Hybride Organisationen - Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management
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X/13 3/17 Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management Hybride Organisationen Identität hybrider Organisationen Typologie sozialer Geschäftsmodelle Vorteile der hybriden Struktur Hybride Strukturen aus Sicht der Beratung L’hybridité : Nouvelle mode ou transformation radicale ? Hybride Mitarbeitersteuerung – Führen und Organisieren kombiniert Weitere Themen: Führen im Ausnahmezustand: Handlungsfähig in Krisen Generation Y – Chance und Herausforderung zugleich
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Editorial Editorial Liebe Förderer, liebe Leserinnen und Leser Das Titelbild dieser Ausgabe zeigt einen Zebroid, eine schöpfung unterscheiden lassen. Durch das Konzept Kreuzung zwischen Zebra und Pferd, also ein Hybrid können Zielkonflikte, die aufgrund der Hybridität in der Tierwelt. Sozialunternehmen entstehen, frühzeitig erkannt und Der Begriff Hybridität bezeichnet die Mischform angegangen werden. Dass sich hybride Strukturen zweier vorher getrennter Systeme. Dabei ist die Über- auch in Sportvereinen durchaus lohnen, erklärt Bern- schneidung das zentrale Element. Teilweise werden hard Heusler am Beispiel des FC Basel 1889. Hybridi- antagonistische Logiken, Systeme oder Denkweisen tät wird sich nicht nur in der Automobilindustrie als zu neuen Handlungs- oder Denkmustern oder Orga- zukunftstaugliche Technik erweisen, lautet die These nisationsformen zusammengesetzt. Aus zwei ur- von David Wahli und Charles Giroud. Sie zeigen im sprünglich gegensätzlichen Polen wird eine neue Ein- Praxisbeitrag auf, dass hybride Strukturen zu mehr heit. Die präsentesten Beispiele für Hybridität sind Flexibilität führen und so der steigenden Komplexität sicherlich die Hybridautos, die komplementär von ei- die Stirn bieten können. Doch nicht nur soziale Unter- nem Elektromotor und einem Verbrennungsmotor an- nehmen profitieren von hybriden Strukturen. Auch getrieben werden. So kann mehr Leistung bei geringe- die traditionellen Sektoren, Wirtschaft, Staat und der rem Energiebedarf erreicht werden. Hybridität scheint Dritte Sektor können sich mit ihrer Hilfe fit für die Zu- eine Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft kunft machen, wie Michaël Gonin argumentiert. zu sein. In diesem Sinne leite ich meine Zeit als Redaktorin Auch in der Welt der Nonprofit-Organisationen ist des VMs ein und möchte das Magazin fit für die Zu- zunehmend Hybridität gefragt, beispielsweise bei kunft machen. An dieser Stelle danke ich meinem Vor- dem Prinzip Social Entrepreneurship – Soziales Unter- gänger, Remo Aeschbacher, für seine ausgezeichnete nehmertum. Sozialunternehmen agieren im Span- Arbeit und spreche ihm meine Hochachtung aus. nungsfeld von Markt und Zivilgesellschaft und verfol- Dank seiner wertvollen Erfahrung und guten Einar- gen dabei sowohl wirtschaftliche als auch soziale beitung bin ich mir sicher, auch zukünftig das VM mit Ziele. wissenschaftlich fundierten und für die Praxis rele- Beginnend mit dem Beitrag von Joy Rosenow- vanten Artikeln gestalten zu können. Auch in Zukunft Gerhard und Andreas Schröer wird in der aktuellen wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre! Ausgabe des VMs ein Modell integrierter hybrider Identität vorgestellt und mit zwei Anwendungsbei- spielen illustriert. Der Beitrag von Karin Kreutzer und Elisabeth Niendorf entwickelt anhand von Beispielen aus verschiedenen Ländern eine Typologie von drei verschiedenen sozialen Geschäftsmodellen und zeigt, dass sich soziale Unternehmen am Grad der Beteili- gung der Leistungsempfänger und der Ressourcenzu- Luisa Wagenhöfer teilung zu ihrer ökonomischen und sozialen Wert- Redaktion VM Verbands-Management 3/2017 3
Inhalt Joy Rosenow-Gerhard und Andreas Schröer Karin Kreutzer und Elisabeth Niendorf Identität hybrider Organisationen – Soziale Geschäftsmodelle – Zwei Fallbeispiele eine Typologie Nonprofit-Organisationen (NPO) stehen in einem In diesem Beitrag entwickeln die Autoren einen kon- starken Spannungsfeld zwischen mehreren Polen. zeptionellen Rahmen für die Unterscheidung von sozi- Dies zeigt sich auch in ihrer Identität. Jeder Pol, z. B. alen Geschäftsmodellen entsprechend ihres Integrati- Zivilgesellschaft oder Markt, unterliegt je seiner eige- onsgrades und darauf aufbauend eine Typologie für nen Logik. Die Autoren greifen ein Modell integrier- Sozialunternehmen. Anhand von zahlreichen Beispie- ter hybrider Identität auf und zeigen anhand von Be- len aus verschiedenen Ländern und Sektoren zeigen sie, obachtungskriterien zwei Anwendungsbeispiele der dass sich soziale Geschäftsmodelle in zwei Parametern Analyse organisationaler Identität. unterscheiden: Einbindung und Ressourcenallokation. 6 13 Bernhard Heusler David Wahli und Charles Giroud «In der hybriden Struktur liegen Hybride Strukturen aus Sicht sehr viele Vorteile» der Beratung Im Jahr 2006 wurde die FC Basel AG gegründet. Seit- Immer mehr Organisationen befinden sich heute mit dem ist die erste Mannschaft des FC Basel 1893 in der ihren Aktivitäten im Spannungsfeld zwischen non- Aktiengesellschaft (AG) ausgegliedert, während der profit und for-profit. Diese Herausforderung bringt Frauenfussball und die Nachwuchsförderung in der Auswirkungen auf die Strukturen mit sich. Es kann Verantwortung des Vereins liegen. Das führt zu ver- daher davon ausgegangen werden, dass die Struktu- schiedenen Herausforderungen für das Neben- und ren von hybriden Elementen geprägt werden. Diese Miteinander der beiden Organisationsformen unter hybriden Strukturen führen zu Spannungen, die posi- dem Dach des FC Basel 1893, wie Bernhard Heusler im tive und negative Auswirkungen für die Organisati- Interview darlegt. on, ihre Auftraggeber und Kunden haben. 22 25 Michaël Gonin Markus Gmür L’hybridité: Nouvelle mode Hybride Mitarbeitersteuerung – ou transformation radicale ? Führen und Organisieren kombiniert Si le 20ᵉ siècle a été le siècle de la spécialisation, ces Aus der Kombination von Führen und Organisieren dernières années semblent être marquées par le retour ergibt sich ein hybrides Steuerungsverständnis. Der de l’hybridité et de la pluridisciplinarité. Que ce soit Beitrag zeigt, ausgehend von einem Aufgabenspekt- au niveau technique, économique ou social, la com- rum der Steuerungsaktivitäten, wie sich Führen und plexité des enjeux actuels exige des approches holis- Organisieren unterscheiden, wie beide Ansätze zu- tiques qu’une séparation stricte des sphères d’activité sammenwirken und wie die Verbandsleitung zu ei- ne permet pas. nem Effizienzoptimum gelangt. Es kommt darauf an, die richtige Kombination von führenden und organi- sierenden Impulsen zu finden. 31 35 4 Verbands-Management 3/2017
Inhalt Ruth Simsa und Martin Gössler Hans Lichtsteiner Führen im Ausnahmezustand: Generation Y – Chance und Handlungsfähig in Krisen Herausforderung zugleich Viele NPO setzen in ihrer Tätigkeit an Situationen der Als Generation Y werden Personen bezeichnet, die im Ungewissheit oder in Krisen an, sie sind oft Meister im Zeitraum von 1980 bis 1999 geboren wurden. Diese Umgang damit. Trotzdem gibt es Situationen, die beson- Generation ist weder besser noch schlechter als ihre ders herausfordernd sind – in denen zum Teil auch an- Eltern, sondern primär einfach anders. Für NPO gilt, dere Regeln gelten. Manche der üblichen Empfehlungen die Bedürfnisse und Erwartungen der Generation Y für gute Führung sind in einer solchen Situation nicht ernst zu nehmen und diese in ihrer Unternehmens- hilfreich, sondern erzeugen eher ein schlechtes Gewis- kultur mit zu berücksichtigen, wollen sie auch künf- sen bei Führungskräften, im Sinn von «ich sollte doch… tig als attraktiver Arbeitgeber gelten. – schaffe es aber nicht». Krisen haben ihre eigene Logik. 42 47 Impressum Redaktion: L. Wagenhöfer & R. Aeschbacher (redaktion@vmi.ch) Layout: L. Wagenhöfer & R. Aeschbacher Paulusdruckerei Freiburg/CH Herausgeber: Verbandsmanagement Institut (VMI) Universität Freiburg/CH Fotomaterial: Thema «Hybride Tiere»: iStockphoto.com Adresse: Verbandsmanagement Institut, Bd de Pérolles 90, CH-1700 Freiburg Tel. +41 (0)26 300 84 00 Fax +41 (0)26 300 97 55 Internet: www.vmi.ch, info@vmi.ch Jahrgang: 43. Jahrgang ISBN: 3-909437-50-8 ISSN: 1424-9189 Buchbesprechung 55 Das VM erscheint dreimal jährlich in den Monaten April, Vorträge, Publikationen und Neuigkeiten 56 August und November. Abdruck und Vervielfältigung von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ab- Agenda 62 schnitten, nur mit Genehmigung des Herausgebers. Verbands-Management 3/2017 5
Schwerpunkt: Hybride Organisationen Forschungsbeitrag Identität hybrider Organisati- onen – Zwei Fallbeispiele Joy Rosenow-Gerhard und Andreas Schröer Nonprofit-Organisationen (NPO) stehen in einem Zur Unterscheidung hybrider Organisa- starken Spannungsfeld zwischen mehreren Polen. tionen anhand ihrer Identität Dies zeigt sich auch in ihrer Identität. Jeder Pol, z. B. Es lassen sich vier grosse Forschungsstränge zu For- Zivilgesellschaft oder Markt, unterliegt je seiner ei- men hybrider Organisationen aufzeigen:4 genen Logik. Die Autoren greifen ein Modell integ- • Enterprising Nonprofits: Viele NPO haben eigene rierter hybrider Identität auf und zeigen anhand von Einkommen generierende Strukturen geschaffen, Beobachtungskriterien zwei Anwendungsbeispiele die nicht zwangsläufig mit ihrer sozialen Mission der Analyse organisationaler Identität. Anhand von verbunden sind, jedoch für die Organisation eine «Dialog im Dunkeln» und «Mission Leben» werden überlebenssichernde Finanzierung bieten. dabei auch die Dynamiken deutlich, denen die NPO • Socially Responsible Businesses / Corporate Social Res- in ihrer Entwicklung unterworfen waren. ponsibility: Hierzu zählen profitorientierte Unter- nehmen, die soziale Bedürfnisse in ihrem Umfeld NPO agieren heute verstärkt marktorientiert. Das liegt wahrnehmen und sich in Aktivitäten einbringen, u. a. an veränderten staatlichen Finanzierungsmodali- von denen eine Community, ihre Stakeholder oder täten für soziale Dienst- und Gesundheitsleistungen. die Öffentlichkeit profitieren. Das Spannungsfeld zwischen sozialer Mission und • Social Entrepreneurship / Social Innovation: Soziale marktorientierten Geschäftsstrategien ist wohl be- Unternehmen, die eine soziale Mission mit Busi- kannt. Daher wächst das öffentliche und fachliche In- nessabsichten erfüllen, werden seit den 1990er Jah- teresse an Organisationen, die sich an der Schnittstelle ren diskutiert. Sozialunternehmen fokussieren auf zwischen (mind.) zwei Sektoren bewegen, diese wer- eine bestimmte Adressatengruppe als Kunden, z. B. den als «hybride Organisationen» bezeichnet.1 Hybri- bedürftige Menschen. Soziale Innovationen lösen dität ist kein neues Phänomen; die theoretische Dis- gesellschaftliche Probleme auf eine neue Art. Oft kussion reicht bis in die 1950er Jahre zurück und steht hier die Gründerfigur des Sozialunterneh- wurde sowohl im Nonprofit- als auch profitorientier- mers⁵ im Vordergrund. ten Bereich geführt.2 Zur genaueren Differenzierung • Hybride Organisationen im Nonprofit-Sektor sind hybrider Organisationen besteht derzeit jedoch eine durch die Kopräsenz differenter Logiken gekenn- Forschungslücke. Erklärbar ist diese v. a. durch die zeichnet, da Hybridität ein konstitutives Merkmal grosse Heterogenität der Organisationstypen und der ist. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld, das als Di- Komplexität des Feldes,3 welche Generalisierungen er- lemma oder Vielfalt untersucht werden kann. Nach schweren. Die aktuelle Forschung geht von einem «so- Evers (2012) ist Hybridität erreicht, wenn Logiken wohl als auch»-Ansatz aus: Hybride gehören sowohl anderer Sektoren einen signifikanten Einfluss auf zum Markt als auch zur Zivilgesellschaft, wobei die die Identität des Ursprungssektors der Organisati- Qualität dieser Beziehungen unterbestimmt bleibt. Ei- on haben. Aber wann ist der Einfluss signifikant? nen Vorschlag zum Modus der Integration von Markt- Hier lohnt der Blick auf das Konzept der «organisa- und Zivilgesellschaft durch hybride Organisationen tionalen Identität». Albert und Whetten definieren haben Jäger und Schröer (2014) vorgelegt (s. u.); des- organisationale Identität als die Eigenschaften einer sen konkrete Anwendung wird Ihnen in diesem Arti- Organisation, die ihre Mitglieder als vordergründig kel an zwei Fallbeispielen gezeigt, dem «Dialog im zentralen, unverwechselbaren und dauerhaften Dunkeln» und der «Mission Leben». Charakter beschreiben und welche ausserdem de- 6 Verbands-Management 3/2017
Schwerpunkt: Hybride Organisationen Felder hybrider organisationaler Identität Zivilgesellschaftliche Marktliche Identität Hybride Identität Identität Identifikation der Mitglieder wollen eine Mitglieder wollen eine Mitglieder wollen zu Individuen mit der Funktion erfüllen, die im sinnvolle Arbeit ausführen einem übergeordneten Identitätsdimensionen Organisation Eigeninteresse handelt kollektiven Ziel beitragen Organisationale Strukturen, die das Marktliche Strukturen, Strukturen sind abhängig Strukturen sind organisationale als rationale Netzwerke, davon, wie wertvoll eingebettet in soziale Geschehen beein- die zur Zielerreichung genutzt gemeinschaftliche Solidari- Netzwerke flussen werden tät für die Gesellschaft ist Praktiken der Mobilisierung/ Praktiken des Austauschs Praktiken der Akteure, Praktiken der Akquisition von Ressourcen von Solidarität und dem Gemeinwohl Führungskräfte (Ehrenamtliche, Sponsoren, finanziellen/nicht-finanziel- zu dienen Spenden usw.) len Ressourcen Tabelle: Entstehungsgründe und Spannungsfelder der Hybridisierung4 ren Identifikation mit dieser Organisation beein- tität aus, die die Zivilgesellschaft und die Märkte flussen.6 Die Forschungslandschaft kann grob in systematisch integriert, sie ersetzen die kommunale drei Ströme kategorisiert werden. Während indivi- Solidarität mit finanziellen und nicht-finanziellen duelle Ansätze z. B. die Identifikation von Organi- Ressourcen, kalkulieren den Marktwert der Solida- sationsmitgliedern mit den diversen Identitäten rität der Gemeinschaft und tauschen diese Solidari- untersuchen, analysieren andere Studien wie Ma- tät gegen finanzielle und nicht-finanzielle Ressour- nager (in)direkt Einfluss nehmen. Aus strukturalis- cen ein. Mit anderen Worten: Sie schaffen eine tischer Perspektive ist Identität eine zielgerichtete funktionale Solidarität.10 stabile Struktur, welche organisationale Events und Managementpraxis beeinflusst. Studien untersu- Anhand welcher Kriterien kann nun die Identität hyb- chen z. B. kulturelle Werte, organisationale Ge- rider Organisationen untersucht werden um zu einer schichten oder den Gebrauch von Sprache. Praxis- systematischen Unterscheidung zu gelangen? Jäger theoretisch fundierte Ansätze betrachten Identität und Schröer (2014) benennen die folgenden Kriterien als diskursive Praxis u. a. zur «Herstellung von anhand dreier Identitätsdimensionen (vgl. Tabelle). Welt»7, welche die Struktur erneut durch Handlung Im Folgenden zeigen wir zwei Fallbeispiele zur reproduziert und damit verfestigt8. Pratt und Fore- Veranschaulichung. man (2000) argumentieren, dass Organisationen mit mehreren Identitäten unterschiedliche Verständnis- Analyse «Dialog im Dunkeln» se davon besitzen, was für sie zentral, unverwech- Andreas Heinecke gründete 1989 eine Ausstellung mit selbar und dauerhaft ist.9 Im Fall multipler Identitä- dem Namen «Dialog im Dunkeln» (DID), nachdem er ten bleiben diese unverbunden nebeneinander durch einen blinden Kollegen einige Jahre zuvor mit stehen. Mit Jäger und Schröer (2014) definieren wir seinen eigenen Vorurteilen gegenüber blinden Men- eine Organisation als hybrid, wenn alle Identitätsdi- schen konfrontiert worden war. Bereits die erste Aus- mensionen (Identität der Organisationsmitglieder, stellung war ein voller Erfolg, und im Laufe einer be- -strukturen, Praktiken) ihren Ursprung in unter- wegten Unternehmensgeschichte sind bis heute schiedlichen Umwelten haben (Zivilgesellschaften, zahlreiche Ausstellungen in völliger Dunkelheit in Märkte), welche die organisationale Verfasstheit 32 Ländern erlebbar gewesen bzw. weiterhin in elf und ihre Kultur und somit auch den Kern signifi- dauerhaften Ausstellung zu sehen. Das Besondere: In kant beeinflussen. Sie gehen davon aus, dass Hybri- den Ausstellungen sind blinde Menschen als Muse- de systematisch ihre Identitäten integrieren. Dies umsführer beschäftigt. Blinde sind Experten, und oft führt zu folgender Definition: Hybride Organisatio- verhilft ihnen diese Tätigkeit zu einem Übergang in nen zeichnen sich durch eine organisatorische Iden- den ersten Arbeitsmarkt. Bis heute haben rund 8 Mio. Verbands-Management 3/2017 7
Schwerpunkt: Hybride Organisationen Besucher den Perspektivenwechsel zwischen Blinden auch der positive Einfluss auf die Guides und die Soli- und Sehenden erlebt. Das Social-Franchise-Unterneh- darität der Besucher ist belegbar: Während die Guides men ist mit zahlreichen Awards ausgezeichnet wor- neben einer besseren sozialen Inklusion und ökonomi- den. 2014 wurde das Grundkonzept übertragen auf schen Lage auch eine positive Einstellung und Kom- den «Dialog im Stillen», der Einblicke in die Sprach- petenzerweiterung benannten, gaben 80 % der befrag- kultur gehörloser Menschen ermöglicht, sowie den ten Besucher noch fünf Jahre nach ihrem Besuch an, «Dialog mit der Zeit», eine Ausstellung, die sich mit nun mehr über Blindheit zu wissen. 58 % gaben an, dem Altern beschäftigt.11 Darüber hinaus wurde die dass sich ihre Einstellung gegenüber Sehbehinderun- Produktpalette mit Businessworkshops erweitert, z. B. gen geändert habe.13 zu Teamentwicklung oder Kommunikation. 201612 waren in 32 Ausstellungen und 10 Workshopcentern Marktliche Identität weltweit 702 hör- und sehbehinderte bzw. ältere Mit- Auf Ebene der Mitarbeitenden hat der DID eine arbeiter beschäftigt, die mehr als 860 000 Besuchern marktliche Lücke gefüllt, denn nur 30 % der rund die Ausstellungen und Workshops ermöglichten. 500 000 sehbehinderten oder blinden Menschen hatte Die Abbildung zeigt sowohl die Orientierung im in den 1990er Jahren eine Anstellung. Das Unterneh- Hinblick auf eine marktliche bzw. zivilgesellschaftli- men ist enorm gewachsen: Von zwei Ausstellungen che Identität, sowie die Verortung und Veränderung in 1988 hin zu allein 17 in 1995. Bereits zwei Jahre der im Folgenden erläuterten Beispiele. nach der NPO-Gründung 1996 erhielt Heinecke den ersten von vielen renommierten Awards. Auf der Zivilgesellschaftliche Identität Ebene der Praktiken ist insbesondere der Finanzie- Heinecke wollte in den 1980er Jahren gesellschaftli- rungsmix interessant: Eintrittsgelder, private und chen Wandel anstossen, hin zu einer positiveren Hal- Unternehmensspenden, Investoren, Verbände, staat- tung gegenüber Menschen, die anders sind, indem liche Hilfen oder lokale Förderstrukturen (z. B. zur ihre Stärken und Kompetenzen hervorgehoben wer- Schaffung von Arbeitsplätzen für erwerbstätige Men- den. Die Strukturen sind bereits von Beginn an in sozi- schen mit Behinderung in der Region) ergänzen sich. ale Netzwerke aus Nonprofit, Kunst und Wirtschafts- Die Variabilität der Ausstellungen ist attraktiv für welt eingebettet gewesen. Nicht nur Heineckes eigene Aussteller und Förderer, sodass DID z. B. in lokalen Solidarität gegenüber Blinden wurde geweckt, denn Corporate Social Responsibility-Kampagnen (CSR) Marktliche Identität schwach stark Mission Leben stark a) Enterprising Nonprofit d) Hybrid Organization Zivilgesell- schaftliche Identität schwach c) Social Innovation b) CSR Abbildung: Entstehungsgründe und Spannungsfelder der Hybridisierung4 8 Verbands-Management 3/2017
Schwerpunkt: Hybride Organisationen gefördert wurde oder Partnerunternehmen ihre Bera- Zurück-geworfen-sein auf die eigene Orientierungslo- tungsleistung pro bono zur Verfügung stellten. sigkeit, und der Druck, sich jemand völlig Fremdem anzuvertrauen, weckt eine enorme Solidarität bei den Hybride Identität Besuchern. Zwischen den Polen Zivilgesellschaft und Markt hat Heinecke kreierte eine Hybridstrategie und fand die Dialog-Familie eine hybride integrierte Identität unterschiedliche Partnerschaftsformate mit For-Profit- mit einem hohen Mass an funktionaler Solidarität ge- Unternehmen: Die Zusammenarbeit mit einem der schaffen. Heinecke hat mit dem DID eine für ihn sinn- grössten Messeveranstalter in den USA erleichterte für volle Arbeit angestossen. Er selbst, promovierter His- einige Jahre Produktion, Vermarktung und Logistik toriker mit Ausbildung zum Journalist, war beruflich neuer Ausstellungen. In Zusammenarbeit mit einem auch zuvor im sozialen Kontext bei einer klassischen internationalen Zeitarbeitskonzern wurden Menschen NPO tätig. Bei seinen eigenen Unternehmen trieben vor Ort rekrutiert und trainiert sowie (bei befristeten ihn zwei Ziele an: Die Veränderung der gesellschaftli- Ausstellungen) in der anschliessenden Jobsuche un- chen Perspektive auf Behinderung und Anderssein und terstützt. In Zusammenarbeit mit einem grossen inter- die (messbare) Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Hyb- nationalen Investmentkonzern werden gemeinsam ridität zeigt sich hier also auch in der Gründerperson. Trainingscenter betrieben, die die Dunkelheit bzw. Blindheit wird zum Einstellungskriterium für Mu- Stille für Führungskräfteseminare nutzen. seumsguides. Ihre Behinderung ist nicht länger Grund Schon früh war das Potenzial dieses Sozialunter- für Diskriminierung, aus dem Defizit wird ein Vorteil. nehmens sichtbar, sodass einige grundlegende Ent- Solidarität ist ein konstitutiver Bestandteil des dritten scheidungen dazu führten, das Produkt Ausstellung Sektors und wirkt im Fall des Dialogs auf zwei Ebenen: zu «dematerialisieren» und das Konzept als solches an Solidarität manifestiert sich in Organisationen über ge- globale Franchisenehmer zu verkaufen, die dasselbe meinsame Erinnerungen und Überzeugungen – sowohl Ziel der sozialen Inklusion verfolgen. Social Franchi- bei Mitarbeitern des DID als auch bei Besuchern. sing wurde zum Hauptgeschäftsmodell. Das überge- Auf Ebene der Struktur ist die Veränderung der ordnete Unternehmen Dialogue Social Enterprise un- Rechtsform auffällig: Begonnen hat Heinecke die Aus- terstützt seine Franchisenehmer im Aufbau und stellungsprojekte in Teilzeit, bevor er 1995 ein Unter- kontrolliert diese im Folgenden, um den hohen Quali- nehmen gegründet hat. Seit 2000 wurde DID als ge- tätsstandard der Marke und die Einhaltung des Code meinnützige NPO betrieben. Aufgrund des hohen of Conduct sicherzustellen. bürokratischen Aufwands feilte Heinecke an einem Im DID ist von Anfang an neben der starken zivil- Konzept aus NPO und For-Profit-Organisation, indem gesellschaftlichen Orientierung gleichermassen durch er in den diversen GmbHs beteiligt war, die z. B. die viele unternehmerische Entscheidungen die marktli- Permanentausstellungen managen. Beratung und che Orientierung sichtbar. Business-Workshops liefen weiter über die eigene Ein- Personen-GmbH, und der Verein DID vertrat weiter- Analyse «Mission Leben» hin die gemeinnützigen Aspekte der Dialog-Familie. Die Mission Leben gGmbH ist als diakonisches Dienst- Weil ihm dieses Konstrukt zu eng wurde, gründete er leistungsunternehmen mit ca. 1800 hauptamtlichen mit Vertrauten Dialogue Social Enterprise in 2008, das Mitarbeitern und ca. 500 Ehrenamtlichen in 40 Ein- auch heute Franchisegeber ist. Hier zeigt sich das Zwi- richtungen an 19 Standorten tätig und betreut etwa schenstadium der Hybriden bzw. deren hohe Fluidität. 6000 Menschen. Die Angebote umfassen Wohnen und Auf Ebene der Praktiken ist die Einbindung in den Pflege im Alter und ambulante Betreuung von Senio- Arbeitsmarkt und der «Verkauf von Solidarität» mass- ren, Soziale Arbeit mit Hilfen für Menschen in sozialen geblich. Blinde Menschen sammeln als Museumsgui- Notlagen, Kinder- und Jugendhilfe sowie Hilfe für de Arbeitsmarkterfahrung. Übergänge in andere Tä- Menschen mit Behinderung und Berufliche Bildung in tigkeitsfelder werden unterstützt, z. B. als Trainer in einer Schule für Alten- und Heilerziehungspflege. Workshops, Beratung oder im Management. Der Aus- Die Mission Leben geht als ehemaliger Hessischer stellungsbesuch führt für Sehende zu einem massiven Landesverein für Innere Mission auf Einrichtungen Verbands-Management 3/2017 9
Schwerpunkt: Hybride Organisationen zurück, die bereits 1849 gegründet wurden. Der heuti- hauptamtliche Mitarbeitende in Sozial- und Gesund- ge Sprecher der Geschäftsführung, Dr. Klaus Bartl heitsberufen überwiegen, der Sprecher der Geschäfts- kam im Jahr 2002 als Vorsitzender des Vorstands in führung Pfarrer ist und die Mitarbeitenden, insbeson- das Unternehmen und begann einen Umstrukturie- dere aber leitende, Mitglied einer Kirche der rungsprozess eines gemeinnützigen Trägervereins in Arbeitsgemeinschaft Christliche Kirchen sind. Struk- ein auf dem Sozialmarkt agierendes Sozialunterneh- turbildend wirkt der gemeinnützige Auftrag der Or- men mit einer klaren Unternehmensstruktur, einer ganisation: «Wir handeln im christlichen Auftrag als Stärkung des Managements und einem veränderten ein diakonisches Unternehmen. Unser Handeln gilt Unternehmensziel. Menschen in schwierigen Lebenslagen und orientiert Die verschiedenen Geschäftsbereiche der Mission sich an deren Bedürfnissen. Wir fördern Selbstbestim- Leben haben je andere Finanzierungsstrukturen. Der mung, stiften Beziehungen und leisten Beistand. Wir grösste Bereich, die stationäre Altenhilfe, refinanziert arbeiten wirksam und wahrhaftig.»15 Auch die Leitsät- sich aus Mitteln der Pflegeversicherung, geregelt nach ze des, als gemeinnützig anerkannten, Unternehmens den staatliche Vorgaben von Versicherungsleistungen reflektieren die Ausrichtung an gesellschaftlicher Soli- und -kosten im Elften Sozialgesetzbuch. Dabei über- darität und Hilfeleistung. nimmt die Pflegekasse die Absicherung einer Grund- leistung für einen fixen, gesetzlich geregelten Beitrag. Marktliche Identität Die Pflegekasse zahlt diese Grundleistung direkt an Allerdings führen die Refinanzierungsbedingungen, das Heim, die jedoch nicht komplett kostendeckend der Anbieterwettbewerb um Kunden und Fachkräfte ist, sodass der Versicherte zusätzlich einen Eigenbei- und die Notwendigkeiten ein grösseres Sozialunter- trag an das Heim leisten muss. Die Gesamtvergütung nehmen zu steuern auch zu einer Ausrichtung am des Heimes für einen Pflegebedürftigen richtet sich Markt. Dies zeigt sich auf Mitarbeiterebene in der Re- jedoch nach den Pflegesätzen, die individuell zwi- krutierung von Angestellten im mittleren Manage- schen Pflegekassen und Heimen verhandelt werden. ment aus der freien Wirtschaft. Die Aufbauorganisati- Das Finanzierungsbeispiel zeigt einerseits die Abhän- on wurde einer Konzernstruktur angepasst, in den gigkeit der Finanzierung von staatlichen Regelungen Einrichtungen wurden Leistungsbereiche mit eigenem und andererseits die Notwendigkeit, als Anbieter im Management unterstellt, und die zentrale Verwaltung Wettbewerb zu agieren, der jedoch auf einem Quasi- des Gesamtkonzerns wurde gestärkt. Auf Ebene der markt stattfindet, in den der Staat regulierend ein- Praktiken wurde die Veröffentlichung eines jährlichen greift. Diese Refinanzierungsstruktur führt dazu, dass Geschäftsberichtes beschlossen, ein strategischer Pla- sich soziale Dienstleister in ihrer Leistungserbringung nungsprozesses implementiert und an die operative überwiegend an staatlichen Finanzierungsmöglich- Planung rückgebunden, sowie Projekt-, Qualitäts- und keiten und weniger an konkreten Bedarfen im Ge- Personalentwicklungspraktiken eingeführt. meinwesen orientieren. Dies widerspricht aus Sicht der Geschäftsführung jedoch dem ursprünglichen Hybride Identität Auftrag eines diakonischen Trägers dort zu helfen, wo Die Integration von zivilgesellschaftlicher und marktli- Not herrscht (und nicht dort, wo finanziert wird). Um cher Identität offenbaren zunächst zentrale Akteure. So sich diesem ursprünglichen Auftrag wieder zu nähern, ist der Sprecher der Geschäftsführung zwar Pfarrer, hat gründete die Mission Leben zunächst in Kooperation aber einige Jahre Berufserfahrung in einer international mit der Ev. Hochschule Darmstadt ein Intraperneur- agierenden Unternehmensberatung. Diakonischer Auf- ship-Labor, um Bedarfe im Gemeinwesen zu identifi- trag und wirtschaftliches Handeln sollen in Einklang zieren und Geschäftsmodelle für neue Dienstleis- gebracht werden, um möglichst wirksam, wirtschaft- tungsangebote zu entwickeln.14 lich erfolgreich und ressourcenschonend die zivilge- sellschaftlichen Unternehmensziele zu erreichen. Auf Zivilgesellschaftliche Identität der strukturellen Ebene soll durch die Einrichtung eines Als diakonisches Unternehmen hat die Mission Leben Innovationslabors (LaDU, INTRALAB)16 die Entwick- zunächst eine zivilgesellschaftliche Identität, in der lung von markt- und tragfähigen Geschäftsmodellen 10 Verbands-Management 3/2017
Schwerpunkt: Hybride Organisationen für sozial innovative Dienstleistungen ermöglicht gen in den Sektoren und im anderen Fall (Dialog) auf- werden, die durch Mitarbeiter des Unternehmens er- grund unternehmerischen Handelns. Die Hybridität arbeitet werden. Hier sollen also Bedarfsorientierung der organisationalen Identität zeigt demnach sowohl (diakonischer Auftrag) und unternehmerisches Han- die Wechselwirkung mit der Umwelt als auch die Not- deln explizit integriert werden. wendigkeit für organisationales Lernen. Sicherlich be- Die Mission Leben ist wie viele andere gemeinnüt- darf es hier sehr differenzierter Handlungsempfeh- zige soziale Dienstleistungsorganisationen zunächst lungen für das Management, je nach unterschiedlicher eine «Enterprising Nonprofit Organisation» (vgl. Abb.) Ausgestaltung der Hybridität. Aus unserer Sicht führt mit starker Bindung an ihren zivilgesellschaftlichen der Weg dorthin über eine praxeologische Forschung, Identitätskern (diakonischen Auftrag, Anbindung an denn hier können sowohl Individuen als auch institu- grossen Wohlfahrtsverband Diakonie Hessen) und tionelle Umwelten konsequent einbezogen werden, schwächer ausgeprägter marktlicher Identität. Aller- um das Phänomen Führung in hybriden Organisatio- dings interpretiert die Geschäftsführung das Agieren nen zu untersuchen. auf staatlich regulierten Märkten mit einer staatlich ge- regelten Refinanzierung als limitierend, gerade auch in Fussnoten Hinblick auf ihre Möglichkeit neue, bedarfsgerechte 1 Evers, 2012. soziale Dienstleistungen, also innovative Formen funk- 2 Folgenden wenn nicht anders angegeben: Jäger & Schröer, 2014. tionaler Solidarität zu entwickeln. Daraufhin be- 3 Anheier, 2005, S. 229. schliesst das Management eine Stärkung der organisa- 4 Jäger & Schröer, 2014. tionalen Innovationskraft und eine Betonung 5 Selbstverständlich gelten im Folgenden beide Geschlechter glei- unternehmerischen Handelns durch die Einrichtung chermassen. eines Innovationslabors, das sich primär an Intrapre- 6 Albert & Whetten, 1985. neure richtet. Die Einrichtung des Labors trägt zu einer 7 Weick, 1980. hybriden organisationalen Identität bei, in dem sozial- 8 Giddens, 1984. unternehmerische Individuen gestärkt werden, aber 9 Pratt & Foreman, 2000. auch Strukturen etabliert und Praktiken institutionali- 10 Eig. Übers. n. Jäger & Schröer, 2014, S. 1285. siert werden, die innovative Modelle funktionaler Soli- darität ermöglichen: Geschäftsmodelle für sozialunter- 11 http://www.dialogue-se.com/ (26.09.2017); Schröer 2015. nehmerische Dienstleistungen. 12 Zahlen bezogen auf Gesamtunternehmen Dialogue Social Enter- prise. 13 Schröer, 2015, S. 150f. Fazit 14 Schröer & Händel, 2016. Die beiden Beispiele zeigen die Dynamik der Entwick- lung: Die Hybridität ist fluide; die Ausgestaltung hyb- 15 Mission Leben, 2017. rider Identität verändert sich im einen Fall (Diakonie) 16 Siehe auch https://intra-lab.de/ladu/ (besucht am 27.09.2017) aufgrund der unterschiedlichen Umweltanforderun- 17 Schröer & Jäger, 2016. Verbands-Management 3/2017 11
Schwerpunkt: Hybride Organisationen Mission Leben (2017). Jahresbericht 2016/2017. URL: https://www. Literatur mission-leben.de/fileadmin/redaktion/public/pdf/Jahresberich- Anheier, H.K. (2005). Nonprofit organizations. Theory, management, te/ML_Jahresbericht_2016_scr.pdf (28.09.2017). policy. London: Routledge. Pratt, M. G. & Foreman, P. O. (2000). Classifying managerial res- Evers, A. (2012). Hybridisation in German public services. A con- ponses to multiple organizational identities. Academy of Manage- tested field of innovation. In: Zimmer, A. (Hrsg.), Civil Societies ment Journal, 25(1), S. 18-42. Compared: Germany and The Netherlands (S. 197-216). Baden-Ba- Schröer, A. (2015). Dialogue in the Dark. Mainstreaming Blind den: Nomos. People in Germany. In: Cnaan, A. & Vinokur-Kaplan, D. (Hrsg.), Giddens, A. (1984). The construction of society. Berkeley: Universi- Cases of Innovative Nonprofit (S.141-153). Los Angeles: Sage. ty of California Press. Schröer, A. & Jäger, U. (2015). Beyond Balancing? A Research Jäger, U. & Schröer, A. (2014). Integrated organizational identity: Agenda on Leadership in Hybrid Organizations. International A definition of hybrid organizations and a research agenda. VO- Studies of Management & Organization, 45(3), S. 259-281. LUNTAS: International Journal of Voluntary and Nonprofit Organi- Weick, K.E. (1980). The social psychology of organizing. Boston: zations, 25(5), S. 1281-1306. Mcgraw-Hill. Die Autoren Joy Rosenow / joy.rosenow-gerhard@uni-trier.de Joy Rosenow-Gerhard ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Trier. Nach Berufserfahrung in Strategie- und Managementberatung war sie wissenschaftliche Mitar- beiterin an der Universität Marburg. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Organisati- onsberatung und Führungsforschung. Andreas Schröer / schroeer@uni-trier.de Andreas Schröer ist Professor für Organisationspädagogik an der Universität Trier. Zuvor war er u. a. Professor für Nonprofit-Management an der Ev. Hochschule Darmstadt und Direktor des Instituts für Zukunftsfragen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft in Darm- stadt. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in den Bereichen Social Intrapreneurship, Inno- vationslabore und Leadership in organisationalen Lernprozessen. Er ist Mitinitiator des Labors für Diakonisches Unternehmertum und wissenschaftlicher Partner des INTRALAB. NonproCons Neue Wege für Nonprofit-Organisationen Wir sind für alle Nonprofit-Organisationen ein kompetenter und vertrauensvoller Partner in den zentralen Fragen des Managements einer Organisation – von der Gründung bis zur Liquidation und von der Strategie bis zum Reglement. Unsere Schwerpunkte im NPO-Management: • Gründung und Restrukturierung von Stiftungen und Vereinen • Leitbild- und Strategieentwicklung (Strategische Planung) • Ausarbeitung von Stiftungs- und Vereinsstrukturen sowie von Geschäftsreglementen, Prozessorganisation • Führen von Sekretariaten von Stiftungen und Vereinen, inkl. krauss & wintterlin Rechnungsführung • Liquidationen • Moderation von Sitzungen und Versammlungen Stiftungs- und Vereinsmanagement NonproCons AG Fundraising Rittergasse 35 • 4051 Basel 12 Telefon +41 613/2017 Verbands-Management 278 93 93 NPO-Finanzmanagement www.nonprocons.ch
Schwerpunkt: Hybride Organisationen Forschungsbeitrag Soziale Geschäftsmodelle – eine Typologie Karin Kreutzer und Elisabeth Niendorf In diesem Beitrag entwickeln wir einen konzeptio- tenzial für mögliche Konflikte und organisationale nellen Rahmen für die Unterscheidung von sozialen Spannungen⁵, die eine Organisation lähmen⁶ und da- Geschäftsmodellen entsprechend ihres Integrations- mit das Ergebnis und die Performanz der Unterneh- grades und darauf aufbauend eine Typologie für So- mung negativ beeinflussen können⁷. zialunternehmen. Wir unterscheiden zwischen inte- Battilana und Lee (2014) gehen davon aus, dass grierten, teilweise-integrierten und differenzierten der Grad möglicher Spannungen vom Integrations- sozialen Geschäftsmodellen. Anhand von zahlrei- grad eines sozialen Geschäftsmodells beeinflusst wird. chen Beispielen aus verschiedenen Ländern und Die Autoren definieren den Integrationsgrad eines so- Sektoren zeigen wir, dass sich soziale Geschäftsmo- zialen Geschäftsmodells als das «Ausmass zu dem er- delle in zwei Parametern unterscheiden: dem Grad werbswirtschaftliche und soziale Ziele durch ein ge- der Beteiligung der Leistungsempfänger und der meinsames oder durch separate Aktivitäten-Bündel Ressourcenzuteilung zu ihrer ökonomischen und so- erreicht werden»⁸. Die Autoren argumentieren, dass zialen Wertschöpfung. ein hoher Integrationsgrad sich positiv auf reibungslo- se Prozesse und Geschäftsabläufe auswirkt. Bisher In den letzten Jahren haben Sozialunternehmen so- wurde der Integrationsgrad sozialer Geschäftsmodel- wohl in der öffentlichen Debatte, als auch in der wis- le nur unzureichend erforscht⁹. Bisher wissen wir senschaftlichen Auseinandersetzung an Bedeutung nicht, wie die Integration von sozialen und wirtschaft- gewonnen¹. Einige dieser Organisationen verfolgen lichen Praktiken erreicht wird¹⁰ und wie integrierte soziale und wirtschaftliche Aktivitäten gleicherma- Modelle genau aussehen. Was sind Kriterien für die ssen – als ein Sozialunternehmen. Sozialunternehmen Unterscheidung von integrierten und differenzierten tragen sich typischerweise finanziell selbst; sie errei- Geschäftsmodellen? chen ihre sozialen Zielsetzungen ohne auf Spenden Wir widmen uns der Konzeptualisierung von in- oder Finanzierungsbeiträge der öffentlichen Hand an- tegrierten versus differenzierten sozialen Geschäfts- gewiesen zu sein². Einige dieser Unternehmen haben modellen und leiten theoretisch ab, wie der Integrati- Menschen am unteren Ende der Einkommenspyrami- onsgrad die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von de in Schwellenländern als Zielgruppe, der sogenann- organisationalen Spannungen und Widersprüchen in ten ‚Base of the Pyramid‘ (BOP)³ ; andere operieren in sozialen Geschäftsmodellen beeinflusst. Wir führen il- industrialisierten Ländern. Ein bekanntes Beispiel ist lustrative Beispiele für unsere Konzeptualisierung an die Grameen Bank, die Mikrofinanzinstitution, für die und wenden diese für eine weltweite Auswahl von der Gründer Muhammad Yunus aus Bangladesch 70 sozialen Geschäftsmodellen an, die sich finanziell 2006 den Friedensnobelpreis gewonnen hat. selbst tragen. Unsere Arbeit bereichert die Social Ent- Die bestehende Literatur hat auf mögliche Kon- repreneurship-Literatur um ein Konzept zum Bestim- flikte und Spannungen hingewiesen, die wegen der men des Integrationsgrades von sozialen Geschäfts- Hybridität von Sozialunternehmen auftreten können⁴. modellen basierend auf zwei Parametern: zum einen Da es kein einfaches Entscheidungskriterium für Sozi- der Grad der Einbeziehung der Begünstigten in die alunternehmen im Hinblick auf die Ressourcenalloka- Wertschöpfung und zum anderen die Ressourcenallo- tion gibt, und sowohl die Angestellten als auch die kation für die erwerbswirtschaftliche Wertschöpfung Investoren verschiedene Hintergründe (sozialorien- und die soziale Wertschaffung. Das vorgeschlagene tiert versus gewinnorientiert) haben, besteht viel Po- Konzept kann Praktikern helfen, das eigene Geschäfts- Verbands-Management 3/2017 13
Schwerpunkt: Hybride Organisationen modell zu reflektieren, mögliche Zielkonflikte frühzei- Der Einbindungsgrad der Leistungsempfänger ist not- tig mitzudenken und diesen möglicherweise strate- wendig für die Bestimmung des Integrationsgrades gisch zu begegnen. von sozialen Geschäftsmodellen, aber nicht hinrei- chend für alle Arten von Sozialunternehmen. Insbe- Typologie sozialer Geschäftsmodelle sondere im Hinblick auf soziale Geschäftsmodelle, bei basierend auf deren Integrationsgrad denen der Leistungsempfänger als Arbeitnehmer in Die betriebswirtschaftliche Literatur zu Geschäftsmo- Prozesse der Wertschöpfung eingebunden ist, ist ein dellen ist in den letzten Jahren stark angewachsen¹¹ weiterer Parameter notwendig. und definiert ein Geschäftsmodell als zusammenhän- Zweitens schlagen wir die Ressourcenallokation gende Aktivitäten, die sozialen und/oder ökonomi- für soziale und erwerbswirtschaftliche Wertschöpfung schen Mehrwert schaffen und auf einen bestimmten als weiteren Parameter vor. Die verschiedenen Arten Bedarf gerichtet sind¹². Laut Teece (2010), beschreibt von Ressourcen werden entsprechend der Theorie des ein Geschäftsmodell die Art und Weise mit der ein Un- Resource Based Views, grob eingeteilt in physisches, ternehmen «Werte für den Kunden schafft, den Kun- humanes und organisatorisches Kapital16 17. Der Ein- den dazu bringt für diese Werte zu bezahlen und diese fachheit halber konzentrieren wir uns in unserer Her- Bezahlung in Gewinne verwandelt»¹³. Für Abdelka- leitung auf finanzielle und personelle Ressourcen fi (2012) ist das Geschäftsmodell die Ebene zwischen (Humankapital), wobei die personellen Ressourcen Strategie und Geschäftstätigkeit, wobei sich die Ge- sowohl die eingesetzte Zeit als auch das Qualifizie- schäftstätigkeit auf die täglichen Arbeitsprozesse be- rungsniveau des Personals einschliessen. Die Allokati- zieht und das Geschäftsmodell eine Abstraktion des- onsentscheidungen von finanziellen und personellen sen ist. Ressourcen dienen als Indikator für den Integrations- Soziale Geschäftsmodelle werden in der Literatur grad eines sozialen Geschäftsmodells. Wir unterschei- als solche beschrieben, die eine einheitliche Strategie den zwischen drei Szenarien: verfolgen um gleichzeitig zur sozialen und erwerbs- 1. Ressourcen, die für die soziale Wertschöpfung (SWS) wirtschaftlichen Wertschöpfung der Unternehmung und die erwerbswirtschaftliche Wertschöpfung (EWS) beizutragen¹⁴, was auch als gemischte Wertschöpfung eingesetzt werden, sind identisch. bezeichnet wird¹⁵. Folglich verbinden soziale Ge- 2. Ressourcen, die für die SWS und die EWS einge- schäftsmodelle die Aktivitäten zur Erreichung sozialer setzt werden, unterscheiden sich, überlappen aber und erwerbswirtschaftlicher Ziele miteinander. teilweise. Abgeleitet aus der Management Literatur zu Ge- 3. Für die SWS und EWS werden jeweils separate Res- schäftsmodellen, fokussieren wir auf die Analyseebe- sourcen eingesetzt (siehe Abbildung). ne der Organisation und schlagen zwei Parameter für die Bestimmung des Integrationsgrades von sozialen Wir gehen davon aus, dass der Integrationsgrad eines Geschäftsmodellen vor: der Einbindungsgrad der sozialen Geschäftsmodells umso höher ist, je mehr die Leistungsempfänger sowie die Ressourcenallokation eingesetzten Ressourcen überlappen. Wir bezeichnen für die soziale und die erwerbswirtschaftliche Wert- soziale Geschäftsmodelle, bei denen die finanziellen schöpfung. und personellen Ressourcen gleichzeitig zur sozialen Erstens, angelehnt an Ebrahim et al. (2014) und und erwerbswirtschaftlichen Wertschöpfung beitra- Fosfuri et al. (2016), unterscheiden wir für die Bestim- gen, als integriert. Soziale Geschäftsmodelle, bei denen mung des Einbindungsgrades der Leistungsempfän- finanzielle und personelle Ressourcen separat zur ger folgende Art der Einbindung: SWS und EWS beitragen, bezeichnen wir als differen- 1. Leistungsempfänger als Kunden; ziert. In manchen sozialen Geschäftsmodellen finden 2. Leistungsempfänger, die als Arbeitnehmer in die wir beides, sowohl Ressourcen, die gleichzeitig für die Wertschöpfung eingebunden sind; SWS und die EWS eingesetzt werden, als auch Res- 3. Leistungsempfänger als Zulieferer; sourcen, die entweder zur SWS oder zur EWS beitra- 4. Leistungsempfänger, die nicht in die Wertschöp- gen. Diese Art von sozialen Geschäftsmodellen be- fung eingebunden sind. zeichnen wir als teilweise integriert. 14 Verbands-Management 3/2017
Schwerpunkt: Hybride Organisationen Die Literatur geht davon aus, dass Sozialunternehmen, 1. Integriertes soziales Geschäftsmodell deren Kernaktivitäten sehr stark integriert sind, erfolg- Erwerbswirtschaftliche reicher ihre sozialen und erwerbswirtschaftlichen Ziele Soziale Wertschöpfung Wertschöpfung (z.B. (z.B. Kreditzugang schaffen) gleichzeitig erreichen, als solche, deren soziale und er- Einnahmen generieren) werbswirtschaftliche Aktivitäten voneinander getrennt sind18. Darüber hinaus wird angenommen, dass in inte- Ressourcenpool grierten sozialen Geschäftsmodellen weniger Konflikte (finanzielle und personelle und organisatorische Spannungen auftreten. Eine Be- Ressourcen) gründung liefert das Konzept der Legitimität aus der Neoinstitutionalistischen Organisationstheorie. Laut Ressource A Ressource B Meyer und Höllerer (2014) wird eine Organisation als legitim betrachtet, «wenn ihre Aktivitäten innerhalb ge- Ressource C sellschaftlicher Normen, Werte, Vorstellungen und Fest- legungen als wünschenswert, richtig und angemessen erscheinen»19. Davon ausgehend erscheinen Konflikte und Spannungen wahrscheinlicher in Organisationen, die verschiedene institutionelle Logiken vereinen20. Mit 2. Teilweise integriertes soziales Geschäftsmodell institutionellen Logiken sind bestimmte Denkweisen, Erwerbswirtschaftliche Soziale Wertschöpfung Weltansichten und Glaubenssichten gemeint, die im Wertschöpfung (z.B. Einnahmen generieren) (z.B. Kreditzugang schaffen) Umfeld einer Organisation einen Referenzrahmen für Entscheidungen und Praktiken bilden, wie z. B. eine marktwirtschaftliche oder eine wohlfahrtsorientierte Ressourcenpool (finanzielle und personelle Logik21. Wenn Akteure mit verschiedenen und abwei- Ressourcen) chenden Identitäten in einer Organisation vorkommen, können unterschiedliche Ressourcen als Kernkompe- Ressource A Ressource B tenzen bezeichnet und strategische Entscheidungen kontrovers diskutiert werden. Die Ursache für proble- Ressource C matische Entscheidungsfindungen bzgl. strategischer Fragestellungen können Identitätskonflikte sein22. Ver- steht sich die Organisation in erster Linie als sozialorien- tierte oder als gewinnorientierte Unternehmung? Sozi- alunternehmen, die vornehmlich mit Ansprüchen einer 3. Differenziertes soziales Geschäftsmodell Stakeholder Gruppe befasst sind (z. B. Leistungsemp- fänger sind gleichzeitig Kunden), tragen weniger Kon- Erwerbswirtschaftliche Soziale Wertschöpfung Wertschöpfung (z.B. (z.B. Kreditzugang schaffen) fliktpotenzial in sich, als solche, die auf die Ansprüche Einnahmen generieren) verschiedener Stakeholdergruppen eingehen. Vor die- sem Hintergrund gehen wir davon aus, dass in sozialen Ressourcenpool Geschäftsmodellen mit einem hohen Einbindungsgrad (finanzielle und personelle Ressourcen) der Leistungsempfänger (z. B. Leistungsempfänger sind gleichzeitig Kunden) das Potenzial für Spannungen und Ressource A Ressource B Konflikte niedriger ist, da solche Organisationen in ers- ter Linie auf eine Anspruchsgruppe eingehen. Für diffe- renzierte soziale Geschäftsmodelle stellt sich die Situati- Ressource C on ähnlich dar, da sie sich auf eine Art der Wertschöpfung (meist auf die erwerbswirtschaftliche) konzentrieren und damit überwiegend auf eine Anspruchsgruppe Abbildung: Drei Szenarien für die Ressourcenallokation (z. B. Kunden) eingehen. Im Gegensatz dazu sehen sich Verbands-Management 3/2017 15
Schwerpunkt: Hybride Organisationen teilweise integrierte soziale Geschäftsmodelle, bei denen personellen Ressourcen, die investiert werden, tra- die soziale und die erwerbswirtschaftliche Wertschöp- gen gleichzeitig zur sozialen und zur erwerbswirt- fung, zumindest teilweise, getrennt ist, mehr als einer schaftlichen Wertschöpfung bei. Das Potenzial für Anspruchsgruppe gegenüber und damit mit dem soge- Spannungen und Konflikte ist damit gering. nannten «Service Paradox» konfrontiert, d. h. in dem die • Teilweise integrierte Geschäftsmodelle zeichnen Ansprüche des sozialen Sektors (Leistungsempfänger) sich dadurch aus, dass nicht alle Kernaktivitäten erfüllt werden, können die Ansprüche des Marktes gleichermassen zur sozialen und erwerbswirtschaft- (Kunden) nicht ausreichend erfüllt werden23. lichen Wertschöpfung beitragen. Während das für einige Kernaktivitäten der Fall sein mag, gibt es in Beispiele für Typen sozialer Geschäfts- diesem Geschäftsmodell jedoch auch Kernaktivitä- modelle in der Praxis ten, die ausschliesslich entweder zur sozialen oder Im Folgenden wenden wir das beschriebene Konzept zur erwerbswirtschaftlichen Wertschöpfung beitra- für verschiedene, sich finanziell selbst tragende, sozia- gen. Ein Beispiel für ein teilweise integriertes sozia- le Geschäftsmodelle an, um die Unterschiede zwi- les Geschäftsmodell ist das Schweizerische Sozialun- schen integrierten, teilweise integrierten und differen- ternehmen Jobfactory, das eine Reihe von Produkten zierten Geschäftsmodellen zu verdeutlichen. Darüber und Dienstleistungen wie zum Beispiel IT-Dienst- hinaus wenden wir das beschriebene Konzept für leistungen, Malerarbeiten, Coiffeurdienstleistungen 70 Sozialunternehmen aus der ganzen Welt an, die oder Gebäudewartung anbietet und ein Mode- und entsprechend anhand der diskutierten zwei Parameter Musikfachgeschäft betreibt. Jobfactory bietet Beschäf- eingeteilt wurden (siehe Annex). tigungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten für mar- ginalisierte Bevölkerungsteile, die Schwierigkeiten • Integrierte Geschäftsmodelle: Im Falle von integ- haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Es werden rierten Geschäftsmodellen tragen die Kernaktivitä- 120 junge Menschen beschäftigt und 250 junge Er- ten gleichzeitig zur sozialen und zur erwerbswirt- wachsene dahingehend qualifiziert, dass sie mit ei- schaftlichen Wertschöpfung bei. Dies ist der Fall für ner Berufsausbildung beginnen können. Während soziale Geschäftsmodelle, in denen die Leistungs- die Ressourcenallokation für bestimmte Kernaktivi- empfänger auch die Kunden des Produktes oder der täten überlappend sowohl zur sozialen als auch zur Dienstleistung sind, da hier die Leistungserbringung erwerbswirtschaftlichen Wertschöpfung beiträgt, gleichzeitig Einnahmen generiert. Der Grossteil der gibt es andere Kernaktivitäten, die ausschliesslich finanziellen und personellen Ressourcen wird für der sozialen Wertschöpfung dienen. Junge Erwach- eine kombinierte soziale und erwerbswirtschaftli- sene erhalten Hilfestellungen für das Erstellen von che Wertschöpfung eingesetzt. Ein Beispiel für ein Bewerbungsdokumenten und das Vorbereiten von integriertes soziales Geschäftsmodell, in dem die Jobinterviews, da es das erklärte Ziel von Jobfactory Leistungsempfänger auch die Kunden sind, ist das ist, marginalisierten Jugendlichen einen Zugang britische Sozialunternehmen Unforgettable. Das So- zum Arbeitsmarkt zu gewähren. Die Ressourcen, die zialunternehmen wurde 2015 gegründet, hat derzeit für dieses Training eingesetzt werden, dienen aus- zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ver- schliesslich der sozialen Wertschöpfung. kauft online mehr als 2000 Produkte für Menschen Während die Kunden Produkte und Dienstleistun- mit Demenz. Der Markt für solche Produkte ist gen der bestmöglichen Qualität zu einem möglichst gross, da weltweit mehr als 44 Millionen Menschen niedrigen Preis wünschen, brauchen die Angestell- an Demenz leiden. Das Unternehmen wurde ge- ten (Leistungsempfänger) Arbeitsschritte, die sorg- gründet, um die Lebenssituation von Menschen mit fältig geplant sind und die es ihnen ermöglichen, Demenz zu verbessern. Unforgettable bietet innova- ihr volles Potenzial am Arbeitsplatz zu entfalten. In tive Produkte für tägliche Herausforderungen, die teilweise integrierten Geschäftsmodellen ist das die Krankheit mit sich bringt, z. B. in Bezug auf die Konfliktpotenzial höher, da es eine Vielzahl von Einhaltung von Essens- und Schlafzeiten, Hygiene teils abweichenden Interessen von Leistungsemp- und das Ankleiden. Nahezu alle finanziellen und fängern, Kunden und Mitarbeitern gibt. 16 Verbands-Management 3/2017
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