"Individual-Rennen": mindestens drei Aufstiege und Abfahrten. In dieser Disziplin kann Toni Palzer seine Stärken ausspielen - Deutscher ...

Die Seite wird erstellt Anna Hummel
 
WEITER LESEN
"Individual-Rennen": mindestens drei Aufstiege und Abfahrten. In dieser Disziplin kann Toni Palzer seine Stärken ausspielen - Deutscher ...
Foto: Maurizio Torri

„Individual-Rennen“: mindestens
drei Aufstiege und Abfahrten. In
dieser Disziplin kann Toni Palzer
seine Stärken ausspielen.

72   DAV              1/2020
"Individual-Rennen": mindestens drei Aufstiege und Abfahrten. In dieser Disziplin kann Toni Palzer seine Stärken ausspielen - Deutscher ...
Anton Palzer

                                                            Der

               „Doni“
                                                        schnelle

                                                      Profisportler Anton Palzer

D
           er Watzmann. Majestätisch ragt                       Anton Palzer ist aktuell der erfolgreichste
           das gigantische, mit Schnee                          DAV-Athlet. Langsam gibt es bei ihm nicht –
           überzuckerte Felsmassiv in die                       die Bodenhaftung verliert der Ramsauer
           Höhe. Mit seinen 2713 Metern ist                     Profisportler dabei aber nie.
er der König der Berchtesgadener Alpen.                         Text: Gudrun Regelein
Anton „Toni“ Palzer ist in der Ramsau mit
Blick auf diesen Berg groß geworden. Der
Watzmann habe ihn geprägt, sagt Toni,
und schaut aus dem Küchenfenster zu
dem Berg, der zum Greifen nahe scheint.       dass ich da stehe, wo ich bin“, sagt Toni.     auch mit daran, dass er schon 2009 Deut-
„Da sind meine Wurzeln zu finden.“ Als        Beide sind begeisterte Skibergsteiger, der     scher Meister bei den Senioren wurde – als
Dreijähriger machte er dort mit seinen El-    Vater war 2003 Deutscher Meister im Ski-       16-Jähriger durfte er damals nur mit einer
tern die ersten Versuche mit Ski – auf der    bergsteigen. Sie haben ihn auf einem gu-       Sondererlaubnis starten. „Der Titel hat
„Watzmanngugel“. Ohne Ski überquerte er       ten Weg zum Sport geführt, Druck hat er        mich natürlich bestätigt.“
ihn später in der Rekordzeit von drei         von ihnen nie bekommen. „Der Sport war           Bis er endgültig Profisportler wurde,
Stunden, sechs Minuten und 55 Sekunden;       für mich immer mit Freude an der Bewe-         vergingen dann noch einige Jahre. Toni
normalerweise braucht man bei einer           gung verbunden, war ein schönes Erlebnis       machte eine Ausbildung, das wollten seine
Zweitagestour dafür zwölf Stunden. Und        in der Bergwelt“, betont Toni. In seiner Ju-   Eltern so. Er entschied sich für eine Lehre
bis heute ist der 26-Jährige, der als einer   gend probierte er viele Sportarten aus –       als Feinwerkmechaniker, daneben trai-
der weltbesten Skibergsteiger gilt, gerne     das fanden seine Eltern wichtig. In seiner     nierte er und nahm an Wettkämpfen teil.
und oft dort unterwegs.                       Heimat Ramsau mit den Bergen vor der           Als 21-Jähriger bekam er schließlich einen
  Nach vier ungeschlagenen Jahren im Ju-      Haustüre und einem Bergführer als Vater        Sportförderplatz bei der Bundeswehr. Eine
gendweltcup räumte er bei den Senioren        waren es natürlich Bergsportarten: Ski-        Selbstverständlichkeit war das nicht, Ski-
ab. Er holte sich 2019 den zweiten Platz im   fahren in der Kindheit, später dann Ski-       bergsteigen war und ist bislang nicht
Gesamtweltcup mit den drei Disziplinen        touren, Skispringen, Rodeln, zuletzt Lang­     olympisch. „Seitdem kann ich mich voll
Individual, Vertical und Sprint, gewann ein   laufen. Als er 16 Jahre alt war, wusste er     auf meinen Sport konzentrieren, inzwi-
Jahr zuvor den Vertical-Gesamtweltcup,        aber endgültig, dass das Skibergsteigen        schen habe ich auch einige Sponsoren, die
hat WM-Medaillen in allen drei Einzeldis-     seines ist. „Raufzukommen, als Belohnung       das möglich machen.“ Die Entscheidung
ziplinen und ist mehrfacher Deutscher         auf dem Gipfel zu stehen und dann den          seiner Eltern damals sei die richtige gewe-
Meister. „Meine Eltern sind der Grund,        Genuss einer schönen Abfahrt zu haben,         sen, sagt Toni heute. Er sieht das realis-
                                              das fasziniert mich.“ Ein bisschen lag es

                                                                                                          DAV             1/2020     73
"Individual-Rennen": mindestens drei Aufstiege und Abfahrten. In dieser Disziplin kann Toni Palzer seine Stärken ausspielen - Deutscher ...
Anton Palzer

                                                                                        Toni Palzer
                                                                                       Ski Klub Ramsau/DAV SkimoTeamGermany

                                                                                       Wichtigste Wettkampferfolge
                                                                                       › 3. Platz Weltmeisterschaft Einzel 2017
                                                                                       › 2. Platz Weltmeisterschaft Sprint 2017
                                                                                       › 2. Platz Weltmeisterschaft Vertical 2015
                                                                                       › 2. Platz Gesamtweltcup 2018/19
                                                                                       › Streckenrekorde bei „Mountain Attack“ und
                                                                                         beim „Sella Ronda Skimarathon“
                                                                                       Toni Palzer und das SkimoTeamGermany live beim
                                                                                       Jennerstier (7.-9. Februar) erleben: alpenverein.de/
                                                                                       skimoworldcup; ein spannendes Gespräch mit
                                                                                       Toni gibt es auf alpenverein.de/bergpodcast
                                                                                       Schönste Bergtouren:
                                                                                       › Watzmann – egal ob Sommer oder Winter
                                                                                       › Großglockner
                                                                                       › Denali (6190 m), Alaska
                                                                                       › Half Dome Nordwestwand „Regular“ (600 m, VI,
                                                                                         A1), Yosemite

                                                                                                                                               Fotos: Manuel Ferrigato (2), ISMF Presseservice (2), privat
tisch: „Der Leistungssport ist eine Schein-
welt. Ich habe Spaß, habe Erfolge und
auch finanziell passt es – aber das alles
kann bald vorbei sein.“
   Dass Erfolge keine Selbstverständlichkeit             Den Watzmann im Blick:
sind, musste er erst lernen. Bis er 24 Jahre             Die Ramsau bei Berchtes-
alt war, lief bei ihm alles perfekt. „Ich habe           gaden ist Tonis Heimat.
                                                         Erfolg und Erschöpfung
immer abgeliefert. Ich bin zu Wettkämp-                  liegen beim Hochleis-
fen gefahren und habe gewonnen, das war                  tungssport Skibergsteigen
normal für mich“, erzählt Toni. Dann zer-                nah beieinander. Nicht nur
                                                         Training: Toni ist auch als
brach die Beziehung zu seiner damaligen
                                                         Bergläufer international
Freundin. Er kam mit der Situation nicht                 erfolgreich.
zurecht, er magerte bei einer Größe von 1,79
Metern auf 54 Kilogramm ab – normaler-              Im vergangenen Jahr wollte er sich unbe-    ern könne. „Zwei Prozent aber hängen vom
weise wiegt er 60 Kilogramm. Und hatte auf       dingt den Weltmeistertitel holen und hatte     Glück und der Tagesverfassung ab“, sagt
einmal bei den Wettkämpfen Angst am              sich nur noch auf dieses Ziel fokussiert:      Toni. Und vom Kopf – der spielte an diesem
Start. „Ich war zwar fit, aber der Kopf war      „Der 12. März 2019, der Wettkampftag, war      Tag bei ihm nicht mit. Seitdem hat sich
nicht gut.“ Zwei nicht optimale Winter           sogar auf dem Bildschirmschoner auf mei-       seine Einstellung zum Wettkampf verän-
folgten, „nicht wirklich schlecht, aber nicht    nem Handy.“ Die Vorbereitung lief optimal,     dert. Diese Fokussierung war ein Riesenfeh-
konstant“. Toni trainierte weiter, bekam         körperlich war er absolut fit an diesem Tag.   ler, weiß er heute. Auch deshalb will er den
Herzprobleme und entging nur knapp ei-           „Aber ich war so blockiert, habe mir selber    „Jennerstier“ in Berchtesgaden, der im Feb-
ner Herzmuskelentzündung. Diese Erfah-           so viel Druck gemacht, dass ich daran ge-      ruar das erste Mal überhaupt als Weltcup
rungen haben ihn verändert, „sie haben           scheitert bin.“ Es war das erste Mal in sei-   in Deutschland stattfindet, wie ein ganz
mich stärker gemacht. Und ich habe ge-           nem Leben, dass er aus einem Wettkampf         normales Rennen angehen. „Ich möchte
lernt, mit Niederlagen umzugehen.“               ausgestiegen ist. Die Vorbereitung sei wich-   mir bewusst keinen Druck aufbauen und
                                                 tig, das seien die 98 Prozent, die man steu-

74   DAV               1/2020
"Individual-Rennen": mindestens drei Aufstiege und Abfahrten. In dieser Disziplin kann Toni Palzer seine Stärken ausspielen - Deutscher ...
Sieht er sich auch als Bergsteiger? „Ich
                                                                                                definiere mich schon so“, sagt Toni, der
                                                                                                möglichst viel und gerne Zeit am Berg ver-
                                                                                                bringt. Er hat den Denali in Alaska bestie-
                                                                                                gen und findet an seinem Hausberg Watz-
                                                                                                mann immer wieder neue Aufgaben. Oft ist
                                                                                                er mit seinem Vater Wolfgang unterwegs,
                                                                                                von dem er viel gelernt hat: „Von ihm weiß
                                                                                                ich, auf was ich achten muss, wenn ich in
                                                                                                den Bergen unterwegs bin.“ Und wie sieht
                                                                                                er die Entwicklung, dass es immer mehr
                                                                                                Menschen in die Berge zieht? „Die Natur ist
                                                                                                etwas Einzigartiges, man muss sie schüt-
                                                                                                zen. 500 Leute, die gemeinsam auf dem
                                                                                                Gipfel stehen, geht eben nicht.“ Empfeh-
                                                                                                lungen zur Lenkung von Bergsportlern, wie
mir sagen, dass ich vor heimischer Kulisse         Ausdauersport am Berg sei knüppelhart,       die DAV-Kampagne „Natürlich auf Tour“
gewinnen muss.“ Für ihn ist nicht der Sieg      das verlange dem Körper viel ab, sagt Toni.     für naturverträgliche Skitouren, findet er
das Wichtigste, sondern die Gewissheit,         Talent sei natürlich wichtig, „aber harte       deshalb gut und wichtig.
das Beste gegeben zu haben. Ziele für diese     Arbeit schlägt Talent“. Und für seine Er-         Im Sport ist Toni ein Einzelkämpfer,
Saison hat er dennoch: Er will den Ge-          folge arbeitet er diszipliniert: Ewa 1200       trainiert am liebsten allein. „Im Hochleis-
samtweltcup gewinnen und sich eine Me-          Stunden trainiert er im Jahr, 500.000 Hö-       tungssport musst du Egoist sein, um Er-
daille bei der Europameisterschaft holen.       henmeter im Aufstieg kommen da zusam-           folge zu haben.“ Und privat? Da ist Toni
   Und die Olympischen Winterspiele, bei        men. Je nach Saison gibt es unterschiedli-      ein echter Familienmensch – die Eltern,
denen 2026 in Mailand eventuell erstmals        che Trainingseinheiten, auch ein bis zwei       die Freundin und seine Freundschaften
auch das Skibergsteigen als Disziplin vertre-   Ruhetage pro Woche gönnt er sich. Oder          sind ihm extrem wichtig. Und er ist bo-
ten sein wird? Für die Nachwuchsarbeit sei      mehr, wenn es ihm sein Körper meldet.           denständig geblieben: „Ich bin viel unter-
das wichtig, sagt Toni. „Für mich persönlich    Oft nimmt er auch an kleineren Vorberei-        wegs, bei Wettkämpfen, bei Trainingsla-
ist das aber nicht wirklich ein Thema.“         tungswettkämpfen teil. „Ich bin ein Freund      gern. Aber das Schönste am Reisen für
Zum einen hält er die Spiele für eine ziem-     davon, das ist für mich besser, als ewige       mich ist, wieder nach Hause in die Ramsau
liche Kommerzveranstaltung, „da geht’s um       Trainingseinheiten allein zu absolvieren“,      zu kommen.“ Der Sport ist für ihn ein Job,
Geld, der Sport steht nicht im Vorder-          sagt Toni. Für ihn sei es wichtig, seinen ei-   und so lange es geht, möchte er davon le-
grund“. Zum anderen stellt er sich die Fra-     genen Weg gehen zu können, betont er.           ben. Und sich noch einen großen Traum
ge, was genau dann olympisch werden soll.       Momentan hat er keinen Trainer und              erfüllen: den Weltmeistertitel in einem
Es könnte – ähnlich wie beim Klettern – ein     stellt seine Trainingspläne selbst zusam-       Einzelwettbewerb.
neues Format geben. „Sprint wird sicher         men. Er schaut sich viel von den Langläu-         Und wenn irgendwann einmal auch für
dabei sein, das ist zuschauerfreundlich.“       fern ab und von den Radfahrern, „die ma-        die „Ramsauer Rakete“ der Punkt kommen
Doch Sprint ist nun nicht unbedingt seine       chen für mich den härtesten Sport, den es       wird, wo Leistungssport auf diesem Niveau
Lieblingsdisziplin. Seine Stärken kann Toni     gibt“. Im Winter steht er bis zum Ende der      nicht mehr möglich ist? Kein Problem, ei-
vor allem im Individual und Vertical (rei-      Wettkampfsaison auf den Ski, nach dem           nen Plan für die Zeit danach hat Toni
nes Aufstiegsrennen) ausspielen. Außer-         letzten Wettkampf gibt es dann einen Cut.       schon jetzt: „Eine Familie gründen, hier in
dem gewinne nicht der wirklich beste Ath-       „Dann freue ich mich auf das Laufen oder        der Ramsau leben und wie mein Vater als
let Gold bei Olympia, sondern der, der es an    das Radfahren.“ Im Sommer geht es um            Bergführer mein Geld verdienen.“
diesem Tag schaffe, alles auf den Punkt zu      das Grundlagentraining, dann absolviert
bringen. „Der Sieg im Gesamtweltcup ist         Toni viele Bergläufe, wobei die mehr
für mich – von der sportlichen Leistung         sind als reines Training. Toni ist ein
her gesehen – höher einzuschätzen.“             international sehr erfolgreicher Berg­                 Gudrun Regelein arbeitet als
                                                                                                       Pauschalistin für die Süddeutsche
                                                läufer, das Laufen ist für ihn zur zwei-               Zeitung. Als freie Autorin schreibt
                                                ten Leidenschaft geworden.                             sie unter anderem für den DAV.

                                                                                                             DAV             1/2020     75
"Individual-Rennen": mindestens drei Aufstiege und Abfahrten. In dieser Disziplin kann Toni Palzer seine Stärken ausspielen - Deutscher ...
Sie können auch lesen