I O N - DIVERSITY GESTALTEN - ALLES SO SCHÖN BUNT HIER?! FREITAG, 22. NOVEMBER 2013 16.00 BIS 19.00 UHR LANDTAG NRW, RAUM E3 Z 04 - Josefine Paul
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EINLADUNG ZUR VERANSTALTUNG DIVERSITY GESTALTEN - ALLES SO SCHÖN BUNT HIER?! FREITAG, 22. NOVEMBER 2013 16.00 BIS 19.00 UHR LANDTAG NRW, RAUM E3 Z 04 IO N TAT M E N O KU D
INHALT VORWORT Dr. Birgit Beisheim, Sprecherin für Industriepolitik und Diversity Management Josefine Paul, Sprecherin für Frauenpolitik, Queerpolitik und Sportpolitik................................ 3 SCHAUBILD: ASSOZIATIONEN ZU DIVERSITY.................................................... 4 INPUT VON MEKONNEN MESGHENA, Leiter des Referats „Migration & Diversity“ der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin....................... 5 INPUT VON DR. IRIS KOALL, Geschäftsführerin des Zentrums für Weiterbildung der Universität Wuppertal........................ 48 SCHAUBILD: AUSBLICK - DIVERSITY GESTALTEN............................................. 51 AUSBLICK ZUR VERANSTALTUNGSREIHE: ALLES SO SCHÖN BUNT HIER?!..... 52 IMPRESSUM WEITERE INFORMATIONEN Herausgeberin Josefine Paul MdL Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Sprecherin für Frauen- und Queerpolitik im Landtag NRW Platz des Landtags 1 Platz des Landtags 1 40221 Düsseldorf 40221 Düsseldorf Telefon 0211/884-4325/4303 gruene@landtag.nrw.de Telefax 0211/884-3612 www.gruene.landtag.nrw.de Josefine.Paul@landtag.nrw.de www.josefine-paul.de Redaktion Dr. Birgit Beisheim, Josefine Paul, Anna von Spiczak, Dr. Birgit Beisheim MdL Vanessa Braun Sprecherin für Diversity Management Platz des Landtags 1 Erschienen im Mai 2014 40221 Düsseldorf Telefon 0211/ 884-2406 Diese Broschüre ist als PDF-Datei im Internet Telefax 0211/ 884-3536 unter www.gruene-fraktion-nrw.de abrufbar. birgit.beisheim@landtag.nrw.de www.birgit-beisheim.de 2
DIVERSITY GESTALTEN- ALLES SO SCHÖN BUNT HIER?! Dr. Birgit Beisheim Josefine Paul Sprecherin für Industrie- Sprecherin für Frauen- politik und politik, Queerpolitik Diversity Management und Sportpolitik Unsere Gesellschaft ist bunt - und sie wird noch bunter! Der Demographische Wandel, die Individuali- sierung unserer Lebensmodelle und die weltweite Globalisierung haben und werden unsere Gesellschaft verändern. Um das Prinzip der Chancengleichheit zu verwirklichen, müssen Ausgrenzungen und Diskri- minierungen aufgrund von Alter, Geschlecht, der ethnischen Herkunft, der sexuellen Identität, Religion, Bildungsstand, körperlicher und geistiger Befähigung und unterschiedlichen kulturellen Wertehaltung ent- gegen gewirkt werden. All diese Merkmale sollen durch einen übergreifenden Diversity-Ansatz berück- sichtigt werden. Doch stellt dieser Ansatz wirklich einen Neugewinn in der Antidiskriminierungspolitik dar? Was bedeutet dies für unsere Gesellschaft, was hält sie (noch) zusammen? Ist Diversity ein Wert an sich oder nur Mittel zum Zweck? Welche Lebensbereiche sind von Diversity „betroffen“? Wie können wir die Heterogenität unserer Gesellschaft positiv nutzen und gestalten? Welche Probleme kommen auf uns zu und wie lassen sie sich lösen? Mit diesen und weiteren Fragen, wollten sich Referentinnen und Referenten, sowie Teilneh- merinnen und Teilnehmern der Veranstaltung beschäftigen. Die Veranstaltung „Diversity gestalten“ vom 22. November 2013 beinhaltete als Diskussionsgrundlage ein zunächst sehr offen gefasstes Diversity-Verständnis. Mit den Mekonnen Meshgena (Leiter des Referats „Migration & Diversity“ der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin) und Dr. Iris Koall (Geschäftsführerin des Zentrums für Weiterbildung der Universität Wuppertal) diskutierten die Anwesenden die grundsätzlichen Fragen der Reichweite des Konzepts von Diversity und seinen Ursprung. Die Schaubilder, die auf Seite 4 und Seite 51 dargestellt sind, sind Abbildungen von Plakaten, die im Laufe der Veranstaltung von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Inhalten bespickt wurden. Die Abbildung auf Seite 4 stellt einen Kreis dar, der symbolisch die verschiedenen Charakteristika von Diversity umfasst. Die Abbildung des Pfeils auf Seite 51 hingegen wurde zum Ende hin erstellt. Hier konnten die Teilneh- merinnen und Teilnehmern ihre Wünsche äußern, welche Aspekte sie gerne in den kommenden Veran- staltungen beleuchten würden. Herzlichen Dank an dieser Stelle noch einmal Mekonnen Meshgena, Dr. Iris Koall und allen Gästen für die spannenden und intensiven Inputs, Diskussionen und Gespräche. Viel Spaß bei der Lektüre wünschen Ih- nen/ Euch 3
ASSOZIATIONEN ZU DIVERSITY Was bedeutet… Welche Bereiche umfasst… - Akzeptanz/Respekt - (fast) alle - Aktiv einbeziehen - Mainstreaming - Wachstum der Kultur/Gesellschaft - Alle Bereiche zusammen leben - Umgang mit Vielfalt, Perspektivwechsel - Alle?! - Gesellschaftliche Vielfalt erkennen und - Alle gesellschaftlichen Bereiche beschreiben (Wissenschaft, Leben, Beruf) - Vielfalt in Gemeinsamkeit - Sichtbarmachen von gesellschaftlicher Vielfalt - Gleichberechtigt in der Verschiedenheit - Menschen werden entlang von bestimmten - Inklusive Gesellschaft=Teilhabe Merkmalen ausgegrenzt: Alter, Religion, - Erweiterung der Sozialkompetenz Sexuelle Orientierung, Geschlecht, - Vielfalt wahrnehmen, aushalten und Soziokulturelle Herkunft wertschätzen können Diversity - Entwicklung positiver Maßnahmen (Empowernment) - Gruppen mit untersch. Merkmalen sind in versch. gesellschaftlichen Bereichen vertreten Chancen und - Strukturveränderung, Begegnung auf Risiken von… gleicher Augenhöhe - Chancen: Sichtbarkeit - Einen differenzierten Blick gewinnen - Ressourcen wahrnehmen und entfalten - Einbeziehung/Ausschluss der vielfältigen Communities - Dem Individuum gerecht werden, Synergien verschiedenen Bewegungen (z.B. Frauenbewegung) nutzen; Kreativität freisetzen - Risiken: Eine dominierende Gruppe - Unschärfer als der Diskriminierungsbegriff - Risiko: Vor lauter Querschnittsthematik nicht Konkretes tun. - Ausschluss der vielfältigen Communities - Risiko: Spezifische Bedürfnisse und den Teppich kehren - Trennen ohne zu verbinden
DIVERSITY GESTALTEN Alles so schön bunt hier! 1. Diversity-Gespräch der Grünen Landtagsfraktion NRW Düsseldorf, 22. November 2013 Mekonnen Mesghena
Kernthesen Vielfalt ist gesellschaftliche Realität Teilhabe und Repräsentation eine demokratische Verpflichtung Demografische Veränderungen und globale Herausforderungen – Let‘s face it! Aktive Diversity-Politik ist unerlässlich Mekonnen Mesghena
Vielfalt als Realität MIGRATION ca. 20 Prozent der deutschen Bevölkerung hat MVG/MHG … in den Großstädten: 35 - 50 Prozent … bei den unter 18-jährigen: über 50 Prozent … bei unter 10-jährigen: bis zu 70 Prozent Mekonnen Mesghena
Vielfalt als Realität Dimensionen der Vielfalt Geschlecht Physische Herkunft Fähigkeit Individuelle Vielfalt Sexuelle Alter Orientierung Mekonnen Mesghena
Vielfalt als Realität Dimensionen der Vielfalt Geografie Bildung Religion Soziale Dimension Familiäres Arbeit / Verhältnis Einkommen Mekonnen Mesghena
Vielfalt als Realität Mekonnen Mesghena
Vielfalt als Realität Konfliktpotenziale und Gefahren der Exklusion BILDUNG EINKOMMEN SPRACHE WERTVORSTELLUNGEN Mekonnen Mesghena
Vielfalt als Realität 200 Menschen Opfer rassistischer und rechtsextremer Gewalt seit 1990 NSU-Mordserie
DIVERSITY GESTALTEN II. Teilhabe und Repräsentation eine demokratische Verpflichtung Mekonnen Mesghena
Teilhabe & Repräsentation Eminentes Versprechen der Demokratie Chancengerechtigkeit als demokratisches Grundprinzip Repräsentation auf allen Ebenen (Politik, Berufsalltag, Institutionen) Soziale Aufstiegschancen
Teilhabe & Repräsentation PROBLEM eklatante Repräsentationslücken Herkunft weiterhin bestimmender Faktor über Teilhabe und Aufstiegschancen Medien: ca. 2 Prozent Verwaltung: < 5 Prozent Bildung/Schulen: ca. 5 Prozent Politik/Parteien: 4 Prozent (z. B. in Stadtparlamenten)
Teilhabe & Repräsentation Konfliktpotenziale und Gefahren der Exklusion Macht Dominanz Privileg Mekonnen Mesghena
Teilhabe & Repräsentation Beseitigung von strukturellen Barrieren Benachteiligung Diskriminierung (Geschlecht, Alter, Religion …) Rassismus
Teilhabe & Repräsentation Orte der Teilhabe Bildung (Schule, Wissenschaft) Arbeitsmarkt Wohnraum Politik/Kommunen Institutionen (Verwaltung, Medien …)
DIVERSITY GESTALTEN III. Demografische Veränderungen und globale Herausforderungen
Vielfalt als Realität DEMOGRAPHIE Deutschland heute und morgen … Durchschnittsalter: 44,3 Jahre (2010) [Äthiopien zum Vergleich: 18 Jahre] Bevölkerungsentwicklung 2050: knapp unter 71 Millionen (bei jährlicher netto Zuwanderung von 110.000 Personen und Geburtensteigerung auf etwa 1,7 Kinder pro Frau) Erwerbsfähige Bevölkerung wird - ohne Zuwanderung - bis zum Jahr 2020 um sechs Prozent abnehmen (OECD) Mekonnen Mesghena
Bevölkerungsentwicklung und Altersstruktur
Bevölkerungsentwicklung in Ostdeutschland
Zum Vergleich - 1990: 15 % über 65 Jahren
Demographischer Wandel - Migration
T-T-T Tolerance Technology Talents Mekonnen Mesghena
DIVERSITY GESTALTEN IV. Aktive Diversity-Politik Mekonnen Mesghena
Aktive Diversity-Politik DIE VISION Mekonnen Mesghena
Aktive Diversity-Politik Gesellschaftspolitische Vision Beseitigung struktureller Diskriminierung und Barrieren Politische, soziale und rechtliche Gleichstellung Akzeptanz und Anerkennung von Vielfalt Soziale Gerechtigkeit Mekonnen Mesghena
Aktive Diversity-Politik DIVERSITY POLITIK Mekonnen Mesghena
Aktive Diversity-Politik B ILDUNG POLITIK D E M O- ARBEIT G RAPHIE Mekonnen Mesghena
Aktive Diversity-Politik GESETZE RECHTE Mekonnen Mesghena
Aktive Diversity-Politik Internationale Beispiele … USA - Civil Rights, Affirmative Action, Equal Employment Opportunity (EEO) ... Canada - The Citizenship Act, The Multiculturalism Act, The Human Rights Act ... UK - Equal Opportunity Policy, Race Relations Act, Employment Equality Regulations … Mekonnen Mesghena
Aktive Diversity-Politik … in DEUTSCHLAND GG, Artikel 3 Abs. 2 & 3 (2 - Gleichheit von Männern und Frauen; und 3 – Benachteiligungsverbot) (Frauen)Gleichstellungsgesetz seit 2001 (ab 1994 Frauenförderungsgesetz) Gender Mainstreaming (seit 1999 als Querschnittaufgabe) Allgemeines Gleichstellungsgesetz (seit August 2006) Mekonnen Mesghena
Aktive Diversity-Politik Diversity Kompetenz Qualität Mekonnen Mesghena
Aktive Diversity-Politik Erkennen Wertschätzen Gestalten Mekonnen Mesghena
Aktive Diversity-Politik Alltags-KULTUR und -STRUKTUR POLITIK KULTUR der Inklusion der Inklusion entwickeln INKLUSION Inklusion im Alltag LEBEN Mekonnen Mesghena
Aktive Diversity-Politik „Business case …“ Qualifizierte Mitarbeiter (innen) Kreativität Interna- & Innovation tional Diversity Weniger Breite Management Diskriminie- Kundschaft rung Mitarbeiter Hohes (innen) Ansehen Bindung Weniger Schaden Mekonnen Mesghena
Aktive Diversity-Politik Wertschätzung von Differenz und Potenziale Beseitigung von Benachteiligung en Verbesserte Teilhabechancen und Verbesserung des Lebensstandards der/s Einzelnen (soziale Mobilität, Aufstieg) Kooperation, Kreativität, Innovation …. Sozialer Frieden Hoher Lebensstandard in Städten mit hoher Vielfalt und hohen Einwanderungsraten Beitrag zur Volkswirtschaft und sozialen Sicherungssystemen Mekonnen Mesghena
Alle irgendwie anders … Was bist Du für ein Vogel, dass Du nicht fliegen kannst Mekonnen Mesghena
… Was bist Du für ein Vogel, dass Du nicht schwimmen kannst Mekonnen Mesghena
Vielen Dank diversity@boell.de Mekonnen Mesghena
DIE HERKUNFT DES DIVERSITY–KONZEPTES AUS DEN UNTERNEHMENSINITIATIVEN Input von Dr. Iris Koall, Geschäftsführerin des Zentrums für Weiterbildung der Universität Wuppertal 1. WAS VERBIRGT SICH „WIRKLICH“ HINTER DEM DIVERSITY-KONZEPT? Seit 1964 haben Mitarbeitende in den USA die Möglichkeit aufgrund von verschiedenen Kriterien (Alter, Geschlecht, Behinderung, sexuelle Orientierung, Hautfarbe, Religion) gegen Ihre Arbeitgeber zu klagen. Insbesondere besteht seit dem der sogenannte „reverse impact“, d.h. der Nachweis, nicht diskriminiert zu haben, liegt bei den Unternehmen/Organisationen. Dieser Impuls befördert die Idee, dass in einer Leistungsgesellschaft die Teilhabe über Anti-Diskriminie- rungsprozesse befördert werden kann. 2. DIVERSITY ALS ANDERES KONZEPT ZUR ANTIDISKRIMINIERUNG? Die vorherrschende Ideologie des „Melting Pot“, hat sich als Illusion herausgestellt. Seit den 90er Jahren entsteht die Erfahrung und Erkenntnis, dass es Differenzen gibt, die sich in der Mehrheitsgesellschaft nicht so ohne weiteren zu einem „homogenen Masse zusammenschmelzen lassen“. Daraus entsteht zunächst die binäre Unterscheidung von „assimilierbarer Differenz“ und „nicht-assimilier- barer Differenz“. Die Aufgabe, die R. Roosevelt Thomas jr. bereits 1990 formuliert lautet: Beobachtet die Diversität der Mitarbeitenden bei den „Anderes“ und den „Normalen“ und verändert Euch und die Orga- nisation, wenn es darum geht das bisher vernachlässigte Potenzial zu entwickeln. Die Zusammenfassung dieser verschiedenen sozialen Kriterien wird eine Diskussion in Gang, die gesell- schaftlich und organisational das Phänomen Diskriminierung in einer positiven Konnotation diskutierbar macht. 3. DIE ZUSAMMENHÄNGE ZWISCHEN VERSCHIEDENEN DIVERSITY-GRUPPEN Die befruchtenden Beziehungen äußern sich in: • Fragen von (kultureller oder sozialer) Identität in dem Spannungsfeld von Kritik an (nationalkultu- rellen) Dominanzansprüchen als Lei(d)tkultur • Identitäten/ Kulturen nicht mehr kategorial und persönlich zuordnen, sondern Blick auf die Entste- hung von Hybridkulturen und deren Formen, und wie diese „lebendig“ in jeweiligen Kontexten aktu- alisiert werden können. 48
• Perspektiven der Entwicklung und Dekonstruktion von (Geschlechter)differenz • zeigen die Mechanismen zur Herstellung von Unterschieden auf der Ebene von devaluierenden Dis- kursen (Judith Butler) „ich werde zu dem, wie über mich geredet wird und was mir zugeschrieben wird“ -> Verknüpfung mit Strukturen und Funktionen in Inequlity Regimes (Joan Acker) ‚die Diskri- minierungen entstehen durch zugeschriebenen Aufgaben, daraus konstituierten Kompetenzen • „In Wirklichkeit ist Behinderung die Form der Verschiedenheit, die benachteiligt wird.“ (Richard von Weizsäcker 1968) die sich auf die WHO-Conventionen bezieht und Behinderung als das Zusammen- wirken von mehreren Faktoren als der Interaktion von Person und ihrer relevanten Umwelt entstehen lässt. Damit werden die Dominanzprozesse in der Konstruktion dieser Interaktion von Person und Umwelt kritisiert. Diese Erkenntnisse sind unabhängig von demografischen Merkmalen „durchdeklinierbar“: a. Es gibt immer mehr als die Unterscheidung zwischen „Dominanz und Diskriminierung“ die Räume „dazwischen bieten den Anlass nach den Optionen, Variationen, Ansätzen von sozialem Fortschritt zu schauen. b. Diskriminierung bedeutet eines zu betonen und anderes wegzulassen, sowie damit einhergehende Komplexitätsreduktion. c. Soziale, kulturelle, emotionale, künstlerische … Vielfalt steht den Normierungs-, und Normalisie- rungsprozessen gegenüber. Was sich durchsetzt, hängt nicht von den Intentionen einzelner ab, son- dern ist eher dem Zusammenwirken „großer Systeme“ geschuldet d. Es entsteht etwas unintendiert Neues. Dieses zu beobachten und zu beschreiben ist Aufgabe von Wissenschaft, ggf. auch von Politik (?). 4. ZUR DEFINITION VON DIVERSITY IN UNTERSCHIEDLICHEN HANDLUNGSKONTEXTEN: Ostendorp unterscheidet fünf verschiedene Foki, die Mikropraktiken des Sprechens kennzeichnen. Sie be- zeichnen Legitimierungen und entwickeln durchaus daraus handlungsleitende Prinzipien: imagefokussiert: betont werden Begriffe wie Trend, Luxus im Wettbewerb, sich besser verkaufen, Mode, Corporate Social Responsibility, fortschrittliches und innovatives Unternehmen -> Funktion ist die Reprä- sentanz nach außen, kaum Wirkungen nach innen bzw. strikte Aufrechterhaltung der Trennung von In- nen und Außen, marktfokussiert: Kundenorientierung, Abbildung der Kundenvielfalt, interkulturelle Kompetenz, -> Motto: „Soviel Diversität wie nötig, so wenig Diversität wie möglich“, minoritätenfokussiert: als caritatives Ereignis, Bedürfnisse von besonderen Gruppen entsprechen „diffe- renztheoretischer Kategorien“ wie Mütter, Behinderte, es ist keine Luxus sondern Teilhabenotwendigkeit -> sozial-normativer Appell an Verantwortung und Bewusstsein in Opposition zum „kalten Business“, themenfokussiert: keine Differenzkategorie oder demografische Zuordnung sondern Themen wie: Life Ba- lance, Rechte, Gesundheit, Interkulturalität (wir sind alle Ausländer, irgendwo) -> vormals nicht erreichte Zielgruppen für den Öffnungs- und Veränderungsdiskurs zu erschließen, arbeitet gegen Dichotomisie- rungen von Ökonomie und Sozialem, unterschiedsfokussiertes Repertoire: angesprochen sind nicht die Probleme einer besonderen demogra- fische Gruppe oder klare Themenvorgaben, sondern Fokus auf soziale Prozesse zur lernenden Organisati- on, die Veränderungen ermöglicht, die Inklusion steht im Vordergrund mit den Nach-oder Vorteil das es „vage, abstrakt, unfertig“ ist. -> „Annahme, dass der Umgang mit Unterschiedlichkeit eine organisation- simmanente Fragestellung sein müsste. Change Agents“ die kontinuierlichen Wandel in eine noch offene, unklare Richtung, voranbringen möchten, es ist ein Gesamtprozess, keine jeweilige Verantwortung. 49
Interessant erscheint mir dabei, dass im Diversitydiskurs drei Elemente verbunden werden: Erstens, die Offenheit für die verschiedenen Wege eines Wandels zur Erreichung eines Ziels der durchläs- sigen Gesellschaft, ohne Normvorgabe. Problem der Unübersichtlichkeit! Zweitens, gibt es das Anliegen, einen (organisationalen, systemischen) Wandel zur Erhöhung der sozialen Durchlässigkeit systeminhärent zu gestalten. Drittens, wird durch die Einnahme einer Diversity-Perspektive die Möglichkeiten des „teile und herrsche“ verringert, wenn die Zusammenhänge unterschiedlicher Diskriminierungstatbestände verständlich ge- macht werden können. Z.B. dass Behinderung nicht die Ursache sondern die Symptome der Gegenü- berstellung von Normalität und Abweichung ist, dass Privilegierung und Diskriminierung unmittelbar zu- sammen hängen. Eine auf dekonstruierende Prozesse basierende Diversity-Theorie, die Zusammenhänge zwischen Homogenisierung und Heterogenisierung erläutert und nicht auf der Symptomebene bleibt hätte eine große politische Kraft. 5. VERSCHIEDENE WISSENSCHAFTSGEBIETE UND IHRE AUFNAHME DES DIVERSITY- PARADIGMAS Grundsätzlich kann vermutet werden, dass das Thema Diversity in alle gesellschaftlichen Bereiche diffun- diert, so auch in den Wissenschaftsbereich. Es ist immer die Frage zu stellen, was damit auch transportiert wird. Als Beispiel kann in den Gender-Studies beobachtet werden. • Idee der Abkehr von der Geschlechterbinarität im Anschluss an die Diskurse, die von Seyla Benhabib, Judit Butler und im deutschsprachigen Raum von Angelia Wetterer ausgelöst wurden. Diese Öffnung brauchte eine neue „Rahmung“, wenn es nicht mehr zwei Geschlechter gibt. • Die Dekonstruktionsdebatte öffnet den Raum für die Abkehr von binären, hierarchischen Strukturen und den Blick machtvolle Konstruktionsprozesse (Foucault) bzw. auf die Zwischenräume (Derrida). Aufgabe: alles was Dominanzverhältnisse dekonstruiert und bestehende Mechanismen zur Sicherung von Machtstrukturen umkehrt, wird theoretisch, praktisch, politisch handelnd und denkend vorange- bracht (Diversity als Lebensform). 50
AUSBLICK - DIVERSITY GESTALTEN - Wahlrecht für Alle in der Kommune (Stadtverwaltung, Ratsgremien) - „Willkommenskultur“: Hilfreich gestaltete Integrationsprozesse - Familiäre Mehrsprachigkeit im Bildungssystem besser berücksichtigen - Landesantidiskriminierungsgesetz - Familiäre Mehrsprachigkeit im Bildungssystem besser berücksichtigen - Wie können in Kita und Schule Räume für Diversity geöffnet werden? - Im Betrieb (Gewerkschaft, Betriebsrat) - Zuwanderung Planen vorbereiten - Gender Diversity Planung - Themenorientierung keine sozialen Dimensionen
AUSBLICK ZUR VERANSTALTUNGSREIHE: ALLES SO SCHÖN BUNT HIER?! Ein guter Start zum weitermachen! Das erste Diversity-Gespräch der Grünen Landtagsfraktion macht Lust auf weitere bunte und vielfältige Gespräche zum Thema in seinen unterschiedlichen Facetten. Als Auftakt für die Gesprächsreihe zu Diversity ging es zunächst um eine allgemeine Einführung in die Thematik und bestehende Konzepte. Mekonnen Mesghena führte uns mit seinem Inputreferat vor Augen, inwieweit die Vielfalt in unserer Ge- sellschaft längst gelebte Realität ist, die es nun zu gestalten gilt. Alter, Geschlecht, sexuelle Identität, so- wie soziale und ethnische Herkunft prägen in Deutschland eine individuelle Vielfalt mit rasanter Dynamik. Es gilt sie anzuerkennen und wertzuschätzen. Hierfür muss der Zusammenhang von Diskriminierung und Privilegierung verständlich gemacht werden. Ein tatsächlich gleichberechtigtes Miteinander wird nur ge- lingen, wenn mit der Wertschätzung bestimmter Unterschiedlichkeiten nicht auch eine Herabsetzung des „Andersseins“ einhergeht. Klar wurde durch seinen Vortrag, dass diesbezüglich im Einwanderungsland Deutschland noch Nachholbedarf besteht. Ein Blick in jene Länder die sich schon früher mit der Vielfalt in ihrer Gesellschaft auseinander gesetzt haben, wie z.B. Kanada oder die USA, zeigen ganz praktisch wie Vielfalt wertgeschätzt und genutzt werden kann. Doch auch ein Blick in diese Länder bringt an der ein oder anderen Stelle Ernüchterung. Diversity, so scheint es, ist vor allem ein wenig klar umrissenes Konzept, deren Gestaltungsfähigkeit nicht abschließend geklärt ist. Hierin liegen gleichzeitig Chancen und Risiken. Schon viele unterschiedliche Wege hin zum Ziel einer durchlässigen Gesellschaft sind in unterschiedlichen Teilsystemen der Gesellschaft, wie z.B. Wirtschaft und Schule beschrieben worden. Das macht es schwer den roten Faden zu finden, ohne gleichzeitig eine Komplexitätsreduktion der Vielfalt vorzunehmen und doch wieder einzelne Vielfaltsaspekte zu privilegie- ren. Besonders erfrischend war vor diesem Hintergrund die gewählte Definition von Diversity von Frau Dr. Dr. Iris Koall. Sie bezeichnete Diversity als fruchtbare Begegnung Aller unter einem bunten Schirm, der die einzelnen Diskriminierungstatbestände zusammenbringt, ohne die genuinen Ansprüche aufzulösen. Ein erstrebenswerter Anspruch, den wir Grünen mit unserer Veranstaltungsreihe Diversity weiter verfolgen werden. Wir wollen „Diversity gestalten“ und die Vielfalt in NRW zum politischen Handlungsstrang ma- chen. Hierfür muss ein wertschätzender Umgang mit Diversity in der Gesamtgesellschaft angestrebt und ein demokratisch-partizipativer Zugang für Alle politisch sichergestellt werden. Diversity ist kein Mehrwert an sich, kann aber Potentiale sichtbar machen und neue Handlungsspielräume eröffnen. 52
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