Grün als Benefit klarstellen - AUBÖCK + KÁRÁSZ ...
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34 1 P OR TR ÄT: AUBÖCK + K Á R Á S Z LA NDS C A PE A RCHIT EC TS Grün als Benefit klarstellen Wien gilt als Vorreiter bei der sozialen Wohnbauentwicklung in Europa. Rund 1,9 Mio. Menschen leben hier, entsprechend groß ist der Bedarf an nutzbarem Freiraum. Die Landschaftsarchitektin und Professorin Maria Auböck ist schon seit den 90er-Jahren in Wohnbauprojekten aktiv. Sie erklärt Wiens Besonderheiten im Vergleich zu Deutschland und verweist auf den hohen Benefit von Grün, speziell im Wohnungsbau. Text Heike Vossen Bilder Auböck-Kárász (1, Porträt, 4, 5, 6), Auböck (2), David Riek (3) FREIRAUMGESTALTER 02...2021
35 W ir planen vielschichtig – von der Parzel- le bis zu Großprojekten!“ Klar und prä- zise umreißt Maria Auböck ihr Auf gabengebiet im gemeinsam mit ihrem Partner Jánosz Kárász geführten Wiener Landschaftsarchi- tekturbüro Auböck + Kárász. Die Projekte des 1987 gegründeten Planungsbüros reichen weit: Vom Wiener Privatgarten über europäische Grünpro- jekte von Immobilien- und Gewerbefreiräumen bis hin zu großen Parkanlagen in Asien. Einer der Schwerpunkte ist dabei die Grünentwicklung von Wohnbauprojekten – sei es mit Kommunen, mit Immobilienentwicklern oder mit Baugruppen. Die Liste der Referenzen ist lang, die der Auszeichnun- gen kann sich ebenfalls sehen lassen. So erhielt das Planungsbüro 2019 den Wohnbaupreis für das 2017 errichtete Wiener Bauprojekt „In der Wiesen Süd – Îles flottantes“ (gemeinsam mit ARTEC und Dietrich Untertrifaller Architekten) und 2017 den Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit für das 2 Projekt Smart Wohnen im Wiener Sonnwendvier- tel. Für das 2016 errichtete genossenschaftliche verorten. Denn der hart um jeden Quadratmeter 1 Für das Wohnbauprojekt „Smart Bauprojekt WagnisART in München (Freiraum ge- ringende Wohnungsmarkt berechnet den Profit Wohnen“ im Wiener Sonnwend- meinsam mit Planungsbüro bauchplan) gab es erst mal über die Quadratmeteranzahl der ver- viertel erhielten Auböck + Kárász gleich mehrere Auszeichnungen, darunter den kauften oder vermieteten Wohnungsfläche. Dem den Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit im Jahr 2017. Deutschen Städtebaupreis 2016 und den Deut- stellt Auböck den Projektvorteil und Mehrwert schen Landschaftsarchitekturpreis „Partizipation durch Grün gegenüber und wird nicht müde, die- 2 Die im Jahr 2000 entstandene und Planung“ 2017. sen hervorzuheben – ob als Planerin, als Dozentin autofreie Mustersiedlung in oder als Jurorin in Wohnbauprojekten. Den engli- Wien-Florisdorf zählt zu den Grün als Benefit vermarkten schen Begriff Benefit übersetzt Auböck als alten Startprojekten des Büros, die den Ausdruck für das kommunale Wohlbefinden der Benefit von Grün hervorheben. Auböck spricht im Zusammenhang der woh- Stadtgesellschaft. Der Benefit einer Grünfläche nungsnahen Grünentwicklung vom Benefit, um dient nicht nur dem einzelnen, sondern wirkt sich das Grün als messbare Größe und Marktwert zu auf das gesamte Quartier oder Viertel aus und KURZVITA Maria Auböck ist österrei- chische Landschaftsarchi- tektin und war bis 2017 Professorin für Gestalten im Freiraum an der Akademie der Bildenden Künste in München. Mit dem Archi- tekten und Soziologen Jánosz Kárász gründete sie 1985 Auböck + Kárász Landscape Architecture in Wien. Das Büro mit etwa zehn Mitarbeitern ist interna- tional aktiv. Im letzten Jahr erhielt Auböck für ihr Lebens- werk den ECLAS Life- Time-Achievement- Award 2020.
36 Porträt...Planung 3 3 Für das genossenschaftliche stellt einen finanziellen und ökologischen Mehr- erklärt Auböck die historische Entwicklung. Initial Wohnprojekt WagnisART in Mün- wert dar, der als rechnerische Größe in die Planung war die Wohnungsnot um 1920, derer sich die so- chen gab es mehrere Auszeich- mit einfließen muss. Das Grün hat dabei vielerlei zialdemokratische Arbeiterpartei annahm und nungen. FREIRAUMGESTALTER Funktionen – sowohl als Versickerungsfläche für den Bau von Sozialwohnungen vorantrieb, was bis berichtete über das Projekt in Regenwasser, als hitzereduzierende Grünfläche heute anhält (siehe Infokasten). Ausgabe 3/2016. für die direkte Umgebung wie auch als Begeg- So weit so gut für die Wohnraumförderung. nungs- und Aktivitätsraum. Die vielfältigen Funk- Nur fehlt dem auch heute noch rot gefärbten Wien tionen und Nutzungen, die in den einzelnen Frei- eine starke Handhabe für die Grünentwicklung. räumen stecken, be- Auböck setzt den Ver- zeichnet Auböck als gleich zu Paris: Die dor- DATEN „Das Grün in der Stadt hängt „vielschichtige Land- tige Verwaltung hat ein von den Menschen ab.“ A+K Landscape schaften“. Sie machen Maria Auböck Mammutprojekt initi- Architects, Wien den großen Mehrwert iert, um die Innenstadt einer Stadt aus. Dabei und allen voran die ■ Bürogründung: 1985 gilt es, die Freiräume entsprechend ihrer Möglich- Prachtstraße Champs-Élysées bis 2030 zu einer ■ Büropartner: Maria keiten zu ertüchtigen. Dazu zählen Freizeitange- begrünten Begegnungszone umzuwandeln. Mit Auböck und János Kárász bote auf den wohnungseigenen Dachflächen wie rund 250 Mio. € plant die französische Hauptstadt, ■ Gesellschaftsform: beim genossenschaftlichen Wohnbauprojekt ihre Innenstadt mit Grün zu ertüchtigen, um die Arbeitsgemeinschaft WagnisART in München oder der Bau der BIOTOPE sommerliche Hitze zu reduzieren und die Wohn- ■ Mitarbeiter: CITY in Wien 2020. Für Letzteres plante das Land- qualität zu steigern. Binnen einer Viertelstunde 11, darunter 9 Ingenieure schaftsarchitekturbüro den Vorentwurf, die Aus- soll dann jeder zu Fuß oder mit dem Rad die ■ Auftraggeber: führungsplanung übernahm Knollconsult. nächste Parkfläche erreichen können. 70 % Öffentliche Hand, Für Wien hingegen fehle es heute an einer grü- 30 % Wohnungsbau/ Grüner Masterplan fehlt nen Vision für die Gesamtstadt, so die Planerin. Für Immobilienwirtschaft ein vergleichbares ökologisches Mammutprojekt ■ Tätigkeitsfelder: Die Wohnbauentwicklung in Wien ist geprägt von wie in Paris sieht die Stadt aktuell (noch) keinen 80 % Objektplanung (LP 1-7), einem kommunal verwalteten sozialen Woh- Bedarf. Und generell fehle dem Freiraum in Öster- 15 % Bauleitung (LP 8-9) nungsbau. „Aus der Tradition heraus ist Wien bis reich dazu ein übergeordnetes Planungsinstru- ■ Verbände: bdla, ÖGLA heute der größte Wohnungsbesitzer Europas“, ment. Der gesetzliche Planungsrahmen ist in FREIRAUMGESTALTER 02...2021
37 Österreich anders als in Deutschland. Das Pla- nungsbüro von Auböck + Kárász ist international tätig, aber viele Projekte sind sowohl in Österreich als auch in Deutschland ansässig, was einen Ver- gleich anbietet: „Raumplaner planen hier in Öster- reich im Maßstab 1:2.000, darunter läuft alles nur noch auf Bezirksentwicklungsebene. Was uns also fehlt, ist die übergeordnete Landschaftsplanungs- ebene mit ihren ausgearbeiteten Kriterien und Zielen.“ In Wien gibt es für die übergeordnete Stadtentwicklungsplanung, die auch Freiräume einschließt, ausgearbeitete Zielvorstellungen, den sogenannten STEP. Dieser Stadtentwicklungsplan, so die vollständige Bezeichnung, wird regelmäßig in Abständen von zirka zehn Jahren überarbeitet. Die aktuelle Fassung, STEP 2025, beschloss der Wiener Gemeinderat im Sommer 2014. „Für die Quar- tiersentwicklung und Grünplanung ist es eine sinnvolle Richtlinie“, erklärt Auböck. Dazu verab- schiedete der Gemeinderat im Sommer 2020 das „Leitbild Grünräume“, das mit fachlicher Unterstüt- zung der Raumplaner Knollconsult entstand. Die- ses Leitbild konkretisiert die im STEP formulierten Ziele zur Sicherung und Weiterentwicklung der Grün- und Freiräume, um Wien zu einer auch zu- künftig resilienten Großstadt weiterzuentwickeln. Obwohl das Verständnis von Grün in Politik und 4 Gesellschaft in Österreich zunimmt, ist die Flächen- versiegelung durch die Bautätigkeit nahezu unge- tigen Impulsgeber für die Stadtentwicklung 4 Im Wiener Wohnbauprojekt bremst: „Wir sind in Gesamteuropa ein Land mit Wiens. Als neuer Trend zeichneten sich Wohngrup- Mühlgrund erhielten die Bewoh- den höchsten Bautätigkeiten, pro Tag werden rund pen ab, so Auböck. „Für manche Bauträger ist das ner einen gemeinschaftlichen 14 Hektar versiegelt.“ Damit der Flächenfraß nicht noch fremd. Unser Ziel hingegen ist, auf jedem Wintergarten: Der mehrgeschos ungebremst nach außen gehe, sei es ein planerisch Bauplatz etwas Besonderes stattfinden zu lassen.“ sige bepflanzte Laubengang dient zugleich als Erschließung und wichtiger Ansatz, die Siedlungsränder zu ertüchti- Die Stadt ist neuen und experimentellen Wohn- grünes Wohnzimmer. gen. Das Planungsbüro Auböck + Kárász setze au- formen aufgeschlossen, fördert das neue soziale ßerdem darauf, Qualität im Inneren zu erzeugen – Wohnen sogar mit einer Internationalen Bauaus- dort, wo ohnehin schon erschlossen sei. Das gelte stellung, die als IBA_Wien seit 2016 existiert und sowohl für die Wohnbauparzelle selbst als auch für im nächsten Jahr ihren Abschluss findet. Weiteren die jeweilige Region: Das Kerninteresse des Büros Schwung gibt eine neue Verordnung: „Seit Früh- sei es, die jeweilige Region so zu ertüchtigen, damit jahr 2020 muss jede Bauentwicklung mindestens sie als ländliche Regionen nicht veröden und alle in 25 % Wohnbau beinhalten“, sagt die Planerin. die Städte drängen. „Vieles, was wir in den 90er-Jahren bereits ge- startet haben, findet jetzt Gehör, denn in den letz- Wohnbau als Impulsgeber ten drei Jahren sind die Folgen des Klimawandels spürbarer“, erklärt Auböck. Ökologische Themen Die Landschaftsarchitektin erachtet den geförder- wie Regenwasserrückhalt, Zisternennutzung und ten Wohnungsbau seit den 90er-Jahren als wich- Selbstanbauflächen ließen sich damals nur als Ein- Anzeige www.knumox.de
38 Porträt...Planung 5 Den Wiener Wohnbaupreis 2019 erhielt das Büro für die innovative Quartiersentwick- lung des geförderten Wohnbau- projekts „In der Wiesen Süd“. 5 VOM ROTEN WIEN ZUR IBA Wien ist seit gut 100 Jahren Vorreiter im Woh- großteils in den 90ern ihre eigenen Wohnungen nungsbau, die Stadt setzt dabei den Fokus auf die und Bauplätze den privaten Bauträgern und Im- sozialverträgliche Wohnraumentwicklung. Der mobilienentwicklern überlassen, um ihre leeren Ursprung liegt im sogenannten Roten Wien. Kassen zu füllen. Entsprechend sind ihnen jetzt Zwischen den beiden Weltkriegen regierte in die Hände gebunden, im großen Stil zu investie- Wien die Sozialdemokratische Arbeiterpartei ren. Zum anderen agiert das deutsche Modell Deutschösterreich, die den sozialen Wohnungs- des sozialen Wohnungsbaus wenig nachhaltig, bau intensiv vorantrieb, um die starke Woh- was die Problematik im Lauf der Jahre noch er- UNSERE nungsnot zu lindern. Die Tradition der Gemein- höhen wird: Die Kommunen betreiben den sozi- P HILOSOPHIE dewohnungen, also des sozial bezuschussten alen Wohnungsbau häufig nicht selbst, sondern Wohnraums, ist weiterhin wichtiger Bestandteil indirekt über Fördergelder an private Investoren Wir arbeiten an der Ent- der Kommunalpolitik: Auch heute noch baut die – die Sozialbindung ist dabei meist auf 15 Jahre wicklung dynamischer Stadt Wohnungen für die breite Masse – eine Laufzeit beschränkt, danach werden die Woh- Landschaftsräume und Gemeindewohnung ist daher kein Stigma und nungen Teil des freien Wohnungsmarkts. Wien ist Siedlungsgebiete. Die ge- nicht nur den Ärmsten vorbehalten. Eine Berech- mit rund 220.000 Wohnungen und 200.000 eignete Gestaltung für Nut- tigung, das sogenannte Wiener Wohn-Ticket, Wohnbeteiligungen der größte Wohnungseig- zung und Gebrauch lässt erhält zum Beispiel eine dreiköpfige Familie bei ner in Europa, rund jeder Vierte lebt in einer Ge- sich nur durch genaue einem Netto-Jahreseinkommen bis 80.500 € meindewohnung. Aber auch Wien unterstützt Beobachtung der Anforde- (Werte für 2021). In Nordrhein-Westfalen dage- seit einigen Jahren verstärkt privatwirtschaftli- rungen und im Team her- gen darf eine dreiköpfige Familie die Einkom- ches Bauen und beschränkt sich bei vielen Pro- stellen. Gute Gestaltung mensgrenze von 41.490 € nicht überschreiten, jekten auf die Planung und Förderung. Mit der landschaftsarchitekto- was einem Bruttoeinkommen von knapp IBA_Wien 2022 „Neues soziales Wohnen“ knüpft nischer Aufgaben entsteht 64.000 € entspricht (Stand 2020). die Stadt aktiv an ihre erfolgreiche soziale Woh- durch sorgfältigen Einsatz Diese Diskrepanz lässt sich mit zwei entschei- nungspolitik an, um mit innovativen Wohnfor- der Mittel – ohne denden Komponenten erklären: Zum einen ist men und neu konzipierten Quartieren Antwor- Spekulationen mit Wien reich an Boden, Bauland und Bestandswoh- ten auf die Zukunft des sozialen Wohnens zu Showeffekten. nungen – die deutschen Städte hingegen haben finden. Mehr Infos unter www.iba-wien.at FREIRAUMGESTALTER 02...2021
39 6 Im nachbarschaftlichen Wohn- projekt „Interethnische Nachbar- schaft“ oder „Globaler Hof“ erhal- ten die Bewohner Dachgärten als Selbsternteflächen. 6 KONTAKT zelprojekte mit viel Überzeugungsaufwand Schmelztiegel Wien zentral: Laut Auböck sprechen A+K realisieren. rund ein Drittel der Schulkinder als Muttersprache Projekte wie die autofreie Mustersiedlung in nicht deutsch. Für die Freiraumplanung entwickelt Wien-Florisdorf im Jahr 2000 oder das Nachbar- sich daraus ein interessantes Aufgabenfeld, da die A u b ö c k + Ká r á s z schaftswohnprojekt „In der Wiesen“ mit Dachgär- Ansprüche an die Freiraumnutzung entsprechend Landscape Architects ten, die als Selbsternteflächen dienen und mit divergieren können. Grauwasser bewässert werden, bezeichnet Obwohl viele Fortschritte erreicht sind, ist Auböck + Kárász Auböck als wesentliche Startprojekte, die den Be- Auböck was die Grünentwicklung im Wohnbau Landscape Architects nefit von Grünflächen hervorheben und mittler- betrifft noch nicht zufrieden. So auch bei der For- Bernardgasse 21 weile viele Nachahmer gefunden haben. derung nach gemeinschaftlich nutzbarer intensi- A-1070 Wien, Das interethnische Wohnen werde zukünftig ver, Dachbegrünung: „Das ist leider noch nicht Tel. +43 1 523 72 20 ein wichtiges Planungsthema sein. Denn das Zu- State of the Art. Hier müssen wir immer wieder Email: office@auboeck-karasz.at sammenleben vieler Ethnien ist gerade im lobbyieren.“ www.auboeck-karasz.at Anzeige MOMENTS® – REAL · NATURE · LIVING Stilvolle Terrassen- und Pflastersysteme www.moments-nature.de
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