Denkbare Eckpunkte eines BAföG-Änderungsgesetzes
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Denkbare Eckpunkte eines BAföG-Änderungsgesetzes 1. Themenkomplex Migrantenförderung Kinder mit Migrationshintergrund haben in Deutschland deutlich schlechtere Bildungschancen als in anderen Industriestaaten, dies hat erst die kürzlich vorgelegte PISA-Analyse gezeigt. Dabei schneiden hier geborene Kinder ausländischer Eltern sogar schlechter ab als Migranten der ersten Generation. Dies legt es überaus nahe, Integrationsförderung durch Ausbildungsförderung auszudehnen. Die Öffnung der Förde- rung für alle Bildungsinländer (aus EU und Nicht-EU-Staaten) und damit der Zugang zu Höherqualifizie- rung wäre ein bedeutsamer Beitrag zur Integration. Ausländische Auszubildende, die bereits langfristig aufenthaltsberechtigt sind oder wenigstens eine aufenthaltsrechtliche Dauerperspektive haben, sollten daher ohne Anknüpfung an eine vorherige Mindesterwerbsdauer der Eltern gefördert werden. Dies ist auch eine ebenso alte wie aktuelle Forderung der Migrationsbeauftragten der BReg, die gerade im Kontext des Integrationsgipfels und nationalen Integrationsplans hohe politische Relevanz hat. 2. Auslandsförderung Hinsichtlich der Förderung deutscher Studierender im Ausland hat bereits der Ende der letzten LegPer. dem BT vorgelegte Evaluierungsbericht zur Auslandsförderung diskussionswürdige Änderungen skizziert. Wegfall der Orientierungsphase Die einjährige Orientierungsphase vor der möglichen Mitnahme der Förderung ins europäische Ausland wird von Studierenden, die ein Vollstudium im Ausland anstreben, als Zeitverlust wahrgenommen. Mit dem Verzicht auf die Orientierungsphase könnten Vollstudien im Europäischen Ausland gefördert wer- den. Ohnehin ist derzeit ein Vorabentscheidungsersuchen des VG Aachen vor dem EuGH anhängig, das mit nicht ganz geringer Wahrscheinlichkeit zu diesem Ergebnis verpflichten könnte. Das Risiko von Mit- nahmeeffekten durch förderungsberechtigte EU-Bürger, die dann u. U. mit deutscher Förderung in ihrem Heimatstaat studieren könnten, wurde in der bisherigen Diskussion besonders problematisiert, zumal es mangels Kalkulierbarkeit des Verhaltens der Betroffenen nicht quantifizierbar ist. Die Niederlande sind– als Vorreiter innerhalb der EU – jetzt ungeachtet der zuvor ebenfalls befürchteten Mehrausgaberisiken dazu übergegangen, ab 2007 volle Auslandsförderung (Bolognastaaten-weit) einzuführen. Mit Blick auf den im Bolognaprozess angestrebten einheitlichen europäischen Hochschulraum wäre es ein sehr attrak- tives bildungspolitisches Internationalisierungssignal, sich hier deutlich auf die Promoter-Seite zu stel- len. Das immerhin denkbare (freilich keineswegs gewisse) Szenario, zu demselben Ergebnis durch EuGH- Urteil erst gezwungen werden zu müssen, wäre jedenfalls in der bildungspolitischen Debatte besonders unattraktiv. Zwischenzeitlich hat sich im Kontext des multilateralen Erfahrungsaustausch in der Bologna-AG zur Mit- nahmefähigkeit von Ausbildungsförderungsleistungen auch ein EU-rechtlich gangbar erscheinender Weg gefunden, wie das ursprünglich für die Installation der Orientierungsphase maßgebliche Risiko der uner- wünschten Inanspruchnahme durch EU-Ausländer für eine Förderung eines Studium in ihrem Heimatland mit deutschem BAföG minimiert werden kann. Man müsste hierzu – wie es einige andere EU- Mitgliedstaaten bereits praktizieren und im nationalen Recht verankert haben – als Fördervoraussetzung
-2- für Langzeitaufenthalte im Ausland (anders als für eine Förderung im Inland) eine zusätzliche Mindest- aufenthaltsdauer einführen, die ein Auszubildender zuvor im Inland verbracht haben muss. Dies soll nach Einschätzung der Mitglieder der Bologna-AG auch für freizügigkeitsberechtigte Wanderarbeitnehmer(- kinder) europarechtlich zulässig sein, solange nur die Voraussetzung für Ausländer wie Inländer glei- chermaßen eingeführt wird. Es erscheint erwägenswert, sich dem schon praktizierten Modell anderer EU- Staaten anzuschließen und einen dreijährigen Mindestaufenthalt als zusätzliches Förderkriterium für langfristige Auslandsaufenthalte (nicht für bloße Kurzfristaufenthalte bis 1 Jahr, die in ein insgesamt im Inland durchgeführtes Studium eingebettet sind) einzuführen. Förderung von Praktika im außereuropäischen Ausland Angesichts der zunehmenden Internationalisierung sollten die hohen Hürden einer Förderung von Praktika außerhalb Europas abgebaut und auf die derzeit verlangte Bescheinigung der „besonderen Förderlichkeit“ des Praktikums im außereuropäischen Ausland für die Ausbildung verzichtet werden. Kritisiert werden könnte dann zwar die Missbrauchsgefahr (Förderung eher “touristischer“ Auslandsaufenthalte), mit der diese Beschränkung bislang begründet wird. Dies könnte aber zumindest weitgehend abgefangen werden, wenn man bspw. die Förderung von Auslandspraktika generell nur noch zu Inlandsbedingungen vorsähe, also ohne verteuernde Auslandszuschläge. Abschaffung der Grenzpendlerregelung Die Grenzpendlerregelung, die für Auszubildende im grenznahen Bereich derzeit ausnahmsweise eine Ausbildung im Ausland schon ab dem ersten Semester ermöglicht, ist historisch überholt und führt zu unerwünschten Zufallsergebnissen je nach Wohnort der Eltern. Mit Abschaffung der Orientierungsphase würde diese streit- und missbrauchsanfällige Regelung ohnehin obsolet. Gegenfinanzierung: Auslandszuschläge als Normalförderung bzw. Bankdarlehen Studienbezogene Auslandsaufenthalte sind für viele Studierende mittlerweile selbstverständlich. Besonde- re Anreize für Auslandsaufenthalte in Form der als Vollzuschuss gewährten spezifischen Auslandsförde- rung (Auslandszuschläge für Nicht-EU-Staaten, Reisekosten und Studiengebühren) sind nicht mehr gebo- ten. Die ohnehin bestehende Darlehensdeckelung bei 10.000 € gewährleistet , dass BAföG-Geförderte auch bei hälftiger Darlehensbelastung keine unangemessene Abschreckung vor Auslandsaufenthalten er- fahren. Zudem erscheint insbesondere die Vollzuschussförderung von Studiengebühren fragwürdig ange- sichts des Umstands, dass Studiengebühren im Inland durch das BAföG nicht gefördert werden und Be- dürftige hier auf Studiengebührenkreditangebote angewiesen sind. Die Auslandszuschläge und Reisekos- tenerstattungen sollten daher in Normalförderung, die Erstattung ausländischer Studiengebühren in Bankdarlehensförderung überführt werden. Dies bietet zugleich Gegenfinanzierungsspielraum. 3. Themenkomplex Familie Streichung der Kinderteilerlasse Familienförderung bereits im Studium Statt erst bei der Darlehensrückzahlung (also erst fünf Jahre nach Ablauf der Regelstudienzeit) Erlasse für die Kinderbetreuung zu gewähren und diese an weitgehenden Erwerbsverzicht anzuknüpfen, so dass Al- leinerziehende praktisch ausgeschlossen bleiben, sollten Studierende mit Kindern bereits während des Studiums stärker unterstützt werden. Dies war – auch als familienpolitischer Beitrag zur Förderung
-3- früherer Familiengründung bei Akademikern - gegenüber BMFSFJ und dem Petitionsausschuss bereits angekündigt worden. Diese Regelung wäre insbesondere deshalb sinnvoll, weil das neue Elterngeld für einkommenslose Studierende im Regelfall zu einer Verschlechterung führen wird, etwa weil statt 24 Mo- nate 300 Euro Erziehungsgeld Elterngeld in gleicher Höhe künftig nur höchstens 14 Monate lang gewährt wird. Ein pauschaler Kinderzuschlag im BAföG (bspw. für Kinder ab dem 2. Lebensjahr, also nach dem Ende der Elterngeldberechtigung) könnte eine Schlechterstellung insoweit zumindest teilweise auffangen. Die Streichung des Kinderteilerlasses böte zwar kein kurzfristiges Gegenfinanzierungsvolumen, da jeder Teilerlassberechtigte als Geringverdiener zugleich die Voraussetzung für eine langfristige Freistellung von der Rückzahlung (bis zu 20 Jahre) unabhängig vom Alter des Kindes erfüllt. Nach Kalkulationen des FIT würde ein Kinderzuschlag von 113 Euro pro Kind und Monat (der Betrag entspräche einem entsprechen- den Betreuungszuschlag, wie er nach § 10 AFBG vorgesehen ist) aber nur vergleichsweise moderate Mehrausgaben von ca. 13 Mio. € p. a. (Bundesanteil) bedeuten. Bei einem Inkrafttreten des BAföG- ÄndG zum WS 2007/2008 würden davon etwa 4 Mio. im HH-Jahr 2007 finanzwirksam. 4. Themenkomplex Hinzuverdienstgrenze und (Mit)Finanzierungsverantwortung Die Hinzuverdienstgrenzen des BAföG sind gestaffelt nach Ausbildungsarten und liegen derzeit auch bei Studierenden noch unterhalb der sozialversicherungsrechtlichen Minijob-Grenzen. Es sollte aber allen Auszubildenden ermöglicht werden, ohne Anrechnung auf das BAföG wenigstens einen Minijob bis 400 € monatlich auszuüben. Die Änderung wurde unter der früheren Regierung schon mehrfach, u.a. ggü. dem BAföG-Beirat und auf Anfragen aus dem parlamentarischen Raum hin angekündigt und ist eine der stän- digen Forderungen des DSW. Die Eröffnung voller Kompatibilität von BAföG und parallel ausgeüb- ten Minijobs stärkt die Möglichkeit für bedürftige Studierende, selbst Mitverantwortung für die Stu- dienfinanzierung zu übernehmen. Kritik: Anreizwirkung für eine potentiell studienzeitverlängernde Er- werbstätigkeit. Bei anderen Sozialleistungen sind die Hinzuverdienstgrenzen zudem schon jetzt niedriger. 5. Finanzierung / Vorschläge zur Gegenfinanzierung Einsparungen Abschaffung der elternunabhängigen Kollegiatenförderung Das Einsparvolumen dieses Vorschlags liegt bei 17 Mio. Euro jährlich , davon 11 Euro Mio. Bundesan- teil jährlich. Dass die Förderung von Ausbildungen auf dem zweiten Bildungsweg – anders als die Regel- förderung – pauschal unabhängig von Einkommen der Eltern erfolgt, hat insb. im Bereich der Kollegschu- len weitgehend seine sachliche Rechtfertigung verloren. Zunehmend nehmen diesen Weg nicht nur bereits langjährig erwerbstätig gewesene junge Menschen in Anspruch, die ihren Eltern gegenüber nicht mehr unterhaltsberechtigt sind, sondern „normale“ volljährige Schüler, die in der Erstausbildung die – an sich auch erwünschte – Durchlässigkeit der Bildungsgänge nutzen. Daher wäre es auch konsequent, auch für diese Klientel generell auf das Elterneinkommen abzuheben. Es könnte die in der letzten Legislaturperiode erfolglos gebliebene Bundesratsinitiative von Baden-Württemberg insoweit aufgegriffen werden. Überführung der Auslandszuschläge in Normalförderung bzw. Bankdarlehen Hierin liegt nach Kalkulation des FIT ein Einsparpotential von 5-6 Mio. Euro jährlich (Bundesanteil etwa 3,5 Mio.) allein hinsichtlich der Überführung des Studiengebührenzuschlags.
-4- Mehrausgaben Migrantenförderung: Nach Kalkulation der FIT belaufen sich die Mehrausgaben auf 5,6 – 9 Mio. Euro (Bundesanteil 3,2 – 5,2 Mio. Euro), wenn an Daueraufenthaltsberechtigung angeknüpft würde. Eine Kalkulation, welche Mehrausgaben eine Einbeziehung aller perspektivisch dauerhaft in Deutschland an- sässigen Ausländer auch ohne förmliches Daueraufenthaltsrecht bedeuten würde, ist nach den verfügbaren Daten der Ausländer- und BAföG-Statistik nicht möglich. Abschaffung der Orientierungsphase: Da die Auszubildenden während der Orientierungsphase in Deutschland auch jetzt schon förderungsberechtigt sind, sind die Mehrkosten grundsätzlich eher gering zu veranschlagen. Wie viele förderungsberechtigte Kinder von Wanderarbeitnehmern sich derzeit von der Orientierungsphase abschrecken lassen und lieber gar keine Förderung beantragen, als für das erste Stu- dienjahr nach Deutschland zu kommen, kann nicht beziffert werden. Grundsätzlich ist dieser Personen- kreis jetzt schon förderungsberechtigt, wenn er zuvor das einjährige Studium in Deutschland absolviert. Mit einer Einführung einer dreijährigen Mindestaufenthaltsdauer als Fördervoraussetzung für langfristige Auslandsaufenthalte ließe sich das Mehrausgabenrisiko zusätzlich begrenzen bis ausschließen. Förderung außereuropäischer Praktika: Die Mehrkosten dürften sich in Grenzen halten. Es ist nicht davon auszugehen, dass Auszubildende derzeit auf ein Auslandspraktikum komplett verzichten, nur weil die Voraussetzungen für Praktika im außereuropäischen Ausland hoch sind. Vielmehr werden diese Aus- zubildenden großenteils ihre Auslandspraktika innerhalb Europas absolvieren. Insoweit ist eher mit einer teilweisen „Verlagerung“ der Praktika als mit einer drastischen Zunahme zu rechnen. Kinderzuschläge: Nach der Kalkulation des FIT verursacht ein Zuschlag von 113 Euro pro Kind und Monat Mehrausgaben in Höhe von rd. 29 Mio. Euro, wobei auf den Bundesanteil rd. 13 Mio. Euro ent- fallen. Zuverdienstgrenze: Die Mehrausgaben einer Anhebung auf die Minijobgrenze werden vom FIT auf 7 Mio. Euro (Bundesanteil 4 Mio. Euro) beziffert. Die Wirkung ist so gering, da die Auszubildenden vielfach ihr (Erwerbs-) Verhalten an den Einkommensgrenzen ausrichten, so dass es heute nur in wenigen Fällen zu einer Anrechnung von Erwerbseinkünften mit der Folge einer Minderung der Förderung und damit der BAföG-Ausgaben kommt.
Anlage 2 Haushaltswirkung, Mehr- und Minderausgaben Mehrausgaben Mehrausgaben in Davon Bun- Bundesanteil € desanteil1 in € im Haus- haltsjahr 2007 Förderung von Ausländern mit Daueraufenthalts- (5,6) – 9 Mio. (3,2) - 5,2 Mio. 1,5 Mio. recht Abschaffung der Orientierungsphase Ausweitung der Förderung außereuropäischer Praktika Kinderzuschlag zum Bedarfssatz (je nach Höhe, 29 Mio. 13 Mio. 4,5 Mio. z.B. 113 Euro) Anhebung der Hinzuverdienstgrenze auf Minijob- 7 Mio. 4 Mio. 1 Mio grenze für Studierende und Schüler Insg. max. 45 Mio. 22,2 Mio. 7 Mio. Einsparungen Einsparungen in € Davon Bun- Bundesanteil desanteil in € im Haushalts- jahr 2007 Studiengebühren im Ausland nur noch als Bank- 5 – (6) Mio. 3,5 Mio. 1 Mio. darlehen Abschaffung der Elternunabhängigkeit der Kol- 17 Mio. 11 Mio. 3,5 legiatenförderung Insg mind. 22 Mio. 14,5 Mio. 4,5 Mio.
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