I. Eilmeldung - strafrecht-online.org
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LSH-Newsletter vom 19.11.2021 Herzlich willkommen zum Tingeltangel-Newsletter. Tauchen Sie mit uns ein in die Welt des Varietés, der billigen Tanzlokale und der herumtingelnden Kleinkunst-Darbietungen. Nehmen Sie sich aber vor Tingeltangel-Bob in Acht, dem größenwahnsinnigen, hochintel- ligenten Psychopathen. Und vielleicht nicht nur vor ihm! I. Eilmeldung < Sebastian Kurz vor dem Comeback > Da sind wir aber recht erleichtert. Und die Über- ordnung beruht auf „Spekulationen & Mutma- schrift funktioniert auch dann, wenn wir es ein- ßungen“; „Storytelling“ & „Medienarbeit“), bleibt fach mal aus liebgewonnener Gewohnheit beim uns nur, uns für die übliche gehässige deutsche Vornamen belassen. Na gut, wir haben auch noch Presse („Freispruch in eigener Sache“ – „Litiga- FPÖ-Chef Herbert Kickl und Innenminister Ger- tion-PR“) und das STANDARD-Genörgele in al- not Blümel. Aber ohne den zweifachen Ex-Kanz- ler Form zu entschuldigen. ler ist doch alles nur halb. https://strafrecht-online.org/taz-lewisch Wir dürfen aus der Presse zum Gutachten des unisono so bezeichneten „renommierten Wiener https://sz.de/1.5463706 Strafrechtsprofessors DDr. Peter Lewisch“ zitie- https://strafrecht-online.org/standard-kurz ren: „Paukenschlag in Chat-Affäre: Gutachten entlastet Sebastian Kurz (eXXpress)“ – „Kurz- Und voller Genugtuung präsentieren wir einen Gutachten zerlegt WKStA-Akt“ (Oe24) – „Gut- neuerlichen „Knalleffekt“, der Sebastian Kurz achten entlastet Kurz eindeutig“ (Zur-sache.at). endgültig reinwaschen dürfte: Ein weiteres Gut- achten ist aufgetaucht! Weil dies aber nicht nur behauptet, sondern ein- dringlich belegt wird (WKStA-Verdächtigungen https://strafrecht-online.org/tagespresse-kurz „in keiner Weise“ nachvollziehbar; WKStA-An- II. Law & Politics < Gefährlich, strafbar, erlaubt? – das Filmen polizeilicher Maßnahmen > Die übermäßige Vorliebe der Polizei für Video- Das Filmen von Polizeieinsätzen durch Bürgerin- aufnahmen haben wir am Beispiel von Aufnah- nen und Bürger stößt hingegen auf wenig Gegen- men von singenden Fußballfans und „Fridays- liebe bei der Polizei. Häufig werden Handys von for-future“- Demonstrationen aus der Drohnen- Filmenden umgehend beschlagnahmt, wobei sich perspektive bereits im letzten Newsletter thema- die Polizei bei der rechtlichen Begründung dieser tisiert. Maßnahme durchaus kreativ zeigt. https://strafrecht-online.org/news-im-visier
NL vom 19.11.2021 In der Vergangenheit wurde eine Beschlagnahme Aber auch die Annahme eines Anfangsverdachts zunächst pauschal mit der drohenden Gefahr ei- für eine Straftat gem. § 201 I Nr. 1 StGB bei au- ner späteren Veröffentlichung der Aufnahmen diovisuellen Aufnahmen eines Polizeieinsatzes entgegen § 33 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG be- begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. gründet. Danach macht sich strafbar, wer ohne die Einwilligung des Abgebildeten ein Bildnis ver- Insoweit erscheint insbesondere fraglich, ob Äu- breitet oder öffentlich zur Schau stellt. Strafbare ßerungen von Polizeibediensteten im Rahmen Handlung ist also nicht die Aufnahme an sich, von polizeilichen Maßnahmen „nichtöffentlich“ sondern die spätere Veröffentlichung. im Sinne von § 201 StGB erfolgen. Für die Annahme einer konkreten Veröffentli- Das gesprochene Wort wird als nichtöffentlich chungsgefahr bedarf es jedoch hinreichend trag- angesehen, wenn es nach dem Willen des Spre- fähiger Anhaltspunkte, wie das Bundesverfas- chers nicht an einen nach Zahl und Individualität sungsgericht noch einmal unterstreichen musste. unbestimmten oder durch persönliche Beziehun- gen innerlich unverbundenen größeren bestimm- https://strafrecht-online.org/bverfg-24-07-2015 ten Kreis von Personen gerichtet und auch objek- tiv für einen solchen Kreis nicht im Sinne verste- Solange diese Anhaltspunkte durch die Polizei im henden Mithörens wahrnehmbar ist (Lack- Einzelfall nicht konkret dargelegt werden, kann ner/Kühl StGB § 201 Rn. 2). Hingegen ist bei Be- eine Beschlagnahme also nicht auf die Gefahr ei- stehen einer „faktischen Öffentlichkeit“ bereits ner späteren Veröffentlichung gestützt werden. keine Nichtöffentlichkeit des gesprochenen Wor- tes mehr anzunehmen. In der Folge wendete sich die Polizei von dieser Begründung einer präventiven Beschlagnahme ab Das Landgericht Osnabrück hat hierzu kürzlich und wechselte in Kooperation mit den Staatsan- ausgeführt, für die Bestimmung einer faktischen waltschaften in den Bereich der Strafverfolgung, Öffentlichkeit sei nicht auf eine tatsächliche der zuvor in diesem Kontext keine Rolle gespielt Wahrnehmung des gesprochenen Wortes durch hatte. Dritte abzustellen, sondern darauf, ob beliebige andere Personen von frei zugänglichen öffentli- Nunmehr werden die Beschlagnahmen mit dem chen Flächen oder allgemein zugänglichen Ge- Anfangsverdacht einer Straftat gem. § 201 I Nr. 1 bäuden und Räumen – mithin eine beliebige Öf- StGB begründet. Gem. § 201 I Nr. 1 StGB macht fentlichkeit – die Diensthandlungen hätten be- sich strafbar, wer unbefugt das nichtöffentlich ge- obachten und akustisch wie optisch wahrnehmen sprochene Wort eines anderen auf einen Tonträ- können. ger aufnimmt. https://strafrecht-online.org/lg-osnabrueck-24-09-2021 Schutzgut des § 201 StGB ist als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 i.V.m. Im Regelfall ist danach das Bestehen einer fakti- Art. 1 I GG) das Recht auf eine Vertrauenssphäre schen Öffentlichkeit bei polizeilichen Maßnah- des Menschen, in der die Unbefangenheit der men im öffentlichen Raum anzunehmen, sodass menschlichen Kommunikation gesichert werden Videoaufnahmen mit Tonspur hiervon bereits soll. nicht unter den Tatbestand des § 201 StGB fallen. Auf eine mögliche Rechtfertigung solcher Auf- Dabei spielt es der Polizei zunächst einmal in die nahmen gem. § 34 StGB im Kontext von strafba- Karten, dass das bloße Filmen eines Polizeieinsat- ren Handlungen durch Polizeibedienstete (etwa zes ohne Aufnahme einer Tonspur zwar offen- § 340 StGB) kommt es danach nicht mehr an. sichtlich nicht unter den Tatbestand fällt, her- kömmliche Smartphones indes regelmäßig nicht Diese enge Auslegung des § 201 I Nr. 1 StGB über die Möglichkeit einer solchen rein visuellen überzeugt aus Gründen der Rechtssicherheit, da Aufnahme verfügen. es sonst auf den Zufall ankäme, ob und gegebe- nenfalls wie viele andere Menschen die Äußerun- -2-
NL vom 19.11.2021 gen der Polizeibediensteten tatsächlich wahrge- diesbezüglich regelmäßig je nach vertretener An- nommen haben. Die Äußerungen von Polizeibe- sicht eine tatbestandsausschließende oder recht- diensteten im Rahmen von Standardmaßnahmen fertigende (ggf. mutmaßliche) Einwilligung vor- sind zudem oft formalisiert, was ebenfalls dage- liegen dürfte. gen spricht, sie in den Schutzbereich einer Verlet- zung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 https://strafrecht-online.org/lg-kassel-23-09-2019 StGB miteinzubeziehen. So argumentiert auch das LG Osnabrück, ein Amtsträger, dessen Han- Es wäre daher zu begrüßen, wenn sich diese deln rechtlich gebunden und rechtlich überprüf- Rechtsprechungslinie weiter durchsetzt und eine bar sei, bedürfe keines Schutzes der Unbefangen- Beschlagnahme von Handys mit Videoaufnah- heit seiner Kommunikation. men von Polizeieinsätzen im Regelfall nicht mehr auf einen Anfangsverdacht bzgl. § 201 I Nr. 1 Neben dem LG Osnabrück hatte bereits das LG StGB gestützt werden kann. Kassel in jüngerer Vergangenheit die Rechtmä- ßigkeit der Beschlagnahme eines Handys wegen Da die Polizei aber offenkundig stets bemüht des Bestehens einer faktischen Öffentlichkeit ver- nach einem rechtlichen Hebel sucht, um solche neint. Dabei betonte es zudem, im Rahmen einer Aufnahmen zu verhindern, ist wohl damit zu Personenkontrolle seien lediglich die Angaben rechnen, dass diese fragwürdige Praxis zumindest der betroffenen Person schützenswert, wobei bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung weiter fortgesetzt wird. III. Regio < Geschafft > Hinterzarten, Bötzingen und Freiburg haben es Kosten für die nötigen Installationen im Polizei- ins Schwarzbuch für Steuerverschwendung ge- präsidium und für die Videoarbeitsplätze. schafft. Während in Hinterzarten Schanzentisch und Sprungturm aufgrund von Bau- und Mess- https://strafrecht-online.org/suedkurier-vue-fr fehlern leider nicht zusammenpassten, womit nicht nur Eddie the Eagle erhebliche Probleme Hängt alles auch bereits, nur leider fehlt es für die bekommen hätte, heil herunterzukommen, war Inbetriebnahme der Kameras an den Vorausset- man in Bötzingen davon überzeugt, der Bremer zungen des § 44 Abs. 3 PolG BW. Denn hierfür Pleitebank Greensill gleich einmal 13,2 Mio. Euro müsste sich u.a. die Kriminalitätsbelastung im und damit 40 % der städtischen Geldanlagen an- überwachten Bereich von der des übrigen Ge- zuvertrauen zu müssen. Sie hatte damit geworben, meindegebiets deutlich abheben. kein Verwahrentgelt zu verlangen und bis zu 0,7 % Zinsen auszuschütten. Da musste man ein- Zudem merkte der Bund der Steuerzahler miss- fach zuschlagen. mutig an, eine tödliche Messerattacke im Oktober 2020 habe unter der Woche stattgefunden. Die https://strafrecht-online.org/kommunalwiki-greensill geplanten Überwachungszeiten lägen aber an Wo- chenenden und Feiertagen. Und was lief in Freiburg schief? Hier hatte der Gemeinderat im Rahmen des Sicherheitspaktes https://strafrecht-online.org/bz-schwarzbuch mit dem Land beschlossen, für mind. 500.000 Euro 16 Videokameras anzuschaffen. Das Land Wir können den rührigen Bund der Steuerzahler wiederum lässt sich nicht lumpen und trägt die zunächst einmal beruhigen: Wären die Kameras bereits letztes Jahr im Betrieb gewesen, so hätten -3-
NL vom 19.11.2021 sie den tödlichen Angriff auch nicht verhindert. hat, obwohl nur eines sicher ist: Es verletzt Und zudem ist der Täter auch ohne Videoüber- Grundrechte. Alle mit der Videoüberwachung wachung längst überführt und bereits verurteilt propagierten Ziele – Abschreckung, Stärkung des worden. Sicherheitsgefühls, verbesserte Aufklärung – er- weisen sich nach weltweiten empirischen Unter- https://strafrecht-online.org/swr-urteil-2020 suchungen als Rohrkrepierer, sofern es nicht um Parkhäuser oder Ähnliches geht. Wir sind damit an dem Punkt angelangt, an dem der Bund der Steuerzahler und wir auseinander- Und daher schmerzt es uns zwar sehr, dass das zudriften beginnen: Während ersterer bereits zu- klamme Freiburg das Geld nicht in Sozialange- frieden ist, wenn die Kameras nur laufen und bote investierte, wir sind aber um jeden weiteren nicht überteuert eingekauft wurden, fragen wir Tag froh, an dem die ohnehin leider leicht zu kon- danach, warum um alles in der Welt dieses Über- struierenden Vorgaben des Polizeigesetzes noch wachungsinstrument nach wie vor Konjunktur nicht erfüllt sind. IV. Hochschule < Läuft > Während es sich viele Universitäten auch im Win- Uns gefällt die Schreibweise. Und die Rechnung tersemester vor ihren Bildschirmen bequem ma- ist korrekt. chen, hat Freiburg zupackend die Präsenz ausge- rufen. Als Lehrende bzw. Lehrender behält man https://strafrecht-online.org/stuff/formel.png natürlich alle Rechte, aus Sorge um die Gesund- heit lieber doch die mühevoll erstellten Videos Danach kommen wir bei fünf besuchten Veran- und Podcasts aus der Kiste zu holen. staltungen in der Woche (unnötig viele, wie wir finden; s. hierzu den nächsten Beitrag) auf eine Das kommunizierte Kontrollsystem hat unseren Wahrscheinlichkeit von 50,16 %. Ehrgeiz entfacht, wieder einmal in die Stochastik einzusteigen: Jetzt warten wir dann mal auf die tatsächlichen Kontrollen in der Vorlesung Strafrecht AT. Bis „Täglich werden mindestens 13 % der Veranstal- dahin hilft uns die negative Generalprävention tungen (mit mehr als 36 Personen) überprüft. von § 73 Abs. 1a Nr. 24 des Infektionsschutzge- Dies bedeutet beispielhaft, dass die Wahrschein- setzes, einer Blankettnorm mit Rückverweisung. lichkeit, dass ein:e Student:in, die:der fünf Veran- Die Fans komplizierter und verfassungsrechtlich staltungen in der Woche besucht, innerhalb einer bedenklicher Gesetzgebungstechnik jubeln ent- Woche mindestens ein Mal kontrolliert wird, bei zückt. 50 % liegt.“ https://sz.de/1.5462047 https://strafrecht-online.org/uni-freiburg-kontrolle -4-
NL vom 19.11.2021 < Ad-hoc-Mitteilung Vorlesung > Aus rechtlichen wie moralischen Gründen sind https://strafrecht-online.org/spon-vorlesung wir verpflichtet, Sie umgehend vor dem Besuch der nächsten Vorlesung zu warnen. Denn sie ist Wir sehen uns aber auf jeden Fall morgen in der reiner Selbstzweck, bietet keinen Mehrwert, der Mensa, und da wird es schwer genug: Bunte Tor- Prof ist grauenhaft und es gibt eine sinnvolle Al- tellini in Gorgonzolasauce oder Hähnchen im ternative. Aufwand und Nutzen stehen somit in Knuspermantel? einem schlechten Verhältnis. V. Lehre < Hase und Krise > Nachdem Jakob Bach und RH zwei Befragungen Universität selbst entstanden, die nur schwer wie- unter den Freiburger Jurastudierenden gleich zu der einzufangen seien. Die Studierenden wollten Beginn der Pandemie und dann am Ende des ers- aber zumindest eines, nämlich die Lehre vor Ort ten Corona-Semesters zur gleichsam erzwunge- als sozialen Resonanzboden. Es sei nicht sonder- nen Digitalisierung ausgewertet und gedeutet hat- lich beruhigend, aber wohl Realität: Anspruchs- ten (Hefendehl/Bach ZDRW 2021, 1–21), be- volle Lehrformate, die die Studierenden als Sub- leuchtet RH in einem weiteren Beitrag den Zu- jekte respektierten, seien nicht einmal Vorausset- stand der Lehre vor und während der Krise, den zung hierfür (Hefendehl ZDRW 2021, 193–210). er als selbst krisenhaft beschreibt. Die Universitä- ten hätten sich in den vergangenen Jahren im Wenn wie bei Hase und Igel der Krisen-Igel also Sinne des Wettbewerbs nach unternehmerischen immer schon da ist, erscheint eine Rückkehr zum Kriterien ausgerichtet. Die Gemeinschaft der Alten nicht sonderlich attraktiv. RH möchte sich Lehrenden und Lernenden habe auch hierüber ei- daher mit anderen Interessierten im Rahmen ei- nen Riss bekommen. Die digitale Phase mache nes vom Freiburger zentralen Studierendenvor- diesen noch einmal sinnbildlich, ohne ihn selbst schlagsbudget 2022 unterstützten Projekts auf die heraufbeschworen zu haben. Suche nach einem Gegenmodell zum „Unterneh- men Universität“ machen. Gesucht ist der ver- Seine Befürchtung: Auch wenn der Ruf nach bal- schwundene Geist an der Universität, der diese diger Wiederherstellung der Präsenz unüberhör- wieder zum Kristallisationspunkt für Gesell- bar und vielfach bereits wieder Realität sei, werde schaftskritik und Wandel werden ließe. sich die Krise der Lehre hierüber nicht auflösen. Zudem seien während der Phase des Digitalen https://strafrecht-online.org/zdrw-hefendehl-bach weitere Begehrlichkeiten der Lehrenden und der https://strafrecht-online.org/zdrw-hefendehl [Uninetz] -5-
NL vom 19.11.2021 VI. Gesellschaft < Treibjagd durch die Stadt > Die Süddeutsche Zeitung zeigte sich kürzlich ein wenig verwundert, dass die Party draußen weiter- Corona hat diese Situation nicht heraufbeschwo- gehe, nachdem Clubs, Bars und Restaurants ren, aber noch einmal zugespitzt: Die Konventio- längst wieder geöffnet hätten. nen wurden wie die Warnstufe von informell auf formell heraufgestuft und damit richtig anstren- https://sz.de/1.5445675 gend, das im wahrsten Sinne des Wortes erträgli- Wir möchten nicht beckmesserisch erscheinen. che Angebot verknappte sich weiter. Und weil Aber die Party findet schon recht lange im öffent- sich selbst die in aller Regel staatstragende Ver- lichen Raum statt. Das Phänomen der Botellones, waltungsgerichtsbarkeit unwillig zeigt, Alkohol- bei denen die wortgebenden großen Flaschen un- und Glasverbote und damit Grundrechtsein- ter jungen Menschen kreisen, kennt man in Spa- schränkungen als kommunalpolitische Lenkungs- nien seit über 30 Jahren. Und auf dem Platz der maßnahmen zu akzeptieren, wird die Jugend auch Alten Synagoge erlebt man über viele Monate im in Zukunft den klamottenschonenden versiegel- Jahr im Ergebnis nichts anderes. Das Bürgertum ten Innenraum okkupieren. zeigt sich auf dem Weg ins Theater entweder an- Wie die Drogenszene wird sie aber unerbittlich im biedernd neugierig, was die jungen Menschen da Visier der Stadt bleiben und mit den üblichen In- um alles in der Welt so treiben, oder authentisch strumenten der Verbote und Kontrolle von einem unangenehm berührt. Die Gastronomie wiede- zum nächsten Ort gescheucht werden: In Frei- rum ist verbittert, weil die konsumierten Getränke burg vom Bermudadreieck zum Augustinerplatz von Norma kommen. und dann zum Platz der Alten Synagoge. Der Co- Womit wir schon zumindest bei einem wesentli- lombipark ist leider derzeit als Ausweichraum ge- chen Grund für die „Party draußen“ wären: Es ist sperrt: Er ist für den Weihnachtsmerkt festlich il- schlicht die Antwort auf die Ausgrenzung junger luminiert und damit zu einem Raum der Kon- Menschen durch Preise und Konventionen. Ein trolle und damit der Exklusion geworden. In Hei- Teil der Jugend mag hier noch mitspielen, der es delberg wiederum möchte man die Alte Brücke sich leisten kann und aus unerfindlichen Gründen für das Pack sperren. Vielleicht soll es ein über Gefallen daran findet, sich an harten Türen zu § 10a PolG BW eröffnetes örtliches Alkoholkon- messen. Die Mehrheit hingegen weicht auf den sumverbot richten, vielleicht hat man aber auch öffentlichen Raum aus, weil sie eigenartigerweise ein anderes rechtliches Konstrukt im Auge. Die weder über eine Villa noch über einen englischen rechtliche Lage sei ein wenig knifflig geworden, Garten mit Barbecue-Grill verfügt. Dieser öffent- das schließe „in brisanten Situationen“ aber ein liche Raum ist dabei in den letzten Jahrzehnten Verbot nicht aus. immer weiter zusammengeschrumpft, nachdem https://www.faz.net/-gum-ahgsw die Privaten ihn für sich und ihre ökonomischen Interessen zunehmend okkupiert haben. Ist eigentlich auch egal, wenn die Verwaltungsge- richtsbarkeit es wieder kippen sollte. Pop-Up- Für junge Menschen ist in der Stadt somit im aller Restaurants und Pop-Up-Impfzentren sind ja der- Regel kein Raum mehr. Aus den Kneipen sind sie zeit auch im Trend. Einfach mal neue Ideen tem- über Gehabe und Preise vertrieben, in der Öffent- porär testen. Die Devise für die Stadt bleibt: Un- lichkeit wiederum stören sie diejenigen, die sich bequem bleiben und madig machen. Irgendwann nicht durch eine lärmende Menschenmenge ihren wird die Jugend schon weiterziehen. Aber bitte Weg in die Bürgerstube bahnen wollen. Zuhause nicht nach Herdern oder in die Wiehre, bitte schließlich sollen sie bitte nur dann feiern, wenn nicht! die Nachbarschaft hierüber nicht gestört wird. Warum feiern sie überhaupt? -6-
NL vom 19.11.2021 VII. Die Kategorie, die man nicht braucht < Dr. Wirrkopf > Marco Evers fragt in SPON+: „Wer ist Dr. Wirr- kopf und wenn ja, wie viele wirklich?“ Zwei weitere Jahre später schaffte es RDP noch einmal in die Charts, in diesem Fall in die TOP 5 Das ist hinreichend kryptisch und verschroben, der schlimmsten Nervensägen. wie wir finden, und erfüllt damit sicherlich die verlagsseitigen Vorgaben an einen SPON+- https://strafrecht-online.org/pdf.2014_10_24 [S. 7 f.] Teaser. Wir lassen uns aber natürlich souverän nicht locken und selbst das großzügige Euro-An- Wer sich die illustre Konkurrenz vor Augen führt, gebot für einen Kennenlernmonat verächtlich die von Boris Palmer über Michel Friedmann, Til links liegen. Schweiger und Boris Becker bis hin zu Cherno Jobatey reichte, dem wird schnell klar, dass es sich Denn die weiteren wenigen sichtbaren Zeilen rei- um einen ebenso illustren wie exquisiten Kreis chen uns voll und ganz: handelte. „Der Talkshow-Dauergast und Bestsellerautor Was Richard David Precht so genau macht, lässt Precht ist intellektuell abgestürzt und schwadro- Wikipedia ein wenig im Vagen. Es ist wohl Ho- niert nun beim Coronathema auf »Querdenker«- norarprofessor, eine gar eigenartige Spezies, die Niveau. Weil viele Menschen ihn für klug halten, sich irgendwie den lukrativen Titel unter den Na- ist das eine Gefahr.“ gel gerissen hat und damit nun Kasse macht. https://strafrecht-online.org/spon-wirrkopf https://strafrecht-online.org/nl-2020-10-30 [S. 5] Sie decken sich weitgehend mit unseren Erkennt- https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_David_Precht nissen. So verweisen wir mit einem gewissen Stolz auf die bei aller Bescheidenheit umfängliche Ex- Eigentlich hätte er dies gar nicht nötig, wie wir pertise zu Richard David Precht, den wir nun- finden. Denn Richard David Precht ist – so die mehr seit exakt 10 Jahren – ein Jubiläum geradezu Bild – „TV-Philosoph“. Aber TV-Philosophie- – in unserem Newsletter begleiten. Professor klingt noch besser, stimmt schon. Und in dieser Funktion rechnet er gnadenlos mit der https://strafrecht-online.org/pdf.2011_11_18 [S. 8 f.] Corona-Politik ab. 2012 war Richard David Precht unserer Einschät- https://strafrecht-online.org/bild-tv-philosoph zung nach bereits ganz oben angelangt. Die sel- tene Ehre eines ihm gewidmeten Newsletters Doch sehen Sie sich vor, Professor Precht. Eine wurde ihm zuteil, der schwärmerisch wie folgt be- Corona-Philosophin macht zunehmend von sich gann: „Herzlich willkommen zum Richard David reden. Precht-Fan-Newsletter, der es – so raunt man sich https://strafrecht-online.org/bild-corona-philosophin voller Ehrfurcht zu – sogar bis in die Gala ge- bracht hat. Und die SZ kommt zu dem hoff- Honorarprofessorin scheint sie zwar nicht zu nungsfrohen Schluss: 8,7 Prozent Marktanteil sein. Aber sie schreibt Sachbücher, die steil argu- und zwei offene Hemdknöpfe. Da ist auf jeden mentieren und nahezu ohne Belege auskommen. Fall noch Luft.“ Auch nicht schlecht. https://strafrecht-online.org/pdf.2012_09_21 https://sz.de/1.5465808
NL vom 19.11.2021 Schon in unserem letzten Newsletter haben wir in Zwei Drittel der Ungeimpften wählten im Sep- unserem Beitrag „Dummheit und Dementi“ Zu- tember einer Umfrage des Forsa-Instituts zufolge sammenhänge von hohem Bildungsgrad und ho- rechte Parteien. her Impfquote angesprochen und FPÖ-Chef Herbert Kickl zu Wort kommen lassen. Wir sind https://strafrecht-online.org/spon-ungeimpft mit ihm einer Meinung: Er kann auf keinen Fall geimpft sein. Bei dieser Gelegenheit, Herr Bun- Welche Rolle nun Dr. Wirrkopf mit seinen zwei desparteiobmann: Werden Sie sich zu gegebener offenen Hemdknöpfen und dem Mykonos-Teint Zeit auch gegen etwaige Unterstellungen gericht- spielt, ist empirisch noch unerforscht. Wir behal- lich zur Wehr setzen, Sie seien genesen? Wir re- ten dies aber argwöhnisch im Auge, weil er von den noch immer von einem Phantom. einem süffigen Format zum nächsten tingelt. https://strafrecht-online.org/nl-2021-10-22 [S. 5] Oh, mein Gott, macht das nicht Karl Lauterbach auch? Dürfen wir ihn als künftigen Fast-Minister Eine weitere Studie bestätigt den Einflussfaktor wirklich mit Richard David Precht in einen Topf Bildung und benennt weitere Faktoren wie die werfen? Dürfen wir nicht, er tingelt nicht, er wird wirtschaftliche und gesundheitliche Situation. eingeladen. Gott sei Dank! https://strafrecht-online.org/mpisoc-corona https://www.youtube.com/watch?v=LjCIPSD0Q10 VIII. Das Beste zum Schluss Als mein Jugendpass auslief … https://strafrecht-online.org/twitter-jugend Ihr LSH, uns interessiert wenig mehr als uns selbst Bisherige Newsletter finden Sie hier: https://strafrecht-online.org/newsletter/ Unter dem nachfolgenden Link können Sie Ihr Newsletter-Abonnement verwalten: https://strafrecht-online.org/newsletter/verwaltung/#TOKEN Roland Hefendehl & Team Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht Tel.: +49 (0)761 / 203-2210 Mail: hefendehl@jura.uni-freiburg.de Netz: https://strafrecht-online.org -8-
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