Ins Off zu Lehren ist wie liebevoll-aufwändiges Kochen für Freunde, ohne das Verspeisen zu erleben - Zeitschrift MedienPädagogik

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MedienPädagogik
                                                 Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung
                                                 www.medienpaed.com                                                          ISSN 1424-3636

                                                 Themenheft Nr. 46: Eltern – Pädagog*innen – Medienkompetenzen.
                                                 Eltern und Pädagog*innen zwischen Aneignung und Vermittlung von Medienkompetenz.
                                                 Herausgegeben von Thorsten Naab, Alexandra Langmeyer, Ruth Wendt und Jessica Kühn

                                                 ‹Ins Off zu Lehren ist wie liebevoll-aufwändiges
                                                 Kochen für Freunde, ohne das Verspeisen zu
                                                 erleben›
                                                 Medienpsychologische Perspektive auf das Lehren in Zeiten einer
                                                 Pandemie

                                                 Astrid Carolus1 , und Catharina Münch1 

                                                 1
                                                     Julius-Maximilians-Universität Würzburg

                                                 Zusammenfassung
                                                 Die COVID-19-Krise offenbarte Mängel in der Digitalisierung der Schulen, die seither in-
                                                 tensiv diskutiert wurden. Diese Studie argumentiert für eine Perspektiverweiterung, die
                                                 über die Ebene der technischen Ausstattung hinausgeht: In der Analyse des Verhaltens,
                                                 der Kognitionen und Emotionen von Lehrkräften wird ein forschungsheuristisch frucht-
                                                 barer Ansatz für die Untersuchung von Faktoren erkannt, die der mangelnden Digitalisie-
                                                 rung potenziell zugrunde liegen. In einer Kombination aus einer qualitativen und quan-
                                                 titativen Onlineerhebung fragt die Studie N = 50 Lehrkräfte nach ihrem Umgang mit dem
                                                 Fernunterricht während der COVID-19-Pandemie sowie nach ihrer Perspektive auf digita-
                                                 le Medien und Technik. Die Ergebnisse geben einen Einblick in die medienbezogene Un-
                                                 terrichtsgestaltung in der COVID-19-Krise, die Bewertung des Fernunterrichts, weiter in
                                                 die Nutzung und Bewertung von Medien. Zudem wird gezeigt, dass zwei psychologische
                                                 Faktoren – «Persönliche Entfaltung» und «Änderungsbereitschaft» – signifikant mit der
                                                 Technikbereitschaft der Lehrkräfte zusammenhängen. Die Studie leistet insgesamt einen
                                                 ersten Beitrag zur Analyse der Situation der Lehrkräfte in der gegenwärtigen Pandemie
                                                 und präsentiert Implikationen sowohl für zukünftige Forschung als auch für die Praxis der
                                                 Fortbildung der Lehrkräfte.
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http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
Attribution 4.0 International License

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Carolus, Astrid, und Catharina Münch. 2022. «‹Ins Off zu Lehren ist wie liebevoll-aufwändiges Kochen für Freunde, ohne das Verspeisen zu erle-
    ben›. Medienpsychologische Perspektive auf das Lehren in Zeiten einer Pandemie». MedienPädagogik 46, (Parents - Educators - Literacy),
    198–231. https://doi.org/10.21240/mpaed/46/2022.05.13.X.
MedienPädagogik
                                                                                    Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung

                        ‹Teaching Offline is like Lovingly Elaborate Cooking for Friends, without
                        Experiencing them Actually Tasting›. Mediapsychological Perspective on Teaching
                        during a Pandemic

                        Abstract
                        COVID-19 shed light on the limitations of digitalization at school, which have been
                        intensively discussed since then. This study argues for a widening of perspectives, which
                        goes beyond the level of technical equipment: The analysis of teachers’ behaviour,
                        cognitions and emotions is presented as a heuristically fruitful approach to study
                        the underlying factors of the lack of digitization. A combination of a qualitative and
                        quantitative online survey asks for N = 50 teachers’ engagement with distance teaching
                        during COVID-19 pandemic and their perspectives on digital media and technology. The
                        results provide insight into media-related design of teaching during the COVID-19 crisis,
                        evaluation of distance learning, and into their use of media and their evaluations of
                        media. In addition, it is shown that two psychological factors – «personal development»
                        and «willingness to change» – are significantly related to teachers’ technology readiness.
                        Overall, the study makes a first contribution to the analysis of the situation of teachers in
                        the current pandemic and presents implications for both future research and continuing
                        education of teachers.

                        1. Einleitung
                        Spätestens mit Beginn der COVID-19-Krise zeigte sich, was die einen längst wussten,
                        andere aber vehement ablehnten oder nicht wahrhaben wollten: Die Digitalisierung
                        betrifft nahezu alle öffentlichen und privaten Bereiche unseres Lebens – auch die
                        Schule (Bertelsmann Stiftung 2017; Heuermann, Engel, und von Lucke 2018). Ins-
                        besondere für die sogenannten «digital natives» sind digitale Endgeräte, allen vor-
                        an ihre Smartphones, zu ständigen Begleitern geworden (Carolus u. a. 2019; Knop
                        u. a. 2015): 97 % der 16- bis 18-Jährigen und immerhin 39 % der 6- bis 13-Jährigen
                        besitzen ein Smartphone, das für die Mehrheit mit Abstand das wichtigste Medien-
                        gerät darstellt (Feierabend, Rathgeb, und Reutter 2019; Feierabend, Rathgeb, und
                        Reutter 2020). Obwohl fast alle Schülerinnen und Schüler heutzutage Zugang zu ei-
                        nem Smartphone oder Laptop haben (99 % der Haushalte von Sechs- bis 13-Jährigen
                        sind mit diesen Geräten ausgestattet; Feierabend u. a. 2021) und damit viele Funk-
                        tionen wie z. B. eine schnelle Suche nach Informationen nutzen können (Kim und
                        Shin 2013), sind digitale Medien kaum im schulischen Alltag der Kinder vertreten:
                        Nur 16 % bzw. 9 % der 8- bis 9-Jährigen nutzen im Schulunterricht einen Laptop bzw.
                        ein Smartphone (Feierabend u. a. 2021).

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                        www.medienpaed.com > 13.05.2022

                                                                                                                                  199
MedienPädagogik
                                                                                Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung

                            Der Integration digitaler Medien in den Unterricht stehen viele Lehrkräfte und
                        auch Eltern immer noch kritisch bis ablehnend gegenüber (Gebel u. a. 2018; Knüsel
                        Schäfer 2020; Lorenz, Endberg, und Eickelmann 2017). Für sie gilt das normative «Pri-
                        mat geschriebener und gedruckter Texte als vermeintlich qualitativ bessere Medien»
                        (Marci-Boehncke 2018, 51). Demgegenüber stehen – bereits vor Covid-19 – Bemühun-
                        gen, die Medien- und Digitalkompetenz der Schulen zu erhöhen. 2016 verabschiede-
                        te die Kultusministerkonferenz die Strategie «Bildung in der digitalen Welt», entspre-
                        chend wird beispielsweise auf den Webseiten des bayerischen Staatsministeriums
                        für Bildung und Kultus der «verantwortungsbewusste, reflektierte und effektive Um-
                        gang mit Medien […] als vierte Kulturtechnik» besprochen (Kerres 2017). 2019 einig-
                        ten sich Bund und Länder auf den DigitalPakt Schule und stellten 5 Milliarden Euro
                        «für eine bessere Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik» bereit. Die Heraus-
                        forderungen der Digitalisierung scheinen zwar erkannt und mit ersten Massnahmen
                        adressiert, gelöst sind sie allerdings nicht, was zuletzt die Covid-19-bedingten Schul-
                        schliessungen offenbarten: Von den Milliarden des Digitalpakts war zu Beginn der
                        Krise erst ein Bruchteil abgerufen (Bitkom 2020), als entsprechend begrenzt wurden
                        die technische Ausstattung der Schulen, Schülerinnen und Schüler sowie die Mög-
                        lichkeiten für digitales Unterrichten diskutiert (z. B. Bender 2021; Kwik 2020; Spiegel
                        2019; Süddeutsche Zeitung 2020; Wacker, Unger, und Rey 2020, 90).
                            Weite Teile der gesellschaftlichen Diskussionen sowie der politischen Lösungs-
                        ansätze enden bei dieser Frage der Ausstattung. So auch der Schulgipfel im Septem-
                        ber 2020, der die Anschaffung von «Dienstlaptops» als zentrales Ergebnis verkündete
                        (tagesschau.de 2020; Wirtschaftswoche 2020). Aus einer wissenschaftlichen Perspek-
                        tive werden dabei die medienbezogenen Kompetenzanforderungen vernachlässigt,
                        die digitaler Unterricht an die Lehrkräfte und ihre professionelle Handlungskompe-
                        tenzen stellt. Die technische Ausstattung allein macht aber noch keinen Unterricht.
                        Folglich sind nicht nur technische Rahmenbedingungen, sondern die Kompetenzen
                        der Lehrkräfte entscheidend. Allerdings: Die Fähigkeit für eine bestimmte Verhal-
                        tensweise bedeutet nicht automatisch, dass das Verhalten – der Einsatz von digita-
                        len Medien im Unterricht – tatsächlich ausgeführt wird. Neben Rahmenbedingungen
                        wie Unterstützung durch die Schulleitung, sozialer Einfluss, erwarteter Mehrwert,
                        geschätzter Aufwand und Selbstwirksamkeit, sind auch auf den Einsatz digitaler Me-
                        dien im Unterricht bezogene Einstellungen und Überzeugungen entscheidend – so-
                        wohl für die Nutzungsabsicht als auch für die tatsächliche Nutzung von Medien im
                        Unterricht (Tappe 2019; Gerthofer und Schneider 2021).
                            Während in diesem Zusammenhang zumeist die Medienkompetenz von Lehrkräf-
                        ten adressiert wird, fokussiert der vorliegende Beitrag insbesondere den Einfluss von
                        Einstellungen und Überzeugungen der Lehrkräfte. Dazu werden eine pädagogische
                        und eine (medien)psychologische Sichtweise kombiniert, um nicht nur die Medien-
                        nutzung der Lehrkräfte während der COVID-19-Krise, sondern auch die ihrem Verhal-
                        ten zugrundeliegende Kognitionen und Emotionen zu analysieren.

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                    www.medienpaed.com > 13.05.2022

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MedienPädagogik
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                        2. Kompetenzen und Einstellungen von Lehrkräften
                        Laut Baumert und Kunter (2006) wirken professionelle Handlungskompetenzen von
                        Lehrkräften als Einflussfaktoren auf die Qualität des Unterrichts sowie auf die Lern-
                        erfolge und Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden. Unter dem Begriff Kompe-
                        tenz werden dabei allgemein «Dispositionen, Bedürfnisse, Fähigkeiten zur Stillung
                        von Bedürfnissen und daraus entwickelbaren Fertigkeiten, d.h. von anthropolo-
                        gischen (evolutionären) Vorgaben und ihrer Verwirklichung durch Lernangebote»
                        verstanden (Lepenies 1971, 29). Ein Teilaspekt der professionellen Kompetenz von
                        Lehrkräften ist die medienpädagogische Kompetenz (vgl. u. a. Blömeke 2000; Herzig
                        2007). Im Rahmen der Konzeptualisierung medienpädagogischer Kompetenz von
                        Lehrkräften wurden in den letzten Jahren unterschiedliche Kompetenzmodelle mit
                        unterschiedlichen Fokussen und Abstufungen formuliert (Schmid und Petko 2020).
                        Im deutschen Sprachraum häufig genutzt wird das Modell der medienpädagogischen
                        Kompetenz von Blömeke (2000; 2005), welches die Facetten medienerzieherischer,
                        mediendidaktischer, organisationsbezogener und sozialisationsbezogener Kompe-
                        tenzen sowie die persönliche Medienbildung und die Medienkompetenz umfasst.
                        Eine einheitliche Definition von Medienkompetenz steht zwar noch aus (Lange 2020),
                        zwei Attribute können mit Möckel u. a. (2019) aber als zentral benannt werden: Medi-
                        enkompetenz ist eine nicht angeborene Fähigkeit (Walker, Walker, und Ganea 2013)
                        mit unterschiedlichen Teilfähigkeiten zur kritischen Nutzung und Betrachtung von
                        Medien (Hobbs 1997), für die zudem meist die Dimensionen Sach-, Selbst- und So-
                        zialkompetenzen genannt werden. Dabei sind zwei Richtungen auszumachen: Ei-
                        nige (Kommunikations-)Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler blicken auf die
                        negativen Effekte der Mediennutzung, vor denen Medienkompetenz schützen kann
                        (z. B. Potter 2010), andere fokussieren die Chancen der Mediennutzung, die wiede-
                        rum durch Medienkompetenz ermöglicht werden (z. B. Hobbs 2011). Die Internati-
                        onal Computer and Information Literacy Study (ICILS) untersuchte 2018 computer-
                        und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern, die sie als
                        «individuelle Fähigkeiten» definierte, digitale Medien zum «Recherchieren, Gestalten
                        und Kommunizieren von Informationen zu nutzen und diese zu bewerten, um am
                        Leben im häuslichen Umfeld, der Schule, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft
                        erfolgreich teilzuhaben» (Eickelmann u. a. 2014, 45). Die Ergebnisse zeigen, dass nur
                        4 % der deutschen Schulen alle Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten für den Unter-
                        richt ausstatteten (der internationale Mittelwert lag bei 24 %) und dass nur 15 % der
                        deutschen Lehrkräfte «häufig bis immer digitale Medien zur individuellen Förderung
                        einzelner Schülerinnen und Schüler» verwendeten (internationaler Mittelwert: 36 %;
                        Eickelmann u. a. 2019, 18). Gefragt nach ihren professionellen Handlungskompeten-
                        zen erkannten die Lehrkräfte Defizite in der Medienkompetenz. Sie trauen sich zwar
                        die Online-Recherche von Unterrichtsmaterialien zu, nicht aber die Nutzung von
                        Lehrmanagement-Systemen (34 %; ebd).

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                  www.medienpaed.com > 13.05.2022

                                                                                                                            201
MedienPädagogik
                                                                                   Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung

                            Als Voraussetzung für medienpädagogische Handlungskompetenzen werden
                        neben dem technischen Wissen und den medienbezogenen Selbstwirksamkeitser-
                        wartungen insbesondere die medienbezogenen Einstellungen und Überzeugungen
                        genannt (Herzig und Martin 2018). In der Lehr- und Unterrichtsforschung mit päda-
                        gogisch-psychologischem Schwerpunkt werden Überzeugungen als Teilbereich von
                        Lehrerkognitionen und Einstellungen verstanden, die um eine affektive und beha-
                        viorale Komponente zu erweitern sind (Aronson, Akert, und Wilson 2010; Blömeke
                        u. a. 2008; Dann 2000; Skott 2015). Einstellungen werden dabei als Bewertungen von
                        Personen, Objekten, Gruppen, Situationen oder Vorstellungen bezeichnet, die auf Er-
                        fahrung beruhen, von unterschiedlicher Intensität und Valenz sein können und sich
                        entweder explizit (bewusst, verbalisiert) oder implizit (unbewusst, automatisch) äu-
                        ssern (Eagly und Chaiken 1993; Vaughan und Hogg 2005). Bisherige Forschung konn-
                        te zeigen, dass die medienbezogenen Einstellungen von Lehrkräften den Einsatz di-
                        gitaler Medien im Unterricht beeinflussen (z. B. Eickelmann und Vennemann 2017;
                        Ertmer 2005). Am Beispiel der ICILS-Studie (Fraillon u. a. 2020, 184f.) ist abzulesen,
                        dass Lehrkräfte zwar Potenziale digitaler Medien erkennen (höchste Zustimmungs-
                        werte: Informationsquelle, gesteigertes Lerninteresse, Anpassung an Bedürfnisse
                        der Lernenden), aber auch Bedenken vortragen, die auf die Nutzung hemmend wir-
                        ken: Digitale Medien könnten zum Plagiieren verleiten und negative Auswirkungen
                        auf die Schreibfertigkeiten und die zwischenmenschliche Kommunikation der Ler-
                        nenden haben.
                            Neben Kompetenzen und Einstellungen entscheiden weitere interindividuelle
                        Unterschiede über den Einsatz digitaler Medien im Unterricht: Zeitmangel ( je weni-
                        ger Zeit für die Unterrichtsvorbereitung, desto seltener werden Medien in den Unter-
                        richt integriert; Totter, Stütz, und Grote 2006), Unterrichtsstil ( je konstruktivistischer,
                        schülerorientierter die Lehre, desto eher werden Medien im Unterricht genutzt; ebd),
                        aber auch demografische Unterschiede wie Alter (eher jüngere als ältere Lehrkräf-
                        te bewerten Medien im Unterricht als nützlich und würden diese im Unterricht nut-
                        zen; Lau und Sim 2008; Scherer, Siddiq, und Teo 2015) und Geschlecht (eher männ-
                        liche als weibliche Lehrkräfte nutzen Technologien im Unterricht, Kay 2006). Auch
                        Fächerunterschiede werden diskutiert. So werden insbesondere für die MINT-Fächer
                        hohe Nutzungspotenziale digitaler Medien erkannt, die «nicht sichtbare, funktionale
                        Strukturen und komplexe Prozesse besser nachvollziehbar» machen können (Kramer
                        u. a. 2019).

                        3. (Medien)psychologische Perspektive auf Lehrkräfte und digitale Medien
                        Die medienpsychologische Perspektive befasst sich mit den Kognitionen, Emotionen
                        und dem Verhalten von Menschen im Kontext von Medien. Auswahl, Rezeption und
                        Wirkung von Medien werden demnach nicht nur aus einer rationalen Perspektive

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                       www.medienpaed.com > 13.05.2022

                                                                                                                                 202
MedienPädagogik
                                                                                          Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung

                        und mit Blick auf kognitive Aspekte betrachtet, sondern um eine emotional-moti-
                        vationale Ebene und demnach mit Blick auf affektive und grundlegende menschli-
                        che Bedürfnisse ergänzt. So nimmt der Nutzen- und Belohnungsansatz an (Uses and
                        Gratifications; Katz, Blumler, und Gurevitch 1973), dass Menschen Medien aktiv und
                        gezielt zur Befriedigung von Bedürfnissen auswählen, beispielsweise zur Informati-
                        on (instrumentelle Nutzung) oder zur Entspannung und Unterhaltung (ritualisierte
                        Nutzung; Joo und Sang 2013).
                            Aus dieser medienpsychologischen Perspektive konzeptualisiert der vorliegende
                        Beitrag die pädagogisch sinnvolle Nutzung digitaler Medien im Unterricht als inten-
                        diertes Verhalten, dessen Realisation von weiteren Faktoren abhängig ist. Das Tech-
                        nologieakzeptanzmodell nach Davis (1985) umfasst Bedingungen für die Nutzung
                        von Mediengeräten. Es basiert auf der Theorie des geplanten Handelns (Ajzen 1991;
                        Fishbein und Ajzen 1977), die grundsätzlich besagt, dass das tatsächliche Verhalten
                        von verschiedenen Faktoren abhängig ist, z. B. der Einstellung zum Verhalten und
                        Normen, die auf die Verhaltensabsicht wirken (Ajzen 1980). Für die Nutzung von Me-
                        dien im Unterricht sind z. B. die wahrgenommene Nützlichkeit und die Benutzungs-
                        freundlichkeit des Mediums entscheidend. Darüber hinaus sind aber auch die indivi-
                        duelle Perspektive und die individuellen Einstellungen von Bedeutung. Neyer, Felber,
                        und Gebhardt (2012) präsentieren drei personenbezogene Facetten zur Vorhersage
                        von Techniknutzung: (1) Technikakzeptanz als «ein explizit repräsentiertes Einstel-
                        lungsmerkmal, das die subjektive Bewertung technologischen Fortschritts wider-
                        spiegelt», (2) Technikkompetenzüberzeugungen, also die «subjektive Erwartung von
                        Handlungsmöglichkeiten in technikrelevanten Situationen» und (3) Technikkontroll-
                        überzeugungen, die «das Ausmaß wahrgenommener Kontrollierbarkeit von Technik»
                        widerspiegeln (S. 88). Die Bereitschaft der Lehrkräfte, digitale Medien im Unterricht
                        einzusetzen hängt demnach von weiteren Faktoren als der blossen Verfügbarkeit der
                        Technik, den Voraussetzungen an ihrer Schule oder den eigenen Kompetenzen ab.
                            Aus psychologischer Perspektive sind Emotionen in dem Kontext der vorliegen-
                        den Arbeit bisher eher vernachlässigt worden. Dies galt lange Zeit auch für weite
                        Teile der Forschung im Arbeitskontext, wobei Studien hier eine Trendwende und eine
                        Hinwendung zur Bedeutung der emotionalen Komponente für die Arbeit verzeich-
                        nen (Ashkanasy und Dorris 2017). Das subjektive Wohlergehen bietet einen theoreti-
                        schen Ansatzpunkt (Diener und Ryan 2009). Diener und sein Team (2010) beschreiben
                        das psychologische Wohlbefinden (oft auch Wellbeing) als das Ausmass an persönli-
                        chen Perspektiven und Ressourcen im eigenen Leben im Sinne eines «Aufblühens»
                        der eigenen Persönlichkeit (engl.: «Flourishing»; Diener u. a. 2010, 144),1 wobei die

                        1 Dieners Konzept des «human flourishing» ermöglicht dem vorliegenden Beitrag, den weiten Bedeutungs-
                          raum des psychologischen Wohlbefindens zu konkretisieren – wie dies bereits zuvor für den Kontext von
                          Lehrkräften geschah (z. B. Collie 2014; Owen 2016). Das verwendete Inventar wurde basierend auf mehr-
                          dimensionalen Ansätzen und Massnahmen zum psychischen Wohlbefinden entwickelt und gilt als intern
                          hoch reliabel (Diener und Ryan 2009; Diener u. a. 2010).

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                              www.medienpaed.com > 13.05.2022

                                                                                                                                        203
MedienPädagogik
                                                                              Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung

                        Perspektive des Individuums entscheidend ist und weniger die tatsächlichen Um-
                        stände. Studien, die das Wohlbefinden der Lehrkräfte fokussieren, nähern sich dem
                        Konstrukt oftmals indirekt über die Auswirkungen von Burnout und Stress, sozusa-
                        gen den Gegenspielern des Wohlbefindens. Sie konnten zeigen, dass ein als dauer-
                        haft zu hoch empfundenes Stresslevel mit einem verminderten beruflichen Selbst-
                        wertgefühl (Maslach, Schaufeli, und Leiter 2001) und verminderter professioneller
                        Handlungskompetenz einhergeht (Klusmann u. a. 2008; Lauermann und König 2016).
                        Andere Studien, die das psychologische Wohlbefinden im Unterrichtskontext analy-
                        sieren, konnten zeigen, dass dieses das Engagement von Lehrkräften beeinflussen
                        kann (Sisask u. a. 2014; Zaki 2018).
                            Die Wahrnehmung des eigenen Wohlergehens oder des eigenen Glücks (happi-
                        ness; Diener 1984) ist eng verknüpft mit der beruflichen Zufriedenheit (Wright und
                        Doherty 1998). Für viele Menschen ist der Beruf zentraler Bestandteil ihres Lebens,
                        sodass die Zufriedenheit hier mit der generellen Lebenszufriedenheit zusammen-
                        hängt. Während Berufszufriedenheit die allgemeine Zufriedenheit mit der Wahl des
                        Berufes beschreibt (Schütz 2009), kann Arbeitszufriedenheit knapp als Einstellung
                        gegenüber der Arbeit und als momentane Zufriedenheit mit dieser definiert werden
                        (Locke 1976; Schütz 2009). Arbeitszufriedenheit zeigt sich in der Meinung gegen-
                        über der Arbeit sowie in der Bereitschaft zu bestimmten Verhaltensweisen wie z. B.
                        einer gesteigerten Leistungsbereitschaft (Six und Felfe 2004). Der Zusammenhang
                        zwischen der Arbeitszufriedenheit und der Leistungsbereitschaft konnte auch für
                        Lehrkräfte gezeigt werden (Granziera und Perea 2019; Judge u. a. 2001). Über den
                        Arbeitskontext hinaus zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen der Arbeits-
                        zufriedenheit und der Lebenszufriedenheit (Judge u. a. 1998).
                            Die Selbstwirksamkeit bezieht sich auf die Überzeugung eines Individuums, neue
                        oder schwierige Anforderungen bewältigen zu können und beschreibt das wahr-
                        genommene Ausmass an persönlichem Einfluss auf das Verhalten und die eigene
                        Entwicklung (Bandura 1997). Die Bedeutung der Selbstwirksamkeit für den Lehrbe-
                        ruf wird intensiv beforscht und zeigt u. a. positive Effekte für erfolgreichen Unter-
                        richt und die Bewältigung des Berufsalltags, die Leistungen der Schülerinnen und
                        Schüler sowie grundsätzlich die Verfolgung pädagogischer Ziele (z. B. Schmitz und
                        Schwarzer 2000; Schmitz und Schwarzer 2002). Skaalvik und Skaalvik (2007) zeigten
                        zudem einen Zusammenhang zwischen einer niedrigen Selbstwirksamkeit von Leh-
                        renden und einem erhöhten Burnout-Risiko, das auf eine Überbewertung bedrohli-
                        cher Situationen zurückgeführt wurde, die erhöhten Stress, Angst und emotionale
                        Erschöpfung befördert. Für den Einsatz digitaler Technologien im Unterricht konnte
                        bisherige Forschung die Bedeutung von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen unter-
                        streichen (Baumert und Kunter 2006; Kumar, Rose, und D’Silva 2008; Scherer, Siddiq,
                        und Tondeur 2019).

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                  www.medienpaed.com > 13.05.2022

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MedienPädagogik
                                                                                Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung

                            Wie bereits ausgeführt, stellt die Integration digitaler Medien in den Unterricht
                        Lehrkräfte vor Veränderungen und neue Herausforderungen. Der pandemiebeding-
                        te, plötzliche Wegfall des Präsenzunterrichts und die Transformation auf digitale
                        Formate innerhalb kürzester Zeit beschleunigten diesen Prozess. Lehrkräfte muss-
                        ten hohes professionelles Engagement erbringen und neue berufliche Kompetenzen
                        entwickeln (Becker und Riel 2000; Kim und Asbury 2020). Der Umgang mit Verände-
                        rungen dieser Art setzt psychologische Flexibilität als die Fähigkeit voraus, sich an
                        neue Umstände sowohl kognitiv als auch emotional und im Verhalten anzupassen
                        (Kashdan und Rottenberg 2010). Menschen mit einer hohen Flexibilität schauen auf
                        Veränderung und Wandel positiv, während Menschen mit einer niedrigen Ausprä-
                        gung neue und unvorhersehbare Situationen als negativ bewerten. Für Lehrkräfte
                        zeigte sich, dass ihre psychologische Flexibilität z. B. positiv mit ihrem Engagement
                        zusammenhängt (Dramanu, Milledzi, und Asamani 2020). Das Konzept der Anpas-
                        sungsfähigkeit bezieht sich in diesem Sinne auf den Umgang mit «veränderten Auf-
                        gaben und veränderte Rollen» und die erfolgreiche Bewältigung, auch im beruflichen
                        Kontext (Karaevli und Hall 2006; Savickas 2005). Mit der Digitalisierung gehen grund-
                        legende Veränderungen des Unterrichtskontexts einher, die enorme Anforderun-
                        gen an die psychologische Flexibilität und die Anpassungsfähigkeit von Lehrkräften
                        stellen. Die Verfügbarkeit von Informationen im World Wide Web und die zeit- und
                        ortsunabhängige Zugänglichkeit dieser Informationen durch mobile internetbasierte
                        Mediengeräte (z. B. Smartphones) revolutionierten das Informations- und Lernver-
                        halten (Mallat u. a. 2009). Die Möglichkeiten des Online-Lernens nehmen an Bedeu-
                        tung zu (Pillay, Irving, und Tones 2007) und bieten den Schülerinnen und Schülern
                        Lernangebote, die sie unabhängig von der Lehrkraft (und unabhängig von örtlicher
                        Co-Präsenz) nutzen können. Dabei bieten sie Chancen des gleichzeitigen Zugriffs auf
                        mehrere Lernressourcen (unabhängig von zeitlicher Co-Präsenz) wie z. B. Interaktio-
                        nen zwischen den Lernenden (Barcelona 2009). Die neu entstehenden Möglichkeiten
                        zum Informationsaustausch und kollaborativen Lernen erfordern eine konsequen-
                        te Anpassung an neue Medienumgebungen (Corpuz 2015). Weiter verändern sie die
                        Kommunikation und die Zusammenarbeit in Teams: In einer virtuellen Umgebung ist
                        es einerseits einfacher, ein grosses Publikum zu erreichen, andererseits schwieriger,
                        soziale Verbundenheit zu Einzelnen aufzubauen (z. B. als Lehrkraft zu den Schüler-
                        innen und Schülern). Für genau diese Verbundenheit konnte jedoch gezeigt werden,
                        dass sie sich positiv auf den akademischen Erfolg auswirkt (Dikkers, Whiteside, und
                        Lewis 2012). Neben den Rahmenbedingungen des Berufsbildes ändern sich auch die
                        Anforderungen, die Schülerinnen und Schüler an ihre Lehrkräfte stellen (Bayne und
                        Ross 2011; Sokal, Trudel, und Babb 2020). Als Digital Natives sind sie den Umgang mit
                        digitalen Medien von klein auf gewöhnt (Prensky 2004) und tragen ihre Nutzungsge-
                        wohnheiten sowie ihre digitalen Kompetenzen und Fertigkeiten in die Schule. Die
                        Liste der Herausforderungen, die die Digitalisierung an die Lehrenden stellt, ist lang,

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                    www.medienpaed.com > 13.05.2022

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MedienPädagogik
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                        mündet aber insgesamt in Forderungen an die Anpassungsfähigkeit der Lehrenden,
                        die den Erfolg der Integration von Medien im Lehrkontext beeinflussen kann (Kohl
                        2017).
                            Zusammenfassend versucht dieser Beitrag die Perspektive auf den Einsatz digita-
                        ler Medien im Unterricht zu erweitern. Die Herausforderungen, aber auch die Chan-
                        cen der Digitalisierung für die Schulen werden nicht erst seit der COVID-19-Pandemie
                        diskutiert, standen aber durch den Wegfall des Präsenzunterrichts zuletzt im Fokus
                        breiter öffentlicher Aufmerksamkeit. Der vorliegende Beitrag begreift die zumeist im
                        Fokus stehende technische Ausstattung als eine notwendige Bedingung für den er-
                        folgreichen Einsatz digitaler Medien für die Unterrichtsgestaltung, nicht aber als hin-
                        reichende Bedingung. In einer Kombination aus pädagogischer und psychologischer
                        Perspektive erkennt der Beitrag individuelle Einstellungen, Wahrnehmungen und Be-
                        wertungen auf kognitiver und affektiver Ebene als forschungsheuristisch fruchtba-
                        ren Ansatzpunkt für die Analyse und das Verständnis des Status Quo der Digitalisie-
                        rungsaktivitäten von Lehrkräften – in den Zeiten der Pandemie und darüber hinaus.
                            Aus einer Vielzahl möglicher Variablen und Faktoren legt dieser Beitrag den
                        Schwerpunkt zum einen auf die Einstellungen der Lehrkräfte gegenüber digitalen
                        Medien und fragt nach der Wichtigkeit digitaler Technologien für den Unterricht,
                        der Technologieakzeptanz und der Bereitschaft, Technik im Unterricht zu nutzen.
                        Zum anderen wurde die Bedeutung des psychologischen Wohlbefindens, im Leben
                        insgesamt aber auch im beruflichen Kontext, sowie die Rolle der Selbstwirksamkeit
                        aufgezeigt. Diese Konstrukte (psychologisches Aufblühen bzw. Wellbeing, Arbeits-
                        zufriedenheit, Selbstwirksamkeit) werden als Indikatoren für eine «Persönliche Ent-
                        faltung» betrachtet. Die sich weiter verändernden beruflichen Rahmenbedingungen
                        der Lehrkräfte fordern von diesen Veränderungsbereitschaft ein. Sich auf neue Be-
                        dingungen und Veränderungen einzulassen und diese erfolgreich zu gestalten, setzt
                        eine psychologische Flexibilität und eine Anpassungsbereitschaft voraus, die im Fol-
                        genden als «Änderungsbereitschaft» bezeichnet werden.
                            Es resultieren drei Forschungsfragen, die zum einen nach dem Verhalten, d. h.
                        nach der Unterrichtsgestaltung in der COVID-19-Krise fragen (FF 1) und zum anderen
                        die Einstellungen gegenüber digitalen Medien fokussieren (FF 2). Dabei fragt FF 2a
                        nach der Nutzung von Medien im Unterricht vor und während der Krise und FF 2b
                        nach Alters- (Lau und Sim 2008; Scherer, Siddiq, und Teo 2015) und Fächerunter-
                        schieden (Kramer u. a. 2019). Zuletzt fragt FF 3, inwieweit die Bereitschaft, digitale
                        Medien zu nutzen mit zugrundeliegenden psychologischen Variablen (Anpassungsfä-
                        higkeit: Karaevli und Hall 2006; Kohl 2007; Savickas 2005; Psychologisches Wohlbe-
                        finden: Sisask u. a. 2014; Zaki 2018; Psychologische Flexibilität: Dramanu, Milledzi,
                        und Asamani 2020; Arbeitszufriedenheit: Granziera und Perea 2019; Judge u. a. 2001
                        und Selbstwirksamkeit: Baumert und Kunter 2006; Kumar, Rose, und D’Silva 2008;
                        Scherer, Siddiq, und Tondeur 2019) in Verbindung steht:

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MedienPädagogik
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                        FF 1.        Wie gelingt Unterrichtsgestaltung in der COVID-19-Krise?
                        FF 2.        Wie sind Lehrkräfte digitalen Technologien gegenüber eingestellt und wie
                                     nutzen sie diese?
                        FF 2a.       Wie unterscheidet sich die Nutzung digitaler Medien im Unterricht vor und
                                     während der Krise?
                        FF 2b.       Zeigen sich interindividuelle Unterschiede entlang der unterrichteten Fä-
                                     cher und des Alters der Lehrkräfte?
                        FF 3.        Lassen sich Unterschiede in der Technikbereitschaft durch psychologische
                                     Variablen vorhersagen?

                        4. Methode
                        Die Datenerhebung erfolgte online vom 16. Mai bis 02. Juli 2020, folglich nach der
                        Phase der ersten Schulschliessung (13. März 2020). Die Rekrutierung der Stichprobe
                        (über Kontakt der Studienleitung zu Lehrkräften, die dann ihre Verteiler anschrieben)
                        verlief schleppend, sodass wir insgesamt nur 50 Teilnehmende verzeichnen konn-
                        ten. Die aufgrund der geringen Stichprobengrösse limitierte Aussagekraft der empi-
                        rischen Daten wird in der Diskussion besprochen. Der Fragebogen begann mit einer
                        Begrüssung und einer kurzen Einführung in das Thema sowie der Aufklärung über
                        Datenschutz, Freiwilligkeit der Teilnahme, sowie der Zusicherung der Anonymität. Es
                        folgen die Bearbeitung der im Folgenden aufgeführten Instrumente und die Abfrage
                        der demografischen Daten (Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, Angaben zum Lehrbe-
                        ruf).

                        4.1 Stichprobe
                        80 % der Befragten ordnen sich dem weiblichen Geschlecht zu (N = 40), 18 % dem
                        männlichen (N = 9), eine Person identifiziert sich als divers (2 %). Die Teilnehmenden
                        sind zwischen 23 und 64 Jahren alt (M = 42; SD = 10,48) und haben zwischen einem
                        und 42 Jahren Berufserfahrung (M = 16,50; SD = 10,84). Sie unterrichten überwiegend
                        an Grundschulen (42 %), Gymnasien (22 %), Realschulen (12 %), kaum an Haupt-
                        (8 %), Ganztags- (4 %) und Gesamtschulen (4 %). Drei Personen sind im Referenda-
                        riat, die anderen als Lehrerin oder Lehrer tätig. 32 % unterrichten im Primar- und
                        Sekundarbereich I, 22% im Sekundarbereich II und 12% im Elementarbereich. Ein
                        Grossteil unterrichtet in den Fächern Deutsch (70 %), Mathematik (60 %), Englisch
                        (46 %), Kunst und Sport (30-40 %). Die Mehrheit der befragten Personen unterrichtet
                        in Bayern (72 %), Thüringen (12 %) und Nordrhein-Westfalen (4 %).

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MedienPädagogik
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                        4.2 Instrumente
                        Das Vorgehen in der Unterrichtsgestaltung unter COVID-19-Bedingungen (FF 1) wird
                        über vier offene Fragen erhoben. Diese fragen nach (1) der Verteilung von Unter-
                        richtsmaterialen an die Schülerinnen und Schüler, (2) Lernerfolgskontrollen und da-
                        nach, was während des Fernunterrichts (3) gut oder (4) schlecht funktioniert hat.
                        Zudem werden acht Items bewertet, die nach den Erfahrungen im Fernunterricht
                        fragen (z. B. «Ich habe während der Corona-Zeit viel dazugelernt»). Beantwortet wur-
                        den diese Items auf einer fünfstufigen Likert-Skala (1 – trifft überhaupt nicht zu bis
                        5 – trifft voll und ganz zu).
                             Für FF 2 wird neben der täglichen Nutzungsdauer von Smartphone, Notebook
                        und Desktop PC die instrumentelle und ritualisierte Mediennutzung abgefragt (Joo
                        und Sang 2013; Rubin 1984): vier Items zur instrumentellen Nutzung (Interne Konsis-
                        tenz, angegeben als Cronbachs Alpha, α = .63) wie «Ich nutze meine Geräte für die Ar-
                        beit oder zum Lernen» und vier weitere Aussagen zur ritualisierten Nutzung (α = .85)
                        wie «Ich nutze meine Geräte, um dem Alltag zu entfliehen».
                             Für zwölf Medien wird erhoben, wie wichtig die Medien für den Unterricht sind
                        – unabhängig von der COVID-19-Krise. Die Erfassung der Nutzung digitaler Medien
                        im Unterricht erfolgt über eine Liste aus 14 Medien, für die jeweils anzugeben ist,
                        ob diese vor und/oder während der Pandemie eingesetzt wurden. Zur Erfassung der
                        Einstellung zu digitalen Medien im Unterricht (Sad und Göktas 2014, 611) werden 16
                        Items beantwortet (z. B. «Digitale Medien erlauben effizienteres Lernen», α = .85).
                        Die Technikbereitschaft wird anhand der Skala von Neyer u. a. (2012) abgefragt. Sie
                        besteht aus insgesamt 12 Items (α = .86): vier Items untersuchen die Technikakzep-
                        tanz (z. B. «Ich finde schnell Gefallen an technischen Neuentwicklungen»), vier Items
                        beziehen sich auf individuelle Technikkompetenzüberzeugungen (z. B. «Im Umgang
                        mit moderner Technik habe ich oft Angst, zu versagen») und vier weitere Items be-
                        handeln Technikkontrollüberzeugungen (z. B. «Ob ich erfolgreich in der Anwendung
                        moderner Technik bin, hängt im Wesentlichen von mir ab»).
                             Die psychologischen Faktoren der Technikbereitschaft (FF 3) fragen nach der Ar-
                        beitszufriedenheit. Zwölf Items aus der Skala «Subjektive Aspekte des Lehrerberufs»
                        (Dann u. a. 2014) werden beantwortet (z. B. «Ich bin mit meinem Beruf sehr zufrie-
                        den», α = .90). Zur Erfassung der Anpassungsfähigkeit (Nota, Ginevra, und Soresi 2012)
                        wird aus der Sicht guter Bekannter/Freund_innen fünf Aussagen zur eigenen Person
                        zugestimmt (z. B. «Ich mag es, Risiken einzugehen, Dinge auszuprobieren und da-
                        mit zu experimentieren», α = .62). Die Selbstwirksamkeit wird mit drei Items gemes-
                        sen (z. B. «Die meisten Probleme kann ich aus eigener Kraft gut meistern», α = .86;
                        Beierlein u. a. 2012). Die vier Items der Subskala «Positive Perception of Change» von
                        Ben-Itzhak, Bluvstein und Maor (2014) erfassen die psychologische Flexibilität (z. B.
                        «Ich sehe Veränderungen oft als Herausforderung», α = .63). Psychologisches Wohl-
                        befinden (Wellbeing) wird über die acht Items der «Flourishing Scale» nach Diener

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MedienPädagogik
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                        u. a. (2010) gemessen (z. B. «Ich blicke optimistisch in die Zukunft», α = .81). Die Aus-
                        wertungs-Systematik der genannten Verfahren sieht die Berechnung von Skalen-Mit-
                        telwerten vor. Das Verfahren für die Erhebung des psychologischen Wohlbefindens
                        bildet hier eine Ausnahme und sieht die Berechnung von Summenscores vor. Diese
                        unterschiedlichen Skalenwerte sind im folgenden Ergebnisteil zu beachten.

                        5. Ergebnisse
                        Die Ergebnisdarstellung folgt den drei Forschungsfragen. Zuerst wird ein Einblick
                        in die Unterrichtsgestaltung in der Krise gegeben. Die weitere Analyse deckt Unter-
                        schiede in der Nutzung digitaler Medien und in den Einstellungen gegenüber diesen
                        auf. Zuletzt werden die Technikbereitschaft und zugrundeliegende interindividuelle
                        Unterschiede analysiert.

                        5.1 FF 1: Wie gelingt der Unterricht in der COVID-19-Krise?
                        Die Angaben zu den vier offenen Fragen zur Unterrichtsgestaltung wurden inhalts-
                        analytisch ausgewertet. Dazu wurden induktiv aus den Antworten der Befragten Ka-
                        tegorien abgeleitet und die einzelnen Aussagen dann diesen Kategorien zugeteilt.
                        Die Wortwolken zeigen diese Kategorien, wobei die Grösse der jeweiligen Kategorie
                        die Anzahl ihrer Nennungen widerspiegelt. Anhand der Antworten auf die erste Frage
                        («Lassen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern Unterrichtsmaterialien zukommen?»)
                        soll das Vorgehen exemplarisch erläutert werden. Die Auswertung der sich anschlie-
                        ssenden Fragen erfolgt dann knapper.2
                             Gaben die Teilnehmenden an, ihren Schülerinnen und Schülern Unterrichtsma-
                        terialen zukommen lassen, konnten sie ihr Vorgehen in einem offenen Textfeld spe-
                        zifizieren. Von den insgesamt 50 befragten Lehrkräften gaben 47 Befragte an, Unter-
                        richtsmaterialen an die Schülerinnen und Schüler zu verteilen – in digitaler sowie in
                        analoger Form. Aus den offenen Antworten wurden dann induktiv insgesamt 15 Ka-
                        tegorien abgeleitet, wobei oftmals Mehrfachnennungen erfolgten, da Befragte meh-
                        rere Kategorien in ihrer Antwort nannten. Exemplarisch sei eine umfassende Antwort
                        genannt. Diese beschreibt
                                «…einen wöchentlichen Arbeitsplan per Mail an die Eltern, den sie ausdru-
                                cken. Vier Kindern werfe ich die Blätter ausgedruckt ein. Zu neuen Unterrichts-
                                inhalten drehe ich daheim kleine Lernvideos und lasse die per Link den Eltern
                                zukommen. In unregelmässigen Abständen werden Hefte/Arbeitsblätter in der
                                Schule zum Korrigieren eingeworfen».
                        2 Die Darstellung in Wortwolken ermöglicht einen überblicksartigen Eindruck der unterschiedlichen Aussa-
                          gen der befragten Lehrkräfte zum Unterrichten in der Krise. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird hier
                          auf eine exakte Darstellung numerischer Kennwerte verzichtet. In den nachfolgenden quantitative Analy-
                          sen und den Diagrammen erfolgt dann die präzise Darstellung der numerischen und statistischen Kenn-
                          werte.

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                               www.medienpaed.com > 13.05.2022

                                                                                                                                         209
MedienPädagogik
                                                                                                         Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung

                            Insgesamt wird die Kommunikation über E-Mail von 20 Befragten genannt, so-
                        dass die E-Mail die grösste Kategorie bildet. Häufig verwendet werden auch Learning
                        Management Systeme (LMS, z. B. «Mebis») mit 20 Nennungen, Videochat-Programme
                        (18 Nennungen), Lernpläne (16) oder Lernvideos (14). Quizze (2) oder Apps (1) sind
                        kaum relevant. Abbildung 1 fasst die Kategorien und die Häufigkeit ihrer Nennungen
                        grafisch in einer Wortwolke zusammen.
                            Homepage der Schule                                                                                     Präsenzform

                        Videochat                                                                                       Papier/Abgabe

                                                                                                                            Mail
                                                                 Telefon
                                     Links                                  Chat                                                                  Cloud

                                           Mail
                            Quizze                                         Abholungs-/Abgabeort              Videos

                               Post              Präsenzform
                                             Cloud
                                                                                                                LMS
                                                                                                          Kommentar
                                                 Lernvideos                                                      Telefon
                                     Lernpläne
                                               LMS           Bilddatei/PDF                Apps

                                                                                                  Post
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                                                                                                                                                      Chat

                        Abb. 1.: Unterrichtsmaterialien (links) und Lernerfolgskontrolle im Fernunterricht.

                            49 Befragte gaben an, Lernerfolgskontrollen durchzuführen. Die offenen Antwor-
                        ten lassen sich in insgesamt 12 Kategorien einteilen. Mit 20 Nennungen zeigt sich,
                        dass auch die Kontrolle der Lernenden grösstenteils über E-Mail erfolgt. An zweiter
                        Stelle steht die Feedbackvergabe über Bild- oder PDF-Dateien (10 Nennungen), ge-
                        folgt von Abgaben in Papierform (9). Ein/e Befragte/r schreibt hierzu: «Eltern und
                        Schüler können das Material freiwillig schicken, per Mail oder Post, wöchentliche
                        Tests, Telefongespräche bei Bedarf».
                                                                           Fristen                            Technik

                                                                                                            LMS
                                                               erlernter Technikumgang

                                                            Motivation
                                                                                                                                                          Audio

                        Kommunikation Videochat
                                        Rückmeldung                                               Lernvideos
                                                     Abholung von Arbeitsblättern                         Homepage der Schule

                        Abb. 2.: «Gut am Fernunterricht»: Schülerinnen und Schüler (links) und Technik (rechts).
                            Es folgt die Auswertung der Aspekte, die während des Fernunterrichts gut funk-
                        tioniert haben. Die Antworten von insgesamt 48 Teilnehmenden lassen sich in fünf
                        Überkategorien unterscheiden: Schülerinnen und Schüler (26 Nennungen), Allge-
                        mein (21), Technik, (14) sowie Eltern (8) und Kollegium (3). Die meisten Nennun-
                        gen beziehen sich demnach auf die Kategorie der Schülerinnen und Schüler, wobei
                        die Nennungen der einzelnen Unterkategorien eher gering ausfallen. Die Kommu-
                        nikation zwischen Lehrenden und Lernenden werden am häufigsten genannt (11),
                        gefolgt von der Motivation der Schülerinnen und Schüler (8). Rückmeldungen und
                        Fristeinhaltungen werden dann schon weniger als fünfmal genannt. Auf den Bereich

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                                             www.medienpaed.com > 13.05.2022

                                                                                                                                                           210
MedienPädagogik
                                                                                    Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung

                        «Allgemein» entfallen insgesamt 21 Nennungen, wobei die gelungene Vergabe von
                        Aufgaben an die Lernenden neunmal genannt wird. Effizienz als zweithäufigste Un-
                        terkategorie wird weniger als fünfmal genannt. In der Kategorie Technik wird keine
                        Unterkategorie mehr als fünfmal genannt, am häufigsten wird noch die Funktiona-
                        lität von Videochat und LMS erwähnt ( je 4). Die Eltern werden insgesamt achtmal
                        positiv erwähnt, fünf Nennungen entfallen auf die gute Kommunikation mit den El-
                        tern («Der Kontakt zu den Eltern und Schülern war sehr rege und es herrschte eine
                        angenehme Atmosphäre»). Die gelungene Zusammenarbeit im Kollegium wird von
                        nur drei Teilnehmenden genannt. Abbildung 2 beschränkt sich auf die Darstellungen
                        der Wortwolken für die zwei grössten inhaltlichen Oberkategorien Schülerinnen und
                        Schüler sowie Technik.
                             Die als problematisch erkannten Aspekte des Fernunterrichts formen das komple-
                        xe Bild des Untersuchungsgegenstands. Wurden die Schülerinnen und Schüler von
                        der Hälfte der Befragten als «gut funktionierend» genannt, werden diese nun von
                        nahezu allen (N = 46) als grösste Herausforderung beschrieben, insbesondere die
                        problematische Kommunikation (15), die mangelnde Technikausstattung (13) und
                        die geringe Motivation (11). Die Technik bildet die zweigrösste Oberkategorie, auf
                        die allerdings vergleichsweise geringe 11 Nennungen fallen (technische Schwierig-
                        keiten: 6; instabile Internetverbindung: 4). Acht Nennungen entfallen auf die Kate-
                        gorie Lehrkräfte (gestiegener Arbeitsaufwand, erschwerte Stoffvermittlung, fehlen-
                        der Kontrolle). Die Eltern (7 Nennungen; fehlende Kommunikation, Unterstützung)
                        und die Schulleitung (3: mangelnde Unterstützung) werden selten genannt. Eine/r
                        der Befragten formulierte in diesem Zusammenhang den Satz, der den Titel dieses
                        Beitrags bildet: «Ins Off zu lehren ist wie liebevoll-aufwendiges Kochen für Freunde,
                        ohne das Verspeisen zu erleben».

                                                                     instabiles Netz
                                     fehlende Technikkompetenz

                                Motivation
                        Kommunikation
                        Technikausstattung                       Schwierigkeiten
                                             Überforderung       unzureichende Digitalisierung
                        Abb. 3.: «Schlecht am Fernunterricht»: Schülerinnen und Schüler (links) und Technik.

                            Abbildung 4 stellt die Erfahrungen im Fernunterricht dar. Neben den Mittelwer-
                        ten der acht Skalen-Items werden die Standardabweichungen aufgeführt, die auf-
                        zeigen, dass die Einschätzungen der Befragten unterschiedlich ausfallen. Insgesamt
                        wird der Fernunterricht «als echte Herausforderung» bewertet (M = 4,00; SD = 0,99),
                        bei der die Befragten «viel dazugelernt» haben (M = 4,02; SD = 0,89). Die Bewer-
                        tung, wie «gut [der Fernunterricht] funktioniert» hat, fällt zwar eher positiv aus (auf
                        der Skala von 1 bis 5: M = 3,56; SD = 0,79), die Befragten sind sich aber recht einig,
                        dass Fernunterricht eher keine «gute Alternative zum normalen Schulalltag» bietet

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                        www.medienpaed.com > 13.05.2022

                                                                                                                                  211
MedienPädagogik
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                        (M = 2,22; SD = 0,96). Der Blick auf die Schülerinnen und Schüler zeigt, dass mit die-
                        sen über die digitalen Wege eher «viel Kontakt» bestand (M = 3,68; SD = 1,08), wobei
                        ihre «Scheu sich über den digitalen Weg […] zu melden» unterschiedlich auszufal-
                        len schien (M = 3,40; SD = 1,14). In Ergänzung zu den oben aufgeführten Angaben zu
                        «technischen Problemen» werden diese auch hier erkannt, im Mittel allerdings mit
                        «weder noch» bewertet (M = 3,32). Obgleich die Standardabweichung (SD = 1,15) un-
                        terschiedliche Einschätzungen aufzeigt, deutet sich für die vorliegende Stichprobe
                        bereits an dieser Stelle der Befragung an, dass nicht alle eine eindeutig positive Sicht
                        auf den Fernunterricht haben, dass diese Form des Unterrichts – entgegen gängigen
                        Medienberichten – allerdings auch nicht von allen nur negativ bewertet wird.

                        Der Fernunterricht war eine echte Herausforderung.                                    4.00

                        Der Fernunterricht hat gut funktioniert.
                                                                                                          3.56

                        Der Fernunterricht ist eine gute Alternative zum norma-
                        len Schulalltag.                                                     2.22

                        Die Schüler haben während der Coronazeit viel dazugelernt.                   3.04

                        Ich habe während der Coronazeit viel dazugelernt.                                     4.02

                        Die Schüler hatten keine Scheu sich über den digita-                            3.40
                        len Weg bei mir zu melden.

                        Ich hatte viel Kontakt mit Schülern über den digitalen Weg.                       3.68

                        Technische Probleme sind aufgetreten.                                          3.32

                                                                                      1               2               3               4                 5
                                                                                      trifft überhaupt                                    trifft voll und
                                                                                      nicht zu                                                  ganz zu

                        Abb. 4.: Bewertung des Fernunterrichts.

                        5.2 FF 2: Wie sind Lehrkräfte digitalen Technologien gegenüber eingestellt und wie
                              nutzen sie diese?
                        Die Erhebung der durchschnittlichen Mediennutzungsdauer «an einem normalen
                        Tag unabhängig von der Corona-Krise» beschränkt sich mit Notebook, Tablet und
                        Smartphone auf drei der populärsten digitalen Endgeräte (s. Abb. 5). Die Befragten
                        verbringen 2,5 Stunden täglich (M = 144,00 Minuten) mit dem Notebook, wobei die
                        Standardabweichung (SD = 141,36) grosse Unterschiede zwischen den Befragten auf-
                        zeigt: vier Teilnehmende nutzen das Notebook gar nicht, eine Person 780 Minuten,
                        also 13 Stunden pro Tag. Das Smartphone wird im Durchschnitt weniger genutzt: 101
                        Minuten pro Tag. Wobei auch hier die Standardabweichung von 91 Minuten anzeigt,
                        dass die einzelnen Lehrkräfte das Smartphone unterschiedlich nutzen. So reicht die
                        Nutzungsdauer von 10 Minuten bis zu 500 Minuten, also gut acht Stunden pro Tag.
                        Das Tablet wird von der Stichprobe deutlich weniger genutzt (M = 54,00 Minuten).

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                                        www.medienpaed.com > 13.05.2022

                                                                                                                                                   212
MedienPädagogik
                                                                                       Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung

                        Den 23 Befragten, die gar kein Tablet nutzen, stehen vier Intensiv-Nutzende gegen-
                        über, die ihre Tablets 180 Minuten oder länger nutzen.

                            Notebook                                    144

                        Smartphone                            101

                                Tablet              54

                                         0          25        50          75         100             125               150 Minuten
                        Abb. 5.: Durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer von Notebook, Smartphone und Tablet.

                        FF 2a: Wie unterscheidet sich die Nutzung digitaler Medien im Unterricht vor und
                        während der Krise?
                        Der Vergleich der Nutzung digitaler Medien im Unterricht vor und während der Krise
                        deckt die Effekte des Wegfalls der örtlichen und zeitlichen Co-Präsenz im Unterricht
                        auf. Die detaillierten Vergleiche aus Tabelle 1 knapp zusammengefasst: Insgesamt
                        werden mehr Mediengeräte genutzt; Beamer und interaktives Whiteboard werden
                        von signifikant weniger Lehrkräften genutzt, PC/Notebook, Smartphone, E-Mail, Ins-
                        tant Messenger und Videochat von signifikant mehr Befragten.
                                                                vor COVID-19           während COVID-19
                          Medium                               N         Prozent           N            Prozent             Trend
                          Beamer                               39          78,0          10               20,0               ↓***
                          PC/Notebook                          37          74,0          48               96,0               ↑***
                          Webseiten/Internet                   36          72,0          40               80,0                  ↑
                          Standardsoftware (z. B. Office)      31          62,0          29               58,0                  ↓
                          Lernsoftware für Kinder              25          50,0          32               64,0                  ↑
                          Smartphone                           23          46,0          37               74,0                ↑**
                          E-Mail                               19          38,0          45               90,0               ↑***
                          Interaktives Whiteboard              18          36,0            6              12,0               ↓***
                          Desktop-Computer                     16          32,0          19               38,0                  ↑
                          Digitalkamera                        15          30,0            9              18,0                  ↓
                          Tablets                              15          30,0          21               42,0                  ↑
                          Instant Messenger                    11          22,0          21               42,0                ↑**
                          Videochat (z. B. Zoom)               1              2,0        32               64,0               ↑***

                        Tab. 1.: Nutzung digitaler Medien im Unterricht vor und während COVID-19. Anmerkung. Es wur-
                                 den t-Tests für abhängige Stichroben gerechnet. Die Signifikanzniveaus lagen bei *p <
                                 .05, **p < .01 und ***p < .001. Um das Risiko des Fehlers 1. Art zu minimieren, wurden die
                                 p-Werte der einzelnen Tests nach Bonferroni korrigiert.

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                             www.medienpaed.com > 13.05.2022

                                                                                                                                     213
MedienPädagogik
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                            Die folgenden Abbildungen fassen die Perspektive der Stichprobe auf digitale
                        Medien im Unterricht zusammen. Neben den Werten für die Gesamt-Stichprobe wur-
                        de auch nach interindividuellen Unterschieden innerhalb der Stichprobe gefragt – mit
                        Blick auf das Alter und die unterrichteten Fächer (FF 2b). Dazu werden Subgruppen
                        unterschieden. Zum einen Lehrkräfte, die mindestens ein MINT-Fach (Mathematik,
                        Biologie, Physik, Chemie) unterrichten (N = 34) und solche, die keine MINT-Fächer un-
                        terrichten (N = 16). Zum anderen werden über einen Mediansplit zwei Altersgruppen
                        unterschieden: jüngere (M = 32,48; SD = 4,87; N = 23) und ältere Lehrkräfte (M = 49,96;
                        SD = 6,41; N = 27).
                            Insgesamt zeigt sich, dass die Befragten Notebooks und Mails für eher wichtig
                        halten, Smartphones und Desktop PCs für deutlich weniger wichtig. Rund 75 % be-
                        trachten Notebooks im Unterricht als sehr wichtig oder wichtig, nur ca. 25 % für nicht
                        wichtig, Einzelstimmen entfallen auf überhaupt nicht wichtig (vgl. Abb. 6). Dabei zei-
                        gen sich lediglich minimale Unterschiede zwischen den Subgruppen der Stichprobe:
                        Jüngere und ältere Lehrkräfte sowie Lehrkräfte, die MINT-Fächer unterrichten und
                        solche die Nicht-MINT-Fächer unterrichten, schätzen die Wichtigkeit von Notebooks
                        nahezu gleich hoch ein.

                            Gesamt 0 2            9                     14                                          25

                               Jung 0 1       3                  6                                             13

                                 Alt 0 1              6                          8                                       12

                              MINT 0 1        6                         10                                          17

                        Nicht-MINT 0 1                3                      4                                      8

                                     0%                   25%                           50%                       75%                           100%
                               keine Angabe   überhaupt nicht wichtig            nicht wichtig   weder noch         wichtig      sehr wichtig

                        Abb. 6.: «Für wie wichtig halten Sie Notebooks im Unterricht».

                             Wie Abbildung 7 zeigt, werden Mails für den Unterricht als vergleichsweise wich-
                        tig eingeschätzt. Knapp 70 % bewerten diese als wichtig bzw. sehr wichtig, 20 % als
                        nicht wichtig (6 %) oder überhaupt nicht wichtig (14 %). Für Ältere und Nicht-MINT-
                        Lehrkräfte sind Mails wichtiger als für Jüngere und MINT-Lehrkräfte.

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                                        www.medienpaed.com > 13.05.2022

                                                                                                                                                  214
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                            Gesamt 0          7                   3                7                              11                                                22

                               Jung 0         3               1                            6                                         5                                       8

                                 Alt 0        4                       2       1                        6                                                       14

                              MINT 0              6                       2                    6                                 8                                       12

                        Nicht-MINT 0 1            1           1                     3                                                                     10

                                      0%                                      25%                                          50%                                 75%                              100%
                               keine Angabe           überhaupt nicht wichtig                                  nicht wichtig                 weder noch        wichtig           sehr wichtig

                        Abb. 7.: «Für wie wichtig halten Sie Mails im Unterricht».

                            Anders fällt die Bewertung von Desktop PCs aus, die nur ca. 50 % für wichtig
                        (20 %) oder sehr wichtig (28 %) halten, knapp 40 % aber für nicht wichtig oder über-
                        haupt nicht wichtig ( je 18 %). Abbildung 8 zeigt zudem, dass Lehrkräfte, die keine
                        MINT-Fächer unterrichten, die Wichtigkeit von Desktop PCs am höchsten einschätzen
                        (knapp 70 %), während knapp 50 % der MINT-Lehrkräfte und ältere Lehrkräfte den
                        Desktop PC für (überhaupt) nicht wichtig halten.

                            Gesamt     1              9                                9                           7                            10                               14

                               Jung      1            3                       3                            4                             4                                   8

                                 Alt 0                6                                        6                            3                         6                               6

                              MINT       1                7                                        8                                 5                    5                           8

                        Nicht-MINT 0          2               1                2                                       5                                                 6

                                      0%                                      25%                                          50%                                 75%                              100%
                               keine Angabe           überhaupt nicht wichtig                                  nicht wichtig                 weder noch        wichtig           sehr wichtig

                        Abb. 8.: «Für wie wichtig halten Sie Desktop PCs im Unterricht».

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                                                                                    www.medienpaed.com > 13.05.2022

                                                                                                                                                                                                 215
MedienPädagogik
                                                                                                           Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung

                             Die eher kritische Perspektive der Schule auf das Smartphone spiegelt die Aus-
                        wertung in Abbildung 9. Insgesamt wird das Smartphone häufiger als überhaupt nicht
                        wichtig und nicht wichtig bewertet (44 %). Nur 38 % halten es für wichtig oder sehr
                        wichtig. Vor allem ältere und MINT-Lehrkräfte bewerten das Smartphone als unwich-
                        tig. Auffällig ist, dass vor allem die Befragten, die keine MINT-Fächer unterrichten,
                        dem Smartphone mit knapp 70 % die grösste Bedeutung zuschreiben. Allerdings,
                        und das gilt es insgesamt bei den Auswertungen zu beachten: Die Stichprobengrösse
                        der vorliegenden Erhebung ist schlicht zu gering, um statistisch belastbare Unter-
                        schiede zwischen den Gruppen zu berechnen. Hier können lediglich Tendenzen auf-
                        gezeigt werden (weitere Ausführungen folgen in der Diskussion).

                            Gesamt 0              12                     10                       9                 7                     12

                               Jung 0             5                  4                  3                   5                             6

                                 Alt 0                7                       6                        6                  2                   6

                              MINT 0                   10                           9                           7               2                 6

                        Nicht-MINT 0          2           1    2                        5                                           6

                                     0%                       25%                           50%                          75%                           100%
                               keine Angabe       überhaupt nicht wichtig         nicht wichtig       weder noch          wichtig       sehr wichtig

                        Abb. 9.: «Für wie wichtig halten Sie Smartphones im Unterricht?».

                            Die Selbsteinschätzungen zur Technikbereitschaft in Abbildung 10 ergeben ein
                        (überraschend eindeutig) positives Bild. Gut 80 % der Befragten stimmen den Aus-
                        sagen entlang der drei Dimensionen Technikakzeptanz, Technikkompetenzüberzeu-
                        gungen und Technikkontrollüberzeugungen «völlig» oder zumindest «ziemlich» zu,
                        wobei die MINT-Lehrkräfte ihre Technikbereitschaft am ausgeprägtesten einschät-
                        zen. Insgesamt beschreiben sich nur 2 % als «gar nicht» oder «wenig» technikbereit.

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                                               www.medienpaed.com > 13.05.2022

                                                                                                                                                         216
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                            Gesamt 01              7                                      30                                                  12

                               Jung 0          3                                12                                                      8

                                 Alt 0 1               4                                         18                                                  4

                              MINT 0       3                                         23                                                         8

                        Nicht-MINT 0 1                       4                                       7                                         4

                                     0%                           25%                          50%                           75%                           100%
                                                           gar nicht    wenig        teilweise           ziemlich       völlig

                        Abb. 10.: Technikbereitschaft der Stichprobe.

                        FF 2b: Zeigen sich interindividuelle Unterschiede entlang der unterrichteten Fächer
                        und des Alters der Lehrkräfte?
                        Zwischen jüngeren vs. älteren Lehrkräften und MINT- vs. Nicht-MINT-Lehrkräften er-
                        geben sich nur vereinzelte signifikante Unterschiede. Ein Alterseffekt zeigt sich ledig-
                        lich für die Techniknutzung (F(1,47) = 8,85; p < .01; η2 = .16): Jüngere Lehrkräfte zeig-
                        ten eine höhere Motivation zur ritualisieren Techniknutzung (M = 3,11; SD = 0,86) und
                        nutzen ihre Geräte demnach eher auch zur Entspannung und zur Unterhaltung als
                        ältere Lehrkräfte (M = 2,28; SD = 1,07). Für die Fächerunterscheidung zeigt sich ein ein-
                        ziger signifikanter Unterschied in der Einstellung zu digitalen Medien, (F(1,47) = 6,51;
                        p = .028; η2 = .12; p-Wert nach Bonferroni korrigiert): Lehrkräfte, die keine MINT-Fä-
                        cher unterrichten, schätzen die Wichtigkeit von Smartphones im Unterricht signifi-
                        kant höher ein (M = 6,94; SD = 2,95) als ihre MINT-Kolleginnen und Kollegen (M = 4,61;
                        SD = 3,02).

                        5.3 FF 3: Lassen sich Unterschiede in der Technikbereitschaft durch psychologische
                              Variablen vorhersagen?
                        Die deskriptive Analyse ergibt, dass die Befragten im Mittel im oberen Bereich der
                        Wellbeing-Skala liegen (M = 47,44; SD = 5,27). Ihre Selbstwirksamkeit bewerten die
                        Befragten als sehr gut (M = 4,25; SD = 0,52), ihre Berufszufriedenheit eher mittelmä-
                        ssig (M = 3,06; SD = 0,54). Die Anpassungsfähigkeit (M = 3,68; SD = 0,62) und die psy-
                        chologische Flexibilität (M = 3,99; SD = 0,60) werden hingegen wieder besser bewer-
                        tet.

Astrid Carolus und Catharina Münch                                                                                   www.medienpaed.com > 13.05.2022

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