Ich würde es immer wieder für meine deutschen Kameraden tun
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14 T I T E L : K A R F R E I TAGS GE F E CH T „Ich würde es immer wieder für meine deutschen Kameraden tun“ Wesentlichen Anteil am Verlauf des Karfreitagsgefechts hatten auch die amerikanischen Soldaten, die mit ihren „Black Hawk“-Hubschraubern den deutschen Kameraden zu Hilfe kamen. Als Chef des Teams war Chief Warrant Officer 3 Jason LaCrosse an Bord dabei. Für unser Verbandsmagazin erinnert er sich an die dramatischen Stunden. A Von Jason LaCrosse rum wir nicht alarmiert oder nicht aufgefordert von Dustoff 87 („Dedicated Unhesitating Service Als am 2. April 2010 das Karfreitagsgefecht be- wurden zu starten? Diese Frage konnte er nicht To Our Fighting Forces“; DO-87), zu der neben reits tobte, saß ich, damals Chief Warrant Officer beantworten, wollte sich aber in der Einsatzzen- Brown auch der Sanitäter Staff Sergeant Travis 3, mit Chief Warrant Officer 2, Jason Brown, in trale für einen Start einsetzen. Etwa fünf Minuten Brown und Crewchef Sergeant Steven Shumaker unseren Wohnräumen. Wir sprachen über das später kam Captain Hoffman zurück, und sagte gehörten, zu unserem Hubschrauber und machte berühmte deutsche Kriegsass, den Jagdflieger Er- uns, dass wir ein „Go“ hätten. Als Ausbilderpilot sich zum Start bereit. ich Hartmann. Plötzlich stand Captain Mathias war ich für diesen Tag zum Oberbefehlshaber Unser Begleithubschrauber – Rufzeichen Hoffman in unserer Tür und erzählte uns vom der Lufteinsätze unseres Teams ernannt worden. „Black Magic 70“ (BM-70) – wurde von den Pi- Gefecht in Isa Khel und davon, dass deutsche Sol- Nachdem ich die erste medizinische Evakuie- loten Chief Warrant Officer 2 Sean Johnson, daten verletzt worden waren. Ich fragte ihn, wa- rungsanfrage erhalten hatte, rannte meine Crew Chief Warrant Officer 2 Eric Wells und den Be-
T I T E L : K A R F R E I TAGS GE F E CH T 15 Foto: Terry Moore Images satzungschefs Sergeant William Ebel und sehen, wie die Funken von Kugeln von der Sergeant Todd Marchese bemannt. Nach- Oberfläche abprallten. Als wir uns weiter an- dem wir gestartet waren, näherten sich un- näherten, standen wir kontinuierlich unter sere Hubschrauber in wenigen Minuten dem Feuer. Das ermöglichte den Deutschen, den Standort des unter Beschuss stehenden deut- Feind zu erkennen und ihn mit Gegenfeuer schen Zugs. zu ersticken, wodurch sich die Dynamik des Gefechts effektiv verlagerte. Darüber hin- Suche nach den Verwundeten aus setzte BM-70 die Bordgeschütze ein, um Nach unserer Ankunft wies ich die Besat- feindliche Elemente anzugreifen, während er zung von BM-70 an vorauszufliegen, um über der Landezone kreiste. Als meine Be- Kontakt mit der Bodentruppe aufzunehmen satzung sicher landete, stieg Sergeant Brown, und festzustellen, ob die Landezone frei ist. der Sanitäter, ab und half bei der Verladung Wir stellten die Funkgeräte unserer Heli- des ersten schwer verwundeten Soldaten. So- kopter auf die Frequenzen ein, die uns für bald dieser angeschnallt und Sergeant Brown den deutschen Zug gegeben worden waren. wieder an Bord war, hoben wir ab und flogen Allerdings konnten wir keine Kommunikati- in Begleitung von BM-70 nach Kundus. on aufbauen. Ich wies dann BM-70 an, über der ausgewiesenen Landezone zu kreisen, Gemeinsames Unterdrückungsfeuer Für seinen Einsatz erhielt Jason LaCrosse das Ehrenkreuz während Brown die Landung von DO-87 Nach der Landung in Kundus entluden mei- der Bundeswehr in Gold in besonderer Ausführung. vorbereitete. Als wir uns der vorgesehenen ne Leute schnell den Patienten und starteten Landezone näherten, geriet unser Helikopter erneut, um zur Landezone zurückzukehren unter heftigen feindlichen Beschuss von Ma- und weitere Verletzte zu versorgen. Die deut- schinengewehren, Raketenwerfern und Mörsern. Plötzlich näherte sich ein Zivilist unserem sche Patrouille und das BM-70 lieferten ein zwei- Ich habe Brown dann angewiesen, den Anflug Hubschrauber von hinten. BM-70 konnte ihn tes Mal Unterdrückungsfeuer gegen die feind- abzubrechen und wir flogen an einen sichereren mit einem Tiefflug kurz aufhalten. Sobald BM- lichen Kämpfer. Während ich bei der zweiten Ort, um einen anderen Plan in Betracht zu zie- 70 wegflog, begann der Mann sich aber wieder Landung am Boden Blitze von einer Baumgrenze hen. Da sahen wir einen deutschen Soldaten, zu nähern und ließ sich auch mit Warnschüssen aus bemerkt hatte, sah ich drei Personen rechts der auf einem Feld stand und mit einer weißen nicht aufhalten. Die afghanische Nationalpolizei von meinem Hubschrauber. Ich bat Shumaker, Rauchgranate auf sich aufmerksam machte. Wir „unterdrückte“ ihn schließlich wirksam. durch sein Zielfernrohr zu schauen und zu sehen, landeten, um mit ihm zu sprechen und herauszu- ob es sich um feindliche Personen handelte. Dies Foto: xxxxxxxxx finden, wo die verletzten Soldaten waren. Landezone „kalt genug“ bestätigte er. Die Geschosse von dort aus wirbel- Von ihm erfuhren wir, dass Dann befahl ich Chief Warrant Officer 2 Brown, ten den Schmutz um Shumakers Füße herum die Verletzten an einem anderen abzuheben und zu kreisen. Staff Sergeant Brown auf. Ich rief dann BM-70 an und informierte sie Ort waren. Da ich über die sehr teilte uns mit, dass immer noch keine Frequenzen über die Situation, woraufhin BM-70 niedrig in gefährliche Situation besorgt für die Bodentruppen zur Verfügung stünden. Richtung der Baumgrenze über uns hinwegflog. war und der Aufenthaltsort der Glücklicherweise hatte die Besatzung der DO-84 Sergeant Ebel schaltete die drei Feinde schließlich Verwundeten nicht bekannt die Funkgeräte der DO-87 und des BM-70 von mit dem Maschinengewehr aus. war, befahl ich Brown, wieder Kundus aus überwacht. Chief Warrant Officer Meine Besatzung hat dann einen weiteren ver- zu starten und in einem siche- 3 Nelson Visaya erhielt die richtige Frequenz, die wundeten deutschen Soldaten geborgen und ihn ren Bereich zu warten, bis die vom gemeinsamen taktischen Fluglotsen (JTAC) nach Kundus geflogen. Auf dem Weg zur Überga- Besatzung Kontakt mit der Bo- verwendet wurde, um den deutschen Zug zu be des zweiten Verletzten teilte mir „Red Baron“ dentruppe aufnehmen konnte. kontaktieren. Er gab diese Information an mich mit, dass ein improvisierter Sprengsatz (IED) ge- Nachdem unsere beiden Besat- weiter, und ich wies dann beide Besatzungen an, rade bei Isa Khel gezündet worden war und vier zungen wiederholt erfolglos ver- ihre Funkgeräte auf diese Frequenz einzustellen, weitere deutsche Soldaten verwundete. sucht hatten, die Bodentruppen und nahm sofort Kontakt mit dem Joint Termi- Da ich wusste, dass die zweite Dustoff-Besat- per Funk zu erreichen, sagte ich nal Attack Controller auf, der das Rufzeichen zung mit mir starten musste, rief ich die Ope- Brown, er solle zu der Landezo- „Red Baron“ benutzte. „Red Baron“, der bei der rationsabteilung an und wies die Besatzung der ne zurückkehren, in der wir ge- Koordinierung der F-15- und F-16-Luftangriffe DO-84, bestehend aus Captain McDonough, rade gelandet waren. Daraufhin mitwirkte, teilte mir mit, die Deutschen seien der dem Pilotenkollegen Chief Warrant Officer 3 landete er erneut DO-87, damit Meinung, dass die derzeitige Landezone, in der Nelson Visaya, dem Sanitäter Sergeant Antonio wir mit den deutschen Soldaten wir nicht früher landen konnten, zu gefährlich Gattis und Crewchef Specialist Matthew Baker, sprechen und sie um Hilfe bei für uns sei und dass sie die Verwundeten in eine an, sich zur Unterstützung auf den Start vorzube- der Suche nach den Verwunde- sekundäre Landezone verlegen könnten. Darauf reiten. Als sie bereit waren, hoben alle drei Hub- ten bitten konnten. Nach der sagte ich, dass ich nicht auf die Verlegung der schrauber gemeinsam ab und wir flogen zurück in Landung rannte Staff Sergeant Verwundeten warten wolle und dass die Lande- die Schlacht. Brown den Hügel 352 hinauf, zone für mich „kalt genug“ sei und kündigte an, um mit dem deutschen Soldaten dass die DO-87 in der gegenwärtigen Landezone Hubschrauberheck in die Luft geschleudert zu sprechen. landen würde. Mein Hubschrauber und der BM-70 flogen zu- So bereitete das deutsche Kommando seine Ver- rück zur gleichen Landezone. Dort schossen vier wundeten auf die Abholung vor, als Brown einen Personen aus einem weißen Auto auf uns. Ich bat neuen Anlauf in die „heiße Landezone“ nahm. BM-70 um Unterstützung. Als der Hubschrauber Gruppenbild aller Crewmitglieder der drei Als sich unser Hubschrauber näherte, verlagerten über die Landezone flog, streckten alle Personen am Einsatz beteiligten die Aufständischen ihr Feuer von den deutschen ihre Hände aus den Fenstern und winkten. Und Hubschrauber Streitkräften auf uns. Zwei Raketen aus Rake- da keine Waffen zu sehen waren, konnte BM-70 tenwerfern kreuzten sich direkt unter unserem nicht schießen und drehte um. Dann wurde mit Hubschrauber, und die Bodentruppen konnten einem Raketenwerfer aus dem Auto geschossen. DIE BUNDESWEHR | MÄRZ 2020
16 T I T E L : K A R F R E I TAGS GE F E CH T Chief Warrant Officer Jason LaCrosse bereitet seinen UH-60 „Black Hawk“ MedEvac-Helikopter auf einen Start vor. tinguished Flying Cross. Deutschland hat uns allen auch das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold in besonderer Aus- führung überreicht. Bis heute sind wir die einzigen nicht-deutschen Soldaten, die mit der zweithöchsten deutschen Aus- zeichnung ausgezeichnet wurden. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an diesen Tag denke und ich werde gefragt, wie ich den Silver Star erhalten habe. So gerne ich den Menschen von dieser Mis- Fotos: zur Verfügung gestellt von JasonLaCrosse sion erzählen möchte, so schwer fällt es mir doch, davon vor allem Personen zu erzählen, die nie beim Militär waren. Ich bin ein bescheidener Mann und habe nur meinen Dienst getan, so wie der Rest der Besatzung. Ich möchte nicht als jemand dargestellt werden, der herumläuft und sagt: „Hey, ratet mal, was ich getan habe.“ Deshalb behalte ich die Gedanken und Erinnerungen an diese Mission, meine Kameraden und die Kameraden, die wir Dieser explodierte unter dem Heck von BM-70, laden waren, brachten die Teams die Verwunde- an diesem Tag verloren, für mich. das dabei in die Luft geschleudert wurde. Da- ten nach Kundus. In der Überzeugung, dass die raufhin gab ich per Funk „Viper 15“ (F-16) den Mission abgeschlossen war, schalteten alle Besat- „Glück ab“, Kameraden! Standort des Wagens durch und bat sie, ihn an- zungen ihre Fluggeräte ab und stellten fest, dass Ich werde oft gefragt, ob ich es noch einmal tun zugreifen. Doch da das Auto in ein Gelände mit alle drei im Kampf beschädigt worden waren. würde. Und ich zögere keinen Moment, Ja zu sa- einer Garage fuhr, hatte „Viper 15“ keine ande- gen: Wenn ich jetzt in Afghanistan sein könnte, re Wahl, als abzubrechen. Wir wussten nicht, Noch weitere sechs Stunden Gefecht um das zu tun, was ich damals getan habe, würde ob sich Zivilisten auf dem Gelände befanden. Leider wurden wir nur wenige Minuten später ich meine Frau und meine Kinder zum Abschied Während wir manövrierten, um den Bedrohun- erneut in die Luft befohlen, um vier weitere deut- küssen und in das nächste Flugzeug steigen. Das gen auszuweichen, sorgte BM-70 für Unterdrü- sche Soldaten zu bergen, die bei einer zweiten ist etwas, das ich nicht einmal mit meiner Frau ckungsfeuer. „Red Baron“ informierte uns, dass IED-Explosion verwundet worden waren. Ohne besprechen muss. Sie weiß, dass ich dort drüben die Deutschen die Verwundeten wegen der an- zu zögern starteten wir wieder. Das Gefecht dau- sein möchte, um Leben zu retten, und wie sehr haltenden Schlacht in eine alternative Landezone erte noch weitere sechs Stunden. Am Ende des es mich stört, dass meine Kameraden dort sind, verlegen würden, sodass sie mindestens fünfzehn Tages waren meine MedEvac-Besatzungen vier- während ich in den Vereinigten Staaten bin. Als Minuten lang nicht zur Abholung bereit seien. mal beziehungsweise achtmal gelandet, um insge- ich in den Ruhestand ging, flog ich erst für ein Chief Warrant Officer 2 Brown informierte samt zehn verwundete alliierte Soldaten zu ber- Rettungsflugunternehmen, fand aber einfach mich über den niedrigen Treibstoffstand sowohl gen. Bedauerlicherweise sind drei der deutschen nicht die gleiche Art von Kameradschaft wie meines Flugzeugs als auch des BM-70. Daher be- Soldaten an ihren Wunden gestorben. beim Militär. Deshalb kündigte ich nach dreiein- fahl ich allen drei Hubschraubern, zum Auftan- Die U.S. Army verlieh mir später den Silver halb Jahren und nahm einen Job in Saudi-Arabi- ken nach Kundus zurückzukehren. Während Star für meine Leistungen im Kampf und über- en an, wo ich Seite an Seite mit ehemaligen und die Hubschrauber am Boden waren, inspizierten reichte jedem der übrigen Besatzungsmitglieder aktiven Militärangehörigen arbeitete. Ich habe die Besatzungschefs sie auf Kampfschäden. Shu- von Dustoff 87, 84 und Black Magic 70 das Dis- dort dreieinhalb Jahre lang gearbeitet und das maker und ich stellten fest, dass war das einzige Mal, dass ich mich seit meiner mein Hubschrauber einige Treffer Pensionierung im Jahr 2014 so gefühlt habe, durch Kleinwaffen erlitten hatte, als würde ich dazugehören. Ich vermisste die aber wir waren uns beide einig, Kameradschaft, die Witze, die Freundschaf- dass er immer noch flugtauglich ten, und das wird niemand verstehen, der sei. Nachdem die Hubschrauber nicht gedient hat. Dann, und nur dann, wird aufgetankt waren, kehrten wir zur man sagen können: „Ich weiß genau, wovon Ausweichlandezone zurück, wo Jason spricht.“ die beiden MedEvac-Helikopter Würde ich also jemals wieder so handeln vier weitere schwer verwundete wie an diesem Tag? Auf jeden Fall! Ich würde deutsche Soldaten bergen konn- es immer wieder für meine deutschen Kame- ten. Sobald die Hubschrauber be- raden tun. „Glück ab!“ Dieses Foto eines landenden Hub- schraubers während des Gefechts nahm ein Soldat aus einem „Dingo“ auf. DIE BUNDESWEHR | MÄRZ 2020
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