Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen
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Fachzeitschrift für Verbands-und Nonprofit-Management 3/21 Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen Rita Famos Frauen führen NPO – na und? Karrierekompetenzen für Frauen Gender Change und Führungswechsel Frauen in Vorständen der Diakonie Erfolgreiches Gendermanagement in Vereinen La place des femmes dans le domaine associatif Gleicher Lohn für gleiche Arbeit Weitere Themen: Balanced Scorecard für Nonprofit-Organisationen Passive Kirchenmitglieder – das ungehobene Potenzial
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Editorial Das mediale Echo auf meine Wahl dieser Fragestellung zu Wort. Ich zur Präsidentin der Evangelisch-re- freue mich auf die Lektüre des formierten Kirche Schweiz (EKS) im Beitrags von Susanne Kirchhoff- November 2020 war riesig. Geschul- Kestel und Tamara Morgenroth. Sie det war es sicher auch der Tatsache, untersuchen unter dem Titel «Frau- dass ich die erste Frau in diesem en in Vorständen der Diakonie – Er- Amt bin, überhaupt die erste Frau in folgsfaktoren und Stolpersteine» die der Leitung einer national organi- Erfolgsfaktoren von Frauen in Füh- sierten Religionsgemeinschaft in der rungspositionen in Wohlfahrtsver- Schweiz. Theologiestudium, Ge- bänden. Sie diskutieren, welche meindepfarrerin, Dekanin, Beauf- Faktoren den Aufstieg von Frauen in tragte, Mitglied des Kirchenparla- Vorständen der Diakonie Deutsch- ments, Abteilungsleiterin und jetzt land begünstigen bzw. behindern also Präsidentin: Wenn auch die können. «Willkommen in Männer- Reformierte Kirche die Frauenordi- land! Karrierekompetenzen für nation seit 100 Jahren kennt, ist Frauen», titelt Dr. Hanna Fearns und meine berufliche Biographie postuliert unter anderem, dass immer noch eine Ausnahme-Lauf- Frauen, wenn sie in einem männlich bahn für Frauen in der Kirche. dominierten Umfeld erfolgreich sein Wie in vielen NPO verdünnt sich wollen, neben ihren fachlichen, auch in der Kirche die Frauenbeteili- methodischen und sozialen Kompe- gung von unten nach oben. tenzen spezifische Karrierekompe- Frauen engagieren sich überdurch- tenzen benötigen. schnittlich als Freiwillige, sei es in Seit meiner Wahl sind fünf weitere den Angeboten für Kinder und Frauen an die Spitze von Mitgliedkir- Jugendliche, beim Besuchsdienst chen gewählt worden, acht der 25 für Betagte oder in der Arbeit zur Mitgliedkirchen der EKS werden Integration von Geflüchteten. mittlerweile von Frauen geleitet. Das Der Pfarrberuf wird mittlerweile von ist gut. Aber noch nicht gut genug. fast gleich vielen Frauen wie Män- Unsere Beispiele wie auch die Erfah- nern ausgeübt. rungen vieler anderer Frauen sind Kommt es dann zur Besetzung von wichtig für das Bewusstsein, dass Ehrenämtern und Leitungsfunktio- Frauen Leitung können. Die Bilder nen in der operativen und und Porträts von Geschäftsführerin- strategischen Führung der Kirche nen und Präsidentinnen deutsch- kehren sich die Verhältnisse ins sprachiger NPO in diesem Heft sind Gegenteil: Je mehr Verantwortung ein schöner Beitrag dazu. und Macht mit der Position verbun- Ich wünsche Ihnen eine spannende den ist, desto öfter wird sie männ- Lektüre! lich besetzt. Was tun, damit Frauen in der Kir- Rita Famos chen- und NPO-Leitung generell stärker vertreten sind? In dieser Nummer der VM Fachzeitschrift Präsidentin der Evangelisch- kommen Fachexpertinnen genau zu reformierten Kirche Schweiz Editorial
Karin Stuhlmann und Philipp Erpf Hanna Fearns Frauen führen Nonprofit- Karrierekompetenzen für Organisationen – na und? Frauen – Willkommen im Männerland! 6 12 Der Beitrag zeigt die unterschiedlichen Historisch bedingt weisen (Nonprofit-) emotionalen Reaktionen zum Thema Organisationen eine weitgehend männ- Female Leadership. Dann beleuch- lich geprägte Organisationskultur auf. tet er das Thema aus einem praxis- Frauen brauchen daher spezifische orientierten und erfahrungsbasierten Karrierekompetenzen, wenn sie in Standpunkt und legt dar, weshalb sich «Männerland» erfolgreich sein wollen. NPO unbedingt damit beschäftigen In diesem Beitrag wird ein praxiser- sollten. probtes Kompetenzmodell vorgestellt. Luisa Wagenhöfer und Martina Schott Susanne Kirchhoff-Kestel und Tamara Morgenroth Erfolgsfaktoren eines Führungs- Frauen in Vorständen der wechsels mit Gender Change Diakonie – Erfolgsfaktoren und Stolpersteine 22 Der Beitrag befasst sich mit den Erfolgs- faktoren der Führungsnachfolge mit 34 Der Beitrag untersucht Erfolgsfakto- ren von Frauen in Führungspositionen Gender Change in deutschsprachigen in Wohlfahrtsverbänden. Auch wenn NPO. Eine Befragung von sechs Frauen Quoten als Türöffner für Frauen in Füh- in Leitungsfunktionen zeigt, dass die rungspositionen dienen können, sind grössten Herausforderungen Sexismus weitere Massnahmen in Organisationen im Alltag, nicht gemanagter Führungs- und Wohlfahrtsverbänden notwendig, kulturwandel und vorurteilsbelasteter um Stolpersteine für Frauen zu besei- Umgang mit Mutterschaft darstellen. tigen. Martina Schott Isabelle von Muralt Erfolgreiches Gendermanage- La place des femmes dans le ment zur Zukunftssicherung domaine associatif von Sportvereinen 44 Sinkende Mitgliederzahlen und gerin- ger werdende Bereitschaft ehrenamt- 52 Face à la persistance de certains stéréotypes et discriminations de liche Arbeit zu leisten erhöhen den genre, nous sommes d’avis que la mise Wandlungsdruck, dem Sportvereine en œuvre de nouveaux modes de zunehmend unterliegen. Seit 2017 gouvernance peut contribuer à plus praktiziert die Rudergesellschaft d’inclusion et d’égalité entre les genres Speyer 1883 e.V. bewusst inkrementel- dans le domaine associatif et du les Changemanagement, um dieser bénévolat. Mais il est avant tout indis- Herausforderung zu begegnen und ist pensable de reconnaître l’existence dabei überaus erfolgreich. des inégalités aussi discriminantes.
Toni Schlegel und Michel Zumwald Jordan Kestle Lohngleichheitsanalyse – Managementwerkzeuge für die gleicher Lohn für gleiche Arbeit Praxis – Balanced Scorecard für Nonprofit-Organisationen 58 Gleiche Arbeit = gleicher Lohn. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde im 62 Für Organisationen ohne umfassendes Monitoring erweist sich die Balanced Bundesgesetz über die Gleichstellung Scorecard als multifunktionales Ma- von Frau und Mann die Pflicht der nagementinstrument, das gleichzeitig Lohngleichheitsanalyse gesetzlich operative Planungs-, Controlling- und verankert. Doch was bedeutet dies Qualitätsmanagement-Funktionen nun für die Arbeitgebenden? erfüllt sowie als Bindeglied zur strategi- schen Ebene fungiert. Auch von Non- profit-Organisationen (NPO) kann die Balanced Scorecard mit wenigen Anpas- Jeannette Behringer sungen genutzt werden, um Strategien Passive Kirchenmitglieder – in die operative Planung zu integrieren. das ungehobene Potenzial 66 Dieser Aufsatz erörtert erste Zwischen- ergebnisse eines Projekts, das sich zum Ziel gesetzt hat, das Thema Kirchenmit- gliedschaft aus der Sicht verschiedener Anspruchsgruppen anzugehen. Dabei steht zunächst die Erfassung und Be- schreibung des Verhältnisses zwischen Kirchen und ihren -Mitgliedern aus der Sicht passiver Mitglieder im Vordergrund. Die Ergebnisse der Studie, durchgeführt Impressum bei Mitgliedern der reformierten Kirch- gemeinde Zürich, zeigen u.a. dass Kirche Redaktion: Luisa Wagenhöfer als Ausdruck von Wertegemeinschaft redaktion@vmi.ch wahrgenommen wird. Layout: Luisa Wagenhöfer media f SA Herausgeber: Verbandsmanagement Institut (VMI) Universität Freiburg /CH Titelfoto: Dominik Wunderli Fotomaterial: Thema «Frauen in NPO» Adresse: VMI Bd de Pérolles 90 CH-1700 Freiburg Tel. +41 (0)26 300 84 00 Internet: www.vmi.ch, info@vmi.ch Jahrgang: 47. Jahrgang ISBN: 978-3-909437-62-7 ISSN: 1424-9189
Praxisbeitrag Frauen führen Nonprofit- Organisationen – na und? Karin Stuhlmann und Philipp Erpf «Frauen sind die besseren Führungs- in manchen NPO auch gestritten bzw. kräfte»1, tituliert die Handelszeitung. darauf gereizt reagiert. «Warum soll es einen Unterschied Das erste Motiv ist das politisch-ideel- geben? Ob Mann oder Frau – CEO ist le. NPO, die sich aus ihrer Zweckset- CEO»2, widerspricht die NZZ. Prak- zung und ihrer Mission heraus der tisch im Wochentakt erscheinen Verringerung gesellschaftlicher Un- Medienbeiträge zum Thema «Frauen gleichheit und der Herstellung von in Führungspositionen». Das Thema Chancengleichheit widmen, suchen scheint «heiss» zu sein, wie es auch Frauen für Führungspositionen vor die aktuelle Ausgabe des VM Maga- allem darum, weil dies ihren Werten zins zeigt. Und «heiss» bedeutet in entspricht. Es gilt unterrepräsentierte der gefühlten Realität, dass mit dem Gesellschaftsgruppen zu integrieren, Thema ein ganzes Spektrum an und zu denen gehören Frauen in Emotionen – von Ärger und Frustra- Führungspositionen heute immer tion, über Unverständnis bis zu Lei- noch. denschaft – verbunden ist. Das zweite Motiv sucht nach ökonomi- Weshalb wird in vielen Nonprofit-Or- schen Vorteilen: ganisationen (NPO) über diese The- 1. Fachkräftemangel kompensieren: matik debattiert und gestritten? Sind Führungsfunktionen schwer Weshalb können es die einen «nicht zu besetzen, weil die Bewerberliste mehr hören», während andere finden, kleiner wird oder limitiert ist, dann dass «wir noch noch viel mehr darü- ist es eine naheliegende Strategie, ber sprechen müssten»? Dieser vermehrt Frauen anzusprechen. Beitrag versucht erst, diese unter- Durch die Ausweitung der Zielgrup- schiedlichen emotionalen Reaktionen pen erhofft man sich, den Mangel zu verstehen. Dann, und dies ist der zu kompensieren. Kern, versucht er das Thema aus 2. Vorteile von «Diversity» nutzen: In einem praxisorientierten und erfah- den letzten Jahren erhärtete sich rungsbasierten Standpunkt zu be- die Erkenntnis, dass gemischte leuchten und darzulegen, weshalb Teams3 erfolgreicher sind als sich NPO unbedingt damit beschäfti- homogen zusammengesetzte.4 gen sollten und welche konkreten Auch dies ist ein ökonomisches Handlungsempfehlungen dabei Motiv, um Frauen für Führungsauf- dienlich sind. gaben zu finden. 3. Imagegewinn anstreben: Je nach Viele NPO wünschen sich mehr Frauen Positionierung bzw. Employer in Führungspositionen. Diesem Branding platzieren NPO Frauen in Wunsch liegen zwei unterschiedliche ihrer Führungsetage, um ihr Image Motive zugrunde. Da sich diese Motive positiv zu beeinflussen. Durch ein unter Umständen widersprechen, wird «frauenfreundliches Image» stei- 6 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Gabriela Fontana, Präsidentin des Schweizerischen Verbands der Ernährungsberater/innen und Absolventin des Diplomlehrgangs gern sie bei gewissen Zielgruppen tionen mit Frauen zu besetzen, weil Anerkennung und Sympathie und man sich ökonomische Vorteile erhofft. gewinnen so Mitglieder, Spenderin- nen und Spender, Kooperations- Aber warum findet man kaum Frauen partner bzw. -partnerinnen und für Führungspositionen? Mitarbeitende. Diese Frage verdient mehrere Antwor- Nun können aber ökonomische Motive ten und auch eine Gegenfrage. im Widerspruch mit den politisch- Wenn Frauen sich auf Führungsposi- ideellen Zielen einer NPO stehen. tionen bewerben, haben sie geringere Beispielsweise möchte eine NPO einen Chancen die Zusage zu erhalten oder Fragekräftemangel kompensieren und befördert zu werden. Unserer Erfah- gezielt Frauen auf dem Arbeitsmarkt rung nach werden Kandidatinnen und ansprechen, distanziert sich aber deren Dossiers nicht zwingend kriti- bewusst von «links-feministischer scher geprüft, häufig aber mit anderen Politik». In diesem Fall kommt es zu Augen betrachtet. Konkret werden mit einem Zielkonflikt, weshalb daraus einer Person aufgrund ihres Ge- organisationsintern ein «Reizthema» schlechts bestimmte Eigenschaften entsteht. Um die Debatte zu versach- assoziiert. Dies tun wir oft unbewusst lichen, hilft es, sich des Zielkonflikts und sowohl bei Männern als auch bei bewusst zu werden und ihn aktiv Frauen.5 Da nun die Führungsrolle anzusprechen und aufzulösen. So wie traditionell mit maskulinen Eigen- es legitim ist aus Gleichstellungsmoti- schaften wie beispielsweise Durchset- ven Frauen zu befördern, so ist es zungskraft und Willensstärke verbun- gleichermassenlegitim Führungsposi- den wird, werden Kandidaten – sofern 7 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
sie maskulin auftreten – mit höherer rung des Dossiers geschehen: Entkop- Wahrscheinlichkeit angestellt. Man peln Sie den Lebenslauf vom Ge- könnte meinen und es liegt auf der schlecht, in dem Sie beispielsweise Hand, Frauen zu empfehlen, ebenfalls dem Auswahlgremium Kandidierende maskulin aufzutreten und ihre Willens- ohne Namen und Bild vorlegen. Und stärke und Durchsetzungskraft zu schulen Sie sich in der Erkennung von demonstrieren. Doch leider funktio- so genanntem Gender-Bias.8 niert dies nicht, denn die gleiche Hinzu kommen strukturelle (gesell- Verhaltensweise wird bei verschiede- schaftliche) Hürden, die hauptsächlich nen Geschlechtern anders wahrge- Mütter betreffen. Sobald so genannte nommen: So wirkt Kandidat X selbst- «Care-Arbeit» zur Erwerbsarbeit bewusst und Kandidatin Y arrogant. hinzukommt, erschweren strukturelle Frauen, die männlich auftreten, Rahmenbedingungen wie sie v.a. in der schneiden schlechter ab als Männer, Schweiz noch gegeben sind (z. B. die männlich auftreten, und weiblich fehlende Tagesschulen), die Vereinbar- auftretende Frauen werden als am keit, und zwar grundsätzlich für beide wenigsten kompetent wahrgenom- Elternteile. Viele Paare lösen diese men.6 Herausforderungen, indem jener Unsere Empfehlung:7 Setzen Sie sich Elternteil mit dem geringeren ökono- in Ihrer Organisation mit den inneren mischen Einkommen, den grösseren Bildern der Geschlechterrollen be- Teil der Care-Arbeit übernimmt: meist wusst auseinander. Klären Sie Ihre ist dies die Mutter – und dies ist auch Erwartungen an eine künftige Füh- das gesellschaftlich akzeptierte Mo- rungskraft und prüfen Sie, ob diese dell. Dies bedeutet, dass sie auf Teil- wirklich traditionell maskuline Eigen- zeitarbeit oder andere Möglichkeiten schaften mitbringen muss? Ein Anfang der Vereinbarkeit angewiesen ist. NPO, kann hier auch durch die Anonymisie- die Frauen (bzw. Mütter oder eben Evelyn Mischler, Geschäftsführerin EXPO EVENT Swiss LiveCom Association und Absolventin des Diplomlehrgangs 8 Fusszeile
Eltern) in Führungspositionen wün- menden Ablösung von autoritär-charis- schen, müssen sich mit der Vereinbar- matischer durch partizipativ-kooperati- keit zwingend auseinandersetzen und ve Führungskultur. Wie zeigt sich nun Modelle wie beispielsweise TopSharing typisch weibliche Führung? anbieten. Medial wird die Idee verbreitet, dass Nach diesen Antworten nun zur ange- Frauen die erfolgreicheren Führungs- kündigten Gegenfrage: «Weshalb finden personen seien: So hätten von Frauen Sie in Ihren Organisationen keine geführte Länder die Covid-19-Pande- Frauen für Führungspositionen?» mie besser bewältigt9 oder wie ein- Vielleicht haben Sie bislang tatsächlich gangs zitiert, seien Frauen die besseren Kandidatinnen aufgrund von Gender- Führungskräfte. Dem ist nicht so, denn Bias ausselektioniert. Eventuell haben es zeigen sich keine wissenschaftlich sie keine Arbeitsmodelle angeboten, erhärteten Unterschiede zwischen die Care- und Erwerbsarbeit auch in männlichen und weiblichen Führungs- Führungsfunktionen vereinbaren kräften.10 lassen. Auch wenn Sie unseren Hand- Im Einzelfall mag es vorkommen, dass lungsempfehlungen folgen, kann es manche Frauen aufgrund ihrer Soziali- sein, dass Sie keine Frauen finden, und sation typisch feminine Eigenschaften dies sogar in Branchen, bei denen der aufweisen. Umgekehrt gibt es durchaus Frauenanteil gross ist. Dies kann daran auch maskulin führende Männer. Doch liegen, dass Sie kein Mittelmass akzep- diese Unterschiede im Einzelfall lassen tieren. Wir wissen aufgrund statisti- sich nicht systematisch und evidenzbe- scher Zahlen und durch Eigenerfah- zogen bestätigen. Sie sind auch nicht rung, dass heutzutage sehr viele relevant, denn neben dem Geschlecht mittelmässige Männer Führungsposi- gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die tionen bekleiden. Ein hoher Anteil an das Verhaltensrepertoire, die Persön- Männern ist nur möglich, wenn man lichkeit und den Führungsstil einer Spitzenselektion gelinde gesagt «gross- Person ausmachen. Die Frage nach zügig» auslegt. Und genau das sollten typisch weiblicher (oder männlicher) Sie auch tun, wenn Sie mehr Frauen in Führung überhöht das Geschlecht und Führungspositionen wünschen. Selbst- blendet andere und relevantere Einflüs- verständlich streben Sie an, nur best- se aus. qualifizierte Kandidatinnen und Kandi- Dennoch ist Female Leadership als daten einzustellen. Aber wenn Sie bei Konzept insofern nützlich und transfe- Frauen nicht die gleichen Risiken rierbar, als dass es eine Führungskultur eingehen wie bei Männern, werden Sie beschreibt, die Eigenschaften wie den Frauenanteil nicht substanziell Empathie den klassischen Führungs- erhöhen können, denn sie sagen mittel- anforderungen wie Durchsetzungskraft mässigen Frauen ab, während Sie den gleichsetzt. Wir empfehlen jedoch das Platz einem mittelmässigen Mann Konzept nicht mit den geschlechtsbe- überlassen. zogenen Adjektiven zu verstehen, denn «feminin» ist dies nicht. Es sind schlicht Female Leadership – und wie zeigt und einfach Kompetenzen, die aus sich typisch weibliche Führung? einem partizipativ-kooperativen Füh- Female Leadership ist ein Trend, der rungsverständnis entspringen. Sowohl positive feminine Eigenschaften wie Männer als auch Frauen können diese Empathie und Kooperation in den Eigenschaften mitbringen. Fokus rückt. Dies passt zu der zuneh- 9 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Fazit Fussnoten 1. Es gibt unterschiedliche Gründe und Motive, 1 Loos, M. (2021): Frauen sind die besseren Führungskräfte. Handelszeitung online, 01.09.2021. Frauen für Führungspositionen zu gewinnen. 2 Branschi, S. (2021): Warum soll es einen Unterschied geben? NZZ online, 01.09.2021. Deshalb ist es nicht sachdienlich, abwehrend auf 3 Selbstverständlich orientiert sich «Diversity» nicht «nur» an der Zweigeschlecht- lichkeit. Da letztere jedoch Hauptthema dieses Beitrags ist, wird der Fokus darauf das Thema zu reagieren, sondern allfällige Ziel- gerichtet. konflikte aufzulösen und in dieser Diskussion 4 Rock, D. & Grant, H. (2016): Why Diverse Teams Are Smarter, Harvard Business Review online, 01.09.2021. eine Chance zu erkennen. 5 Auf das dritte Geschlecht wird bewusst nicht fokussiert, da wir uns hier auf die gesellschaftlich konstruierte Zweigeschlechtlichkeit beziehen. 2. Auf dem Weg Frauen für Führungspositionen zu 6 Phelan, J. E., Moss-Racusin, C. A., & Rudman, L. A. (2008): Competent yet out in the cold: Shifting criteria for hiring reflect backlash toward agentic women. gewinnen, müssen überholte Beurteilungskrite- Psychology of Women Quarterly, 32(4), S. 406–413. rien und strukturelle Hürden umschifft werden. 7 Unsere Empfehlungen richten sich in diesem Beitrag bewusst an Organisationen. Empfehlungen und Coachings für Frauen, die sich für Führungspositionen Hier gilt salopp gesagt: «Ohne Fleiss kein Preis.» interessieren und bewerben bzw. in Führungspositionen sind, können beim AutorInnenduo individuell angefragt werden. 3. Frauen sind auch nur Menschen. Sie führen ihre 8 Siehe hierzu: Striebing, C. (2021): Karriere-Killer Gender Bias. Fraunhofer IAO online, 02.09.2021. Führungsposition mit mehr oder weniger Sach- 9 Loos, M. (2020): Führen Frauen besser durch die Corona-Krise? Handelszeitung online, 02.09.2021. verstand aus – genauso wie Männer auch. In der 10 Goetzke, L. (2021): Female Leadership: Braucht Führung ein Geschlecht? Neue Selektion und Bewertung sind also die gleichen Narrative online, 02.09.2021. Massstäbe anzusetzen. 4. Female Leadership ist zwar im Trend, aber als Konzept vorallem nützlich und transferierbar, um Eigenschaften wie Empathie den klassischen Führungsanforderungen wie Durchsetzungskraft gleichzusetzen. Männer wie Frauen können diese Eigenschaften aufweisen. Karin Burkhalter-Stocker, Vizepräsidentin des Vereins Kiebitz 10 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Die Autorin und der Autor Karin Stuhlmann / karin.stuhlmann@bvmberatung.net Dr. Karin Stuhlmann studierte Psychologie und Pädagogik an der Universität Zürich und ist Absolventin des Diplom-Lehrgangs Verbands-/NPO-Management am Institut für Verbandsmanagement (VMI). 2009 stieg sie als Beraterin bei der internationalen Beratungsgruppe für Verbands-Management (B’VM) ein und wurde 2012 Partnerin. 2010 übernahm sie im Mandat die Geschäftsführung des Schweizerischen Verbands der Ernährungsberater/innen (SVDE). Seit 2020 ist sie Geschäftsführerin der B’VM. Philipp Erpf / philipp.erpf@vmi.ch Dr. Philipp Erpf ist Ko-Direktor des VMI. Nebst seiner Geschäftsführungsfunktion ist er verantwortlich für den Weiterbildungsbereich des Instituts. In seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit widmet er sich Social Entrepreneurship sowie unternehmerischer Führung in Nonprofit-Organisationen. Zuvor war er Organisa- tionsberater in Bern, Zug und München sowie Medien- und Kommunikations- trainer. 11 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Praxisbeitrag Karrierekompetenzen für Frauen – Willkommen in Männerland! Hanna Fearns Historisch bedingt weisen (Nonpro- wohnt bin – und stelle mich darauf ein. fit-) Organisationen eine weitgehend Auch innerhalb eines Landes gibt es männlich geprägte Organisationskul- grosse Unterschiede in Werten und tur auf, da sie oft von männlichen Verhaltensweisen verschiedener Entscheidern gegründet und geleitet Gruppen, es gibt Subkulturen, die wurden und werden. Die männliche wiederum ihre eigenen Gepflogenhei- Ausprägung der Organisationskultur ten haben. In einem Fussballclub ist den Menschen in der Organisation herrscht eine andere Kultur als in einer häufig nicht bewusst. Frauen brau- Stiftung für moderne Kunst. Die aktu- chen daher spezifische Karrierekom- elle Jugendkultur ist Älteren häufig petenzen, wenn sie in «Männerland» fremd und ganz anders als die Kultur erfolgreich sein wollen. In diesem Bei- der Generation 50+. Und auch Frauen trag wird ein praxiserprobtes Kompe- und Männer lernen von klein auf, dass tenzmodell vorgestellt, das aufzeigt, für sie unterschiedliche Verhaltensre- welche Kompetenzen erforderlich geln, Werte und Normen gelten. Und sind, warum sie so wichtig sind und so entsteht - ohne dass uns das be- wie sie gezielt aufgebaut werden. wusst ist - eine weiblich und eine männlich geprägte Kultur innerhalb Wie bereiten Sie sich auf einen Aus- unserer Gesellschaft. landsaufenthalt vor? Besorgen Sie sich einen Reiseführer? Lernen Sie ein paar Unterschiede zwischen männlicher Brocken der fremden Sprache, um im und weiblicher Kultur Restaurant bestellen zu können? Oder In der Werbung, im Fernsehen und in fragen Sie vielleicht Bekannte, die (Schul-)Büchern werden diese meist schon dort waren, auf was Sie achten stereotypen Rollenbilder gezeigt, die müssen? Sprache, Gepflogenheiten, vermitteln, wie «man» (oder eben Rituale, Verhaltensregeln – die Kennt- «frau») sich verhält oder angeblich nis dieser Kulturaspekte erleichtert es verhalten sollte. So bildet sich neben uns, im Ausland gut zurecht zu kom- den angeborenen Unterschieden men. zwischen Männern und Frauen von Dass wir selbst kulturell geprägt sind klein auf durch Erziehung, Schule und und gemäss unserer Werte, Normen, das alltägliche Erleben in unserer Verhaltensweisen und Vorlieben leben, Gesellschaft eine sozial gelernte ist uns in der Regel nicht bewusst. Ich weibliche und eine sozial gelernte fühle mich als Deutsche in Deutschland männliche Kultur heraus - mit klaren nicht «typisch Deutsch». Wenn ich Werten, Normen und Rollenbildern. jedoch ins Ausland reise, spüre ich an Diese Rollenbilder haben wir alle so vielen Stellen leichte bis schwere Irrita- verinnerlicht, dass wir sie als selbst- tionen, wenn Menschen um mich herum verständlich annehmen. sich anders verhalten, als ich es ge- 12 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Jacqueline Schneider, Geschäftsführerin der Frauenzentrale St. Gallen und Absolventin des Diplomlehrgangs Von Mädchen oder Frauen werden in Zugehörige einer weiblichen oder unserer Gesellschaft in der Regel männlichen Kultur weisen wir als andere Kommunikations- und Verhal- Gruppe bestimmte Kulturmerkmale tensweisen erwartet als von Jungen und kulturell geprägte Verhaltenswei- oder Männern. In einer männlich sen auf. Und obwohl uns die Auswir- geprägten Kultur ist es daher bei- kungen der eigenen kulturellen Prä- spielsweise akzeptiert, eher laut zu gung meist nicht bewusst sind, haben sein, eine gewisse Aggressivität zu sie doch entscheidenden Einfluss für zeigen, vieles als Wettkampf zu sehen. das erfolgreiche Agieren im berufli- In einer weiblichen Kultur geht es chen Kontext. meist leiser zu, Konflikte werden weniger offen ausgetragen – das Organisationskultur ist männlich Kommunikationsverhalten in der Machen wir uns bewusst: historisch Gruppe unterschiedet sich ebenso wie bedingt wurden die allermeisten die Gesprächsthemen oder die Es- Organisationen (Unternehmen, Ver- sensvorlieben. bände, Vereine usw.) von Männern Es gibt viele Veröffentlichungen über gegründet. Sie wurden und werden diese Unterschiede, beispielsweise auch heute noch weitgehend von dazu, warum Frauen nicht einparken männlichen Entscheidern geleitet und und Männer nicht zuhören.1 Wichtig ist damit gestaltet.2 Männliche Entschei- zu verstehen, dass es bei diesen der handeln nach den Werten, Normen Zuordnungen nicht darum geht, dass und Verhaltensregeln einer männli- «alle Frauen so» und «alle Männer so» chen Kultur. Deshalb ist das, was wir sind. Wir alle sind einzigartig. Aber als heutzutage als Unternehmens- oder 13 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Organisationskultur vorfinden, in der bietet. Die Massnahmen zu Verände- Regel nicht gender-neutral sondern rung setzen damit auf individueller, männlich geprägt. struktureller und kultureller Ebene an.5 Wenn Frauen nach Schule und Ausbil- Bei der Gestaltung gender-gerechter dung ins Berufsleben einsteigen, betre- Prozesse und Routinen fällt Führungs- ten sie also eine fremde Kultur, die kräften und dem Personalbereich eine ihnen allerdings als «normal» und als zentrale Rolle zu. Ganz besondere «das macht man so im Business» Aufmerksamkeit muss auf die Prozesse vermittelt wird. Denn weder den Män- der Personalrekrutierung, der Beförde- nern noch den Frauen ist in der Regel rungspraktiken, der Auswahl für Weiter- bewusst, dass die Kultur ihrer Organi- bildungen und die Vergabe wichtiger sation männlich geprägt ist. Doch die Projekte gerichtet werden. formalen und informellen Regeln, die Allerdings wissen wir alle, dass der Prozesse und Strukturen wurden von Kulturwandel einer Organisation ein Männern gestaltet. Selbst Bürostühle langsamer und auch ein langfristiger sind gemacht für einen «normalen» Veränderungsprozess ist. Und da es bei Menschen und dieser «normale» den Aspekten weiblicher und männli- Mensch wird in unserer Gesellschaft als cher Kultur um stark gesellschaftlich männlich definiert.3 verankerte Denkmuster und unbe- Daher heisst es für Frauen beim Berufs- wusste Verhaltensweisen geht, fällt die- einstieg: «Willkommen in Männerland!», ser Wandel besonders schwer. Dies ohne dass sie auf die Besonderheiten kann man in der aktuellen Praxis deut- dieses Landes vorbereitet sind. lich sehen. Trotz des Willens zur Verän- Wir brauchen kulturellen Wandel derung herrscht oft Unsicherheit über Lange Zeit galt für eine bessere Gen- die Herangehensweisen und geeigne- der-Balance mit einer paritätischen ten Massnahmen. Verteilung von Frauen und Männern auf Neben Trainings und Workshops für alle allen hierarchischen Ebenen der Ge- Mitarbeiter_innen und Führungskräfte staltungsansatz, Frauen besonders zu zur Erhöhung der individuellen Gender- fördern, damit sie Karriere machen kompetenz aller ist meiner Ansicht können. Zu Recht wurde und wird nach der gezielte Aufbau von spezifi- dieser Ansatz kritisiert, weil er sugge- schen Karrierekompetenzen der Frauen riert, Frauen hätten Defizite, die man nach wie vor der Schlüssel zu einem mit Fördermassnahmen ausgleichen erfolgreichen und vor allem schnellen muss.4 Start in Richtung Gender-Balance der Der erfolgreichere Weg ist es jedoch, Organisation. die Genderkompetenz aller zu erhöhen, egal ob Mann oder Frau, und gemein- Karrierekompetenzen für Frauen – ein sam aktiv an der Veränderung der erprobtes Modell Organisationskultur zu arbeiten. Gleich- Frauen benötigen, wenn sie in männlich zeitig ist es wichtig, auch die Strukturen geprägten Organisationen erfolgreich und Prozesse daraufhin zu untersu- sein möchten, spezielle Karrierekom- chen, ob sie gender-neutral sind oder petenzen. Nicht, weil sie Defizite ha- diskriminierend wirken («fix the sys- ben, sondern weil sie, wenn sie Karriere tem»). machen wollen, ihr weiblich geprägtes Auf diese Weise lässt sich Schritt für Verhalten vor dem Hintergrund der Schritt eine Kultur schaffen, die Män- männlich geprägten Organisationskul- nern und Frauen gleiche Chancen tur reflektieren und bewusst gestalten 14 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
müssen. Sonst scheitern sie in Männer- aufgebaut wird, scheitert die Umset- land. Auf der Basis einschlägiger Litera- zung. tur und meiner langjährigen Erfahrung Im mittleren Ring des Modells sind die im Training und Coaching von Frauen in Handlungskompetenzen abgebildet. Führungspositionen habe ich die Diese umfassen die strategische spezifischen Karrierekompetenzen Lebens- und Karriereplanung, Selbst- definiert und das folgende Modell der marketing, Networking sowie die Karrierekompetenzen für Frauen Durchsetzungs- und Verhandlungs- entwickelt (siehe Abbildung). kompetenz. Viele Ratgeberbücher für Frauen geben Tipps zu diesen Hand- Selbstführungskompetenz als Schlüssel lungskompetenzen.6 Für den Karriere- Im Kern meines Modells steht die erfolg entscheidend ist jedoch die Selbstführungskompetenz. Sie be- Umsetzung der Tipps im Alltag. Und inhaltet die Fähigkeit, sich selbst zu diese Umsetzung gelingt ohne gute reflektieren, unbewusste Denk- und Selbstführungskompetenz nur schwer. Verhaltensmuster zu identifizieren, kri- tisch zu hinterfragen und gegebenen- Family Fog oder strategische Lebens- falls zu verändern. Auch die Steuerung und Karriereplanung? innerer Dialoge, der Umgang mit Männer und Frauen haben unter- Selbstzweifeln, Klarheit über die schiedliche Planungshorizonte bei eigenen Ziele und die Fähigkeit, sich ihrer Karriereplanung. Schon als selbst für die Umsetzung zu motivie- Assistentin an der Universität fiel mir ren, gehören zur Selbstführungskom- auf, dass viele der männlichen Studen- petenz. Sie ist die zentrale Schlüssel- ten eine Karriereplanung mit einem kompetenz, denn wenn sie nicht Planungshorizont von ca. 20 - 25 © Dr. Hanna Fearns Abbildung: Modell der Karrierekompetenzen 15 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Jahren hatten, also bis zu einem nicht zu sehr in den Vordergrund zu Lebensalter von Ende 50 planten. spielen. Ein Mädchen, dass dieses Danach gab es oft die Idee, sich auf- «angeberische» oder «protzige» Ver- grund des grossen beruflichen Erfol- halten zeigt, läuft Gefahr, aus der ges mit sehr viel Geld zur Ruhe zu Gruppe ausgeschlossen zu werden. setzen. Die Studentinnen planten Mädchen und Frauen bevorzugen dagegen nur ihre erste Einstiegsposi- kulturbedingt eine eher «horizontale» tion und eventuell einen weiteren Kommunikation, die sich schon früh Karriereschritt gedanklich voraus, ihr im Spielverhalten zeigt: Die Mädchen Planungshorizont lag also nur bei ca. spielen Alltagssituationen nach, z. B. drei bis sieben Jahren! Ich nenne Kaufladen oder Puppenspiele, in dieses Phänomen «Family Fog» – den denen Kommunikation eine andere Familien-Nebel, da bei den jungen Rolle spielt als bei den Spielen der Frauen die Planung ab dem Lebens- Jungen. Jungen bevorzugen wettbe- alter von 30 Jahren nebulös wurde. Die werbsorientierte Spiele mit klaren Vorstellung bei den meisten war: nach Gewinnern und Verlierern. In einer dem Berufseinstieg und den ersten männlich geprägten Kultur wird Kom- Schritten auf der Karriereleiter «… munikation insofern eher zur Abgren- kommt irgendwas mit Kindern» und zung und Festlegung einer Rangord- damit eine nicht mehr planbare Situa- nung innerhalb der Gruppe genutzt tion, die wahrscheinlich zu einer («vertikale Kommunikation»), während Anstellung in Teilzeit und damit auch Frauen in ihrem horizontal geprägten zu einem Ende der Karriere führt. Kommunikationsstil Gemeinsamkeiten Lebens- und Karriereplanungs-Kom- und gleichwertige Beziehungen her- petenz ermöglicht es Frauen also, sich stellen.7 über ihre eigenen, langfristigen Le- Frauen bevorzugen daher einen bens- und Berufsziele bewusst zu Sprachstil, der sehr verbindlich ist und werden. Wenn sie ihren Planungshori- mit vielen Fragen und Wir-Formulie- zont verlängern, können sie ihre ganz rungen arbeitet (Wollen wir das so individuelle Vorstellung einer Balance machen? Was haltet ihr davon?). Sie von Beruf und Familie entwickeln, die nutzen diese verbindliche Sprache, entsprechende Planung vornehmen obwohl sie vielleicht schon eine ganz und dann an die Umsetzung gehen. klare Vorstellung zum Vorgehen haben. Dadurch wirken sie aus einer männli- Sichtbar werden mit Selbstmarke- chen Perspektive eher unsicher oder ting-Kompetenz unentschlossen. Diese Interpretation Für den beruflichen Erfolg ist es zent- ihres Verhaltens widerspricht unserer ral, mit den eigenen Leistungen, Stär- (stereotypen) Vorstellung einer Füh- ken und Ambitionen bei wichtigen rungskraft. Und so besteht die Gefahr, Entscheider_innen sichtbar zu wer- bei Beförderungsentscheidungen den, statt darauf zu hoffen, gesehen leicht übersehen und damit übergan- zu werden. Selbstmarketing-Kompe- gen zu werden. tenz beinhaltet die Fähigkeit, diese Verstärkt wird diese Situation noch Leistungen, Stärken und beruflichen dadurch, dass in der weiblich gepräg- Ambitionen zu zeigen und sich für ten Kultur Ehrgeiz und berufliche gute Projekte und Positionen proaktiv Ambitionen in der Regel vor allem anzubieten. In unserer Kultur wird durch Fleiss gezeigt werden. Das ist Mädchen allerdings beigebracht, sich ein gelerntes Verhalten aus Schule und 16 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Ausbildung: Wer fleissig ist, bekommt dabei, die eigenen Vorhaben einfacher gute Noten und ist somit erfolgreich. umzusetzen. Für die Karriere sind Doch im Berufsleben ist «fleissig sein» insbesondere gute Netzwerkbeziehun- allein keine ausreichende Strategie. gen zu Unterstützer_innen und Men- Denn diese Vorgehensweise ist passiv tor_innen wichtig. und vertraut darauf, von anderen gese- Networking-Kompetenz beinhaltet die hen und anerkannt zu werden.8 Fähigkeiten, Um sichtbar zu werden ist es notwen- • eine Netzwerkanalyse durchzuführen dig, über die eigenen Leistungen und (wer ist ein meinem Netzwerk? Wer Erfolge offensiv zu sprechen und fehlt?), Karrierewünsche deutlich zu benen- • das Netzwerk gezielt aufzubauen nen oder sogar einzufordern. (Beziehungen aufbauen und pflegen), • die Ressourcen im Netzwerk aktiv zu Networking Kompetenz nutzen (das Netzwerk bespielen). Ein gutes Netzwerk innerhalb der Frauen und Männer haben gleichermas- Organisation hat verschiedene Funk- sen Netzwerke, doch fällt in meinen tionen. Es versorgt uns mit wichtigen Trainings immer wieder auf, dass Frauen Informationen, beispielsweise über eher private Netzwerke haben und sich Entwicklungen in der Organisation, schwer damit tun, ein berufliches, neue Projekte und Strategien oder frei- professionelles Netzwerk gezielt aufzu- werdende Positionen. Ein gutes Netz- bauen und systematisch zu nutzen. werk sorgt für sozialen Rückhalt, Die Hindernisse im professionellen Austausch und Anerkennung und hilft Networking im beruflichen Kontext Yvonne Müller und Ilona Segessenmann, Co-Geschäftsleiterinnen des Elternnotrufs. Ilona Segessenmann ist Absolventin des Diplomlehrgangs. 17 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
liegen zum einen in der Angst, berech- starke Leistungsträgerin zu profilieren. nend zu wirken und jemanden «nur Es ist daher wichtig zu wissen, welche aus Kalkül» kennen zu lernen und Durchsetzungs- und Verhandlungs- auszunutzen. Diese Angst lässt sich strategien in welchen Situationen durch die Art, wie man Networking passend sind und zum Ziel führen. betreibt, allerdings leicht ausräumen. Auch die eigenen kulturell bedingten Zum anderen ist es für viele Frauen Barrieren (Konfliktscheue, Gefallen eine besondere Schwierigkeit, dass wollen, Einstellung zur Macht) müssen beim Aufbau des Netzwerkes (insbe- reflektiert werden, um je nach Persön- sondere beim Kontaktaufbau mit lichkeit, Gegenüber und Situation männlichen Entscheidern) schnell eine richtig zu entscheiden. Es zeigt sich ungute Doppeldeutigkeit mitschwingt. beispielsweise in der Praxis, dass Viele Frauen nutzen Networking-Gele- Frauen oft dann besser verhandeln, genheiten ausserhalb einer typischen wenn es um die Sache und nicht um Arbeitssituation deshalb nur ungern. sie selbst und ihre Interessen geht. Sie müssen daher ihre individuelle Grund hierfür ist in der Regel, dass das Netzwerkstrategie und ein entspre- Recht, die eigenen Interessen durch- chendes Selbstbewusstsein entwi- zusetzen, ebenfalls im Konflikt mit ckeln, um passend zu ihren Karriere- dem stereotypen Rollenbild der «für- zielen langfristig und strategisch ein sorglichen, verständnisvollen Frau» starkes, professionelles Netzwerk steht. aufzubauen und zu nutzen. Beim Durchsetzen und Verhandeln in einem männlich dominierten Umfeld Durchsetzungs- und Verhandlungs- ist es besonders wichtig, weichma- kompetenz chenden Sprachmittel zu vermeiden Durchsetzungsstärke und die Fähig- und sehr klare Botschaften zu sen- keit erfolgreich zu verhandeln sind den.9 Auch die Art des Sprechens ist wichtige Kompetenzen für die Karrie- wichtig: Langsame und tiefe Töne re. Ob Gehaltsverhandlung, Aushand- werden als machtvoll wahrgenommen lungsprozesse im Team, Durchsetzen und eher ernst genommen, als hohe der eigenen Standpunkte und Ideen in Stimme und schnelles Sprechtempo. Besprechungen – gerade für die Quali- Auch körpersprachliche Aspekte sind fikation als Führungskraft sind diese zentral, da sie die verbalen Signale Kompetenzen zentral. Für Frauen ist verstärken oder konterkarieren kön- dabei jedoch ein besonderes Finger- nen. spitzengefühl nötig, wenn sie nicht in Durchsetzungs- und Verhandlungs- einen Konflikt zwischen verschiede- kompetenz bedarf also einer guten nen stereotypen Rollenbildern als Frau Kombination aus innerer Haltung, einerseits und als Führungskraft inhaltlicher Argumentation und wirk- andererseits geraten wollen. Wenn samer Körpersprache. Frauen sich zu hart durchsetzen, gelten sie als kalt, schwierig oder Situative Genderkompetenz brutal und damit unweiblich. Dies wird Im äusseren Ring des Modells ist die von Frauen und Männern häufig situative Genderkompetenz darge- gleichermassen abgelehnt. Gleichzei- stellt. Sie beschreibt die Fähigkeit, die tig ist ein typisch weibliches Verhalten eigenen Verhaltensweisen an das - z. B. Kompromiss-Suche - nicht Umfeld und die jeweilige Situation i.S.v. förderlich, um sich als durchsetzungs- Situationsintelligenz gendersensibel 18 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
anzupassen. Nicht in jeder Organisa- tion ist beispielsweise eine starke Gender-Balance bedarf Selbstmarketingstrategie und ein der Anstrengungen aller entsprechend selbstsicheres Auftre- ten erfolgreich, da es je nach Organisa- Um den notwendigen kulturellen tionskultur grosse Unterschiede in der Wandel hin zu einer besseren Gender- Akzeptanz gibt. In einem stark männ- Balance in Organisationen erfolgreich lich dominierten Sportverein darf und zu vollziehen, sind die Anstrengungen muss man wahrscheinlich stärker auf aller notwendig. Gerade männliche die eigenen Leistungen aktiv hinwei- Entscheider spielen aufgrund ihrer sen als beispielsweise im Hospizver- starken Positionen in diesem Prozess ein. eine zentrale Rolle (als Handelnde und Wichtig ist zu verstehen, dass der als Vorbilder). Sie sollten sich als Erfolg des Verhaltens der Frauen vom Verbündete und aktiv Mitwirkende jeweiligen Kontext abhängt. Die situa- verstehen und entsprechend handeln. tive Genderkompetenz hilft dabei, Für ein gelingendes Gender-Manage- unter verschiedenen Handlungsoptio- ment sind deshalb Massnahmen auf nen die für die jeweilige Situation allen drei beschriebenen Ebenen passende auszuwählen und umzuset- (individuell, strukturell, kulturell) von zen. den Entscheider_innen zu initiieren. Frauen können sich die notwendigen Die Praxis zeigt, dass Aktivitäten auf Karrierekompetenzen aneignen, um einer Ebene positive Wechselwirkun- persönlich erfolgreich zu sein. Damit gen auf den anderen Ebenen entfalten. leisten sie gleichzeitig einen Beitrag Durch die Investitionen in den Aufbau zum Wandel der Organisation und von Karrierekompetenzen werden werden als Rollenvorbilder für andere beispielsweise männliche Führungs- sichtbar. Den kulturellen Wandel kräfte dafür sensibilisiert, welche können sie jedoch nicht alleine stem- weiblichen Potenziale in ihren Teams men. vorhanden sind, wenn diese für Entwi- cklungsmassnahmen nominiert werden sollen. Die gender-neutrale Gestaltung der Prozesse und Strukturen verein- facht den Frauen das Agieren in der Organisation, eine erhöhte Genderkom- petenz bei allen Mitarbeiter_innen und Führungskräften erlaubt es, die Anpas- sungsintensität, die Frauen leisten müssen, deutlich zu verringern. Zudem ist die Investition in die weiblichen Talente zur Überwindung der kulturbe- dingten organisationalen Defizite zentral, um weibliche Talente langfristig zu binden, zu stärken und zu motivie- ren, den eigenen Karriereweg weiter zu gehen – und zwar innerhalb der Organi- sation. So setzt sich das grosse Verän- derungsrad in Bewegung und aus Männerland wird ein Land für alle. 19 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Fussnoten Literatur 1 Pease & Pease 2001. Criado-Perez, C. (2020). Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die 2 vgl. zur Verteilung von Frauen und Männern in Führungspositionen von Hälfte der Bevölkerung ignoriert (3.Auflage). München: btb. Nonprofit-Organisationen Weibler 2017. Endler, R. (2021). Das Patriachat der Dinge (1. Auflage.). Köln: DuMont. 3 vgl. Endler 2021 und Criado-Perez 2020. Fearns, H. & Schott, M. (2010a). Kompetenzmanagement live! Entwicklungskompetenz 4 Stichwort «fix the women» – siehe Rastetter & Jüngling 2018 S. 19 ff. als Metakompetenz In: Stephan, M.,Kerber, W., Kessler, T. & Lingenfelder, M. (Hrsg.): 25 Jahre ressourcen- und kompetenzorientierte Forschung. Der kompetenzbasierte Ansatz 5 vgl. Fearns & Schott 2010a und Fearns & Schott 2010b. auf dem Weg zum Schlüsselparadigma in der Managementforschung. Wiesbaden: 6 u.a. Topf 2013, Schneider 2009, Modler 2011. Gabler, S. 331-358. 7 Knaths 2011 S. 15ff. Fearns, H. & Schott, M. (2010b). Kernkompetenzen im strategischen Management. 8 vgl. auch Schneider 2009. Verbands-Management (VM), 36(1), S. 18-29. 9 Tannen 1995, S. 138 ff. Knaths, M. (2011). Spiele mit der Macht. Wie Frauen sich durchsetzen (7.Auflage). München: Pieper. Pease, A. & Pease, B. (2001). Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken. Ganz natürliche Erklärungen für eigentlich unerklärliche Schwächen (13. Aufage) München: Ullstein. Modler, P. (2011). Das Arroganzprinzip. So haben Frauen mehr Erfolg im Beruf (7. Auflage). Frankfurt am Main: Krüger. Rastetter, D. & Jüngling, C. (2018). Frauen, Männer, Mikropolitik. Geschlecht und Macht in Organisationen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Schneider, B. (2009). Fleissige Frauen arbeiten, schlaue steigen auf. Wie Frauen in Führung gehen (4. Auflage). Offenbach: Gabal. Tannen, D. (1995). The Power of Talk - Who Gets Heard and Why. Harvard Business Review September-Oktober 1995, S. 138 – 148 (reprint). Topf, C. (2013). Durchsetzungsfähigkeit für Frauen. Charmant, souverän und vor allem überzeugend (4. Auflage). München: Redline. Weibler, J. (2017). Weibliche Führungskräfte in NPO–Exklusion von der Macht. Verbands-Management (VM), 43(1), 21-27. Die Autorin Hanna Fearns / Hanna.Fearns@imbk.de Dr. Hanna Fearns ist seit über 20 Jahren erfolgreich als Unternehmensberaterin und Führungskräftetrainerin im Profit- und Nonprofitbereich tätig. Sie ist Dip- lom-Volkswirtin und promovierte 2003 an der Universität Konstanz über den Aufbau strategischer Kernkompetenzen. 1998 war sie Teilnehmerin im ersten Mentoringprogramm der EU «Preparing Women to Lead». Von 2007 – 2015 leitete sie ein Entwicklungsprogramm für Frauen in einem grossen amerikani- schen Konzern mit über 300 Teilnehmerinnen. Seitdem beschäftigt sie sich in ihrer Beratung und im Training intensiv mit Gender-Management und der Gestal- tung von Veränderungsprozessen in Unternehmen hin zu einer besseren Gen- der-Balance. 20 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
21 Fusszeile
Forschungsbeitrag Erfolgsfaktoren eines Führungs- wechsels mit Gender Change Luisa Wagenhöfer und Martina Schott Der Beitrag befasst sich mit den höher, Beförderungen verlaufen lang- Erfolgsfaktoren der Führungsnachfol- samer, die Bezahlung ist schlechter ge mit Gender Change in deutsch- und ihr Führungspotenzial kann sich sprachigen Nonprofit-Organisationen nicht gleichermassen entfalten.3 Diese (NPO). Dazu wurden sechs Frauen in Zahlen erstaunen besonders für den Leitungsfunktionen aus Deutschland Dritten Sektor, gilt dieser doch als und der Schweiz interviewt, die die weiblich dominiert.4 Leitungsposition von einem männli- Dabei gibt es Studien, die zeigen, dass chen Vorgänger übernommen haben. sich Frauen in Führungspositionen Die Resultate der leitfragengestützen positiv auf den Organisationserfolg Interviews machen deutlich, dass auswirken, egal ob im Wirtschafts- Frauen Führungspositionen überneh- oder im Dritten Sektor. Präsidiert eine men wollen und zielstrebig darauf Frau einen NPO-Vorstand, verbessert hinarbeiten. Die grössten Herausfor- sich die Performance dieses Gremi- derungen stellen Sexismus im Alltag, ums, vor allem bezüglich der Qualität nicht gemanagter Führungskultur- der Zusammenarbeit und der konse- wandel und vorurteilsbelasteter quenten Verfolgung der Organisations- Umgang mit Mutterschaft dar. Das interessen und -ziele.5 Auch können Verhalten des Vorgängers, positiv wie Frauen das Steuer in krisengebeutel- negativ, hat grosse Auswirkungen auf ten Organisationen herumreissen, den Erfolg der Führungskräfte in der wenn sie einem Mann auf die Ge- neuen Position. schäftsführungsposition folgen.6 Der positive finanzielle Effekt von mehr Frauen in Führungspositionen haben Frauen in der Führung zeigt sich es immer noch schwer. Das gilt zwar besonders in einem Umfeld, das sehr weniger für den Dritten Sektor, wo geschlechts-egalitär geprägt ist, wie Frauen vergleichsweise häufiger in eine Meta-Analyse von Hoobler et al. Geschäftsführungspositionen vertre- (2018) zeigt. Dies könnte daran liegen, ten sind als im profit-orientierten dass Frauen ein anderes Verständnis Wirtschaftssektor.1 Aber auch hier sind von Führung haben und einen Stil Geschäftsführerinnen immer noch in wählen, der ihren Werthaltungen der Minderheit. Die VMI-Gehaltsstudie entspricht.7 2017 für den Dritten Sektor in der Frauen in Führungspositionen schei- Schweiz hat gezeigt, dass nur 13 % der nen demnach Vorteile sowohl für Geschäftsführenden von Branchenver- Unternehmen als auch für Nonprofit- bänden weiblich sind; Parität herrscht Organisationen zu bieten. Doch wie zumindest in Hilfswerken und Interes- holt man mehr Frauen in die Füh- senverbänden.2 Frauen wird weniger rungsebene? Auf diese Frage gibt es Führungskompetenz zugeschrieben, bereits erste Antworten aus der For- die Leistungserwartungen an sie sind schung. Eine Lösung könnte eine 22 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Magdalena Frommelt, Geschäftsleiterin, und Carola Büchel, Leiterin Programme und Kommunikation des SOS-Kinderdorfs Liechtenstein Frauenquote zu sein. Demnach steigt wenn sich das Unternehmen in einer mit einem Frauenanteil von 33 % bis Krise befindet.9 Aber auch die Perfor- 50 % Frauen im Vorstand die Wahr- mance des Vorgängers scheint eine scheinlichkeit, dass die nächste ge- Rolle zu spielen. Ist diese hoch, also schäftsführende Person einer NPO war der scheidende CEO sehr erfolg- eine Frau wird.8 Frauen scheinen reich in seinem Job, steigt die Wahr- demnach Frauen nachzuziehen. Doch scheinlichkeit, dass er eine Frau als was ist, wenn die Branche männlich Nachfolgerin nominiert. Scheidende dominiert ist und der scheidende Geschäftsführer mit einer niedrigen Geschäftsführer ein Mann? Performance tendieren seltener dazu, Auch hier liefert die wissenschaftliche Frauen als Nachfolgerinnen zu nomi- Literatur erste Hinweise, allerdings nur nieren, besonders wenn die Branche für den profit-orientierten Wirt- männlich dominiert ist.10 schaftsbereich. Demnach liegt ein Diese Erkenntnisse lassen sich jedoch Erfolgsrezept für Frauen, die im Wirt- nur schwer auf den NPO-Sektor über- schaftssektor die oberste Führungs- tragen, da es im Dritten Sektor die ebene erreichen wollen, in einer Kom- Aufgabe des Vorstands ist, die Ge- bination aus dem eigenen schäftsführungsnachfolge zu klären Insider-Status und einem Vorgänger, und die Position neu zu besetzen. Der der die Geschäftsführerposition scheidende Geschäftsführer sollte in mehrere Jahre innehatte. Idealerweise diesem Prozess nur eine untergeord- sieht sich der scheidende Geschäfts- nete Rolle spielen.11 führer in der Rolle des Mentors und Das Ziel der Studie ist es, ein besseres kann die interne Kandidatin entspre- Verständnis darüber zu erlangen, wie chend coachen. Ebenfalls wirkt es sich Frauen der Weg in die oberste Füh- positiv auf die Karriere der neuen rungsebene in NPO erleichtert werden Geschäftsführerin aus, wenn der kann. Dafür wird folgenden For- ehemalige Geschäftsführer in der Posi- schungsfragen nachgegangen: tion des Vorstandsvorsitzenden im • Welche Erfahrungen haben Frauen in Unternehmen verbleibt, besonders, NPO gemacht, wenn sie einem Mann 23 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
auf eine Führungsposition gefolgt Grundvoraussetzungen, warum die sind? Frauen ihre Führungspositionen • Welche Hürden und Schwierigkeiten erlangten – dies war, wie sie betonten, mussten sie überwinden? unabhängig von ihrem Geschlecht. • Welches waren die grössten Heraus- «Ich habe mich einfach auf diese Stelle forderungen? beworben, weil ich eine Geschäftsfüh- • Welche unterstützenden Faktoren rungsstelle wollte. Ich habe die Stelle gab es? nicht bekommen, weil ich eine Frau bin, • Was muss sich in der Zukunft än- sondern weil ich die Fähigkeiten habe, dern, damit mehr Frauen Männern diese Stelle zu erfüllen und das Anfor- auf Führungspositionen nachfolgen derungsprofil, das dieser Job hat. können? Wenn ich mich jetzt als Mann auf diese Durch die Literaturrecherche konnte Stelle beworben hätte, mit den glei- zwar die Forschungslücke identifiziert, chen Fähigkeiten, dann hätte ich diese aber mangels fehlender empirischer Stelle vielleicht auch als Mann bekom- Daten noch nicht geschlossen werden. men. Ich hätte doch nie sagen dürfen, Deswegen wurden im Zeitraum Juli bis ich bekomme die nicht, weil ich eine September 2021 sechs Interviews mit Frau bin.» Frauen in Leitungspositionen diverser deutschsprachiger NPO geführt.12 Die Selbstbewusstsein und Durchset- sechs Frauen sind jeweils einem zungsfähigkeit männlichen Vorgänger auf die Position Nachdem die Motivation, eine Füh- gefolgt. Die Ergebnisse werden im rungsposition übernehmen zu wollen Folgenden dargestellt.13 und die Fähigkeiten, diese auch aus- führen zu können, selbstverständlich Eigene Fähigkeiten und Motivation für eine Führungskraft sind – egal ob Um sich für die Position zu qualifizie- männlich oder weiblich – brauchen ren, brauchen Frauen zunächst Moti- Frauen auch entsprechendes Selbst- vation, um auf die entsprechende bewusstsein, und vor allem den Mut, Stelle hinzuarbeiten und sich darauf etwas zu wagen und sich zu bewerben. zu bewerben. Zielstrebigkeit und «Frauen sind häufig zu wenig mutig und Entschlossenheit scheinen die Moto- überlegen zu lange, ob sie das über- ren zu sein, um die entsprechende haupt können. Ein Mann bewirbt sich Stelle anzuvisieren. einfach. Vielleicht kommt das gut, «Ich wollte schon immer Führungskraft vielleicht kommt das schlecht. Wir sein. Ich wollte Motor sein, denn was Frauen, wenn wir eine Absage bekom- ich mache, ist mein Traumberuf. Ich men, beziehen wir das zu fest darauf, sehe viel Sinn in dem was ich tue. Ich dass wir eine Frau sind. Vielleicht war weiss, wofür es gut ist. Auch wenn ich das aber auch eine Fähigkeit, die in unserer Organisation manchmal gefehlt hat und vielleicht war man anstrengend bin. Das ist mir egal, auch zu wenig mutig.» Hauptsache unsere Klienten bekom- men das bestmögliche Ergebnis.» Das scheint etwas zu sein, wo Männer Eng gekoppelt an die Motivation, Frauen gegenüber einen Vorsprung zu Führungskraft werden zu wollen, sind haben scheinen. Neben dem Mut, sich auch die entsprechenden Fähigkeiten, auf eine Führungsposition zu bewerben, die Position übernehmen zu wollen. brauchen Frauen auch das Selbstbe- Motivation und Fähigkeiten sind die wusstsein, sich in Bewerbungsgesprä- 24 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
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