GOOD NEWS FROM AFRICA - OEAD
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Sozial Extra https://doi.org/10.1007/s12054-020-00262-x © The Author(s) 2020 Einblick Good News from Africa Soziale Arbeit in Afrikas Region der Großen Seen Soziale Arbeit in Afrikas Region der Großen Seen hat mit großen sozialen Problemen zu kämpfen und ist auch als Profession mit beträchtlichen strukturellen Herausforderungen konfrontiert. Während in der Ausbildung importierte Theorien und Konzepte aus Europa und Nordamerika dominieren, haben in der Praxis zumeist internationale Fördergeber das Sagen. Ein internationales Projekt hatte die Professionalisierung Sozialer Arbeit in einigen dieser Länder zum Ziel. I n den westlichen Medien und europäischen Köp- Die großen sozialen Probleme in Subsahara-Afrika sind fen wird Afrika zumeist einseitig als „K-Kontinent“ – bei aller Vorsicht, was Verallgemeinerungen betrifft – dargestellt und wahrgenommen: Kontinent der Krie- absolute Armut, soziale Ungleichheit, hohe Arbeitslo- ge, Katastrophen, Krisen, Krankheiten und Korruption. sigkeit (vor allem bei der jungen Generation), fehlende Tatsächlich handelt es sich um einen bunten Kontinent soziale Sicherheit, Fluchtbewegungen, Menschenrechts- mit 54 Staaten und einer beträchtlichen geographischen, verletzungen sowie politische Gewalt, die sich in eini- klimatischen, kulturellen, sozialen, politischen und öko- gen Ländern in Form bewaffneter Konflikte manifes- nomischen Vielfalt. Die Lebenswelten der Menschen se- tiert. Hinzu kommen gravierende Auswirkungen des hen entsprechend sehr unterschiedlich aus. Während der Klimawandels, beispielsweise durch anhaltende Dürre- Großteil der Bevölkerung nach wie vor auf dem Land perioden, die besonders in Ostafrika zu Nahrungsmit- lebt, verzeichnen einige afrikanische Staaten gleichzei- telkrisen geführt haben (Society for International Deve- tig die höchsten Urbanisierungsraten der Welt (Hove lopment 2016, S. 21). et al. 2013). In den Großstädten gibt es immer mehr Soziale Arbeit stellt sich als heterogenes und komple- Slums, die von Armut und Gewalt geprägt sind. Un- xes Feld dar, mit länderspezifischen Unterschieden, aber terdessen kristallisiert sich, bedingt durch ein steigen- auch einigen Gemeinsamkeiten (Spitzer 2018): In den des Wirtschaftswachstum, langsam eine schmale Mittel- meisten Ländern ist Soziale Arbeit im Zuge der kolo- schicht mit einem gehobeneren Lebensstandard heraus. nialen Sozialplanung und in weiterer Folge nach der Der Alltag der Bevölkerung wird sukzessive von Mo- Unabhängigkeitsbewegung in den 1960er-Jahren durch dernisierungserscheinungen durchdrungen. Vor allem die sogenannte Entwicklungshilfe als fremdbestimmte das Mobiltelefon und das Internet haben die Lebensge- Profession entstanden (Midgley 1981). Diese von James wohnheiten der Menschen maßgeblich verändert. Midgley (ebd.) als „professioneller Imperialismus“ ti- tulierte Überformung mit westlich orientierten Theori- en, Konzepten und Methoden in Ausbildung und Praxis dauert tendenziell bis heute an. Helmut Spitzer Feldkirchen, Österreich Große Seen, große Herausforderungen *1966; FH-Prof. Mag. Dr., Professor für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Kärnten. Langjährige Forschungserfahrung in Folgende Länder werden zur Region der Großen Seen Ostafrika. (dazu gehören vor allem der Viktoriasee und der Tan- h.spitzer@fh-kaernten.at ganjikasee) gezählt: Burundi, die Demokratische Re- publik Kongo, Kenia, Ruanda, Tansania und Uganda. Zusammenfassung In der afrikanischen Region der Mit Ausnahme von Tansania haben diese Länder eine Großen Seen kämpft Soziale Arbeit in Abgrenzung zu importier- gewaltvolle Geschichte hinter sich, die von ethnischen ten Theorien und Konzepten um ein eigenständiges, indigenes Konflikten, Bürgerkrieg und Völkermord geprägt ist. Profil. Dazu lief über mehrere Jahre ein Projekt zur Erforschung Besonders der Genozid in Ruanda, bei dem 1994 bis zu und Stärkung der Profession. Zentrale Komponenten dieses Projekts waren Forschung, Lehrplanentwicklung, Berufspolitik einer Million Menschen ermordet wurden, hatte weit- und Lobbyarbeit. reichende Folgen und führte zur Destabilisierung der ge- samten Region und zum Zerfall des vormaligen Staates Schlüsselwörter Afrika, Indigenisierung, Internationale Soziale Arbeit, Professionalisierung, Soziale Entwicklung Zaire, der nun Demokratische Republik Kongo heißt (vgl. Spitzer und Twikirize 2014). Ruanda ist weltweit
Sozial Extra Einblick das einzige Land, in dem professionelle Soziale Arbeit artikulierten Bedarfslagen konzipiert. Dazu trafen sich als Reaktion auf einen Völkermord und die völlige Zer- die Projektpartner_innen zu einer einwöchigen Klausur störung eines Landes ins Leben gerufen worden ist. in Nairobi, Kenia. In Phase II (2011 bis 2014) konzen- Angesichts dieser Problemlagen hat Soziale Arbeit trierte sich das Projekt auf Grundlagenforschung, die enorme Herausforderungen zu meistern und als Pro- Überarbeitung der Curricula und berufspolitische As- fession selbst mit einer Reihe von Strukturproblemen zu pekte. Die Partnerorganisationen waren die Universi- kämpfen. Zunächst gibt es viel zu wenig Ausbildungs- ty of Nairobi in Kenia, die University of Rwanda, das stätten: In den Ländern der Ostafrikanischen Gemein- Institute of Social Work in Tansania und die Makerere schaft (Burundi, Kenia, Ruanda, Tansania und Uganda) University in Uganda. In Phase III (2016 bis 2019) ka- mit einer Bevölkerung von 170 Mio. gibt es insgesamt men die Hope Africa University in Burundi sowie der nur 44 tertiäre Bildungseinrichtungen für Soziale Ar- neu gegründete Berufsverband für Soziale Arbeit in der beit (Spitzer 2019, S. 571). Zum Vergleich: Allein in Demokratischen Republik Kongo an Bord. Dabei lag Deutschland gibt es mehr als 150 facheinschlägige Stu- der Schwerpunkt auf der Erforschung indigener und in- diengänge. Die meisten Curricula an den afrikanischen novativer Praxisansätze sowie auf dem sozialpolitischen Hochschulen sind stark westlich orientiert, zudem gibt und menschenrechtlichen Engagement Sozialer Arbeit. es einen großen Mangel an fachlich qualifiziertem Lehr- Das Projekt wurde durch das Programm APPEAR (Aus- personal. Forschung zu Sozialer Arbeit war bis vor we- trian Partnership Programme in Higher Education and nigen Jahren so gut wie inexistent. Und für die Praxis Research for Development) der Österreichischen Ent- kann man die Arbeitsrealität wohl in einem Satz zu- wicklungszusammenarbeit finanziert. Durch eine Reihe sammenfassen: Zu wenige Sozialarbeiter_innen müssen von Publikationen, neue Curricula, mehrere Fachkon- sich um zu viele Probleme und Klient_innen kümmern, ferenzen sowie einen intensiven Dialog mit politischen bekommen obendrein zu wenig bezahlt und erhalten Entscheidungsträgern konnten einige nachhaltige Ak- kaum gesellschaftliche Anerkennung. Bei einer in vier zente zur Stärkung Sozialer Arbeit in den betroffenen ostafrikanischen Ländern durchgeführten Studie kam Ländern gesetzt werden. heraus, dass mehr als die Hälfte der befragten Sozial- arbeiter_innen (51 %) im Non-Profit-Sektor arbeitet Von Grundlagenforschung zu angewandter (Twikirize et al. 2014), und dieser wird fast ausschließ- Praxisforschung lich von internationalen Fördergebern und Spendengel- In Phase II wurde eine umfassende Studie zum Status dern finanziert. Mit anderen Worten: Die Praxis der So- quo Sozialer Arbeit in Ausbildung, Praxis und Berufs- zialen Arbeit ist von großer ausländischer Abhängigkeit politik sowie zum Beitrag der Profession zur Armuts- geprägt. Wenn kein Geld mehr fließt, kommen auch die bekämpfung und sozialen Entwicklung durchgeführt. Projektaktivitäten zum Stillstand. Auf Basis einer aus quantitativen und qualitativen For- schungsmethoden zusammengesetzten Befragung von Trotz allem gute Neuigkeiten 2000 Personen (Sozialarbeiter_innen, Lehrende, Stu- Was also sind die im Titel dieses Beitrags angekündig- dierende, Arbeitgeber, politisch Verantwortliche und ten „Good News“? Ich beziehe mich dabei auf ein Pro- Klient_innen) liegen nun erstmals empirische Daten jekt internationaler Sozialer Arbeit, das als Antwort auf zu Sozialer Arbeit in diesen Ländern vor (Spitzer et al. die skizzierten Strukturprobleme in diesen Ländern von 2014). In Phase III wurden im Zuge angewandter Pra- 2010 bis 2019 in mehreren Phasen durchgeführt wur- xisforschung indigene, d. h. kulturspezifisch relevan- de. Es handelt sich dabei um eine Kooperation zwischen te und innovative Ansätze der Lebensbewältigung und mehreren ostafrikanischen Hochschulen und der Fach- Problemlösung beforscht. Die Ergebnisse aus 155 qua- hochschule Kärnten in Österreich, das die Erforschung, litativen Interviews und 55 Fokusgruppendiskussionen Stärkung und Professionalisierung Sozialer Arbeit zum zeigen vor allem eines deutlich: Die indigene Praxis der Ziel hatte (Spitzer 2019). Die zentralen Komponenten Sozialen Arbeit ist stark kollektiv ausgerichtet und fo- des Projekts PROSOWO (Promotion of Professional So- kussiert ihre Interventionen in erster Linie auf die Com- cial Work) waren Forschung, Lehrplanentwicklung, Be- munity und weniger auf das Individuum (Twikirize und rufspolitik (Stärkung der Berufsverbände für Soziale Ar- Spitzer 2019). beit) und Lobbyarbeit (sozialpolitische Einflussnahme Dazu zwei Beispiele: In der Region Kilimanjaro in Tan- und Menschenrechtsarbeit). sania arbeiten Sozialarbeiter_innen in einigen Commu- In Phase I (2010) wurden in einem partizipativen Pro- nities mit dem sogenannten Msaragambo-System. Die- zess die Ziele, Aktivitäten und Meilensteine des Pro- ser Begriff aus der Volksgruppe der Chagga bezieht sich jekts auf Basis der von den afrikanischen Kolleg_innen auf lokal organisierte, von Dorfältesten geführte Selbst-
(vgl. Spitzer 2006, S. 80 ff.). Soziale Arbeit muss sich hier fachlich und ethisch positionieren, aber gleichzeitig muss sie sich mit kulturspezifischen Normen und Tra- ditionen in kritisch-reflexiver Weise auseinandersetzen und sich auf einen dialogischen Prozess einlassen, der mühsam und manchmal zermürbend ist. Afrikanische Curricula für afrikanische Lebenswelten Die empirischen Erkenntnisse aus beiden Forschungs- phasen wurden in einer Reihe von Fachbüchern publi- ziert und durch ein strategisches Disseminationsverfah- ren allen Ausbildungsstätten für Soziale Arbeit in den Abb. 1 „Sozialarbeiter_innen marschieren für soziale Gerechtigkeit“ teilnehmenden Ländern zugänglich gemacht. Das war © Decent Africa ein bedeutsamer Schritt, zumal in den ostafrikanischen Hochschulbibliotheken überwiegend Fachliteratur aus hilfegruppen, die bei der Feldarbeit, bei finanziellen dem außerafrikanischen Ausland vorherrscht (vgl. Twi- Engpässen und der Bearbeitung von sozialen Konflik- kirize et al. 2014, S. 208). Somit steht Lehrenden und ten Unterstützung bieten. Obwohl sich die Praxis durch Studierenden ein authentisches Lern- und Diskussions- Land-Stadt-Migration und moderne Einflüsse stark ge- material zur Verfügung. wandelt hat, kommt sie nach wie vor zum Einsatz, bei- Bei den beteiligten Hochschulen wurden auf Basis der spielsweise bei der Unterstützung von Witwen, Waisen- Forschungsergebnisse die bestehenden Curricula für kindern und alten Menschen (Mabeyo et al. 2019). Bachelor-Studiengänge überarbeitet. Diese im Fachdis- Ein weiteres Beispiel kommt aus Uganda: Dort wurde kurs als Indigenisierung oder auch Dekolonialisierung im Westen des Landes eine Organisationsform namens bezeichnete Entrümpelung und Neugestaltung der Lehr- Bataka identifiziert, die als Hilfsmaßnahme bei Beerdi- pläne ist ein entscheidender Schritt in der sozialberuf- gungen zum Tragen kommt. Durch die hohen Infekti- lichen Qualifizierung: Die Studierenden müssen bereits onsraten mit AIDS sind Familien und Gemeinschaften auf der Ausbildungsebene mit kultur- und kontextspe- mit häufigen Todesfällen konfrontiert. Diese bringen zifischen Wissensinhalten in Berührung kommen, um neben der emotionalen Belastung auch ökonomische auf die jeweiligen Realitäten ihrer späteren Berufspraxis Schwierigkeiten mit sich. Die Bataka-Gruppen unter- adäquat vorbereitet zu sein (Mwansa 2010). Die Part- stützen Hinterbliebene im Trauerprozess, aber auch nerhochschulen in Tansania und Uganda entwickelten durch Geldleistungen, da Beerdigungen oft mit hohen darüber hinaus neue Lehrpläne für ein Master-Studium Kosten verbunden sind. Sie sind somit wichtige Resili- in Sozialer Arbeit, wobei ebenfalls empirisch basierte, enzfaktoren im Gemeinwesen (Twesigye et al. 2019). indigene Wissenselemente eingeflossen sind. Solche kulturspezifischen Bewältigungsformen stellen für die Praxis der Sozialen Arbeit wertvolle Anknüp- Social Development als transformative Soziale fungspunkte dar, besonders vor dem Hintergrund ei- Arbeit ner fast völligen Abwesenheit staatlicher Sozialleistun- Die theoretische Fundierung für viele Methoden und gen. Auf die Bedeutung indigenen Wissens wird auch Konzepte, die für afrikanische Kontexte geeignet sind, in der internationalen Definition Sozialer Arbeit hin- findet sich im sogenannten Social Development-Ansatz gewiesen (International Federation of Social Workers Sozialer Arbeit (Chitereka 2009). Dieser spielte auch bei 2015, S. 19). Doch die Berufung auf kulturelle Werte dem Projekt PROSOWO eine zentrale Rolle. Dabei geht und traditionelle Praktiken sollte nicht unkritisch er- es im Kern um eine Akzentuierung Sozialer Arbeit, die folgen. Auch die Aufrechterhaltung patriarchaler Ge- in ihrem Interventionsspektrum vorwiegend auf meso- sellschafts- und Familienstrukturen und die damit ein- und makrostrukturelle Ebenen abzielt, um dadurch Ar- hergehende Unterdrückung und Benachteiligung von mut und soziale Benachteiligung zu bekämpfen und den Mädchen und Frauen wird kulturell legitimiert. Ein Lebensstandard der Menschen anzuheben. Basierend drastisches Beispiel dafür ist die weibliche Genitalver- auf Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, der Menschen- stümmelung, die bei einigen ethnischen Gruppen in Ost- rechte, Inklusion, Partizipation und Freiheit soll durch afrika als sozial sanktionierter Initiationsritus im Über- einen initiierten sozialen Wandel das Wohlergehen der gang vom Kind zur erwachsenen Frau praktiziert wird Gesamtbevölkerung in Verbindung mit einem dynami-
Sozial Extra Einblick schen Entwicklungsprozess gefördert werden (Midgley 2010). Dadurch bekommt Soziale Arbeit einen deutlich politischen und transformativen Charakter. In Kombi- nation mit genuin afrikanischen Wissenssystemen wird im Social Development-Ansatz die Möglichkeit eines Paradigmenwechsels gesehen (Chitereka 2009), bei dem die Hypotheken von Kolonialismus und Entwicklungs- hilfe endlich abgestreift werden können. Politisches Lobbying und sozialer Aktivismus Eine wesentliche Komponente des Projekts PROSOWO war die Einflussnahme auf politische Entscheidungsin- stanzen, allen voran die zuständigen Ministerien. Zu diesem Zweck wurden mehrere länderübergreifende Abb. 2 „Tansanische Sozialarbeiter_innen machen auf sich aufmerk- Vernetzungstreffen sowie zahlreiche nationale Mee- sam“ © Decent Africa tings und Workshops durchgeführt. In Kenia, Tansania und Uganda konnten durch diese Aktivitäten und in Der Alltag der Menschen ist von einer omnipräsenten Kooperation mit dem jeweiligen nationalen Berufsver- Kultur der Gewalt geprägt. Ein kongolesischer Sozial- band erste Schritte in Richtung eines Gesetzesentwurfs arbeiter hat dies bei einer Konferenz im Zuge einer Dis- zur Regulierung und Lizenzierung Sozialer Arbeit er- kussion über Menschenrechte und Ethik einmal so auf reicht werden. den Punkt gebracht: „Bei uns gibt es keine Ethik.“ Mit Auch Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung dieser Aussage verdichtete er das moralische Vakuum für die Belange Sozialer Arbeit und ihrer Zielgruppen in einem Kontext, in dem beinahe täglich Menschen standen auf der Agenda des Projekts. In diesem Zusam- getötet und Frauen vergewaltigt werden. Diese andau- menhang wurde im Zuge mehrerer internationaler Kon- ernde Kultur der Gewalt ist tief mit der traumatischen ferenzen, die im Zeitraum von 2014 bis 2018 allesamt Kolonialgeschichte des Landes verstrickt (vgl. Van Rey- am World Social Work Day (dritter Dienstag im März) brouck 2013). stattfanden, auf sozialen Aktivismus gesetzt. Höhe- Angesichts chronischer Armut ist ein Großteil der Be- punkt dieser Events, die in Kampala (Uganda), Bujum- völkerung einem ständigen Überlebenskampf ausge- bura (Burundi), Arusha (Tansania) und Kigali (Ruan- setzt. Dabei gilt der Ost-Kongo als eine der ressourcen- da) stattfanden, war jeweils ein öffentlichkeitswirksam reichsten Regionen der Welt mit großen Vorräten an inszenierter Marsch für Soziale Arbeit, soziale Gerech- Bodenschätzen wie Öl, Gold, Diamanten und Coltan. tigkeit und den Schutz der Menschenrechte (s. Abb. 1 Letzteres ist ein Erz, das für die Herstellung von Han- und 2). dys benötigt wird und entsprechende Begehrlichkeiten Das kann in einem afrikanischen Kontext durchaus bei internationalen Konzernen hervorruft, die die Regi- politische Brisanz haben bzw. sogar gefährlich sein. Im on in großem Stil ausbeuten. März 2014 marschierten im Rahmen einer internatio- Professionelle Soziale Arbeit steckt im Ost-Kongo erst nalen Fachkonferenz an die 500 Sozialarbeiter_innen in den Kinderschuhen. Die meisten Sozialarbeiter_in- auf den Straßen der ugandischen Hauptstadt Kampala nen haben ihre Qualifikation in einem der Nachbar- und demonstrierten dabei u. a. für die Rechte sexueller länder erworben. Seit 2013 gibt es an der Université Minderheiten. Das war zu einem Zeitpunkt, als in die- Evangélique en Afrique in der Stadt Bukavu erstmals sem Land gerade ein Gesetzesentwurf zur Einführung einen Studiengang für Soziale Arbeit. 2018 gelang es ei- der Todesstrafe für homosexuelle Menschen verhandelt ner Gruppe von hoch motivierten Sozialarbeiter_innen, wurde. Nach der Konferenz wurde der ugandische Be- trotz immenser bürokratischer, logistischer und finanzi- rufsverband monatelang von Regierungsvertretern schi- eller Hürden, einen Berufsverband für Soziale Arbeit zu kaniert und bekam ein vorübergehendes Betätigungs- gründen. Dieser dient als Plattform für Öffentlichkeits- verbot ausgesprochen. und Lobbyarbeit, für die schwierige und manchmal auch gefährliche Kommunikation mit Politik, Exekutive Das Prinzip Hoffnung am Beispiel von Ost-Kongo und Militär, sowie für vereinzelte Projektaktivitäten, die Der Osten der Demokratischen Republik Kongo ist besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen zugute- seit Jahrzehnten Schauplatz kriegerischer Auseinander- kommen sollen. Dazu zählt z. B. Gefängnissozialarbeit. setzungen und grausamer Menschenrechtsverletzungen. Die Gefängnisse sind völlig überfüllt, die Insassen leiden
vielfach an Krankheiten und Unterernährung, und im- Midgley, J. (2010). The theory and practice of developmental social work. In J. Midgley & A. Conley (Hrsg.), Social work and social development. mer wieder kommt es zu Gewaltausbrüchen und sexu- Theories and skills for developmental social work (S. 3–28). Oxford: Ox- ford University Press. ellen Übergriffen. Bei regelmäßigen Besuchen wird den Mwansa, L.-K. J. (2010). Challenges facing social work education in Afri- eingesperrten Menschen psychosoziale Beratung ange- ca. International Social Work, 53(1), 129–136. boten, und wenn genügend Geld vorhanden ist, versucht Society for International Development (2016). State of East Africa report. das Sozialarbeitsteam, Nahrungsmittel, Medikamente Consolidating misery? The political economy of inequalities in East Africa. Nairobi: SID. und Hygieneartikel zur Verfügung zu stellen. Spitzer, H. (2006). Kinder der Straße. Kindheit, Kinderrechte und Kinder- Der Einsatz der Sozialarbeiter_innen in der Krisenre- arbeit in Tansania. Frankfurt a.M.: Brandes & Apsel. gion des Ost-Kongo ist nur ein Beispiel dafür, dass es Spitzer, H. (2019). Social work in East Africa. A Mzungu perspective. In- möglich ist, trotz extrem schwieriger Rahmenbedingun- ternational Social Work, 62(2), 567–580. gen konkrete Verbesserungen in der Lebenssituation der Spitzer, H., & Twikirize, J. M. (2014). Armed conflict and political vio- lence in Africa’s Great Lakes Region. Challenges for social work education Menschen herbeizuführen. Ich selbst hatte in den letzten and practice. In H. Spitzer, J. M. Twikirize & G. G. Wairire (Hrsg.), Profes- 20 Jahren viele Gelegenheiten, mit Kolleg_innen in ei- sional social work in East Africa. Towards social development, poverty re- duction and gender equality (S. 351–369). Kampala: Fountain. nigen afrikanischen Ländern zusammenzuarbeiten, und Spitzer, H. (2018). Soziale Arbeit und soziale Entwicklung in Afrika. In ich bin immer wieder beeindruckt von ihrem Engage- H.-U. Otto, et al. (Hrsg.), Handbuch Soziale Arbeit. Grundlagen der Sozial- arbeit und Sozialpädagogik (S. 1448–1457). München: Reinhardt. ment, Optimismus und Humor. Während in Europa ten- Spitzer, H., Twikirize, J. M., & Wairire, G. G. (Hrsg.). (2014). Professional denziell auf hohem Niveau gejammert wird, dominiert social work in East Africa. Towards social development, poverty reduction auf unserem südlichen Nachbarkontinent die Hoffnung and gender equality. Kampala: Fountain. auf eine bessere Zukunft. s Twesigye, J., Twikirize, J. M., Luwangula, R., & Kitimbo, S. (2019). Buil- ding resilience through indigenous mechanisms: The case of Bataka groups ∑ in Western Uganda. In J. M. Twikirize & H. Spitzer (Hrsg.), Social work practice in Africa. Indigenous and innovative approaches (S. 145–160). Kampala: Fountain. Twikirize, J. M., Spitzer, H., Wairire, G. G., Mabeyo, Z. M., & Rutikan- Funding. Open access funding provided by Carinthia University of ga, C. (2014). Professional social work in East Africa: Empirical evidence. Applied Sciences (CUAS). In H. Spitzer, J. M. Twikirize & G. G. Wairire (Hrsg.), Professional social work in East Africa. Towards social development, poverty reduction and Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Na- gender equality (S. 189–216). Kampala: Fountain. mensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Twikirize, J. M., & Spitzer, H. (Hrsg.) (2019). Social work practice in Af- Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wieder- rica. Indigenous and innovative approaches. Kampala: Fountain. gabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die Van Reybrouck, D. (2013). Kongo. Eine Geschichte. Bonn: Bundeszentra- ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, le für politische Bildung. einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmateri- al unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. So- fern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformati- on auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de. Literatur Chitereka, C. (2009). Social work practice in a developing context: The case of Africa. Advances in Social Work, 10(2), 144–156. Hove, M., Ngwerume, E. T., & Muchemwa, C. 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