HIV-infizierte Menschen ohne andere STD sind unter wirksamer antiretroviraler Therapie sexuell nicht infektiös

 
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EKAF                                                                             W E I T E R E O R G A N I S AT I O N E N U N D I N S T I T U T I O N E N

HIV-infizierte Menschen ohne andere STD
sind unter wirksamer antiretroviraler Therapie
sexuell nicht infektiös

Pietro Vernazza a,                                                                                       bringen können, dass eine HIV-Infektion unter
                                         Die Eidgenössische Kommission für Aidsfragen
Bernard Hirschel b,                                                                                      wirksamer ART nicht möglich ist. (Denn der
                                         (EKAF) hält auf Antrag der Fachkommission
Enos Bernasconi c,                                                                                       Nichteintritt eines unwahrscheinlichen, aber
                                         Klink und Therapie des Bundesamtes für Ge-
Markus Flepp d                                                                                           denkbaren Ereignisses ist nicht beweisbar.) Die
                                         sundheit, nach Kenntnisnahme der wissen-
                                                                                                         Situation ist vergleichbar mit der Lage 1986, als
Eidgenössische Kommission für Aids-      schaftlichen Fakten und nach eingehender
                                                                                                         die Aussage «HIV ist nicht durch Küssen über-
fragen, Fachkommission Klinik            Diskussion fest: Eine HIV-infizierte Person
und Therapie des Bundesamtes                                                                             tragbar» veröffentlicht und kommuniziert wurde.
                                         ohne andere STD unter einer antiretroviralen
für Gesundheit (BAG)                                                                                     Diese Feststellung konnte nie bewiesen werden.
                                         Therapie (ART) mit vollständig supprimierter
                                                                                                         Aber 20 Jahre Erfahrung mit HIV haben ihre
a Prof. Dr. med., Präsident der          Virämie (im Folgenden: «wirksame ART») ist se-
  Eidgenössischen Kommission für                                                                         hohe Plausibilität untermauert. Für die Aussage
                                         xuell nicht infektiös, d. h., sie gibt das HI-Virus
  Aidsfragen (EKAF) und Leiter des                                                                       «HIV-infizierte Menschen ohne andere STD
  Fachbereichs Infektiologie und         über Sexualkontakte nicht weiter, solange fol-
                                                                                                         sind unter wirksamer antiretroviraler Therapie
  Spitalhygiene des Kantonsspitals       gende Bedingungen erfüllt sind:
  St. Gallen                                                                                             sexuell nicht infektiös» sind wissenschaftliche
                                         – die antiretrovirale Therapie (ART) wird durch
                                                                                                         Faktenlage und Evidenz allerdings viel besser als
b Prof. Dr. med., Mitglied der Fach-        den HIV-infizierten Menschen eingehalten
  kommission Klinik und Therapie                                                                         1986. Daher sind die EKAF und die beteiligten
                                            und durch den behandelnden Arzt kontrol-
  von Aids des BAG und Leiter der                                                                        Organisationen überzeugt, dass die heute verfüg-
  Einheit VIH-SIDA der Hôpitaux             liert;
                                                                                                         baren Informationen genügen, um diese Aussage
  Universitaires de Genève               – die Viruslast (VL) liegt seit mindestens sechs
                                                                                                         hinreichend zu begründen.
c Dr. med., Mitglied der Fach-              Monaten unter der Nachweisgrenze (d. h.,
  kommission Klinik und Therapie                                                                             Es geht im Folgenden um die Beurteilung des
                                            die Virämie ist supprimiert);
  von Aids des BAG und Leiter des                                                                        Transmissionsrisikos unter wirksamer ART beim
  Dienstes für Infektionskrankheiten     – es bestehen keine Infektionen mit anderen
                                                                                                         ungeschützten Geschlechtsverkehr.
  am Ospedale Regionale di Lugano,          sexuell übertragbaren Erregern (STD).
  Sede Civico
                                                                                                         Epidemiologische Daten
d Dr. med., Präsident der Fach-
  kommission Klinik und Therapie         Einleitung                                                      In serodifferenten Partnerschaften (eine Person
  von Aids des BAG und freiprakti-       Zu den Aufgaben der EKAF gehört es, neue Er-                    HIV-positiv, die andere HIV-negativ) ist das
  zierender Facharzt für Infektiologie
                                         kenntnisse betreffend die Infektiosität von HIV-                Transmissionsrisiko abhängig von der Viruslast
  und Innere Medizin
                                         infizierten Menschen unter einer optimal wirk-                  der HIV-infizierten Person [1] (Abb. 1).
                                         samen Therapie bekanntzumachen. Die EKAF                            In einer Längsschnittstudie mit 393 hetero-
                                         will Menschen mit und ohne HIV-Infektion                        sexuellen serodifferenten Paaren fand sich im
                                         Ängste nehmen und dadurch einem Teil der                        Verlauf von 14 Jahren keine Infektion bei Part-
                                         etwa 17 000 in der Schweiz lebenden HIV-infi-                   nern von Personen unter ART, während unter
                                         zierten Menschen ein weitgehend «normales»                      den Paaren ohne ART die Transmissionsrate
                                         Sexualleben ermöglichen.                                        8,6 % betrug [2].
                                                                                                             In einer anderen Längsschnittstudie mit 93
                                         Wissenschaftliche Grundlagen                                    serodifferenten Paaren, von denen 41 der HIV-
                                         und Evidenz                                                     positiven Partner eine Therapie begannen, kam
                                         Unter «wirksamer ART» wird im Folgenden im-                     es bei sechs Partnern zur HIV-Infektion, alles
                                         mer eine HIV-Therapie mit stabiler, vollständiger               Partner von unbehandelten Personen mit einer
                                         Suppression der Viruslast im Blut (VL unter der                 Viruslast im Blut von mindestens 1000 Ko-
                                         Nachweisgrenze,
EKAF                                                                          W E I T E R E O R G A N I S AT I O N E N U N D I N S T I T U T I O N E N

                                          Die Übertragung von HIV von der Mutter auf                  bei schwulen Männern auf 0,048, auch wenn
                                      das Neugeborene hängt ebenfalls von der müt-                    längst nicht alle HIV-infizierten Männer eine
                                      terlichen Viruslast ab und kann durch ART ver-                  Therapie hatten [9].
                                      hindert werden [5–8].                                               Die Transmissionsrate ist während der HIV-
                                          In der «San Francisco Men’s Health Study»                   Primoinfektion massiv erhöht. Studien zeigen,
                                      war die HIV-Inzidenz bei schwulen Männern in                    dass ein erheblicher Prozentsatz aller frisch er-
                                      den Jahren 1994 bis 1996 0,12 (Infektionen pro                  worbenen HIV-Infektionen von einem Partner
                                      Partnerschaft). Seit 1996 ist ART verfügbar. In                 stammt, der ebenso eine kürzlich diagnostizierte
                                      den Jahren 1996 bis 1999 sank die HIV-Inzidenz                  HIV-Infektion hat [10–12].
                                                                                                          Geschlechtskrankheiten erhöhen das HIV-
                                                                                                      Transmissionsrisiko (ohne ART). Mathematische
                                                                                                      Modelle zeigen, dass bei diesem Effekt vor allem
Abbildung 1
                                                                                                      die Syphilis epidemiologisch relevant ist [13].
Viruslast und Transmissionsrisiko.
                                                                                                          Wenige Tage bis Wochen nach Absetzen
                                                                                                      einer Therapie kommt es zum raschen Anstieg
                                                                                                      der HI-Viruslast. Mindestens eine Fallbeschrei-
                                                                                                      bung einer Transmission in diesem Zeitfenster
                                                                                                      liegt vor [14].

                                                                                                      Biologische Daten
                                                                                                      Die HIV-RNA-Konzentration in Genitalsekreten
                                                                                                      nimmt unter Therapie auf nicht messbare Werte
                                                                                                      ab [15–17].
                                                                                                           Die Viruslast (freie HIV-RNA) im weiblichen
                                                                                                      Genitalsekret ist in der Regel tiefer als im Blut
                                                                                                      und ist nicht nachweisbar unter wirksamer ART.
                                                                                                      Ein Anstieg der genitalen Viruslast erfolgt in der
                                                                                                      Regel nach, nicht vor dem Anstieg im Blut [18].
                                                                                                           Zellassoziierte Virusgenome können auch
                                                                                                      unter ART in Genitalsekreten noch nachgewie-
                                                                                                      sen werden [15, 19–21]. Es handelt sich aber
                                                                                                      nicht um vollständige, infektiöse Viren. Die HIV-
                                                                                                      infizierten Zellen im Sperma enthalten keine
                                                                                                      LTR-zirkuläre DNA als Zeichen einer lokal akti-
Abbildung 2                                                                                           ven Virusvermehrung [22].
HIV-RNA im Sperma und Transmissionsrisiko.                                                                 Die HIV-RNA-Konzentration im Sperma be-
                                                                                                      einflusst das Transmissionsrisiko. Bei nichtnach-
                                                                                                      weisbarer HIV-RNA geht das Transmissionsrisiko
                                                                                                      asymptotisch gegen null [23] (Abb. 2). Diese bio-
                                                                                                      logischen Daten zeigen, dass das Risiko durch
                                                                                                      wirksame ART stark gesenkt wird.
                                                                                                           Während der HIV-Primoinfektion steigt die
                                                                                                      Viruslast in Genitalsekreten massiv an [24], was
                                                                                                      die erhöhte Transmissionsrate während der frü-
                                                                                                      hen Phase erklärt.
                                                                                                           Während einer Geschlechtskrankheit (STD;
                                                                                                      z. B. Urethritis, genitale Ulzera) ist die Viruslast
                                                                                                      in Genitalsekreten (nicht aber im Blut) über
                                                                                                      mehrere Wochen erhöht und sinkt nach erfolg-
                                                                                                      reicher Behandlung der STD [25]. Auch unter
                                                                                                      wirksamer ART kann die Viruslast im Sperma bei
                                                                                                      einer STD (Urethritis) leicht ansteigen. Dieser
                                                                                                      Effekt ist allerdings sehr diskret und deutlich ge-
                                                                                                      ringer als ohne wirksame ART [26].

                                      Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2008;89: 5      166
Editores Medicorum Helveticorum
EKAF                                                                      W E I T E R E O R G A N I S AT I O N E N U N D I N S T I T U T I O N E N

                                  Fazit                                                           Bedeutung für HIV-infizierte Menschen
                                  Unter einer wirksamen ART findet sich weder im                  ohne andere STD unter wirksamer ART
                                  Blut noch in Genitalsekreten freies Virus. Alle                 HIV-infizierte Menschen ohne andere STD unter
                                  epidemiologischen und biologischen Daten wei-                   wirksamer ART, die in einer festen Beziehung mit
                                  sen darauf hin, dass unter einer konsequent ein-                einer HIV-negativen Person leben, sollen wissen,
                                  gehaltenen ART kein relevantes Übertragungs-                    dass sie ihren festen Partner nicht gefährden, so-
                                  risiko besteht.                                                 lange sie die ART konsequent und zuverlässig
                                      Das Risiko einer HIV-Übertragung beim Sex                   einhalten, sich regelmässig in ärztliche Kontrolle
                                  ohne Kondom unter vollständig supprimierter                     begeben und keine anderen sexuell übertragba-
                                  Viruslast ist deutlich geringer als 1:100 000. Das              ren Infektionen (STD) haben. Der Entscheid, ob
                                  verbleibende Restrisiko lässt sich zwar wissen-                 das serodifferente, feste Paar auf weitere Schutz-
                                  schaftlich nicht ausschliessen, es ist aber nach                massnahmen verzichtet, obliegt nach eingehen-
                                  Beurteilung der EKAF und der beteiligten Orga-                  der Information und Beratung dem HIV-negati-
                                  nisationen vernachlässigbar klein.                              ven Partner.

                                  Relevanz und Geltungsbereich                                    Bedeutung für HIV-infizierte Menschen
                                  der Aussage «HIV-infizierte Menschen                            ohne feste Partnerschaft
                                  unter wirksamer ART                                             HIV-infizierte Menschen unter wirksamer ART
                                  sind sexuell nicht infektiös»                                   dürfen wissen, dass sie, solange sie die ART kon-
                                                                                                  sequent und zuverlässig einhalten, sich regel-
                                  Bedeutung für Ärztinnen und Ärzte                               mässig in ärztliche Kontrolle begeben und keine
                                  Ziel dieser Information ist, dass behandelnde                   anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STD)
                                  Ärztinnen und Ärzte die Kriterien kennen, die                   haben, das Virus sexuell nicht weitergeben.
                                  die Beurteilung erlauben, ob die Aussage «der
                                  HIV-infizierte Patient, die HIV-infizierte Patien-              Relevanz für die HIV-Prävention
                                  tin ist sexuell nicht infektiös» zutrifft. Die Aus-             Die Aussage «HIV-infizierte Menschen ohne an-
                                  sage gilt, sofern die folgenden Bedingungen er-                 dere STD sind unter wirksamer ART sexuell nicht
                                  füllt sind:                                                     infektiös» verändert die Präventionsstrategie der
                                  – die antiretrovirale Therapie (ART) wird durch                 Schweiz nicht. Ausserhalb einer festen Beziehung
                                      den HIV-infizierten Menschen konsequent                     geht die Selbstschutzpflicht vor: Keine HIV-
                                      eingehalten und durch den behandelnden                      negative Person soll bei einer sexuellen Begeg-
                                      Arzt regelmässig kontrolliert;                              nung auf den Selbstschutz verzichten. Wenn sie
                                  – die Viruslast (VL) unter ART liegt seit minde-                sich auf die Aussage des Gegenübers «ich bin
                                      stens sechs Monaten unter der Nachweis-                     HIV-negativ» oder «ich bin unter wirksamer
                                      grenze (d. h., die Virämie ist supprimiert);                ART» verlässt, geht sie ein HIV-Infektionsrisiko
                                  – es bestehen keine Infektionen mit anderen                     ein, da sie die Zuverlässigkeit der Aussagen nicht
                                      sexuell übertragbaren Erregern (STD).                       überprüfen kann. Die Eigenverantwortung für
                                                                                                  die Gesundheit kann speziell in diesen Situatio-
                                  Erste Priorität hat nach wie vor die medizinische               nen nicht delegiert werden.
                                  Indikation für eine ART nach den gültigen The-                      In einer festen, serodifferenten Partnerschaft
                                  rapieempfehlungen. Eine Vorverlegung des The-                   (ein Partner HIV-positiv, ein Partner HIV-nega-
                                  rapiezeitpunktes aus «präventiven Überlegun-                    tiv) obliegt der Entscheid, ob das Paar auf weitere
                                  gen» ist zurzeit nicht erwünscht: Abgesehen von                 Schutzmassnahmen verzichtet, dem HIV-negati-
                                  den zusätzlichen Kosten bestehen Zweifel, ob                    ven Partner, weil dieser letztendlich die Konse-
                                  HIV-infizierte Menschen für eine Langzeitthera-                 quenzen einer HIV-Infektion tragen müsste, falls
                                  pie ohne festgelegte medizinische Indikation ge-                es wider Erwarten doch zu einer HIV-Übertra-
                                  nügend motiviert sind und der Therapie treu                     gung käme.
                                  bleiben.
                                      Abgebrochene und schlecht durchgeführte                     Relevanz für die Rechtsprechung
                                  Therapien bergen ein grosses Risiko für die Ent-                Der Befund «HIV-infizierte Menschen ohne an-
                                  wicklung von resistenten Virenstämmen, be-                      dere STD sind unter wirksamer ART sexuell nicht
                                  drohen damit die öffentliche Gesundheit und                     infektiös» ist von den Gerichten bei der Beurtei-
                                  verschlechtern die individuelle Prognose. Eine                  lung der Strafbarkeit der HIV-Übertragung zu be-
                                  präventive Indikation von ART ist somit nur                     rücksichtigen. Ein ungeschützter Sexualkontakt
                                  in Ausnahmefällen bei hochmotivierten Men-                      einer HIV-infizierten Person ohne andere STD
                                  schen mit einer HIV-Infektion gegeben. Kein Pa-                 unter wirksamer ART mit einer HIV-negativen
                                  tient soll aus «präventiven» Überlegungen zur                   Person kann nach Auffassung der EKAF weder
                                  Therapie überredet werden.

                                  Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2008;89: 5     167
Editores Medicorum Helveticorum
EKAF                                                                           W E I T E R E O R G A N I S AT I O N E N U N D I N S T I T U T I O N E N

                                       den Tatbestand einer versuchten Verbreitung                         Die Beratung gibt Gelegenheit, die Fragen
                                       einer gefährlichen Krankheit im Sinne von                       des serodifferenten Paares zu beantworten. Es
                                       Art. 231 Strafgesetzbuch (StGB) noch den Tatbe-                 gilt auch, darauf hinzuwirken, dass der HIV-
                                       stand der versuchten gefährlichen Körperverlet-                 negative Partner (nicht der HIV-positive!) den
                                       zung nach den Artikeln 122, 123 oder 125 StGB                   Entscheid fällt, ob er/sie auf das Präservativ
                                       erfüllen.                                                       verzichten will, und dass das Paar gemeinsam
                                                                                                       Abmachungen zum Umgang mit der Adhärenz,
                                       Ärztliche Beratung                                              sexuellen Aussenkontakten (wegen STD-Risikos)
                                       von HIV-Patienten mit ART                                       und allfälligem Kinderwunsch trifft. Bei den zu-
                                       Patienten unter ART werden von den behan-                       künftigen Kontrollen der ART ist der Patient
                                       delnden Ärztinnen und Ärzten bei nächster                       auf die Einhaltung dieser Abmachungen anzu-
                                       Gelegenheit auf das Thema «Nichtinfektiosität                   sprechen.
                                       unter wirksamer ART» und deren Bedingungen                          HIV-infizierte Menschen ohne andere STD
                                       angesprochen und ihrer aktuellen Beziehungs-                    unter wirksamer ART, die nicht in einer festen
                                       form entsprechend beraten.                                      Partnerschaft leben, werden von ihrem behan-
                                                                                                       delnden Arzt, ihrer behandelnden Ärztin über
                                       Inhalte der ärztlichen Beratung                                 ihre «Nichtinfektiosität unter wirksamer ART»
                                       In der Beratung des festen, serodifferenten Paares              informiert. Diese Information kann entlastend
                                       (beide sind anwesend) sind die Bedingungen der                  wirken, zeigen doch viele Studien, dass das
                                       Nichtinfektiosität eingehend zu besprechen:                     Sexualleben von HIV-infizierten Menschen in-
                                       – der Mensch mit einer HIV-Infektion nimmt                      folge von Infektionsängsten beeinträchtigt ist.
                                           die antiretrovirale Therapie (ART) konse-                   Im Interesse der Betroffenen werden Ärztinnen
                                           quent ein und lässt deren Wirksamkeit durch                 und Ärzte diesen jedoch weiterhin zu Safer Sex
                                           den behandelnden Arzt regelmässig kontrol-                  bei anonymen und Gelegenheitskontakten ra-
                                           lieren (gemäss allgemeingültigen Therapie-                  ten, um das Risiko von anderen STDs zu senken.
                                           standards);                                                 Je nach Anzahl solcher Kontakte sind auch regel-
                                       – die Viruslast (VL) unter ART liegt seit minde-                mässige Kontrollen und Tests auf andere STDs
                                           stens sechs Monaten unter der Nachweis-                     vorzunehmen. Betroffene sind auf Anzeichen
                                           grenze (d.h., die Virämie ist supprimiert);                 von STD zu sensibilisieren.
                                       – es bestehen keine Infektionen mit anderen                         Den behandelnden Ärztinnen und Ärzten
                                           sexuell übertragbaren Erregern (STD).                       stehen Broschüren* und Websites** zur Verfü-
                                                                                                       gung, und sie werden durch Beratungsstellen der
                                       Das Paar soll in der Beratung erkennen, dass                    Aidshilfen*** unterstützt. Die EKAF empfiehlt
                                       die Adhärenz (Therapietreue) ein gemeinsames                    die aktive Nutzung dieser Ressourcen.
                                       Thema in der Beziehung wird, wenn das Paar
                                       auf weitere Schutzmassnahmen verzichten will.                   Literatur
                                       Ebenso muss das Paar v. a. wegen der Relevanz                    1 Quinn TC, Wawer MJ, Sewankambo N, et al. Viral
                                       von anderen STDs erkennen, dass es Regeln für                      load and heterosexual transmission of human im-
                                       den Umgang mit sexuellen Kontakten ausser-                         munodeficiency virus type 1. Rakai Project Study
                                       halb der festen Beziehung vereinbaren muss.                        Group [see comments]. N Engl J Med. 2000;
                                                                                                          342:921-9.
                                           Heterosexuelle Paare müssen sich zusätzlich
                                                                                                        2 Castilla J, del Romero J, Hernando V, Marincovich B,
                                       mit Kinderwunsch bzw. Empfängnisverhütung
                                                                                                          Garcia S, Rodriguez C. Effectiveness of highly active
                                       auseinandersetzen, wenn auf Schutz durch Prä-                      antiretroviral therapy in reducing heterosexual
                                       servative verzichtet wird. Thematisiert werden                     transmission of HIV. J Acquir Immune Defic Syndr.
                                       sollen                                                             2005;40:96-101.
                                       – mögliche Wechselwirkungen von hormonel-                        3 Melo M, Varella I, Nielsen K, Turella L, Santos B.
                                           len Kontrazeptiva und ART, die zu einer ver-                   Demographic characteristics, sexual transmission
                                                                                                          and CD4 progression among heterosexual HIV-1
                                           minderten Wirksamkeit der Kontrazeptiva                        serodiscordant couples followed in Porto Alegre,
* «HIV-positiv – was tun? Für Men-         führen können;
  schen, die vor kurzem erfahren
                                                                                                          Brazil. 16th International AIDS Conference,
  haben, dass sie HIV-positiv sind».   – potentielle Teratogenität der eingesetzten                       Toronto, 13–18 August 2006. TUPE0430. 2006.
  Bezugsadresse: Aidshilfe Schweiz,        Wirkstoffe; in praxi heisst das: Vermeiden                   4 Barreiro P, del Romero J, Leal M, et al. Natural preg-
  Konradstrasse 20, 8005 Zürich,           von Efavirenz bei Kinderwunsch.                                nancies in HIV-serodiscordant couples receiving
  Tel. 044 447 11 11. Download:                                                                           successful antiretroviral therapy. J Acquir Immune
  www.aids.ch/shop/produkte/                                                                              Defic Syndr. 2006;43:324-6.
  infomaterial/pdf/1048-01.pdf.        Hingegen ist die Insemination mit aufbereitetem
                                                                                                        5 Garcia PM, Kalish LA, Pitt J, et al. Maternal levels
** www.aids.ch.                        Sperma unter wirksamer ART nicht mehr indi-
                                                                                                          of plasma human immunodeficiency virus type 1
*** www.aids.ch/d/adressen/hilfe.      ziert, wenn sie nur erfolgt, um eine HIV-Trans-                    RNA and the risk of perinatal transmission. N Eng
    php.                               mission zu vermeiden.                                              J Med. 1999;431:394-402.

                                       Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2008;89: 5           168
Editores Medicorum Helveticorum
EKAF                                                                      W E I T E R E O R G A N I S AT I O N E N U N D I N S T I T U T I O N E N

                                   6 Rousseau C, Nduati R, Richardson B, et al. Longitu-          16 Cu-Uvin S, Caliendo AM, Reinert S, et al. Effect of
                                     dinal analysis of human immunodeficiency virus                  highly active antiretroviral therapy on cervicovagi-
                                     type 1 RNA in breast milk and of its relationship to            nal HIV-1 RNA. AIDS. 2000;14:415-21.
                                     infant infection and maternal disease. J Infect Dis.
                                                                                                  17 Vettore MV, Schechter M, Melo MF, Boechat LJ,
                                     2003;187:741-7.
                                                                                                     Barroso PF. Genital HIV-1 viral load is correlated
                                   7 Kilewo C, Karlsson K, Massawe A, et al. Prevention              with blood plasma HIV-1 viral load in Brazilian
                                     of mother-to-child transmission of HIV-1 through                women and is reduced by antiretroviral therapy.
                                     breastfeeding by treating mothers prophylactically              J Infect. 2006;52:290-3.
                                     with triple antiretroviral therapy in Dar es Salaam,
                                                                                                  18 Cu-Uvin S, Snyder B, Harwell JI, et al. Association
                                     Tanzania – the MITRA PLUS study. 4th IAS Confe-
                                                                                                     between paired plasma and cervicovaginal lavage
                                     rence, Sydney, July 2007. TUAX 101. 2007.
                                                                                                     fluid HIV-1 RNA levels during 36 months. J Acquir
                                   8 Arendt V. AMATA study: effectiveness of antiretro-              Immune Defic Syndr. 2006;42:584-7.
                                     viral therapy in breastfeeding mothers to prevent
                                                                                                  19 Vernazza PL, Kashuba DM, Cohen MS. Biological
                                     post-natal vertical transmission in Rwanda. 4th IAS
                                                                                                     correlates of sexual transmission of HIV: practical
                                     Conference, Sydney, July 2007. TUAX 102. 2007.
                                                                                                     consequences and potential targets for public
                                   9 Porco TC, Martin JN, Page-Shafer KA, et al. Decline             health. Rev Med Microbiol. 2001;12:131-42.
                                     in HIV infectivity following the introduction of
                                                                                                  20 Neely MN, Benning L, Xu J, et al. Cervical shedding
                                     highly active antiretroviral therapy. AIDS. 2004;
                                                                                                     of HIV-1 RNA among women with low levels of
                                     18:81-8.
                                                                                                     viremia while receiving highly active antiretroviral
                                  10 Yerly S, Vora S, Rizzardi P, et al. Acute HIV infec-            therapy. J Acquir Immune Defic Syndr. 2007;
                                     tion: impact on the spread of HIV and transmission              44:38-42.
                                     of drug resistance. AIDS. 2001;15:2287-92.
                                                                                                  21 Kovacs A, Wasserman SS, Burns D, et al. Deter-
                                  11 Yerly S, Race E, Vora S, et al. HIV drug resistance             minants of HIV-1 shedding in the genital tract of
                                     and molecular epidemiology in patients with                     women. Lancet. 2001;358:1593-601.
                                     primary HIV infection. 8th Conference on Retro-
                                                                                                  22 Nunnari G, Otero M, Dornadula G, et al. Residual
                                     viruses and Opportunistic Infections, Chicago,
                                                                                                     HIV-1 disease in seminal cells of HIV-1-infected
                                     4–8 February 2001. Abstract 754.
                                                                                                     men on suppressive HAART: latency without on-
                                  12 Brenner BG, Roger M, Routy JP, et al. High rates of             going cellular infections. AIDS. 2002;16:39-45.
                                     forward transmission events after acute/early HIV-1
                                                                                                  23 Chakraborty H, Sen P, Pranab K, et al. Viral burden
                                     infection. J Infect Dis. 2007;195:951-9.
                                                                                                     in genital secretions determines male-to-female
                                  13 Chesson HW, Pinkerton SD. Sexually transmitted                  sexual transmission of HIV-1: a probabilistic em-
                                     diseases and the increased risk for HIV transmis-               piric model. AIDS. 2001;15:621-7.
                                     sion: implications for cost-effectiveness analyses
                                                                                                  24 Pilcher CD, Tien HC, Eron JJ, Jr., et al. Brief but
                                     of sexually transmitted disease prevention inter-
                                                                                                     efficient: acute HIV infection and the sexual trans-
                                     ventions. J Acquir Immune Defic Syndr. 2000;
                                                                                                     mission of HIV. J Infect Dis. 2004;189:1785-92.
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                                                                                                  25 Cohen MS, Hoffman IF, Royce RA, et al. Reduction
                                  14 Bernasconi E, Vernazza PL, Bernasconi A, Hirschel B.
                                                                                                     of concentration of HIV-1 in semen after treatment
                                     HIV transmission after suspension of highly active
                                                                                                     of urethritis: implications for prevention of sexual
                                     antiretroviral therapy. J Acquir Immune Defic
                                                                                                     transmission of HIV-1. Lancet. 1997;349:1868-73.
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                                                                                                  26 Sadiq ST, Taylor S, Kaye S, et al. The effects of anti-
                                  15 Vernazza PL, Troiani L, Flepp MJ, Cone RW,
                                                                                                     retroviral therapy on HIV-1 RNA loads in seminal
                                     Schock J, Roth F, et al., and the Swiss HIV Cohort
                                                                                                     plasma in HIV-positive patients with and without
                                     Study. Potent antiretroviral treatment of HIV-
                                                                                                     urethritis. AIDS. 2002;16:219-25.
                                     infection results in suppression of the seminal
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                                  Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2008;89: 5             169
Editores Medicorum Helveticorum
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