Jugend schreibt Biefefeld 2019/2020 - Helmholtz-Gymnasium Bielefeld

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Jugend schreibt Biefefeld 2019/2020 - Helmholtz-Gymnasium Bielefeld
Jugend
   Biefefeld 2019/2020

schreibt
Jugend schreibt Biefefeld 2019/2020 - Helmholtz-Gymnasium Bielefeld
Arbeitsgruppe „Jugend schreibt“
        in Zusammenarbeit mit der Literaturzeitschrift „Tentakel“
      Helmholtz-Gymnasium, Ravensberger Str. 131, 33607 Bielefeld
                     Layout: Bernd Ackehurst

Jugend schreibt 2019/2020
Jugend schreibt Biefefeld 2019/2020 - Helmholtz-Gymnasium Bielefeld
INHALTSVERZEICHNIS                                                              VORWORT                                            Texte ausgewählt hat. Die Jury muss seit die-
                                                                                                                                   sem Jahr leider auf ein von allen Seiten sehr ge-
                                                                                Schon wieder ist ein (Schul)Jahr vergangen.        schätztes Mitglied, Frau Jutta Stüber, verzich-
8     KATEGORIE: LYRIK                                                          Ein Jahr voller Veränderungen, Einschränkun-       ten, die völlig unerwartet verstorben ist. Wir
                                                                                gen, surrealer Erfahrungen. Ein Jahr, das in die   möchten uns bei Herrn Siekmann herzlich für
8     Sofia Heitkamp, Der Wind                                                  Geschichte eingehen wird, als Beginn einer         das Verfassen des Nachrufs bedanken, der in
8     Sofia Heitkamp, Der Mond                                                  „neuen Normalität“, deren Helden zuhause           diesem Heft abgedruckt ist.
8     Lioba Fritzen, Meine Musik                                                auf dem Sofa oder vor dem Computer sitzen.
8     Jule Räder, Zeit zu gehen                                                 Die ihre Unerschrockenheit und Tapferkeit          Finanzielle Unterstützung für den Druck der
10    Zerline Clara Probst, Fort                                                im täglichen Widerstreit unterschiedlichster       Anthologie und die Durchführung der Work-
                                                                                Herausforderungen aus Homeoffice, Kinder-          shops, die wie so Vieles in diesem Jahr auf
2     KATEGORIE: WAHN-SINNIG                                                    betreuung oder Fernunterricht beweisen. Die        einen späteren Zeitpunkt verschoben werden
                                                                                ihren Edelmut dadurch zeigen, dass sie die         müssen, bekommen wir auch in diesem Jahr
12    Lea Grotehans, Ich bin Torsten                                            letzte Packung Toilettenpapier oder Nudeln im      dankenswerter Weise von der Sparkasse Bie-
12    Julia Wilhelm, Ein Tag mit meiner Schwester                               leeren Supermarktregal liegen lassen, statt sie    lefeld. Vielen Dank an den Sponsor, der diesen
15    Mia Lilly Stührenberg, Schauriges Halloween                               zuhause zu stapeln.                                Wettbewerb erst möglich macht.
19    Alexa Kitzelmann, Ich bin wahnsinnig                                      Eine Normalität, die bisweilen „wahn-sinnig“
20    Franka Janssen, Aber es ist die Wahrheit                                  machen kann.                                       Ein weiteres großes Dankeschön geht an die
                                                                                So fügen sich die Themen des diesjährigen 42.      jungen Autorinnen und Autoren, die uns jedes
                                                                                Jugend-schreibt-Wettbewerbs, die noch in der       Jahr wieder ihr Vertrauen schenken und ihre
24    KATEGORIE: 13                                                             „alten Normalität“ entstanden sind, schließlich    Texte einsenden (in diesem Jahr erneut 60 Bei-
                                                                                doch sehr gut in die „neue Normalität“, die mit    träge).
24    Julia Wilhelm, Bitte lies mich!                                           dem Lockdown vor (Stand jetzt) genau „13“
26    Bengin Korkmaz, Dreizehn Jahre                                            Wochen begonnen und viele Menschen auch            Wir hoffen sehr, dass sich viele Leser*innen
27    Nele Giselle Pach, 13 Lampen                                              zum Schreiben sog. „Corona-Lyrik“ animiert         durch diese Sammlung ermutigt fühlen und
32    Ida Klüter, 13 Jahre                                                      hat.                                               im nächsten Jahr Lust und Mut haben, am 43.
                                                                                                                                   Wettbewerb „Jugend schreibt“ teilzunehmen.
                                                                                Die Teilnehmer*Innen und Preisträger*Innen         Denn dieser wird auch in der „neuen Normali-
                                                                                des diesjährigen Jugend-schreibt-Wettbewerbs       tät“ fortbestehen.
                                                                                mussten jedoch nicht erst durch ein Virus zum
                                                                                Schreiben motiviert werden, sie haben sich         Die in diesem Heft abgedruckten Bilder wur-
                                                                                bereits einige Zeit vor dem Ausbruch der Pan-      den von der Jahrgangsstufe 7 im Kunstunter-
Juroren:                                                                        demie daran gesetzt, ihre Gedanken, Gefühle        richt von Herrn Lindemann gestaltet.
Kathrin Bödding                                                                 und Ideen zu den oben genannten Themen
Peter Bornhöft                                                                  zu Papier zu bringen. Herausgekommen sind          Mit besten Grüßen,
Matthias Bronisch                                                               dabei erneut einige fantasiereiche, bewegende      Maren Bruns und Jennifer Pieper
Ralf Burnicki                                                                   oder witzige Erzählungen und Gedichte, aus
Anja Debrow                                                                     denen die Jury unter Berücksichtigung der          KATEGORIE: AUFBRUCH
Ulla Linnemann                                                                  Altersstufen wieder die in ihren Augen besten
Julia Ovesiek
Dr. Andreas Siekmann

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Jugend schreibt Biefefeld 2019/2020 - Helmholtz-Gymnasium Bielefeld
NACHRUF AUF
                                JUTTA STÜBER (1956-2019)
                                Freudige Überraschung war es, die unsere
                                Wiederbegegnung erfüllte, nachdem wir uns
                                mehrere Jahre nicht gesehen hatten.
                                Überraschung insofern, als wir uns aus ganz
                                anderen Zusammenhängen kannten: Sie als
                                Lehrerkollegin, ich als Kollege und Schulleiter,
                                an dessen Schule sie tätig war. Freudig inso-
                                fern, als uns von Beginn an nicht nur durch
                                das nahezu gleiche Lebensalter eine tiefe Sym-
                                pathie verband.
                                Was ein Nachruf nicht geben kann, war Frau         betraf. Unglaublich ausdifferenzierte, indivi-
                                Stübers eigentliche Domäne: das persönliche        duelle Kommentare zu Klausuren gehörten
                                Gespräch. Sie führte es und beteiligte sich an     hierzu genauso wie ungezählte Stunden als
                                ihm offen, wach, setzte Impulse gleicherma-        psychosoziale Beratungslehrererin, ein Amt,
                                ßen, wie sie sie auch empfing und aufnahm,         das sie nach Beurlaubung des zuvor zuständi-
                                konnte in Gesprächen ernst wie humorvoll –         gen Kollegen mehr als ausfüllte.
                                ja, sogar lustig sein.                             Nachdem sie unsere Schule wegen des fehlen-
                                Obwohl sie aus privaten Gründen in der Schu-       den Stundenkontingents verlassen musste, traf
                                le keine dauerhafte Anstellung bekam, reichte      ich sie
                                ihr Engagement weit über den Lehreralltag hi-      zwei Jahre später in der Jury des „Jugend
                                naus, vor allem, wenn es direkt „ihre“ Schüler     schreibt-Wettbewerbs“ wieder, wo sie sich in
                                                                                   einem ganz anderen Gebiet, aber mit ähnlich
                                                                                   großem Engagement einsetzte. Insbesondere
                                                                                   bei den Jugendlichen in den von ihr geleiteten
                                                                                   Workshops hinterließ sie Spuren: literarisch
                                                                                   kritisch, aber nie verletzend. Aufgrund ihres
                                                                                   völlig überraschenden Todes am 1. August
                                                                                   2019 fühlen wir die Lücke, die Jutta Stüber in
                                                                                   unserer Jury hinterlässt, um so deutlicher.

                                                                                   Andreas Siekmann

6   Jugend schreibt 2019/2020   Jugend schreibt 2019/2020                                                                      7
Jugend schreibt Biefefeld 2019/2020 - Helmholtz-Gymnasium Bielefeld
Kategorie: Lyrik                                Manchmal tanz´ ich mir auch die Füße weg,         Das auch mit mir                     Ich erinnere mich an das Kuscheln
                                                bei guter Laune bis zum letzten Track.                                                 Und das Lachen
Sofia Heitkamp (2008)                           Am besten kann ich mich mit Leuten faszinie-      Doch ich wollte dich nie verlieren   An die schlechten Witze
                                                ren,                                              Ich wollte nur bei dir sein          Und das Albern sein
DER WIND                                        wenn sie zusammen mit mir fröhlich musizie-       Dir in die Augen schauen             Alles das was mir wichtig war
                                                ren.                                              Doch jetzt bin ich allein            Du
Ein warmer Wind weht übers Feld
                                                Das ist, wo ich die beste Laune bei krieg´.       Weil du gegangen bist                Du bist jetzt fort
und klingt wie eine Melodie
                                                Du machst mir Mut: Meine Musik!                   Weil du fortgingst                   Ohne ein Wort
Es ist vollkommen und versonnen
                                                                                                  Weil du nicht warten konntest        Und ich bin allein
so wundervoll war es noch nie
                                                Ob ich lach´ oder wein´,                          Du bliebst einfach nicht stehen      Ohne dich muss ich jetzt sein
                                                mit dir ist niemand allein.                       Du gingst weiter
Die Blätter die im Winde wehen
                                                Ohne Worte kannst du alles sagen.                 Ohne dich umzudrehen                 Manchmal da fühle ich mich
Die Bäume die dort schützend stehen
                                                Ob ich sing´ oder tanz´,                                                               Im Stich gelassen
Übers Land die Wolken fliegen
                                                am schönsten in deinem Glanz.                     Ohne einen Blick über die Schulter   Ich würde dich gerne dafür hassen
Auf dem Grase Blumen liegen
                                                Alle Farben kannst du heute tragen.               Ohne ein Tschüss oder Goodbye        Doch es geht nicht
                                                Ob dunkel, ob hell,                               Bist du einfach dran vorbei          Denn ich liebe dich
                                                ob langsam, ob schnell.                           Nicht nur an mir                     Für das was du warst
Sofia Heitkamp (2008)
                                                Bist wunderschön, auch wenn man dich nicht        Auch an allem anderen                Und auch für das
DER MOND                                        sieht.                                            Vorüber, vorbei                      Was du jetzt auch immer sein magst
                                                Ob mit tieferen Bässen,                                                                Du hast einen Platz in meinem Herzen
Der Mond scheint auf die Erde                   auf Konzerten und Messen.                         Zu den vergangenen Geschichten       Einen Logenplatz
Und erhellt die dunkle Nacht                    Für jeden hast du das schönste Lied!              Bist du gegangen                     Fast ganz hinten
Die Dunkelheit wird hell                                                                          Zu den höheren Mächten               In der Mitte
Mit der Mondscheinmacht                         Zu Musik kann man tanzen,                         Dem Himmel                           Ja, der beste Platz ist für dich
                                                bei Bässen und bei Romanzen.                      Oder vielleicht doch der Hölle?      Weil verdammt
Ein heller Strahl fällt auf das Feld            Man kann sie hör´n und alles tun,                 Ich werde dich nie wiedersehen       Ich liebe dich
Und taucht das Land in helles Licht             manch einer mag es sich auszuruh´n.               Nicht in dieser Gestalt
Wie verzaubert sieht es aus                     Man kann auch selber musizieren,                  Und nicht in diesem Leben            Und auch deswegen
Und die Dunkelheit, die schafft dies nicht.     oder Musik dirigieren,                                                                 Werde ich dich nie vergessen
                                                Lieder selber komponieren,                        Ich werde dich vermissen             Du bist nicht wie eine Kerze
                                                oder Musik sogar studieren…                       Auf immer und ewig                   Die abbrennt
                                                Und so geht´s immer weiter                        Auf all meinen Wegen                 Und dann entsorgt wird
Lioba Fritzen (2004)                            auf der großen Tonleiter…                         Werde ich dich missen                Du bist nicht wie Schnee
                                                Siehst du es nicht? Ich flieg´!                   Und dich nie wieder                  Der in der Sonne schmilzt
MEINE MUSIK                                     Mit dir: Meine Musik!                             Auf gar keinen Fall                  Und zu Wasser wird
                                                                                                  Werde ich vergessen                  Um dann einzusickern
Wenn ich dich höre kriege ich Gänsehaut.                                                          Wer du warst                         Und zu gehen
War oft verzweifelt – Du hast mich aufgebaut.   Jule Räder (2003)                                 Denn du bist mir wichtig             Nein
Viele tolle Momente habe ich dir zu verdan-                                                       Ob du nun wirklich da bist           Du bist besser
ken.                                            ZEIT ZU GEHEN                                     Oder doch nur ein Teil von dir       Denn du bist solange geblieben
Du brachtest mich auf andere Gedanken.                                                            geblieben ist                        Wie du nur konntest
Nur ein Lied – und schon geht´s mir besser.     Ich hab dir nie gesagt
                                                                                                                                       Du hast solange gewartet
Für mich bist du wie ein Sorgenfresser.         Wie wichtig du mir warst
                                                                                                  Ich trage dich in meinem Herzen      Wie es dir möglich war
Und egal wie nah ich schon dem Boden lieg,      Ich hatte keine Zeit
                                                                                                  Wenn auch manchmal mit Schmerzen     Doch jetzt
Du ziehst mich hoch: Meine Musik!               Sie flog vorbei
                                                                                                  Denke ich an dich                    Jetzt bin ich allein
                                                Ich konnte dich nicht retten
                                                                                                  Und an unsere Zeit                   Jetzt muss ich ohne dich sein
Wenn ich dich höre, sing´ ich gerne mit.        Vor diesem Geschehen
                                                                                                  So eine wundervolle und lustige
Bei kleinen Liedern und beim größten Hit.       Irgendwann passiert
                                                                                                  Freudige und gemeinsame Zeit         Doch ich darf nicht böse auf dich sein

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Jugend schreibt Biefefeld 2019/2020 - Helmholtz-Gymnasium Bielefeld
Denn es ist nicht deine Schuld           Zu deinem Grab zu gehen
Ich weiß nicht                           Und vor dir zu stehen
Ob du gehen wolltest                     Die Schrift zu lesen
Oder ob du einfach nur stehen wolltest   Ohne rennen zu wollen
Ich weiß nicht                           Und zu realisieren
Wie es dir am Ende erging                Das war alles kein schlimmer Traum
Oder wie es zu Ende ging
Ich weiß nur                             Jetzt hab ich dich verloren
Dass du gingst                           Ich kann nicht mehr bei dir sein
Ohne mich                                Dir nicht in die Augen schauen
Und für mich viel zu früh                Ich bin jetzt wirklich allein
Doch du sagtest immer:                   Doch ich denk an dich
„Mach dir keine Sorgen.                  Die ganze Zeit
Was du heute kannst besorgen,            So holt mich auch nicht
das verschiebe entspannt auf morgen.“    Die Einsamkeit
Du wolltest, dass ich bleibe
Doch als ich blieb                       Letztendlich hab ich dir nie gesagt
Gingst du                                Wie wichtig du mir warst
Und als ich dann auch ging               Ich hatte keine Zeit
Warst du schon weg                       Sie flog vorbei

Ja
Du warst schon weg                       Zerline Clara Probst (2001)
Ich kam zu spät
Und du kommst nicht zurück
                                         FORT
Nie wieder
                                         Es schaudert mir vor deiner Gestalt
Einfach kein Wiedersehen
                                         Denn wo einst Vögel vermochten zu singen
Auch wenn ich geh
                                         Wagt nun keine Blume mehr zu blüh‘n
Und dir folge
                                         Dort will kein Baum mehr Wurzeln schlagen
Ich konnte dir nicht Tschüss sagen
                                         Dort im Land, wo kühle Winde weh’n
Konnte dir nicht sagen
                                         Führ mich fort, nur fort
Wie sehr ich dich liebe
                                         An jenen Ort
Wie wichtig du mir bist
                                         Den ich so sehr ersehne mir
Und das ich dich vermiss
                                         Nach dem mein Geist verlangt
                                         Der gefangen ist im Jetzt und Hier
                                         An dem kein Graus, kein Spuk
                                         Die Vögel stört
Als du gingst
                                         An dem die Wolken gleiten
War ich traurig
                                         Dort, wo man Blumen blühen hört.
Trauer erfüllte mich
Ich weiß auch nicht
Ich fühlte mich leer
So unfassbar leer
Wie schon lange nicht mehr

Doch ich trau mich nicht
Ich trau mich nicht
Dich besuchen zu gehen

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Jugend schreibt Biefefeld 2019/2020 - Helmholtz-Gymnasium Bielefeld
Kategorie: wahn-sinnig                             Aber meistens kam nur ein „Ist das jetzt wirk-       greife nach meinem Handy. Eine Notiz und            so zu tun, als habe er das nicht gehört. Ich kann
                                                   lich dein Ernst?“ oder „Siehst du das nicht?!        einige Nachrichten ploppen auf. Die Notiz           nicht anders und muss losprusten. Für solche
Lea Grotehans (2008)                               Hör auf jeden zu nerven mit deinen Albereien         wische ich weg und konzentriere mich auf die        unnötigen, vollkommen impulsiven Kommen-
                                                   und sei wieder normal“. Unter anderem auch           Nachrichten. Meine Eltern teilen mir mit, dass      tare liebe ich meine Schwester.
ICH BIN TORSTEN                                    von Sabine und als sie das gesagt hat, blieb mir     sie heute Abend zurück kommen werden. Sie           Jetzt stehen wir vor einer großen, geöffneten
                                                   der Mund offen stehen. Ich hab sie noch nie          fuhren für eine Woche zu meiner Oma nach            Holztür. Davor hängt ein Plakat: Bilder von
Hallo,
                                                   so etwas zu mir sagen hören. Nun fing auch           Berlin. Ich durfte wegen der Schule natürlich       Louis Wain- Verfolgen Sie die Entwicklung
mein Name ist Torsten und ich möchte dir
                                                   ich an zu weinen denn ich war jetzt wirklich         nicht mitkommen. Die anderen beiden Nach-           seiner Motive von 1907 bis 1939.
gerne etwas erzählen. Es bedrückt mich schon
                                                   am Boden zerstört. Ich meine, ich enttäusche         richten sind von meiner Freundin Leo. Sie will      Die gesamte Ausstellung besteht aus jeder
etwas länger und da meine Mama mir immer
                                                   alle, niemand mag mich mehr – nicht mal mehr         wissen, ob sie mich heute ins Museum beglei-        Menge Katzenbilder. Louis Wain hatte wohl
gesagt hat, ich solle mit jemandem darüber
                                                   meine beste Freundin Sabine, man muss wahr-          ten soll. Bereits seit drei Tagen hat eine neue     eine stark ausgeprägte Vorliebe für diese Tie-
reden, wenn es mir nicht gut geht, tu ich das
                                                   scheinlich nur an mich denken und hat direkt         Ausstellung in unserem Kunstmuseum eröff-           re. Es sind die verschiedensten Motive dabei.
jetzt. Bitte höre mir zu! Es geht mir schon seit
                                                   schlechte Laune so, wie sich hier alle beneh-        net, die ich unbedingt sehen will. Ich verneine,    Vor einem Bild bleibe ich etwas länger stehen.
etwas längerem nicht so gut. Früher war ich
                                                   men. Und gestern ist auch noch mein kleiner          weil ich bereits weiß, mit wem ich sie besichti-    Es ist ein Gewirr aus den verschiedensten
immer glücklich, habe andere auch glücklich
                                                   Hase Mr. Grumble erkrankt. (Die Chancen              gen möchte. Plötzlich klopft es an der Tür. Na      Mustern und Farben. „Ich versuche wirklich
gemacht mit dem, was ich mache und mein
                                                   stehen sehr schlecht für ihn… Ich hoffe es geht      wenn man vom Teufel spricht. „Tess!“, lache ich     es zu entziffern…“, flüstere ich, den Blick im-
Leben war bis heute auch eigentlich unbe-
                                                   ihm bald besser) Ich bekomme echt nichts            und öffne die Tür um meine Schwester rein-          mer noch auf dieses künstlerische „Meister-
schwert…aber seit ein paar Tagen, Wochen
                                                   mehr auf die Reihe. Vorhin war auch noch             zulassen, die mich, sobald sie über die Tür-        werk“ gerichtet. „Elena, es kann doch nur ne
werde ich nicht mehr angelacht und mir wer-
                                                   mein bester Freund Sebastian bei mir, weil er        schwelle getreten ist, fröhlich umarmt. Sie ist     verdammte Katze sein!“, ruft Tess mir zu, die
den keine Witze mehr erzählt, wenn man mit
                                                   gemerkt hat, dass etwas nicht mit mir stimmt.        mindestens genauso aufgeregt wie ich, die neue      gerade dabei ist, sich ein anderes Werk anzu-
mir redet, dann nur noch schreiend oder mit
                                                   Sebastian ist Elektriker. Er ist wie ich und wir     Ausstellung heute zu besichtigen. „Du erstickst     schauen. „Mann dieser komische Louis kann
Tränen und Enttäuschung in den Augen. Als
                                                   verstehen uns wie Pech und Schwefel! Sebasti-        mich fast mit deinen Locken!“, lache ich in ihr     bestimmt einfach nichts anderes malen!“, be-
ich noch kleiner war, dachte ich immer, dass
                                                   an hat mir gesagt, ich solle nicht so viel auf an-   Haar hinein. Meine Schwester ist ein bisschen       schwert sie sich lauthals. Ich muss kichern. Sie
meine beste Freundin Sabine gerade am Ko-
                                                   dere hören, sondern mehr auf mein Bauchge-           kleiner als ich, hat aber die krausesten Haare,     hat bestimmt mehr als diese bunten Katzen-
chen ist, irgendwo Zwiebeln aufgestellt hat und
                                                   fühl und mein Herz. Vielleicht hat er ja recht.      die ich je gesehen habe. Wenn ich an sie den-       bilder erwartet. Und ich ehrlich gesagt auch.
deshalb weint. (Sie hat mir mal gesagt, dass sie
                                                   Doch so sehr er mich auch mag, auch er sagte         ken muss, sind ihre pechschwarzen Locken ihr        Schnell gehe ich zu ihr herüber und mache sie
davon weinen muss. Ich finde das komisch, bei
                                                   „Ich glaube du hast eine Schraube locker!“ Ich       Hauptmerkmal.                                       mahnend darauf aufmerksam, dass die Leute
mir ist das nicht so. Aber ich bin froh darüber.
                                                   wollte gerade fragen, was er damit meint, doch       Nach dem Frühstück steigen wir in den Bus           uns alle schon anstarren würden. „Ach das
Ich hätte keine Lust so oft heulen zu müssen)
                                                   ehe ich mich versah, öffnete er mich und ver-        und freuen uns auf den Besuch im Kunstmu-           juckt doch eh keinen! Wir sind ja hier nich
Doch als Sabine dann auch anfing, mich anzu-
                                                   stellte meinen Timer, da er immer fünf Minu-         seum.                                               inner Schule!“. Dieses Verhalten ist so typisch
schreien, wusste ich, dass es an mir und nicht
                                                   ten länger ging, als er eigentlich sollte. Mir war    Es gibt nur eine kurze Schlange an der Kasse       Tessa. „Ganz ehrlich, ich hab kein Bock auf
an Zwiebeln liegen muss. Die nächste Zeit
                                                   immer alles verbrannt und das machte meine           und allgemein ist das Museum nicht wirklich         diesen langweiligen Katzen- Scheiß hier. Lass
überlegte ich…Ich überlegte was ich falsch ge-
                                                   Freunde traurig. Plötzlich sagte Sebastian mit       gut besucht. „Ein Schüler macht 3,50€“, sagt        uns gehen.“. Ich weiß, dass Wiederworte bei ihr
macht haben könnte. Doch mir fiel nichts ein.
                                                   einem Schmunzeln: „Ach Torsten! Du bist und          die Kassiererin mit einer gespielten Freund-        sowieso nichts bringen, also machen wir uns
In den nächsten Tagen bemerkte ich, dass sich
                                                   bleibst einfach mein Lieblingstoaster“              lichkeit. „Die scheint ja für ihren Job zu bren-    auf den Rückweg. Bevor wir halb enttäuscht,
immer mehr und mehr Leute in meiner Umge-
                                                                                                        nen.“, flüstert meine Schwester Tessa mir zu, als   halb amüsiert nach diesem Ausstellungsbesuch
bung komisch benahmen und oft sah ich nur
                                                                                                        wir uns vom Kassentresen abwenden um die            zum Bus gehen, haben wir noch beschlossen
noch schwarz vor Augen. Das hab ich noch nie
                                                                                                        Ausstellung zu betreten. Ich kann ein Schmun-       mir ein Eis zu kaufen und ein wenig spazieren
in meinem ganzen Leben gesehen oder gefühlt.
                                                   Julia Wilhelm (2005)                                 zeln nicht unterdrücken. „Hallo junge Dame,         zu gehen.
Was war nur los mit mir?! Ich machte meine
                                                                                                        hätten Sie Lust auf eine kleine Führung?“,          Meine Schwester und ich schlendern an die-
Freunde traurig und das zerstörte mich. Das        EIN TAG MIT MEINER                                   quatscht uns ein hochgewachsener Mann mit           sem sonnigen Frühlingstag bis in den Abend
war das, von dem ich mir gewünscht hatte,
dass es niemals eintreten würde und trotzdem
                                                   SCHWESTER                                            Flyer in der Hand an. „Nein, wir kommen             hinein durch die Innenstadt. Wir reden die
                                                                                                        schon klar.“, entschuldige ich uns. „Ich wette      ganze Zeit. Manchmal schauen uns die Leute
passiert es. Womit hab ich das verdient, die
                                                   Ein Tag mit meiner Schwester Ich blinzele ge-        der hat was mit der Kassiererin. Beide sehen        komisch an, aber mittlerweile ist mir das egal.
Menschen die ich liebe zu verärgern oder trau-
                                                   gen das Sonnenlicht an, das durch das Fenster        aus wie absolute Idioten, wenn sie auf freund-      Es geht ja nicht um die Leute, sondern um
rig zu machen. Sie sind bestimmt enttäuscht
                                                   in mein Zimmer hineinscheint. Nach einem             lich tun. Findste nich?“, flüstert Tessa etwas zu   uns beide. Wir konnten diese Schwesternzeit
von mir. Manchmal frage ich meine Freunde,
                                                   ausladenden Gähnen setze ich mich auf und            laut. Wir schauen zum Mitarbeiter zurück und        schon so lange nicht mehr genießen. „Ein Kin-
wieso sie solch einen Hass auf mich verspüren.
                                                                                                        sehen beide direkt, dass er krampfhaft versucht     derticket bitte.“, kaufe ich mir beim Busfahrer

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Jugend schreibt Biefefeld 2019/2020 - Helmholtz-Gymnasium Bielefeld
noch ein Ticket für die Rückfahrt.                   ner Schwester. Ich schließe die Augen, warte       Mia Lilly Stührenberg (2005)                       Das Kind war am Ende. Es schrie verzweifelt,
Gegen 20.00 Uhr kommen wir Zuhause an. Be-           bis das Piepen verschwindet. Stille. „Geh jetzt                                                       schüttelte den Kopf, während aus den Augen
vor ich auf die Klingel drücken kann, schwingt       bitte in dein Zimmer und nimm dein Medika-
                                                                                                        SCHAURIGES HALLOWEEN                               Tränen rannen und sich mit dem Schweiß auf
die Tür auf und meine Mutter kommt auf uns           ment.“, seufzt meine Mutter resigniert. In ihren                                                      den Wangen vermischten.
                                                                                                        „Macht es tot! Macht es tot! Macht es tot!“ Sie
zu und umarmt mich ohne zu zögern. „Oh Elli,         Augen liegt pure Enttäuschung und ihr Atem                                                            Urplötzlich wurde es ruhig.
                                                                                                        standen vor dem Kind und schrien. Immer öf-
ich hatte so Angst! Wir haben mit Leo telefo-        ist flach und unkontrolliert. Langsam formt                                                           Keine Stimme war mehr zu hören. Alles war
                                                                                                        ter und hektischer wiederholten sie diesen ei-
niert und sie sagte du könntest alleine losge-       sich eine Träne in ihrem Auge. Ich wende mei-                                                         still. Totenstill. Selbst das Atmen schienen die
                                                                                                        nen Satz, der wie eine Woge gegen das Kind
gangen sein.“, schluchzt sie, während wir immer      nen Blick ab. Ich kann meine Mutter einfach                                                           Anderen eingestellt zu haben. Allerdings nur
                                                                                                        schwappte und es nervlich dem Ende entge-
noch im Türrahmen stehen. Auch mein Vater            nicht weinen sehen. Als ich mich in Richtung                                                          für Sekunden, dann waren die schweren Atem-
                                                                                                        gentrieb.
kommt angelaufen und gesellt sich zu unserer         Flur umdrehe, sehe ich noch meinen Vater,                                                             züge wieder zu hören. Flüsternde Stimmen
                                                                                                        „Macht es tot! Macht es tot…!“Die Angst ver-
Umarmung hinzu. Doch anstatt meine Eltern            der sie fest in den Arm nimmt. Ich folge ihrer                                                        geisterten durch die Halle. Dazwischen ein nur
                                                                                                        zerrte das Gesicht des Angesprochenen. Von
ebenfalls zu umarmen, schiebe ich sie von mir        Aufforderung. Ich gehe in mein Zimmer und                                                             wenig unterdrücktes Lachen, dass sich anhörte
                                                                                                        den Anderen sehr deutlich zuerkenne, weil
weg. „Ich war nicht allein!“, schreie ich aus vol-   öffne einen kleinen Wandschrank. Ich nehme                                                            wie ein Glucksen. Das Kind stand am Fens-
                                                                                                        sich das Licht der Taschenlampe auf die Züge
lem Hals. Und im selben Moment, indem ich            ein Döschen heraus, schütte einige Tabletten                                                          ter. Seine Knie zitterten. Die Haare klebten
                                                                                                        konzentrierte. Das Licht blendete auch, so dass
diese Worte ausspreche, weiß ich, dass ich es        in meine Hand und schlucke sie nacheinander                                                           schweißnass am Kopf, der Mund stand offen.
                                                                                                        es dem Kind nicht möglich war, seine Peiniger
irgendwann bereuen würde sie geschrien zu            runter. Meine Hand zittert, ich spürte, wie eine                                                      Über die Lippen floss der Atem stoßweise. Das
                                                                                                        zu erkennen.
haben. Aber zurücknehmen werde ich sie auf           Träne auch meine Wange hinunterrollt. „Es tut                                                         Kind hatte die Hände zusammengekrampft
                                                                                                        Und die Stimmen hallten. Immer wenn diese
keinen Fall. „Ich war nicht allein!“, wiederhole     mir Leid, Tessa“, hauche ich, als ich das Me-                                                         und durch das offene Fenster fuhr der kalte
                                                                                                        schrecklichen Worte geschrien wurden, ka-
ich nochmals mit fester Stimme. Mein Blick ist       dikamentendöschen zurückstelle, „Kannst du                                                            Wind. Draußen lag die Dunkelheit, still und
                                                                                                        men sie als Echo zurück, vermischte sich mit
starr auf meine Eltern gerichtet. Und auf einen      bei mir bleiben bis du gehen musst?“. „Ja, ist                                                        leise. In dem großen Park brannte nicht ein
                                                                                                        den nachfolgenden, gerufenen Sätzen und
Schlag ist alles anders. Meine Mutter greift         okay. Du weißt, dass das die richtige Entschei-                                                       Licht. Es war dort unheimlich und gespens-
                                                                                                        wurde für das Opfer zu einem Wirbel des
nach meinem Arm. Viel zu fest, als es hätte          dung ist. Und du weißt auch, dass ich nur aus                                                         tisch. Bäume und Büsche schienen zu Geistern
                                                                                                        Schreckens. Es wusste nicht, wohin es sollte.
sein müssen. Ohne Rücksicht zieht sie mich ins       deinem sichtbaren Umfeld verschwinden wer-                                                            zu werden, die aus einer anderen Welt gekom-
                                                                                                        Mit dem Rücken lehnte es hart gegen die Fens-
Haus. „Elena!“, ruft Tess verzweifelt und greift     de. Ich werde immer ein Teil von dir sein. Wir                                                        men waren.
                                                                                                        terbank. Durch das geöffnete Fenster fuhr kalt
nach meiner freien Hand. Erst im Wohnzim-            sind doch Schwestern.“ Auf einmal klingt ihre                                                         War der Terror zu Ende? Das Kind wollte es
                                                                                                        der Wind. Er griff in den Nacken des Kindes
mer lässt meine Mutter meine Hand los. Doch          Stimme weich und liebevoll. Sie blickt zu mir                                                         nicht glauben. Es schluckte und hob den Blick.
                                                                                                        und es spürte die Kühle auf der schweißnassen
der Schmerz ihres Griffes wird noch lange            hoch und streicht mir die Tränen aus dem Ge-                                                          In diesem Moment wurde es angesprochen.
                                                                                                        Haut.
nachhallen.Tess steht neben mir, umklammert          sicht. Wir legen uns zusammen auf mein Bett.                                                          Eine wispernde Stimme sagte:
                                                                                                        Der Psycho-Terror ging weiter. Irgendjemand
meine Hand fest, aber liebevoll. Sie gibt mir        Wir halten uns an den Händen. Und schließen                                                           „Hallo, kleine Angela, hörst du mich?“ Das
                                                                                                        gab den Befehl, die Lampen zu drehen und die
Sicherheit. „Wieso musst du uns das antun?!“,        unsere Augen.                                                                                         Mädchen zuckte hoch. Es hob den Kopf. Da
                                                                                                        Anderen folgten dem Beispiel. Plötzlich wir-
schreit meine Mutter mich an, „Wieso tust du                                                                                                               hatte jemand seinen Namen gerufen, aber An-
                                                                                                        belten die Lichter über seinen Körper, streiften
nicht einfach mal das, was gut für dich ist?“. Ich   Am Morgen bin ich wieder alleine. Nur noch                                                            gela konnte die Stimme nicht identifizieren.
                                                                                                        das Gesicht, zuckten auf und nieder und mit
schweige. „Wir haben Geld in die Behandlung          meine geschwollenen Augen erinnern dar-                                                               „Angela?“
                                                                                                        einer Geste der Verzweiflung, riss das Mäd-
investiert. Du solltest dein Glück zu schätzen       an, dass ich gestern den unbeschwertesten,                                                            „Ja?“
                                                                                                        chen beide Arme hoch, um sein Gesicht zu
wissen!“, jedes ihrer Worte pulsiert in meinem       schönsten, aber auch schmerzvollsten Tag                                                              „Weißt du, wer ich bin?“
                                                                                                        schützen.
Kopf, „Oma konnte nicht so behandelt wer-            meines ganzen Lebens erlebte. Jetzt bin ich                                                           „Nein“, hauchte die Kleine und ein Schauer
                                                                                                        „Hört doch auf !“, wimmerte es.
den! Und du weißt, was aus ihr geworden ist!“,       wieder ein einsames Einzelkind. Ich ziehe die                                                         rann über ihren Körper.
                                                                                                        „Bitte, lasst mich in Ruhe! Ich habe euch doch
ich muss die Augen schließen, versuche ihren         Decke zurück und setze mich auf. Ich blicke auf                                                       „Du weißt es wirklich nicht?“ Angela schüttelte
                                                                                                        nichts getan…“.
Worten nicht so viel Gewicht zu geben, „Hör          mein Handy. Eine Notiz: Bitte einnehmen!!!:                                                           den Kopf.
                                                                                                        „Macht es tot! Macht es tot...!“immer wieder
auf dich selbst zu hintergehen! Wir haben doch       „Neuroleptika – antipsychotische Wirkung bei                                                          „Dann will ich es dir sagen“, raunte die Stimme.
                                                                                                        brandeten die Worte dem erbarmungswürdi-
extra diese Notiz-App als Erinnerung für dich        Schizophrenie“.                                                                                       „Hör genau zu und du wirst merken, wie selt-
                                                                                                        gen Opfer dieses Terrors entgegen, als wollten
eingestellt! Wir tun doch alles, damit es funk-                                                                                                            sam ich klinge. Weißt du, weshalb ich so selt-
                                                                                                        sie die Seele zerstören. Dazwischen gellte ein
tioniert! Wir tun alles, damit du funktionierst!                                                                                                           sam Klinge?“
                                                                                                        Lachen auf. In der hohen Halle gab es nicht
Dir ist klar, dass du damit die Erfolgschancen                                                                                                             „Nein!“ Die Antwort klang gequält.
                                                                                                        nur das Licht der Taschenlampen, sondern
minimierst ja?!…“. Ihr Stimme wird zu einem                                                                                                                „Weil ich deine Mutter bin, Angela!“ Deine
                                                                                                        auch die gespenstischen Schatten, die bizarre
schrillen, hohen Ton. Ich müsste mir die Oh-                                                                                                               Mutter, hatte sie gesagt. Angela stand da, wie
                                                                                                        Muster auf die Wände zeichneten.
ren zuhalten, aber stattdessen halte ich es aus                                                                                                            erstarrt. Die Worte flossen durch ihr Gehirn.
                                                                                                        „Hört auuuuuuuff !“
und umklammere noch fester die Hand mei-                                                                                                                   Da hatte jemand von ihrer Mutter gesprochen.

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Jugend schreibt Biefefeld 2019/2020 - Helmholtz-Gymnasium Bielefeld
Aber das ging nicht. Nein, das war nicht mög-      Farbe an. Es schien keine natürliche Lichtquel-
                                 lich. Sie konnte nicht ihre Mutter sein. Nie-      le zu besitzen, musste von einer Fackel oder
                                 mals! „Du bist es nicht!“, schrie Angela. Ihre     Kerze stammen, wie Angela plötzlich zu wis-
                                 Stimme hallte laut durch den Flur.                 sen glaubte. War es tatsächlich ihre Mutter?
                                 „Du bist niemals meine Mutter!“                    Nein das, das durfte nicht wahr sein. Mutter
                                 “Und weshalb nicht?“                               war tot, die stand nicht aus dem Grab auf…
                                 „Sie ist tot!“, brüllte Angela. „Meine Mutter      „Deine Mutter!“, unterbrach eine wispernde
                                 lebt nicht mehr! Sie kann nicht zurückkom-         Stimme die Stille.
                                 men! Man hat sie getötet! Sie ist im Himmel...“    „Deine Mutter kommt. Ihre Seele hat sich aus
                                 Ein hohes Kichern unterbrach die Stimme            den Tiefen der Hölle gelöst, um dich zu su-
                                 des Mädchens. Zuerst lachte nur eine Person,       chen, Angela…“
                                 dann stimmten die Anderen ebenfalls mit ein,       Das Mädchen hatte sich auf die Stimme kon-
                                 bis sie abrupt stoppten. Die Stimme sagte:         zentriert und das Licht für diese Zeitspanne
                                 „Nein, sie ist nicht im Himmel, sie ist aus der    aus den Augen verloren. Nun schaute Angela
                                 Hölle zurückgekehrt, Angela. Hörst du: Aus         wieder hin und bekam den Schock ihres Le-
                                 der Hölle!“                                        bens. In fast greifbarer Nähe war das Licht
                                   Das Kind hob die Hände. Es spreizte die          zur Ruhe gekommen. Nein, das konnte nicht
                                 Finger, sein Mund öffnete sich und es schrie:      ihre Mutter sein, dass ging nicht, denn vor ihr
                                 „Hört auf, verdammt! Ihr sollt aufhören. Ich       schwebte eine grässliche Fratze. Eine Maske!
                                 will nicht, dass ihr…“                             Sie sah aus wie ein Kürbis, der von Innen aus-
                                 „Gleich kommt sie...“ Angela versteifte sich.      gehöhlt war. Mann hatte aus der „Haut“ Augen,
                                 Bisher hatte sie dem Druck wiederstehen kön-       Mund und Nase herausgeschnitten und in das
                                 nen und war noch nicht zusammengebrochen.          Innere des Kürbisses eine Kerze gestellt. Das
                                 Nun aber spürte sie, dass es allmählich dem        flackernde Licht ließ der Phantasie eines sen-
                                 Ende zuging. Sie konnte die schrecklichen          siblen Menschen freien Lauf, so dass Angela
                                 Belastungen nicht mehr ertragen. Sie muss ir-      glaubte, die Maske wäre mit einem unheimli-
                                 gendetwas tun, sonst drehte sie noch durch.        chen Leben erfüllt! Vielleicht vom Geist ihrer
                                 „Du kannst sie sehen, kleine Angela! Schau         Mutter? Sie verkrampfte sich. Die nächsten
                                 nach vorn! Da im Flur steht sie!“ Angela ge-       Augenblicke gehörten zu den schrecklichsten
                                 horchte. Die Stimme besaß macht über sie.          in ihrem Leben und hinter der Maske beweg-
                                 Das Mädchen tat, was man ihr befahl, obwohl        ten sich die Anderen, um sie durch einen Halb-
                                 sie das eigentlich nicht wollte. So richtete An-   kreis einzuengen. Dann sprachen sie. Zuerst
                                 gela ihren Blick, in der mit den Schatten der      war es nur eine Stimme, die das Wort durch
                                 Umherstehenden ausgefüllten, Dunkelheit.           die Lippen zischte: „Halloween!“
                                 Dort sah sie etwas.                                Angela lauschte. Ja, es war Halloween. Die
                                 Zunächst war es nur ein heller Umriss und er       Nacht vom 31.Oktober auf den ersten Novem-
                                 wurde in der Tiefe des Ganges geboren. Ob-         ber. „Halloween!“ eine weitere Stimme fiel ein,
                                 wohl sich Angela sehr anstrengte, konnte sie       denn die Erste wiederholte das Wort laufend.
                                 nicht genau erkennen, was da auf sie zukam.        „Halloween!“ nun flüsterten alle dieses Wort.
                                 Der helle Fleck bewegte sich im Dunkel des         Es drang aus ihren Mündern, als wäre es von
                                 Ganges. Etwas Unheimliches ging von ihm            Hexen gesprochen worden. Immer wieder.
                                 aus. Angela konnte es nicht begreifen und sich     Halloween! Die Nacht des Schreckens! Die
                                 nicht erklären, was da auf sie zukam. Ihre Mut-    Nacht der Geister. Uralte Tradition. Nie lagen
                                 ter? Das hatten ihr die Anderen gesagt, doch       Spaß und Angst so dicht beieinander wie in
                                 sie wollten ihr nur Angst einflössen. Durch das    dieser einen schrecklichen Nacht.
                                 offene Fenster in ihrem Rücken kam die Kälte       „Wir haben Halloween. Der Geist deiner Mut-
                                 und vor ihr schimmerte das Licht .Es wander-       ter meldet sich, Angela. Hör genau zu…“
                                 te in Richtung Angela und nahm eine gelbrote       „Ich will nicht!“ Das Mädchen brüllte die Wor-

16   Jugend schreibt 2019/2020   Jugend schreibt 2019/2020                                                                      17
Jugend schreibt Biefefeld 2019/2020 - Helmholtz-Gymnasium Bielefeld
te. Sie hallten durch den kahlen Gang, pflanz-     hatte der Schreck übel mitgespielt.                mehr ein Wort, als sie losliefen. Die Angst steck-   Alexa Kitzelmann (2002)
ten sich fort, wurden gebrochen und das Echo       „Sagt doch etwas!“                                 te ihnen in den Knochen und trieb sie voran.
kam unheimlich und schaurig zurück. „Es ist        „Wir müssen nachschauen!“                          Ihre Schritte wirbelten Laub auf und stampften
                                                                                                                                                           ICH BIN WAHNSINNIG
Halloween…“                                        „Wo?“                                              über den feuchten Boden. Niemand getrau-
                                                                                                                                                           Ich bin wahnsinnig,
Angela konnte es nicht mehr aushalten. Sie         „Unten! Da muss sie ja noch liegen“, meldete       te sich plötzlich weiter. Sie blieben stehen, als
                                                                                                                                                           Ich bin wahnsinnig verrückt,
wollte verschwinden. Doch da gab es nichts,        sich eine dünne Mädchenstimme. Sie bekam           wären sie vor eine Wand gelaufen. Die Sechs
                                                                                                                                                           Ich bin wahnsinnig verrückt nach dir.
wo sie sich verstecken konnte. Keine Nische,       eine Antwort, die sie erschreckte.                 schauten sich an. Jedes Gesicht sah in der Dun-
                                                                                                                                                            Ich bin im Wahn, lachend und tanzend auf der
nichts. Angela musste fliehen. Sie konnte die-     „Wieso das denn? Fall du mal aus dem vierten       kelheit wie ein bleicher Fleck aus. Sie wollten
                                                                                                                                                           Party
sen Terror nicht länger standhalten. Die Mas-      Stock.“ Danach wurde es wieder still.              etwas sagen, aber sie kamen nicht dazu. Die
                                                                                                                                                             nachts, bei dir.
ke schwebte jetzt dicht vor ihr. Furchterregend    „Wenn sie tot ist, haben wir sie ermordet“, sag-   Kehlen waren plötzlich nicht mehr frei .Klöße
                                                                                                                                                            Ich bin im Wahn, berauscht und umgeben,
sah der ausgehöhlte Kürbis aus. Ein verzerrtes     te das Mädchen wieder.                             steckten in ihnen.
                                                                                                                                                             nachts, bei dir.
Gesicht, eine widerliche Fratze, in der das Ker-   „Quatsch. Angela hat Selbstmord began-             „Da muss sie liegen!“ Hauchte eine dünne Mäd-
                                                                                                                                                           Ich bin nicht bei Sinnen, ich bin im freien Fall,
zenlicht flackerte.                                gen. Oder hat sie einer von euch angerührt?“       chenstimme.
                                                                                                                                                           Und ich falle und falle und wache nicht mehr
„Deine Mutter ist da. Sie kommt dich am Hal-       „Nein.“                                            „Dann geh doch vor!“
                                                                                                                                                           auf.
loween-Tag besuchen!“ Vernahm Angela eine          „Na also!“                                         „Ich habe Angst.“
                                                                                                                                                           Ich bin nicht mehr ich, ich bin viel mehr Du,
dünne Stimme. Angela drehte durch. Es be-          „Verdammt, ich habe Angst!“, flüsterte das         „Okay, Ronny, du hast die Maske getragen und
                                                                                                                                                           Ich seh die ganze Welt nicht mehr, ich seh nur
gann mit einem markerschütternden Schrei. Er       Mädchen.                                           du wirst nachschauen. Alles klar?“ Ronny dreh-
                                                                                                                                                           noch Dich.
schwebte noch in der Luft, als Angela ihre Hän-    „Ich will hier weg. Dieser Bau ist mir unheim-     te sich scharf herum.
                                                                                                                                                            Und ich bin wieder und wieder gefangen
de auf die Bank stütze und sich mit großer Kraft   lich. Wer kommt mit? Außerdem müssen wir           „Warum ich?“
                                                                                                                                                             in deinem Bann, ich bin wie im Wahn,
in die Höhe stemmte. Plötzlich stand sie auf der   nachsehen.“ Plötzlich wollten alle nicht mehr       „Das habe ich doch gesagt. Du kannst ebenso…“
                                                                                                                                                           Ich bin wahnsinnig,
Fensterbank. Vor ihren Augen begann alles zu       länger bleiben. Der Maskenträger warf den          „Keine Wiederrede. Wir haben beschlossen,
                                                                                                                                                            Ich bin wahnsinnig verrückt nach Dir.
tanzen. Die Maske drehte sich ebenso wie die       Kürbis weg. Die Maske knallte mit einem            dass du es bist, der nachschauen wird.“ Die an-
                                                                                                                                                           Ich bin bei Dir und nicht mehr bei meinen Sin-
Schatten der Mitschüler. Sie wurden zu einem       dumpfen Geräusch zu Boden, rollte noch ein         deren nickten zustimmend. Ronny ballte die
                                                                                                                                                           nen,
Wirbel, einem Kreisel, der sich immer schneller    Stück und wurde schließlich von der Wand           Hände. Für einen Moment verzerrte sich sein
                                                                                                                                                            Ich bin im freien Fall ohne gefangen zu zu wer-
bewegte und sie in die Tiefe zu reißen drohte.     gestoppt.                                          Gesicht vor Angst. Dann nickte er.
                                                                                                                                                           den
In die Tiefe!                                      Halloween!                                         „Ich gehe…“Die fünf Anderen schauten zu, wie
                                                                                                                                                             und ich färbe den Boden
„Angela!“ Es war ein gellender Warnruf, aber       Aus dem Spiel war blutiger ernst geworden.         er sich auf den Weg machte. Zögernd setzte er
                                                                                                                                                              Rot durch meine Scherben,
er wurde von dem Mädchen ignoriert. Es hat-        Jeder wusste es und keiner war da, der sich        seine Schritte. Über seinen Rücken kroch eine
                                                                                                                                                            Ich schlage auf und breche mein Herz.
te sich selbst Schwung gegeben und war im          Hoffnung machte. Angela konnte nicht über-         Gänsehaut. Er zitterte am ganzen Leib, mach-
                                                                                                                                                           Und trotz all dem Schmerz;
Nu von der Fensterbank verschwunden. Nur           lebt haben. Sie erreichten die breite Steintrep-   te sich Vorwürfe und seine Füße drückten die
                                                                                                                                                             Ich bin im Wahn,
das graue Rechteck blieb zurück. Auf einmal        pe, die nach unten führte und erst in der gro-     ersten sperrigen Bodengewächse in die feuchte
                                                                                                                                                           Ich bin wahnsinnig, ich bin wahnsinnig ver-
verstummten die Stimmen. Stille breitete sich      ßen Halle ihr Ende fand. Die Schüler blieben       Erde. Mit den Händen teilte er im weg stehen-
                                                                                                                                                           rückt,
aus. Nach einer Weile schluchzte jemand auf.       dicht zusammen. Das alte Haus machte ihnen         de Zweige, damit er einen bessern Blickwinkel
                                                                                                                                                             ich bin wahnsinnig
Gleichzeitig wurde die Kerze im Inneren der        plötzlich Angst. Sie hatten das Gefühl, als wäre   besaß. Dann senkte er den Kopf. Ronny sagte
                                                                                                                                                            Beeindruckt von Dir.
Maske ausgeblasen.                                 mit dem Tod ein neuer Gast eingezogen. Selten      nichts. Seine Kehle war plötzlich wie zuge-
                                                                                                                                                           Weil Du da stehst und wahnhaftig lachst,
„Das habe ich doch nicht gewollt“, sagte derje-    waren sie so rasch die Treppe nach unten ge-       schnürt, aber er starrte auf die leblose Gestalt.
                                                                                                                                                           fiebrig, zitternd schaust du mich an und sagst:
nige, der die Maske gehalten hatte.                laufen. Die große, zweiflügelige Tür war nicht     Angela lag auf dem Rücken. Deutlich konnte
                                                                                                                                                           „Du bist wahnsinnig“,
„Es war nur Spaß“, versuchte sich ein anderer      verschlossen. Finger um krallten die Kante         er die verdrehten Augen erkennen. Für ihn ein
Mut zu machen.                                     und machten die Tür auf. Kalte Luft empfing        Zeichen, dass in dem schmalen Mädchenkörper
                                                                                                                                                           Nein,
„Ja, nur Spaß.“ Danach schwiegen sie. Obwohl       die kleine Gruppe Heranwachsender. Im Park         kein Leben mehr steckte. Das Gesicht kam ihm
                                                                                                                                                            Ich bin nicht wahnsinnig, ich bin nicht wahn-
es keiner zugeben wollte, lauschten alle nach      hatte sich Nebel gebildet. Die Schwaden wirk-      seltsam blass vor, die Hände hatte sie zu Fäus-
                                                                                                                                                           sinnig,
draußen. Sie hörten nichts. Die Stille war be-     ten unheimlich, wenn sie sich lautlos über den     ten verkrampft. Hinter sich vernahm er Schrit-
                                                                                                                                                              Ich bin nicht wahnsinnig verrückt, ich bin
klemmend .Selbst der Wind schien eingeschla-       Rasen bewegten. Sie ließen auch die Treppe         te. Die anderen kamen und blieben neben ihm
                                                                                                                                                           wahnsinnig
fen zu sein und nicht einmal das bunte Laub an     hinter sich, blieben für einen Moment stehen       stehen.
                                                                                                                                                            kaputt.
den Bäumen raschelte noch.                         und schauten sich um.                              „Ist sie tot?“, fragte ein Mädchen stockend.
                                                                                                                                                           Ohne Mut, ohne Verstand.
„Was machen wir denn jetzt?“ fragte jemand.        „Nach rechts“, sagte jemand. Alle waren ein-       „Ja“, sagte Ronny.
                                                                                                                                                            Ich bin wahnsinnig, ich bin wahnsinnig müde,
Er bekam keine Antwort. Niemand wollte die         verstanden, denn es war genau die Richtung,        „Und wir haben sie umgebracht“, flüsterte ein
                                                                                                                                                           ich bin wahnsinnig kaputt.
Verantwortung übernehmen. Den Kindern              wo auch Angela liegen musste. Niemand sprach       Anderer….

18                                                                       Jugend schreibt 2019/2020    Jugend schreibt 2019/2020                                                                          19
Und Du tust mir nicht gut,                         gessen.                                            Noch immer liege ich einfach so da. Mama ist        Husten zwingt mich zum Atmen, aber ich
 mein Herz ist eine Glut,                           immer noch in deinem Bann,                        längst gegangen, hat mir alles erzählt. Ich habe    bekomme keine Luft. Endlich versiegen die
   und du? —                                                                                          zugehört und trotzdem nichts verstanden. Nur,       Tränen, dafür breitet sich nur noch mehr von
 Löscht jeden Funken davon.                         Weil ich bin im Wahn,                             dass Opa gestern ins Krankenhaus gekommen           diesem leeren Gefühl in mir aus.
Und trotzdem bin ich wahnsinnig,                   Ich bin wahnsinnig,                                ist und dass mein Vater da war, um zu entschei-     Irgendwann an diesem Vormittag halte ich es
 ich bin wahnsinnig verrückt,                       Ich bin wahnsinnig ver —                          den, ob im Falle des Falles lebenserhaltende        nicht mehr aus, das Alleine-Sein. Ich ziehe
  ich bin wahnsinnig verrückt von dir gewor-                                                          Maßnahmen vorgenommen werden sollen.                mich an, putze mir die Zähne. Schließe den
den.                                               Und du? blinzelst mich mit deinen müden Au-        Er hat Nein gesagt, Opa hätte genug gelitten in     Schuppen auf, Wasser tropft auf meinen Kopf.
Und ich bin im Freien Fall                         gen an.                                            den letzten Tagen und Monaten. Dann, heute          Fahre mit dem Fahrrad die regennassen Stra-
  und definitiv nicht so graziös, wie eine Elfe,    lächelst schief doch ohne Herz,                   Nacht, kam es zu diesem Fall des Falles, Papa       ßen entlang. Das alles so normal und doch ist
„brauchst du Hilfe?“,                              drehst dich um                                     war schon längst wieder die 200 Kilometer           alles anders.
— Nein, ich bin wahnsinnig, ich bin wahnsin-       und gehst.                                         nach Hause gefahren.                                Als ich die Schule betrete, sehe ich sofort Sanna
nig wegen Dir                                                                                         Sie haben ihn gehen lassen, der Krebs hat ihn       und ihren verwirrten Blick, nachdem sie mich
  Und ich würde lieber bei Sinnen sein,                                                               umgebracht.                                         entdeckt hat. „Ich dachte du kommst nicht?“,
nicht so viel Wein                                 Franka Janssen (2002)                              Das Telefon hat mitten in der Nacht geklingelt      wundert sie sich, wir gehen zu unserem Ma-
 trinken und fallen.                                                                                  und meine Eltern geweckt. Papa hat seine Sa-        theraum. Ich hasse dieses Fach und kann mir
                                                   ABER ES IST DIE WAHRHEIT                           chen gepackt und ist sofort die drei Stunden        im Moment nichts Schöneres vorstellen.
Doch Du,                                                                                              zurück zum Krankenhaus gefahren. Ich muss           Ich flüstere nur, zu mehr ist meine Stimme im-
                                                   Ich liege im Bett, wachgeschüttelt vom Husten,
 Du machst mich wahn-sinnig,                                                                          heute Nacht doch geschlafen haben, denn von         mer noch nicht bereit. „Ich konnte nicht mehr
                                                   der seit einer Woche in meiner Lunge klebt.
du fragst „Kriegst du mich?“ —                                                                        all dem habe ich nichts mitbekommen.                alleine sein.“ Eigentlich will ich gar nicht da-
                                                   Die Nacht war furchtbar, ich konnte nicht
 und ich frage zurück „Will ich?“                                                                     Ich fühle mich so seltsam, so hilflos, so leer,     rüber reden. Ich fühle mich so ausgetrocknet
                                                   schlafen, egal was ich versucht habe. Ganz so,
Und ja, ja, ja,                                                                                       als hätte jemand ein Stück aus mir herausge-        und doch weiß ich, wenn ich ihr das erzähle,
                                                   als hätte mein Verstand geahnt, das heute et-
Zieh mich in deinen Bann,                                                                             rissen und es mir nicht wiedergegeben. Aber         fange ich wieder an zu weinen. Aber ich kann
                                                   was passiert sein muss.
 lass mich in den Wahn,                                                                               es ist nicht dasselbe, es ist anders. Anders als    ihr nicht ausweichen, sie sieht es mir an. „Ist
                                                   Vorsichtig klopft jemand an meine Zimmertür,
  lass mich verlieren all meine Sinne,                                                                das letzte Mal, als ich erfahren musste, wie es     was passiert?“, will sie wissen und ich schaue in
                                                   wahrscheinlich meine Mutter. Ich höre Schrit-
   weil das ist doch mein Wille.                                                                      ist, wenn ein geliebter Mensch, jemand, der bis     ihre angsterfüllten Augen. Ich weiß nicht, ob es
                                                   te durch die Stille näher kommen, bis ich eine
Ich bin wahnsinnig,                                                                                   jetzt mein ganzes Leben an meiner Seite war,        die Angst davor ist, dass etwas wirklich extrem
                                                   warme Hand auf meiner kalten Schulter spüre.
 ich bin wahnsinnig verrückt,                                                                         plötzlich weg ist - und nie, nie wiederkommt.       Schlimmes geschehen sein muss oder dass sie
                                                   „Wie geht es dir?“, fragt Mama, ihre Stimme
ich bin wahnsinnig verrückt,                                                                          Damals war ich sauer, traurig, konnte nicht still   Angst hat, nicht zu wissen, wie sie mich behan-
                                                   sehr leise. „Nicht gut.“, versuche ich zu sagen,
dass ich falle und das immer wieder.                                                                  sitzen, wollte laufen, schreien. WOLLTE es          deln oder was sie sagen soll.
                                                   doch die Worte sind nur ein Krächzen.
                                                                                                      einfach nicht wahrhaben. Und jetzt KANN ich         Ich spüre bereits die Tränen, als ich nur auf
                                                   Mein Gesicht zur Wand gedreht, weiß ich, dass
Und mein Wille ist mein stärkster Krieger,                                                            es einfach nicht wahrhaben. Ich hatte verstan-      Sannas Frage nicke. Aber ich will nicht, dass
                                                   sie noch immer da ist. Mama flüstert etwas, ich
 egal,                                                                                                den, was passiert war, im Gegenteil zu heute,       alle anderen mich so sehen. So verletzt, so
                                                   verstehe sie kaum. Nur drei Worte dringen zu
wie oft du mich nieder schießt und mich be-                                                           denn ich kann es einfach nicht glauben, dass        klein, so verwundbar und ich weiß nicht ein-
                                                   mir durch. Drei Worte, die schlimmer nicht
kriegst —                                                                                             da diese Leere ist, die niemand je wieder füllen    mal, warum mir das in dieser Situation so
                                                   hätten sein können. „Opa ist gestorben.“
                                                                                                      kann und doch spüre ich sie ganz deutlich. Es       wichtig ist, wenn es mir schließlich wirklich
                                                   Ich merke, wie mein Herz plötzlich doppelt so
Ich bin immer noch wahnsinnig,                                                                        macht mich wahnsinnig.                              beschissen geht.
                                                   schnell klopft als eben noch. Ich habe Angst,
  ich bin wahnsinnig verrückt nach Dir.                                                               Nach dem Frühstück schleiche ich zurück in          Ich fürchte mich vor meinen eigenen Worten.
                                                   dass es mir aus der Brust springt. Dieser Satz
Komm,                                                                                                 mein Zimmer, versuche mich abzulenken,              Denn wenn sie aus meinem Mund kommen,
                                                   ist wie ein Schlag ins Gesicht, nur ohne den
schieß mich nieder,                                                                                   nehme ein Buch und fange an zu lesen. Doch          wenn ich das selbst sage, dann muss es doch
                                                   Schmerz, es fühlt sich einfach nur leer an.
 mach mir kaputt,                                                                                     schon nach wenigen Seiten tropfen warme             auch wahr sein, oder? Aber das kann nicht
                                                   Ich kann nichts. Ich kann mich nicht umdre-
  lass mich fallen,                                                                                   Tränen auf das gebleichte Papier. Literatur war     sein! „Mein Opa ist heute Nacht gestorben.“
                                                   hen, um Mama anzusehen. Ich kann nicht den-
   fahr’ tiefe Wunden mit deinen Krallen,                                                             immer das Lieblingsthema von Opa und mir,           Meine Stimme bricht, als ich das ausspreche.
                                                   ken. Ich kann nicht weinen. Und ich kann ES
    zerreiß mich und mein Herz —                                                                      stundenlang konnten wir uns über Romane             Sanna schweigt, nimmt mich nur in den Arm
                                                   nicht. Ich kann nicht verstehen, dass es jetzt
Das alles wird kein Scherz,                                                                           unterhalten, die er zu Letzt gelesen hatte. Und     und drückt mich an sich. Ich bekomme kaum
                                                   wirklich passiert sein soll. Obwohl wir alle ge-
 glaub mir, unsere Spirale geht abwärts.                                                              jetzt nie wieder.                                   Luft, doch das ist gut so, denn dann fange ich
                                                   ahnt hatten, dass sein Tod nicht mehr lange auf
    Und nach all der Zeit zu zweit                                                                    Ich weine lange, bis ich nicht mehr kann. Ich       wenigstens nicht an zu weinen.
                                                   sich warten lassen würde.
 werde ich da sein und all der Schmerz ist ver-                                                       weiß nicht, wieviel Zeit vergangen ist. Das         Und da ist es wieder, dieses miese Gefühl, fast

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so wie beim letzten Mal. Ich will nicht alleine      in diesem Augenblick. Wenn die Nachricht            So lange habe ich mir Gedanken gemacht, wie     ich hätte es wissen müssen, schließlich bin ich
sein, aber hier ist es genauso schlimm. Mei-         mich so plötzlich aus der Normalität reißt,         es ihr geht, wenn ich mit ihr reden werde und   nicht die einzige, die das grade durchmacht.
ne Freunde haben keine Ahnung, wie es mir            wenn mit nur drei Worten meine kleine heile         hatte Angst vor ihrer Reaktion, nur um am       „Ja, ich verstehe was du meinst.“ Wahrschein-
wirklich geht, weil sie das selbst noch nie erlebt   Welt völlig auf den Kopf gestellt wird.             Ende zu wissen, dass es ihr genauso geht wie    lich mehr als du denkst, füge ich in Gedanken
haben. Dass jemand stirbt, der sonst immer da        Ich will nur eins: Das alles soll einfach nur       mir. Dass sie es genauso wenig verstehen kann   hinzu. „Aber es ist die Wahrheit.“, sage ich leise
war, das ganze Leben lang. Sie wissen einfach        nicht die Wahrheit sein.                            wie ich. Dass es sie genauso wahnsinnig macht   ins Telefon, obwohl das alles andere ist als das,
nicht, wie sie mit mir umgehen sollen. Dabei         Wieder ist diese Frage in meinen Gedanken,          wie mich. Jede Sorge war unberechtigt. Und      was ich will.
kann ich ihnen ihre mitleidigen Blicke ei-           wieso ich überhaupt hergekommen bin. Als
gentlich nicht mal übelnehmen, sie versuchen         der Unterricht endlich vorbei ist, fahre ich so-
schließlich auch nur, mich zu trösten, für mich      fort nach Hause. Rede nicht wie sonst immer
da zu sein. Aber dieses Schweigen, weil die          mit meinen Freunden, weil ich nicht will, dass
richtigen Worte fehlen, ist trotzdem so unan-        sie mich so sehen und Mitleid haben, was ich
genehm. Am liebsten würde ich sofort wieder          nicht ertragen kann. Sobald ich alleine bin, lau-
nach Hause. Nach Hause, wo ich alleine bin           fen heiße Tränen meine kalten Wangen hinun-
und mich danach sehne, hier zu sein. Wenn ich        ter und dieses Mal versuche ich nicht, sie zu
mich nur selbst verstehen würde…                     unterdrücken.
Wir bekommen unsere Klausuren zurück. Ich            Die Sonne geht schon unter, als mir plötzlich
schaue nicht mal rein, stecke das blaue Heft         etwas einfällt, an das ich den ganzen Tag noch
sofort in meinen Rucksack. Obwohl ich sonst          nicht gedacht habe, wie konnte ich es nur ver-
immer so neugierig bin, dass ich kaum abwar-         gessen?
ten kann, zu wissen, was ich geschrieben habe.       Meine kalten Finger umfassen das schwarze
Aber jetzt rauscht alles einfach so an mir vor-      Plastik des Telefons, ich habe Omas Num-
bei. Wie wenn man im Zug sitzt, hinaus sieht         mer schon gewählt, aber ich schaffe es einfach
und doch eigentlich nichts wahrnimmt von             nicht, auf den grünen Hörer zu drücken. Zu
dem, was da draußen passiert. Genauso fühlt          groß die Angst davor, wie es ihr geht. Ich zit-
sich das hier an.                                    tere, obwohl mir warm ist. Weil ich feige bin.
 Das aufgeregte Getuschel meiner Mitschüler          Ich bin so feige, dass ich nicht mit ihr sprechen
verschwimmt zu einem monotonen Rauschen,             will, denn ich weiß nicht, was ich dann sagen
ich starre aus dem Fenster, ein Eichhörnchen         soll. Und das obwohl ich gerade genau dassel-
flitzt über die kahlen Äste der Kastanie, die        be durchmache wie sie, mache ich genau das-
schon längst ihre Blätter verloren hat.              selbe, wofür ich meine Freunde kritisiere. Sie
Ich merke nicht, wie manche aufstehen und            können nichts dafür, aber ich kann. Und trotz-
durch die Klasse laufen. Ich merke nicht, wie        dem kann ich es nicht. Es geht einfach nicht,
meine Lehrerin um Ruhe bittet und niemand            irgendwas in mir hält mich auf, sie anzurufen.
auf sie hört. Ich merke nicht, wie jemand mit        Erst nach einer weiteren Stunde finde ich den
mir                                                  Mut, endlich mit ihr zu sprechen. Doch es
redet. Erst als Sanna mir auf die Schulter tippt     dauert lange, bis sie schließlich abnimmt. Ihre
und sagt „Leo hat dich was gefragt.“, spüre ich      Stimme hört sich ganz weit weg an und doch
seinen Blick auf mir. „Tut mir leid, ich habe        ist sie so nah. Wir schweigen beide, aber Oma
grade nicht zugehört.“, murmele ich leise. „Ich      weiß, dass ich es bin, die am anderen Ende der
wollte nur wissen, ob du mit deiner Klausur          Leitung ist und auf ein Lebenszeichen von ihr
zufrieden bist.“, er lächelt mich freundlich an.     wartet.
Ohne lange drüber nachzudenken, antworte             „Bist du noch da?“, flüstere ich nach ein paar
ich: „Ehrlich gesagt ist mir das grade so egal.“     Minuten ängstlich in das Telefon.
Und es stimmt, ich sage das nicht nur, damit         „Ja bin ich.“ Ich höre sie atmen. „Es macht
ich um eine Erklärung herum komme, wieso             mich nur wahnsinnig. Das ist alles so schnell
ich nicht in mein Heft geschaut habe. Fast noch      gegangen, ich kann es nicht verstehen, dass er
nie waren Noten und Schule so unwichtig wie          wirklich tot ist, weißt du was ich meine?“

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Kategorie: 13                                       im Sommer: hohe Sonnenblumen, im Winter             Der Wecker meines Handys quält mich um              fe ich die Badelatschen am Eingang über und
                                                    quälen sich dann filigrane Schneeglöckchen          6.30 Uhr aus dem Bett. Völlig übermüdet             gehe hinaus in den Vorgarten um die Mülltüte
Julia Wilhelm (2005)                                durch die frostige Erde und im Herbst bringen       schäle ich mich aus meinem Schlafanzug und          wegzuschmeißen. Es ist Nacht. Der Himmel
                                                    blühende Dahlien das Farbenfrohe in unseren         schleife mich rüber ins Bad. Ich schaue in den      ist klar. So rein und übersät voller funkelnder
BITTE LIES MICH!                                    nicht zu überladen-, aber auch nicht zu mini-       Spiegel und werde ohne Vorwarnung mit Anna          Pünktchen. Sie alle sehen mich bestimmt gar
                                                    malistischen Garten.                                Schmidt konfrontiert. Braune, gelangweilte          nicht. Ich, die immer in der Mitte liegt. Anna
Es regnet in Strömen. Der Himmel sieht aus
                                                    Und so kann man mein ganzes Leben be-               Augen blicken mich an. Kein schüchternes            Schmidt, die in dem 13. Haus mit Garten und
wie eine riesige graue Pampe, die alles unter
                                                    schreiben.                                          Blau und kein mysteriöses Grün liegt in diesem      Blumenbeet in der Schillerstraße in Hannover
sich begräbt. Schon heute morgen habe ich
                                                    Ich heiße Anna. Anna Schmidt. Bitte ließ noch       Blick. Ich sehe fettiges, braunes Haar, das nicht   hier ihren Müll rausbringt. Wer würde schon
Regen vermutet. Den ganzen Vormittag habe
                                                    weiter. Ich weiß, mein Name ist so durch-           blond, aber auch nicht schwarz ist, nicht kurz,     auf so jemanden achten. Welcher dieser Ster-
ich das Gefühl gehabt, dass die Wolken vom
                                                    schnittlich, dass jemand wie ich, der nur ab        aber auch nicht so lang, dass es mir bis zum        ne würde auf mich hinunter blicken und mehr
vielen Wasser triefen und nur darauf warten
                                                    und zu mal liest, ein Buch direkt zuklappen         Po geht. Ich bin groß, aber nicht zu groß, nicht    über mich erfahren wollen? Mein gesamtes
sich endlich auswringen zu können. Jetzt war
                                                    würde, sobald dessen Hauptcharakter einen so        dick, aber auch nicht wirklich dünn. „Ich bin       Leben klingt wie ein unwichtiger Fülltext, der
der Moment wohl gekommen.
                                                    einfallslosen Namen tragen würde. Aber bitte        aber nicht das, was ich zu sein scheine“, denke     nur dazu da ist um eine Geschichte so lang wie
Auch ich will am liebsten meine nassen Kleider
                                                    bleib noch hier. Bitte.                             ich und weiß in genau dem gleichen Moment,          möglich zu strecken. Wenn man den ganzen
ausziehen, sie auswringen und ein heißes Bad
                                                    Ich wühle in meiner Tasche herum, die vom           dass das eine Lüge ist. Ich bin Anna Schmidt.       Plot und alle spannenden Stellen aus einem
nehmen. Doch noch bin ich nicht Zuhause.
                                                    Regen leider auch nicht verschont wurde und         Doch ich verdränge diesen Gedankengang und          Buch herausnehme würde, dann hätte man
Die Regentropfen prasseln auf den wasserab-
                                                    krame einen Schlüssel heraus. Ich öffne die Tür     spüle ihn einfach mit einer schnellen Morgen-       mein Leben vor sich liegen. Und keiner würde
weisenden Stoff meines Regenschirmes, als ich
                                                    und schleppe mich und die viel zu schwere Ta-       dusche weg.                                         gerne nur den Fülltext eines Buches lesen. Völ-
in die Schillerstraße einbiege. Ich denke dar-
                                                    sche in den trockenen Flur. Schnell streife ich                                                         lig normale Szenarien mich schrecklich durch-
über nach, wieso ich wieder eine drei in der
                                                    die Stiefel ab und laufe mit meiner Schultasche     Den Rest des Tages verbrachte ich in der Schu-      schnittlichen Akteuren.
Deutscharbeit geschrieben habe. Heute haben
                                                    die Treppe hoch in mein Zimmer. Ich zieh die        le und anschließend mit meiner Freundescli-         Bitte.
wir die Noten zurückbekommen. Ich bin mir
                                                    nassen Klamotten aus und werfe sie achtlos in       que in der Stadt. Ich habe eigentlich ziemlich      Schau doch! Anna ist nicht die 13! Sie ist nicht
schon fast sicher, dass mein neuer Deutschleh-
                                                    meine Zimmerecke. Und da bleiben sie dann           viele Freunde, die ich echt gern mag. Aber          langweilig. Sie hat auch Probleme und Krisen!
rer einfach meinen Namen gesehen- und einen
                                                    erst einmal liegen. Ich ziehe meinen Schlafan-      keiner von denen weiß, dass ich nicht normal        Ich liege nicht in der Mitte! Sieh doch her!
Blick auf den Sitzplan der Klasse geworfen hat,
                                                    zug über, ignoriere, dass meine Eltern gerade       bin. Keiner weiß, dass ich mit inneren negati-      Hier, ich kann es beweisen! Ich renne zurück
gesehen hat, dass ich in der Mitte sitze. Er hat
                                                    auch nach Hause kommen und werfe mich               ven Gefühlen und Depressionen zu kämpfen            ins Haus. Hol mein Handy. Starte die Playlist,
sich garantiert nicht mal durchgelesen, was ich
                                                    erschöpft auf mein Bett. Mein Blick fällt auf       habe. Und das ist okay so. Wir waren heute alle     blicke auf die Klamotten in der Zimmerecke
geschrieben habe und einfach mal ne drei auf-
                                                    die Deutscharbeit, die aus meiner Schultasche       zusammen im Kino und haben „Baywatch“ ge-           und laufe ins Bad.
geschrieben. Wird schon passen. Scheiße! Ich
                                                    lugt. Die Deutscharbeit, für die ich bereits eine   guckt. Und während ich das hier in mein Han-        They wanna break me and wash away my co-
bin mitten in eine tiefe Pfütze getreten. Meine
                                                    Woche zuvor fleißig geübt habe. Die Deutsch-        dytagebuch tippe denke ich einfach nur wie          lors.
Nikes saugen sich sekundenschnell mit Wasser
                                                    arbeit, in die ich mich mal wirklich reingehängt    verdammt normal sich das anhört. Aber ich           Schau doch! Ich bin nicht normal!
auf und bei jedem Schritt ertönt ein schmat-
                                                    habe. Die Deutscharbeit, in der ich einmal bes-     weiß es. Ich bin nicht normal. „Anna Schatz,        Save me if I become MY DEMONS.
zendes Geräusch. Jetzt biege ich in meinen
                                                    ser als der Durchschnitt sein wollte. Ich blicke    bringst du bitte noch den Müll raus?“, höre ich     Mein Herz pocht wie verrückt, als ich die
Vorgarten ein. Ich schaue zur Haustür und zu
                                                    auf die drei. Klar und deutlich präsentiert sie     die Stimme meiner Mutter rufen. Ein paar Se-        Schublade der Kommode im Bad öffne.
der Nummer, die rechts oben neben ihr die
                                                    sich mir. Ich schaue zu den nassen Klamotten        kunden später fällt die Tür ins Schloss. Meine      It takes control and drags me into nowhere.
Hauswand ziert. Oh wie ich diese Zahl hasse.
                                                    in der Ecke rüber. Nicht ausgewrungen. Das          Eltern gehen jetzt aus und mein Bruder Ben          Meine Hand zittert, als ich eine Rasierklin-
Ich sehe nach rechts, zu den Häusern die Stra-
                                                    Einzige, das hier ausgewrungen wird sind mei-       ist auf einer Party. Demnach gehört das Haus        ge zu fassen kriege. Ich beuge mich über das
ße rauf, die bis zu Nummer 26 gehen. Dann
                                                    ne Augen, die bereits den ganzen Tag viel zu        heute nur mir.                                      Waschbecken, lasse das Wasser laufen.
nach links, bis zur eins. Und wie immer bin ich
                                                    viel Tränen angestaut haben.                        Ich gehe die Treppe runter und laufe im Flur        Siehst du denn nicht!? Ich bin nicht normal!
in der Mitte. Nummer 13.
                                                    Ich öffne meine Spotify- Playlist mit dem Titel     an den Trophäen meines Bruders vorbei, die          Ich bin nicht die Mitte! Meine Geschichte ist
Ich lebe im 13. Haus der Schillerstraße. Unser
                                                    „Depression“, tu so, als ob ich, wie die Sänger,    jeden Gast immer daran erinnern müssen, wie         lesenswert!
Haus liegt nicht gleich an der Einfahrt zur Stra-
                                                    gegen meine inneren Dämonen ankämpfen               erfolgreich seine Schwimmkarriere doch ist          When I become my worst enemy.
ße und nicht direkt dort, wo die Schillerstraße
                                                    würde und presse ununterbrochen Tränen              und wie sehr er seine Leidenschaft im Sport ge-     Mein Atem geht flach ein und aus. Ich schließe
in die lärmende Hauptstraße mündet. Wir ha-
                                                    zwischen meinen Wimpern hervor. Als ich             funden hat. Wieso müssen meine Eltern denn          die Augen.
ben auch einen Garten, der geradeso Platz für
                                                    die Playlist beende, flüstere ich: „Nein, ich bin   immer so mit ihm rumprahlen? Das ist mittler-       Don’t let me go!
ein Gewächshaus und ein Blumenbeet bietet.
                                                    nicht durchschnittlich.“                            weile einfach nur nervig. Ich gehe in die Küche     Der Schnitt tut fast gar nicht weh.
Im Blumenbeet: Im Frühling: gelbe Narzissen,
                                                                                                        um den Müllsack zu entnehmen. Schnell strei-        Ein Tropfen Blut rollt über die Innenseite des

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