ILS-TRENDS - ILS Forschung

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ILS-TRENDS

                                       Wie aus häuslichem Abwasser frische Tomaten
                                       werden – die künftige Rolle von Kläranlagen für eine
                                       Landwirtschaft in der Stadt
                                       Klimawandel, begrenzte Ressourcen und die Versorgung einer wachsenden
                                       Weltbevölkerung mit nachhaltigen Nahrungsmitteln sind Herausforderungen
                                       für Agrarsysteme. Das Verbundprojekt „SUSKULT – Entwicklung eines nach-
                                       haltigen Kultivierungssystems für Nahrungsmittel resilienter Metropolregionen“
                                       widmet sich vor allem den Fragen, wie man Kreisläufe schließen, Ressourcen-
                                       verschwendung minimieren und gleichzeitig Lebensmittel nachhaltig und urban pro-
                                       duzieren kann. Die Kreislaufwirtschaft liefert hierzu wichtige Lösungsansätze.
                                       Die Landwirtschaft unter freiem Himmel – wie wir sie heute kennen – wird sich
                                       womöglich vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen verändern und an-
                                       passen müssen. Im Forschungsverbund SUSKULT werden die Grundlagen
Autor/-innen dieser Ausgabe:           für eine urbane und zirkuläre Agrarproduktion für das Jahr 2050 entwickelt.
Ann-Kristin Steines                    Mittels der Rückgewinnung von Ressourcen aus kommunalem Abwasser sowie
ann-kristin.steines@ils-forschung.de   der gezielten Kontrolle von Umweltbedingungen soll ein neuer Entwicklungs-
Marcel Haberland                       pfad für die Landwirtschaft aufgezeigt werden, der insbesondere in urbanen
marcel.haberland@ils-forschung.de      Räumen realisierbar ist.

                                       Der vorliegende Beitrag zeigt anhand     sowohl das Potenzial von Abwasserbe-
                                       einer Szenariostudie, wie urbane Nah-    handlungsanlagen in Form von NEW-

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                                       rungsmittelproduktion auf Kläranlagen-   trient®-Centern als auch der Beitrag
                                       standorten in Zukunft aussehen könnte.   von Stadtbewohnerinnen und Stadtbe-
                                       Am Beispiel der Modellkläranlage         wohnern als Ressourcenlieferanten und
                                       Emschermündung in Dinslaken und der      Nahrungsmittelproduzenten verdeut-
                                       Kläranlage in Dortmund-Deusen wird       licht.
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Teil der globalen Treibhausgas-Emis-
                                                                                       sionen und tragen somit zum Klima-
                                                                                       wandel bei (Chmielewski 2009; GIZ;
                                                                                       Stock 2009; Umweltbundesamt 2021).
                                                                                       Um Ressourcen zu schonen, wird der
                                                                                       Kreislaufwirtschaft und der Nährstoff-
                                                                                       rückgewinnung eine besondere Rolle
                                                                                       beigemessen (Keuter et al. 2021a).

                                                                                       Die Folgen des Klimawandels wirken
                                                                                       sich zudem negativ auf die Ernteerträge
                                                                                       aus: Wasserknappheit, extreme Wetter-
                                                                                       verhältnisse sowie der stetige Tempera-
                                                                                       turanstieg sind Herausforderungen für
                                                                                       die konventionelle Agrarwirtschaft. In
                                                                                       sogenannten Indoor-Farms („Controlled
                                                                                       Environment Agriculture (CEA)“-Ver-
                                                                                       fahren) kann mit erdfreien Anbauwei-
                                                                                       sen, wie der Hydroponik (vgl. Infobox),
                                                                                       ressourcenschonender und flächen-
                                                                                       sparender Pflanzenanbau betrieben
                                                                                       werden (Keuter 2020). Diese Form der
Abb. 1: Schema der SUSKULT-Vision                                                      Pflanzenkultivierung bietet vor dem
                                                                                       Hintergrund des sowohl stetig steigen-
                                                                                       den Konkurrenzdrucks der Flächen-
Die Fördermaßnahme „Agrarsysteme            Erträge zu generieren, sondern viel-       nutzungen in städtischen Räumen als
der Zukunft“ des Bundesministeriums         mehr die notwendigen Ressourcen effi-      auch der zunehmenden Inanspruch-
für Bildung und Forschung (BMBF)            zient und nachhaltig zu nutzen.            nahme von Freiflächen in peripheren
unterstützt die Realisierung einer bio-                                                Lagen neue Chancen für nachhaltige,
basierten Wirtschaft bis zum Jahr 2030      In der von der Bundesregierung be-         ressourcenschonende Agrarsysteme
und fördert innovative Forschungsvor-       schlossenen Deutschen Nachhaltigkeits-     (Deutscher Städtetag 2021).
haben und Ansätze, um die Agrarpro-         strategie wird nicht zuletzt die Heraus-
duktion nachhaltig zu gestalten. Das        forderung einer ausreichenden Versor-      Die SUSKULT-Vision
Projekt SUSKULT ist Teil dieser Maß-        gung mit sicheren und erschwinglichen
nahme und wird bis 2024 vom BMBF            Lebensmitteln bei gleichzeitiger Sicher-   Vor dem Hintergrund aktueller Heraus-
gefördert. Im Rahmen des Projektes          stellung des Umwelt- und Klimaschutzes     forderungen gewinnt die Rückgewinnung
wird im Frühjahr 2022 eine Demonstra-       betont. Die Entwicklung neuartiger Er-     von Nährstoffen zunehmend an Be-
tionsanlage auf dem Gelände des Klär-       nährungssysteme kann zur Erreichung        deutung. Im BMBF-Verbundforschungs-
werks Emschermündung in Dinslaken,          der Agenda 2030 und somit der glo-         projekt SUSKULT untersuchen 15 Part-
in unmittelbarer Nähe zu den Stadt-         balen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable    nerinnen und Partner aus Wissenschaft
grenzen von Duisburg und Oberhausen,        Development Goals) beitragen (BMZ          und Praxis, welchen Beitrag Kläran-
errichtet. Auf der Pilotanlage sollen so-   2021). Dafür wird allem voran der Ent-     lagenstandorte in Kombination mit einer
wohl Gemüsepflanzen kultiviert als          wicklung neuer Technologien von Agrar-     hydroponischen Pflanzenaufzucht für die
auch Düngemittel in flüssiger und fe-       systemen eine besondere Rolle zuge-        urbane Produktion leisten können. Im
ster Form hergestellt werden. Doch wo-      sprochen: „Die Landwirtschaft als Basis    Rahmen der SUSKULT-Vision werden
her kommt die Vision einer landwirt-        für die Ernährungssicherung ist wie kein   innovative Systeme entwickelt, die
schaftlichen Produktion im städtischen      anderer Wirtschaftszweig auf natürliche    Kläranlagen mit einem landwirtschaft-
Kontext und worin liegt der Nutzen?         Ressourcen angewiesen und damit auch       lichen Produktionssystem verknüpfen
                                            in der besonderen Verantwortung, diese     (siehe Abb. 1). Das übergeordnete Ziel
Vielfältige räumliche und klimatische       nachhaltig zu bewirtschaften“ (Die Bun-    der Vision ist dabei die Etablierung
Herausforderungen für Agrarsysteme          desregierung 2016: 62).                    einer kreislaufbasierten Agrarproduktion
                                                                                       in städtischen Räumen, wobei die Innova-
Bis Mitte des Jahrhunderts werden           Durch die notwendige Versorgung der        tionskraft von SUSKULT als Zukunfts-
rund zwei Drittel der Weltbevölkerung       wachsenden Weltbevölkerung mit Nah-        branche der bio-basierten Wirtschaft in
in Städten leben. Die Anbauflächen          rungsmitteln steigt zudem der Bedarf       Deutschland erforscht werden soll.
und Ressourcen sind jedoch begrenzt,        an Pflanzennährstoffen. Hierzu gehört
weshalb es innovative und vor allem         insbesondere die endliche Ressource        Die SUSKULT-Vision sieht vor, konven-
nachhaltige, ressourcenschonende Lö-        Phosphor, die derzeit unter hohem En-      tionelle Kläranlagen zukünftig zu so-
sungen braucht, um die Daseinsvorsor-       ergieeinsatz gewonnen wird. Heutige        genannten NEWtrient®-Centern umzu-
ge sowie die Nahrungsmittelversorgung       Agrarsysteme für die Nahrungsmittel-       bauen, in denen die wesentlichen Res-
für die weiter wachsende Bevölkerung        produktion, Düngeherstellung und Be-       sourcen aus kommunalem Abwasser
sicherzustellen (Eigenbrod/Gruda 2015;      wirtschaftung landwirtschaftlicher Flä-    rückgewonnen und aufbereitet werden.
Jennings et al. 2015). Die Herausforde-     chen verursachen durch den hohen Ver-      Unter der Koordination des Fraunhofer-
rung für künftige Agrarsysteme wird es      brauch fossiler Energieträger und mi-      Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und
nicht mehr ausschließlich sein, höhere      neralischer Rohstoffe einen relevanten     Energietechnik UMSICHT wird ein auf

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Infobox 1

   Vertikale hydroponische
   Pflanzenkultivierung
   In geschlossenen hydroponischen Systemen werden                      Die Hydroponik ist besonders platzsparend, da die Fläche
   Pflanzen ohne Erde oder Substrat angebaut. Die Wurzeln               in Form vertikaler Anbauweisen effektiv und mittels der
   der Pflanze hängen dabei in einer flüssigen Nährlösung               auf die Pflanze individuell angepassten Umweltbedin-
   – ein Gemisch aus Wasser und darin gelösten Nährstof-                gungen ertragreich genutzt werden kann (siehe Abb. 3).
   fen – und können die notwendigen Mineralien direkt auf-              Zudem ist die erdlose Kultivierung ressourcensparend
   nehmen. Überschüssige Nährstoffe werden wieder aufbe-                und dabei nicht von der Bodenbeschaffenheit oder von
   reitet und in den Kreislauf zurückgeführt. Die erdlose               klimatischen Bedingungen abhängig (Richter/Kind 2017).
   Kultivierung ist ressourcensparend und dabei nicht von
   der Bodenbeschaffenheit oder klimatischen Bedingungen                Der Einsatz von hydroponischen Systemen zur Kultivie-
   abhängig (siehe Abb. 2). Um die optimalen Wachstumsbe-               rung von pflanzlichen Lebensmitteln kann trotz des Strom-
   dingungen der Pflanze und damit einhergehend höhere Er-              verbrauchs als klimafreundliche, nachhaltige und effizi-
   träge zu generieren, werden in hydroponischen Systemen               ente Alternative zur herkömmlichen landwirtschaftlichen
   die Umweltbedingungen mit Hilfe optimaler Belichtung                 Produktion angesehen werden. Die Hydroponik ermög-
   mittels neuer LED-Technik, die Tagesgänge nachmodel-                 licht zudem eine ganzjährige, regionale Nahrungsmittel-
   lieren kann, und durch die Steuerung des Raumklimas                  produktion in der Nähe des Endverbrauchers und redu-
   optimiert.                                                           ziert somit die Transportwege (Keuter et al. 2021b).

  Abb. 2: Hydroponische Kultivierung von Salat                          Abb. 3: Vertikale hydroponische Pflanzenkultivierung

Hydroponik basierendes (wasserbasie-             Die Aufbereitung von Nährstoffen aus              anlagenstandorten den Vertrieb der
rendes) Nahrungsmittelproduktionssystem          kommunalem Abwasser und die Rück-                 produzierten Lebensmittel in den um-
entwickelt, bei dem die Pflanzen boden-          führung in die Wertschöpfungskette                liegenden Lebensmitteleinzelhandel mit
bzw. erdlos unter Einsatz einer minera-          stehen dabei im Fokus des Forschungs-             geringeren Lieferwegen und -kosten er-
lischen Nährstofflösung angebaut werden          vorhabens. Aktuelle Trends zeigen                 möglichen.
(vgl. Infobox 1). Die vertikale Indoor-Kul-      zudem die steigende Nachfrage nach
tivierung ermöglicht dabei eine effizien-        regional erzeugten Produkten, welcher             Die transparente Anbauweise kann zu-
te und ertragreiche Gemüseproduktion             die SUSKULT-Vision entsprechend be-               dem Vertrauen innerhalb der Bevöl-
durch die optimale Steuerung der Nähr-           gegnen möchte. Gleichzeitig kann diese            kerung in die Produktion von Lebens-
stoffversorgung und des Raumklimas               Form der urbanen Landwirtschaft einen             mitteln schaffen und gleichzeitig deren
sowie durch eine gezielte Lichtsteue-            Beitrag zu einer nachhaltigen und re-             Verantwortung gegenüber der nachhalti-
rung mithilfe neuartiger LED-Technolo-           silienten Entwicklung von städtischen             gen, kreislaufbasierten Nahrungsmittel-
gien. Die für die Pflanzenkultivierung not-      Räumen leisten. Im Zuge der Suburba-              produktion stärken. SUSKULT verringert
wendigen Ressourcen Phosphor, Kohlen-            nisierung und des Siedlungswachstums              zudem die Abhängigkeit von Extrem-
stoffdioxid, Kalium und Stickstoff so-           sind viele Kläranlagen nicht mehr aus-            wetterereignissen, Bodenbeschaffenheit-
wie Wasser und Wärme werden dabei                schließlich am Stadtrand lokalisiert, son-        en sowie globalen Lieferketten bei der
direkt von der angeschlossenen Klär-             dern oftmals bereits an Siedlungsberei-           Pflanzenkultivierung und kann somit zu
anlage bezogen (Fraunhofer UMSICHT               che angeschlossen. Entsprechend dem               einer städtischen Resilienzsteigerung
2019).                                           Leitbild der „Stadt der kurzen Wege”              führen. Die vertikale Anbauweise ist
                                                 kann eine Agrarproduktion auf Klär-               darüber hinaus flächensparend und

TRENDS 1/22                                                                                                                             3
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ILS - Institut für Landes-                                                                            kungsmechanismen, welche sich von
                                                           JLU - Institut für Politikwissenschaft
und Stadtentwicklungsforschung           Sozial-                                                      den NEWtrient®-Centern auf die Stadt-
Stadt Dinslaken                      wissenschaften/              RVR - Regionalverband Ruhr          entwicklung ergeben – und umgekehrt.
                                    Stadtentwicklung                                                  Unter Verwendung des „Backcasting-Ver-
InnovationCity Management                                                                             fahrens“ wurden mögliche Entwicklungs-
                                                                                                      pfade rückwärtsgerichtet von der Ziel-
                                                                                   REWE Group         vision im Jahre 2050 in die Gegenwart
                  Angewandte                                                                          nachgezeichnet (IZT 2008; Steinmüller
                                                             Einzelhandel              NX Food        2012).
                   Forschung
Fraunhofer
UMSICHT                                                                                               Die Szenarien wurden dabei in einem
Hochschule                              SUSKULT-                                                      mehrstufigen, interdisziplinären Verfahr-
Osnabrück                              SZENARIEN                                                      en zusammen mit den Projektbeteilig-
                                                                                                      ten sowie weiteren Stakeholdern aus
                                                                                                      Wissenschaft und Praxis entwickelt (siehe
                                                                      Ministerium für Umwelt,
                                                      Weitere          Landwirtschaft, Natur-         Abb. 4).
                          Abwässer-                Institutionen       und Verbraucherschutz
                                                                                        NRW           In Zusammenarbeit mit den Stakeholdern
                          verbände
Ruhrverband                                                             Ernährungsrat Bochum          konnten insgesamt mehr als 20 Ein-
                                                                                                      flussfaktoren identifiziert werden, welche
Emschergenossenschaft/                                                 Landwirtschaftskammer          die SUSKULT-Vision potenziell beein-
Lippeverband                                                                            NRW
                                                                                                      flussen und somit relevant für die Sze-
                                                                                                      narienentwicklung sind. Dabei konnten
Abb. 4: Stakeholder im Rahmen der SUSKULT-Szenariostudie
                                                                                                      neun Schlüsselfaktoren herausgestellt
                                                                                                      werden, die eine besonders zentrale
                                                                                                      Wirkung für die großmaßstäbliche Um-
ressourceneffizient. Das NEWtrient®-Auf-        schiedlicher Szenarien, welche für Inter-             setzung der SUSKULT-Vision im räum-
bereitungssystem sowie die Pflanzen-            essierte in Form eines fiktiven Magazins              lichen Kontext aufzeigen (siehe Abb. 5).
kultivierung werden in stapelbaren Schiffs-     angeboten werden soll.
containern realisiert. Dadurch können                                                        Ferner wurden drei dieser Einflussfaktor-
freie Flächen auf Kläranlagenstandorten         Die Szenariotechnik hat in der Planung en für die Szenariostudie als Grundbau-
optimal genutzt und so dem städtischen          an Bedeutung gewonnen und wird ver- steine identifiziert, da sie vielfältige Ver-
Nutzungsdruck begegnet werden.                  mehrt als Alternative zu Prognosen an- flechtungen und Rückkopplungen zu den
                                                gewendet, um unterschiedliche Dimen- übrigen Schlüsselfaktoren aufweisen (sie-
Durch die Verknüpfung modernster Ab-            sionen von Zukünften der Stadtentwick- he Abb. 5, in Weiß dargestellte Faktoren).
wassertechnikanlagen mit einem neuar-           lung aufzuzeigen. Dabei
tigen Agrarsystem leistet die SUSKULT-          werden keine statistisch-
Vision zusätzlich einen Beitrag zur             en Kennwerte auf der
Förderung der Multifunktionalität städ-         Grundlage mathemati-
tischer Flächen. Kläranlagen sollen im          scher Berechnungen fort-
Jahr 2050 nicht mehr ausschließlich als         geschrieben, wie dies
technische Abwasserbehandlungsanla-             beispielsweise bei Pro-
gen dienen, sondern sich vielmehr als           gnosen üblich ist. Viel-
nachhaltige und verlässliche Ressour-           mehr schätzen Szenarien
cenlieferanten etablieren. Zudem wird           mögliche Entwicklungen
die Kläranlage zu einem Produktions-            voraus und beantworten
system von frischen, nachhaltigen und           unter gesetzten Annahm-            städtebauliche Integrierbarkeit der SUSKULT-Anlagen
lokal produzierten Nahrungsmitteln für          en die „was-wäre-wenn-
und durch die städtische Bevölkerung            Fragen“ (IZT 2008). Die                          Akzeptanz der bzw. Nachfrage
                                                                                            nach Produkten der Kreislaufwirtschaft
– der Konsument wird gleichzeitig zum           Szenarienentwicklung
Produzenten.                                    orientiert sich dabei an              Technische Entwicklung in der Abwassertechnik
                                                vorhandenen Trends.                Gesellschaftliche Bedeutung der Ressourcenrückgewinnung
Szenariotechnik als                             Gleichzeitig wird die
methodischer Zugang                             Möglichkeit eingeräumt,                   Produktionskosten der erzeugten Lebensmittel
                                                noch unbekannte jedoch                Flächennutzung/Flächenverfügbarkeit im Ruhrgebiet
Das Projekt SUSKULT beschränkt sich             mögliche Entwicklungs-
nicht nur auf die Entwicklung von in sich       pfade mit einzubeziehen                Bewusstsein für Klima/Umwelt (in der Gesellschaft)

geschlossenen Agrarsystemen, viel-              (Schubert 2015).                               Qualität der erzeugten Lebensmittel
mehr wird ein interdisziplinärer Ansatz
                                                                                                            Ressourcenverfügbarkeit
verfolgt. Das ILS untersucht dabei mög-         Die Szenariostudie im
liche Folgen und Herausforderungen              Rahmen des Forschungs-                                                                Created by Kick/Noun Project

im Kontext einer nachhaltigen Raum-             vorhabens SUSKULT                   Abb. 5: Schlüsselfaktoren für die Wirkungsanalyse im Rahmen der
und Stadtentwicklung. Ein Ergebnis              dient dabei der kreativ-            SUSKULT-Szenariostudie sowie die drei Faktoren der Szenario-
der Analyse ist die Entwicklung unter-          en Betrachtung der Wir-             narrative (in Weiß)

4
ILS-TRENDS - ILS Forschung
Fallstudienszenario                                  Fokus und Inhalte

    Hauptszenario Kläranlage                             Best-Practice-Beispiel
    Emschermündung (KLEM)                                • knüpft an real geplante Umrüstung der Kläranlage Emschermündung
                                                             zum NEWtrient®-Center an
                                                         • Modernisierung der Abwassertechnik zur Separierung der Schadstoffe
                                                         • Besucherzentrum sowie ein Marktplatz für Direktverkauf
                                                         • städtebauliche Integration & partielle öffentliche Zugänglichkeit
                                                         • Entwicklung des rechtlichen Rahmens
                                                         • Akzeptanzbildung durch Öffentlichkeitsarbeit
                                                         • Reproduzierbarkeit des SUSKULT-Konzeptes in anderen Städten

    Praxisbericht Bottrop                                Adaption des SUSKULT-Konzeptes
                                                         • veränderte Rahmenbedingungen wie negative demografische
                                                             Entwicklung und geringere städtebauliche Integration
                                                         • Anbau von Nutzpflanzen mit hoher Biomassenproduktivität
                                                         • Vertrieb von SUSKULT-Flüssig- und Feststoffdünger

    Praxisbericht Dortmund-Deusen                        Städtebauliche Integration und Netzwerkbildung
                                                         • städtebauliche Integration unter Verwendung von Fördermitteln
                                                             anderweitiger Stadtentwicklungsprojekte
                                                         • vornehmliche Produktion von Wasserlinsen in Kooperation mit
                                                             Start-Up-Unternehmen
                                                         • Direktverkauf über Verkaufsautomaten, Belieferung von Streetfood-
                                                             Läden sowie Vertrieb in umliegenden Supermärkten

    Praxisbericht Hattingen                              Dezentrale Gemüseproduktion auf Dächern und in Gärten
                                                         • Installation eines dezentralen Abwasser- & Stoffstromtrennungs-
    		 systems in einem Neubaugebiet als Pilotprojekt
                                                         • Vertrieb von einem „SUSKULT Produktion Kit” für Hobby-
                                                             Gärtnerinnen und -Gärtner

    Praxisbericht Schwerte                               Gesellschaftlicher / städtischer Wandel
                                                         • Besucherzentrum und Direktverkauf über einen Verkaufsautomaten
                                                         • Akzeptanzsteigerung durch Sensibilisierung für Kreislaufwirtschaft
                                                         • SUSKULT als Zwischennutzung für Gewerbeleerstand
                                                         • Flachdachnutzung für SUSKULT-Anbauweise auf Gewerbe-
    		 und Bürogebäuden

Tab. 1: Kurzdarstellung der fünf SUSKULT-Szenarionarrative

In den einzelnen Szenarien werden                  region Ruhrgebiet. Die Szenarien be-            weise notwendige Akzeptanzbildung,
Handlungsmöglichkeiten und -notwendig-             schreiben divergierende Foki, welche            Störfälle, wirtschaftliche Rentabilität
keiten einer erfolgreichen SUSKULT-                der lokalen Flexibilität des SUSKULT-           sowie technische Realisierung. Nach-
Vision aufgezeigt, wobei die im Projekt            Konzeptes für spezifische Rahmen-               folgend werden zwei dieser Szenario-
entwickelten Nahrungsmittelprodukti-               bedingungen Rechnung tragen sollen              narrative vorgestellt, um einen Einblick
onsverfahren in aktuelle und künftige              (siehe Tab. 1).                                 zu geben, wie ein solches Agrarsystem
Trends eingeordnet werden. Das Er-                                                                 der Zukunft nachhaltige, urbane und
gebnis sind fünf verschiedenartige                 Die Szenarien beinhalten ebenfalls poten-       ressourcenschonende Nahrungsmittel
Szenarien – in Form von kurzen Ge-                 zielle Risiken und Herausforderungen,           produzieren könnte.
schichten – für unterschiedliche Klär-             welche im Zusammenhang mit der
anlagenstandorte in der Fallstudien-               SUSKULT-Vision stehen, wie beispiels-

TRENDS 1/22                                                                                                                              5
ILS-TRENDS - ILS Forschung
Hauptszenario Emschermündung:                    Produkte im Besucherzentrum ausführ-              wasser und Nährstoffkonzentrationen,
Kläranlage als Ressourcenlieferant               lich aufbereitet und die Funktionsweise           die an der Kläranlage ankommen, oder
                                                 der Kreislaufschließung erklärt werden.           fehlende Knollenbildungen bei Süß-
Das Klärwerk Emschermündung (KLEM)               Als weitere Erfolgsfaktoren wurden die            kartoffeln. Mögliche Problemlösungen
stellt das Hauptszenario dar und be-             starke Einbindung der Landwirtinnen und           der hydroponischen Anbauweise, unter
schreibt die Umrüstung der schon                 Landwirte aus der Umgebung sowie die              Zufuhr von vor Ort gewonnenen für
damals überdurchschnittlich großen               Integration der SUSKULT-Produkte in               den Pflanzenanbau notwendigen Nähr-
Modellkläranlage zu einem NEWtrient®-            bestehende Lebensmittelzertifizierun-             stoffen wie Phosphor, Kalium und Stick-
Center zum Beginn der 2020er Jahre.              gen identifiziert.                                stoff, werden laut Szenario in einer On-
Dabei gilt es nicht zuletzt, die ungenutz-                                                         line-Datenbank gesammelt.
ten Flächenpotenziale von rund 5,5               Neben der Akzeptanzbildung skizziert
Hektar auf dem Kläranlagengelände                das Szenario insbesondere technische              Aufgrund des Erfolgs der Implementie-
auszuschöpfen. Das Szenario geht von             und rechtliche Voraussetzungen, wel-              rung der SUSKULT-Vision an der KLEM
einer zunehmend städtebaulichen Inte-            che das Projekt am Standort Dinslaken             beschreibt das Szenario ferner, dass
gration der technischen Infrastruktur bis        möglich gemacht haben. Um eine Pro-               sich das SUSKULT-Konzept im großen
zum Jahr 2050 aus, wobei die bereits             duktion im wirtschaftlichen Maßstab               Maßstab in vielen deutschen Großstäd-
angrenzenden Reihen- und Mehrfami-               von den zuvor durchgeführten Labor-               ten etablieren und somit die Multifunk-
lienhäuser sowie das Innovationsquartier         versuchen ableiten zu können, geht                tionalität technischer Infrastrukturen er-
Barmingholten im zeitlichen Verlauf nä-          das Szenario von einem Ertrag von bis             höht werden konnte.
her an die Anlage heranwachsen. Eine             zu 40 Tonnen Gemüse pro Jahr und
integrierte Lage verringert dabei den            1.000 m² Anbaufläche aus. Die Klär-               Szenario Klärwerk Dortmund-Deusen:
logistischen Aufwand sowie die CO2-              anlagentechnik im Szenario ist in der             Burger der Zukunft
Bilanz: Die Produkte werden regional in          Lage, Schadstoffe organisch bereits
Supermärkten verkauft. Ein Direktver-            im Hauptstrom abzureichern – dies                 Dieses Szenario beschreibt die Im-
trieb im Sinne eines SUSKULT-Markt-              stellt eine Ergänzung zur vierten Klär-           plementation der SUSKULT-Vision an
platzes an der Anlage ermöglicht sowohl          stufe dar und beschreibt ein generelles           der Kläranlage im Stadtteil Dortmund-
einen produktionsnahen Kauf der Lebens-          Nachrüstungsvorhaben, welches in den              Deusen. Ziel des Szenarios ist es, an re-
mittel als auch den Austausch mit Pro-           2020er-Jahren an unterschiedlichen                ale Entwicklungen in der Umgebung an-
duzierenden und Kundinnen und Kunden.            Kläranlagenstandorten realisiert wer-             zuknüpfen und diese in den Kontext einer
                                                 den soll. Die ganzjährig gleichbleibende          zukunftsgerichteten Stadtentwicklung zu
Die notwendige Akzeptanzbildung ge-              Qualität der Produkte im Jahr 2050 ist            setzen.
lang nicht zuletzt durch die teilweise           dabei das Resultat von anfänglichen
Öffnung der Kläranlage für die Bevöl-            Problemlösungen, wie beispielsweise               Im Rahmen der Internationalen Garten-
kerung, wobei die Unbedenklichkeit der           schwankende Zulaufmengen von Ab-                  ausstellung Metropole Ruhr (IGA) 2027

Abb. 6: 3D-Visualisierung des Hauptszenarios Kläranlage Emschermündung mit NEWtrient®-Center im Jahr 2050

6
ILS-TRENDS - ILS Forschung
jahr 2022 wird eine Demonstrations-
                                                                                                anlage auf der Kläranlage Emscher-
                                                                                                mündung errichtet, um die gewonnenen
                                                                                                Erkenntnisse der hydroponischen Pflan-
                                                                                                zenkultivierung vom Labormaßstab auf
                                                                                                eine reale Umgebung (Pilotanlage) zu
                                                                                                transferieren (siehe Abb. 8/9).

                                                                                                Die Szenariostudie wird spätestens zum
                                                                                                Ende der ersten Projektphase im März
                                                                                                2022 in Form eines fiktiven Magazins
                                                                                                öffentlich verfügbar sein. Ziel ist es, das
                                                                                                Projekt SUSKULT und seinen potenzi-
                                                                                                ellen Nutzen verständlich darzustellen.
                                                                                                Im weiteren Projektverlauf bis 2024 wird
Abb. 7: SUSKULT-Burger mit Süßkartoffeln von der Kläranlage Dortmund-Deusen                     aus diesen gewonnenen Zukunftsbildern
                                                                                                ein akteursspezifischer Handlungskata-
sind unter dem Stadtentwicklungspro-             Ein Besuchercontainer an der Kläran-           log für die Raum- und Stadtentwicklung
jekt „Emscher nordwärts“ zahlreiche              lage bietet zudem digitale Rundgänge,          erarbeitet.
Aufwertungsmaßnahmen in den betrof-              die die Produktionsweise erklären. Die
fenen Stadtbezirken vorgesehen. Diese            Produkte können regional in Super-             Weitere Informationen zum Projekt
beinhalten neue Wegeverbindungen                 märkten sowie an einem Verkaufsauto-
und Grünräume für Sport, Freizeit und            maten auf dem Kläranlagengelände er-           Grundlegende Informationen, den ak-
Erholungsangebote. Unter Verwendung              worben werden.                                 tuellen Forschungsstand und Veröffent-
von Fördermitteln der IGA 2027 könnte                                                           lichungen zum Projekt SUSKULT finden
man im Zuge dessen eine modernisierte            Ausblick                                       Sie auf der projekteigenen Webseite
SUSKULT-Anlage an das Radwegenetz                                                               www.suskult.de. In einem 6-minütigen
anbinden, um somit mehr Nähe zu den              Das Projekt SUSKULT ist ein vielver-           Video wird die SUSKULT-Vision ver-
Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen              sprechender Ansatz eines künftigen             ständlich dargestellt und gibt gleicher-
und vorhandene Vorbehalte zu über-               urbanen bio-basierten Agrarsystems             maßen einen visuellen Einblick, wie die
winden. Der Standort der Kläranlage im           und begegnet einer Vielzahl von räum-          Kläranlage der Zukunft aussehen könn-
Hafengebiet ist für die vertikale Pflanzen-      lichen Herausforderungen und aktuellen         te.
aufzucht im urbanen Raum besonders               Trends. Insbesondere Möglichkeiten
attraktiv, da dort gegenwärtig das soge-         der Einbindung von Stadtbewohnerinnen          Im Rahmen der Podcastreihe »Aufn
nannte Smart Rhino-Projekt, die Umnut-           und Stadtbewohnern über die eigent-            Käffken zur …« stellen die Projektbe-
zung einer 52 Hektar großen Brachfläche          liche Nährstoffproduktion hinaus, wie          teiligten außerdem einzelne Teilaspek-
zu einem nachhaltigen Stadtquartier              beispielsweise bei der dezentralen             te der SUSKULT-Vision vor und setzen
mit hoher Nutzungsmischung, in Pla-              Pflanzenaufzucht mit SUSKULT-Dünge-            diese in den Kontext einer zukünftigen
nung ist. Der Umbau der Kläranlage zu            mitteln, werden im weiteren Projekt-           Nahrungsmittelversorgung. Abrufbar unter
einem NEWtrient®-Center ist überdies             verlauf noch stärker beleuchtet. Im Früh-      https://suskult.de/index.php/podcast/.
architektonisch ansprechend gestaltet,
welcher eine Eingliederung in die umlie-
gende Bebauung zulässt.

Das Szenario beschreibt ferner, dass
eine frühzeitige Zusammenarbeit mit
den Ernährungsräten in der Region für
die notwendige Akzeptanz- und Netz-
werkbildung sorgen könnte. So entstand
in diesem Narrativ ab 2030 die Koopera-
tion mit einem Streetfood-Startup, wel-
ches mit lokalen (Fleischersatz-)Pro-
dukten von der Kläranlage arbeitet. Aus
den Tomaten, Gurken, Salatköpfen,
Süßkartoffeln sowie den Burgerpattys,
basierend auf Wasserlinsen, lassen sich
ganze Menüs kreieren. Um eine breitere
Zielgruppe der multikulturellen Bevölke-
rung Dortmunds erreichen zu können,
sieht das Szenario die Verwendung der
produzierten Nahrungsmittel für weitere
Produkte vor, wie beispielsweise die
vegane BVB-Stadionwurst oder den
veganen Drehspieß.                               Abb. 8/9: SUSKULT-Demonstrationsanlage auf dem Kläranlagengelände Emschermündung

TRENDS 1/22                                                                                                                              7
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                                                             Impressum                                            Auflage:             500

    Das Projekt                                                                                                   Ausgabe:             TRENDS 1/22, Februar 2022,
                                                             Herausgeber:                                                              ISSN 2701-4738 (Print)
                                                             ILS – Institut für Landes- und                                            ISSN 2701-4746 (Online)
                                                             Stadtentwicklungsforschung gGmbH                     Layout:              Silke Pfeifer
                                                             Brüderweg 22 – 24, 44135 Dortmund                    Kartografie: Jutta Rönsch
                                                             Postfach 10 17 64, 44017 Dortmund
                                                                                                                  Fotos:               Titel: Fraunhofer UMSICHT 2020,
                                                             Fon +49 (0)231 90 51- 0                                                   Abb. 1: Fraunhofer UMSICHT 2020,
                                                             Fax +49 (0)231 90 51- 155                                                 Abb. 2: Schulwitz 2019, Abb. 3:
    wird vom Bundesministerium für
                                                                                                                                       Fraunhofer UMSICHT 2020, Abb. 5:
    Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.                  ils@ils-forschung.de                                                      Icon: Noun Project by Kick, Abb. 7:
                                                             www.ils-forschung.de                                                      Adobe Stock _354734415, Abb. 8/9:
                                                                                                                                       Fraunhofer UMSICHT 2020
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