nach einem Jahr war der Unterschied weniger stark ausgeprägt, rungs- und Allgemeinzustand, zahlreiche funktionelle Variablen aber immer noch signifikant (50 vs. 61 %). Die Kontrollgruppe wie Kognition, Vigilanz, Selbsthilfefähigkeit, Mobilität, Konti- war hinsichtlich des Demenzgrades, der Komorbiditäten, des nenz ± sind in unterschiedlicher Kombination und Ausprägung funktionellen Status und des BMI vergleichbar (III). vorhanden. Zwei weitere kontrollierte Studien mit Heimbewohnern unter- In den Beobachtungsstudien zur Mortalität enteral ernährter schiedlicher Diagnosen und geringerer Anteile Demenzkranker älterer Menschen wird zum überwiegenden Teil die Mortalität fanden ebenso wie die erstgenannten Studien keinen Überle- nach 30 Tagen bzw. nach 1 Jahr beschrieben (Tab. 6). Unter- bensvorteil durch enterale Ernährung. In der Datenbankanalyse schiedlich lange Beobachtungszeiträume und unterschiedliche, von Mitchell et al. aus dem Jahre 1998 war die Mortalität bei in sich heterogene Kollektive erschweren Vergleiche zwischen 551 sondenernährten Heimbewohnern mit Kau- und Schluckstö- diesen Studien. Meist sind die Kollektive zudem nur sehr unge- rungen sogar gröûer als bei 4715 Bewohnern ohne Ernährungs- nau beschrieben. Die 30-Tage-Mortalität wird in diesen Studien maûnahme [61] (III). Etwa die Hälfte der Probanden war schwer überwiegend zwischen 10 und 30 % angegeben. Niedrigere Ster- kognitiv beeinträchtigt (66 % der Sondenernährten vs. 46 % der beraten werden von Abuksis et al. [55] und Dwolatzky et al. [77] Volkert D et al. Leitlinie Enterale Ernährung ¼ Aktuel Ernaehr Med 2004; 29: 198 ± 225
nahrung "542", 9.8.04/maisch/Diskette/may gel. bei dementen Senioren berichtet, von Finucane et al. [78] und gedauer und Reduktion der Mortalität [5] (Ia) (vgl. 1.1, 1.2, 1.4, von Horton et al. [79] bei geriatrischen Patienten, die überwie- 1.6). Flüssige Zusatznahrung ist deshalb in dieser Indikation ein- gend von zerebrovaskulären Ereignissen betroffen waren und deutig zu empfehlen (A). Effekte auf Funktionalität und Lebens- von Ciocon et al. [27] bei einem gemischten Kollektiv alter Pa- qualität sind dagegen aufgrund mangelhafter Datenlage nicht tienten. Eine extrem hohe 30-Tage-Mortalität von 46 bzw. 54 % gesichert (vgl. 1.3 und 1.5). beschreiben Schneider et al. [80] und Sanders et al. [57] bei de- menten Senioren. Auch die Effekte von Sondenernährung bei Mangelernährung sind aufgrund dürftiger Studienlage unklar. Häufig wird Sonden- 1 Jahr nach enteralem Ernährungsbeginn liegen die Mortalitäts- ernährung erst bei fortgeschrittener Mangelernährung begon- raten zwischen 15 und 90 % (Tab. 6). Auch hier finden sich sowohl nen, dieser Zustand stellt jedoch generell eine schlechte Voraus- die niedrigste als auch die höchste Mortalitätsrate bei dementen setzung für erfolgreiche Ernährungstherapie dar (vgl. 1.2). Den- Kollektiven [57, 60] (vgl. 2.6). noch liefern mehrere Studien Hinweise auf Verbesserung bzw. Erhalt von Ernährungsparametern durch Sondenernährung bei Insgesamt lässt sich die Frage nach einer Verlängerung der Le- mangelernährten alten Patienten [26, 27, 31] (III). Auswirkungen Leitlinie Enterale Ernährung ± Teil 2 benszeit durch eine enterale Sondenkost somit nicht zufrieden auf Funktionalität und Lebensqualität konnten jedoch nicht gesi- stellend beantworten. Auch Mitchell et al. [81] kommen in einer chert werden (vgl. 1.3 und 1.5). Es wird dringend empfohlen, Er- Metaanalyse von 7 kontrollierten Studien zur Mortalität mit nährungstherapie nicht erst bei schwerer Mangelernährung zu bzw. ohne PEG zu dem Schluss, dass der Einfluss enteraler Ernäh- beginnen, sondern frühzeitig, sobald Hinweise auf Ernährungsri- rung auf die Lebenserwartung sich aus dem vorliegenden Daten- siken vorliegen, und solange körperliche Aktivität noch möglich material nicht ableiten lässt. Aussagekräftige Studien sind drin- ist und enterale Ernährung zum Erhalt der Muskelmasse beitra- gend erforderlich. gen kann (C). 2.2 Ist eine enterale Ernährung bei multimorbiden ge- 2 Enterale Ernährung bei speziellen Krankheitszuständen brechlichen ¾lteren indiziert? 2.1 Ist bei Patienten mit Mangelernährung eine enterale Er- Bei multimorbiden, gebrechlichen ¾lteren wird orale Supple- nährung indiziert? mentierung zur Verbesserung des Ernährungszustandes emp- fohlen (A). Drohende und manifeste Mangelernährung stellen wesentliche Multimorbide, gebrechliche ¾ltere profitieren von enteraler Er- und eigenständige Indikationen zur enteralen Ernährung in nährung über Sonde, solange der Allgemeinzustand stabil ist der Geriatrie dar. Orale Supplementierung wird zur Steigerung (nicht im Endzustand). Sondenernährung wird daher bei einem der Energie- und Nährstoffaufnahme, Erhalt bzw. Verbesse- Ernährungsrisiko frühzeitig empfohlen (B) . 206 rung des Ernährungszustands, Verkürzung der Liegedauer und Verringerung der Mortalität empfohlen (A). Kommentar Enterale Ernährung wird bei Hinweisen auf Ernährungsrisiken Gebrechliche ältere Menschen (¹frail elderlyª) sind durch die (z. B. unzureichende Nahrungsaufnahme, unbeabsichtigter Ge- Präsenz von medizinischer, physikalischer und psychologischer wichtsverlust > 5 % in 3 Monaten bzw. > 10 % in 6 Monaten, Komorbidität in ihrer Alltagskompetenz eingeschränkt (körper- BMI-Werte unter 20 kg/m2 sowie Albuminwerte unter 35 g/L) lich und/oder geistig), infolgedessen bei alltäglichen Handlungen frühzeitig empfohlen (B). hilfe- und/oder pflegebedürftig und anfällig für Komplikationen. Die bedarfsgerechte Versorgung mit Flüssigkeit und Nährstoffen Kommentar stellt gerade bei diesen ¾lteren häufig ein Problem dar. Multi- Mangelernährung ist mit einer schlechten Prognose für den wei- morbide gebrechliche Senioren weisen daher einerseits ein be- teren Krankheitsverlauf verbunden (vgl. S. 193 f.). Da Verluste sonderes Risiko für Mangelernährung bzw. eine manifeste Man- von fettfreier Körpermasse bzw. Körperzellmasse im Alter nur gelernährung auf und sind andererseits bei manifester Malnutri- schwer wieder ausgeglichen werden können, muss bereits bei tion besonders gefährdet. drohender Mangelernährung für den Erhalt des Ernährungszu- stands durch Sicherung bedarfsgerechter Energie- und Nähr- Erfahrungsgemäû hängt die Fähigkeit zur oralen Nahrungsauf- stoffaufnahme gesorgt werden. Wesentliche Hinweise auf Man- nahme auch vom Grad der Gebrechlichkeit ab. Das Nachlassen gelernährung liefern dabei BMI-Werte unter 20 kg/m2, ein auf- der Fähigkeit zur oralen Nahrungsaufnahme kann dabei Hinweis fälliger unbeabsichtigter Gewichtsverlust > 5 % in 3 Monaten für das Fortschreiten oder die Schwere der Erkrankung bzw. der bzw. >10 % in 6 Monaten sowie Albuminwerte unter 35 g/L. Ap- Gebrechlichkeit sein (IV). petitverlust, Reduktion der üblichen Nahrungsmenge und/oder stressbedingt erhöhter Bedarf weisen auf ein Risiko für Mangel- Orale Trinknahrung bewirkt bei gemischten Kollektiven multi- ernährung hin (vgl. S. 191). morbider Senioren mit unterschiedlichen akuten und/oder chro- nischen Krankheiten ± sowohl zu Hause als auch in Heimen und In einer Cochrane-Analyse von 31 Studien mit insgesamt 2464 Kliniken ± überwiegend eine signifikante Steigerung der Ener- randomisierten älteren Personen mit Risiko bzw. mit manifester gie- und Nährstoffzufuhr sowie eine Stabilisierung bzw. Verbes- Mangelernährung sind die positiven Effekte oraler Trinknahrung serung des Ernährungszustands. Effekte auf Körperfunktionen belegt: Steigerung der Energie- und Nährstoffaufnahme, Erhalt und Lebensqualität sind aufgrund mangelhafter Datenlage nicht bzw. Verbesserung des Ernährungszustands, Verkürzung der Lie- gesichert (Tab. 7). Effekte auf die Dauer des Klinikaufenthalts Volkert D et al. Leitlinie Enterale Ernährung ¼ Aktuel Ernaehr Med 2004; 29: 198 ± 225
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