Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen

 
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Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen
Fachzeitschrift für
                                       Verbands-und Nonprofit-Management

                                                                      3/21

                          Die weibliche Seite von
                          Nonprofit-Organisationen

                          Rita Famos

                          Frauen führen NPO – na und?
                          Karrierekompetenzen für Frauen
                          Gender Change und Führungswechsel
                          Frauen in Vorständen der Diakonie
                          Erfolgreiches Gendermanagement in Vereinen
                          La place des femmes dans le domaine associatif
                          Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Weitere Themen:
Balanced Scorecard für Nonprofit-Organisationen
Passive Kirchenmitglieder – das ungehobene Potenzial
Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen
Rekrutierung von Führungskräften
Wir unterstützen Sie dabei, die geeignete Führungsperson
für Ihre Organisation zu finden – ob Ehrenamt oder Hauptamt;
von der Ausschreibung bis zur Auswahl.

www.bvmberatung.net
Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen
Editorial
Das mediale Echo auf meine Wahl          dieser Fragestellung zu Wort. Ich
zur Präsidentin der Evangelisch-re-      freue mich auf die Lektüre des
formierten Kirche Schweiz (EKS) im       Beitrags von Susanne Kirchhoff-
November 2020 war riesig. Geschul-       Kestel und Tamara Morgenroth. Sie
det war es sicher auch der Tatsache,     untersuchen unter dem Titel «Frau-
dass ich die erste Frau in diesem        en in Vorständen der Diakonie – Er-
Amt bin, überhaupt die erste Frau in     folgsfaktoren und Stolpersteine» die
der Leitung einer national organi-       Erfolgsfaktoren von Frauen in Füh-
sierten Religionsgemeinschaft in der     rungspositionen in Wohlfahrtsver-
Schweiz. Theologiestudium, Ge-           bänden. Sie diskutieren, welche
meindepfarrerin, Dekanin, Beauf-         Faktoren den Aufstieg von Frauen in
tragte, Mitglied des Kirchenparla-       Vorständen der Diakonie Deutsch-
ments, Abteilungsleiterin und jetzt      land begünstigen bzw. behindern
also Präsidentin: Wenn auch die          können. «Willkommen in Männer-
Reformierte Kirche die Frauenordi-       land! Karrierekompetenzen für
nation seit 100 Jahren kennt, ist        Frauen», titelt Dr. Hanna Fearns und
meine berufliche Biographie              postuliert unter anderem, dass
immer noch eine Ausnahme-Lauf-           Frauen, wenn sie in einem männlich
bahn für Frauen in der Kirche.           dominierten Umfeld erfolgreich sein
Wie in vielen NPO verdünnt sich          wollen, neben ihren fachlichen,
auch in der Kirche die Frauenbeteili-    methodischen und sozialen Kompe-
gung von unten nach oben.                tenzen spezifische Karrierekompe-
Frauen engagieren sich überdurch-        tenzen benötigen.
schnittlich als Freiwillige, sei es in   Seit meiner Wahl sind fünf weitere
den Angeboten für Kinder und             Frauen an die Spitze von Mitgliedkir-
Jugendliche, beim Besuchsdienst          chen gewählt worden, acht der 25
für Betagte oder in der Arbeit zur       Mitgliedkirchen der EKS werden
Integration von Geflüchteten.            mittlerweile von Frauen geleitet. Das
Der Pfarrberuf wird mittlerweile von     ist gut. Aber noch nicht gut genug.
fast gleich vielen Frauen wie Män-       Unsere Beispiele wie auch die Erfah-
nern ausgeübt.                           rungen vieler anderer Frauen sind
Kommt es dann zur Besetzung von          wichtig für das Bewusstsein, dass
Ehrenämtern und Leitungsfunktio-         Frauen Leitung können. Die Bilder
nen in der operativen und                und Porträts von Geschäftsführerin-
strategischen Führung der Kirche         nen und Präsidentinnen deutsch-
kehren sich die Verhältnisse ins         sprachiger NPO in diesem Heft sind
Gegenteil: Je mehr Verantwortung         ein schöner Beitrag dazu.
und Macht mit der Position verbun-       Ich wünsche Ihnen eine spannende
den ist, desto öfter wird sie männ-      Lektüre!
lich besetzt.
Was tun, damit Frauen in der Kir-        Rita Famos
chen- und NPO-Leitung generell
stärker vertreten sind? In dieser
Nummer der VM Fachzeitschrift            Präsidentin der Evangelisch-
kommen Fachexpertinnen genau zu          reformierten Kirche Schweiz

                                         Editorial
Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen
Karin Stuhlmann und Philipp Erpf                         Hanna Fearns

Frauen führen Nonprofit-                                 Karrierekompetenzen für
Organisationen – na und?                                 Frauen – Willkommen im
                                                         Männerland!

6                                                        12
             Der Beitrag zeigt die unterschiedlichen                    Historisch bedingt weisen (Nonprofit-)
             emotionalen Reaktionen zum Thema                           Organisationen eine weitgehend männ-
             Female Leadership. Dann beleuch-                           lich geprägte Organisationskultur auf.
             tet er das Thema aus einem praxis-                         Frauen brauchen daher spezifische
             orientierten und erfahrungsbasierten                       Karrierekompetenzen, wenn sie in
             Standpunkt und legt dar, weshalb sich                      «Männerland» erfolgreich sein wollen.
             NPO unbedingt damit beschäftigen                           In diesem Beitrag wird ein praxiser-
             sollten.                                                   probtes Kompetenzmodell vorgestellt.

Luisa Wagenhöfer und Martina Schott                      Susanne Kirchhoff-Kestel und Tamara Morgenroth

Erfolgsfaktoren eines Führungs- Frauen in Vorständen der
wechsels mit Gender Change      Diakonie – Erfolgsfaktoren und
                                Stolpersteine

22           Der Beitrag befasst sich mit den Erfolgs-
             faktoren der Führungsnachfolge mit          34             Der Beitrag untersucht Erfolgsfakto-
                                                                        ren von Frauen in Führungspositionen
             Gender Change in deutschsprachigen                         in Wohlfahrtsverbänden. Auch wenn
             NPO. Eine Befragung von sechs Frauen                       Quoten als Türöffner für Frauen in Füh-
             in Leitungsfunktionen zeigt, dass die                      rungspositionen dienen können, sind
             grössten Herausforderungen Sexismus                        weitere Massnahmen in Organisationen
             im Alltag, nicht gemanagter Führungs-                      und Wohlfahrtsverbänden notwendig,
             kulturwandel und vorurteilsbelasteter                      um Stolpersteine für Frauen zu besei-
             Umgang mit Mutterschaft darstellen.                        tigen.

Martina Schott                                           Isabelle von Muralt

Erfolgreiches Gendermanage-                              La place des femmes dans le
ment zur Zukunftssicherung                               domaine associatif
von Sportvereinen

44           Sinkende Mitgliederzahlen und gerin-
             ger werdende Bereitschaft ehrenamt-         52             Face à la persistance de certains
                                                                        stéréotypes et discriminations de
             liche Arbeit zu leisten erhöhen den                        genre, nous sommes d’avis que la mise
             Wandlungsdruck, dem Sportvereine                           en œuvre de nouveaux modes de
             zunehmend unterliegen. Seit 2017                           gouvernance peut contribuer à plus
             praktiziert die Rudergesellschaft                          d’inclusion et d’égalité entre les genres
             Speyer 1883 e.V. bewusst inkrementel-                      dans le domaine associatif et du
             les Changemanagement, um dieser                            bénévolat. Mais il est avant tout indis-
             Herausforderung zu begegnen und ist                        pensable de reconnaître l’existence
             dabei überaus erfolgreich.                                 des inégalités aussi discriminantes.
Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen
Toni Schlegel und Michel Zumwald                        Jordan Kestle

Lohngleichheitsanalyse –                                Managementwerkzeuge für die
gleicher Lohn für gleiche Arbeit                        Praxis – Balanced Scorecard für
                                                        Nonprofit-Organisationen

58          Gleiche Arbeit = gleicher Lohn. Um
            dieses Ziel zu erreichen, wurde im          62              Für Organisationen ohne umfassendes
                                                                        Monitoring erweist sich die Balanced
            Bundesgesetz über die Gleichstellung                        Scorecard als multifunktionales Ma-
            von Frau und Mann die Pflicht der                           nagementinstrument, das gleichzeitig
            Lohngleichheitsanalyse gesetzlich                           operative Planungs-, Controlling- und
            verankert. Doch was bedeutet dies                           Qualitätsmanagement-Funktionen
            nun für die Arbeitgebenden?                                 erfüllt sowie als Bindeglied zur strategi-
                                                                        schen Ebene fungiert. Auch von Non-
                                                                        profit-Organisationen (NPO) kann die
                                                                        Balanced Scorecard mit wenigen Anpas-
Jeannette Behringer
                                                                        sungen genutzt werden, um Strategien
Passive Kirchenmitglieder –                                             in die operative Planung zu integrieren.

das ungehobene Potenzial

66          Dieser Aufsatz erörtert erste Zwischen-
            ergebnisse eines Projekts, das sich zum
            Ziel gesetzt hat, das Thema Kirchenmit-
            gliedschaft aus der Sicht verschiedener
            Anspruchsgruppen anzugehen. Dabei
            steht zunächst die Erfassung und Be-
            schreibung des Verhältnisses zwischen
            Kirchen und ihren -Mitgliedern aus der
            Sicht passiver Mitglieder im Vordergrund.
            Die Ergebnisse der Studie, durchgeführt                     Impressum
            bei Mitgliedern der reformierten Kirch-
            gemeinde Zürich, zeigen u.a. dass Kirche                    Redaktion:      Luisa Wagenhöfer

            als Ausdruck von Wertegemeinschaft                                          redaktion@vmi.ch

            wahrgenommen wird.                                          Layout:         Luisa Wagenhöfer
                                                                                        media f SA

                                                                        Herausgeber:    Verbandsmanagement Institut (VMI)
                                                                                        Universität Freiburg /CH

                                                                        Titelfoto:      Dominik Wunderli
                                                                        Fotomaterial:   Thema «Frauen in NPO»

                                                                        Adresse:        VMI Bd de Pérolles 90
                                                                                        CH-1700 Freiburg
                                                                                        Tel. +41 (0)26 300 84 00

                                                                        Internet:       www.vmi.ch, info@vmi.ch

                                                                        Jahrgang:       47. Jahrgang

                                                                        ISBN:           978-3-909437-62-7

                                                                        ISSN:           1424-9189
Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen
Praxisbeitrag

Frauen führen Nonprofit-
Organisationen – na und?
Karin Stuhlmann und Philipp Erpf

                          «Frauen sind die besseren Führungs-       in manchen NPO auch gestritten bzw.
                          kräfte»1, tituliert die Handelszeitung.   darauf gereizt reagiert.
                          «Warum soll es einen Unterschied          Das erste Motiv ist das politisch-ideel-
                          geben? Ob Mann oder Frau – CEO ist        le. NPO, die sich aus ihrer Zweckset-
                          CEO»2, widerspricht die NZZ. Prak-        zung und ihrer Mission heraus der
                          tisch im Wochentakt erscheinen            Verringerung gesellschaftlicher Un-
                          Medienbeiträge zum Thema «Frauen          gleichheit und der Herstellung von
                          in Führungspositionen». Das Thema         Chancengleichheit widmen, suchen
                          scheint «heiss» zu sein, wie es auch      Frauen für Führungspositionen vor
                          die aktuelle Ausgabe des VM Maga-         allem darum, weil dies ihren Werten
                          zins zeigt. Und «heiss» bedeutet in       entspricht. Es gilt unterrepräsentierte
                          der gefühlten Realität, dass mit dem      Gesellschaftsgruppen zu integrieren,
                          Thema ein ganzes Spektrum an              und zu denen gehören Frauen in
                          Emotionen – von Ärger und Frustra-        Führungspositionen heute immer
                          tion, über Unverständnis bis zu Lei-      noch.
                          denschaft – verbunden ist.                Das zweite Motiv sucht nach ökonomi-
                          Weshalb wird in vielen Nonprofit-Or-      schen Vorteilen:
                          ganisationen (NPO) über diese The-        1. Fachkräftemangel kompensieren:
                          matik debattiert und gestritten?              Sind Führungsfunktionen schwer
                          Weshalb können es die einen «nicht            zu besetzen, weil die Bewerberliste
                          mehr hören», während andere finden,           kleiner wird oder limitiert ist, dann
                          dass «wir noch noch viel mehr darü-           ist es eine naheliegende Strategie,
                          ber sprechen müssten»? Dieser                 vermehrt Frauen anzusprechen.
                          Beitrag versucht erst, diese unter-           Durch die Ausweitung der Zielgrup-
                          schiedlichen emotionalen Reaktionen           pen erhofft man sich, den Mangel
                          zu verstehen. Dann, und dies ist der          zu kompensieren.
                          Kern, versucht er das Thema aus           2. Vorteile von «Diversity» nutzen: In
                          einem praxisorientierten und erfah-           den letzten Jahren erhärtete sich
                          rungsbasierten Standpunkt zu be-              die Erkenntnis, dass gemischte
                          leuchten und darzulegen, weshalb              Teams3 erfolgreicher sind als
                          sich NPO unbedingt damit beschäfti-           homogen zusammengesetzte.4
                          gen sollten und welche konkreten              Auch dies ist ein ökonomisches
                          Handlungsempfehlungen dabei                   Motiv, um Frauen für Führungsauf-
                          dienlich sind.                                gaben zu finden.
                                                                    3. Imagegewinn anstreben: Je nach
                          Viele NPO wünschen sich mehr Frauen           Positionierung bzw. Employer
                          in Führungspositionen. Diesem                 Branding platzieren NPO Frauen in
                          Wunsch liegen zwei unterschiedliche           ihrer Führungsetage, um ihr Image
                          Motive zugrunde. Da sich diese Motive         positiv zu beeinflussen. Durch ein
                          unter Umständen widersprechen, wird           «frauenfreundliches Image» stei-

6                                                                   Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen
Gabriela Fontana, Präsidentin des Schweizerischen Verbands der Ernährungsberater/innen und Absolventin des Diplomlehrgangs

                                        gern sie bei gewissen Zielgruppen                 tionen mit Frauen zu besetzen, weil
                                        Anerkennung und Sympathie und                     man sich ökonomische Vorteile erhofft.
                                        gewinnen so Mitglieder, Spenderin-
                                        nen und Spender, Kooperations-                    Aber warum findet man kaum Frauen
                                        partner bzw. -partnerinnen und                    für Führungspositionen?
                                        Mitarbeitende.                                    Diese Frage verdient mehrere Antwor-
                                    Nun können aber ökonomische Motive                    ten und auch eine Gegenfrage.
                                    im Widerspruch mit den politisch-                     Wenn Frauen sich auf Führungsposi-
                                    ideellen Zielen einer NPO stehen.                     tionen bewerben, haben sie geringere
                                    Beispielsweise möchte eine NPO einen                  Chancen die Zusage zu erhalten oder
                                    Fragekräftemangel kompensieren und                    befördert zu werden. Unserer Erfah-
                                    gezielt Frauen auf dem Arbeitsmarkt                   rung nach werden Kandidatinnen und
                                    ansprechen, distanziert sich aber                     deren Dossiers nicht zwingend kriti-
                                    bewusst von «links-feministischer                     scher geprüft, häufig aber mit anderen
                                    Politik». In diesem Fall kommt es zu                  Augen betrachtet. Konkret werden mit
                                    einem Zielkonflikt, weshalb daraus                    einer Person aufgrund ihres Ge-
                                    organisationsintern ein «Reizthema»                   schlechts bestimmte Eigenschaften
                                    entsteht. Um die Debatte zu versach-                  assoziiert. Dies tun wir oft unbewusst
                                    lichen, hilft es, sich des Zielkonflikts              und sowohl bei Männern als auch bei
                                    bewusst zu werden und ihn aktiv                       Frauen.5 Da nun die Führungsrolle
                                    anzusprechen und aufzulösen. So wie                   traditionell mit maskulinen Eigen-
                                    es legitim ist aus Gleichstellungsmoti-               schaften wie beispielsweise Durchset-
                                    ven Frauen zu befördern, so ist es                    zungskraft und Willensstärke verbun-
                                    gleichermassenlegitim Führungsposi-                   den wird, werden Kandidaten – sofern

7                                                                                         Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen
sie maskulin auftreten – mit höherer                  rung des Dossiers geschehen: Entkop-
                                   Wahrscheinlichkeit angestellt. Man                    peln Sie den Lebenslauf vom Ge-
                                   könnte meinen und es liegt auf der                    schlecht, in dem Sie beispielsweise
                                   Hand, Frauen zu empfehlen, ebenfalls                  dem Auswahlgremium Kandidierende
                                   maskulin aufzutreten und ihre Willens-                ohne Namen und Bild vorlegen. Und
                                   stärke und Durchsetzungskraft zu                      schulen Sie sich in der Erkennung von
                                   demonstrieren. Doch leider funktio-                   so genanntem Gender-Bias.8
                                   niert dies nicht, denn die gleiche                    Hinzu kommen strukturelle (gesell-
                                   Verhaltensweise wird bei verschiede-                  schaftliche) Hürden, die hauptsächlich
                                   nen Geschlechtern anders wahrge-                      Mütter betreffen. Sobald so genannte
                                   nommen: So wirkt Kandidat X selbst-                   «Care-Arbeit» zur Erwerbsarbeit
                                   bewusst und Kandidatin Y arrogant.                    hinzukommt, erschweren strukturelle
                                   Frauen, die männlich auftreten,                       Rahmenbedingungen wie sie v.a. in der
                                   schneiden schlechter ab als Männer,                   Schweiz noch gegeben sind (z. B.
                                   die männlich auftreten, und weiblich                  fehlende Tagesschulen), die Vereinbar-
                                   auftretende Frauen werden als am                      keit, und zwar grundsätzlich für beide
                                   wenigsten kompetent wahrgenom-                        Elternteile. Viele Paare lösen diese
                                   men.6                                                 Herausforderungen, indem jener
                                   Unsere Empfehlung:7 Setzen Sie sich                   Elternteil mit dem geringeren ökono-
                                   in Ihrer Organisation mit den inneren                 mischen Einkommen, den grösseren
                                   Bildern der Geschlechterrollen be-                    Teil der Care-Arbeit übernimmt: meist
                                   wusst auseinander. Klären Sie Ihre                    ist dies die Mutter – und dies ist auch
                                   Erwartungen an eine künftige Füh-                     das gesellschaftlich akzeptierte Mo-
                                   rungskraft und prüfen Sie, ob diese                   dell. Dies bedeutet, dass sie auf Teil-
                                   wirklich traditionell maskuline Eigen-                zeitarbeit oder andere Möglichkeiten
                                   schaften mitbringen muss? Ein Anfang                  der Vereinbarkeit angewiesen ist. NPO,
                                   kann hier auch durch die Anonymisie-                  die Frauen (bzw. Mütter oder eben

Evelyn Mischler, Geschäftsführerin EXPO EVENT Swiss LiveCom Association und Absolventin des Diplomlehrgangs

8                                                                                        Fusszeile
Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen
Eltern) in Führungspositionen wün-         menden Ablösung von autoritär-charis-
    schen, müssen sich mit der Vereinbar-      matischer durch partizipativ-kooperati-
    keit zwingend auseinandersetzen und        ve Führungskultur. Wie zeigt sich nun
    Modelle wie beispielsweise TopSharing      typisch weibliche Führung?
    anbieten.                                  Medial wird die Idee verbreitet, dass
    Nach diesen Antworten nun zur ange-        Frauen die erfolgreicheren Führungs-
    kündigten Gegenfrage: «Weshalb finden      personen seien: So hätten von Frauen
    Sie in Ihren Organisationen keine          geführte Länder die Covid-19-Pande-
    Frauen für Führungspositionen?»            mie besser bewältigt9 oder wie ein-
    Vielleicht haben Sie bislang tatsächlich   gangs zitiert, seien Frauen die besseren
    Kandidatinnen aufgrund von Gender-         Führungskräfte. Dem ist nicht so, denn
    Bias ausselektioniert. Eventuell haben     es zeigen sich keine wissenschaftlich
    sie keine Arbeitsmodelle angeboten,        erhärteten Unterschiede zwischen
    die Care- und Erwerbsarbeit auch in        männlichen und weiblichen Führungs-
    Führungsfunktionen vereinbaren             kräften.10
    lassen. Auch wenn Sie unseren Hand-        Im Einzelfall mag es vorkommen, dass
    lungsempfehlungen folgen, kann es          manche Frauen aufgrund ihrer Soziali-
    sein, dass Sie keine Frauen finden, und    sation typisch feminine Eigenschaften
    dies sogar in Branchen, bei denen der      aufweisen. Umgekehrt gibt es durchaus
    Frauenanteil gross ist. Dies kann daran    auch maskulin führende Männer. Doch
    liegen, dass Sie kein Mittelmass akzep-    diese Unterschiede im Einzelfall lassen
    tieren. Wir wissen aufgrund statisti-      sich nicht systematisch und evidenzbe-
    scher Zahlen und durch Eigenerfah-         zogen bestätigen. Sie sind auch nicht
    rung, dass heutzutage sehr viele           relevant, denn neben dem Geschlecht
    mittelmässige Männer Führungsposi-         gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die
    tionen bekleiden. Ein hoher Anteil an      das Verhaltensrepertoire, die Persön-
    Männern ist nur möglich, wenn man          lichkeit und den Führungsstil einer
    Spitzenselektion gelinde gesagt «gross-    Person ausmachen. Die Frage nach
    zügig» auslegt. Und genau das sollten      typisch weiblicher (oder männlicher)
    Sie auch tun, wenn Sie mehr Frauen in      Führung überhöht das Geschlecht und
    Führungspositionen wünschen. Selbst-       blendet andere und relevantere Einflüs-
    verständlich streben Sie an, nur best-     se aus.
    qualifizierte Kandidatinnen und Kandi-     Dennoch ist Female Leadership als
    daten einzustellen. Aber wenn Sie bei      Konzept insofern nützlich und transfe-
    Frauen nicht die gleichen Risiken          rierbar, als dass es eine Führungskultur
    eingehen wie bei Männern, werden Sie       beschreibt, die Eigenschaften wie
    den Frauenanteil nicht substanziell        Empathie den klassischen Führungs-
    erhöhen können, denn sie sagen mittel-     anforderungen wie Durchsetzungskraft
    mässigen Frauen ab, während Sie den        gleichsetzt. Wir empfehlen jedoch das
    Platz einem mittelmässigen Mann            Konzept nicht mit den geschlechtsbe-
    überlassen.                                zogenen Adjektiven zu verstehen, denn
                                               «feminin» ist dies nicht. Es sind schlicht
    Female Leadership – und wie zeigt          und einfach Kompetenzen, die aus
    sich typisch weibliche Führung?            einem partizipativ-kooperativen Füh-
    Female Leadership ist ein Trend, der       rungsverständnis entspringen. Sowohl
    positive feminine Eigenschaften wie        Männer als auch Frauen können diese
    Empathie und Kooperation in den            Eigenschaften mitbringen.
    Fokus rückt. Dies passt zu der zuneh-

9                                              Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Die weibliche Seite von Nonprofit-Organisationen
Fazit                                                           Fussnoten

1. Es gibt unterschiedliche Gründe und Motive,                  1    Loos, M. (2021): Frauen sind die besseren Führungskräfte. Handelszeitung online,
                                                                     01.09.2021.
   Frauen für Führungspositionen zu gewinnen.                   2    Branschi, S. (2021): Warum soll es einen Unterschied geben? NZZ online,
                                                                     01.09.2021.
   Deshalb ist es nicht sachdienlich, abwehrend auf             3    Selbstverständlich orientiert sich «Diversity» nicht «nur» an der Zweigeschlecht-
                                                                     lichkeit. Da letztere jedoch Hauptthema dieses Beitrags ist, wird der Fokus darauf
   das Thema zu reagieren, sondern allfällige Ziel-                  gerichtet.

   konflikte aufzulösen und in dieser Diskussion                4    Rock, D. & Grant, H. (2016): Why Diverse Teams Are Smarter, Harvard Business
                                                                     Review online, 01.09.2021.
   eine Chance zu erkennen.                                     5    Auf das dritte Geschlecht wird bewusst nicht fokussiert, da wir uns hier auf die
                                                                     gesellschaftlich konstruierte Zweigeschlechtlichkeit beziehen.
2. Auf dem Weg Frauen für Führungspositionen zu                 6    Phelan, J. E., Moss-Racusin, C. A., & Rudman, L. A. (2008): Competent yet out in
                                                                     the cold: Shifting criteria for hiring reflect backlash toward agentic women.
   gewinnen, müssen überholte Beurteilungskrite-                     Psychology of Women Quarterly, 32(4), S. 406–413.

   rien und strukturelle Hürden umschifft werden.               7    Unsere Empfehlungen richten sich in diesem Beitrag bewusst an Organisationen.
                                                                     Empfehlungen und Coachings für Frauen, die sich für Führungspositionen
   Hier gilt salopp gesagt: «Ohne Fleiss kein Preis.»                interessieren und bewerben bzw. in Führungspositionen sind, können beim
                                                                     AutorInnenduo individuell angefragt werden.
3. Frauen sind auch nur Menschen. Sie führen ihre               8    Siehe hierzu: Striebing, C. (2021): Karriere-Killer Gender Bias. Fraunhofer IAO
                                                                     online, 02.09.2021.
   Führungsposition mit mehr oder weniger Sach-                 9    Loos, M. (2020): Führen Frauen besser durch die Corona-Krise? Handelszeitung
                                                                     online, 02.09.2021.
   verstand aus – genauso wie Männer auch. In der               10   Goetzke, L. (2021): Female Leadership: Braucht Führung ein Geschlecht? Neue
   Selektion und Bewertung sind also die gleichen                    Narrative online, 02.09.2021.

   Massstäbe anzusetzen.
4. Female Leadership ist zwar im Trend, aber als
   Konzept vorallem nützlich und transferierbar, um
   Eigenschaften wie Empathie den klassischen
   Führungsanforderungen wie Durchsetzungskraft
   gleichzusetzen. Männer wie Frauen können diese
   Eigenschaften aufweisen.

Karin Burkhalter-Stocker, Vizepräsidentin des Vereins Kiebitz

10                                                                                     Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Die Autorin und der Autor

                Karin Stuhlmann / karin.stuhlmann@bvmberatung.net
                Dr. Karin Stuhlmann studierte Psychologie und Pädagogik an der Universität
                Zürich und ist Absolventin des Diplom-Lehrgangs Verbands-/NPO-Management
                am Institut für Verbandsmanagement (VMI). 2009 stieg sie als Beraterin bei der
                internationalen Beratungsgruppe für Verbands-Management (B’VM) ein und
                wurde 2012 Partnerin. 2010 übernahm sie im Mandat die Geschäftsführung des
                Schweizerischen Verbands der Ernährungsberater/innen (SVDE). Seit 2020 ist
                sie Geschäftsführerin der B’VM.

                Philipp Erpf / philipp.erpf@vmi.ch
                Dr. Philipp Erpf ist Ko-Direktor des VMI. Nebst seiner Geschäftsführungsfunktion
                ist er verantwortlich für den Weiterbildungsbereich des Instituts. In seiner
                Forschungs- und Lehrtätigkeit widmet er sich Social Entrepreneurship sowie
                unternehmerischer Führung in Nonprofit-Organisationen. Zuvor war er Organisa-
                tionsberater in Bern, Zug und München sowie Medien- und Kommunikations-
                trainer.

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Praxisbeitrag

Karrierekompetenzen für Frauen –
Willkommen in Männerland!
Hanna Fearns

                Historisch bedingt weisen (Nonpro-           wohnt bin – und stelle mich darauf ein.
                fit-) Organisationen eine weitgehend         Auch innerhalb eines Landes gibt es
                männlich geprägte Organisationskul-          grosse Unterschiede in Werten und
                tur auf, da sie oft von männlichen           Verhaltensweisen verschiedener
                Entscheidern gegründet und geleitet          Gruppen, es gibt Subkulturen, die
                wurden und werden. Die männliche             wiederum ihre eigenen Gepflogenhei-
                Ausprägung der Organisationskultur           ten haben. In einem Fussballclub
                ist den Menschen in der Organisation         herrscht eine andere Kultur als in einer
                häufig nicht bewusst. Frauen brau-           Stiftung für moderne Kunst. Die aktu-
                chen daher spezifische Karrierekom-          elle Jugendkultur ist Älteren häufig
                petenzen, wenn sie in «Männerland»           fremd und ganz anders als die Kultur
                erfolgreich sein wollen. In diesem Bei-      der Generation 50+. Und auch Frauen
                trag wird ein praxiserprobtes Kompe-         und Männer lernen von klein auf, dass
                tenzmodell vorgestellt, das aufzeigt,        für sie unterschiedliche Verhaltensre-
                welche Kompetenzen erforderlich              geln, Werte und Normen gelten. Und
                sind, warum sie so wichtig sind und          so entsteht - ohne dass uns das be-
                wie sie gezielt aufgebaut werden.            wusst ist - eine weiblich und eine
                                                             männlich geprägte Kultur innerhalb
                Wie bereiten Sie sich auf einen Aus-         unserer Gesellschaft.
                landsaufenthalt vor? Besorgen Sie sich
                einen Reiseführer? Lernen Sie ein paar       Unterschiede zwischen männlicher
                Brocken der fremden Sprache, um im           und weiblicher Kultur
                Restaurant bestellen zu können? Oder         In der Werbung, im Fernsehen und in
                fragen Sie vielleicht Bekannte, die          (Schul-)Büchern werden diese meist
                schon dort waren, auf was Sie achten         stereotypen Rollenbilder gezeigt, die
                müssen? Sprache, Gepflogenheiten,            vermitteln, wie «man» (oder eben
                Rituale, Verhaltensregeln – die Kennt-       «frau») sich verhält oder angeblich
                nis dieser Kulturaspekte erleichtert es      verhalten sollte. So bildet sich neben
                uns, im Ausland gut zurecht zu kom-          den angeborenen Unterschieden
                men.                                         zwischen Männern und Frauen von
                Dass wir selbst kulturell geprägt sind       klein auf durch Erziehung, Schule und
                und gemäss unserer Werte, Normen,            das alltägliche Erleben in unserer
                Verhaltensweisen und Vorlieben leben,        Gesellschaft eine sozial gelernte
                ist uns in der Regel nicht bewusst. Ich      weibliche und eine sozial gelernte
                fühle mich als Deutsche in Deutschland       männliche Kultur heraus - mit klaren
                nicht «typisch Deutsch». Wenn ich            Werten, Normen und Rollenbildern.
                jedoch ins Ausland reise, spüre ich an       Diese Rollenbilder haben wir alle so
                vielen Stellen leichte bis schwere Irrita-   verinnerlicht, dass wir sie als selbst-
                tionen, wenn Menschen um mich herum          verständlich annehmen.
                sich anders verhalten, als ich es ge-

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Jacqueline Schneider, Geschäftsführerin der Frauenzentrale St. Gallen und Absolventin des Diplomlehrgangs

                                    Von Mädchen oder Frauen werden in                       Zugehörige einer weiblichen oder
                                    unserer Gesellschaft in der Regel                       männlichen Kultur weisen wir als
                                    andere Kommunikations- und Verhal-                      Gruppe bestimmte Kulturmerkmale
                                    tensweisen erwartet als von Jungen                      und kulturell geprägte Verhaltenswei-
                                    oder Männern. In einer männlich                         sen auf. Und obwohl uns die Auswir-
                                    geprägten Kultur ist es daher bei-                      kungen der eigenen kulturellen Prä-
                                    spielsweise akzeptiert, eher laut zu                    gung meist nicht bewusst sind, haben
                                    sein, eine gewisse Aggressivität zu                     sie doch entscheidenden Einfluss für
                                    zeigen, vieles als Wettkampf zu sehen.                  das erfolgreiche Agieren im berufli-
                                    In einer weiblichen Kultur geht es                      chen Kontext.
                                    meist leiser zu, Konflikte werden
                                    weniger offen ausgetragen – das                         Organisationskultur ist männlich
                                    Kommunikationsverhalten in der                          Machen wir uns bewusst: historisch
                                    Gruppe unterschiedet sich ebenso wie                    bedingt wurden die allermeisten
                                    die Gesprächsthemen oder die Es-                        Organisationen (Unternehmen, Ver-
                                    sensvorlieben.                                          bände, Vereine usw.) von Männern
                                    Es gibt viele Veröffentlichungen über                   gegründet. Sie wurden und werden
                                    diese Unterschiede, beispielsweise                      auch heute noch weitgehend von
                                    dazu, warum Frauen nicht einparken                      männlichen Entscheidern geleitet und
                                    und Männer nicht zuhören.1 Wichtig ist                  damit gestaltet.2 Männliche Entschei-
                                    zu verstehen, dass es bei diesen                        der handeln nach den Werten, Normen
                                    Zuordnungen nicht darum geht, dass                      und Verhaltensregeln einer männli-
                                    «alle Frauen so» und «alle Männer so»                   chen Kultur. Deshalb ist das, was wir
                                    sind. Wir alle sind einzigartig. Aber als               heutzutage als Unternehmens- oder

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Organisationskultur vorfinden, in der        bietet. Die Massnahmen zu Verände-
     Regel nicht gender-neutral sondern           rung setzen damit auf individueller,
     männlich geprägt.                            struktureller und kultureller Ebene an.5
     Wenn Frauen nach Schule und Ausbil-          Bei der Gestaltung gender-gerechter
     dung ins Berufsleben einsteigen, betre-      Prozesse und Routinen fällt Führungs-
     ten sie also eine fremde Kultur, die         kräften und dem Personalbereich eine
     ihnen allerdings als «normal» und als        zentrale Rolle zu. Ganz besondere
     «das macht man so im Business»               Aufmerksamkeit muss auf die Prozesse
     vermittelt wird. Denn weder den Män-         der Personalrekrutierung, der Beförde-
     nern noch den Frauen ist in der Regel        rungspraktiken, der Auswahl für Weiter-
     bewusst, dass die Kultur ihrer Organi-       bildungen und die Vergabe wichtiger
     sation männlich geprägt ist. Doch die        Projekte gerichtet werden.
     formalen und informellen Regeln, die         Allerdings wissen wir alle, dass der
     Prozesse und Strukturen wurden von           Kulturwandel einer Organisation ein
     Männern gestaltet. Selbst Bürostühle         langsamer und auch ein langfristiger
     sind gemacht für einen «normalen»            Veränderungsprozess ist. Und da es bei
     Menschen und dieser «normale»                den Aspekten weiblicher und männli-
     Mensch wird in unserer Gesellschaft als      cher Kultur um stark gesellschaftlich
     männlich definiert.3                         verankerte Denkmuster und unbe-
     Daher heisst es für Frauen beim Berufs-      wusste Verhaltensweisen geht, fällt die-
     einstieg: «Willkommen in Männerland!»,       ser Wandel besonders schwer. Dies
     ohne dass sie auf die Besonderheiten         kann man in der aktuellen Praxis deut-
     dieses Landes vorbereitet sind.              lich sehen. Trotz des Willens zur Verän-
     Wir brauchen kulturellen Wandel              derung herrscht oft Unsicherheit über
     Lange Zeit galt für eine bessere Gen-        die Herangehensweisen und geeigne-
     der-Balance mit einer paritätischen          ten Massnahmen.
     Verteilung von Frauen und Männern auf        Neben Trainings und Workshops für alle
     allen hierarchischen Ebenen der Ge-          Mitarbeiter_innen und Führungskräfte
     staltungsansatz, Frauen besonders zu         zur Erhöhung der individuellen Gender-
     fördern, damit sie Karriere machen           kompetenz aller ist meiner Ansicht
     können. Zu Recht wurde und wird              nach der gezielte Aufbau von spezifi-
     dieser Ansatz kritisiert, weil er sugge-     schen Karrierekompetenzen der Frauen
     riert, Frauen hätten Defizite, die man       nach wie vor der Schlüssel zu einem
     mit Fördermassnahmen ausgleichen             erfolgreichen und vor allem schnellen
     muss.4                                       Start in Richtung Gender-Balance der
     Der erfolgreichere Weg ist es jedoch,        Organisation.
     die Genderkompetenz aller zu erhöhen,
     egal ob Mann oder Frau, und gemein-          Karrierekompetenzen für Frauen – ein
     sam aktiv an der Veränderung der             erprobtes Modell
     Organisationskultur zu arbeiten. Gleich-     Frauen benötigen, wenn sie in männlich
     zeitig ist es wichtig, auch die Strukturen   geprägten Organisationen erfolgreich
     und Prozesse daraufhin zu untersu-           sein möchten, spezielle Karrierekom-
     chen, ob sie gender-neutral sind oder        petenzen. Nicht, weil sie Defizite ha-
     diskriminierend wirken («fix the sys-        ben, sondern weil sie, wenn sie Karriere
     tem»).                                       machen wollen, ihr weiblich geprägtes
     Auf diese Weise lässt sich Schritt für       Verhalten vor dem Hintergrund der
     Schritt eine Kultur schaffen, die Män-       männlich geprägten Organisationskul-
     nern und Frauen gleiche Chancen              tur reflektieren und bewusst gestalten

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müssen. Sonst scheitern sie in Männer-      aufgebaut wird, scheitert die Umset-
     land. Auf der Basis einschlägiger Litera-   zung.
     tur und meiner langjährigen Erfahrung       Im mittleren Ring des Modells sind die
     im Training und Coaching von Frauen in      Handlungskompetenzen abgebildet.
     Führungspositionen habe ich die             Diese umfassen die strategische
     spezifischen Karrierekompetenzen            Lebens- und Karriereplanung, Selbst-
     definiert und das folgende Modell der       marketing, Networking sowie die
     Karrierekompetenzen für Frauen              Durchsetzungs- und Verhandlungs-
     entwickelt (siehe Abbildung).               kompetenz. Viele Ratgeberbücher für
                                                 Frauen geben Tipps zu diesen Hand-
     Selbstführungskompetenz als Schlüssel       lungskompetenzen.6 Für den Karriere-
     Im Kern meines Modells steht die            erfolg entscheidend ist jedoch die
     Selbstführungskompetenz. Sie be-            Umsetzung der Tipps im Alltag. Und
     inhaltet die Fähigkeit, sich selbst zu      diese Umsetzung gelingt ohne gute
     reflektieren, unbewusste Denk- und          Selbstführungskompetenz nur schwer.
     Verhaltensmuster zu identifizieren, kri-
     tisch zu hinterfragen und gegebenen-        Family Fog oder strategische Lebens-
     falls zu verändern. Auch die Steuerung      und Karriereplanung?
     innerer Dialoge, der Umgang mit             Männer und Frauen haben unter-
     Selbstzweifeln, Klarheit über die           schiedliche Planungshorizonte bei
     eigenen Ziele und die Fähigkeit, sich       ihrer Karriereplanung. Schon als
     selbst für die Umsetzung zu motivie-        Assistentin an der Universität fiel mir
     ren, gehören zur Selbstführungskom-         auf, dass viele der männlichen Studen-
     petenz. Sie ist die zentrale Schlüssel-     ten eine Karriereplanung mit einem
     kompetenz, denn wenn sie nicht              Planungshorizont von ca. 20 - 25

                                                                                   © Dr. Hanna Fearns

                                                 Abbildung: Modell der Karrierekompetenzen

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Jahren hatten, also bis zu einem          nicht zu sehr in den Vordergrund zu
     Lebensalter von Ende 50 planten.          spielen. Ein Mädchen, dass dieses
     Danach gab es oft die Idee, sich auf-     «angeberische» oder «protzige» Ver-
     grund des grossen beruflichen Erfol-      halten zeigt, läuft Gefahr, aus der
     ges mit sehr viel Geld zur Ruhe zu        Gruppe ausgeschlossen zu werden.
     setzen. Die Studentinnen planten          Mädchen und Frauen bevorzugen
     dagegen nur ihre erste Einstiegsposi-     kulturbedingt eine eher «horizontale»
     tion und eventuell einen weiteren         Kommunikation, die sich schon früh
     Karriereschritt gedanklich voraus, ihr    im Spielverhalten zeigt: Die Mädchen
     Planungshorizont lag also nur bei ca.     spielen Alltagssituationen nach, z. B.
     drei bis sieben Jahren! Ich nenne         Kaufladen oder Puppenspiele, in
     dieses Phänomen «Family Fog» – den        denen Kommunikation eine andere
     Familien-Nebel, da bei den jungen         Rolle spielt als bei den Spielen der
     Frauen die Planung ab dem Lebens-         Jungen. Jungen bevorzugen wettbe-
     alter von 30 Jahren nebulös wurde. Die    werbsorientierte Spiele mit klaren
     Vorstellung bei den meisten war: nach     Gewinnern und Verlierern. In einer
     dem Berufseinstieg und den ersten         männlich geprägten Kultur wird Kom-
     Schritten auf der Karriereleiter «…       munikation insofern eher zur Abgren-
     kommt irgendwas mit Kindern» und          zung und Festlegung einer Rangord-
     damit eine nicht mehr planbare Situa-     nung innerhalb der Gruppe genutzt
     tion, die wahrscheinlich zu einer         («vertikale Kommunikation»), während
     Anstellung in Teilzeit und damit auch     Frauen in ihrem horizontal geprägten
     zu einem Ende der Karriere führt.         Kommunikationsstil Gemeinsamkeiten
     Lebens- und Karriereplanungs-Kom-         und gleichwertige Beziehungen her-
     petenz ermöglicht es Frauen also, sich    stellen.7
     über ihre eigenen, langfristigen Le-      Frauen bevorzugen daher einen
     bens- und Berufsziele bewusst zu          Sprachstil, der sehr verbindlich ist und
     werden. Wenn sie ihren Planungshori-      mit vielen Fragen und Wir-Formulie-
     zont verlängern, können sie ihre ganz     rungen arbeitet (Wollen wir das so
     individuelle Vorstellung einer Balance    machen? Was haltet ihr davon?). Sie
     von Beruf und Familie entwickeln, die     nutzen diese verbindliche Sprache,
     entsprechende Planung vornehmen           obwohl sie vielleicht schon eine ganz
     und dann an die Umsetzung gehen.          klare Vorstellung zum Vorgehen haben.
                                               Dadurch wirken sie aus einer männli-
     Sichtbar werden mit Selbstmarke-          chen Perspektive eher unsicher oder
     ting-Kompetenz                            unentschlossen. Diese Interpretation
     Für den beruflichen Erfolg ist es zent-   ihres Verhaltens widerspricht unserer
     ral, mit den eigenen Leistungen, Stär-    (stereotypen) Vorstellung einer Füh-
     ken und Ambitionen bei wichtigen          rungskraft. Und so besteht die Gefahr,
     Entscheider_innen sichtbar zu wer-        bei Beförderungsentscheidungen
     den, statt darauf zu hoffen, gesehen      leicht übersehen und damit übergan-
     zu werden. Selbstmarketing-Kompe-         gen zu werden.
     tenz beinhaltet die Fähigkeit, diese      Verstärkt wird diese Situation noch
     Leistungen, Stärken und beruflichen       dadurch, dass in der weiblich gepräg-
     Ambitionen zu zeigen und sich für         ten Kultur Ehrgeiz und berufliche
     gute Projekte und Positionen proaktiv     Ambitionen in der Regel vor allem
     anzubieten. In unserer Kultur wird        durch Fleiss gezeigt werden. Das ist
     Mädchen allerdings beigebracht, sich      ein gelerntes Verhalten aus Schule und

16                                             Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Ausbildung: Wer fleissig ist, bekommt                 dabei, die eigenen Vorhaben einfacher
                                    gute Noten und ist somit erfolgreich.                 umzusetzen. Für die Karriere sind
                                    Doch im Berufsleben ist «fleissig sein»               insbesondere gute Netzwerkbeziehun-
                                    allein keine ausreichende Strategie.                  gen zu Unterstützer_innen und Men-
                                    Denn diese Vorgehensweise ist passiv                  tor_innen wichtig.
                                    und vertraut darauf, von anderen gese-                Networking-Kompetenz beinhaltet die
                                    hen und anerkannt zu werden.8                         Fähigkeiten,
                                    Um sichtbar zu werden ist es notwen-
                                                                                          • eine Netzwerkanalyse durchzuführen
                                    dig, über die eigenen Leistungen und
                                                                                            (wer ist ein meinem Netzwerk? Wer
                                    Erfolge offensiv zu sprechen und
                                                                                            fehlt?),
                                    Karrierewünsche deutlich zu benen-
                                                                                          • das Netzwerk gezielt aufzubauen
                                    nen oder sogar einzufordern.
                                                                                            (Beziehungen aufbauen und pflegen),
                                                                                          • die Ressourcen im Netzwerk aktiv zu
                                    Networking Kompetenz
                                                                                            nutzen (das Netzwerk bespielen).
                                    Ein gutes Netzwerk innerhalb der
                                                                                          Frauen und Männer haben gleichermas-
                                    Organisation hat verschiedene Funk-
                                                                                          sen Netzwerke, doch fällt in meinen
                                    tionen. Es versorgt uns mit wichtigen
                                                                                          Trainings immer wieder auf, dass Frauen
                                    Informationen, beispielsweise über
                                                                                          eher private Netzwerke haben und sich
                                    Entwicklungen in der Organisation,
                                                                                          schwer damit tun, ein berufliches,
                                    neue Projekte und Strategien oder frei-
                                                                                          professionelles Netzwerk gezielt aufzu-
                                    werdende Positionen. Ein gutes Netz-
                                                                                          bauen und systematisch zu nutzen.
                                    werk sorgt für sozialen Rückhalt,
                                                                                          Die Hindernisse im professionellen
                                    Austausch und Anerkennung und hilft
                                                                                          Networking im beruflichen Kontext

Yvonne Müller und Ilona Segessenmann, Co-Geschäftsleiterinnen des Elternnotrufs. Ilona Segessenmann ist Absolventin des Diplomlehrgangs.

17                                                                                        Schwerpunktthema: Frauen in NPO
liegen zum einen in der Angst, berech-     starke Leistungsträgerin zu profilieren.
     nend zu wirken und jemanden «nur           Es ist daher wichtig zu wissen, welche
     aus Kalkül» kennen zu lernen und           Durchsetzungs- und Verhandlungs-
     auszunutzen. Diese Angst lässt sich        strategien in welchen Situationen
     durch die Art, wie man Networking          passend sind und zum Ziel führen.
     betreibt, allerdings leicht ausräumen.     Auch die eigenen kulturell bedingten
     Zum anderen ist es für viele Frauen        Barrieren (Konfliktscheue, Gefallen
     eine besondere Schwierigkeit, dass         wollen, Einstellung zur Macht) müssen
     beim Aufbau des Netzwerkes (insbe-         reflektiert werden, um je nach Persön-
     sondere beim Kontaktaufbau mit             lichkeit, Gegenüber und Situation
     männlichen Entscheidern) schnell eine      richtig zu entscheiden. Es zeigt sich
     ungute Doppeldeutigkeit mitschwingt.       beispielsweise in der Praxis, dass
     Viele Frauen nutzen Networking-Gele-       Frauen oft dann besser verhandeln,
     genheiten ausserhalb einer typischen       wenn es um die Sache und nicht um
     Arbeitssituation deshalb nur ungern.       sie selbst und ihre Interessen geht.
     Sie müssen daher ihre individuelle         Grund hierfür ist in der Regel, dass das
     Netzwerkstrategie und ein entspre-         Recht, die eigenen Interessen durch-
     chendes Selbstbewusstsein entwi-           zusetzen, ebenfalls im Konflikt mit
     ckeln, um passend zu ihren Karriere-       dem stereotypen Rollenbild der «für-
     zielen langfristig und strategisch ein     sorglichen, verständnisvollen Frau»
     starkes, professionelles Netzwerk          steht.
     aufzubauen und zu nutzen.                  Beim Durchsetzen und Verhandeln in
                                                einem männlich dominierten Umfeld
     Durchsetzungs- und Verhandlungs-           ist es besonders wichtig, weichma-
     kompetenz                                  chenden Sprachmittel zu vermeiden
     Durchsetzungsstärke und die Fähig-         und sehr klare Botschaften zu sen-
     keit erfolgreich zu verhandeln sind        den.9 Auch die Art des Sprechens ist
     wichtige Kompetenzen für die Karrie-       wichtig: Langsame und tiefe Töne
     re. Ob Gehaltsverhandlung, Aushand-        werden als machtvoll wahrgenommen
     lungsprozesse im Team, Durchsetzen         und eher ernst genommen, als hohe
     der eigenen Standpunkte und Ideen in       Stimme und schnelles Sprechtempo.
     Besprechungen – gerade für die Quali-      Auch körpersprachliche Aspekte sind
     fikation als Führungskraft sind diese      zentral, da sie die verbalen Signale
     Kompetenzen zentral. Für Frauen ist        verstärken oder konterkarieren kön-
     dabei jedoch ein besonderes Finger-        nen.
     spitzengefühl nötig, wenn sie nicht in     Durchsetzungs- und Verhandlungs-
     einen Konflikt zwischen verschiede-        kompetenz bedarf also einer guten
     nen stereotypen Rollenbildern als Frau     Kombination aus innerer Haltung,
     einerseits und als Führungskraft           inhaltlicher Argumentation und wirk-
     andererseits geraten wollen. Wenn          samer Körpersprache.
     Frauen sich zu hart durchsetzen,
     gelten sie als kalt, schwierig oder        Situative Genderkompetenz
     brutal und damit unweiblich. Dies wird     Im äusseren Ring des Modells ist die
     von Frauen und Männern häufig              situative Genderkompetenz darge-
     gleichermassen abgelehnt. Gleichzei-       stellt. Sie beschreibt die Fähigkeit, die
     tig ist ein typisch weibliches Verhalten   eigenen Verhaltensweisen an das
     - z. B. Kompromiss-Suche - nicht           Umfeld und die jeweilige Situation i.S.v.
     förderlich, um sich als durchsetzungs-     Situationsintelligenz gendersensibel

18                                              Schwerpunktthema: Frauen in NPO
anzupassen. Nicht in jeder Organisa-
     tion ist beispielsweise eine starke
                                                Gender-Balance bedarf
     Selbstmarketingstrategie und ein           der Anstrengungen aller
     entsprechend selbstsicheres Auftre-
     ten erfolgreich, da es je nach Organisa-   Um den notwendigen kulturellen
     tionskultur grosse Unterschiede in der     Wandel hin zu einer besseren Gender-
     Akzeptanz gibt. In einem stark männ-       Balance in Organisationen erfolgreich
     lich dominierten Sportverein darf und      zu vollziehen, sind die Anstrengungen
     muss man wahrscheinlich stärker auf        aller notwendig. Gerade männliche
     die eigenen Leistungen aktiv hinwei-       Entscheider spielen aufgrund ihrer
     sen als beispielsweise im Hospizver-       starken Positionen in diesem Prozess
     ein.                                       eine zentrale Rolle (als Handelnde und
     Wichtig ist zu verstehen, dass der         als Vorbilder). Sie sollten sich als
     Erfolg des Verhaltens der Frauen vom       Verbündete und aktiv Mitwirkende
     jeweiligen Kontext abhängt. Die situa-     verstehen und entsprechend handeln.
     tive Genderkompetenz hilft dabei,          Für ein gelingendes Gender-Manage-
     unter verschiedenen Handlungsoptio-        ment sind deshalb Massnahmen auf
     nen die für die jeweilige Situation        allen drei beschriebenen Ebenen
     passende auszuwählen und umzuset-          (individuell, strukturell, kulturell) von
     zen.                                       den Entscheider_innen zu initiieren.
     Frauen können sich die notwendigen         Die Praxis zeigt, dass Aktivitäten auf
     Karrierekompetenzen aneignen, um           einer Ebene positive Wechselwirkun-
     persönlich erfolgreich zu sein. Damit      gen auf den anderen Ebenen entfalten.
     leisten sie gleichzeitig einen Beitrag     Durch die Investitionen in den Aufbau
     zum Wandel der Organisation und            von Karrierekompetenzen werden
     werden als Rollenvorbilder für andere      beispielsweise männliche Führungs-
     sichtbar. Den kulturellen Wandel           kräfte dafür sensibilisiert, welche
     können sie jedoch nicht alleine stem-      weiblichen Potenziale in ihren Teams
     men.                                       vorhanden sind, wenn diese für Entwi-
                                                cklungsmassnahmen nominiert werden
                                                sollen. Die gender-neutrale Gestaltung
                                                der Prozesse und Strukturen verein-
                                                facht den Frauen das Agieren in der
                                                Organisation, eine erhöhte Genderkom-
                                                petenz bei allen Mitarbeiter_innen und
                                                Führungskräften erlaubt es, die Anpas-
                                                sungsintensität, die Frauen leisten
                                                müssen, deutlich zu verringern. Zudem
                                                ist die Investition in die weiblichen
                                                Talente zur Überwindung der kulturbe-
                                                dingten organisationalen Defizite
                                                zentral, um weibliche Talente langfristig
                                                zu binden, zu stärken und zu motivie-
                                                ren, den eigenen Karriereweg weiter zu
                                                gehen – und zwar innerhalb der Organi-
                                                sation. So setzt sich das grosse Verän-
                                                derungsrad in Bewegung und aus
                                                Männerland wird ein Land für alle.

19                                              Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Fussnoten                                                                    Literatur

1    Pease & Pease 2001.                                                     Criado-Perez, C. (2020). Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die
2    vgl. zur Verteilung von Frauen und Männern in Führungspositionen von    Hälfte der Bevölkerung ignoriert (3.Auflage). München: btb.
     Nonprofit-Organisationen Weibler 2017.                                  Endler, R. (2021). Das Patriachat der Dinge (1. Auflage.). Köln: DuMont.
3    vgl. Endler 2021 und Criado-Perez 2020.                                 Fearns, H. & Schott, M. (2010a). Kompetenzmanagement live! Entwicklungskompetenz
4    Stichwort «fix the women» – siehe Rastetter & Jüngling 2018 S. 19 ff.   als Metakompetenz In: Stephan, M.,Kerber, W., Kessler, T. & Lingenfelder, M. (Hrsg.): 25
                                                                             Jahre ressourcen- und kompetenzorientierte Forschung. Der kompetenzbasierte Ansatz
5    vgl. Fearns & Schott 2010a und Fearns & Schott 2010b.                   auf dem Weg zum Schlüsselparadigma in der Managementforschung. Wiesbaden:
6    u.a. Topf 2013, Schneider 2009, Modler 2011.                            Gabler, S. 331-358.
7    Knaths 2011 S. 15ff.                                                    Fearns, H. & Schott, M. (2010b). Kernkompetenzen im strategischen Management.
8    vgl. auch Schneider 2009.                                               Verbands-Management (VM), 36(1), S. 18-29.

9    Tannen 1995, S. 138 ff.                                                 Knaths, M. (2011). Spiele mit der Macht. Wie Frauen sich durchsetzen (7.Auflage).
                                                                             München: Pieper.
                                                                             Pease, A. & Pease, B. (2001). Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht
                                                                             einparken. Ganz natürliche Erklärungen für eigentlich unerklärliche Schwächen (13.
                                                                             Aufage) München: Ullstein.
                                                                             Modler, P. (2011). Das Arroganzprinzip. So haben Frauen mehr Erfolg im Beruf (7.
                                                                             Auflage). Frankfurt am Main: Krüger.
                                                                             Rastetter, D. & Jüngling, C. (2018). Frauen, Männer, Mikropolitik. Geschlecht und Macht
                                                                             in Organisationen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
                                                                             Schneider, B. (2009). Fleissige Frauen arbeiten, schlaue steigen auf. Wie Frauen in
                                                                             Führung gehen (4. Auflage). Offenbach: Gabal.
                                                                             Tannen, D. (1995). The Power of Talk - Who Gets Heard and Why. Harvard Business
                                                                             Review September-Oktober 1995, S. 138 – 148 (reprint).
                                                                             Topf, C. (2013). Durchsetzungsfähigkeit für Frauen. Charmant, souverän und vor allem
                                                                             überzeugend (4. Auflage). München: Redline.
                                                                             Weibler, J. (2017). Weibliche Führungskräfte in NPO–Exklusion von der Macht.
                                                                             Verbands-Management (VM), 43(1), 21-27.

Die Autorin

                                               Hanna Fearns / Hanna.Fearns@imbk.de
                                               Dr. Hanna Fearns ist seit über 20 Jahren erfolgreich als Unternehmensberaterin
                                               und Führungskräftetrainerin im Profit- und Nonprofitbereich tätig. Sie ist Dip-
                                               lom-Volkswirtin und promovierte 2003 an der Universität Konstanz über den
                                               Aufbau strategischer Kernkompetenzen. 1998 war sie Teilnehmerin im ersten
                                               Mentoringprogramm der EU «Preparing Women to Lead». Von 2007 – 2015
                                               leitete sie ein Entwicklungsprogramm für Frauen in einem grossen amerikani-
                                               schen Konzern mit über 300 Teilnehmerinnen. Seitdem beschäftigt sie sich in
                                               ihrer Beratung und im Training intensiv mit Gender-Management und der Gestal-
                                               tung von Veränderungsprozessen in Unternehmen hin zu einer besseren Gen-
                                               der-Balance.

20                                                                                                  Schwerpunktthema: Frauen in NPO
21   Fusszeile
Forschungsbeitrag

Erfolgsfaktoren eines Führungs-
wechsels mit Gender Change
Luisa Wagenhöfer und Martina Schott

                         Der Beitrag befasst sich mit den          höher, Beförderungen verlaufen lang-
                         Erfolgsfaktoren der Führungsnachfol-      samer, die Bezahlung ist schlechter
                         ge mit Gender Change in deutsch-          und ihr Führungspotenzial kann sich
                         sprachigen Nonprofit-Organisationen       nicht gleichermassen entfalten.3 Diese
                         (NPO). Dazu wurden sechs Frauen in        Zahlen erstaunen besonders für den
                         Leitungsfunktionen aus Deutschland        Dritten Sektor, gilt dieser doch als
                         und der Schweiz interviewt, die die       weiblich dominiert.4
                         Leitungsposition von einem männli-        Dabei gibt es Studien, die zeigen, dass
                         chen Vorgänger übernommen haben.          sich Frauen in Führungspositionen
                         Die Resultate der leitfragengestützen     positiv auf den Organisationserfolg
                         Interviews machen deutlich, dass          auswirken, egal ob im Wirtschafts-
                         Frauen Führungspositionen überneh-        oder im Dritten Sektor. Präsidiert eine
                         men wollen und zielstrebig darauf         Frau einen NPO-Vorstand, verbessert
                         hinarbeiten. Die grössten Herausfor-      sich die Performance dieses Gremi-
                         derungen stellen Sexismus im Alltag,      ums, vor allem bezüglich der Qualität
                         nicht gemanagter Führungskultur-          der Zusammenarbeit und der konse-
                         wandel und vorurteilsbelasteter           quenten Verfolgung der Organisations-
                         Umgang mit Mutterschaft dar. Das          interessen und -ziele.5 Auch können
                         Verhalten des Vorgängers, positiv wie     Frauen das Steuer in krisengebeutel-
                         negativ, hat grosse Auswirkungen auf      ten Organisationen herumreissen,
                         den Erfolg der Führungskräfte in der      wenn sie einem Mann auf die Ge-
                         neuen Position.                           schäftsführungsposition folgen.6 Der
                                                                   positive finanzielle Effekt von mehr
                         Frauen in Führungspositionen haben        Frauen in der Führung zeigt sich
                         es immer noch schwer. Das gilt zwar       besonders in einem Umfeld, das sehr
                         weniger für den Dritten Sektor, wo        geschlechts-egalitär geprägt ist, wie
                         Frauen vergleichsweise häufiger in        eine Meta-Analyse von Hoobler et al.
                         Geschäftsführungspositionen vertre-       (2018) zeigt. Dies könnte daran liegen,
                         ten sind als im profit-orientierten       dass Frauen ein anderes Verständnis
                         Wirtschaftssektor.1 Aber auch hier sind   von Führung haben und einen Stil
                         Geschäftsführerinnen immer noch in        wählen, der ihren Werthaltungen
                         der Minderheit. Die VMI-Gehaltsstudie     entspricht.7
                         2017 für den Dritten Sektor in der        Frauen in Führungspositionen schei-
                         Schweiz hat gezeigt, dass nur 13 % der    nen demnach Vorteile sowohl für
                         Geschäftsführenden von Branchenver-       Unternehmen als auch für Nonprofit-
                         bänden weiblich sind; Parität herrscht    Organisationen zu bieten. Doch wie
                         zumindest in Hilfswerken und Interes-     holt man mehr Frauen in die Füh-
                         senverbänden.2 Frauen wird weniger        rungsebene? Auf diese Frage gibt es
                         Führungskompetenz zugeschrieben,          bereits erste Antworten aus der For-
                         die Leistungserwartungen an sie sind      schung. Eine Lösung könnte eine

22                                                                 Schwerpunktthema: Frauen in NPO
Magdalena Frommelt, Geschäftsleiterin, und Carola Büchel, Leiterin Programme und Kommunikation des SOS-Kinderdorfs Liechtenstein

                                   Frauenquote zu sein. Demnach steigt                   wenn sich das Unternehmen in einer
                                   mit einem Frauenanteil von 33 % bis                   Krise befindet.9 Aber auch die Perfor-
                                   50 % Frauen im Vorstand die Wahr-                     mance des Vorgängers scheint eine
                                   scheinlichkeit, dass die nächste ge-                  Rolle zu spielen. Ist diese hoch, also
                                   schäftsführende Person einer NPO                      war der scheidende CEO sehr erfolg-
                                   eine Frau wird.8 Frauen scheinen                      reich in seinem Job, steigt die Wahr-
                                   demnach Frauen nachzuziehen. Doch                     scheinlichkeit, dass er eine Frau als
                                   was ist, wenn die Branche männlich                    Nachfolgerin nominiert. Scheidende
                                   dominiert ist und der scheidende                      Geschäftsführer mit einer niedrigen
                                   Geschäftsführer ein Mann?                             Performance tendieren seltener dazu,
                                   Auch hier liefert die wissenschaftliche               Frauen als Nachfolgerinnen zu nomi-
                                   Literatur erste Hinweise, allerdings nur              nieren, besonders wenn die Branche
                                   für den profit-orientierten Wirt-                     männlich dominiert ist.10
                                   schaftsbereich. Demnach liegt ein                     Diese Erkenntnisse lassen sich jedoch
                                   Erfolgsrezept für Frauen, die im Wirt-                nur schwer auf den NPO-Sektor über-
                                   schaftssektor die oberste Führungs-                   tragen, da es im Dritten Sektor die
                                   ebene erreichen wollen, in einer Kom-                 Aufgabe des Vorstands ist, die Ge-
                                   bination aus dem eigenen                              schäftsführungsnachfolge zu klären
                                   Insider-Status und einem Vorgänger,                   und die Position neu zu besetzen. Der
                                   der die Geschäftsführerposition                       scheidende Geschäftsführer sollte in
                                   mehrere Jahre innehatte. Idealerweise                 diesem Prozess nur eine untergeord-
                                   sieht sich der scheidende Geschäfts-                  nete Rolle spielen.11
                                   führer in der Rolle des Mentors und                   Das Ziel der Studie ist es, ein besseres
                                   kann die interne Kandidatin entspre-                  Verständnis darüber zu erlangen, wie
                                   chend coachen. Ebenfalls wirkt es sich                Frauen der Weg in die oberste Füh-
                                   positiv auf die Karriere der neuen                    rungsebene in NPO erleichtert werden
                                   Geschäftsführerin aus, wenn der                       kann. Dafür wird folgenden For-
                                   ehemalige Geschäftsführer in der Posi-                schungsfragen nachgegangen:
                                   tion des Vorstandsvorsitzenden im
                                                                                         • Welche Erfahrungen haben Frauen in
                                   Unternehmen verbleibt, besonders,
                                                                                           NPO gemacht, wenn sie einem Mann

23                                                                                       Schwerpunktthema: Frauen in NPO
auf eine Führungsposition gefolgt       Grundvoraussetzungen, warum die
       sind?                                   Frauen ihre Führungspositionen
     • Welche Hürden und Schwierigkeiten       erlangten – dies war, wie sie betonten,
       mussten sie überwinden?                 unabhängig von ihrem Geschlecht.
     • Welches waren die grössten Heraus-      «Ich habe mich einfach auf diese Stelle
       forderungen?                            beworben, weil ich eine Geschäftsfüh-
     • Welche unterstützenden Faktoren         rungsstelle wollte. Ich habe die Stelle
       gab es?                                 nicht bekommen, weil ich eine Frau bin,
     • Was muss sich in der Zukunft än-        sondern weil ich die Fähigkeiten habe,
       dern, damit mehr Frauen Männern         diese Stelle zu erfüllen und das Anfor-
       auf Führungspositionen nachfolgen       derungsprofil, das dieser Job hat.
       können?                                 Wenn ich mich jetzt als Mann auf diese
     Durch die Literaturrecherche konnte       Stelle beworben hätte, mit den glei-
     zwar die Forschungslücke identifiziert,   chen Fähigkeiten, dann hätte ich diese
     aber mangels fehlender empirischer        Stelle vielleicht auch als Mann bekom-
     Daten noch nicht geschlossen werden.      men. Ich hätte doch nie sagen dürfen,
     Deswegen wurden im Zeitraum Juli bis      ich bekomme die nicht, weil ich eine
     September 2021 sechs Interviews mit       Frau bin.»
     Frauen in Leitungspositionen diverser
     deutschsprachiger NPO geführt.12 Die      Selbstbewusstsein und Durchset-
     sechs Frauen sind jeweils einem           zungsfähigkeit
     männlichen Vorgänger auf die Position     Nachdem die Motivation, eine Füh-
     gefolgt. Die Ergebnisse werden im         rungsposition übernehmen zu wollen
     Folgenden dargestellt.13                  und die Fähigkeiten, diese auch aus-
                                               führen zu können, selbstverständlich
     Eigene Fähigkeiten und Motivation         für eine Führungskraft sind – egal ob
     Um sich für die Position zu qualifizie-   männlich oder weiblich – brauchen
     ren, brauchen Frauen zunächst Moti-       Frauen auch entsprechendes Selbst-
     vation, um auf die entsprechende          bewusstsein, und vor allem den Mut,
     Stelle hinzuarbeiten und sich darauf      etwas zu wagen und sich zu bewerben.
     zu bewerben. Zielstrebigkeit und          «Frauen sind häufig zu wenig mutig und
     Entschlossenheit scheinen die Moto-       überlegen zu lange, ob sie das über-
     ren zu sein, um die entsprechende         haupt können. Ein Mann bewirbt sich
     Stelle anzuvisieren.                      einfach. Vielleicht kommt das gut,
     «Ich wollte schon immer Führungskraft     vielleicht kommt das schlecht. Wir
     sein. Ich wollte Motor sein, denn was     Frauen, wenn wir eine Absage bekom-
     ich mache, ist mein Traumberuf. Ich       men, beziehen wir das zu fest darauf,
     sehe viel Sinn in dem was ich tue. Ich    dass wir eine Frau sind. Vielleicht war
     weiss, wofür es gut ist. Auch wenn ich    das aber auch eine Fähigkeit, die
     in unserer Organisation manchmal          gefehlt hat und vielleicht war man
     anstrengend bin. Das ist mir egal,        auch zu wenig mutig.»
     Hauptsache unsere Klienten bekom-
     men das bestmögliche Ergebnis.»           Das scheint etwas zu sein, wo Männer
     Eng gekoppelt an die Motivation,          Frauen gegenüber einen Vorsprung zu
     Führungskraft werden zu wollen, sind      haben scheinen. Neben dem Mut, sich
     auch die entsprechenden Fähigkeiten,      auf eine Führungsposition zu bewerben,
     die Position übernehmen zu wollen.        brauchen Frauen auch das Selbstbe-
     Motivation und Fähigkeiten sind die       wusstsein, sich in Bewerbungsgesprä-

24                                             Schwerpunktthema: Frauen in NPO
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