Interview von Tilman Sobek mit destinet (Matthias Burzinski)

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Interview von Tilman Sobek mit destinet (Matthias Burzinski)
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                                                                                                    Leipzig, 29. Mai 2018

„Zusammen WACHSEN“ ist das Thema des diesjährigen MTB-Tourismuskongresses,
der diesmal in Oberstaufen stattfindet. Was ist dabei eigentlich wichtiger: Quantitati-
ves Wachstum oder an den Herausforderungen zu wachsen?
TS: Unser diesjähriges Motto ist ja ganz stark an Familien orientiert. Wer Kinder hat oder selbst mal
eins war, weiß: Es braucht beides. Wir sagen, noch steckt der Mountainbike-Tourismus in Deutschland
in den Kinderschuhen. D. h. er sollte in jedem Fall quantitativ wachsen, um eine höhere Marktdurch-
dringung und Wertschöpfung zu erreichen. Das gelingt in Deutschland seit Jahren, wie die Rückmel-
dungen aus den Destinationen und auch die Marktforschung bestätigen. Genauso sollte der Mountain-
bike-Tourismus qualitativ reifen. Da sind manche Herausforderungen sicher ein Katalysator. Gleichzei-
tig ist es nach meinem Erleben auch der Anspruch der in Deutschland handelnden Touristiker und
Kommunalvertreter, dass wir uns hier qualitativ immer weiter verbessern. Da machen sie einen Riesen-
job und wir als Mountainbike Tourismusforum Deutschland begleiten diesen Prozess, helfen z. B. beim
Erfahrungsaustausch, bei der Wissensvermittlung, bei der Schaffung von Standards. Dafür ist der
Mountainbike Tourismuskongress die Hauptveranstaltung in Deutschland.

Ihr betont immer wieder die noch ungenutzten Potenziale des Mountainbikens. Wa-
rum werden diese Potenziale eigentlich nicht genutzt? Wo sind die Hemmnisse?
TS: Ich denke, die Gründe sind vielfältig. Zum einen ist Mountainbiken immer noch eine relativ junge
Bewegungsform. Hier darf man nicht außer Acht lassen, wer heute die Investitionsentscheidungen in
Städten, Gemeinden und Destinationen trifft. Das sind Menschen, die in aller Regel nicht mit dem
Mountainbike groß geworden sind. Sie kennen die sozialen und ökonomischen Vorteile einfach nicht.
Dann gibt es auch ein gewisses Unwissen darüber, wie zugänglich der Sport eigentlich ist und dass
Mountainbiken ein absolutes Familien- und Alltagsthema ist. Nur die wenigstens Mountainbiker sind ja
wirklich mit voller Schutzbekleidung unterwegs und machen spektakuläre Tricks, so wie es die Wer-
bung suggeriert. Im Gegenteil: Fast jeder, der Rad fahren kann, kann auch Mountainbiken! Logisch, in

Mountainbike Tourismusforum Deutschland e.V.
Universität Leipzig · Jahnallee 59 (Raum B105) · 04109 Leipzig
Vereinsregister: Amtsgericht Leipzig VR 5994 · Vorstand: Tilman Sobek, Norman Bielig, Philipp Heinrich
www.mountainbike-tourismusforum.de
Interview von Tilman Sobek mit destinet (Matthias Burzinski)
Abstufungen, aber das ist tatsächlich der Fall. Vielleicht muss man Mountainbiken mehr als Spielen mit
dem Rad verstehen, denn nur als Sport.
Der Begriff „Mountainbiken“ umfasst natürlich auch einfach viele Spielarten. Es ist ein bisschen wie
mit dem Wintersport: Auch da gibt es alpine Abfahrer, die auf schwarzen Pisten unterwegs sind. Die
Masse ist das nicht. Viele geben sich mit deutlich weniger rasanten Abfahrten zufrieden oder sind
gleich auf der Loipe oder mit den Schneeschuhen unterwegs.
Letztlich ist es aber wie mit jeder Innovation im Tourismus: Das Verständnis reift. Schaut man nach Bri-
tish Columbia, Schottland, in die Schweiz, nach Frankreich oder Tschechien gibt es so viele überzeu-
gende Angebote, die einen echten regionalen Wirtschaftsfaktor darstellen. Das sollten sich deutsche
Destinationsvertreter einfach mal anschauen. Es ist eine Frage der Zeit. Die ersten erfolgreichen Vor-
reiter in Deutschland sehen wir ja schon, viele davon sind ja in Oberstaufen beim MTB-Kongress auch
mit dabei.

Was würdet Ihr einer Destination raten, die das Mountainbiking noch nicht für sich
entdeckt hat. Wie gelingt der Einstieg in den Markt? Welche Voraussetzungen
braucht eine Destination?
TS: Ich formuliere es mal salopp: 15 Hektar Land, ein Höhenunterschied ab 150 Meter und 1,5 Mio. Euro
Investition reichen noch, um mit einem Trail Center ganz vorn in Mountainbike-Deutschland mitzuspie-
len.
Das ist die Spitze. Ganz allgemein ist es aber wie beim Erschließen jeder neuen Zielgruppe: Verstehe
ich den Markt und die Bedürfnisse der Kunden? Habe ich lokal begeisterte Menschen, die so ein neues
Thema mit mir angehen wollen? Lasse ich mich von Fachleuten begleiten, die Mountainbike-Projekte
schon mehrfach erfolgreich etabliert haben. Da würde ich genau auf die Referenzen und Erfahrung
achten und eine enge Zusammenarbeit Wert legen. Hier trennt sich tatsächlich die Spreu vom Weizen.
Es gilt bei der Umsetzung mit so vielen Anspruchsträgern zusammen zu arbeiten und so viele Hürden zu
meistern – da habe ich lieber Profis an meiner Seite.

Die E-Bikes haben nun auch die MTB-Branche erreicht. Wie verändert sich dadurch
das Mountainbiking?
TS: Kolossal! Wir erleben hier gerade eine kleine Revolution. Die Motorunterstützung gleicht Leis-
tungsunterschiede zwischen den Fahrern aus. D. h. ich kann wie beim Wandern viel entspannter mit
meinen Begleiter sprechen und die Natur genießen.

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Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist, dass die E-MTB überhaupt den Zugang zum Mountainbike-Erleb-
nis für viele Menschen schaffen. Sie demokratisieren quasi den Zugang zur Natur, besonders zu den
Bergen. Das gilt gerade für Menschen, die weniger sportlich oder womöglich körperlich benachteiligt
sind. In der Rehabilitation und Prävention können E-Mountainbikes durch eine präzise Belastungssteu-
erung gezielt mit einem gesundheitsfördernden Naturerlebnis verbunden werden. Berge werden fla-
cher, Anfahrten unbeschwerlicher. Dies eröffnet völlig neue Möglichkeiten in der Entwicklung von Er-
holungsinfrastruktur und der touristischen Produktentwicklung.

Nachhaltigkeit und auch Nutzungskonflikte sind für das Mountainbiking traditionell
wichtige Themen. Wie lassen sich Probleme hier vermeiden?
TS: Wie überall im Leben durch sensible und zielgerichtete Kommunikation, die Schaffung von Stan-
dards, die Verbreitung von Wissen. Deutschland ist ja relativ dicht besiedelt, so dass wir die Nutzung
des öffentlichen Raums als Gesellschaft viel intensiver aushandeln müssen als z. B. in den Weiten
Nordkanadas.
Dabei geht es darum, ein Bewusstsein für sensible Themen zu schaffen und auf deren Wichtigkeit auf-
merksam zu machen. Das betrifft im Übrigen alle Naturnutzer, nicht „nur“ die Mountainbiker. Hier en-
gagieren wir uns als Mountainbike Tourismusforum bewusst ganz intensiv, kooperieren mit Umweltver-
bänden wie z. B. dem Deutschen Alpenverein und haben eigens dafür im letzten Jahr einen Kongress
unter dem Titel „Unsere Natur“ veranstaltet.
Die Praxis zeigt: Dieser Ansatz funktioniert. Es gibt aus vielen Regionen überzeugende Beispiele, wie
ein Miteinander bei der (Nah)erholung gelingt. Ich denke da z. B. an einige Biosphärenreservate oder
Naturparks.
Letztlich verschwimmen die starren Grenzen: Niemand ist ja „nur“ Skifahrer oder Trailrunner. Die meis-
ten sind multisportiv oder multioptional, wie man heute sagt: An einem Tag gehe ich bike, den anderen
wandern und am dritten Tag besuche ich Museen in der Stadt. Zum Teil alles an einem Tag in Kombi-
nation. Hierdurch steigen bei der Begegnung in der Natur die Akzeptanz und das Verständnis für das
Gegenüber und seine aktuell „andere“ Bewegungsform.

Macht sich die vieldiskutierte Digitalisierung eigentlich auch im Mountainbiking ver-
stärkt bemerkbar. Und wenn ja, wie?
TS: Ja, das tut sie; auf jeden Fall. Mountainbiker sind tendenziell sehr zukunftszugewandte und technik-
affine Menschen. Sie sind stark an den neuesten Entwicklungen interessiert, so dass es digitale Ange-
bote vergleichsweise leicht haben.

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Das betrifft z. B. die Trainingssteuerung. Hier kommen immer neue Anwendungen auf den Markt – ob
im Bereich der Home Trainer oder auf dem Smartphone für unterwegs. Auch die Orientierung im Ge-
lände per GPS oder Smartphone ist so ein Thema.
Generell nimmt die Vernetzung unter den Mountainbikern in allen Bereichen zu. Der Konsum, der vor
einigen Jahren noch über das gedruckte Magazin stattgefunden hat, funktioniert z. T. über digitale Me-
dien. Auch E-MTBs werden künftig wesentlich mehr elektrische und z. T. digitale Komponenten haben
– ganz ähnlich wie das Auto.
Im Tourismus bleibt die spannende Frage: Wo verläuft die Linie zwischen digital und analog? Der erste
Kontaktpunkt mit einer Destination und den dortigen Angeboten für Biker ist heute fast immer digital
und findet auf dem Smartphone, Tablet oder Notebook statt. Besonders Einsteiger haben hier einen ho-
hen Informationsbedarf – z. B. zu bike-freundlichen Gastgebern, Verleihern oder Guidinganbietern und
Fahrtechnikschulen. Aber wie geht es in der Customer Journey weiter? Wo braucht es noch analoge
Angebote – Stichwort Karten –, wo reicht die digitale Information? Kein triviales und ein sehr dynami-
sches Feld.

Welche weiteren Trends dominieren derzeit den Markt?
TS: Das Thema Familie. Schaut man, wer Ende der 80er/Anfang der 90er Mountainbike gefahren ist –
es waren z. T. wirklich verrückte Typen – ist klar, zu welcher Altersgruppe sie heute zählen. Die haben
Kinder, deren Mama oder Papa das große Vorbild sind und ständig von ihrer Passion Mountainbiken
sprechen. Da kommen aktuell richtig viele kleine Mountainbiker nach. Das wird auch immer mehr zum
Thema für die Naherholung in den Großstädten und ihrer Umgebung. Pump Tracks sind ein Thema, das
Kinder kaum loslässt. Auch von den Herstellern kommen immer mehr Angebote für Kinder. Das zeigt,
wie wichtig dieses Segment ist.

Warum sollte ich in Oberstaufen unbedingt dabei sein?
TS: Weil wir hier die Zukunft für den Mountainbike-Tourismus besprechen. Gerade in diesem Jahr geht
es ja neben dem Thema Familie auch um die Vision für 2030. Wo wollen wir gemeinsam hin?
Wenn ich mich also als Destination, Kommune, Landkreis, Naturpark, Leistungsträger, Hersteller,
Presse oder Wissenschaft mit dem Thema Mountainbike beschäftige, gibt es keine andere Veranstal-
tung, bei der ich mich so umfassend und tiefgreifend über Erfolgsfaktoren und aktuelle Entwicklung im
Mountainbike-Tourismus informieren kann.
Uns sind fundierte Inputs ganz wichtig. Hier arbeiten wir im Vorfeld ganz intensiv mit den Referenten,
damit alle Präsentationen so praxisnah wie möglich sind und Strategien und Werkzeuge für die ganz-
jährige Arbeit in der Region bieten.

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Universität Leipzig · Jahnallee 59 (Raum B105) · 04109 Leipzig
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Gleichzeitig zählt die Vernetzung: Der intensive Austausch mit der Branche bietet allen Teilnehmern die
Möglichkeit, Teil eines Netzwerkes zu werden, dessen Wissen und Verbindungen die Entwicklung der
nächsten Jahre und Jahrzehnte prägen wird. Als junge Destination in Sachen Mountainbike-Tourismus
ist Oberstaufen der perfekte Ort um sich mit den Zukunftsthemen Bike-Angebote für Familien und E-
Mountainbiken auseinanderzusetzen. Erstmals werden die finalen Ergebnisse der Grundlagenerhebung
MTB-Monitor 2018 vorliegen und verfügbar sein. Zudem stellen wir zwei Leitfäden vor, die Regionen
den Einstieg in den Mountainbike-Tourismus erleichtert beziehungsweise Hilfestellung zur Implemen-
tierung von Monitoringsystemen leistet. Es

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Alle Informationen zum vierten deutschen Mountainbike-Kongress vom 5.–7. Juni finden Sie unter:
www.mountainbike-tourismusforum.de/2018.

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