"Individuum est effabile" - Spekulativ logische Erkenntnis des Einzelnen in Hegels Wissenschaft der Logik

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HEGEL-STUDIEN BEIHEFT 72

Thomas Auinger

 »Individuum est effabile«
   Spekulativ logische Erkenntnis des Einzelnen
   in Hegels Wissenschaft der Logik
HEGEL-STUDIEN BEIHEFTE
HEGEL-STUDIEN                                Beiheft 72

In Verbindung mit
Walter Jaeschke und Ludwig Siep herausgegeben von
Michael Quante und Birgit Sandkaulen

   FELIX MEINER VERL AG
   HAMBURG
Thomas Auinger

»Individuum est effabile«
Spekulativ logische Erkenntnis des Einzelnen
in Hegels Wissenschaft der Logik

    FELIX MEINER VERL AG
    HAMBURG
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  ISBN 978-3-7873-4082-8
  ISBN eBook 978-3-7873-4083-5

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drücklich gestatten. Satz: Jens-Sören Mann. Druck: Stückle, Ettenheim. Gedruckt
auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier, hergestellt aus 100% chlorfrei gebleich-
tem Zellstoff. Printed in Germany.
Inhalt

Geleitwort von Friedrich Grimmlinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                        9

Vorrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    11

1. Freie Wirklichkeiten – Anfängliches, Modales und Vorbegriffliches . . . . . .                                                   37

1.1            Einleitung: Die Setzung eines eigenständigen Anfangs und die
               ­methodische Begriffsbestimmung des Anfangs überhaupt . . . . . .                                                   37
1.2            Der Blick auf die objektive Logik und ihre ansichseiende
               ­Notwendigkeit. Erster Vorblick auf das Freiheitsmoment der
                freien Wirklichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .              48
1.3            Die formelle Stufe der Modalitätskategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                   52
1.3.1          Konjunktivische Perspektive auf die Bestimmung der Einzelheit
               als in die Dialektik der formellen Modalitätskategorien projiziert                                                  74
1.3.2          Der Form-Inhalts-Aspekt als Einstieg in den Realisierungsschritt
               der Modalitätskategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                    81
1.4            Die reale Stufe der Modalitätskategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  84
1.4.1          Reale Möglichkeit in rekonstruktiver Perspektive.
               Absolute Möglichkeit bzgl. kontinuierlicher und diskreter Größe . 99
1.4.2          Der Übergang zur absoluten Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  102
1.5            Die absolute Stufe der Modalitätskategorien.
               Freie Wirklichkeiten und Emergenz der Substanz . . . . . . . . . . . . . .  103

2. Aufweis der Einzelheit über die Bewegung des absoluten Verhältnisses . 133

2.1            Problemaufriss: Ding – Substrat – Substanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  133
2.2            Einleitung in das Absolute Verhältnis:
               Die Notwendigkeit – Das Notwendige – Ein Notwendiges
               Die Einzelheit – Das Einzelne - Ein Einzelnes . . . . . . . . . . . . . . . . .  137
2.3            Das Verhältnis der Substantialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  143
2.3.1          Vorausschauend rückblickende Rekapitulation aus der
               Perspektive des Begriffs (Erster Punkt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  165
6                                                          Inhalt

2.4      Das Kausalitätsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .              169
2.4.1    Die formelle Kausalität in ihrer selbstbestimmenden
        ­Vorbegrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       171
2.4.2    Die Kausalität in ihrer endlichen Realität.
         Das bestimmte Kausalitätsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                        186
2.4.2.1 Die formelle Stufe der bestimmten Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                188
2.4.2.2 Die reale Stufe der bestimmten Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                             195
2.4.3    Wirkung und Gegenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                     212
2.4.3.1 Vorausschauend rückblickende Rekapitulation aus der
         Perspektive des Begriffs (Zweiter Punkt und Hauptteil des
         dritten Punktes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       231
2.5           Die Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  236

3. Einzelheit im Kanon der Begriffsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

3.1           Zum Eintritt in die Sphäre des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  293
3.1.1         Rückblick und Ergänzungen zum bisherigen Verlauf . . . . . . . . . . .  293
3.1.2         Subjektive Logik – Subjekt und Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . .  305
3.2      Der allgemeine Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .           323
3.2.1    Allgemeines zum Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                      323
3.2.2    Die Bestimmung des Allgemeinen als solchen: Unbeschränktes
         ­selbstkontinuatives Sollen in sich und der a­ ufscheinende Schein
           des ­A llgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    325
3.2.3     Das Allgemeine in seiner Bestimmtheit:
          Formierende ­Selbstbestimmung und Doppelschein.
          Abstraktion und S­ elbstabstraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                   330
3.2.3.1 Erläuterungen des Scheinens nach außen im Vorblick auf das
        ­synthetische Erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .            336
3.2.3.2 Der doppelscheinende Vollzug als Einheit des Scheinens nach
          ­außen und des Scheinens nach innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                         342
3.3           Der besondere Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       352
3.3.1         Der besondere Begriff in seiner Verschiedenheit und in seiner
              ­prinzipiellen Selbstbestimmung als Entgegensetzung gegen
               sich selbst: Gattung und Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .             352
3.3.2          Das Besondere und die bekleidende abstrakte Allgemeinheit . . . .                                        366
3.3.3          Abstraktion und Selbstabstraktion – Verstand und Vernunft . . . .                                        379
3.3.4          Der Übergang zur bestimmten Bestimmtheit der Einzelheit . . . .                                          389
Inhalt                                                              7

3.4           Das Einzelne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  392
3.4.1         Die Einzelheit als der vollendete Begriff in seiner Rückkehr
              zu sich. Die Effabilität des Einzelnen oder Individuellen . . . . . . . .  392
3.4.2         Die Einzelheit als gesetzte Abstraktion und der Verlust des
              Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  411

4. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  441
Geleitwort

T   itel und Thema des vorliegenden Buches deuten dem ersten Anschein nach
    auf eine Untersuchung zu einem speziellen Thema zu Hegels Wissenschaft
der Logik hin. Bei genauerem Blick auf die Fülle des Dargelegten hingegen er-
weist sich die Untersuchung im Zentrum des Werkes angesiedelt. Die Einzelheit
im Verbund mit den beiden anderen Momenten des Begriffs, der Allgemeinheit
und Besonderheit, formiert den Begriff, d. h. den Hegelschen Begriff, in seiner
ersten und grundsätzlichen Ausprägung. Der Begriff erweist sich für Hegel als
die Wahrheit des Seins und des Wesens, also der objektiven Logik. Aufgrund des
universalen Zusammenhanges aller reinen Denkbestimmungen stellt sich für
den Autor, Thomas Auinger, die Aufgabe, die Genesis des Begriffs von der ob-
jektiven Logik her, zwar in wohl gewählter Einschränkung, aber in unentbehr-
licher Weite und Tiefe darzulegen.
    Hegels Wissenschaft der Logik stellt nach Überzeugung der meisten um sie
Bemühten einen Höhepunkt, für einige auch den Höhepunkt der europäischen
Metaphysik dar. Intensive Forschungen bisher, in deutschsprachigen, aber auch
anderen Ländern haben sich um die Entschlüsselung und Interpretation des
Werkes bemüht. Aber dennoch scheint vorerst die Hebung des Schatzes des Lo-
gischen der Wissenschaft der Logik nicht gelungen zu sein. Dieses Desiderat lei-
tet zum Ansporn und zur Zielsetzung der vorliegenden Arbeit, den Begriff, die
große Errungenschaft von Hegels Wissenschaft der Logik, in genauen Blick zu
nehmen und einer differenzierten Ausarbeitung zuzuführen.
    Thomas Auinger und mich verbinden viele gemeinsame Jahre oder vielmehr
Jahrzehnte in der Bemühung um die Errungenschaften der Philosophie Hegels,
und zwar zunächst der Phänomenologie des Geistes. Hier konnte ich ihn bei
der Abfassung seiner Arbeiten zur Phänomenologie des Geistes zu Magisterium
und Doktorat begleiten. Die Bemühungen um die Wissenschaft der Logik er-
wiesen sich als noch umfangreicher und ließen deren Abschluss in einer gehalt-
vollen Arbeit erwarten. Besondere Schätzung verdient es und hervorzuheben
ist es, dass der Verfasser geduldiges Warten und Ausharren bewies, bis mit der
Reife des entwickelten eigenen Verständnishorizontes der Impuls und damit der
Kairos sich einstellte, die Abfassung der vorliegenden Arbeit vorzunehmen.
    Der Verfasser hat mit dieser Arbeit eine klare und eigenständige Position
zu Hegels Wissenschaft der Logik vorgelegt. Sie zeugt von deren umfassender
Kenntnis, was im vorliegenden Text immer wieder deutlich und eindrucksvoll
bestätigt wird.
10                                  Geleitwort

    Zu erwähnen ist, dass der Autor trotz oder gerade wegen der erreichten rei-
fen Sicht in den vielen Seminaren, Arbeitstagungen und auch anderswo sich als
offen gezeigt hat für das Mitsein der Anderen, deren Fragen, Überlegungen und
Positionen.
    Die Arbeit erscheint hinsichtlich ihrer sprachlichen Ausführung sehr an-
spruchsvoll und spekulativ hocheloquent. Dabei wird vom Verfasser das Poten-
tial der Sprache äußerst profund ausgelotet, insbesondere im Schöpfen neuer
Termini, eigener Formulierungen und Interpretamente, dabei stets geleitet von
dem Ziel, das Spekulative in Hegels Text aufzuspüren und zur Darstellung zu
bringen.
    Im Ergebnis ist festzuhalten, dass mit dieser Arbeit ein entscheidender Schritt
zur Entschlüsselung des Reichtums und der Tiefe von Hegels Wissenschaft der
Logik gelungen ist. Die Frage Kants »Was kann ich wissen?« hat so vor der Folie
des Hegelschen Werkes eine völlig neue Dimension gewonnen. Offensichtlich
ist gerade damit der unerlässliche Boden für die weitere Forschung zu drängen-
den Fragen der Philosophie Hegels und darüber hinaus gewonnen, wie unter
anderem zur Rolle des Verhältnisses von Sprachlichem und Logischem, zur Be-
ziehung von Logik und Realphilosophie sowie zu theologischen Implikationen
und nicht zuletzt zum Problem von Theorie und Praxis.
    Die Qualität der Arbeit zeugt von einer ungeheuren Anstrengung, wofür be-
sonders gedankt sei. Es ist ihr die breite Aufnahme in ebenso bemühter Lektüre,
Erarbeitung und Rezeption zu wünschen. Thomas Auinger wünsche ich persön-
lich alles, alles Gute für seinen weiteren Weg.
                                                         Friedrich Grimmlinger
Vorrede

D    en Widerspruch, ohne zu denken erklären zu wollen, ist ein zum Scheitern
     verurteiltes Unterfangen. Es verhielte sich wie die Bemühung um ein Koch-
rezept, worin etwa die Vermengung von Mehl und Eiern (und diversen weiteren
Zutaten) die Entstehung eines Teiges erklären soll. Hierbei ließe sich über die
Konsistenz des Mehles sprechen, könnte die Eiermasse genau beschrieben wer-
den etc. und, wohl am wichtigsten, der Prozess des Mischens im richtigen Ver-
hältnis erläutert werden.
    Im Falle des Widerspruchs, sofern er überhaupt in seiner Bestimmtheit von
äußerlich bekleidenden Allgemeinheiten, d. h. beliebig verschiedenen Ausgestal-
tungen, befreit ist, kann es nur zwei Zutaten geben: Positives und Negatives.
Der Versuch, den Widerspruch nun herstellen zu wollen, in Analogie zur Her-
stellung eines Teiges, wird jedoch nicht davon ausgehen können, zuerst und im
Vorhinein das Positive und das Negative getrennt voneinander zu bestimmen
oder, mit welchen Herangehensweisen auch immer, irgendwie zu beschreiben.
Noch viel abwegiger wird es sein, eine Vermengung des Positiven und Negativen
anzustreben, vielleicht gar noch in einem bestimmten Mengenverhältnis, um
schlussendlich ein Denkrezept für den Widerspruch anzugeben. Wie dem auch
sei, so soll ersichtlich werden, dass die Erklärung des Widerspruchs, wie sehr
dies auch gegenüber der plumpen Teiganalogie verbessert und formalisiert wer-
den kann, nie ausreichen wird, um den Widerspruch tatsächlich zu denken. Der
äußerliche Zugang, den Widerspruch aufzuschlüsseln, ihn zu untersuchen, nach
seinen Komponenten zu gliedern, sogar ihn bloß zu erkennen oder festzustellen
sowie Vergleiche und Beispiele heranzuziehen, all dies wird die Anhaftung die-
ser Äußerlichkeit nie mehr abstreifen können. Er bliebe immer nur Material und
Untersuchungsgegenstand, äußerlich reflektierend betrachtet, aber käme nie in
sein eigenes Anundfürsichsein.
    Warum ist dieser ziemlich unvermittelte Hinweis auf den Widerspruch zum
Zwecke einer Vorrede überhaupt relevant? Es wird ja an dieser Stelle wohl kaum
eine Denkbemühung rund um die Thematik des Widerspruchs einsetzen kön-
nen. Wäre dies der Fall, so müsste logisch exakt dargelegt werden, wie es über-
haupt zu den sogenannten Zutaten, also zum Positiven und Negativen kommt.
Außerdem wäre nicht klar, ob diese äußerst spezielle Zutatenliste nicht auch für
andere Bestimmungen (was übrigens so ist) kennzeichnend sein könnte.
    Als Ingredienz einer Vorrede zu einer Arbeit, die sich mit Hegels Wissen-
schaft der Logik beschäftigt, ist jedoch der Verweis auf den Widerspruch mehr
12                                   Vorrede

als angebracht. Es ist nämlich schlichtweg so, dass alle Bestimmungen, die hier
einer spekulativen Darstellung zugeführt werden, Bestimmungen des Wider-
spruchs sind, und zwar deshalb, weil sie zugleich an und für sich selbst Denk-
bestimmungen sind. Auch wenn der Widerspruch im Kanon der logischen Be-
stimmungen als Reflexionsbestimmung des Wesens seine genuine Stelle in der
Darstellung einnimmt, so kann jegliche Denkbestimmung nur als Bestimmung
des Denkens gelten, wenn sie an ihr selbst den Widerspruch exekutiert. Freilich
erfolgt dies in absoluter Formierung, die es nicht erlaubt, den Widerspruch in
jeder spezifischen logischen Konstellation gleichartig zu wiederholen. Vielmehr
kann es ganz und gar keine Widerspruchsfigur geben, die wir dann nur mehr hie
und da aufzufinden hätten. Jede spekulative Bestimmungskomplexion formiert
an ihr selbst ihre eigene Widersprüchlichkeit, wobei selbst noch der ganze Wi-
derspruch in Selbstnegation, d. h. in der (wiederum bestimmten oder formier-
ten) Nichtwidersprüchlichkeit einer Unmittelbarkeit als Totalität oder als Mo-
ment, vorkommen kann. Ist dies nicht der Fall, so ist die anvisierte Bestimmung
schlichtweg keine logische Bestimmung.
    Um die anfängliche Rede vom Kochrezept wieder aufzunehmen, so handelt
es sich nicht um ein Kochbuch, aber durchaus um ein Denkbuch, obwohl es kein
einziges Denkrezept enthält und überhaupt keiner Rezeptur folgt. Es bewegt
sich jedoch durchaus im Reich des reinen Gedankens und damit auch im Reich
des reinen Denkens. Das Stichwort Bewegung ist dabei von allergrößter Wichtig-
keit. Die verhandelte Logizität muss als logische Bewegung begriffen werden und
ist, wenn dies tatsächlich so erfasst wird, viel mehr noch und noch viel eminen-
ter als logische Selbstbewegung zu bestimmen.
    Die Bewegung der Bewegung ist Bewegung aus sich.
    Diese aus sich kommende Bewegung wird im Rahmen der Darstellung des
Wesens eindringlich anhand der setzenden Reflexion thematisiert. Sie ist jedoch
überhaupt Prinzip des logischen Fortschritts, obwohl die spekulative Logik De-
hypostasierung des Prinzipiellen ist. Hierin unterscheidet sie sich von jeder
transzendentalen Logik und von jeder formalen Logik ohnedies.
    Die Einsicht in die logische Selbstbewegung ist jedoch kein Erkenntniswerk-
zeug, kein Schlüssel und schon gar nicht Entschlüsselung irgendeiner verborge-
nen Strategie. Wird eine reine Denkbestimmung aber tatsächlich gedacht und
nicht bloß beschrieben oder nacherzählend irgendwie ausgedeutet, so stellt sich
dieser Bewegungscharakter als Fortbewegung von selbst ein. Dann wird klar,
dass sie sich nicht als solche festhalten lässt, sondern ihre eigene Auflösung und
bestimmte Weiterdisposition (was durch den inflationär gebrauchten Terminus
des Aufhebens gekennzeichnet wird) schon von Haus aus mit sich bringt. Über
die genaue Bestimmtheit dessen, was sich hierbei in einem nächsten Schritt ein-
stellt und welche Bezeichnung hierfür herangezogen wird, lässt sich durchaus
streiten, aber dass die vorliegende Bestimmtheit nicht diese Bestimmtheit bleiben

                                                                       Hegel-Studien
Vorrede                                    13

kann bzw. eine bestimmte aufhebende Entgegnung gegen sich selbst nach sich
zieht, wird bezüglich des tatsächlichen Denkvollzugs, wenn er nicht mit anderen
Denkinhalten konfundiert wird, nicht geleugnet werden können. Freilich lässt
sich alles leugnen, aber der Autor der hier niedergelegten Ausführungen (i. e.
Thomas Auinger) legt sich auf die eben formulierte Behauptung als Grundthese
fest.
    Mit dem Behaupteten geht einher, dass es sich bei den angesprochenen Be-
stimmungen nicht um beliebige Bestimmungen handeln kann, welche dann und
wann gedacht werden. An etwas zu denken oder nur überhaupt etwas zu den-
ken, heißt noch nicht, eben hiermit die logische Bestimmung des Etwas zu den-
ken. Es reicht auch nicht aus, um gleich ein häufiges Missverständnis aus dem
Weg zu räumen, aus dem Denken von etwas überhaupt auf irgendeine Weise die
reine Denkbestimmung oder Kategorie des Etwas zu abstrahieren.
    Im Hauptteil dieser Abhandlung wird das Thema der Abstraktion eine ent-
scheidende Rolle spielen, wobei jedoch kein Abstraktionsverfahren porträtiert
wird, sondern die Bestimmung der gesetzten Abstraktion als einer Bestimmung
des Begriffs spekulativ exakt interpretiert wird. Das bloße Abstrahieren im Sinne
eines zur Anwendung kommenden Vorgangs kann nur zu in sich toter, leerer
Bestimmungslosigkeit führen. Letzteres führt uns Hegel bei der Bestimmung
des Wesens drastisch vor Augen, aber es gilt für jede Denkbestimmung, sofern
sie durch äußerliche Abstraktion zustande kommen soll. Um es kurz zu sagen,
so liegt der Hauptfehler einer nicht-spekulativen Kategorienfindung darin, eine
bestimmte vorliegende Mannigfaltigkeit zu unterstellen, die entweder mehr in
Richtung einer Reduktion (wie bei der äußerlichen Abstraktion) oder in Rich-
tung einer prinzipialisierenden Konstitution (wie bei transzendentalen Ansät-
zen) auf die Zurückführung auf wesentliche logische Bestimmungen abzielt.
Diesen Zugängen schwebt jedoch nur eine Vorstellung von Bestimmtheit vor,
worin jegliche logische Bestimmtheit von vornherein desavouiert ist. Am ab-
wegigsten wird es, wenn dabei eine bestimmte Vorstellung einer endlichen Welt
als Maßstab herangezogen wird, nach welchem sich die in dieser Welt auch vor-
kommenden Denkbestimmungen letztlich zu richten hätten. Hierin wird mit
der Bestimmtheit und mit Bestimmtheiten nur hantiert, so dass das Logische
keine Eigenbestimmtheit, geschweige denn eine Eigenfortbestimmung aufweisen
kann. Demgegenüber besteht die spekulative Logizität in einer aus sich kom-
menden und auf sich zeigenden Bewegung, worin an der Bestimmtheit nur ihre
eigene Entgegnung gegen sich zum Austrag kommt. In ihrer einfachsten Aus-
prägung besteht diese Selbstentgegnung in einer bestimmten Negation. Wie wir
wissen, so weist Hegel eindringlich darauf hin, wie immens wichtig (und zudem
völlig ausreichend) es ist, diese bestimmte Negation in all ihren Konsequenzen
genau zu erfassen und sie auch genau zu befolgen, ohne irgendwelche Fremd-
bestimmtheiten hereinzuziehen. Das Fremde, das sich sehr leicht einschleichen

                                                                         Beiheft 72
14                                    Vorrede

kann und dabei die Rigidität der spekulativen Logizität untergräbt, entstammt
jenem bestimmten Hintergrundkonvolut, das zwar weder geleugnet noch als ir-
relevant abzutun ist, jedoch auch nicht zur Verdrehung, Verfälschung oder Ver-
stellung des Gehalts der reinen Denkbestimmungen eingeschleust werden sollte.
Der Eindruck von ermangelnder Bestimmtheit in diesem rein logischen Voll-
zug entsteht nur aus der Annahme anderer Bestimmtheit, die gewöhnlich mit
anderen Bestimmungen des Natürlichen oder Geistigen verbunden ist. Die rein
logische Bestimmtheit ist jedoch keine Unterbestimmtheit, sie ist bereits voll-
ständige, aber sich prozessual im Zeigen auf sich aufschließende und sich ent-
wickelnde Bestimmtheit in den Konkretisierungsschritten der absoluten Form.
Nur die Reinheit dieser Form gewährleistet die sich aus sich entfaltende und von
Anfang an gehaltvolle Bestimmtheit, ohne hierin bloß prinzipiell oder bloß ab­
strakt zu sein.
   Die angesprochene Reinheit darf dabei, wie jetzt schon ziemlich klar gewor-
den sein sollte, nicht mit Inhaltslosigkeit verwechselt werden. Die absolute Form
der Denkbestimmungen führt das auf sich bezogene Aufzeigen des Inhalts, der
jedoch nie durch äußerlich willkürliches oder unwillkürliches Einbringen von
Fremdinhalten angereichert werden darf, selbst mit sich. Nichtsdestoweniger ist
der im logischen Fortschritt sich einstellende Inhalt vollständig und kann daher
legitimerweise, wie es auch Hegel selbst immer wieder macht, für Erläuterungen
anhand von Beispielen genutzt werden. Das Beispielartige kann hierbei logisch
angemessen sein, weil die Logizität manchmal etwas Beiherspielendes völlig
stringent impliziert, aber das Logische selbst darf nie durch Beispielartiges ver-
wirrt, mit nicht angebrachter Konkretisierung aufgeladen oder überladen und
schon gar nicht mit einfallsweise aufgerafftem Beiwerk korrumpiert werden. Die
absolute Form ist ein sich von sich aus in den Inhalt versetzender Vollzug und
der Inhalt ist stets in vollständiger (wenn auch erst in sich explizierender Diffe-
renzierung) und absoluter Formierung präsent. Somit gilt:
Keine Form ohne Inhalt, kein Inhalt ohne Form. Form ist Inhalt und Inhalt ist
Form.
Die Weise der Abhebung oder der Einheit von Form und Inhalt liegt in jeder spe-
zifischen logischen Konstellation in einer jeweilig spezifischen Ausprägung vor.
Es kann kein Form-Inhalts-Schema geben, obwohl in bestimmten logischen Zu-
sammenhängen und Übergangsschritten sehr wohl ganz eindeutige und klare
Indikatoren für einen expliziten Abhebungsvollzug von Form gegen Inhalt bzw.
von Form als Formbeziehung an einem Inhalt vorliegen können.
    Der spekulativen Komplexionen von Form- und Inhaltsmomenten stets im
Begreifen der reinen Denkbestimmungen eingedenk zu sein und die spezifi-
schen Konsequenzen daraus ziehen zu können, ist ebenso schwierig wie die Ein-
sicht in die bestimmte Negation und in die Negativität überhaupt. Wiederum ist

                                                                        Hegel-Studien
Vorrede                                          15

es unerlässlich, Stringenz zu bewahren und nicht von Voraussetzungen auszu-
gehen, die der verhandelten logischen Sache selbst1 fremd sind.
   In diesem Zusammenhang kann an Hegels berühmtes Diktum erinnert wer-
den, welches besagt, dass der Inhalt der Logik im Sinne des Reichs des reinen
Gedankens auch aufgefasst werden könne als die Darstellung Gottes in seinem
ewigen Wesen vor Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes. Dies mag
einigermaßen provokant, überheblich oder sogar blasphemisch klingen, es ist
aber ein entschiedener Beleg dafür, dass alles darauf ankommt, die Thematisie-
rung des Reichs des reinen Gedankens in sich immanent vollziehender Bewe-
gung aus sich nicht mit Bestimmtheiten des Natürlichen oder Geistigen zu kon-
fundieren. Wie bereits betont, so heißt dies nicht, dass die Logizität stets gegen
diese Bereiche gerichtet wäre oder sie von sich fern halten würde. Vielmehr sollte
sich (und muss sich sogar) für (fast) jede logische Konstellation ein Bezug zu na-
türlichen oder geistigen Konstellationen herstellen lassen, so dass klar aufgewie-
sen werden kann, wie das Logische als das schlechthin Formierende eben hierin
völlig präsent ist. Die Vollständigkeit des logischen Inhalts ist Vollständigkeit
des Inhalts überhaupt, was also auch jeglichen Inhalt aus den Sphären der Natur
und des Geistes betrifft.
   Von der anderen Seite her muss ebenso wieder betont werden, dass es kein
Einschleusen von daseienden oder bereits realen Bestimmungen in die per se lo-
gischen Bestimmungen geben darf, nur um sie eventuell für die Zwecke der real-
philosophischen Belange wieder aus dem Hut zaubern zu können. Leider werden
derlei Unterstellungen tatsächlich an das Hegelsche Vorgehen herangetragen.
Die vorliegende Arbeit soll in ihren detaillierten Ausführungen dazu beitragen,
diese Unterstellung als völlige Missinterpretation zu erweisen.
   Die gegebenen Hinweise auf die sich bewegend aus sich formierende (und in-
haltserfüllte) negativ logische Bestimmtheit in ihrer Widersprüchlichkeit führen
nun noch näher heran an die ins Zentrum dieser Abhandlung gestellte Bestim-
mung.
   Die Fortschrittsbewegung der Bestimmtheit hebt an mit einer noch nicht ein-
mal explizit gewordenen Bestimmtheit der Unbestimmtheit, so dass selbst noch
dem Werden eine logische Entstehungsgeschichte im Rücken liegt. Freilich ist
dies, wie wir in einer Vorrede etwas kokett sagen dürfen, die kürzeste Geschichte
überhaupt. Ihr logisches Übergangsgeschehen ist, abermals kokett formuliert,
so rasch, dass selbst noch das Übergehen als solches unter- oder auch überboten
wird. Das unbestimmt Unmittelbare und radikal Bestimmungslose, ohne jegli-

1   Vgl. Rüdiger Bubner, Die »Sache selbst« in Hegels System, in: Rolf-Peter Horstmann (Hrsg.),
    Seminar: Dialektik in der Philosophie Hegels, Frankfurt a.M. (2. Aufl.) 1989, S. 101–123.
    Ders., Zur Struktur dialektischer Logik, in: Wilhelm R. Beyer (Hrsg.), Hegel-Jahrbuch 1974,
    Köln 1975, S. 137–143.

                                                                                      Beiheft 72
16                                         Vorrede

chen Schein der Bestimmungslosigkeit, von Sein und Nichts2 ist so übergänglich,
dass, wie Hegel äußerst eindringlich und in einer berühmt gewordenen Formu-
lierung festhält, das Sein in Nichts und das Nichts in Sein – nicht übergeht, son-
dern übergegangen ist.
    Ab dem Werden vollzieht sich das weitere Fortschreiten der Bestimmtheit in
den Schritten der sich aus sich bewegenden absoluten Form, die wiederum als
diese Form einer längeren Entwicklung bedarf, um überhaupt als solche und sich
selbst explizierend in ein zeigendes Aufscheinen auf und gegen sich zu treten.
Die hier verwendete Terminologie wird später im Hauptteil exakt in ihrer ent-
sprechenden Logizität aufgewiesen und dargelegt.
    Zunächst verläuft die Fortbestimmung selbst wieder in einer bestimmten
logischen Sphäre, die leicht als Seinssphäre zu überblicken ist, jedoch in ihrer
spekulativen Logizität bereits immense spekulative Implikationen in sich birgt.
Da die vorliegende Abhandlung die Herleitung einer Denkbestimmung aus der
Sphäre des Begriffs betrifft, so ist es nicht erforderlich, alle Bestimmungen der
Seinslogik in extenso zu interpretieren. Dennoch sind im Hauptteil eine Reihe
von Bezugnahmen auf seinslogische Kategorien enthalten, weil auch die bereits
konkreteren Bestimmungen immer noch und vollkommen in (sich erst im We-
sen ausdifferenzierender rein negativ formierter sowie absolut begründeter und
absolut grundloser) Einheit mit dem Sein bleiben. In der Seinssphäre als solcher
ist das Sein in seiner Negativität zunächst Dasein und das Sein der Boden und
das Element dieser Negativität. In der Wesenssphäre ist der Boden und das Ele-
ment bereits das Sein in seiner absoluten oder reinen Negativität. Dem Dasein
entspricht dann das Gesetztsein, ein Terminus, der für das Begreifen des Spe-
kulativen überhaupt von allerhöchster Wichtigkeit ist. Wie aber schon in dieser
bestimmten Sphärenabhebung ersichtlich, so ist das Sein letztlich nie zu über-
schreiten, obwohl es selbst und aus sich selbstüberschreitend ist, sich aus sich
negierend und damit in Selbstexplikation begriffen. Die absolute Negation des
Seins ist Sein in absoluter Negativität. Das heißt jedoch ganz und gar nicht, dass
das Sein nicht verloren gehen könnte oder dass es sich stets kontinuieren würde
oder dass es im Prinzip immer erhalten bliebe, all das würde die Negation und
Selbstnegation des Seins nicht ernst nehmen und nie erkennen, welche Wucht
und spekulativ-logische Bedeutung mit dieser sich vollkommen vollziehenden
Negation des Seins verbunden ist. Das bloß unterstellte Beibehalten des Seins

2    Vgl. Stephen Houlgate, Der Anfang von Hegels Logik, in: Anton Friedrich Koch/Friedrike
     Schick/Klaus Vieweg/Claudia Wirsing (Hrsg.), Hegel – 200 Jahre Wissenschaft der Logik
     (Deutsches Jahrbuch Philosophie Bd. 5), Hamburg 2014, S. 59–70. Alessandro Bertinetto/
     Christoph Binkelmann (Hrsg.), Nichts – Negation – Nihilismus. Die europäische Moderne
     als Erkenntnis und Erfahrung des Nichts, Frankfurt a.M./Berlin/Bern/Bruxelles/New York/
     Oxford/Wien 2010 (insb. die Beiträge von Christoph Asmuth, Elena Ficara, Roberto Morani
     und Cristiana Senigaglia).

                                                                                Hegel-Studien
Vorrede                                     17

führt nur zu einer Vorstellung vom Sein und auch nur zu einer Vorstellung von
der Negation des Seins.
   Um einem bloß vorgestellten Wesen zu entgehen, gilt es, nicht der Versuchung
zu erliegen, es aus einem Abstraktionsprozess hervorgehend zu betrachten. Das
Wesen ist weder ein aus der Fülle des Seins Abstrahiertes, noch ist es so etwas
wie die Arché und damit das Durchherrschende des Seins. Es ist sich selbst über-
schritten habendes Sein, logisch Gewesenes in völlig unzeitlicher Bedeutung, aber
mit der radikalen Bedeutung, Resultat und Wahrheit des Seins zu sein, indem es
das völlig Bodenlose des Seins, das absolut Negative des Seins ist. Weil aber das
Sein als Element in seiner Selbstentfaltung (in den Untersphären der Qualität,
der Quantität und des Maßes) sich wieder in das Nichts (einer, noch seinsmäßig
ausgedrückt, absolut indifferenten Gleichgültigkeit gegen sich selbst) auflöst, in
die reine Negativität, so ist das hiermit erreichte Wesen nicht bloß bestimmte
Negation, sondern Negation der Negation oder absolute Negativität. Freilich ge-
hört zu seiner logischen Entstehungsgeschichte, dass die sich einstellende Un-
mittelbarkeit einem Anderssein entstammt, von dessen Momenten, dem Dasein
und dem Nichtdasein, nur mehr das Nichtdasein übrig geblieben ist. Diese Un-
mittelbarkeit des Nichtdaseins ist der Schein des Seins, der jedoch nicht neuerlich
Anderes gegen das Wesen sein kann und auch nicht dem (damit nur hypostasier-
ten) Wesen anhaften kann, sondern Schein an sich, eigener Schein, Schein des voll-
ständig selbsnegierten Seins oder eben der Schein des Wesens selbst ist.
   Der Schein zeigt auf, dass die Bewegung aus sich an der Schnittstelle von
Sein und Wesen ihren (zwar auch nur hypostasierten) Beginn nur mehr an der
Selbstnegativität des Seins und das (genauso nur hypostasierte) Ende ebenso nur
an der Unmittelbarkeit des Nichtseins haben kann. So ist sie negierte Seinsun-
mittelbarkeit, nur Unmittelbarkeit als Bewegung oder die absolute Scheinbewe-
gung von Nichts zu Nichts und dadurch zu sich selbst zurück.
   Diese Bewegung der absoluten Reflexion läutet eine Dimension von Be-
stimmtheit ein, die weder aus einer Unmittelbarkeit allererst hervorgeht, noch
auch Unmittelbarkeit durch einen weiteren Bewegungsvollzug zustande kom-
men lässt. Die Unmittelbarkeit als solche ist selbst nur rein als Bestimmtheit, wo-
durch sie keinen Resultatscharakter, aber auch keinen Anfangscharakter besitzt.
Eben hierin besteht aber das oben schon hervorgehobene Gesetztsein, worin die
Unmittelbarkeit in sich auseinandergenommen ist, obwohl es gar kein Aus­ein­
andergenommenes gibt. Darin löst sich jegliches Hypostasieren auf, so dass nicht
einmal ein Bewegungsanfang und auch kein Bewegungsende ausgemacht wer-
den kann. In der Bewegung, die ankommt, hebt das Ankommen erst an, und das
Ankommen, das anhebt, ist eben hierin schon die Rückkehr aus eben diesem
Ankommen.
   Die Reflexion ist hierin setzend, indem sie voraussetzend ist, und voraus-
setzend, indem sie setzend ist. Der damit angesprochene Duktus der setzenden

                                                                           Beiheft 72
18                                    Vorrede

Reflexion ist im nächsten spekulativen Moment sich gegen sich veräußernd und
versetzt in einem weiteren (vermittlungslosen) Schritt das Gesetztsein in Refle-
xionsbestimmung.
   Diese Reflexionsmomente können zum Zwecke einer Vorrede nicht eigens
interpretiert werden, die Ausführungen im Hauptteil der Abhandlung kommen
aber immer wieder auf die Momente dieser Reflexivität zurück und nur hierin
reichert sich letztlich ihr Erkenntnisgehalt an. Sie lassen sich nicht vorerzählen
und nicht nacherzählen.
   In einer Vorrede lässt sich aber zumindest der sich eröffnende Fragehori-
zont bezüglich der Bestimmtheit als solcher ansprechen. Weil die Reflexions-
bewegung als solche keinen Anfangspunkt darstellt, so lässt sie sich nicht als
Anfängliches und auch nicht als Punktuelles fassen. Sie steht in der Spannung
des Wesens, worin ein spekulativer Verlauf von der Scheinabhebung von Sein
und Wesen zu einer sich wiederherstellenden Scheinabhebung von Sein und We-
sen beschritten wird. Die Einheit von Sein und Wesen verläuft dabei von einer
rein scheinenden Einheit von Sein und Wesen bis zu einer inhaltsvollen und als
Schein scheinenden Einheit von Sein und Wesen. Die Bewegung reicht von der
reinen Bestimmtheit der Unmittelbarkeit als einer reflektierten Unmittelbarkeit
bis zur wiederhergestellten einfachen Unmittelbarkeit, worin das Wesen das Sein
erfüllt und das Sein das Wesen. In der dann noch ausstehenden Entfaltung die-
ses Seins, das ist, weil es ist, kommt die Reflexion des Scheins als Scheins in sich
dazu, nur mehr aufzuzeigen, dass dieser Schein Schein ist.
   Warum ist jedoch in dieser knappen Wesensvollzugsskizze überhaupt etwas
grundsätzlich Fragliches enthalten und worin könnte sich der entsprechende
Beantwortungshorizont auftun?
   Die Reflexionsbewegung hat zunächst ihren Halt nur an der Bewegung
selbst. Diese äußerst eigentümliche und spekulativ höchst bedenkenswerte logi-
sche Konstellation ist keine Bewegung, die von einer Sache vollzogen würde oder
die sich an einer Sache vollziehen würde. Wie Hegel bei den Ausführungen zum
Grund betont, handelt es sich um eine reine Vermittlung oder auch um eine reine
Beziehung, aber ohne Bezogene. Die Komponenten der Bewegung (also Nichts
und Nichts) seien nur Substrate der Einbildungskraft, wodurch die Rückkehr und
das Rückkehren der Bewegung in einem Scheinen verbleiben und selbst die be-
stimmende Reflexion nur zu bestimmten Beziehungen kommt. Demgegenüber
stellt erst der Grund die reale Vermittlung des Wesens mit sich dar.
   Ohne hier die weiteren Realisierungsschritte zu benennen, so wird am Aus-
gang des Wesens selbst bereits klar, dass die verhandelte Bestimmtheit auf einen
Halt an ihr selbst oder einen Selbsthalt ausgerichtet ist. Das Aufkommen eines
Substrats, das sich schon in der Maßlogik seinsmäßig bekundet hatte, wird zum
Signum für das Haltgebende, das zugleich Gehalt und Gestalt bieten soll. In der
Bestimmung der Wirklichkeit kulminieren dann das gestaltlose Wesen und die

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Vorrede                                      19

haltlose Erscheinung, aber selbst das Absolute bedarf einer ihm angemessenen
Reflexion, worin die absolute Wirklichkeit in ihre Wirklichkeitsmomente aus-
einandergelegt ist. An dieser logischen Stelle wird die detailgenaue und exakte
Bestimmung der darin sich entfaltenden Logizität einsetzen. Im Einleitungsteil
des ersten Kapitels werden die spezifischen Argumente geliefert, warum gerade
dieser Einstieg gewählt wurde.
    Wir befinden uns jetzt aber noch in der vorausliegenden Darlegung, die die
Motivation für die Auswahl der logisch herzuleitenden Hauptbestimmung er-
läutern soll. Wie geschildert, so steht die in der Wesenslogik verhandelte Be-
stimmtheit im Horizont des Gesetztseins, wodurch das in der Seinslogik sich
exekutierende Dasein abgelöst wird. Die Bestimmtheit ist im Wesen reflektierte
Bestimmtheit oder auch eine in sich selbst relativierte Bestimmtheit. Die jeweili-
gen Bestimmungen werden nicht von außen relativiert, sie sind an ihnen selbst
in Relationalität begriffen, stellen den sich in der Wesenssphäre implizit selbst-
bestimmenden Begriff als Abfolge von einheitlichen Begriffen dar, die jedoch
selbstrelationale Begriffe als gesetzte Einheiten darstellen. Im Gesetztsein ist das
Unterschiedene zwar eine Einheit, aber eine reflektierte Einheit, worin die Be-
ziehung auf Anderes auf sich zurückkehrendes Scheinen ist. Die Relationalität
von Grund und Begründetem, von Ganzem und Teilen oder auch von Ursache
und Wirkung, um willkürlich derlei bestimmt scheinende Begriffe herauszugrei-
fen, ist im damit gesetzten Unterschied noch nicht als eine Bestimmtheit. Hegel
macht deutlich, dass die jeweiligen Komponenten des Scheins nicht als Verschie-
dene oder als Besondere gelten können, weil die sich in ihnen ausdrückende Ein-
heit noch nicht die Allgemeinheit erreicht hat. Der Unterschied habe darin noch
nicht die Form, dass er eine Bestimmtheit ist.
    Genau dies eröffnet die grundlegende Fragestellung:
    Kann es diese eine Bestimmtheit geben, wie kommt sie zustande und wie ist
sie an und für sich zu denken?
    Etwas anders formuliert, so stellt sich aus den Zusammenhängen der soge-
nannten objektiven Logik heraus die Frage, ob die Negativität der Bestimmtheit
auf sich selbst zurückführbar und damit in gewisser Weise fixierbar ist.
    Noch in anderen Fragen formuliert: Lässt sich der Unterschied in seiner sich
selbst dirimierenden und differenzierenden Bestimmtheit nichtsdestoweniger
als Punktuelles bestimmen und denken?
    Wie muss sich die Bewegung der Bestimmtheit vollziehen, um rückkehrend
gegen und auf sich selbst zu einer Totalität von Inhalt und Unterschied in der
Form einer sich auf sich selbst beziehenden Negativität zu führen?
    Kann es einen Selbststand der Bestimmtheit in sich geben, womit sich eventu-
ell auch die Bestimmung eines Selbsts oder Subjekts verbinden kann?
    Wie wenig überraschend und aus dem Titel der vorliegenden Arbeit un-
schwer abgelesen werden kann, so sollten all diese Fragen in der Bestimmung

                                                                            Beiheft 72
20                                            Vorrede

der Einzelheit ihre Beantwortung finden. Dabei kommt alles darauf an, sich auf
die logische Herleitung dieser Begriffsbestimmung, die nur im Verbund mit den
anderen Begriffsmomenten zur Darlegung kommen kann, zu konzentrieren. Da
es sich überdies um eine Bestimmung aus dem von Hegel so titulierten Reich
der Freiheit handelt, so wird in den Herleitungssequenzen, die noch in der ob-
jektiven Logik angesiedelt sind, insbesondere auf diese Freiheitsdimension oder
aufkeimende Freiheitsdimension zu achten sein. In diesem Zusammenhang wer-
den sich die sogenannten freien Wirklichkeiten als noch in die objektive Logik
versenkte Freiheitsknotenpunkte oder anhebende Freiheitsverbindungspunkte
zur subjektiven Logik herausstellen. Die angedeutete Punktualität verwirk-
licht noch keine begriffliche Punktualität, aber nichtsdestoweniger können diese
freien Wirklichkeiten in gewisser Weise bereits als Vorläufer von Substantialität
und darüber hinaus auch schon als Vorläufer von Subjektivität gelten. Im ersten
Kapitel werden sie exakt abgeleitet und ebenso als jene Bestimmungen aufgewie-
sen, die zunächst einmal in die Bestimmung der Substanz als solcher münden.
   Das anschließende Kapitel über das absolute Verhältnis führt letztendlich
zum Aufweis der Einzelheit in unmittelbarer Einheit mit der Allgemeinheit und
Besonderheit.
   Das eröffnende Unterkapitel zum Verhältnis der Substantialität darf nicht
damit abgetan werden, es nur im Sinne der Auseinandersetzung Hegels mit Spi-
noza zu lesen.3 Was das betrifft, so sind in gewisser Weise bereits die Ausfüh-
rungen zum Absoluten aufschlussreicher.4 Das Substantialitätsverhältnis bie-
3    Vgl. allgemein zu Spinoza: Andreas Arndt, »Enthüllung der Substanz«. Hegels Begriff und
     Spinozas dritte Erkenntnisart, in: Violetta Waibel (Hrsg.), Spinoza – Affektenlehre und
     amor Dei intellectualis. Die Rezeption Spinozas im Deutschen Idealismus, in der Frühro-
     mantik und in der Gegenwart, Hamburg 2012, S. 231–242. Hermann Braun, Spinozismus in
     Hegels Wissenschaft der Logik, in: Friedhelm Nicolin/Otto Pöggeler (Hrsg.), Hegel-Studien
     Bd. 17, Bonn 1982, S. 53–74. Friedrich Grimmlinger, Spinoza in Hegels Wissenschaft der Lo-
     gik, in: Max Gottschlich/Michael Wladika (Hrsg.), Dialektische Logik. Hegels Wissenschaft
     der Logik und ihre realphilosophischen Wirklichkeitsweisen. Gedenkschrift für Franz Ung-
     ler, Würzburg 2005, S. 252–266.
4    Diesbezüglich ist ein wichtiger Aufsatz von Birgit Sandkaulen hervorzuheben. Sie stellt die
     zwei Versionen der eingehenden Behandlung der Spinozanischen Substanz in der Wissen-
     schaft der Logik markant gegenüber und kritisiert Hegels Umgang mit Spinoza ungewöhn-
     lich heftig: »Wenn man es drastisch formulieren möchte, dann kann man sagen, daß es sich
     um einen planmäßigen Mißbrauch der Spinozanischen Philosophie handelt«. Birgit Sand-
     kaulen, Die Ontologie der Substanz, der Begriff der Subjektivität und die Faktizität des Ein-
     zelnen. Hegels reflexionslogische »Widerlegung« der Spinozanischen Metaphysik, in: Karl
     Ameriks/Jürgen Stolzenberg (Hrsg.), Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus/
     International Yearbook of German Idealism 5/2007, Metaphysik/Metaphysics, Berlin/New
     York 2008, S. 254. – Die wiedergegebene Einschätzung Sandkaulens teile ich in keinster
     Weise. Meine ausführliche Darstellung soll demgegenüber zeigen, wie eigenständig Hegels
     Thematisierung der Substanz und der Substanzen ist und dass die Position Spinozas zwar
     mitaufgehoben wird (was für Hegel ein durchaus wichtiges Anliegen war), aber die ganz

                                                                                     Hegel-Studien
Vorrede                                         21

tet vielmehr einen klaren Einblick in die Ambivalenz der Bestimmtheit, weil die
Selbsthypostasierung zur absoluten Macht mit einer radikalen Dehypostasierung
oder Hypostasierungskritik einhergeht. Substantialität und Akzidentalität, Sub­
stanz und Akzidenzen, ihre verhältnismäßige Bezüglichkeit stellt eine vollkom-
mene Einheit von Totalität und sich realisierender Bestimmtheit dar, aber es
wird zugleich ein gravierendes und ebenso vollkommenes Manko eben dieser
Einheit aufgewiesen. Der ruhige Selbsthalt der Bestimmtheit in der Macht führt
letztlich nur zur Gewalt, die jedoch wiederum nur eine Steigerung der bestimm-
ten Selbstbegegnung der Substanz mit sich zum Austrag bringt.
    Die Kausalitätsbewegung setzt aber zunächst damit ein, dass die Reflexivität
der Substanz nicht nur Gesetztsein exekutiert, sondern sich als Gesetztsein im
immanenten Einbeziehen der aufgehobenenen Substantialität in das Verhältnis
selbst hervorbringt.
    Die Kausalität in ihrer ersten Ausformung als formeller Kausalität enthält
dabei schon eine dezidiert vorbegriffliche und das Begriffliche äußerst gut be-
stimmende Charakteristik. Es handelt sich um eine spekulative Wiederholung,
worin das schon Bestimmte als bestimmt gesetzt wird. Die Bestimmtheit wird so-
mit in einer ersten Weise gegen und auf sich selbst fixiert. Dennoch bleibt dieser
Begriffsvollzug einbezogen in die sich etablierende Formbeziehung von Ursache
und Wirkung, die jedoch gerade durch diese Form und durch diese Konstella-
tion an dieser Stelle der logischen Entwicklung die Kausalität insgesamt zum
Erlöschen bringt.
    Dies sehr genau darzulegen und in die Gesamtbewegung der Kausalität über-
haupt einzubetten, ist eine Aufgabe, der in ganz besonderem Maße in den ent-
sprechenden Partien nachgegangen wird.
    Die Bestimmtheit in ihrer Inhaltlichkeit führt des Weiteren zu einer Ver-
endlichung und vorerst zu zufälliger Kausalität. Die Strenge und Rigidität der
Formbeziehung erhält dabei ihren angemessenen Ausdruck im Tautologischen
des Kausalitätsverhältnisses, das jedoch das schon Bestimmte gerade nicht als be-
stimmt belässt, sondern sehr viel mehr die Formbestimmung selbst zur Inhalts-
bestimmung macht. Der an ihm selbst und gegen sich selbst verschiedene Inhalt
führt dazu, ein der Bestimmtheit selbst Haltgebendes zu konstituieren. Es ist dies
die Bestimmung des Substrats, welches nun dafür steht, ein bestimmtes Bestehen
zu verbürgen. Aufgrund der unmittelbaren Identität kann es sich aber nur um
ein unmittelbares Bestehen handeln, noch nicht um ein Bestehen der Formein-
heit selbst.

  eigentümlich spekulative Logizität von Substantialität in der Wissenschaft der Logik den
  Spinozanischen Ansatz bei weitem übersteigt. Damit erübrigt sich meines Erachtens die un-
  terstellte Annahme, Hegel sei es in seinen eigenen Ausführungen nur um eine Abarbeitung
  Spinozas (und auch Jacobis) gegangen. Dies hätte er ansonsten mit sehr viel weniger Auf-
  wand bewerkstelligen können.

                                                                                  Beiheft 72
22                                    Vorrede

    Nichtsdestoweniger ist die Substanzhaftigkeit der inhaltlichen und dingli-
chen Grundlage, welche den Formmomenten ein jeweilig eigenes Bestehen bie-
tet, ganz und gar nicht verloren. Es generiert sich hieraus eine komplexe logi-
sche Konstellation, worin die Inhaltsmomente und die Formmomente sowie die
Substrathaftigkeit und die Substanzhaltigkeit so ineinander das Gesetztsein zur
Rückkehr auf sich aus der Äußerlichkeit bringen, dass dies insgesamt die Sich-
selbstäußerlichkeit der Kausalität als solcher zum (vorläufigen) Resultat hat.
    Die sich auf sich selbst beziehende Bestimmtheit ist in der verschiedentlich
inhaltlichen Bestimmtheit die Bestimmtheit einer gegen sich selbst veräußerten
Form, welche hier die absolute Form der Kausalität selbst ist.
    Damit kommt die Bestimmtheit nicht als eine Bestimmtheit auf sich selbst
zurück und das in bestimmte Inhalte Veräußerte führt nicht zu einem bestimm-
ten Inhalt, der in der Veräußerung selbst die Form als absolute Form bewahren
könnte.
    In den diesbezüglichen Passagen ist es entscheidend, den Zusammenhang von
Substrat und Substanz exakt aufzuweisen. Für das Begreifen der hierin verhan-
delten Logizität muss insbesondere die Stellung des Substrats genauestens auf-
geklärt werden. Nur so erschließt sich auch der weitere Substanzverlauf und die
Bedeutung von Substantialität überhaupt.
    Das Sich-selbst-äußerlich-Werden der Kausalität ist ein Anderswerden, wel-
ches ebenso sehr zum eigenen Setzen gegen sich selbst gediehen ist. Die Kausalität
versetzt sich damit selbst in ein Voraussetzen gegen sich und etabliert somit nicht
nur bestimmte, sondern dezidiert bedingte Kausalität.
    Das Voraussetzen ist hierbei so sehr setzend, dass das Substrat als Voraus-
gesetztes und als das unmittelbar Identische gegen das substantiell Ursächliche
selbst substantiell ist. Damit ist das Substantielle in sich und gegen sich substan-
tiiert, wodurch die eine Substanz in substantiell Ansichseiendes und substantiell
Fürsichseiendes auseinandergenommen wird. Die Bewegungen des Wesens und
Seins, Setzen und Werden, sind hier zwar einheitlich, aber zueinander und ge-
geneinander bestimmt in Substanzen, in welchen sich nun die absolute Form der
Kausalität realisiert. Dieses spezifische Zueinander in Bewegung ist das Zuein-
ander von aktiver und passiver Substanz.
    Es ist immens wichtig, die hiermit sich vollziehende Wirkung und Gegen-
wirkung als Bewegung und in den Momenten der Bewegung zu begreifen. Die
Mächtigkeit der Substanz erscheint in diesem Vollzug auch als Gewalt, wobei
das Gewalttätige nur die weitere Eigenbestimmung der Substanzen befördert.
In diesem Bestimmungsprozess ist das Begriffliche oder noch Vorbegriffliche so
präsent, dass das Bestimmen des schon Bestimmten eine Bewegung ausmacht, in
der erstens dasjenige, was an sich ist, eben als solches gesetzt wird, und zweitens,
eben das hierdurch Gesetzte nur wiederum das Ansichsein darstellt. Es ist damit
eine nicht parallel verlaufende gegenseitige Bewegung des Verkehrens vorhanden,

                                                                         Hegel-Studien
Vorrede                                     23

worin das Verkehren ebenso ein ansichseiendes und setzendes oder sich setzendes
Verkehren der aufeinander und gegeneinander wirkenden Substanzen ist.
   Der Status der Bestimmtheit ist hierin in der kausalen Bewegung rückläufig
auf oder gegen sich, wobei in der Rückkehr und im Rückkehren Ansichsein und
Gesetztsein sowie Sein und Wesen zu einer Einheit gebracht sind, die die Seins-
bewegungen und die Wesensbewegungen immer noch als solche bewahren. Die
Bestimmtheit enthält ein immer wieder neu aufkeimendes Moment von Äußer-
lichkeit, welches gerade durch das intensivierte Identitätsmoment rückkehrend
hervorgetrieben wird. Diese Kennzeichnung gilt schließlich von der gesamten
endlichen Kausalität.
   Nichtsdestoweniger wird in der sich vollziehenden Wirkung und Gegenwir-
kung die Endlichkeit bereits überschritten. Die schlecht-unendliche Regressivi-
tät oder Progressivität biegt sich um oder re- oder progrediert in ein positiv-
unend­liches Wechselwirken in und mit sich selbst.
   Die Wechselwirkung stellt die größte Herausforderung dar, weil in ihr die
objektiv verbliebene Relationalität hin auf die nicht-relationale oder transrela-
tionale Sphäre des Begrifflichen oder Subjektiven überschritten wird. Werden
und Scheinen scheinen nicht nur ineinander und werden nicht nur auseinander,
vielmehr ist das Übergehen in Anderes als solches Reflexion in sich selbst. Die
für die gesamte objektive Logik kennzeichnende Notwendigkeit wird zur Frei-
heit aufgeschlossen, wobei dieser Prozess als mit der kausalen Ent-Innerlichung
oder einer sich aufhebenden Innerlichkeit durch die Kausalität selbst einhergeht.
Dieser Schritt in die Freiheit besteht nicht in der Tilgung, sondern rein in der
Manifestation der inneren Identität der Notwendigkeit. Diese manifestierende
Bewegung ist die Bewegung des expliziten oder sich explizierenden Scheinens des
Scheins als Scheinen in sich, so dass die Identität aufgezeigt und bewahrt wird,
jedoch die Momente dieser Identität als Totalitäten wiederum frei oder explizit
hervortreten. Der sich befreiende Vollzug der Notwendigkeit ist ebenso der Voll-
zug der Zufälligkeit, deren Bewegung des abwechselnden Ineinanderkippens
der Seiten der Notwendigkeit die bereits sich totalisiert habenden freien Wirk-
lichkeiten betrifft. Die in ihrer Inhaltlichkeit bereits die bloße Zweiheit über-
schritten habenden freien Wirklichkeitspunkte sprengen im manifestierenden
Befreiungsschritt die Relationalität als solche und schließen sie zu einer Einheit
auf, die in der Zuspitzung des Wechselwirkens nicht mehr zur Eröffnung einer
weiteren Wesenskategorie führt, sondern in der gleichen logischen Ebene als
gleichberechtigte Bestimmung verbleibt. Damit tritt der entscheidende Schritt
von der objektiven in die subjektive Logik ein. Die in sich und für sich aufschei-
nenden Totalitäten sind in ihrer zweiwertigen Relationalität auf einen dritten
Bezugspunkt gerichtet, der ebenso total und ebenso in sich bestimmt ist, aber in
keiner Metaebene liegt, sondern nur das sich auf sich beziehende Zeigen auf sich
der sich eben hierdurch aufhebenden Seiten bewerkstelligt. Die Zweiheit eröff-

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24                                    Vorrede

net sich eine (freiwerdende oder sich freisetzende) Offenheit in sich, worin die
Komponenten in gleicher Berechtigung zueinander als eine Totalität von Totali-
täten bestehen.
   Diese Totalitäten sind die Momente einer logischen Sphäre, die in ihrem Zu-
standekommen die notwendigen Vollzüge der Sphären des Seins und Wesens
aus der Dialektik dieser Vollzüge selbst heraus überschritten hat. Klarerweise
kann in einer Vorrede nur eine sehr eingeschränkte Vorschau gegeben werden.
Das Deutlichmachen der tatsächlichen Logizität kann sich nur durch die aus-
führlichen Darlegungen im Haupttext ergeben. Ebenso erforderlich ist es, die
logische Entstehungsgeschichte der Wechselwirkung immer wieder aktualisiert
zu berücksichtigen. Die begreifende Rückschau ist dem Begreifen einer aktuell
im Fokus stehenden logischen Konstellation immanent eingeschrieben.
   Die weitere Vorschau kann ebenso nur äußerst komprimiert ausfallen. Sich
auf derartig Komprimiertes zu verlassen, würde zwar nicht falsch sein, aber im
besten Fall auch nur zu einer unbegriffenen Nacherzählung führen. Was jedoch
durchaus als sinnvoll zu erachten ist, ist der Rückblick auf diese Vorschau nach
der Lektüre und Erarbeitung des Haupttextes. Eine adäquate Komprimierung
zu Wege zu bringen, ist selbst eine spekulativ hohe Kunst und eine große Her-
ausforderung. Es lohnt, die Komprimierung so sehr zu forcieren, bis sie schließ-
lich in der Verkürzung falsch wird oder eben in dieser Kürze den tatsächlichen
Gehalt noch bewahren kann. Ebenso sinnvoll ist es, sich übungsweise sehr genau
zu überlegen, warum eine bestimmte Kurzform falsch ist und wodurch dies der
Fall ist.
   Es lässt sich in aller Kürze ein für den Begriff ausschlaggebender spekulativer
Chiasmus formulieren, der jedoch in all seinen Implikationen allererst zu kon-
kretisieren und zu realisieren ist:
Anundfürsichsein ist Gesetztsein. – Gesetztsein ist Anundfürsichsein.
Aus der Perspektive der Wechselwirkung heraus, so ist all das, was substantiell
Bestehendes verbürgen kann, jegliche objektive und wesensgemäß relationale
Substantialität in der absoluten Selbstbegegnung der Substanz in Substanzen,
nur Gesetztsein. Das absolut ursprünglich Ungesetzte, das Selbstbestehende aus
sich, es ist vollständig negiert und lediglich Gesetztsein. Es gibt Nichts, das sich
dem Gesetztsein entzieht, wobei es bestimmte Spannungen im Gesetztsein gibt,
die das sich selbst enthaltende Gesetztsein dirimieren.
   Umgekehrt ist das Gesetztsein das Anundfürsichsein. Die sich in der akti-
ven und passiven Substanz selbstbegegnende Substantialität ist in der gesetzten
Selbstauflösung zugleich Konstitution einer ansichseienden und einer fürsich-
seienden Totalität, die als identische Einheit eine sie nicht übersteigende anund-
fürsichseiende Totalität formieren, worin sie selbst wieder als anundfürsichsei-
end gelten. Das ins Gesetztsein Aufgelöste, alles ins Gesetztsein Eingehende ist

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Vorrede                                     25

in bestimmter Formierung, worin sich lediglich die Reflexion aus der Bestimmt-
heit in sich formiert, das Anundfürsichsein.
    Der Begriff ist dieses Anundfürsichsein als Gesetztsein und dieses Gesetztsein
als Anundfürsichsein. Die Begriffsmomente sind nichts anderes als die zunächst
erwähnten bestimmten Spannungen im Gesetztsein oder die zuletzt erwähnte be-
stimmte Formierung als anundfürsichseiende Reflexion aus der Bestimmtheit in sich.
    Die Bestimmung der Einzelheit, die wir bewusst und in bestimmter Setzung
ins Zentrum gerückt haben, kann überhaupt nur im Verbund mit den anderen
Begriffsmomenten betrachtet werden. Dabei ist sie ganz und gar keine Bestim-
mung, auf die irgendeine Entwicklung zulaufen oder hinauslaufen würde. Die-
ser Eindruck, der leicht entstehen kann, wenn eine Denkbestimmung heraus-
gegriffen wird, muss sofort im Keim erstickt werden. Jede Denkbestimmung
nimmt eine bestimmte und damit eigentümliche Stelle im Kanon aller Denk-
bestimmungen ein. Es wäre unrichtig, sie alle auf die gleiche Stufe stellen zu
wollen, es gibt sehr wohl Ebenen, Tiefen und Höhen in den logischen Vollzugs-
schritten, jedoch nie Räumliches oder Spatiologisches im Logischen selbst. So-
bald wir vermeinen, eine bestimmte Struktur oder ein zu bezeichnendes oder
gar zu zeichnendes Gebilde entdeckt zu haben, haben wir die Logizität schon
verfehlt. Der Versuch, eine bestimmte logische Konstellation tatsächlich gra-
fisch in einer bildlichen Darstellung aufzuzeichnen, ist nichtsdestoweniger äu-
ßerst hilfreich. In der Ausarbeitungsphase dieser längeren Arbeit, die sehr viele
logische Konstellationen behandelt, hat auch der Autor mit unzähligen Zeich-
nungen, Skizzen, Illustrationen und Strukturbildern gearbeitet. Es wäre einmal
durchaus lohnend, diese Vorarbeiten und Beiarbeiten in einer Publikation an-
schaulich zu veröffentlichen, weil dies all jenen, die sich selbst einer sehr in-
tensiven Beschäftigung aussetzen oder sich darauf einlassen, eine große Hilfe
sein könnte. Für die vorliegende Publikation wurde jedoch darauf verzichtet,
um eine sehr konzentrierte Ausrichtung auf den reinen Gedankenvollzug zu
gewährleisten. Wie nämlich auch immer bestimmte Veranschaulichungen und
Hilfskonstruktionen aussehen mögen, sie sind aufgrund ihrer räumlichen Di-
mension prinzipiell und in jedem Fall falsch. Es führt jedoch zu einem sehr ein-
dringlichen Erkenntnisgewinn, wenn anhand einer räumlichen Darstellung, die
eine logische Konstellation verdeutlichen soll, genau angegeben werden kann,
worin exakt das Falsche besteht und warum die richtige Wiedergabe prinzipiell
nicht zu erreichen ist.
    Was nun die Denkbestimmung der Einzelheit betrifft, so ist sie nebst ihrer
nicht räumlich darzustellenden Bestimmung, wie bereits erwähnt, keine Zielbe-
stimmung, sondern lediglich eine Durchgangsbestimmung. Aber auch dies zeich-
net sie nicht in einem besonderen Maße aus, weil es in einer dezidiert spekulati-
ven und nicht widerspruchsfreien, sondern durch und durch widerspruchsvollen
Logik nur Durchgangsbestimmungen geben kann. Das liegt auch daran, dass alle

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