Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe - E-Book Münster 2021

Die Seite wird erstellt Anne Seiler
 
WEITER LESEN
Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen

      Historisches Handbuch
   der jüdischen Gemeinschaften
      in Westfalen und Lippe

        Die Ortschaften und Territorien
     im heutigen Regierungsbezirk Detmold

           Ortsartikel Bad Oeynhausen

                  E-Book
                Münster 2021
HISTORISCHES HANDBUCH
DER JÜDISCHEN GEMEINSCHAFTEN
   IN WESTFALEN UND LIPPE

      Die Ortschaften und Territorien
   im heutigen Regierungsbezirk Detmold

                    Herausgegeben von
   Karl Hengst in Zusammenarbeit mit Ursula Olschewski

                       Redaktion
      Anna-Therese Grabkowsky, Franz-Josef Jacobi
            und Rita Schlautmann-Overmeyer
      in Kooperation mit Bernd-Wilhelm Linnemeier

   Ortsartikel Bad Oeynhausen

               Auszug aus:
                 E-Book
              Münster 2021
            Die Druckfassung ist erschienen im
                     Ardey-Verlag
                     Münster 2013
Impressum
                       zur Open Access
                       E-Book-Ausgabe
            Die vorliegende Ausgabe ist ab Seite 1 text- und seitengleich
          mit der 2013 im Verlag Ardey erschienenen gedruckten Ausgabe.
                      © Landschaftsverband Westfalen-Lippe,
                       Historische Kommission für Westfalen
                                       2021

 Die Datei darf zu privaten Zwecken heruntergeladen und gespeichert werden. Biblio-
theken, Archive und öffentliche Forschunsgeinrichtungen dürfen die Datei auf Servern
 speichern und zu wissenschaftlichen Zwecken zur Verfügung stellen. Darüber hinaus
gehende sowie jede Form der gewerblichen Nutzung bedarf der Genehmigung der His-
           torischen Kommission. Jede Änderungen der Datei ist untersagt.

               Lizenz: Creative Commons BY-SA-NC-ND 3.0 DE
     (Weiterverwendung nur mit Namensnennung, unter gleichen Bedingungen,
                     nicht kommerziell, ohne Berabeiteung)
Vorwort der Heraugeber
                zur Online-Ausgabe
Das „Historische Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe“ wird
fünf Jahre nach Erscheinen des letzten Teilbandes in einer digitalen Fassung online zu-
gänglich gemacht. Nachdem die vier Teilbände in Bibliotheken der ganzen Welt, von Je-
rusalem über London und Washington, verfügbar sind, erhoffen sich die Herausgeber des
Gesamtwerks von der Online-Stellung weitere Impulse für die Erforschung der jüdischen
Geschichte in Westfalen. Sie sind dankbar dafür, dass alle Autorinnen und Autoren – be-
ziehungswiese deren Erben – der einzelnen Artikel ihre Zustimmung zu einer elektroni-
schen Veröffentlichung erteilt haben. Dazu gibt auch die positive Resonanz auf das Hand-
buch Anlass. Die Rezensentinnen und Rezensenten würdigten einhellig die Absicht der
Historischen Kommission für Westfalen, den Wissenstand zu Beginn des 21. Jahrhunderts
durch Ortsartikel und flankierende Überblicksartikel zu dokumentieren.
   Damit sind aber die Arbeiten an der jüdischen Geschichte in Westfalen keineswegs ab-
geschlossen. Allein durch die Digitalisierung von Archivbeständen werden neue Informa-
tionen bereitgestellt, die weitere Forschungen initiieren werden. Wie lebendig die regio-
nale Aufarbeitung der jüdischen Geschichte ist, zeigt die NRW-Bibliographie. Allein für
2019/2020 wurden knapp 60 Beiträge zu Orten in Westfalen in Printmedien nachgewie-
sen. Die Historische Kommission für Westfalen wird deshalb allen an jüdischer Geschich-
te Interessierten in Westfalen und darüber hinaus auch künftig ein Forum bieten, um sich
in unregelmäßigen Abständen über Quellen, Projekte und Arbeitsfortschritte auszutau-
schen. 2019 hat bereits ein erstes Treffen stattgefunden. Die Kommission wird auf dem
Wege der Online-Publikation die erschienene neue Literatur vorstellen und ihre Internet-
seiten für weitere Grundlagenwerke öffnen. In gleicher Form sind bereits die Orts- und
Personenregister zum Handbuch erschienen.
   Fundierte Kenntnisse zur jüdischen Geschichte in unserer Region sind vor dem Hinter-
grund der antisemitischen Proteste – nicht erst im Mai 2021, u. a. in Gelsenkirchen und
Münster – nötiger denn je. Die Herausgeber fühlen sich unverändert diesem Ziel ver-
pflichtet, das schon die vieljährige Arbeit am Gesamtwerk so lohnend machte.

Münster und Paderborn, im Sommer 2021

Frank Göttmann              Karl Hengst (†)             Peter Johanek

Franz-Josef Jakobi          Wilfried Reininghaus
Die gedruckt verfügbaren Bände
Alle Bände sind auch weiterhin im Buchhandel oder beim Verlag erhältlich.

Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die
Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Münster. Hrsg. von Su-
sanne FREUND, Franz-Josef JAKOBI und Peter JOHANEK, Redaktion Anna-Therese
GRABKOWSKY, Franz-Josef JAKOBI und Rita SCHLAUTMANN-OVERMEYER,
Münster 2008, Unveränderter Nachdruck Münster 2017, 780 Seiten, 1 Falkarte (Veröf-
fentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XLV, Quellen und Forschun-
gen zur jüdischen Geschichte in Westfalen, Band 2) Ardey, ISBN 978-3-87023-282-5,
Preis: 69,00 Euro.

Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die
Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold. Hrsg. von Karl
HENGST in Zusammenarbeit mit Ursula OLSCHEWSKI, Redaktion Anna-Therese
GRABKOWSKY, Franz-Josef JAKOBI und Rita SCHLAUTMANN-OVERMEYER
in Kooperation mit Bernd-Wilhelm LINNEMEIER. Münster 2013, 832 Seiten, Festein-
band, 2 Karten und Gliederungsschema in Tasche (Veröffentlichungen der Historischen
Kommission für Westfalen, Neue Folge 10). Ardey, ISBN 978-3-87023-283-2, Preis: 79,00
Euro.

Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die
Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg. Hrsg. von
Frank GÖTTMANN, Redaktion Burkhard BEYER, Wilfried REININGHAUS und
Rita SCHLAUTMANN-OVERMEYER. Münster 2016, 860 Seiten, Festeinband, Glie-
derung und Karte in Tasche (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für West-
falen, Neue Folge 12). Ardey, ISBN 978-3-87023-284-9, Preis: 79,00 Euro.

Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe.
Grundlagen – Erträge – Perspektiven. Hrsg. von Susanne FREUND, Redaktion Anna-
Therese GRABKOWSKY, Franz-Josef JAKOBI und Rita SCHLAUTMANN-OVER-
MEYER. Münster 2013, 415 Seiten, Festeinband, 2 Karten in Tasche (Veröffentlichungen
der Historischen Kommission für Westfalen, Neue Folge 11). Ardey, ISBN 978-3-87023-
285-6, Preis: 66,00 Euro.

Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Drei
Regionalbände und ein Grundlagenwerk im Schuber, Ardey, 978-3-87023-394-5, Preis
274,00 Euro.

Der Schuber ist auf Anfrage auch einzeln in der Geschäftsstelle der Historischen Kom-
mission erhältlich.
Die online verfügbaren Bände
Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die
Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Münster. Hg. von Susan-
ne FREUND, Franz-Josef JAKOBI und Peter JOHANEK, Redaktion Anna-Therese
GRABKOWSKY, Franz-Josef JAKOBI und Rita SCHLAUTMANN-OVERMEYER
(Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XLV, Band 2).
Online-Ausgabe Münster 2021 verfügbar unter:
http://www.lwl.org/hiko-download/HiKo_XLV_2_(2021).pdf

Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die
Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold. Hg. von Karl
HENGST in Zusammenarbeit mit Ursula OLSCHEWSKI, Redaktion Anna-Therese
GRABKOWSKY, Franz-Josef JAKOBI und Rita SCHLAUTMANN-OVERMEYER in
Kooperation mit Bernd-Wilhelm LINNEMEIER. (Veröffentlichungen der Historischen
Kommission für Westfalen, Neue Folge 10) Online-Ausgabe Münster 2021 verfügbar
unter: http://www.lwl.org/hiko-download/HiKo_Neue_Folge_010_(2021).pdf

Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die
Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg. Hg. von Frank
GÖTTMANN, Redaktion Burkhard BEYER, Wilfried REININGHAUS und Rita
SCHLAUTMANN-OVERMEYER. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission
für Westfalen, Neue Folge 12) Online-Ausgabe Münster 2021 verfügbar unter:
http://www.lwl.org/hiko-download/HiKo_Neue_Folge_012_(2021).pdf

Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Grund-
lagen – Erträge – Perspektiven. Hg. von Susanne FREUND, Redaktion Anna-Therese
GRABKOWSKY, Franz-Josef JAKOBI und Rita SCHLAUTMANN-OVERMEYER.
(Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Neue Folge 11)
Online-Ausgabe Münster 2021 verfügbar unter:
http://www.lwl.org/hiko-download/HiKo_Neue_Folge_011_(2021).pdf

Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Re-
gister der Orte und Territorien. Bearb. von Florian STEINFALS. Online-Publikation
Münster 2016 (Materialien der Historischen Kommission für Westfalen, Band 12).
Verfügbar unter:
http://www.lwl.org/hiko-download/HiKo-Materialien_012_(2016).pdf

Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Re-
gister der jüdischen und christlichen Namen. Bearbeitet von Burkhard BEYER und
Florian STEINFALS. Online-Publikation Münster 2018 (Materialien der Historischen
Kommission für Westfalen, Band 14). Verfügbar unter:
http://www.lwl.org/hiko-download/HiKo-Materialien_014_(2018).pdf

Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Nach-
träge, neue Forschungen und regionale Erinnerungskultur. Bearbeitet von Burkhard
BEYER und Anna STRUNK. Online-Publikation Münster 2021 (Materialien der Histo-
rischen Kommission für Westfalen, Band 20). Verfügbar unter:
http://www.lwl.org/hiko-download/HiKo-Materialien_020_(2021).pdf
Einführung
Mit dem Teilband ‚Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Det-
mold‘ des ‚Historischen Handbuchs der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und
Lippe‘ liegt erstmals ein lexikalisches Nachschlagewerk vor1 , das alle Bereiche jüdischen
Lebens in den ostwestfälisch-lippischen Regionen umfasst. Es konnten 43 Autorinnen
und Autoren, vor allem aus Archiven und Museen sowie sonstigen Kultur- und Bil-
dungseinrichtungen, für die Bearbeitung der 100 Ortsartikel gewonnen werden. Über-
blicksartikel greifen – damit nur an einer zentralen Stelle generelle Sachverhalte erörtert
werden müssen – gesamtgeschichtliche Entwicklungen in den einzelnen Territorien bis
zur Auflösung des Alten Reiches2 auf und stellen die jeweils eigenständige territoria-
le Judenpolitik dar, und zwar im Hochstift Paderborn, im Hochstift bzw. Fürstbistum /
Fürstentum Minden, in der Fürstabtei bzw. dem Fürstbistum Corvey, in der Herrschaft/
Grafschaft bzw. dem Fürstentum Lippe, in den Grafschaften Ravensberg und Rietberg,
in der Herrschaft Rheda sowie im Amt Reckenberg. Informationen zur Reichsabtei Her-
ford finden sich – da diese im Umfang weitestgehend mit der Stadt Herford identisch ist –
im Ortsartikel Herford. Eine detaillierte Karte zeigt die erwähnten jüdischen Gemeinden
und Gemeinschaften ebenso wie die von den preußischen Behörden auf der Grundlage
des Gesetzes ‚Über die Verhältnisse der Juden‘ vom 23. Juli 18473 festgesetzten – und
etwa im selben Zeitraum auch in Lippe eingeführten – bisher noch nicht dargestellten
Synagogenbezirke. Veranschaulicht werden die behördlichen Vorgaben, d. h. die in den
1850er Jahren größtenteils umgesetzte Einteilung, nicht die zuvor entstandenen Formen
jüdischer Selbstorganisation. Nähere Erläuterungen sind der Karte beigegeben.
   Ausgehend von dem landesgeschichtlichen Arbeitsauftrag der Historischen Kommis-
sion für Westfalen liegt dem Handbuch ein historischer, kein judaistischer Ansatz zu-
grunde, wobei zudem die innerjüdische Sicht der Dinge schon wegen fehlender Erschlie-
ßung und Auswertung der entsprechenden Überlieferung weitgehend unberücksichtigt
bleiben musste.

1 Prinzipien der Darstellung
Absicht des Handbuchs ist es, die Geschichte aller jüdischen Gemeinden und Gemein-
schaften – gemeint sind damit lose Zusammenschlüsse von Juden – darzustellen, wo-
bei die Gleichgewichtigkeit sozialer, politischer, gesellschaftlicher, ökonomischer oder
demographischer Aspekte sowie aller Perioden vom Mittelalter bis zum Wiederaufbau
nach dem Zweiten Weltkrieg und zur gegenwärtigen Situation angestrebt wurde. Das
Projekt trägt damit auf lokal- und regionalgeschichtlicher Ebene Tendenzen der For-
schung zur jüdischen Geschichte Rechnung, Juden als aktiven und gestaltenden Teil der
Gesellschaft4 und nicht ausschließlich unter der Prämisse der Verfolgung im Nationalso-

 1 Vgl. dazu auch Freund Susanne / Reininghaus Wilfried, ‚Das Handbuch der jüdischen Ge-
   meinden und Gemeinschaften in Westfalen und Lippe‘ – ein neues Projekt der Historischen
   Kommission für Westfalen. In: WF 53 ⟨2003⟩ 411–417 und Freund Susanne / Jakobi Franz-Jo-
   sef, Stadt und jüdisches Leben. In: Informationen zur modernen Stadtgeschichte 2 ⟨2005⟩ 5–13.
 2 Obwohl das Land Lippe seine Selbständigkeit bis 1947/48 behalten hat, endet der Überblicksar-
   tikel ebenfalls mit dem Bestehen des Alten Reichs, da die späteren Entwicklungen weitestgehend
   analog zu denen in Preußen verliefen.
 3 Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1847 Nr. 30 ⟨Berlin 1847⟩ 263–278.
 4 Vgl. hierzu z. B. Lässig Simone, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer
   Aufstieg im 19. Jahrhundert (= Bürgertum, N. F. 1) ⟨Göttingen 2004⟩. Verwiesen sei in diesem
12                                       Einführung

zialismus wahrzunehmen. Ziel ist es, vergleichbare Ergebnisse – wie sie vielfältige über-
regionale Forschungen präsentieren – auf lokaler und regionaler Ebene zu erreichen und
somit eine ergänzende, gebündelte und aktualisierte Gesamtdokumentation jüdischen
Lebens vorzulegen.5 Das Handbuch mit seinem umfassenden chronologischen und the-
matischen Überblick zur westfälisch-jüdischen Geschichte soll so als Grundlage für wei-
terführende wissenschaftliche Untersuchungen dienen.

2 Auswahlkriterien
Erfasst sind alle Orte des Regierungsbezirks Detmold, für die ein eigenständiges jüdi-
sches Leben, d. h. zumindest die Existenz eines Friedhofs bzw. einer Betstube, nachge-
wiesen ist. Dieses Verfahren stellte nicht nur methodisch, sondern auch inhaltlich ein
Problem dar, denn die Kriterien ließen sich nicht immer strikt einhalten. Kleine jüdische
Ansiedlungen, die entweder einer Nachbargemeinde angeschlossen waren oder nur für
einen kurzen Zeitraum bestanden haben, erhielten keinen eigenen Ortsartikel, sondern
finden Erwähnung in anderen Ortsartikeln. Ihre Erschließung erfolgt über einen sepa-
raten Registerband; ferner sind sie in der beiliegenden Karte verzeichnet. Diesbezüglich
wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Von Gemeinde wird nur gesprochen,
wenn in einem Ort regelmäßig Gottesdienste, die das Vorhandensein eines Minjan vor-
aussetzen, stattfinden konnten und Hinweise auf Gemeindeleben vorliegen. Eine Ge-
meinschaft hingegen geht lediglich von der Ansiedlung weniger Juden in kleinen Orten
aus. Von einer Synagogengemeinde ist die Rede, wenn diese nach der Umsetzung des
‚Gesetzes über die Verhältnisse der Juden‘ vom 23. Juli 1847 in den 1850er Jahren diesen
Status erhielt; die Bezeichnungen ‚Synagogen-Gemeinde‘ und ‚Synagogen-Bezirk‘ wur-
den synonym verwandt.6
   Inhaltlich reicht das Spektrum vom ersten uns vorliegenden Nachweis7 bis zur heuti-
gen Erinnerungskultur bzw. zur Entwicklung der wenigen nach dem Zweiten Weltkrieg
wiedererstandenen jüdischen Gemeinden. Für die heutige politische Gliederung der Or-
te wurde die 1975 abgeschlossene kommunale Gebietsreform zugrunde gelegt. Den Mit-
gliedern des Herausgebergremiums und der Redaktion war von Anfang an das metho-
dische Grundsatzproblem bewusst, das sich aus der Strukturierung des Handbuchs nach
den gegenwärtigen Verwaltungseinheiten und Ortschaften ergibt. Jüdisches Leben – sei
es in kleineren Gemeinschaften und Familienverbänden, in Gemeinden oder Synagogen-
bezirken – lässt sich so nicht lückenlos erfassen. Die spezielle Mobilität und der weitrei-
chende Aktionsradius einzelner Personen und Verwandtenkreise über Grenzen hinweg
sowie deren gleichzeitige Präsenz – bis hin zu Haus- und Grundbesitz – an mehreren
Orten kommen auf diese Weise in ihrer ganzen Komplexität nicht in den Blick.

   Zusammenhang auch auf das Forschungsvorhaben bei der Sächsischen Akademie der Wissen-
   schaften „Europäische Traditionen. Enzyklopädie jüdischer Kulturen“ unter der Leitung von
   Dan Diner in Kooperation mit dem Simon-Dubnow-Institut für Jüdische Geschichte und Kul-
   tur (Leipzig), das den Anteil der jüdischen Bevölkerung am kulturellen und gesellschaftlichen
   Leben in den Vordergrund rückt. Vgl. URL: http://www.saw-leipzig.de / forschung / projekte /
   europaeische-traditionen-enzyklopaedie-juedischer-kulturen [letzter Zugriff 20. 9. 2012].
 5 Die forschungsgeschichtliche Einordnung und die Erläuterung der methodischen Grundsätze
   für das Handbuch insgesamt werden in der Einleitung des gleichzeitig für den Druck vorberei-
   teten Generaliabandes vorgenommen.
 6 Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1847 Nr. 30 ⟨Berlin 1847⟩ 270 (Titel
   II §§ 35, 36); Jahrbuch für die jüdischen Gemeinden Preußens auf das Jahr 5617 [1856] 78.
 7 Sowohl die Erstnennungen jüdischer Einwohner als auch die Angaben für die spätere Zeit geben
   nur erste Hinweise. Die Beschäftigung mit den Archivalien zeigt, dass jederzeit neue Informa-
   tionen gefunden werden können.
Einführung                                          13

3 Gliederungsprinzip
Den Ortsartikeln liegt in erster Linie ein chronologisches Gliederungsprinzip zugrunde,
wobei soziale, kulturelle, gesellschaftliche und politische Aspekte ebenso berücksichtigt
werden wie demographische und ökonomische Entwicklungen. Alle Ortsartikel folgen
einem einheitlichen Schema, so dass Vergleiche gezogen, Parallelen und Divergenzen her-
ausgearbeitet werden können. Der allgemeine Aufbau eines Ortsartikels orientiert sich
aber auch an der Sachthematik. Details wie z. B. die Beteiligung der Juden am politischen
und gesellschaftlichen Leben oder die Angabe der Bevölkerungszahlen (Gliederungs-
punkt 2.2.1) in den Zeitschnitten 1843, 1858, 1871, 1895 und 1925 lassen die Vergleichbar-
keit der Situation in den behandelten Orten – soweit sie in der ehemaligen preußischen
Provinz8 lagen – zu. Für Lippe mussten andere Zeitschnitte gewählt werden; zugrunde
gelegt wurden die Jahre 1858, 1880, 1890 und 1925.
   Nach kurzen Informationen über wechselnde Zugehörigkeiten zu Territorien und
Verwaltungsbezirken (Gliederungspunkt 1) folgen Ausführungen zur Geschichte der
jüdischen Gemeinschaft des jeweiligen Ortes in zeitlichen Abschnitten (Gliederungs-
punkt 2). Berücksichtigung finden ferner die innere Gemeindestruktur und -verfassung
sowie die Betätigung einzelner Mitglieder in der eigenen Gemeinschaft wie auch in Kul-
tur und Wissenschaft und im politischen Umfeld. Die Beschreibung von Gemeindeei-
gentum (z. B. Synagogen, Friedhöfe) und privaten Gebäuden in jüdischem Besitz erfolgt
unter Gliederungspunkt 3. Dabei wird nur Grundsätzliches referiert und gegebenenfalls
auf Pracht verwiesen.9 Abschließend finden sich unter Gliederungspunkt 4 Quellen und
Literatur.

4 Benutzungshinweise
Viele Einzelfragen ließen sich je nach Quellenlage in unterschiedlichem Umfang beant-
worten. Um jedoch ein überschaubares Handbuch vorzulegen, musste der Seitenumfang
der einzelnen Ortsartikel limitiert werden. Die Beiträge setzen dennoch eigene Akzente
und Schwerpunkte. Solche Unterschiede erklären sich häufig aus dem Forschungsstand
der Lokalgeschichte und der ungleichmäßigen Überlieferung.
   Für die einzelnen Gliederungspunkte gilt Folgendes: Da die Gesetzgebung und deren
praktische Umsetzung bei Änderungen der territorialen Zugehörigkeit10 (Gliederungs-
punkt 1.2) zeitlich nicht immer übereinstimmten oder durch militärische Besetzungen
vorweggenommen wurden, werden teilweise zwei Jahreszahlen angegeben, z. B. 1806/07.
Da für Stadt und Land bis in das 19. Jahrhundert hinein u. a. unterschiedliche Gesetze
galten, werden Stadt- bzw. Wigboldrecht genannt. Bei der Auflistung der Archivalien
(4.1) sind nur die benutzten Bestände der einzelnen Archive erwähnt, – aber anders als
im Münster-Band – mit Angabe der Aktennummern. In 4.2 werden nicht grundsätzlich
alle vorhandenen Abbildungen aufgeführt. In Gliederungspunkt 4.3 (gedruckte Quellen)
werden die für die Beiträge ausgewerteten Einzelartikel der Zeitungen – z. B. ‚Israeliti-

 8 Fehlende Angaben in den Referenzjahren bedeuten, dass keine statistischen Angaben vorliegen,
   d. h. es wohnten in dem Ort zu dem Zeitpunkt keine Juden. Ein Ausrufezeichen [!] hinter der
   Angabe für das Jahr 1925 bedeutet, dass in der gedruckten Preußischen Statistik die dort auf-
   geführte Summe nicht mit den zuvor genannten Zahlen übereinstimmt. Listen aus der Vormo-
   derne, auch wenn sie zeitgleich erstellt wurden, enthalten manchmal unterschiedliche Angaben,
   hierauf wurde nicht gesondert verwiesen.
 9 Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Bd. 3: Regierungsbezirk Detmold. Ab-
   weichungen von Angaben bei Pracht wurden nicht gekennzeichnet, wenn der Sachverhalt von
   den Autoren überprüft worden ist.
10 Die genauen Daten der Zugehörigkeit zum Großherzogtum Berg und zum Kaiserreich Frank-
   reich werden ebenso wenig angeführt wie die der Übergangszeit 1813–1815 (preußisches Zivil-
   / Militärgouvernement zwischen Weser und Rhein).
14                                     Einführung

sches Familienblatt‘ – mit konkretem Datum nachgewiesen. Wurden mehr als drei Arti-
kel für einen Beitrag ausgewertet, erfolgt nur die Angabe der Jahrgänge, um die Quellen-
angaben nicht zu überfrachten. Gliederungspunkte entfielen, wenn keine Informationen
dazu vorlagen.
   Auf einen Anmerkungsapparat wurde bei den Ortsartikeln verzichtet und stattdes-
sen die benutzte Literatur summarisch zusammengefasst. Auf ortsübergreifende Litera-
tur erfolgt in den Ortsartikeln des Bandes Detmold – anders als im Band Münster, wo
diese separat unter Gliederungspunkt 4.4 aufgeführt ist – kein gesonderter Hinweis, die-
ses Vorgehen war aufgrund des erheblichen Umfanges des Bandes notwendig. Der neue
Gliederungspunkt 4.4 führt nur ortsbezogene Literatur speziell zur jüdischen Geschichte
auf. Der Band enthält, wie für jeden der anderen Teilbände vorgesehen, ein Verzeichnis
derjenigen Werke, die in den Ortsartikeln abgekürzt zitiert werden, sowie ausgewählte
Überblicks-Literatur mit westfälisch-lippischem Bezug.
   In den Texten entfällt der Zusatz ‚jüdisch‘ in der Regel, wenn sich der Bezug aus dem
Kontext ergibt. Außerdem wird nicht bei jeder Erwähnung des Haindorfschen Vereins,
seit 1866 Marks-Haindorf-Stiftung, auf dessen Standort Münster verwiesen. Bei den Da-
ten in Klammern hinter den Herrschernamen handelt es sich um Regierungs-, nicht um
Lebensdaten.
   Alle Ortsnamen erscheinen grundsätzlich in der jeweils üblichen deutschsprachigen
Form. Im Ortsregister, das alle vier Bände erschließen wird, werden gegebenenfalls auch
die landessprachlichen Namen aufgeführt. Die in den Quellen unterschiedlich wiederge-
gebene Schreibweise von Personennamen wird in den einzelnen Ortsartikeln weitgehend
übernommen. Quellenzitate sind mit „doppelten Anführungszeichen“ gekennzeichnet,
NS-Begriffe und Eigennamen von Firmen, Vereinen usw. mit ‚einfachen Anführungszei-
chen‘.
   In das Glossar werden nur Begriffe mit jüdischen Betreffen – Religion und Kultus,
jüdische Institutionen und rechtliche Sachverhalte, u. a. aus der Zeit der nationalsozialis-
tischen Herrschaft – aufgenommen. Die Schreibweise hebräischer Begriffe orientiert sich
am ‚Philo-Lexikon‘11 .
   Am Ende des jeweiligen Bandes erleichtert eine alphabetisch geordnete Liste aller in
den Teilbänden für die drei Regierungsbezirke behandelten jüdischen Gemeinden und
Gemeinschaften deren Auffinden, da sie sowohl die frühere Bezeichnung als auch die
heutige politische Zugehörigkeit des Ortes aufführt.

Herausgeber und Redaktion

11 Philo-Lexikon. Handbuch des jüdischen Wissens ⟨ND der 3. Auflage von 1936, Frankfurt
   1992⟩.
Liste der Ortsartikel
Albaxen → Höxter-Albaxen
Alverdissen → Barntrup-Alverdissen
Amelunxen → Beverungen-Amelunxen
Bad Driburg
Bad Driburg-Dringenberg
Bad Driburg-Pömbsen
Bad Lippspringe
Bad Oeynhausen
Bad Salzuflen
Bad Salzuflen-Schötmar
Bad Wünnenberg
Bad Wünnenberg-Haaren
Barntrup
Barntrup-Alverdissen
Bega → Dörentrup-Bega
Belle → Horn-Bad Meinberg-Belle
Beverungen
Beverungen-Amelunxen
Beverungen-Herstelle
Bielefeld
Bielefeld-Schildesche
Blomberg
Blomberg-Cappel
Blomberg-Reelkirchen
Bösingfeld → Extertal-Bösingfeld
Borgentreich
Borgentreich-Borgholz
Borgentreich-Bühne
Borgentreich-Großeneder
Borgentreich-Körbecke
Borgentreich-Natzungen
Borgentreich-Rösebeck
Borgholz → Borgentreich-Borgholz
Borgholzhausen
Brake → Lemgo-Brake
Brakel
Bruchhausen → Höxter-Bruchhausen
Bühne → Borgentreich-Bühne
Bünde
Büren
Cappel → Blomberg-Cappel
Daseburg → Warburg-Daseburg
Detmold
Dörentrup-Bega
Driburg → Bad Driburg
Dringenberg → Bad Driburg-Dringenberg
Elbrinxen → Lügde-Elbrinxen
Liste der Ortsartikel   167

Enger
Extertal-Bösingfeld
Extertal-Silixen
Frille → Petershagen-Frille
Fürstenau → Höxter-Fürstenau
Großeneder → Borgentreich-Großeneder
Gütersloh
Haaren → Bad Wünnenberg-Haaren
Halle
Harsewinkel
Hausberge → Porta Westfalica-Hausberge
Heiden → Lage-Heiden
Herford
Herlinghausen → Warburg-Herlinghausen
Herstelle → Beverungen-Herstelle
Höxter
Höxter-Albaxen
Höxter-Bruchhausen
Höxter-Fürstenau
Höxter-Lüchtringen
Höxter-Ottbergen
Höxter-Ovenhausen
Höxter-Stahle
Hohenhausen → Kalletal-Hohenhausen
Hohenwepel → Warburg-Hohenwepel
Horn → Horn-Bad Meinberg-Horn
Horn-Bad Meinberg-Belle
Horn-Bad Meinberg-Horn
Kalletal-Hohenhausen
Kalletal-Langenholzhausen
Kalletal-Lüdenhausen
Kalletal-Talle
Kalletal-Varenholz
Körbecke → Borgentreich-Körbecke
Lage
Lage-Heiden
Langenholzhausen → Kalletal-Langenholzhausen
Lemgo
Lemgo-Brake
Levern → Stemwede-Levern
Lichtenau
Lippspringe → Bad Lippspringe
Löwen → Willebadessen-Löwen
Löwendorf → Marienmünster-Löwendorf
Lübbecke
Lüchtringen → Höxter-Lüchtringen
Lüdenhausen → Kalletal-Lüdenhausen
Lügde
Lügde-Elbrinxen
Lügde-Rischenau
Marienmünster-Löwendorf
Marienmünster-Vörden
168                         Liste der Ortsartikel

Minden
Natzungen → Borgentreich-Natzungen
Neuenkirchen → Rietberg-Neuenkirchen
Niederntudorf → Salzkotten-Niederntudorf
Nieheim
Oerlinghausen
Oeynhausen → Bad Oeynhausen
Ossendorf → Warburg-Ossendorf
Ottbergen → Höxter-Ottbergen
Ovenhausen → Höxter-Ovenhausen
paderborn
Peckelsheim → Willebadessen-Peckelsheim
Petershagen
Petershagen-Frille
Petershagen-Schlüsselburg
Petershagen-Windheim
Pömbsen → Bad Driburg-Pömbsen
Porta Westfalica-Hausberge
Preussisch Oldendorf
Rahden
Reelkirchen → Blomberg-Reelkirchen
Rheda-Wiedenbrück-Rheda
Rheda-Wiedenbrück-Wiedenbrück
Rietberg
Rietberg-Neuenkirchen
Rimbeck → Warburg-Rimbeck
Rischenau → Lügde-Rischenau
Rösebeck → Borgentreich-Rösebeck
Salzkotten
Salzkotten-Niederntudorf
Salzuflen → Bad Salzuflen
Schieder-Schwalenberg-Schwalenberg
Schieder-Schwalenberg-Wöbbel
Schildesche → Bielefeld-Schildesche
Schlangen
Schlüsselburg → Petershagen-Schlüsselburg
Schötmar → Bad Salzuflen-Schötmar
Schwalenberg → Schieder-Schwalenberg-Schwalenberg
Silixen → Extertal-Silixen
Stahle → Höxter-Stahle
Steinheim
Stemwede-Levern
Talle → Kalletal-Talle
Varenholz → Kalletal-Varenholz
Verl
Versmold
Vlotho
Vörden → Marienmünster-Vörden
Warburg
Warburg-Daseburg
Warburg-Herlinghausen
Warburg-Hohenwepel
Liste der Ortsartikel   169

Warburg-Ossendorf
Warburg-Rimbeck
Werther
Wiedenbrück → Rheda-Wiedenbrück-Wiedenbrück
Willebadessen
Willebadessen-Löwen
Willebadessen-Peckelsheim
Windheim → Petershagen-Windheim
Wöbbel → Schieder-Schwalenberg-Wöbbel
Wünnenberg → Bad Wünnenberg
Gliederungsschema der Ortsartikel

1       KURZINFORMATION
1.1     Ort, Kreiszugehörigkeit
1.2     Staatliche und kultische Zugehörigkeit

2       GESCHICHTE, ORGANISATION UND TÄTIGKEITSFELDER
        DER JÜDISCHEN GEMEINSCHAFT
2.1     Geschichte der Gemeinschaft
2.1.1   Jüdisches Leben bis zum Ende des Alten Reiches
2.1.2   Jüdisches Leben im 19. Jahrhundert und in der Weimarer Republik
2.1.3   Jüdisches Leben in der Zeit des Nationalsozialismus
2.1.4   Neuanfänge in der Nachkriegszeit und Erinnerungskultur
2.2     Verfassung, Organisation und Tätigkeitsfelder der Gemeinschaft
2.2.1   Innere und äußere Organisation
2.2.2   Kultus und Kultusort
2.2.3   Schul- und Religionsunterricht
2.2.4   Soziale Betätigung
2.3     Tätigkeitsfelder einzelner Gemeindemitglieder
2.3.1   Amts- und Funktionsträger
2.3.2   Herausragende Persönlichkeiten
2.3.3   Beteiligung an politischen und sonstigen Vereinigungen

3       BAU- UND KUNSTDENKMÄLER
3.1     Gemeindeimmobilien
3.2     Wohnhäuser, gewerbliche und industrielle Anlagen
3.3     Friedhöfe

4       QUELLEN UND LITERATUR
4.1     Archivalien
4.2     Fotos, Gemälde, Ansichten, Grundrisse und Lagepläne
4.3     Gedruckte Quellen, Quellensammlungen, Findbücher, Regesten- und Nachschla-
        gewerke
4.4     Ortsbezogene Literatur
192                               Bad Oeynhausen

in: „Wo die Lippe springt“ 42 ⟨2003⟩ 12–18. – Gundelach Christian u. a., Juden in Bad
Lippspringe ⟨Gruppenarbeit der Klasse 10 der Hauptschule Bad Lippspringe zum Schü-
lerwettbewerb Deutsche Geschichte zum Thema ,Alltag im Nationalsozialismus‘ ⟨o. O.
1980/81⟩ im StadtA Bad Lippspringe. – Karenfeld Klaus, „Unbekannt verzogen!“ Vor
50 Jahren: Erste Judendeportationen aus dem Kreis Paderborn nach Riga. In: „Wo die
Lippe springt“ 8 ⟨1991⟩ 19–27. – Ders., Bad Lippspringe in der Zeit des Nationalsozia-
lismus. In: Pavlicic, Lippspringe 509–553. – Pavlicic Michael (Bearb.), Lippspringe –
Beiträge zur Geschichte ⟨Paderborn 1995⟩. – Starre Christian, Das Schicksal der Juden
in Bad Lippspringe und Schlangen während der Zeit des Dritten Reiches ⟨Hausarbeit zur
1. Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen an der Uni/GH Pader-
born, Paderborn 1977⟩ im StadtA Bad Lippspringe. – Ders., Die Juden in Lippspringe
im 19. Jahrhundert. In: Pavlicic, Lippspringe 355–359. – Stadt erinnert an Clara Lorch.
In: „Wo die Lippe springt“ 41 ⟨2002⟩ 4 f.
                                                                       Michael Pavlicic

BAD OEYNHAUSEN
1.1   Stadt Bad Oeynhausen, Kr. Minden-Lübbecke
1.2 Das Gebiet der späteren Stadt Bad Oeynhausen lag teilweise in der Gft. Ravensberg
(bis 1609/1666) und teilweise im FBtm. Minden (bis 1648); bis 1806/07 gehörte es zum
KFstm. Brandenburg bzw. Kgr. Preußen und nach mehrfachem Wechsel der Territorial-
und Verwaltungszugehörigkeit in den folgenden Jahren des Umbruchs (Kgr. Westphalen
und seit 1810/11 teilweise Kaiserreich Frankreich – die Werre bildete die Grenze) seit
1815 zum Kgr. Preußen. – An dem 1745 entdeckten Solevorkommen entstand die ‚Kö-
nigliche Saline Neusalzwerk‘. 1830–1845 wurde auf dem Gebiet des späteren Kurparks
eine Thermalsolequelle erbohrt, bei der sich eine Badeanstalt entwickelte. Das schnell
entstehende Heilbad wurde zunächst ‚Neusalzwerk bei Rehme‘ genannt. 1848 bestimm-
te der preuß. König die Umbenennung in ‚Königliches Bad Oeynhausen‘. 1859 wurde
aus dem Badebezirk die Gemeinde Oeynhausen gebildet, die 1860 zur Stadt mit Land-
gemeindeordnung wurde. 1973 wurde Bad Oeynhausen mit dem Amt Rehme zur heuti-
gen Stadt Bad Oeynhausen zusammengelegt. Zum Amt Rehme gehörten die Gemeinden
Dehme, Eidinghausen, Niederbecksen (seit 1926 Lohe), Rehme, Wulferdingsen, Werste
und Volmerdingsen.
   1856 gehörte Neusalzwerk /Bad Oeynhausen zur Synagogengemeinde Vlotho ebenso
wie Niederbecksen, während die übrigen Gemeinden des Amtes Rehme zur Synagogen-
gemeinde Minden gehörten.
2.1.1 Für Eidinghausen sind um 1686/87 jüd. Einwohner nachgewiesen. Zu ihnen zähl-
te der um 1640 geborene Melchior Levi, der offenbar zunächst versucht hatte, in Haus-
berge unterzukommen. Im Jahr 1700 war er noch in Eidinghausen ansässig und bestritt
seinen Lebensunterhalt als Metzger und Höker. Die Zungen des von ihm geschlachte-
ten Rindviehs lieferte er – wohl ohne Wissen der zuständigen Obrigkeit – als eine Art
privater Tributleistung an den Vogt zu Gohfeld. Um 1714 ist am Ort Salomon Philipp
nachgewiesen, der im Zuge der staatlich verordneten Zwangsumsiedlungen 1716 nach
Hausberge umziehen musste, wo seine Witwe nebst 6 oder 7 Kindern noch 1730 in völ-
liger Armut lebten.
2.1.2 Der verstärkte Zuzug von jüd. Familien fällt mit der Entstehung des Ortes Oeyn-
hausen in der Mitte des 19. Jh. zusammen. Die Familien Berliner, Rosenfeld, Frank, Rin-
Bad Oeynhausen                                    193

teln und Meier-Mendelsohn (Gasthof ‚Viktoria-Hotel‘) errichteten zwischen 1853 und
1858 Häuser im Badebezirk.
   1886/87 waren in Oeynhausen 6 Juden als Kaufleute sowie je 1 als Hotelier, Sanitätsrat
bzw. Arzt tätig; 1897/98 kamen noch 1 Tischler und 1 Fabrikdirektor hinzu. Hermann
Stern war Tuch- und Buckskin- sowie Garderobenhändler. 1890 gab es ein Konkurs-
verfahren gegen seine zwischenzeitlich nach Hamburg übergesiedelte Fa. ‚Gebr. Stern‘.
Seit 1854 lebte Sanitätsrat Dr. Siegfried Rinteln als Badearzt mit seiner Ehefrau Fanny
in Oeynhausen; er war Träger des preuß. ‚Roten Adlerordens‘ und starb 1897 in Oeyn-
hausen. 1855–1899 war ferner Dr. Louis (Leeser) Lehmann, 1824 in Werne geboren, als
Badearzt und Sanitätsrat in Oeynhausen tätig. Er war in 1. Ehe mit Sophie Wolf(f) ver-
heiratet; Taufen der Kinder sind 1856 und 1867 nachgewiesen. Spätestens vor seiner 2.
Eheschließung (1875) – die Familie wird in den Listen der jüd. Einwohner bis in die
1860er Jahre genannt – konvertierte Lehmann zum ev. Glauben. 1898 wurde er mit dem
preuß. ‚Roten Adlerorden‘ ausgezeichnet. Gustav Frank eröffnete vor 1910 das ‚Hotel
zur Post‘ (Bahnhofstr. 17), in dem koscheres Essen angeboten wurde; er starb 1912. Die
später in Oeynhausen ansässige Familie Salomon besaß in Dehme eine Ziegelei und eine
Sandgrube zwischen Rehme und Vlotho.
   1929 verlegte die Familie Wolff ihre ursprünglich in Karlsruhe und anschließend in
Kaldenkirchen bei Venlo ansässige Zigarrenfabrikation und den Zigarrenhandel nach Bad
Oeynhausen. Die Büroräume befanden sich am heutigen Alten Rehmer Weg, die Fabrik
in Wulferdingsen. Ein Teil der Produktion erfolgte in Heimarbeit. 1929 zogen Hermann
und Berta Grünenklee mit 2 Kindern sowie Berta Grünenklees Schwester Minna Salo-
mon von Petershagen nach Bad Oeynhausen. Hier war Hermann Grünenklee als Han-
delsvertreter tätig; seine Frau bot einen Mittagstisch an. 1930 siedelte die Familie nach
Werste über; 1931 verzog sie schließlich nach wenigen Monaten Aufenthalt in Eiding-
hausen nach Volmerdingsen.
   Für die Zeit der Weimarer Republik sind in Oeynhausen verschiedene Organisationen
der jüd. Gemeinde nachgewiesen: z. B. 1920 eine Ortsgruppe des C. V. und 1928 eine
Ortsgruppe des ‚Jüdischen Jugendbundes‘ (Vorsitzender: Martin Goldschmidt), die 1932
noch bestand und Vortragsabende veranstaltete. Zwischen 1922 und 1932 führte das ‚Is-
raelitische Familienblatt‘ stets mehrere Unterkünfte aus Bad Oeynhausen in der Rubrik,
„Wo Juden unerwünscht sind“ auf.
   Am Krieg 1870/71 gegen Frankreich nahm Moritz Frank teil. Soldaten im 1. Welt-
krieg waren Metzgermeister Edwin Frank, der mit dem EK ausgezeichnet wurde, Benno
Berlinger, Prokurist des Textilgeschäftes Otto Rüdenberg, sowie die 1914 bzw. 1916 ge-
fallenen Alfred Vorreuter und Reinhard Frank.
2.1.3 Rudolf Tobias, Vorstandsmitglied und technischer Direktor der ‚Eisenwerk We-
serhütte AG‘ wurde 1933 entlassen und verhaftet. Ihm gelang die Auswanderung in die
Niederlande, wo er sich nach der Besetzung durch deutsche Truppen das Leben nahm.
1935 wurden ‚Parteigenossen‘ beim Betreten des Kaufhauses der jüd. Familie Rüdenberg
fotografiert und eine Veranstaltung des jüd. Vortragskünstlers Plaut abgesagt. Die Aus-
grenzung jüd. Touristen aus deutschen Kurorten wurde auch in Bad Oeynhausen prakti-
ziert, wie Gestapo-‚Lageberichte‘ für das Jahr 1935 deutlich machen. Hierbei spielte der
NSDAP-Ortsgruppenleiter eine führende Rolle. Der Bgm. verhinderte jedoch 1935 mit
„Rücksicht auf die vielen ausländischen Kurgäste“ die Aufstellung eines ‚Stürmerkastens‘
am Rathaus direkt gegenüber dem Kurpark. Kurz nachdem die Staatspolizeistelle Min-
den konstatiert hatte, dass in Badeorten mit ausländischen Gästen Schilder wie ‚Juden
unerwünscht‘ u.ä. an Ortseingängen und Hauptdurchfahrtsstraßen eher schädlich seien,
waren laut ‚Lagebericht‘ für Sept. 1935 im Badeort Oeynhausen „keine Juden mehr zu
sehen“. U.a. war der holländische Konsul abgereist, weil er sich durch Propagandaum-
züge nationalsozialistischer Formationen und antijüd. Sprechchöre bei seiner Erholung
gestört gefühlt hatte. Um eine weitere Schädigung des Kurbetriebes ebenso wie „der
194                                Bad Oeynhausen

deutschen Auslandsinteressen“ zu verhindern, unterband der Gauleiter politische Kund-
gebungen während der Saison.
   Der ‚Lagebericht‘ von Oktober 1935 stellte – um Informationen über die großen
Schwierigkeiten der Emigranten in den Aufnahmeländern zu relativieren – den Erfolg
des 1933 nach Indien ausgewanderten jüd. Arztes Dr. N. N. Appel heraus, dem es ent-
gegen ansonsten häufigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten für Juden im Emigrations-
land mit Hilfe eines englischen Kolonialbeamten, den er in Oeynhausen behandelt hatte,
gelungen war, in Bombay als einziger deutscher Arzt eine Niederlassungsgenehmigung
zu erhalten. Zu den weiteren Emigranten aus Bad Oeynhausen gehörte Manfred Blatt
(Charlottenstr. 4), der 1936 nach Uruguay auswanderte. Aus der Familie Siegfried Meyer
gelang nur dem Sohn Herbert 1939 die Emigration. Im selben Jahr emigrierte die Familie
Salomon in die USA, Margarethe Meyer (Weststr. 8) nach Mexiko. Minna Salomon aus
Volmerdingsen, bis 1939 in der dortigen Zigarrenfabrik tätig, konnte sich ebenso nach
England retten wie die Witwe Bella Adelsheimer, die 1936–1939 in Bad Oeynhausen,
Hermann-Göring-Str. (heute Bahnhofstr.) 43, gelebt hatte.
   Zum Verkauf ihres Eigentums waren nach 1935 mehrere Oeynhauser Juden gezwun-
gen: So veräußerte Willy Rosenbaum, Mindener Str. 23, sein Haushaltswarengeschäft
Mitte 1936, um mit dem Erlös Geschäftsschulden zu begleichen. Während seiner an-
schließend aufgenommenen Tätigkeit als Einkäufer für eine niederländische Firma wur-
de er durch die Devisenstelle wegen des Verdachts auf Devisenvergehen überwacht. Ende
1937 wurde das im 19. Jh. gegründete ‚Modenhaus Gustav Rüdenberg Nachf.‘ ‚arisiert‘
und von der Firma ‚Eisenreich‘ übernommen; jüd. Angestellte wurden entlassen. Wäh-
rend des Pogroms 1938 kam es an jüd. Eigentum zu Zerstörungen mit Schäden unbe-
kannten Ausmaßes, so am Korsettgeschäft von Gertrud Os. Im KZ Buchenwald inhaf-
tiert wurden der Zigarrenfabrikant Wilhelm Wolf, der im Juli 1938 seinen Betrieb hatte
verkaufen müssen, ferner Siegfried Meyer, bis 1937 Buchhalter der Firma ‚G. Rüdenberg
Nachf.‘, und Benno Berlinger, Prokurist dieser Firma. 1939 forderten die NS-Behörden
auch von Hans Cohn, der mit einer Christin verheiratet war und sich seit Ende 1933
in Italien aufhielt, die ‚Judenvermögensabgabe‘. Bis Anfang 1938 hatte ihm die Städti-
sche Sparkasse Bad Oeynhausen Geld von seinem Konto überwiesen; danach lehnte die
Devisenstelle in Münster weitere Überweisungen ab.
   Im Juli 1941 erwähnt ein NS-Bericht die Forderung der Oeynhauser Bevölkerung
nach einem „Einschreiten gegen die Juden“. Diese würden „den ganzen Vormittag auf
dem Markt herumlungern, um die besten Sachen zu ergattern“. Das Landratsamt Min-
den gestattete Juden fortan nur nach 12 Uhr das Einkaufen auf dem Wochenmarkt. Zu-
dem wurde angemerkt, dass „gerade seit dem Krieg mit Russland“ die Juden sich auffällig
oft gegenseitig besuchten“. So träfen sie sich, z. T. mit dem Fahrrad von außerhalb kom-
mend, in der Hermann-Göring-Str. 43 bei „dem Juden Wolf“.
   1941 wurde Berta Grünenklee aus Volmerdingsen mit ihrer Familie nach Riga ver-
schleppt. Zum Transport Münster/Bielefeld 1942 nach Theresienstadt gehörten auch
Ludwig Back, der mit seiner Frau vorübergehend in Brüssel gelebt hatte und 1934 nach
Bad Oeynhausen zurückgekehrt war, ferner Berta Meyer geb. Rosenberg und ihr Sohn
Adolf, die 1939 ihr Haus, Adolf-Hitler Str. (heute Herforder Str.) 68, und ihre Manu-
fakturwarenhandlung hatten verkaufen müssen und sich vergeblich um ein Visum in die
USA bemüht hatten. Weitere 13 Juden wurden im selben Jahr von Bad Oeynhausen aus
deportiert. Im Nov. 1943 berichtete ein ‚Mitarbeiter aus Bad Oeynhausen‘ der SD-Au-
ßenstelle Minden, er erhalte wegen der im Oeynhauser Polizeigefängnis ‚immer noch‘
einsitzenden ‚Jüdin Bartz‘ anonyme Anrufe mit Fragen wie: „Was macht die Jüdin noch
in Bad Oeynhausen? Warum greift die Partei nicht ein? Gibt es keine Gerechtigkeit mehr
in Deutschland?“ Elfriede Bartz wurde im Febr. 1944 im KZ Auschwitz ermordet. Sieg-
fried Meyer wurde als ‚Mischehenpartner‘ mit dem letzten Sammeltransport aus Bielefeld
im Febr. 1945 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Mindestens 15 gebürtige Oeyn-
Bad Oeynhausen                                    195

hausener Juden, die in anderen deutschen Städten (u. a. Berlin, Hamburg, Unna) lebten,
fanden den Tod in Vernichtungslagern.
2.1.4 Der aus Wanne-Eickel stammende jüd. Rechtsanwalt und Notar Dr. Walter
Kronheim (1896–1950) ) – der letzte im Oberlandesgerichtsbezirk Hamm tätige jüd.
Jurist – überlebte, weil er auf einem Bauernhof in Bad Oeynhausen versteckt worden
war. Zu den Überlebenden zählte ferner Siegfried Meyer, der 1945 nach Rehme zurück-
kehrte und eine Anstellung bei der Amtsverwaltung erhielt, zuletzt als Amtsrentmeister.
Er starb 1962 in Bad Oeynhausen und wurde auf dem jüd. Friedhof in Herford beige-
setzt. Nach dem Krieg kehrte auch das Ehepaar Ley nach Bad Oeynhausen zurück. Der
Rechtsanwalt und Notar Franz Ley (Bismarckstr. 17) – aufgrund seiner jüd. Mutter von
den Nationalsozialisten als ‚Halbjude‘ eingestuft – war zunächst zu seiner Schwester nach
Essen geflohen, anschließend zu Freunden nach Detmold, wo er in einer Rüstungsfirma
arbeitete. Irmgard Hagemann, 1937 aufgrund von NS-Anfeindungen von Gütersloh zu
ihrem Bruder nach Bad Oeynhausen gezogen, war 1944 in das Lager Elben bei Kassel
verschleppt worden. 1945 begab sie sich zunächst nach Eidinghausen, von wo aus sie
3 Jahre später nach Gütersloh verzog. Adolf Wolf überlebte die Inhaftierung in Theresi-
enstadt und kehrte 1946 nach Rehme zurück, wanderte aber bald zu seinem Sohn in die
USA aus, wo er 1969 starb.
   1984 wurde die Marthastraße zur Erinnerung an den ehemaligen Badearzt in
Dr.-Louis-Lehmann-Straße umbenannt. 1988 wurde in Volmerdingsen anlässlich des
50. Jahrestages der Pogromnacht ein Mahnmal zum Gedenken an alle Opfer des Terrors
enthüllt. 1989 gründete die VHS Bad Oeynhausen einen Arbeitskreis Lokalgeschichte,
der sich speziell mit der Zeit zwischen 1933 und 1945 auseinandersetzte. Dieser initiierte
Recherchen über noch lebende ehem. jüd. Bürger Bad Oeynhausens und führte 1993 eine
‚Woche der Begegnung‘ durch. 2002 wurde vor der ev. Auferstehungskirche in der In-
nenstadt ein ‚Gedenkbrunnen‘ zur Erinnerung an die verfolgten und ermordeten Juden
Bad Oeynhausens eingeweiht. Das Stadtarchiv erinnerte 2001–2003 mit der Wanderaus-
stellung ‚Monroe & Molly‘ an das Schicksal des Künstlerehepaares Walther und Hedwig
Flechtheim (Künstlername Monroe & Molly). Bad Oeynhausen beteiligt sich seit 2009
an der Aktion ‚Stolpersteine‘, der erste wurde 2010 verlegt.

2.2.1 1843 wohnten 10 Juden in Neusalzwerk. Bei Gründung der Stadt Oeynhausen
1860 waren von 1273 Einwohnern 1148 ev., 72 kath. und 53 jüd. Glaubens. 1871 hatte
(Bad) Oeynhausen 1952 Einwohner, von denen 1749 ev., 136 kath., 2 sonstige Christen
und 65 Juden waren; 1895 waren von den 2897 Einwohnern 2624 ev., 212 kath., 3 sonstige
Christen und 58 jüd. Glaubens. 1925 lebten in Bad Oeynhausen bei 9190 Einwohnern
70 Juden.
   In Niederbecksen (seit 1926 Lohe) lebten 1851 11 und 1858 18 Juden; 1925 waren von
1451 [!] Einwohnern 5 kath., 1412 ev., 1 jüd. Glaubens und 4 bekenntnislos.
   In Bergkirchen lebten 1843 12 Juden, später gehörte der Wohnplatz zu Volmerdingsen.
Dort lebten 1858 24 Juden; 1871 waren 1871 von 1532 Einwohnern 1517 ev. und 15 jüd.
Glaubens; 1895 waren von 1745 Einwohnern 1743 ev. und 2 jüd. Glaubens.
   In Wulferdingsen lebten 1858 7, 1871 9 und 1895 5 Juden.
   Im frühen 19. Jh. gehörten die Juden aus Neusalzwerk zur Kehilla von Pömbsen; 1843
besuchten sie den Betraum in Vlotho. 1856 beantragten die im Badebezirk Oeynhausen
wohnenden Juden die Bildung einer eigenen Synagogengemeinde. Der Mindener Land-
rat lehnte dies aufgrund der geringen Anzahl jüd. Einwohner ab, so dass sie bei Vlotho
blieben. Seit 1890 war Oeynhausen Filialgemeinde der Synagogengemeinde Vlotho. 1928
stellte Leo Lewin bei der preuß. Regierung in Minden erneut den Antrag auf Einrichtung
einer Synagogengemeinde in Bad Oeynhausen. Er begründete dies mit der gestiegenen
Anzahl der dort zur Kur weilenden Juden. Allerdings fehlten die für einen rechtsgültigen
Antrag notwendigen Unterschriften aller jüd. Einwohner Bad Oeynhausens sowie eine
196                                 Bad Oeynhausen

Stellungnahme des PLV. Das Gesuch wurde abgelehnt und darauf hingewiesen, dass we-
gen der geringen Finanzkraft der Gemeinde wenig Aussicht auf einen positiven Bescheid
bei einem neuerlichen Antrag bestünde; außerdem sei die Existenz der Gemeinde Vlo-
tho durch eine Gemeindeneugründung gefährdet. Die Bemühungen um einen eigenen
Synagogenbezirk blieben daher erfolglos. Als Untergemeinden von Bad Oeynhausen
werden im ‚Handbuch der jüdischen Gemeindeverwaltung‘ von 1907 bis 1913 Gohfeld
(heute Stadt Löhne) und 1924/25 Melbergen (heute Stadt Löhne) sowie Niederbecksen
genannt.
2.2.2 Bis zur Anmietung eines eigenen Betsaals besuchten sowohl die ortsansässigen
als auch die jüd. Kurgäste die Synagoge in Vlotho. 1856 wurden für den Gottesdienst
zunächst einige Räume im Haus des Schlossermeisters Thiele gemietet, Ende der 1850er
Jahre dann im Privathaus des Vlothoer Kaufmanns Mendel Grundmann an der Minde-
ner Str., dem Gradierwerk gegenüber. Wenige Jahre später verlegte die Gemeinde ihren
Betraum in die Kandidatenschule. Um 1867 zog sie in den Anbau des ehem. Hauses
Leesemann in der Heinrichstr. 25. 1907 reichten Julius Meyer und Albert Heynemann
ein Gesuch um Bewilligung einer Kollekte bei den jüd. Einwohnern der Provinz West-
falen zum Bau einer eigenen Synagoge in Bad Oeynhausen ein. 1909 stellte Julius Meyer
erneut einen Antrag, der 1910 genehmigt wurde. Der Fortgang des geplanten Projektes
ist unklar. In den 1920er Jahren soll weiterhin ein Betraum in Privaträumen existiert ha-
ben. Zu Beginn der 1930er Jahre besuchten die in Bad Oeynhausen lebenden Juden die
Synagoge in Vlotho.
2.2.3 1861 gingen 7 von insgesamt 20 schulpflichtigen jüd. Kindern im Amt Rehme
in eine jüd. Privatschule. Der Privatlehrer I. Weinzweig erteilte Religionsunterricht. 1862
war die jüd. Schule nicht mehr existent, und die 24 Kinder gingen in christl. Schulen. Der
1873–1898 an der jüd. Elementarschule in Vlotho angestellte Lehrer Isidor Gutmann er-
teilte sonntags auch den Kindern in Bad Oeynhausen Religionsunterricht. 1886 besuch-
ten 4 Kinder den Unterricht, 1899/1900 waren es 7; bis zum 1. Weltkrieg sank die Zahl
auf vier. Wanderlehrer aus Vlotho erteilten den Unterricht: N. N. Levi (1907), N. N. Mo-
ses (ab 1911) und N. N. Rosenthal (1913). Darüber hinaus besuchten die jüd. Kinder die
örtlichen Schulen. Als 1882 an der ev. Bürgerschule eine Mädchenabteilung eingerichtet
wurde, waren von den 30 neu aufgenommenen Schülerinnen 3 jüd. Mädchen aus den
Familien Heynemann, Vorreuter und Stern. Jüdinnen besuchten auch die 1893 eröffnete
‚Höhere Stadtschule‘. Der Anteil jüd. Schülerinnen an der 1907 gegründeten selbständi-
gen höheren Mädchenschule (später Luisenschule) lag 1919–1927 zwischen 1,4 und 2,7
Prozent. Bis in die 1930er Jahre erhielten die Kinder aus dem Raum Bad Oeynhausen
einmal wöchentlich Religionsunterricht in Bad Oeynhausen. Als Lehrer fungierte wahr-
scheinlich bis zu seiner Emigration in die USA 1937 Moses Heller. Auch für die NS-Zeit
sind jüd. Schülerinnen an der Luisenschule nachgewiesen. 1937/38 wechselten wegen zu-
nehmender Diskriminierung in der ‚Höheren Stadtschule‘ in Vlotho 3 jüd. Mädchen an
die Luisenschule in Bad Oeynhausen. Nach dem Pogrom 1938 wurde laut NS-Gesetz
vom 15. Nov. 1938 den beiden letzten jüd. Schülerinnen, Lore Juchenheim aus Vlotho
und Lore Salomon aus Bad Oeynhausen, der weitere Besuch der Luisenschule ebenso
untersagt wie Manfred Berlinger der Besuch der ‚Oberschule für Jungen‘ in Bad Oeyn-
hausen.
2.2.4 Unregelmäßig ließ die Oeynhauser Gemeinde in der 2. Hälfte des 19. Jh. der
Marks-Haindorf-Stiftung Spenden zukommen.

2.3.1 1913 waren N. N. Rüdenberg und N. N. Heynemann Vorstandsmitglieder. Max
Rüdenberg, der 1938 starb, war viele Jahre 2. Vorsteher der Gemeinde. 1939 bestellte
die RV Benno Berlinger aus Bad Oeynhausen und Erich Grundmann aus Vlotho zum
Vorstand der jüd. Gemeinde.
Bad Oeynhausen                                    197

   1856 fungierte der Kaufmann N. N. Falk aus Melbergen als Vorbeter. Als letzter Vor-
beter wird der später nach Hannover verzogene Kaufmann Samuel Stern genannt.
2.3.2 Die Sanitätsräte Dr. Siegfried Rinteln und Dr. Louis Lehmann veröffentlichten
in der 2. Hälfte des 19. Jh. mehrere Schriften über Bad Oeynhausen und zur Balneo-
logie. Walther Flechtheim (Monroe) – 1881 in Warburg geboren und 1949 in London
gestorben – trat nach einer Schauspielausbildung in New York mit seiner nichtjüd. Frau
Hedwig (Molly) erstmals 1920 in Bad Oeynhausen als Tanzpaar auf und bestimmte mit
kurzen Unterbrechungen bis 1931 das Unterhaltungsleben der Badestadt, u. a. als künst-
lerischer Leiter der ‚Künstlerspiele‘. Um 1931 wurde er in den Vorstand des ‚Interna-
tionalen Varieté-Theater-Direktoren-Verbandes‘ gewählt. Nach weiteren Stationen als
Varieté-Leiter in Halle an der Saale und in Krefeld wanderte das Ehepaar noch vor Erlass
der ‚Nürnberg Gesetze‘ nach England aus. Der in der DDR bekannte Schriftsteller Walt-
her Victor (1895–1971) wurde in Bad Oeynhausen als Sohn des Siméon Victor, Direktor
der Thonwarenfabrik AG (ehem. Rasch) in Niederbecksen, geboren. Nachdem er 1935
inhaftiert worden war, ging er noch im selben Jahr ins Exil in die Schweiz und 1938, nach
seiner Ausweisung wegen politischer und publizistischer Tätigkeiten, über Luxemburg,
Frankreich und Portugal 1940 schließlich in die USA.
2.3.3 Jüd. Bürger aus Bad Oeynhausen gehörten der Stadtverordnetenversammlung
an und bekleideten Ämter im Magistrat sowie in mehreren Kuratorien und Vereinen:
Otto Rüdenberg (1868–1931), Inhaber des ‚Modenhauses Gustav Rüdenberg Nachf.‘,
war 1903–1924 Stadtverordneter und 1902–1926 stellvertr. Vorstandsvors. der Städti-
schen Sparkasse. Ludwig Back (1873–1942) gründete 1919 die VHS in Bad Oeynhau-
sen, die erste ihrer Art in Ostwestfalen. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation blieb
sie jedoch für nur etwa 3 Jahre bestehen. Back war in dieser Zeit ihr Leiter. Ferner war
er Mitglied der ‚Gesellschaft für soziales Recht‘ und des ‚Vereins für Volksbildung‘. Der
Rechtsanwalt und Notar Franz Ley war Mitbegründer der Musikhochschule in Det-
mold und der ‚Kulturgemeinde‘ von Bad Oeynhausen, Nachfolgegesellschaft der ‚Vor-
tragsvereinigung‘. Der Zigarrenfabrikant Adolf Wolf kümmerte sich als aktives Mitglied
um die Belange des lokalen Tennisvereins. Der Metzger und Gastwirt Moritz Frank gilt
als Mitbegründer des Bad Oeynhausener Kriegervereins. Dr. Walter Kronheim wurde
im April 1945 von den Amerikanern zum Bürgermeister von Bad Oeynhausen ernannt.
1946 bis 1950 war er Stadtdirektor und Kurdirektor, zugleich auch Gründungsmitglied
und 1. Präsident des ‚Deutschen Bäderverbandes‘.
3.1   Ein Betraum ist seit 1856 nachgewiesen.
3.3 Die Juden in Bad Oeynhausen bestatteten ihre Toten sowie die dort verstorbenen
jüd. Kurgäste auf dem neuen Friedhof in Vlotho, der 1854 an der Wasserstr. eröffnet
worden war. Von den 163 erhaltenen Grabsteinen weisen 18 auf Bad Oeynhausen als
Sterbeort hin.
   Von ca. 1848/49 bis 1862 wurden auf einem ca. ½ Morgen großen Grundstück in Reh-
me, das Victor Meyer und N. N. Grundmann gepachtet hatten, 7 jüd. Personen bestattet.
1893 erfolgte die Umbettung, vermutlich zum jüd. Friedhof nach Vlotho.
4.1 Hessisches StaatsA Marburg, Abt. 76a Nr. 28,25. – LAV NRW, Abt. OWL (Det-
mold), M 1 I P Nr. 1106, 1374, 1403, 1447, 1480, 1559 u. 1568; M 1 II A Nr. 281; M 1
I L Nr. 276 u. 315; M 4 A Nr. 27; P 2 Nr. 291–293; sowie Abt. W (Münster) Jüdische
Gemeinde Vlotho (Dep.), Akten Nr. 12. – StadtA Bad Oeynhausen, B 251, B 252, B 253;
Einwohnermeldekartei; Nachlass Walther und Hedwig Flechtheim (Monroe).
4.2 Fotos zu jüd. Leben in Bad Oeynhausen im StadtA Bad Oeynhausen, Fotosamm-
lung. Foto von Irmgard Hagemann in Meinhold, Dem Lager Elben entkommen 20.
Foto von Ludwig Back in Hohenbrink, Ludwig Back 28. Fotos der Familie Grünen-
klee in Meynert, In Volmerdingsen zu Hause 35 f. Postkarte mit der Ansicht ‚Jüdisches
Sie können auch lesen