I. Eilmeldung - strafrecht-online.org

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LSH-Newsletter vom 19.11.2021
Herzlich willkommen zum Tingeltangel-Newsletter. Tauchen Sie mit uns ein in die Welt
des Varietés, der billigen Tanzlokale und der herumtingelnden Kleinkunst-Darbietungen.
Nehmen Sie sich aber vor Tingeltangel-Bob in Acht, dem größenwahnsinnigen, hochintel-
ligenten Psychopathen. Und vielleicht nicht nur vor ihm!

I. Eilmeldung
< Sebastian Kurz vor dem Comeback >

Da sind wir aber recht erleichtert. Und die Über-   ordnung beruht auf „Spekulationen & Mutma-
schrift funktioniert auch dann, wenn wir es ein-    ßungen“; „Storytelling“ & „Medienarbeit“), bleibt
fach mal aus liebgewonnener Gewohnheit beim         uns nur, uns für die übliche gehässige deutsche
Vornamen belassen. Na gut, wir haben auch noch      Presse („Freispruch in eigener Sache“ – „Litiga-
FPÖ-Chef Herbert Kickl und Innenminister Ger-       tion-PR“) und das STANDARD-Genörgele in al-
not Blümel. Aber ohne den zweifachen Ex-Kanz-       ler Form zu entschuldigen.
ler ist doch alles nur halb.
                                                    https://strafrecht-online.org/taz-lewisch
Wir dürfen aus der Presse zum Gutachten des
unisono so bezeichneten „renommierten Wiener        https://sz.de/1.5463706
Strafrechtsprofessors DDr. Peter Lewisch“ zitie-
                                                    https://strafrecht-online.org/standard-kurz
ren: „Paukenschlag in Chat-Affäre: Gutachten
entlastet Sebastian Kurz (eXXpress)“ – „Kurz-
                                                    Und voller Genugtuung präsentieren wir einen
Gutachten zerlegt WKStA-Akt“ (Oe24) – „Gut-
                                                    neuerlichen „Knalleffekt“, der Sebastian Kurz
achten entlastet Kurz eindeutig“ (Zur-sache.at).
                                                    endgültig reinwaschen dürfte: Ein weiteres Gut-
                                                    achten ist aufgetaucht!
Weil dies aber nicht nur behauptet, sondern ein-
dringlich belegt wird (WKStA-Verdächtigungen        https://strafrecht-online.org/tagespresse-kurz
„in keiner Weise“ nachvollziehbar; WKStA-An-

II. Law & Politics
< Gefährlich, strafbar, erlaubt? – das Filmen polizeilicher Maßnahmen >

Die übermäßige Vorliebe der Polizei für Video-      Das Filmen von Polizeieinsätzen durch Bürgerin-
aufnahmen haben wir am Beispiel von Aufnah-         nen und Bürger stößt hingegen auf wenig Gegen-
men von singenden Fußballfans und „Fridays-         liebe bei der Polizei. Häufig werden Handys von
for-future“- Demonstrationen aus der Drohnen-       Filmenden umgehend beschlagnahmt, wobei sich
perspektive bereits im letzten Newsletter thema-    die Polizei bei der rechtlichen Begründung dieser
tisiert.                                            Maßnahme durchaus kreativ zeigt.

https://strafrecht-online.org/news-im-visier
NL vom 19.11.2021

In der Vergangenheit wurde eine Beschlagnahme         Aber auch die Annahme eines Anfangsverdachts
zunächst pauschal mit der drohenden Gefahr ei-        für eine Straftat gem. § 201 I Nr. 1 StGB bei au-
ner späteren Veröffentlichung der Aufnahmen           diovisuellen Aufnahmen eines Polizeieinsatzes
entgegen § 33 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG be-          begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
gründet. Danach macht sich strafbar, wer ohne
die Einwilligung des Abgebildeten ein Bildnis ver-    Insoweit erscheint insbesondere fraglich, ob Äu-
breitet oder öffentlich zur Schau stellt. Strafbare   ßerungen von Polizeibediensteten im Rahmen
Handlung ist also nicht die Aufnahme an sich,         von polizeilichen Maßnahmen „nichtöffentlich“
sondern die spätere Veröffentlichung.                 im Sinne von § 201 StGB erfolgen.

Für die Annahme einer konkreten Veröffentli-          Das gesprochene Wort wird als nichtöffentlich
chungsgefahr bedarf es jedoch hinreichend trag-       angesehen, wenn es nach dem Willen des Spre-
fähiger Anhaltspunkte, wie das Bundesverfas-          chers nicht an einen nach Zahl und Individualität
sungsgericht noch einmal unterstreichen musste.       unbestimmten oder durch persönliche Beziehun-
                                                      gen innerlich unverbundenen größeren bestimm-
https://strafrecht-online.org/bverfg-24-07-2015       ten Kreis von Personen gerichtet und auch objek-
                                                      tiv für einen solchen Kreis nicht im Sinne verste-
Solange diese Anhaltspunkte durch die Polizei im      henden Mithörens wahrnehmbar ist (Lack-
Einzelfall nicht konkret dargelegt werden, kann       ner/Kühl StGB § 201 Rn. 2). Hingegen ist bei Be-
eine Beschlagnahme also nicht auf die Gefahr ei-      stehen einer „faktischen Öffentlichkeit“ bereits
ner späteren Veröffentlichung gestützt werden.        keine Nichtöffentlichkeit des gesprochenen Wor-
                                                      tes mehr anzunehmen.
In der Folge wendete sich die Polizei von dieser
Begründung einer präventiven Beschlagnahme ab         Das Landgericht Osnabrück hat hierzu kürzlich
und wechselte in Kooperation mit den Staatsan-        ausgeführt, für die Bestimmung einer faktischen
waltschaften in den Bereich der Strafverfolgung,      Öffentlichkeit sei nicht auf eine tatsächliche
der zuvor in diesem Kontext keine Rolle gespielt      Wahrnehmung des gesprochenen Wortes durch
hatte.                                                Dritte abzustellen, sondern darauf, ob beliebige
                                                      andere Personen von frei zugänglichen öffentli-
Nunmehr werden die Beschlagnahmen mit dem             chen Flächen oder allgemein zugänglichen Ge-
Anfangsverdacht einer Straftat gem. § 201 I Nr. 1     bäuden und Räumen – mithin eine beliebige Öf-
StGB begründet. Gem. § 201 I Nr. 1 StGB macht         fentlichkeit – die Diensthandlungen hätten be-
sich strafbar, wer unbefugt das nichtöffentlich ge-   obachten und akustisch wie optisch wahrnehmen
sprochene Wort eines anderen auf einen Tonträ-        können.
ger aufnimmt.
                                                      https://strafrecht-online.org/lg-osnabrueck-24-09-2021
Schutzgut des § 201 StGB ist als Ausprägung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 i.V.m.      Im Regelfall ist danach das Bestehen einer fakti-
Art. 1 I GG) das Recht auf eine Vertrauenssphäre      schen Öffentlichkeit bei polizeilichen Maßnah-
des Menschen, in der die Unbefangenheit der           men im öffentlichen Raum anzunehmen, sodass
menschlichen Kommunikation gesichert werden           Videoaufnahmen mit Tonspur hiervon bereits
soll.                                                 nicht unter den Tatbestand des § 201 StGB fallen.
                                                      Auf eine mögliche Rechtfertigung solcher Auf-
Dabei spielt es der Polizei zunächst einmal in die    nahmen gem. § 34 StGB im Kontext von strafba-
Karten, dass das bloße Filmen eines Polizeieinsat-    ren Handlungen durch Polizeibedienstete (etwa
zes ohne Aufnahme einer Tonspur zwar offen-           § 340 StGB) kommt es danach nicht mehr an.
sichtlich nicht unter den Tatbestand fällt, her-
kömmliche Smartphones indes regelmäßig nicht          Diese enge Auslegung des § 201 I Nr. 1 StGB
über die Möglichkeit einer solchen rein visuellen     überzeugt aus Gründen der Rechtssicherheit, da
Aufnahme verfügen.                                    es sonst auf den Zufall ankäme, ob und gegebe-
                                                      nenfalls wie viele andere Menschen die Äußerun-

                                                                                                          -2-
NL vom 19.11.2021

gen der Polizeibediensteten tatsächlich wahrge-        diesbezüglich regelmäßig je nach vertretener An-
nommen haben. Die Äußerungen von Polizeibe-            sicht eine tatbestandsausschließende oder recht-
diensteten im Rahmen von Standardmaßnahmen             fertigende (ggf. mutmaßliche) Einwilligung vor-
sind zudem oft formalisiert, was ebenfalls dage-       liegen dürfte.
gen spricht, sie in den Schutzbereich einer Verlet-
zung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201         https://strafrecht-online.org/lg-kassel-23-09-2019
StGB miteinzubeziehen. So argumentiert auch
das LG Osnabrück, ein Amtsträger, dessen Han-          Es wäre daher zu begrüßen, wenn sich diese
deln rechtlich gebunden und rechtlich überprüf-        Rechtsprechungslinie weiter durchsetzt und eine
bar sei, bedürfe keines Schutzes der Unbefangen-       Beschlagnahme von Handys mit Videoaufnah-
heit seiner Kommunikation.                             men von Polizeieinsätzen im Regelfall nicht mehr
                                                       auf einen Anfangsverdacht bzgl. § 201 I Nr. 1
Neben dem LG Osnabrück hatte bereits das LG            StGB gestützt werden kann.
Kassel in jüngerer Vergangenheit die Rechtmä-
ßigkeit der Beschlagnahme eines Handys wegen           Da die Polizei aber offenkundig stets bemüht
des Bestehens einer faktischen Öffentlichkeit ver-     nach einem rechtlichen Hebel sucht, um solche
neint. Dabei betonte es zudem, im Rahmen einer         Aufnahmen zu verhindern, ist wohl damit zu
Personenkontrolle seien lediglich die Angaben          rechnen, dass diese fragwürdige Praxis zumindest
der betroffenen Person schützenswert, wobei            bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung
                                                       weiter fortgesetzt wird.

III. Regio
< Geschafft >

Hinterzarten, Bötzingen und Freiburg haben es          Kosten für die nötigen Installationen im Polizei-
ins Schwarzbuch für Steuerverschwendung ge-            präsidium und für die Videoarbeitsplätze.
schafft. Während in Hinterzarten Schanzentisch
und Sprungturm aufgrund von Bau- und Mess-             https://strafrecht-online.org/suedkurier-vue-fr
fehlern leider nicht zusammenpassten, womit
nicht nur Eddie the Eagle erhebliche Probleme          Hängt alles auch bereits, nur leider fehlt es für die
bekommen hätte, heil herunterzukommen, war             Inbetriebnahme der Kameras an den Vorausset-
man in Bötzingen davon überzeugt, der Bremer           zungen des § 44 Abs. 3 PolG BW. Denn hierfür
Pleitebank Greensill gleich einmal 13,2 Mio. Euro      müsste sich u.a. die Kriminalitätsbelastung im
und damit 40 % der städtischen Geldanlagen an-         überwachten Bereich von der des übrigen Ge-
zuvertrauen zu müssen. Sie hatte damit geworben,       meindegebiets deutlich abheben.
kein Verwahrentgelt zu verlangen und bis zu
0,7 % Zinsen auszuschütten. Da musste man ein-         Zudem merkte der Bund der Steuerzahler miss-
fach zuschlagen.                                       mutig an, eine tödliche Messerattacke im Oktober
                                                       2020 habe unter der Woche stattgefunden. Die
https://strafrecht-online.org/kommunalwiki-greensill   geplanten Überwachungszeiten lägen aber an Wo-
                                                       chenenden und Feiertagen.
Und was lief in Freiburg schief? Hier hatte der
Gemeinderat im Rahmen des Sicherheitspaktes            https://strafrecht-online.org/bz-schwarzbuch
mit dem Land beschlossen, für mind. 500.000
Euro 16 Videokameras anzuschaffen. Das Land            Wir können den rührigen Bund der Steuerzahler
wiederum lässt sich nicht lumpen und trägt die         zunächst einmal beruhigen: Wären die Kameras
                                                       bereits letztes Jahr im Betrieb gewesen, so hätten

                                                                                                            -3-
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sie den tödlichen Angriff auch nicht verhindert.       hat, obwohl nur eines sicher ist: Es verletzt
Und zudem ist der Täter auch ohne Videoüber-           Grundrechte. Alle mit der Videoüberwachung
wachung längst überführt und bereits verurteilt        propagierten Ziele – Abschreckung, Stärkung des
worden.                                                Sicherheitsgefühls, verbesserte Aufklärung – er-
                                                       weisen sich nach weltweiten empirischen Unter-
https://strafrecht-online.org/swr-urteil-2020          suchungen als Rohrkrepierer, sofern es nicht um
                                                       Parkhäuser oder Ähnliches geht.
Wir sind damit an dem Punkt angelangt, an dem
der Bund der Steuerzahler und wir auseinander-         Und daher schmerzt es uns zwar sehr, dass das
zudriften beginnen: Während ersterer bereits zu-       klamme Freiburg das Geld nicht in Sozialange-
frieden ist, wenn die Kameras nur laufen und           bote investierte, wir sind aber um jeden weiteren
nicht überteuert eingekauft wurden, fragen wir         Tag froh, an dem die ohnehin leider leicht zu kon-
danach, warum um alles in der Welt dieses Über-        struierenden Vorgaben des Polizeigesetzes noch
wachungsinstrument nach wie vor Konjunktur             nicht erfüllt sind.

IV. Hochschule
< Läuft >

Während es sich viele Universitäten auch im Win-       Uns gefällt die Schreibweise. Und die Rechnung
tersemester vor ihren Bildschirmen bequem ma-          ist korrekt.
chen, hat Freiburg zupackend die Präsenz ausge-
rufen. Als Lehrende bzw. Lehrender behält man          https://strafrecht-online.org/stuff/formel.png
natürlich alle Rechte, aus Sorge um die Gesund-
heit lieber doch die mühevoll erstellten Videos        Danach kommen wir bei fünf besuchten Veran-
und Podcasts aus der Kiste zu holen.                   staltungen in der Woche (unnötig viele, wie wir
                                                       finden; s. hierzu den nächsten Beitrag) auf eine
Das kommunizierte Kontrollsystem hat unseren           Wahrscheinlichkeit von 50,16 %.
Ehrgeiz entfacht, wieder einmal in die Stochastik
einzusteigen:                                          Jetzt warten wir dann mal auf die tatsächlichen
                                                       Kontrollen in der Vorlesung Strafrecht AT. Bis
„Täglich werden mindestens 13 % der Veranstal-         dahin hilft uns die negative Generalprävention
tungen (mit mehr als 36 Personen) überprüft.           von § 73 Abs. 1a Nr. 24 des Infektionsschutzge-
Dies bedeutet beispielhaft, dass die Wahrschein-       setzes, einer Blankettnorm mit Rückverweisung.
lichkeit, dass ein:e Student:in, die:der fünf Veran-   Die Fans komplizierter und verfassungsrechtlich
staltungen in der Woche besucht, innerhalb einer       bedenklicher Gesetzgebungstechnik jubeln ent-
Woche mindestens ein Mal kontrolliert wird, bei        zückt.
50 % liegt.“
                                                       https://sz.de/1.5462047
https://strafrecht-online.org/uni-freiburg-kontrolle

                                                                                                        -4-
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< Ad-hoc-Mitteilung Vorlesung >

Aus rechtlichen wie moralischen Gründen sind           https://strafrecht-online.org/spon-vorlesung
wir verpflichtet, Sie umgehend vor dem Besuch
der nächsten Vorlesung zu warnen. Denn sie ist         Wir sehen uns aber auf jeden Fall morgen in der
reiner Selbstzweck, bietet keinen Mehrwert, der        Mensa, und da wird es schwer genug: Bunte Tor-
Prof ist grauenhaft und es gibt eine sinnvolle Al-     tellini in Gorgonzolasauce oder Hähnchen im
ternative. Aufwand und Nutzen stehen somit in          Knuspermantel?
einem schlechten Verhältnis.

V. Lehre
< Hase und Krise >

Nachdem Jakob Bach und RH zwei Befragungen             Universität selbst entstanden, die nur schwer wie-
unter den Freiburger Jurastudierenden gleich zu        der einzufangen seien. Die Studierenden wollten
Beginn der Pandemie und dann am Ende des ers-          aber zumindest eines, nämlich die Lehre vor Ort
ten Corona-Semesters zur gleichsam erzwunge-           als sozialen Resonanzboden. Es sei nicht sonder-
nen Digitalisierung ausgewertet und gedeutet hat-      lich beruhigend, aber wohl Realität: Anspruchs-
ten (Hefendehl/Bach ZDRW 2021, 1–21), be-              volle Lehrformate, die die Studierenden als Sub-
leuchtet RH in einem weiteren Beitrag den Zu-          jekte respektierten, seien nicht einmal Vorausset-
stand der Lehre vor und während der Krise, den         zung hierfür (Hefendehl ZDRW 2021, 193–210).
er als selbst krisenhaft beschreibt. Die Universitä-
ten hätten sich in den vergangenen Jahren im           Wenn wie bei Hase und Igel der Krisen-Igel also
Sinne des Wettbewerbs nach unternehmerischen           immer schon da ist, erscheint eine Rückkehr zum
Kriterien ausgerichtet. Die Gemeinschaft der           Alten nicht sonderlich attraktiv. RH möchte sich
Lehrenden und Lernenden habe auch hierüber ei-         daher mit anderen Interessierten im Rahmen ei-
nen Riss bekommen. Die digitale Phase mache            nes vom Freiburger zentralen Studierendenvor-
diesen noch einmal sinnbildlich, ohne ihn selbst       schlagsbudget 2022 unterstützten Projekts auf die
heraufbeschworen zu haben.                             Suche nach einem Gegenmodell zum „Unterneh-
                                                       men Universität“ machen. Gesucht ist der ver-
Seine Befürchtung: Auch wenn der Ruf nach bal-         schwundene Geist an der Universität, der diese
diger Wiederherstellung der Präsenz unüberhör-         wieder zum Kristallisationspunkt für Gesell-
bar und vielfach bereits wieder Realität sei, werde    schaftskritik und Wandel werden ließe.
sich die Krise der Lehre hierüber nicht auflösen.
Zudem seien während der Phase des Digitalen            https://strafrecht-online.org/zdrw-hefendehl-bach
weitere Begehrlichkeiten der Lehrenden und der
                                                       https://strafrecht-online.org/zdrw-hefendehl [Uninetz]

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VI. Gesellschaft
< Treibjagd durch die Stadt >

Die Süddeutsche Zeitung zeigte sich kürzlich ein
wenig verwundert, dass die Party draußen weiter-     Corona hat diese Situation nicht heraufbeschwo-
gehe, nachdem Clubs, Bars und Restaurants            ren, aber noch einmal zugespitzt: Die Konventio-
längst wieder geöffnet hätten.                       nen wurden wie die Warnstufe von informell auf
                                                     formell heraufgestuft und damit richtig anstren-
https://sz.de/1.5445675
                                                     gend, das im wahrsten Sinne des Wortes erträgli-
Wir möchten nicht beckmesserisch erscheinen.         che Angebot verknappte sich weiter. Und weil
Aber die Party findet schon recht lange im öffent-   sich selbst die in aller Regel staatstragende Ver-
lichen Raum statt. Das Phänomen der Botellones,      waltungsgerichtsbarkeit unwillig zeigt, Alkohol-
bei denen die wortgebenden großen Flaschen un-       und Glasverbote und damit Grundrechtsein-
ter jungen Menschen kreisen, kennt man in Spa-       schränkungen als kommunalpolitische Lenkungs-
nien seit über 30 Jahren. Und auf dem Platz der      maßnahmen zu akzeptieren, wird die Jugend auch
Alten Synagoge erlebt man über viele Monate im       in Zukunft den klamottenschonenden versiegel-
Jahr im Ergebnis nichts anderes. Das Bürgertum       ten Innenraum okkupieren.
zeigt sich auf dem Weg ins Theater entweder an-
                                                     Wie die Drogenszene wird sie aber unerbittlich im
biedernd neugierig, was die jungen Menschen da
                                                     Visier der Stadt bleiben und mit den üblichen In-
um alles in der Welt so treiben, oder authentisch
                                                     strumenten der Verbote und Kontrolle von einem
unangenehm berührt. Die Gastronomie wiede-
                                                     zum nächsten Ort gescheucht werden: In Frei-
rum ist verbittert, weil die konsumierten Getränke
                                                     burg vom Bermudadreieck zum Augustinerplatz
von Norma kommen.
                                                     und dann zum Platz der Alten Synagoge. Der Co-
Womit wir schon zumindest bei einem wesentli-        lombipark ist leider derzeit als Ausweichraum ge-
chen Grund für die „Party draußen“ wären: Es ist     sperrt: Er ist für den Weihnachtsmerkt festlich il-
schlicht die Antwort auf die Ausgrenzung junger      luminiert und damit zu einem Raum der Kon-
Menschen durch Preise und Konventionen. Ein          trolle und damit der Exklusion geworden. In Hei-
Teil der Jugend mag hier noch mitspielen, der es     delberg wiederum möchte man die Alte Brücke
sich leisten kann und aus unerfindlichen Gründen     für das Pack sperren. Vielleicht soll es ein über
Gefallen daran findet, sich an harten Türen zu       § 10a PolG BW eröffnetes örtliches Alkoholkon-
messen. Die Mehrheit hingegen weicht auf den         sumverbot richten, vielleicht hat man aber auch
öffentlichen Raum aus, weil sie eigenartigerweise    ein anderes rechtliches Konstrukt im Auge. Die
weder über eine Villa noch über einen englischen     rechtliche Lage sei ein wenig knifflig geworden,
Garten mit Barbecue-Grill verfügt. Dieser öffent-    das schließe „in brisanten Situationen“ aber ein
liche Raum ist dabei in den letzten Jahrzehnten      Verbot nicht aus.
immer weiter zusammengeschrumpft, nachdem            https://www.faz.net/-gum-ahgsw
die Privaten ihn für sich und ihre ökonomischen
Interessen zunehmend okkupiert haben.                Ist eigentlich auch egal, wenn die Verwaltungsge-
                                                     richtsbarkeit es wieder kippen sollte. Pop-Up-
Für junge Menschen ist in der Stadt somit im aller   Restaurants und Pop-Up-Impfzentren sind ja der-
Regel kein Raum mehr. Aus den Kneipen sind sie       zeit auch im Trend. Einfach mal neue Ideen tem-
über Gehabe und Preise vertrieben, in der Öffent-    porär testen. Die Devise für die Stadt bleibt: Un-
lichkeit wiederum stören sie diejenigen, die sich    bequem bleiben und madig machen. Irgendwann
nicht durch eine lärmende Menschenmenge ihren        wird die Jugend schon weiterziehen. Aber bitte
Weg in die Bürgerstube bahnen wollen. Zuhause        nicht nach Herdern oder in die Wiehre, bitte
schließlich sollen sie bitte nur dann feiern, wenn   nicht!
die Nachbarschaft hierüber nicht gestört wird.
Warum feiern sie überhaupt?

                                                                                                   -6-
NL vom 19.11.2021

VII. Die Kategorie, die man nicht braucht
< Dr. Wirrkopf >

Marco Evers fragt in SPON+: „Wer ist Dr. Wirr-
kopf und wenn ja, wie viele wirklich?“                   Zwei weitere Jahre später schaffte es RDP noch
                                                         einmal in die Charts, in diesem Fall in die TOP 5
Das ist hinreichend kryptisch und verschroben,           der schlimmsten Nervensägen.
wie wir finden, und erfüllt damit sicherlich die
verlagsseitigen Vorgaben an einen SPON+-                 https://strafrecht-online.org/pdf.2014_10_24 [S. 7 f.]
Teaser. Wir lassen uns aber natürlich souverän
nicht locken und selbst das großzügige Euro-An-          Wer sich die illustre Konkurrenz vor Augen führt,
gebot für einen Kennenlernmonat verächtlich              die von Boris Palmer über Michel Friedmann, Til
links liegen.                                            Schweiger und Boris Becker bis hin zu Cherno
                                                         Jobatey reichte, dem wird schnell klar, dass es sich
Denn die weiteren wenigen sichtbaren Zeilen rei-         um einen ebenso illustren wie exquisiten Kreis
chen uns voll und ganz:                                  handelte.

„Der Talkshow-Dauergast und Bestsellerautor              Was Richard David Precht so genau macht, lässt
Precht ist intellektuell abgestürzt und schwadro-        Wikipedia ein wenig im Vagen. Es ist wohl Ho-
niert nun beim Coronathema auf »Querdenker«-             norarprofessor, eine gar eigenartige Spezies, die
Niveau. Weil viele Menschen ihn für klug halten,         sich irgendwie den lukrativen Titel unter den Na-
ist das eine Gefahr.“                                    gel gerissen hat und damit nun Kasse macht.

https://strafrecht-online.org/spon-wirrkopf              https://strafrecht-online.org/nl-2020-10-30 [S. 5]

Sie decken sich weitgehend mit unseren Erkennt-          https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_David_Precht
nissen. So verweisen wir mit einem gewissen Stolz
auf die bei aller Bescheidenheit umfängliche Ex-         Eigentlich hätte er dies gar nicht nötig, wie wir
pertise zu Richard David Precht, den wir nun-            finden. Denn Richard David Precht ist – so die
mehr seit exakt 10 Jahren – ein Jubiläum geradezu        Bild – „TV-Philosoph“. Aber TV-Philosophie-
– in unserem Newsletter begleiten.                       Professor klingt noch besser, stimmt schon. Und
                                                         in dieser Funktion rechnet er gnadenlos mit der
https://strafrecht-online.org/pdf.2011_11_18 [S. 8 f.]   Corona-Politik ab.

2012 war Richard David Precht unserer Einschät-          https://strafrecht-online.org/bild-tv-philosoph
zung nach bereits ganz oben angelangt. Die sel-
tene Ehre eines ihm gewidmeten Newsletters               Doch sehen Sie sich vor, Professor Precht. Eine
wurde ihm zuteil, der schwärmerisch wie folgt be-        Corona-Philosophin macht zunehmend von sich
gann: „Herzlich willkommen zum Richard David             reden.
Precht-Fan-Newsletter, der es – so raunt man sich
                                                         https://strafrecht-online.org/bild-corona-philosophin
voller Ehrfurcht zu – sogar bis in die Gala ge-
bracht hat. Und die SZ kommt zu dem hoff-
                                                         Honorarprofessorin scheint sie zwar nicht zu
nungsfrohen Schluss: 8,7 Prozent Marktanteil
                                                         sein. Aber sie schreibt Sachbücher, die steil argu-
und zwei offene Hemdknöpfe. Da ist auf jeden
                                                         mentieren und nahezu ohne Belege auskommen.
Fall noch Luft.“
                                                         Auch nicht schlecht.
https://strafrecht-online.org/pdf.2012_09_21
                                                         https://sz.de/1.5465808
NL vom 19.11.2021

Schon in unserem letzten Newsletter haben wir in             Zwei Drittel der Ungeimpften wählten im Sep-
unserem Beitrag „Dummheit und Dementi“ Zu-                   tember einer Umfrage des Forsa-Instituts zufolge
sammenhänge von hohem Bildungsgrad und ho-                   rechte Parteien.
her Impfquote angesprochen und FPÖ-Chef
Herbert Kickl zu Wort kommen lassen. Wir sind                https://strafrecht-online.org/spon-ungeimpft
mit ihm einer Meinung: Er kann auf keinen Fall
geimpft sein. Bei dieser Gelegenheit, Herr Bun-              Welche Rolle nun Dr. Wirrkopf mit seinen zwei
desparteiobmann: Werden Sie sich zu gegebener                offenen Hemdknöpfen und dem Mykonos-Teint
Zeit auch gegen etwaige Unterstellungen gericht-             spielt, ist empirisch noch unerforscht. Wir behal-
lich zur Wehr setzen, Sie seien genesen? Wir re-             ten dies aber argwöhnisch im Auge, weil er von
den noch immer von einem Phantom.                            einem süffigen Format zum nächsten tingelt.

https://strafrecht-online.org/nl-2021-10-22 [S. 5]           Oh, mein Gott, macht das nicht Karl Lauterbach
                                                             auch? Dürfen wir ihn als künftigen Fast-Minister
Eine weitere Studie bestätigt den Einflussfaktor             wirklich mit Richard David Precht in einen Topf
Bildung und benennt weitere Faktoren wie die                 werfen? Dürfen wir nicht, er tingelt nicht, er wird
wirtschaftliche und gesundheitliche Situation.               eingeladen. Gott sei Dank!

https://strafrecht-online.org/mpisoc-corona                  https://www.youtube.com/watch?v=LjCIPSD0Q10

VIII. Das Beste zum Schluss
Als mein Jugendpass auslief …

https://strafrecht-online.org/twitter-jugend

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                                                                                                            -8-
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