IMPULSE - Deutsche Sporthochschule Köln

Die Seite wird erstellt Jessica Weiss
 
WEITER LESEN
IMPULSE - Deutsche Sporthochschule Köln
IMPULSE
                      Das Wissenschaftsmagazin der Deutschen Sporthochschule Köln

                                                                              Sport
                                                                              WISSENSCHAFT
                                                                              In Zeiten des Wandels: der Internationale
                                                                              Leichtathletikverband | eSportlerInnen:
                                                                              Erfassung einer neuen Risikozielgruppe |
                                                                              Burnout bei TrainerInnen: eine Interven-
                                                                              tionsstudie | Good Governance-Strukturen:
                                                                              eine Bestandsaufnahme | VOICE: Aufarbei-
                                                                              tung von sexualisierter Gewalt im Sport
| 01 | 2019 | MAI |
IMPULSE - Deutsche Sporthochschule Köln
VORWORT

                                                     Liebe Leserin, lieber Leser,

BILDU
                                                     mit der aktuellen Ausgabe unseres IMPULSE-Magazins geben Ihnen unsere WissenschaftlerInnen
                                                     einen spannenden Einblick in aktuelle Forschungsprojekte.

                                                     Dr. Jörg Krieger, bis vor kurzem Mitarbeiter am Institut für Sportgeschichte, hat den Internationalen
                                                     Leichtathletikverband analysiert. Kommerzialisierung, Politik und Doping sind einige der Aspekte,
                                                     auf die er in seinem Beitrag fokussiert.

                                                     In dem zweiten Beitrag geht es um eSport, der weltweit inzwischen über 380 Millionen Zuschauer
                                                     fasziniert. Wissenschaftler des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention
                                                     und Rehabilitation haben sich die eSportler einmal genauer angesehen. Neben demografischen
                                                     Angaben wurde vor allem das Trainings- und Gesundheitsverhalten abgefragt.

                                                     WissenschaftlerInnen des Psychologischen Instituts haben gemeinsam mit Kollegen der Ruhr-
                                                     Universität Bochum eine Interventionsstudie mit TrainerInnen zum Burnout umgesetzt. Im Rahmen
                                                     des Verbundprojektes wurden zunächst Risikofaktoren für Burnout in Frühstadien identifiziert und
                                                     darauf aufbauend konkrete Maßnahmen zur Prävention von Burnout bei TrainerInnen entwickelt,
                                                     erprobt und evaluiert.
Damit Bildung niemals aufhört.
                                                     Viel erreicht, wenig gewonnen – so betiteln Prof. Dr. Jürgen Mittag und Dr. Ninja Putzmann vom
Wir setzen uns dafür ein, dass junge Menschen ihre   Institut für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung ihren Beitrag zu Good-Governance-
Talente entfalten können, und fördern bessere,       Strukturen in deutschen Sportverbänden. Im Rahmen des Projektes wurden ausgewählte deutsche
chancengerechte Bildung. Mehr über den               Sportverbände im Hinblick auf Transparenz, Demokratie, Kontrolle und Rechenschaft sowie
Stifterverband, sein Engagement für Bildung,         gesellschaftliche Verantwortung untersucht.
Wissenschaft und Innovation sowie Möglichkeiten
zum Mitwirken erfahren Sie online.                   Aus den Erfahrungen von Betroffenen lernen, ist eines der Hauptziele des EU-Projektes VOICE
                                                     zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Sport. Dr. Bettina Rulofs, Projektleiterin und
www.stifterverband.org                               Wissenschaftlerin am Institut für Soziologie und Genderforschung, stellt das Projekt vor,
                                                     das Betroffenen von sexualisierter Gewalt im Sport eine Stimme gibt und einen Rahmen schafft,
                                                     in dem über sexualisierte Gewalterfahrungen gesprochen werden kann.

                                                     Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre und danke allen Wissenschaftlerinnen und
                                                     Wissenschaftlern für die Beiträge.

                                                     Univ.-Prof. Dr. Heiko Strüder
                                                     Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln
IMPULSE - Deutsche Sporthochschule Köln
INHALT
                                                        06
                                        Kommerzialisierung,
                                         Politik und Doping
                                                 Der Internationale
                                              Leichtathletikverband                                                                           News.................................................................46
                                                                                                                                              +++ Sport hilft Parkinson-Betroffenen auch
                                              in Zeiten des Wandels
                                                                                                                                              bei kognitiven Symptomen +++ Aktuell lau-
                                                                                                                                              fen zwei Studien zur Weltraumforschung, an
                                                                                                                                              denen die Deutsche Sporthochschule Köln
                                                                                                                                              beteiligt ist: AGBRESA und SIRIUS +++ Pro-
                                                                                                                                              jekt RoSylernNT: Lernende Roboter als Be-

                                                                                 38
                                                                                                                                              gleiter durch den Alltag +++

                                                                                 Aus den Erfahrungen
                                                                                 von Betroffenen lernen
                                                                                 Das EU-Projekt VOICE zur Aufarbeitung
                                                                                 von sexualisierter Gewalt im Sport

                                                                                                                                              Impressum

                                                                                                                                              IMPULSE
                                                                                                                                              Das Wissenschaftsmagazin der
                                                                                                                                              Deutschen Sporthochschule Köln
                                                                                                                                              1/2019, 24. Jahrgang

                                                                                                                                              Herausgeber
                                                                                                                                              Univ.-Prof. Dr. Heiko Strüder
                                                                                                                                              Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln

    20
    Psychische Gesundheit
                                                                                                                                              Redaktion
                                                                                                                                              Deutsche Sporthochschule Köln,
                                                                                                                                              Stabsstelle Akademische Planung und Steuerung,
                                                                                                                                              Abt. Presse und Kommunikation
    von Trainern                                                                                                                              Am Sportpark Müngersdorf 6, 50933 Köln

    Eine Interventionsstudie                                                                                                                  Telefon: 0221 4982-3440
                                                                                                                                              Fax:     0221 4982-8400
                                                                                                                                              E-Mail: presse@dshs-koeln.de

                                                                                                                                              Redaktionsleitung: Sabine Maas

                                               12
                                                                                                                                              Redaktion und CvD: Lena Overbeck
                                                                                                                                              Layout: Sandra Bräutigam

                                                                                                                                 27
                                                                                                                                              Druckerei
                               eSportler im Fokus der                                                                                         DFS Druck Brecher GmbH, www.dfs-pro.de
                                   Sportwissenschaft
                                                                                                                                              ISSN-Nr.
                                     Erfassung einer neuen                                          Viel erreicht, wenig gewonnen             2192-3531
                                          Risikozielgruppe                                           „Good Governance“ als Herausforderung
                                                                                                                                              Cover:
                                                                                                                der deutschen Sportverbände
                                                                                                                                              microgen/ istockphoto

                                                                                                                                              In dieser Publikation wird aus Gründen einer bes-
                                                                                                                                              seren Lesbarkeit teilweise nur die männliche Form/
                                                                                                                                              Ansprache verwendet. Dies soll ausdrücklich nicht
                                                                                                                                              als Diskriminierung von Frauen verstanden werden.

4                                                                     IMPULSE | 01 | 2019                                                                                                                               5
IMPULSE - Deutsche Sporthochschule Köln
Text Jörg Krieger

                    Kommerzialisierung,
                    Politik und Doping:
                    Der Internationale
                    Leichtathletikverband
                    in Zeiten des Wandels

IMPULSE 01 | 2019                               7
IMPULSE - Deutsche Sporthochschule Köln
In den 1980er Jahren passte sich
                                          der IAAF unter Präsident Nebiolo
                                           dem Zeitgeist von Professionali-
                                          sierung und Kommerzialisierung
                                                    im Sport an.

    I
        nternationale Sportfachverbände (ISFs) sind zen-    ström IOC-Vizepräsident und wurde 1946 zum IOC-
        trale Interessensgruppen im globalen Sportsys-      Präsidenten gewählt. Sein Nachfolger im IAAF, der
        tem. Als universell anerkannte, nicht-staatliche    Brite Lord Exeter David Burghley, war während sei-
    Organisationen sind sie autonom in der Steuerung        ner Amtszeit ebenfalls IOC-Vizepräsident. Entspre-
    und Koordination ihrer jeweiligen Sportart(en). Als     chend eng arbeiteten die beiden Organisationen in
    Konsequenz aus der rasanten Professionalisierung        wichtigen Entscheidungsprozessen zusammen und
    und Kommerzialisierung des Sports in den vergan-        entwickelten gemeinsam eine stringente Amateur-,
    genen Jahrzehnten haben sich die ISFs von vorwie-       Doping- und Kommerzialisierungspolitik.
    gend ehrenamtlich geführten Vereinigungen in zu-
    nehmend komplexere, von festangestelltem Personal       Aufgrund der institutionellen Nähe zum IOC ver-
    geleitete Organisationen entwickelt.                    anstaltete der IAAF im Gegensatz zu anderen ISFs
                                                            keine eigene Weltmeisterschaft. Stattdessen wurden
    Obwohl die Umgestaltung der ISFs die Entschei-          die Olympischen Spiele als der führende internatio-
    dungsprozesse im internationalen Sport entschei-        nale Wettkampf in der Leichtathletik anerkannt. Im
    dend beeinträchtigt hat, gibt es nur wenige Studien,    Gegenzug erhielt der IAAF einen bedeutend höheren
    die sich mit der historischen Entwicklung der ISFs      Anteil der Fernseheinnahmen der Olympischen Spiele
    und deren Auswirkungen auf heutige Sportpolitik         als andere Verbände. Aufgrund der rapide steigenden
    auseinandersetzen. Insbesondere der Internationa-       TV-Gelder, die das IOC durch den Verkauf der Über-
    le Leichtathletikverband (IAAF) und dessen interne      tragungsrechte der Olympischen Spiele generierte,
    Reformprozesse zur Anpassung an die Realitäten          kritisierte Mitte der 1970er Jahre die Mehrheit der
    des modernen Hochleistungssports zwischen den           Olympischen ISFs zunehmend das Verteilungsprin-
    1970er und 1990er Jahren bildeten bisher ein For-       zip zwischen dem IOC und dem IAAF. Entsprechend
    schungsdesiderat. Entsprechend wurden im Rahmen         gründeten die kleineren Verbände den Internationa-
    dieses Forschungsprojektes unterschiedliche Aspekte     len Dachverband von Sportverbänden (GAISF), um
    der IAAF-Historie untersucht, die auf grundlegende      mehr Druck auf das IOC ausüben zu können. Die-
    Veränderungen in der Organisation der internationa-     ser Vereinigung trat der IAAF zunächst nicht bei
    len Leichtathletik hinweisen. Ziel war es, den Zu-      und entschied sich zur Einführung eigener Leicht-
    sammenhang zwischen der Kommerzialisierung der          athletik-Weltmeisterschaften, die erstmals 1983 in
    Leichtathletik und der Entstehung von problemati-       Helsinki veranstaltet wurden. Damit passte sich der
    schen verbandsinternen Hierarchien und Entschei-        Verband unter der Führung des 1981 neu gewählten
    dungsprozessen aufzuzeigen.                             Präsidenten Primo Nebiolo dem Zeitgeist von Profes-                         größeren nationalen Leichtathletikverbänden mehr         Internationale Beziehungen
                                                            sionalisierung und Kommerzialisierung im internati-                         Stimmen bei Abstimmungsverfahren im IAAF-Kon-            Das Bestreben einer frühen Wiederaufnahme Südafri-
    Der Erkenntnisgewinn des Forschungsprojektes ba-        onalen Sport an und gab seine privilegierte Rolle bei                       gress zusicherte. Dadurch konnten insbesondere die       kas in die globale Sportgemeinschaft nach Ende des
    siert auf einer umfassenden Analyse von internatio-     der TV-Gelder-Verteilung des IOC auf. In den 1980er                         mitgliederstarken europäischen und nordamerikani-        Apartheid-Regimes zeigt, wie rigoros Primo Nebiolo die
    nalem Archivmaterial. In der folgenden Darstellung      Jahren trieb Nebiolo den Verkauf von exklusiven                             schen Verbände ihre Machtpositionen absichern. Die-      persönlichen Ambitionen und Verbandsinteressen des
    ausgewählter Forschungsergebnisse liegt der Fokus       Marketingrechten in Zusammenarbeit mit der Marke-                           se Regelung geriet in den 1980er Jahren stark in die     IAAF über nationale und weltpolitische Belange stellte.
    auf der Rolle des ehemaligen IAAF-Präsidenten Pri-      tingfirma International Sport and Leisure (ISL), ge-                        Kritik. Als der Druck durch afrikanische und südost-
    mo Nebiolo, der die Transformation der internationa-    gen die mehrfach wegen Korruption ermittelt wurde,                          asiatische Verbände zu groß wurde, versprach Nebiolo     Der ausgewertete Schriftverkehr zwischen Nebio-
    len Leichtathletik entscheidend geprägt hat. Dabei      stetig voran. So wurde der IAAF zu einem wesentli-                          den Verbänden finanzielle und materielle Unterstüt-      lo und südafrikanischen Sportoffiziellen legt offen,
    soll vor allem seine kontroverse Politik in den Be-     chen Element des wirtschaftlich expandierenden und                          zung durch ein neustrukturiertes Entwicklungshilfe-      dass Nebiolo sich persönlich für eine schnelle Wie-
    reichen Entwicklungshilfe für die Leichtathletik, In-   finanziell lukrativen internationalen Sportsektors.                         Programm, um so Kritik abzuwenden und seine Macht-       dereingliederung Südafrikas in den IAAF einsetzte,
    ternationale Beziehungen, Doping und Manipulation                                                                                   position abzusichern. 1987 führte die IAAF schließlich   um südafrikanischen Sportlern eine Teilnahme an der
    ausgewertet werden.                                     Die steigenden TV-Einnahmen führten zu einem Kräf-                          das „Ein-Verband-eine-Stimme“-System ein, welches        Leichtathletik-Weltmeisterschaft 1991 in Tokio zu er-
                                                            temessen zwischen dem IAAF und seinen nationalen                            bis heute Anwendung findet und das gleichberechtig-      möglichen. Dabei standen für ihn allerdings nicht die
    Kommerzialisierung und Entwicklungshilfe                Mitgliederverbänden aus finanzärmeren Regionen, da                          te Mitspracherecht der einzelnen Verbände garantiert.    Athletinnen und Athleten sondern finanzielle Aspek-
    Seit seiner Gründung 1913 bis in die späten 1970er      die Verbände nicht direkt an den Gewinnen beteiligt                         Allerdings begünstigt das Verfahren gleichzeitig kor-    te im Vordergrund. Nebiolo erhoffte sich von einer
    Jahre unterhielt der IAAF enge personelle Verbin-       wurden. Vor dem Hintergrund zahlreicher neuer Ver-                          rupte Aktivitäten, weshalb in den vergangen Jahren       südafrikanischen Teilnahme steigende Einnahmen
    dungen zum Internationalen Olympischen Komitee          bandsgründungen im Zuge der Dekolonialisierung hat-                         in der Wissenschaft teilweise eine Rückkehr zu einem     durch zusätzliche Sponsorenverträge und TV-Gelder.
    (IOC). So war IAAF-Gründungspräsident Sigfrid Ed-       te der IAAF 1950 ein Verfahren eingeführt, welches                          gewichteten Abstimmungsverfahren gefordert wurde.        Darüber hinaus wollte er IOC-Präsident Juan Antonio
8                                                                                                                   IMPULSE 01 | 2019                                                                                                                      9
IMPULSE - Deutsche Sporthochschule Köln
Fall zunächst nicht. Erst durch öffentlichen Druck
                                                                                                                                                                                                              und italienische Untersuchungsergebnisse sah sich
                                                                                                                                                                                                              der Verband gezwungen, Evangelisti rückwirkend
                                                                                                                                                                                                              zu disqualifizieren. Obwohl es keine eindeutigen
                                                                                                                                                                                                              Beweise für eine direkte Beteiligung Nebiolos an
                                                                                                                                                                                                              der Manipulation gibt, zeigt der Umgang des IAAF
                                                                                                                                                                                                              mit dem Fall Evangelisti den fehlenden Willen, „die
                                                                                                                                                                                                              dunklen Seiten“ der Leichtathletik gezielt und syste-
                                                                                                                                                                                                              matisch zu bekämpfen, deutlich auf. Damit ist auch
                                                                                                                                                                                                              zu begründen, warum der IAAF den Internationalen
                                                                                                                                                                   Die Missstände im Internationa-
                                                                                                                                                                                                              Sportgerichtshof (CAS) nach seiner Gründung 1982
                                                                                                                                                                  len Leichtathletikverband (IAAF)
                                                                                                                                                                                                              nicht anerkannte. Stattdessen wurde ein IAAF-in-
                                                                                                                                                                     haben sich über Jahrzehnte
                                                                                                                                                                                                              ternes Schiedswesen installiert, welches dem Ver-
                                                                                                                                                                              verfestigt.
                                                                                                                                                                                                              band ermöglichte, schwierige Konflikte ohne externe
                                                                                                                                                                                                              Einmischung zu lösen. Entsprechend fehlte es der
                                                                                                                                                                                                              internationalen Leichtathletik an Durchsetzungsme-
                                                                                                                                                                                                              chanismen und es entstand in vielen Bereichen ein
                                                                                                                                                                                                              Klima der Straffreiheit, das Fehlverhalten und Miss-
                                                                                                                                                                                                              wirtschaft wahrscheinlicher machte.

                                                                                                                                                                                                              Die diskutierten Beispiele zeigen, dass im IAAF seit
                                                                                                                                                                                                              Durchführung umfassender Dopingkontrollen kein
                                                                                                                                                                                                              ernsthaftes Interesse an Verfolgung von Dopingsün-
                                                                                                                                                                                                              dern bestand. Stattdessen gibt es Nachweise für die
                                                                                                                                                                                                              Beteiligung an korrupten und manipulativen Aktivi-
     Samaranch ausmanövrieren, um sich selbst als den        system aufgeführt, ohne die eigennützige Politik der                                     gewährleistet werden konnten. Nur wenige Wochen         täten. Dies ist unter anderem damit zu erklären, dass
     Sportfunktionär zu präsentieren, der Südafrika wieder   beteiligten internationalen Sportorganisationen zu                                       später führte die Einführung neuer Testverfahren        die Kommerzialisierung mit positiven Dopingkontrol-
     in die Sportgemeinschaft aufgenommen hat.               hinterfragen. Die Verflechtung von Wirtschaftlichem                                      durch Manfred Donike bei den Panamerikanischen          len nicht zu vereinbaren war.
                                                             und Politischem im Sport, von prägenden Persön-                                          Spielen 1983 in Venezuela zur Flucht zahlreicher
     In seinem Vorgehen missachtete Nebiolo die innen-       lichkeiten wie Nebiolo unermüdlich vorangetrieben,                                       Athleten und insgesamt sechzehn positiven Doping-       Auswirkungen auf heutige IAAF Politik
     politischen Entwicklungen in Südafrika und die vor-     erlaubte es den Verbänden zunehmend „politisch“ zu                                       tests. Obwohl die IAAF letztlich die Kontrollen aner-   Die präsentierten Forschungsergebnisse machen
     herrschende Meinung internationaler Arbeitsgrup-        agieren. Gleichzeitig wird bis heute an der Trennung                                     kannte, kritisierte Nebiolo Donikes rigoroses Vorge-    deutlich, dass in den 1980er Jahren im IAAF proble-
     pen, die 1990 und 1991 eine Wiedereingliederung         von Sport und Politik festgehalten.                                                      hen in Venezuela heftig.                                matische Strukturen und Prozesse entstanden sind.
     als verfrüht betrachteten. Ungeachtet dessen schrieb                                                                                                                                                     Diese beeinflussen die Verbandspolitik bis heute. Im
     Nebiolo mehrmals an den südafrikanischen Präsiden-      Doping und Manipulation                                                                  Um einer möglichen hohen Zahl von Dopingfällen          Rahmen der Doping-Affäre um Russland wurde der          Dr. Jörg Krieger,
     ten F.W. de Klerck und an Nelson Mandela, um ihre       1928 war der IAAF der erste ISF, der eine Regelung                                       bei der folgenden Weltmeisterschaft in Rom 1987         IAAF von einer unabhängigen Kommission der Welt         geboren 1985 in Ochsenhausen,
                                                                                                                                                                                                                                                                      studierte Sportwissenschaften (B.A.),
     Unterstützung für eine Teilnahme Südafrikas an der      gegen den Gebrauch von leistungssteigernden Sub-                                         vorzubeugen, ließ Nebiolo im Vorfeld der Wettkämp-      Anti-Doping Agentur (WADA) untersucht. Die Kom-
                                                                                                                                                                                                                                                                      International Sport Policy (M.A.) und
     Leichtathletik-Weltmeisterschaft 1991 zu gewinnen.      stanzen einführte. Allerdings wurden konkrete Maß-                                       fe Donike und seinen Kollegen Arnold Beckett als        mission konnte darlegen, dass sich Nebiolos Nachfol-    Olympic Studies (M.A.) in Liverpool,
     Als sich die südafrikanischen Leichtathletikverbän-     nahmen zum Dopingnachweis erst Ende der 1960er                                           Dopingkontrollverantwortliche ersetzen. Damit über-     ger als IAAF-Präsident, der Senegalese Lamine Diack,    Brighton und Köln. 2015 promovierte
     de gegen eine Teilnahme entschieden, versuchte der      Jahre diskutiert und umgesetzt. Damit folgte der IAAF                                    stimmte er eine Entscheidung des Medizinischen          an der Vertuschung von positiven Dopingkontrollen       er am Institut für Sportgeschichte der
     IAAF die Funktionäre abermals mit Entwicklungshilfe-    dem IOC, welches Dopingkontrollen ab den Olympi-                                         Komitees des IAAF. Schließlich kam es bei den Kon-      beteiligte und gegen die Disqualifizierung positiv      Deutschen Sporthochschule Köln, wo er
                                                                                                                                                                                                                                                                      bis vor kurzem als wissenschaftlicher
     Geldern in Millionenhöhe umzustimmen. Auch dieser       schen Spielen 1968 durchführte. Während im 1972                                          trollen in Rom zu größeren Ungenauigkeiten in der       getesteter russischer Athletinnen und Athleten aus-
                                                                                                                                                                                                                                                                      Mitarbeiter tätig war. Seit April 2019
     Bestechungsversuch wurde abgelehnt.                     gegründeten Medizinischen Komitee des IAAF der                                           technischen Umsetzung der Analyseverfahren, wel-        sprach. Auch seine Söhne Papa Massata und Khalid        ist er Assistant Professor in Sport and
                                                             internationale Kampf gegen Doping bis Anfang der                                         che auch auf die Umbesetzung zurückzuführen sind.       waren an der Korruption beteiligt. Die historisch ge-   Social Science an der Aarhus University
     Es ist weiterhin kritisch zu betrachten, dass Nebiolo   1990er Jahre unter der Leitung von führenden Wis-                                                                                                wachsene Kultur des Wegsehens bleibt entsprechend       in Dänemark.
     im Anschluss an seinen gescheiterten Versuch alle       senschaftlern wie Manfred Donike von der Deutschen                                       Die vorliegenden Dokumente aus den 1990er Jah-          bis heute erkennbar.                                    » krieger@ph.au.dk
     sportpolitischen Initiativen zur Wiedereingliederung    Sporthochschule Köln vorangebracht wurde, zeigte die                                     ren deuten auf eine Fortsetzung in Nebiolos Anti-
     Südafrikas blockierte, um die Bedeutung des IAAF zu     IAAF-Führungsebene wenig Interesse an der Durch-                                         Doping-Politik hin, da er die Ernsthaftigkeit der       Als Reaktion auf dieses Missmanagement und die
     unterstreichen. In einer Umkehr des vorangegangen       setzung einer strikten Anti-Doping-Politik. Stattdes-                                    Dopingproblematik weiter ignorierte. Er überließ        Korruption auf der IAAF-Führungsebene wurden unter
     Kräftemessens versuchten nun de Klerck, Mandela         sen weisen mehrere Vorfälle darauf hin, dass führende                                    die wichtigsten Entscheidungen dem Medizinischen        dem 2015 neu gewählten IAAF-Präsidenten Sebasti-
     und Samaranch den IAAF von einer Anerkennung ei-        IAAF-Offizielle positive Dopingkontrollen missachtet                                     Komitee unter der Führung des schwedischen Medi-        an Coe weitreichende Reformen umgesetzt, die ei-
     nes vereinigten südafrikanischen Leichtathletik-Ver-    und Manipulationen zugelassen haben, um kommerzi-                                        ziners Arne Ljungqvist. Zudem äußerte sich Nebiolo      nen bedeutenden strukturellen Umbruch im Verband
     bandes zu überzeugen, um eine Teilnahme Südafrikas      ellen Schaden vom Verband abzuwenden.                                                    in der Öffentlichkeit regelmäßig kritisch über das      darstellen. Zahlreiche Kontrollmechanismen wurden
     an den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona zu                                                                                                  wachsende Interesse am Thema Doping.                    geschaffen und der Anti-Doping-Kampf durch die Im-
     ermöglichen. Schließlich „erkaufte“ sich Samaranch      Bei den ersten Leichtathletik-Weltmeisterschaften                                                                                                plementierung einer „Athletics Integrity Unit“ formal
     Nebiolos Unterstützung, indem er ihn gegen einigen      1983 lehnte Nebiolo es ab, umfangreiche Doping-                                          Ein Mangel an Integrität kann Nebiolo auch bei der      ausgegliedert. Seit 2017 werden von der neu gegrün-
                                                                                                                     Illustration: Sandra Bräutigam

     internen Widerstand als IOC-Mitglied vorschlug.         kontrollen durchzuführen, um das positive Image                                          Aufarbeitung eines Manipulationsskandals bei der        deten Institution Dopingkontrollen überwacht sowie
                                                             der Veranstaltung nicht zu schädigen. Dennoch gab                                        Weltmeisterschaft 1987 vorgeworfen werden. Dort         Manipulation und illegale Wettaktivitäten untersucht.
     Diese Ergebnisse zeigen, dass die Rolle des IAAF und    es zwei positive Dopingtests, bei denen verdäch-                                         wurde von Offiziellen des italienischen Leichtathle-    Dennoch bleibt abzuwarten, ob die neuen Maßnah-
     seiner Führungspersonen im Kontext internationaler      tig hohe Testosteronwerte festgestellt wurden. Das                                       tik-Verbandes der finale Versuch des Weitspringers      men tatsächlich wirksam sind, da die Missstände im
     Beziehungen im Sport bisher unterschätzt wurde.         IAAF-Konzil sprach sich aber gegen eine detaillierte                                     Giovanni Evangelisti manipuliert. Der Betrug sicher-    IAAF, wie in diesem Forschungsprojekt nachgewiesen,
     So wird die überhastete Wiedereingliederung Südaf-      Analyse der Verdachtsfälle aus. Stattdessen äußer-                                       te Evangelisti den dritten Platz. Obwohl dem IAAF-      sich über Jahrzehnte verfestigt haben.
     rikas in die globale Sportgemeinschaft noch heute       te sich Nebiolo im Anschluss an die Entscheidungs-                                       Konzil und Nebiolo klare Beweise für die Manipu-
     als Grund für Missstände im südafrikanischen Sport-     findung erleichtert, dass ‚dopingfreie Wettkämpfe‘                                       lation vorgelegt wurden, untersuchte der IAAF den       Literatur bei dem Autor
10                                                                                                                                                    IMPULSE 01 | 2019                                                                                                                                    11
IMPULSE - Deutsche Sporthochschule Köln
eSportler im Fokus
     D
            er eSport fasziniert weltweit über 380 Millionen Zuschauer, vergibt Preisgelder in Millionenhöhe und

                                                                                                                   der Sportwissenschaft
            rückt hierzulande immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Trotzdem befindet sich die sportwis-
            senschaftliche Forschung in diesem Bereich noch in den Anfängen. Erste Erkenntnisse bringt jetzt
     das eSport-Projekt des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabi-
     litation der Deutschen Sporthochschule Köln. Unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ingo Froböse entstan-
     den bereits in der Vergangenheit Vorstudien und diverse Abschlussarbeiten zum eSport. Seit Ende 2017
     wird das Institut durch die AOK Rheinland/Hamburg und das Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung
     unterstützt. Das übergeordnete Ziel des eSport-Projekts ist es, das Trainings- und Gesundheitsverhalten       Erfassung einer neuen Risikozielgruppe
     von eSportlern zu analysieren und Optimierungsmaßnahmen zu entwickeln.

                                                                                                                                       Text Chuck Tholl, Kevin Rudolf, Konstantin Wechsler,
                                                                                                                                                Ingo Froböse, Christopher Grieben
12                                                                                                                 IMPULSE 01 | 2019                                                          13
IMPULSE - Deutsche Sporthochschule Köln
Hintergrund                                           teils männlich (71%), zwischen 16 und 34 Jahren
     Laut dem Verband der deutschen Games-Branche          alt, hat eine gute schulische Ausbildung und ein
     game spielt fast jeder zweite Deutsche (42%) Com-     mittleres bis hohes Einkommen (GlobalWebIndex,
     puter- oder Videospiele (game & GfK Consumer Pa-      2018). Prognosen zufolge soll die weltweite Zahl
     nel, 2018). Dabei sind Männer (53%) und Frauen        der eSport-Enthusiasten bis 2021 auf 250 Millionen
     (47%) fast gleichermaßen vertreten (game & GfK        ansteigen und der Gesamtumsatz der Szene von etwa
     Consumer Panel, 2018). Vor allem Kinder und Ju-       900 Millionen Euro 2018 auf 1,6 Milliarden Euro
     gendliche sind Gaming-Fans. Knapp drei von fünf der   2021 anwachsen (newzoo, 2018).
     12- bis 19-Jährigen spielen mehrmals pro Woche di-
     gitale Spiele (Medienpädagogischer Forschungsver-     Trotz dieser Größe und Reichweite des eSports, ist
     bund Südwest, 2018). Dabei ist der Anteil, welcher    bislang nur wenig über das Gesundheits- und Trai-
     mindestens einmal pro Monat spielt, bei den Jungen    ningsverhalten der Athleten bekannt. Die aktuellen
     höher (95%) als bei den Mädchen (82%). Damit ist      Erkenntnisse aus der Literatur bestehen meist aus
     das Gaming aus deutschen Haushalten nicht mehr        Abschlussarbeiten oder einzelnen Erhebungen und
     wegzudenken.                                          sind noch sehr inkonsistent. So weisen Studien da-
                                                           rauf hin, dass in der professionellen eSport-Szene
     Der Begriff eSport ist dabei vom gewöhnlichen „Ga-    zwar Ausgleichssport betrieben wird, aber oft ohne
     ming“ abzugrenzen. Der eSport beschreibt den or-      konkrete Trainingsplanung oder sportwissenschaft-
     ganisierten und kompetitiven elektronischen Sport
     in Form von Computer- und Videospielen (Müller-
     Lietzkow, 2006). Im Gegensatz zum gewöhnlichen
     Gaming, liegt hier der Wettkampf mit anderen
     menschlichen Kontrahenten anstelle von computer-
     gesteuerten Gegnern im Fokus. Je nach Spielgenre
     herrschen dabei unterschiedliche Bedingungen und
     Reglements für die eSportler. Vergleichbar ist dies
     mit den unterschiedlichen Sportarten oder Diszipli-
     nen im klassischen Sport. Besonders beliebt ist der       eSport ist Massenphänomen, Jugendkultur und Wettkampf in ei-
     digitale Wettkampf bei jungen Erwachsenen sowie           nem. Der Begriff beschreibt den organisierten und kompetitiven
     Kindern und Jugendlichen. Schätzungen zufolge             elektronischen Sport, bei dem sich ein oder mehrere Spieler in-
     gibt es in Deutschland 3 Millionen, weltweit sogar        nerhalb von Video- und Computerspielen messen. Je nach Spiel-
     165 Millionen eSport-Enthusiasten, also jene, die         genre und -titel herrschen dabei völlig andere Bedingungen und
     selbst eSport praktizieren oder sich dafür interes-       Reglements für die eSportler. Der Wettkampfgedanke steht immer
     sieren (newzoo, 2018). Diese Gruppe ist größten-          klar im Vordergrund.
                                                                                                                                                              8,2%
                                                                                                                                                                           Gelegenheitsspieler

                                                                                                                                                              52,8%                                                                                      Hobby

                                                                                                                                       Spielerkategorie
                                                                                                                                                                                                                                                         eSportler

                                                                                                                                                              33,0%
                                                                                                                                                                                                                     eSport-Amateure

                                                                                                                                                              4,7%    aktiver oder ehemaliger eSport-Profi
                                                                                                                                                                                                                                                     n=1158 in %
                                                                                                                                                          0                10              20                30               40                50                 60

                                                                                                                                       Abb. 1 Verteilung der Befragten auf die vier Leistungsstufen des Gamings.

                                                                                                                                       eSport-Profi:                                                              Hobby-eSportler/in:
                                                                                                                                       Sie gehören zu den Besten Ihres eSport-Spiels und                          Sie spielen regelmäßig (mehrmals pro Woche)
                                                                                                                                       erzielen dabei regelmäßig nennenswerte Einkünfte                           Videospiele, jedoch ohne an Wettbewerben
                                                                                                                                       (durch Sponsoren, Organisationen oder Preisgelder)                         teilzunehmen

                                                                                                                                       eSport-Amateur/in:                                                         Gelegenheitsspieler/in:
                                                                                                                                       Sie spielen wettbewerbsmäßig Videospiele                                   Sie spielen unregelmäßig (mehrmals
                                                                                                                                       ohne nennenswerte Einkünfte                                                pro Monat oder seltener) Videospiele

14                                                                                                                               IMPULSE 01 | 2019                                                                                                                      15
IMPULSE - Deutsche Sporthochschule Köln
Wie wirkt sich „...“ auf Ihre Leistung im eSport aus?                                          Aus diesem Grund befasst sich das eSport-Projekt
                                                       0,3%                      0,2%                            0,3%    des Instituts für Bewegungstherapie und bewe-
                   100                                 1,1%                      1,4%                            0,8%
                                                                    6,4%                                                 gungsorientierte Prävention und Rehabilitation mit
                                            18,4%                                                                        dem Trainings- und Gesundheitsverhalten dieser
                                                                                                     28,6%
                          80                                        21,5%                                                besonderen Zielgruppe. Der Fokus liegt hierbei auf
                                                                                                                         den eSportlern selbst. Die einzelnen Bausteine des
                                                                                                                         Projekts sind:
                          60
                                                                                                                         » Erstellung eines Belastungs- und Anforderungs-
in%

                                           48,4%                                                                           profils von eSportlern anhand objektiver und sub-
                          40                                                                        49,0%
                                                                                                                           jektiver Messverfahren,
                                                                                                                         » Entwicklung eines Best-Practice-Trainingskonzepts
                                                                                                                           für Gamer und eines Präventions-Modellvorhabens
                          20
                                                                                                                           für eSportler
                                           31,8%                   70,5%                            21,4%                » sowie die Implementierung des Präventions-
                           0                                                                                               Modellvorhabens in die Lebenswelt der Betriebe.
                                   körperlicher Fitness        nächtlicher Schlaf            ausgewogene Ernährung
                          Star posi            eicht posi     Weder noch            eicht nega               Star nega   In einem ersten Schritt wurde daher als Grundlage für
                                                                                                                         die weiteren Projektbausteine das subjektive Gesund-
                                                                                                                         heits- und Trainingsverhalten von eSportlern erfasst.
Abb. 2 Subjektive Einschätzung zur Auswirkung des Gesundheitsverhaltens
auf die eSport-Leistung (n=1093).
                                                                                                                         Methode
                                                                     p=0,024                                             Design
                                                                                                                         Die vorliegende Untersuchung stellt eine Quer-
                           50
                                                                                                                         schnittserhebung dar und beschäftigt sich aus-
                                                                                        p=0,001
                                                                                                                         schließlich mit den Ergebnissen der deutsch-
                           40                                                                                            landweiten Online-Umfrage unter eSportlern. Die
                                                                                                                         dreimonatige Fragebogenerhebung verlief von Juli
 Spielstunden pro Woche

                                                                                                                         bis Oktober 2018 und beinhaltete neben demogra-
                           30                                                                                            fischen Angaben auch Fragen zum Trainings- und
                                                                                                                         Gesundheitsverhalten. Der Umfragelink wurde auf
                           20                                                                                            der Projektwebseite (www.esportwissen.de), auf
                                                                                                                         eSport-Großveranstaltungen (u.a. ESL One Cologne),
                                              27,7                      28,5                           21,8              in eSport-Online-Foren und Community-Seiten sowie
                           10                                                                                            über Kontakte in der eSport-Branche (u.a. eSport-
                                                                                                                         Vereine) und nicht-endemische Kontakte (u.a. DSHS-
                               0                                                                                         Webseite) gestreut.
                                       (ehemalige) Profis             Amateure                     Hobby-eSportler
                                              n = 56                   n = 384                        n = 611            Stichprobe
Abb. 3 Spielzeit der Befragten in Abhängigkeit der Leistungsstufe (n=1051).                                              Das erreichte Gesamtsample beträgt n=3.488, wovon
                                                                                                                         1.172 (33,6%) Datensätze in die Auswertung einflie-
                                                                                                                         ßen. Einschlusskriterien waren ein fester Wohnsitz
                                                                                                                         in Deutschland und das Beherrschen der deutschen
                                                                                                                         Sprache. Um die eSport-Zielgruppe differenzierter
                                             liche Betreuung (Bäcker, 2016; Kari & Karhulahti,                           betrachten zu können, wurde die Stichprobe in un-
                                             2016; Schulz, 2015). Ebenfalls wenig fundiertes Wis-                        terschiedliche Spielerkategorien unterteilt: Gelegen-
                                             sen ist über das Gesundheitsverhalten der eSportler                         heitsspieler, Hobby-eSportler, eSport-Amateure und
                                             bekannt. Zwar gibt es langsam ein Bewusstsein für                           (ehemalige) eSport-Profis (siehe Abb. 1).
                                             gesundheitliche Themen wie Ernährung, Schlaf und
                                             Regeneration, diese findet aber meist ausschließlich                        Messinstrument
                                             in der Profi-Ebene statt. Im Breitensportbereich ist                        Der Fragebogen beinhaltete Fragen in Anlehnung an
                                             die Lage noch undurchsichtiger, hier existieren an-                         standardisierte Messinstrumente zu den Themenbe-
                                             nähernd keine Daten im deutsch- oder englischspra-                          reichen der Demografie, des Gesundheits- und Vi-
                                             chigen Raum. Hinzu kommt, dass der eSport fast aus-                         deospielverhaltens, zum eSport-Training sowie zur
                                             schließlich sitzend stattfindet. Gerade diese langen                        persönlichen Einschätzung der Auswirkung des Ge-
                                             Sitzzeiten gelten mittlerweile als eigenständiger Ri-                       sundheitsverhaltens auf die eSport-Leistung.
                                             sikofaktor für die Gesundheit und sind verantwortlich
                                             für eine Vielzahl heutiger Zivilisationskrankheiten                         Statistik
                                             (Chau et al., 2013; Pandey et al., 2016; Rezende et                         Die Datenanalyse wurde mit dem Programm IBM SPSS
                                             al., 2016).                                                                 25 durchgeführt. Neben der deskriptiven Auswertung
16                                                                                                                                                                               17
IMPULSE - Deutsche Sporthochschule Köln
Im Mittel geben die Probanden an, 1,4 (± 1,3) Por-                                                                                         fast ausschließlich sitzend stattfindet, ergeben sich   Limitationen
                                                                                            tionen Obst und 1,4 (± 1,1) Portionen Gemüse pro                                                                                           hierdurch lange Sitzzeiten (und dementsprechend         Da die Befragung nicht nur online, sondern eben-
                                                                                            Tag zu essen, 89% erreichen nicht die Ernährungs-                                                                                          weniger Zeit für Ausgleichssport). Demgegenüber         falls auf Großveranstaltungen durchgeführt wurde,
                                                                                            empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernäh-                                                                                           steht die (subjektive) körperliche Aktivität der Pro-   sind Aspekte wie die soziale Erwünschtheit nicht
                                                                                            rung (DGE), von fünf Portionen Obst und Gemüse                                                                                             banden. Hier gaben lediglich 55% der Befragten an,      auszuschließen. Darüber hinaus sind Vergleiche der
                                                                                            am Tag. Die eigene Schlafqualität wird von 18,2%                                                                                           mindestens 2,5 Stunden pro Woche körperlich aktiv       Spielergruppen mit Vorsicht zu betrachten, da die
                                                                                            der Befragten als „ziemlich schlecht“ eingestuft,                                                                                          zu sein, was den Mindestanforderungen für einen         Gruppengrößen teils stark variieren. Des Weiteren
                                                                                            auf einer Likertskala von sehr schlecht, ziemlich                                                                                          gesundheitsförderlichen Effekt der WHO entspricht       handelt es sich zwar um einzelne validierte Messins-
                                                                                            schlecht über ziemlich gut bis sehr gut. Die durch-                                                                                        (World Health Organization 2010). Allerdings            trumente, jedoch wurde der selbstkonzipierte Frage-
                                                                                            schnittliche Schlafdauer der eSportler beträgt 7,1                                                                                         schätzt die große Mehrheit der Befragten ihren Ge-      bogen in seiner Gesamtheit nicht extra auf Validität
                                                                                            (± 1,3) Stunden pro Nacht.                                                                                                                 sundheitszustand gut bis ausgezeichnet ein.             geprüft.

                                                                                            Die Einschätzung der Probanden zur Auswirkung des                                                                                          Mit diesen Ergebnissen wurde erstmalig das Trai-        Ausblick
                                                                                            Gesundheitsverhaltens auf die eSport-Leistung fiel                                                                                         nings- und Gesundheitsverhalten von in Deutsch-         Fast jeder zweite Deutsche spielt regelmäßig Video-
                                                                                            überwiegend positiv aus. Der Einfluss der Dimensi-                                                                                         land lebenden eSportlern erfasst. Auffällig ist der     spiele und mindestens 3 Millionen Menschen davon
                                                                                            onen „körperliche Fitness“, „nächtlicher Schlaf“ und                                                                                       gutbewertete subjektive Gesundheitszustand der          betreiben es kompetitiv, Tendenz steigend. Damit
                                                                                            „ausgewogene Ernährung“ wurden jeweils mit min-                                                                                            Probanden, welcher trotz vermuteter langer Sitz-        ist der eSport ein gesamtgesellschaftliches Phäno-
                                                                                            destens 70% als positiv bewertet (siehe Abb. 2).                                                                                           zeiten und der teilweise fehlenden körperlichen         men, welches in den kommenden Jahren noch weiter
                                                                                                                                                                                                                                       Aktivität angegeben wurde. Diese Selbsteinschät-        wachsen wird. Daher ist es die Pflicht der Sportwis-
eSportler sind jung, gebildet und zum Großteil                                              Spielervergleich                                                                                                                           zung ähnelt den Angaben der 18- bis 29-Jähri-           senschaft, aber auch anderer Disziplinen, sich mit
männlich. Etwa dreiviertel der weltweiten eSportler                                         Ein signifikanter Unterschied zwischen den Grup-                                                                                           gen in Deutschland. Mit steigendem Lebensalter,         diesem neuen Forschungsfeld auseinander zu setzen.
sind zwischen 16 bis 34 Jahren alt.                                                         pen der (ehemaligen) Profis und den Amateuren zu                                                                                           nimmt jedoch der subjektive Gesundheitszustand          Insbesondere die Optimierung von Belastungsnor-
                                                                                            den Hobby-eSportlern konnte bei den Spielstunden                                                                                           ab (Lampert, Schmidtke, Borgmann, & Poethko-            mativen, Regeneration und Ernährung sollten im
                                                                                            pro Woche nachgewiesen werden (siehe Abb 3).                                                                                               Müller, 2018).                                          Fokus der Forschung liegen. Durch die hohen physi-
                                                                                            Demnach spielen (ehemalige) Profis (p=0,024) und                                                                                                                                                   schen und psychischen Belastungen, der fehlenden
                                                                                            Amateure statistisch signifikant mehr als Hobby-                                                                                           Grund hierfür könnte sein, dass sich die langen         Trainingsplansteuerung sowie der mangelnden Ge-
                                                                                            eSportler (p0,05). Ebenfalls konnten keine statistisch signifi-                                                                                      Stichprobe relativ gering ausfallen, wenn man           wird eine intensivierte Forschung für diese Risiko-
                                    Zur Überprüfung statistischer Unterschiede zwi-         kanten Unterschiede zwischen den Gruppen bezogen                                                                                           bedenkt, dass die durchschnittliche Videospielzeit      zielgruppe benötigt.
                                    schen den Spielerkategorien wurden parametrische        auf die Ernährung, körperliche Aktivität, Schlafzeit                                                                                       allein etwa vier Stunden pro Tag ausmacht. Das
                                    (t-test und ANOVA) und nicht-parametrische Tests        und den Gesundheitszustand festgestellt werden                                                                                             würde bedeuten, dass die eSportler abseits des          Ein Hauptziel solcher Untersuchungen muss sein,
                                    (Mann-Whitney-U und Kruskal-Wallis) herangezo-          (alle p>0,05).                                                                                                                             Spielens an PC oder Konsole, nur weitere drei bis       Belastungsnormative im eSport zu verbessern und
                                    gen. Unvollständige sowie auffällige Datensätze in                                                                                                                                                 vier Stunden pro Tag sitzen. Dies wäre ein sehr         validierte Gesundheitsprogramme für eSportler zu
                                    der Plausibilitätsprüfung wurden ausgeschlossen.        Zusammenhänge                                                                                                                              geringer Wert im Vergleich zur Allgemeinbevölke-        entwickeln. In diesem Bereich forscht das Institut
                                                                                            Bezogen auf die Spielerkategorie bzw. der Professi-                                                                                        rung und mit der Information, dass eSport aktuell       für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte

                                                                                                                                                    Fotos: Norbert Levajsics/Unsplash; Sebastian Bahr; Deutsche Sporthochschule Köln
                                    Ergebnisse                                              onalität des eSportlers, können leicht positive Kor-                                                                                       noch hauptsächlich im Sitzen stattfindet. Weiter        Prävention und Rehabilitation bereits jetzt.
                                    Deskriptive Zusammensetzung der Stichprobe              relationen mit den Spielstunden (r=0,148; p
Psychische
Gesundheit
von Trainern
Eine Interventionsstudie

                           Text
     Christian Zepp, Marion Sulprizio, Paul Schaffran,
             Michael Kellmann & Jens Kleinert

20
B
       urnout im Leistungssport                                        2012; Malinauskas, Malinauskiene & Dumciene, 2010; Olusoga, Butt,
       ist seit fast drei Jahrzehn-                                    Maynard & Hays, 2010; Schliermann, Hagenah & Hörmann, 2002).
       ten ein Thema der Sport-                                        Dies erschwert sowohl die Generalisierung auf deutsche Strukturen
wissenschaft. Seit der ersten                                          als auch die Ableitung praktischer Empfehlungen zur Prävention und
Publikation, die sich mit Burn-                                        Früherkennung.
outprozessen im Sport beschäf-
tigte (Caccese & Mayerberg,                                            Die bisherigen Studien im Bereich des Trainerburnouts fokussierten
1984), hat dieses Thema zuneh-                                         das Stressempfinden von Trainern (Fletcher & Scott, 2010; Schlier-
mendes Interesse gefunden. Die                                         mann, 2005) sowie den Zusammenhang von soziodemographischen
Übersichtsarbeiten von Dale und                                        (z. B. Alter, Geschlecht) und sportspezifischen (z. B. Sportart, Leis-
Weinberg (1990), Goodger, Gore-                                        tungslevel) Variablen mit der Ausprägung von Burnoutsymptomen.
ly, Lavallee und Harwood (2007)           Trainer sind täglich einer   In einer Interviewstudie befragten Thelwell et al. (2008) Elitetrai-
sowie Altfeld und Kellmann                 Vielzahl von Stressoren     ner unterschiedlicher Disziplinen nach ihren persönlichen Stress-
(2013) zeigen, dass die Anzahl             ausgesetzt, und müssen      quellen. Die Trainer gaben an, dass neben leistungsbezogenen
von Burnoutstudien im Sport in            gleichzeitig ihren emoti-    (z. B. Instruktionsumsetzung von Athleten, Teamleistung) und organi-
den letzten Jahren beständig ge-           onalen und psychischen      satorischen Stressoren (z. B. Trainings-/Wettkampfvorbereitung) der
stiegen ist, zugleich aber auch,             Zustand regulieren.       internale und externale Leistungsdruck die Hauptbelastungsquellen
dass die zu Grunde gelegten                                            ausmachen. In einer Studie von Altfeld und Kellmann (2014) gaben
Forschungskonzeptionen über-                                           die befragten deutschen Trainer am häufigsten Konflikte mit Athle-
wiegend stresstheoretisch ausge-                                       ten, im privaten Umfeld und dem Vereins- bzw. Verbandsvorstand als
richtet sind.                                                          Stressoren an. Kleinert und Sulprizio (2014) konnten zeigen, dass die
                                                                       Befriedigung psychologischer Grundbedürfnisse nach Autonomie und
Trainer liefern täglich Höchst-                                        Beziehung mit verringerten Burnoutwerten einhergeht; dementspre-
leistungen ab und sind zahl-                                           chend können bedürfnisbefriedigende, kompensatorische Verhaltens-
reichen Stressoren ausgesetzt:                                         weisen (wie z. B. Treffen mit Freunden) starke Belastungen ausglei-
Auswahlsituationen bewältigen,                                         chen (Sulprizio, Winkler & Kleinert, 2012).
kurzfristig Entscheidungen fäl-
len und Probleme lösen, die die                                        Altfeld und Kellmann (2015) stellten zudem den Wert von Erholung,
Leistungen ihrer Athleten beein-                                       sozialer Unterstützung, sowie der Wahrnehmung der eigenen Jobsitu-
flussen. Gleichzeitig müssen sie                                       ation als wichtige Determinanten für emotionale Erschöpfung heraus.
ihren eigenen emotionalen und                                          In der Studie gaben hoch-erschöpfte Trainer an, ihre Trainertätigkeit
psychischen Zustand so regulie-                                        mit weniger Sinn zu sehen und sich in ihrer aktuellen Trainerpositi-
ren, dass sie stets auf optimalem                                      on weniger wohl zu fühlen. Zudem hat Frey (2007) in einer Studie
Level agieren können (Thelwell,                                        Niederlagenserien, Probleme im Familienleben und den Wunsch nach
Weston, Greenless & Hutchings,                                         mehr Freizeit als weitere Einflussfaktoren auf das Stressempfinden von
2008). In ihrem Überblicksartikel
finden Goodger et al. (2007) zwar
23 Studien zum Trainerburnout,
wovon jedoch bis auf zwei Un-                    Workshop                                                                                       Trainern und die Entwicklung von Burnout, Karrierebeendigung oder                                      Kellmann, 2018). Darauf aufbau-
tersuchungen alle an amerikani-                                                                                                                 beidem herausgestellt. Trainer mit einem intakten familiären und so-                                   end wurden konkrete Maßnah-
schen Collegetrainern, und nur in                                             Follow-up-Gruppe                                                  zialen Umfeld nehmen Stresssituationen als weniger belastend wahr                                      men zur Burnoutprävention bei
Ausnahmefällen an Elitetrainern                                                                                                                 (Kelley, 1994; Kelley & Gill, 1993).                                                                   Trainern entwickelt, erprobt und
durchgeführt wurden. Altfeld                                                                                                                                                                                                                           evaluiert. In der vorliegenden
                                              Einzelbetreuung                                                       Kontrollgruppe
und Kellmann (2013) verweisen                                                                                                                   Fasst man die aktuelle Forschungslage zusammen, so lässt sich festhal-                                 Studie wurde untersucht, ob und
in ihrem Literaturüberblick zum                                                                                                                 ten, dass eine Vielzahl an Faktoren zur Entstehung von Trainerburnout                                  wie sich zwei unterschiedliche
Trainerburnout auf die defizitäre                                                                                                               beitragen. Die theoretischen Konzepte zur Erfassung dieser Faktoren                                    Interventionsmaßnahmen       auf
Forschungslage im europäischen                                                    Workshop                                                      sind überwiegend stresstheoretisch ausgerichtet bzw. orientieren sich                                  das Wohlbefinden, Burnouterle-
und deutschen Raum – im eu-                     Wartegruppe                                                                                     auf Symptomatikebene an den drei Faktoren des Maslach Burnout In-                                      ben und das Depressionsrisiko
ropäischen Raum sind lediglich                                                 Einzelbetreuung                                                  ventars (emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung, reduzierte Leis-     Burnoutprävention sollte     von Trainern auswirken.
sieben Studien zu finden (Gen-                                                                                                                  tungszufriedenheit; Maslach & Jackson, 1981). Bei der Entwicklung        sich verstärkt an vorhande-
cay & Gencay, 2011; Hjälm,                                                                                                                      von Interventionen zur Burnoutprävention sollte daher der Schwer-             nen Risikofaktoren       Methodik
Kenttä, Hassmén & Gustafsson,                                                                                                                   punkt verstärkt auf Risikofaktoren gelegt werden. Im Rahmen eines                orientieren.          Design der Studie
2007; Karabatsos, Malousaris &                                                   Diagnostik                                                     Verbundprojekts der Ruhr-Universität Bochum und der Deutschen                                          In der Studie wurden die Effek-
Apastolidis, 2006; Lundkvist,                                                                                                                   Sporthochschule Köln wurden zunächst Risikofaktoren für Burnout in                                     te von zwei Interventionsformen
Gustafsson, Hjälm & Hassmén,          Abb. 1 Untersuchungsdesign                                                                                Frühstadien identifiziert (vgl. Schaffran, Kleinert, Altfeld, Zepp &                                   untereinander und mit einer
22                                                                                                                                              IMPULSE 01 | 2019                                                                                                                    23
Tab. 1 Deskriptive Daten zum Risiko eine Depression zu entwickeln und zur psychischen Gesundheit
                                                                            in der Gesamtstichprobe.

                                                                                                        Depressionsrisiko                               Psychische Gesundheit

                                                                                             Min     Max          M            SD            Min        Max           M          SD
                                                                            MZP1             0,00    5,00         1,48         1,23          2,00       20,00         11,89      5,32

                                                                            MZP2             0,00    6,00         1,34         1,25          2,00       24,00         12,17      5,97

                                                                            MZP3             0,00    4,00         1,15         1,17          1,00       21,00         12,94      5,73

                                                                           Anmerkung: N = 65; n = 65 (MZP1), n = 61 (MZP2), n = 62 (MZP3).

Kontrollgruppe verglichen: Die teilnehmenden Trainer wurden entwe-       Kernsymptome einer Depression bei sich selbst wahrgenommen ha-
der in Workshops oder im Rahmen von Einzelcoachings betreut und          ben („Ich hatte wenig Interesse oder Freude an Dingen, die ich getan
mit einer Kontrollgruppe verglichen. Vor und nach den durchgeführ-       habe.“, „Ich habe mich niedergeschlagen, schwermütig oder hoffnungs-
ten Interventionen wurden Fragebögen zur Erfassung des Burnout           los gefühlt.“). Mit einem Summenscorebereich von 0-6 schlagen die                     Kontrollgruppe     Interventionsgruppe
und weiterer psychologischer Faktoren eingesetzt. Die Studie wurde       Autoren einen Cut-Off Wert von ≥ 3 für ein relevantes Risiko von
von der Ethik-Kommission der Deutschen Sporthochschule Köln ge-          Depressionen vor (Kroenke & Spitzer, 2003).                                    1,55
nehmigt.
                                                                         Sportpsychologische Betreuungsqualität
                                                                                                                                                        1,50
Stichprobe                                                               Die Qualitätssicherung der sportpsychologischen Interventionen wur-
Die Stichprobe bildeten 65 Trainer (76.9% männlich) mit einem            de mit dem Fragebogen QS-17 (Kleinert & Ohlert, 2014) durchgeführt.
durchschnittlichen Alter von M = 43.5 Jahren (Min. = 23 Jahre, Max.      Der Fragebogen besteht aus 17 Items, die den drei Faktoren Betreu-             1,45
= 68 Jahre), aus 18 verschiedenen Sportarten (50.8% Mannschafts-         ung (z.B. „Der Sportpsychologe weiß wovon er spricht.“), Skills (z.B.
sport, 49.2% Individualsport). Von den teilnehmenden Trainern            „Ich habe neue sportpsychologische Techniken kennen gelernt.“) und
besaßen 3.1% eine internationale Trainerlizenz, 15.4% waren Dip-         Leistung (z.B. „Ich glaube, das Erlernte und Erfahrene hilft mir auch in       1,40
lom-Trainer und 47.7% besaßen eine A-Lizenz. Die weiteren Trainer        Situationen außerhalb des Sports.“) zugeordnet sind. Zusätzlich konn-
besaßen eine B- (12.3%), C- (16.9%) oder Breitensportlizenz (4.6%).      ten die Befragten in zwei offenen Fragen ergänzen, welche Aspekte
Die Trainer waren zu 55.5% auf nationaler oder internationaler Ebene     der Maßnahme sie besonders positiv fanden und an welchen Punkten               Abb. 2 Interaktionseffekt zwischen der Interventionsgruppe (Workshop
im Nachwuchs- oder Erwachsenenleistungssport, bzw. zu 44.5% auf          sie noch Verbesserungspotential sehen.                                         + Einzelbetreuung) und der Kontrollgruppe von Messzeitpunkt 1 zu 2.
nationaler Ebene bis zur Regionalliga im Erwachsenen- und Nach-
wuchsbereich tätig. Insgesamt wurden über verschiedene Kooperati-        Methodisch-didaktische Planung und Durchführung
onspartner mehr als 5.000 Trainer kontaktiert.                           Workshops
                                                                         Das Ziel der zwei je dreistündigen Workshops war den teilnehmen-                          Betreuung       Skills        Leistung
Messinstrumente                                                          den Trainern die individuelle Arbeit an Themen, die für ihre psychi-
Screening zur Burnoutprävention                                          sche Gesundheit relevant waren, zu ermöglichen. Dies wurde sowohl
Das von Schaffran et al. (2017) entwickelte Screeningtool zur Burn-      über den Input der Workshopleiterin, als auch vor allem mit Hilfe              4,0
outprävention bezieht sich auf die vergangenen zwei Wochen und           des ‚peer-orientierten‘ Lernens erreicht. Dies bedeutet, dass im Sinne
umfasst die sieben Bereiche Allgemeine Beanspruchung, Übermü-            eines Intervisionsprozesses die Trainer sich gegenseitig als ‚Experten‘
dung, Körperliche Beschwerden, Allgemeine Erholung, Gestörte Pau-        wahrnehmen und der Austausch untereinander über ähnliche Proble-
                                                                                                                                                        3,0
se, Emotionale Erschöpfung und Ungestörte Freizeit.                      me und deren mögliche Lösung ein zentrales didaktisches Element der
                                                                         Workshop-Module darstellt; die Workshopleitung fungiert in diesem
Psychische Gesundheit                                                    Prozess lediglich als Moderation.
Der WHO-5 Well-Being Index (WHO-5; Blom et al., 2012; Bonsigno-                                                                                         2,0
re, Barkow, Jessen, & Heun, 2001) misst das subjektive psychische        In Workshop 1 erlangten die Trainer ein erweitertes Wissen darüber,
Wohlbefinden. Die teilnehmenden Personen werden gebeten anzu-            wie Stress entsteht und welche vor allen Dingen gesundheitlichen Fol-
geben, wie sie sich in den letzten zwei Wochen gefühlt haben (z.B.       gen Stress haben kann. Außerdem tauschten sie sich intensiv über
„...war ich froh und guter Laune.“). Mit einem absoluten Summens-        belastende und beanspruchende Situationen, ihre individuellen Er-              1,0
core von 0-25 wurde in einer repräsentativen deutschen Stichprobe        fahrungen über Belastungssituationen und Beanspruchungserleben
ein optimaler Cut-Off Wert von ≤ 9 für das Risiko bedeutsam einge-       und den unterschiedlichen Auswirkungen auf ihre Gesundheit aus. In
schränkter psychischer Gesundheit identifiziert (Löwe et al., 2005).     Workshop 2 wurde das in Workshop 1 vermittelte und erweiterte Wissen
                                                                         zum Thema Stress im Trainerberuf noch einmal intensiv vertieft, sowie          0,0
                                                                                                                                                                    Gesamt              Einzelbetreuung      Workshops
Depressionsrisiko                                                        individuellen Erfahrungen und Beobachtungen zum Beanspruchungs-
Der Patient-Health-Questionnaire-2 (PHQ-2; Kroenke & Spitzer,            und Belastungserleben und den unterschiedlichen Auswirkungen auf
                                                                                                                                                        Abb. 3 Darstellung der Betreuungsqualität allgemein in den beiden Interven-
2003; Löwe et al., 2005) wird häufig als krankheitsorientiertes Scree-   ihre Gesundheit in den vergangenen vier Wochen ausgetauscht. In                tionsformen, sowie aufgeteilt nach Einzelbetreuungen und Workshops (Skala:
ninginstrument für Depressionen eingesetzt. Personen werden ge-          beiden Workshops wurden verschiedene Entspannungs- und Erho-                   1=trifft gar nicht zu, 4=trifft voll und ganz zu).
beten anzugeben, wie häufig sie in den vergangenen zwei Wochen           lungsverfahren besprochen, geübt und bei Bedarf vertieft.
                                                                         IMPULSE 01 | 2019                                                                                                                                       25
Einzelbetreuung                                                    Trainer in der Workshop-Gruppe die beiden Workshops (Woche 1 und
Das Ziel der drei Einzelbetreuun-                                  Woche 4) an der Deutschen Sporthochschule in Köln, sowie die drei
gen war die im Vergleich mit den                                   telefonischen Einzelbetreuungen der Trainer statt. Die Termine für die
Workshops intensivere Auseinan-                                    Einzelbetreuungen wurden individuell von dem betreuenden Sportpsy-
dersetzung mit individuellen The-                                  chologen mit den Trainern so gelegt, dass sie optimal in den Tagesab-
men, die für die Trainer bezogen                                   lauf der Trainer passten, um eine mögliche zusätzliche Beanspruchung
auf ihre psychische Gesundheit                                     so gering wie möglich zu halten. Eine Woche sowie drei Monate nach
relevant sind. Die Betreuungen                                     Ende der Interventionen wurden die Trainer wieder via E-Mail gebe-
waren so konzipiert, dass neben                                    ten, den Post-Fragebogen online zu bearbeiten. Nach Abschluss der
einem möglichen Input zur psy-                                     Interventionen erhielten alle Trainer (WS, EB, KG) den PsyGA Ordner
chischen Gesundheit bei Trainern     Die Ergebnisse zeigen, dass   „Kein Stress mit dem Stress“ (Sulprizio & Kleinert, 2014). Abschlie-
der Schwerpunkt auf der individu-    positive Effekte auf die      ßend wurden die Treatment-Effekte analysiert, und die entwickelten
ellen Ressourcenorientierung und     psychische Gesundheit von     Interventionen auf ihre Akzeptanz von Seiten der Trainer überprüft.
der Vermittlung von Stressbe-        Trainern mit vergleichswei-
wältigungstechniken lag. Neben       se wenig Aufwand erzielt      Ergebnisse
der Erarbeitung und kritischen       werden können.                In Tabelle 1 ist die deskriptive Statistik zum Depressionsrisiko und der
Reflexion von Belastungen sollte                                   psychischen Gesundheit in der Gesamtstichprobe aller teilnehmenden
daher der Fokus auf individuellen                                  Trainer zusammenfassend dargestellt.
Bewältigungsressourcen liegen,
die die Trainer bei sich identifi-                                 Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die Interventionen von MZP
zieren und wahrnehmen konn-                                        1 zu 2 kurzfristig in der Einzelbetreuungsbedingung zu signifikan-
ten. Den Trainern sollte in den                                    ten Verbesserungen in den Bereichen Allgemeine Beanspruchung
Einzelbetreuungen verdeutlicht                                     (z = -2.183, p = .029) und Gestörte Pause (z = -2.174, p = .030) führten.
werden, dass sie bereits über ein                                  Von MZP 1 zu 3 führten die Interventionen mittelfristig bei den Work-
umfassendes Expertenwissen und                                     shopteilnehmern in den Bereichen Gestörte Pause (z = -2.334, p = .020)
einen Methodenpool verfügen,                                       sowie tendenziell in Ungestörte Freizeit (z = -1.953, p = .051), und bei
um damit die unterschiedlichen                                     den Teilnehmern der Einzelbetreuungen in Allgemeine Beanspruchung
Belastungen und Beanspruchun-                                      (z = -2.248, p = .025) und Körperliche Beschwerden (z = -2.016, p = .044)                                            shop oder als Einzelbetreuung durchgeführt werden. Angesichts der
gen zu bewältigen.                                                 von MZP 1 zu 3 zu signifikanten Verbesserungen.                                                                      relativ kleinen Untersuchungsgruppe lassen sich in der vorliegenden
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Dr. Christian Zepp
                                                                                                                                                                                        Studie jedoch nur relativ große Unterschiede zwischen Workshop und                                           Psychologisches Institut der Deutschen
Untersuchungsverlauf                                               Während es von MZP 1 zu MZP 2 einen Interaktionseffekt zwischen der                                                  Einzelbetreuung ausschließen – kleinere Unterschiede sind durchaus                                           Sporthochschule Köln
Die Trainer wurden randomi-                                        Interventions- (Workshop und Einzelbetreuung) und der Kontrollgrup-                                                  denkbar. Wichtiger als die Form der Betreuung scheint allerdings, dass                                       » c.zepp@dshs-koeln.de
siert zwei Interventionsgruppen                                    pe für das Depressionsrisiko (PHQ-2) gab (F(1) = 4.583, p = .037) gab,                                               überhaupt eine Intervention angeboten wird, da sich unabhängig von
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Marion Sulprizio
(Workshop (WS) vs. Einzelbe-                                       konnten keine weiteren kurz- (MZP 1-2) oder langfristigen (MZP 1-3)                                                  der Methode positive Auswirkungen einer Betreuung auf die psychische
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Psychologisches Institut der Deutschen
treuung (EB)) und einer Warte-                                     Interaktionseffekte für die untersuchten Variablen identifiziert werden                                              Gesundheit bei Trainern gezeigt haben.                                                                       Sporthochschule Köln
gruppe (WG) zugewiesen. Die WG                                     (Abb. 2).                                                                                                                                                                                                                         » sulprizio@dshs-koeln.de
fungiert als Kontrollgruppe und                                                                                                                                                         Die Ergebnisse der Interventionsstudie zeigen darüber hinaus, dass
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Prof. Dr. Jens Kleinert
wurde in Phase 2 ebenfalls rando-                                  Die unterschiedlichen Interventionsangebote in Form von Workshops                                                    eine Betreuung von Trainern mit vergleichsweise wenig Aufwand (z.B.                                          Leiter des Psychologischen Instituts
misiert den WS oder EB zugewie-                                    und telefonischer Einzelbetreuung wurden von den Trainern insgesamt                                                  durch kurze Telefongespräche) zu positiven Effekten auf die psychische                                       der Deutschen Sporthochschule Köln
sen. Die Interventionen fanden                                     sehr positiv beurteilt (vgl. Abb. 3). Besonders lohnend wurde bei den                                                Gesundheit führen kann. Daher sollten Sportverbände sowohl in der                                            » kleinert@dshs-koeln.de
über einen Zeitraum von zweimal                                    Workshops der Austausch mit Kollegen sowie die direkte Anwendbarkeit                                                 Traineraus- und -weiterbildung, als auch in der langfristigen Beglei-
                                                                                                                                               Fotos: Lena Overbeck; Shutterstock (2)

                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Paul Schaffran
vier Wochen statt, die von je                                      der vermittelten Methoden und praktischen Hinweise wahrgenommen.                                                     tung ihrer Trainer entsprechende Maßnahmen integrieren und anbie-                                            Fakultät für Sportwissenschaft,
einer Woche zur Prä- bzw. Post-                                                                                                                                                         ten. Um einen möglichst großen Effekt auf die psychische Gesundheit                                          Trainingswissenschaft, Ruhr-Universität
Diagnostik umgrenzt wurden. Die                                    Fazit                                                                                                                von Trainern zu haben, sollten entsprechende Angebote nicht in oder                                          Bochum
Trainer wurden via E-Mail über                                     Die Ergebnisse der Interventionsstudie zeigen, dass die Workshops und                                                unmittelbar nach Ferienzeiten durchgeführt werden, um einer verzerr-                                         » paul.schaffran@rub.de
den Interventionsbeginn in der                                     Einzelbetreuungen zu einigen kurz- und mittelfristigen Verbesserungen                                                ten Wahrnehmung des Belastungs- sowie Beanspruchungszustands,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Prof. Dr. Michael Kellmann
kommenden Woche informiert.                                        bei den identifizierten Risikofaktoren sowie einer Risikoreduktion eine                                              und dadurch idealisierten Angaben zum Wohlbefinden, Burnouterleben       Literatur bei den AutorInnen. Aus   Fakultät für Sportwissenschaft, Leiter
Gleichzeitig wurden sie gebeten                                    Depression zu entwickeln führen. Unterschiede zwischen den verschie-                                                 und Depressionsrisiko, vorzubeugen. Insgesamt zeigen die Ergebnisse,     Gründen der besseren Lesbarkeit     Sportpsychologie, Ruhr-Universität
den Prä-Fragebogen online zu be-                                   denen Interventionsgruppen konnten nicht nachgewiesen werden. Da-                                                    dass sich die Integration einer aktiven Gesundheitsförderung und Pri-    wurde auf die gleichzeitige Ver-    Bochum
antworten. In den darauffolgen-                                    mit gibt es auch keinen Hinweis darauf, dass es bedeutsam ist, ob                                                    märprävention bei Trainern positiv auswirkt und so auch zu funktions-    wendung männlicher und weibli-      » michael.kellmann@rub.de
den vier Wochen fanden für die                                     Interventionen zur Förderung der psychischen Gesundheit als Work-                                                    fähigen Trainer-Athlet-Beziehungen beitragen kann.                       cher Sprachformen verzichtet.
26                                                                                                                                                                                      IMPULSE 01 | 2019                                                                                                                                     27
Text
                                         Jürgen Mittag
                                       & Ninja Putzmann

                              e r r e i c h t ,
                         Viel                       n
                                       w  o n   n e
                         wenig ge                                        ru        ng
                                     o v e rn a n c e “ a ls Herausforde
                         „Good G
                             r d e u ts c h e n Sportverbände
                         d e

                         „Good Governance“ ist seit Beginn des 21. Jahrhunderts im Sport zu
                         einem Schlagwort avanciert, mit dem nicht nur hohe Erwartungen sei-
                         tens der Öffentlichkeit verbunden werden, sondern dem in wissen-
                         schaftlicher Perspektive auch zunehmende Beachtung im Hinblick auf
                         Fragen der Messbarkeit und Implementierung entgegengebracht wird.
                         Die Berichterstattung über Sportgroßveranstaltungen und eine ein-
                         gehendere Befassung mit den Akteuren der Sportpolitik haben dazu
                         geführt, dass Fehlentwicklungen wie Spielmanipulationen, Betrug
                         oder Bestechung, aber auch Missmanagement oder Vorteilsnahme im
                         Sport zunehmend ins Blickfeld gerückt sind. War es zunächst das IOC,
                         das im Zuge des Skandals um die Olympischen Winterspiele 2002 von
                         Salt Lake City schwerwiegende Verfehlungen der Offiziellen einräumen
                         musste, so erlebte die FIFA mit den Verhaftungen von Exekutivkomi-
                         tee-Mitgliedern im Rahmen der Vergabe der Weltmeisterschaft 2022
                         den Tiefpunkt ihrer Reputation. Der Ruf nach strukturellen Reformen
                         in den internationalen Sportorganisationen ist seitdem nicht mehr
                         verstummt und gehört zu den zentralen Themen der Sportpolitik.

28   IMPULSE 01 | 2019                                                                          29
Sie können auch lesen