Informationen für Ärzt*innen zu Gesundheitsschutz in Hitzewellen bei Covid-19 Pandemie
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Informationen für Ärzt*innen zu Gesundheitsschutz in Hitzewellen bei Covid-19 Pandemie Ab Mai stellen hohe Temperaturen und Hitze- » Der Deutsche Wetterdienst gibt jeweils drei wellen ein erhöhtes Gesundheitsrisiko, vor allem Tage vorher für Landkreise und Städte Hitze- für vulnerable Bevölkerungsgruppen dar. Auftre- warnungen heraus, wenn sich gefährdende tende Hitzewellen können zu einer zusätzlichen Witterungsbedingungen entwickeln (hohe Belastung von Covid-19 Risikogruppen führen, da Temperatur & Luftfeuchtigkeit, fehlende dieselben Personen auch ein erhöhtes Morbiditäts- Nachtabkühlung). Schließen Sie sich über den und Mortalitätsrisiko in Hitzewellen aufzeigen. Es Newsletter an das Hitzewarnsystem an unter: gilt daher, eine multiple Gefährdung vulnerabler https://www.dwd.de/DE/service/newsletter/ Gruppen durch besonderen Schutz abzuwenden. newsletter_hitzewarnungen_node.html Dazu wurden im Folgenden die Schutzempfehl- ungen für Hitzewellen im Hinblick auf die beste- henden Infektionsgefahren angepasst. Informieren Sie sich und ihr Kommunizieren Sie Risiken und Präventions- Praxisteam - Beachten Sie: strategien an Patienten und Angehörige: » Risikofaktoren für erhöhte Mortalität und » Beraten Sie vor der heißen Jahreszeit und vor Morbidität in Hitzewellen sind: dem Auftreten von sowie in Hitzewellen Risi- » Höheres Alter insbesondere über 75 Jahren kopersonen und ihre Angehörigen über die Gefahren der Hitze und zu Hitzeschutz und » Pflegebedürftigkeit geben Sie (auf die Covid-19 Situation angepass- » Vorerkrankungen (kardiovaskulär inkl. Hyper- tes) Informationsmaterial weiter (z.B. KLUG: tonie, chronische Lungenerkrankungen wie “Allgemeine Informationen zu Gesundheits- COPD, Nierenerkrankungen, Diabetes, Überge- schutz in Hitzewellen bei COVID-19 Pandemie”). wicht, neurologische Erkrankungen inkl. Alzhei- » Eine “ausreichende Trinkmenge” sollte nach mer und Demenz, psychiatrisch) Möglichkeit quantifiziert werden. Volumenver- » Bestimmte Medikamente (siehe unten) luste durch Schwitzen sollten zu etwa 150% » Soziale Isolation, Armut, ungünstige Wohn- kompensiert werden. Um den Ausgleich der verhältnisse (städtische Wärmeinsel, Dachwoh- Elektrolytverluste sicherzustellen, kann eine nung etc.) temporäre Anpassung der Diät sinnvoll sein (z.B. eine Brühe am Abend oder mehr Salz beim » Schwangerschaft Essen) » Schwere körperliche Arbeit oder Sport mit » Ältere Menschen sind in ihrer Fähigkeit zur Hitzeexposition (z.B. Baustelle, Landwirtschaft, Wärmeabgabe eingeschränkt (u.U. vermin- Sport im Freien an heißen Tagen) dertes Schwitzen), daher ist ausreichendes » Gesundheitspersonal unter Infektionsschutz- Trinken nicht hinreichend. Stattdessen ist es ausrüstung für diese Zielgruppe besonders wichtig, aktiv » Möglicherweise Patient*innen mit Covid-19 abgekühlt zu werden, z.B. mit Hilfe von kühlen oder Long-Covid oder lauwarmen Dusch- oder Arm- und Fußbä- dern, Wadenwickel, Sprühwasser auf der Haut Risikopatient*innen sind besonders gefährdet, oder Kühlwesten, und ggf. auch Ventilatoren da sie durch die genannten Faktoren in ihrer (s. unten). Dies gilt insbesondere, wenn wegen Wärmeregulation und/ oder Verhaltensanpassung Infektionsschutzmaßnahmen ggf. nicht die eingeschränkt sind. Weitere Informationen zu Möglichkeit besteht, kühle Gemeinschafts- Risikofaktoren und sonstigen epidemiologischen räume aufzusuchen. Erkenntnissen finden Sie in den Quellenangaben.
Quelle: https://dosing.de/Hitze/heatindex.php » Arzneimittel können durch hohe Temperaturen ihre Wirksamkeit verlieren (empfohlene Lage- rungstemperatur: maximal 25 °C). Überprüfen Sie Medikamentenpläne: Passen Sie Praxisabläufe an » Viele Medikamente erhöhen nachweislich das » Erwägen Sie bei starker Hitze an Stelle des Risiko, in einer Hitzewelle zu sterben. Es gibt vereinbarten Termins einen Hausbesuch, um jedoch keine pauschalen Empfehlungen zur Hitzeexposition von vulnerablen Patient*innen Medikationsanpassung nach Außentemperatur. auf dem Weg in die Praxis zu vermeiden. Ärzt*innen sollten aber die Einflüsse von Medi- » Ermöglichen Sie bei Hitzewarnung Risikopati- kamenten auf Temperatur- und Volumenregu- ent*innen einen Besuch früh am Morgen oder lation in Hitzewellen kennen und dies bei der möglichst spät am Tag. Dabei empfiehlt es Anpassung von Medikamentenpläne vor dem sich, im Sommer ggf. Sprechzeiten mit langer Sommer und in Hitzewellen beachten (s. auch Mittagspause einzurichten. die “Heidelberger Hitzetabelle” unten). » Aufgrund der COVID-19-Pandemie warten » Insbesondere bei geriatrischen Patienten soll- Patient*innen derzeit häufig im Außenbereich. ten die Leitlinienempfehlungen zur Polyphar- Ziehen Sie Risikopatient*innen wenn möglich mazie beachtet werden. vor und schaffen Sie Verschattungszonen
(Carport, Zeltpavillon o.ä.), um lange Warte- sonen nicht täglich durch Angehörige/ Pflege- zeiten in der Hitze zu vermeiden. dienste gesehen werden, versuchen Sie unter Beachtung der Corona-Schutzmaßnahmen » Erwägen Sie bei Hitzewarnung, körperlich tägliche Kontakte für Risikopatienten zu vermit- belastende Untersuchungen, wie z.B. Belas- teln (z.B. Nachbarschaftshilfen, Soziale Dienste). tungs-EKGs zu verschieben. Ggf. können hier durch die Solidarität in der COVID-19 Pandemie entstandene Netzwerke genutzt werden. Bei nicht vollständig geimpften Risikopersonen sind fest zugeteilte Helfer*in- nen wünschenswert, um die Anzahl möglicher Kontaktpersonen zu reduzieren. » Bei diesen täglichen Kontakten sollten folgende » Halten Sie die Praxisräume kühl und über- Punkte abgearbeitet werden: Wohlbefinden prüfen Sie die Raumtemperatur täglich. Diese und ggf. Wohnungstemperatur erfragen (Moni- sollte auch zum Arbeitsschutz 26°C nicht über- toring mit Zimmerthermometer), Hinweise und/ schreiten. Ab 27°C müssen geeignete Maßnah- oder Hilfestellung zu Trinkverhalten, aktiver men zur Kühlhaltung ergriffen werden. Eine Abkühlung und Raumabkühlung geben. Temperatur über 35°C ist nicht zulässig. Ermög- lichen Sie auch sich selbst und dem Personal, » Dies sollte unter Beachtung von Hygienemaß- insbesondere bei Arbeiten unter Schutzausrüs- nahmen in Form eines Besuchs geschehen. tung, genügend Trinkpausen (s. auch Informati- Alternativ sind je nach Impfstatus jedoch auch onsblatt „Starte erfrischt – bleib fit“ für Medizi- Telefon-/ Videotelefon-/ Türkontakte mit glei- nisches Personal). chem Inhalt geeignet. » Risiken durch Klima- und Lüftungsanlagen, durch die eine Verbreitung des Erregers in Aerosolen auf andere Räume möglich ist, sind vor Ort zu bewerten und zu minimieren. Grund- sätzlich gilt, dass bestmögliche Filter verwendet Erste Hilfe-Maßnahmen und die Anlagen regelmäßig gewartet werden müssen. » Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Hitzeerschöpfung oder Hitzschlag sollten unter Wahrung der Hygienemaßnahmen erfolgen. » Blutdruck, Puls und Temperatur messen » Bei Verdacht auf Hitzeerschöpfung (feuchte Haut, niedriger Blutdruck mit schnellem Puls, rasche, flache Atmung, Appetitlosigkeit, Übel- » Es gibt Hinweise dass Ventilatoren bei nicht zu keit, Schwindel, Mattigkeit) sollte der Patient / feuchter Hitze helfen. Dabei ist auf eine ausrei- die Patientin etwas alkoholfreies trinken (z.B. chende Trinkmenge zu achten ist und ggf. eine Mineralwasser) und den Körper abkühlen (z.B. Befeuchtung der Haut sinnvoll. Bei Tempe- Dusche, Arm-Bäder, kühlen Ort aufsuchen). raturen über etwa 35° sollten sie nicht mehr Antipyretika einschließlich Paracetamol sind eingesetzt werden, da sich der Wärmefluss kontraindiziert. umkehren kann. Unter Pandemiebedingungen können Ventilatoren Aerosole mit Virusparti- » Bei geröteter, trockener, heißer Haut, Tempe- keln aufwirbeln. Eine im Hinblick auf den Infek- ratur über 39°, Bewusstseinsveränderungen tionsschutz sichere Alternative können Luftrei- oder anhaltender Hypotonie liegt bereits ein niger mit Ventilatorfunktion darstellen. Hitzschlag vor. Wegen möglicher Komplikatio- nen (Rhabdomyolyse, DIC, Hirnödem, irrever- sible neurologische Schäden) sollte der Patient Vermitteln Sie regelmäßige Kontakte notfallmäßig hospitalisiert werden. Eine sofor- tige und effiziente Kühlung sollte eingeleitet für Risikopatienten werden, etwa durch feuchte Umschläge an » Grundsätzlich empfiehlt die Weltgesundheits- Nacken, Leisten, Achseln oder gekühlte Infusio- organisation während Hitzewellen tägliche nen. Kontakte zu Risikopersonen. Falls Risikoper-
» Wenn nach 30 min keine deutliche Absenkung Quellen: der Körpertemperatur erreicht wird, handelt » Bericht der WHO: “Heat and health in the WHO es sich vermutlich eher um Fieber. Dabei muss European Region: updated evidence for effec- auch an COVID-19 und andere Infektionen tive prevention (2021)”: gedacht werden. https://www.euro.who.int/en/health-topics/environment-and-he- alth/Climate-change/publications/2021/heat-and-he- alth-in-the-who-european-region-updated-evidence-for-effecti- ve-prevention-2021 » Aktualisierte Informationen zu Hitze und Covid- 19 im Global Heat Health Information Network Weitere Informationen: (GHHIN): » Materialien der LMU München “Gut durch die http://www.ghhin.org/heat-and-covid-19 Sommerhitze” für Beschäftigte in Gesund- » European Center of Disease Control: Heating, heitsberufen, Menschen über 65 Jahren und ventilation and air conditioning systems in the pflegende Angehörige (mit Bestellmöglichkeit): context of COVID-19: first update 10 November http://www.klinikum.uni-muenchen.de/Bildungsmodule-Aerzte/de/ 2020: Co-HEAT/Fuer-Alle/Zum-Weitergeben/index.html https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/ » Gesundheitshinweise des WHO Regionalbü- Heating-ventilation-air-conditioning-systems-in-the-context-of-CO- ros für Europa zur Prävention hitzebedingter VID-19-first-update.pdf Gesundheitsschäden (2011/2019): http://www.euro. » Interview (2019) zum Cochrane Review “Electric who.int/en/health-topics/environment-and-health/Climate-change/ fans for reducing adverse health impacts in publications/2011/public-health-advice-on-preventing-health-ef- heatwaves” (2012): fects-of-heat.-new-and-updated-information-for-different-audiences https://www.cochrane.org/news/featured-review-electric-fans-du- ring-heatwaves Die hier aufgeführten Hinweise stützen sich auf Gesundheitshinweise des WHO Regionalbüros für Europa, einem deutschen und internationalen Expert*innennetzwerk zu Hitze und Gesundheit (GHHIN), sowie aktuellen Erkenntnissen zu COVID- 19 (Stand 26.05.2021). Bei fehlender Studienlage Dieses Informationsblatt wurde erstellt von: beruhen die Empfehlungen und Informationen auf Dr. Alina Herrmann, Institut für Global Health, AG Klimawandel Experteneinschätzungen. und Gesundheit, Universitätsklinikum Heidelberg Dr. Franziska Matthies-Wiesler, Helmholtz Zentrum München, Institut für Epidemiologie Ulrich Florian Schulte, Deutsche Allianz Klimawandel und Gesund- heit e. V. (KLUG) Stand: 14.6.2021 www.hitze2021.de » KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. Die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) ist ein Netzwerk von Einzelpersonen, Organi- sationen und Verbänden aus dem gesamten Gesundheitsbereich. Weitere Informationen zu unseren Handlungsfeldern und wie Sie sich daran beiteiligen können finden Sie auf unserer Webseite: www.klimawandel-gesundheit.de Herausgeber: KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V., Hainbuchenstr. 10a, 13465 Berlin, E-Mail: kontakt@klimawandel-gesundheit.de
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