Kantonale Stämme schau, Bischofszell TG
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS KANTONALE STÄMMESCHAU, BISCHOFSZELL TG Kantonale Stämmeschau, Bischofszell TG 21.–23.11.2014, besucht am 23.11.2014 An der Thurgauer Kantonalen Kaninchen-Stämmeschau wurden über 600 Kaninchen ausgestellt. Gesamteindruck / Zusammenfassung An der Thurgauer Stämmeschau, durchgeführt von der Sektion «Kleintiere Sitter-Thur», wurden während drei Tagen über 600 Kaninchen, die etwa 30 unterschiedlichen Rassen angehörten, aus- gestellt. Des Weiteren wurden Meerschweinchen, Hühner, Enten und Tauben präsentiert. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Ausstellungstiere drei Tage an der Messe verbrachten, wobei die Besucher die Tiere am Samstag vom Morgen bis Mitternacht ansehen konnten. Sie wur- den im wahrsten Sinne des Wortes «ausgestellt» und wie Schauobjekte gut sichtbar präsentiert, so dass ihr Äusseres jederzeit genau betrachtet werden konnte. Aus diesem Grund waren die Käfige klein und unstrukturiert. Die Tiere wurden einzeln gehalten, selbst die Meerschweinchen, bei wel- chen die Einzelhaltung gesetzlich verboten ist. Keiner der Käfige war artgerecht eingerichtet: Für Kaninchen und Meerschweinchen fehlte der Rückzug, die Hühner hatten keine Sitzstangen zur Verfügung, Tauben mussten auf gewelltem Karton sitzen und die Enten hatten keinerlei Bademög- lichkeiten. Die Futter- und Wasserschalen waren zwar am Gitter angebracht, jedoch oft leer oder für die Tiere unerreichbar. Grundsätzlich schreibt die Tierschutzverordnung Mindestanforderungen hinsichtlich Gehegeflä- che und -Volumen sowie der Einrichtung und Einzel- oder Gruppenhaltung vor. Diese Mindestan- forderungen gelten allerdings nur für permanente Haltung; für Transporte aber auch Ausstellungen gibt es Ausnahmeregelungen. Aus der Sicht des Tierschutzes sind jedoch solche für die Tiere sehr restriktive Bedingungen, wie sie an der Thurgauer Stämmeschau angetroffen wurden, nicht akzep- tabel, da die Ausstellungstiere dort nicht kurzfristig wie etwa auf Transporten1 sondern vermutlich mehrere Tage in den Käfigen ausharren mussten. 1 Die maximale Fahrtzeit auf Tiertransporten darf in der Schweiz maximal sechs Stunden betragen. Werden Tiere im Camion übernachtet, müssen ihnen gleich viel Platz wie im Stall, Futter und Wasser sowie eingestreute Böden zur Verfügung stehen. 1
SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS KANTONALE STÄMMESCHAU, BISCHOFSZELL TG Aus Sicht des STS sollten an jenen Ausstellungen, wo Tiere über sechs Stunden gezeigt werden, wenigstens die gesetzlichen Mindestmasse eingehalten und die wichtigsten tierartspezifischen Strukturen geboten werden. Wünschenswert wäre aus didaktischen Gründen, dass solche Ausstel- lungen dazu dienen, dem Publikum besonders beispielhafte Gehege zu präsentieren, um so das Wissen über die tierfreundliche Haltung zu verbreiten. Diese Chance wurde hier klar verpasst. Es bestand offensichtlich kein Interesse, den Besuchern das arttypische Verhalten der verschiedenen Tiere näher zu bringen, im Vordergrund standen einzig das Präsentieren der Tiere in kargen Käfigen und das Richten. Die Verantwortlichen waren sich der suboptimalen Haltung der Tiere durchaus bewusst, denn sie wiesen mit Plakaten darauf hin, dass die Tiere zu Hause besser gehalten würden. Es ist bedauerlich, dass an der Ausstellung in Plakate und nicht in gute Gehege investiert wurde. Allgemeines Im Eingangsbereich der Halle war die Vereinigung «Fleischverwerter Kleintiere Schweiz» mit einer kleinen Metzgertheke vertreten. Zum Verkauf gab es hauptsächlich Kaninchenfleisch, die Schlacht- körper wurden von den Mitgliedern der Vereinigung vor Ort zerlegt. Nebst den ausgestellten Tieren befanden sich ein grosses Restaurant, der Gabentisch der Tom- bola sowie ein Stand des Verbands «Fellnähen Schweiz» in der Halle. In der Halle war es zum Zeitpunkt des Besuchs trotz Restaurantbetriebs relativ ruhig. Dies hing auch damit zusammen, dass die Prämierung bereits abgeschlossen war. Die Temperatur lag bei ca. 18 °C. An einer Hallenwand waren mehrere Plakate von «Kleintiere Schweiz» mit der Aufschrift: «Zu Hause leben wir in grösseren Ställen» angebracht. Abgebildet waren verschiedene Kleintiere wie Hühner oder Kaninchen, welche sich auf einer Wiese in einer idyllischen Landschaft befanden. Die einzelnen Tierarten im Detail Kaninchen An der Thurgauer Stämmeschau wurden über 600 adulte Kaninchen ausschliesslich in Einzel- haltung ausgestellt. Zwischen den Käfigen wa- ren Metallplatten angebracht, welche eine Kon- taktaufnahme mit Artgenossen verunmöglichten. Die Käfige waren ca. 50 cm x 50 cm x 40 cm bzw. 60 cm x 60 cm x 55 cm gross. In den kleineren Käfigen waren Zwergrassen (Farbenzwerge, Hermeline, Zwergschecke, Zwergwidder, Kleinrex) untergebracht. Die Höhe der Käfige war für diese Gewichtsklasse ausrei- chend, die Grundfläche aber mit geschätzten 2500 cm2 knapp bemessen. Leider existieren Kaninchen ohne jeglichen Rückzug. für eine sogenannt «temporäre Haltung» von Ka- ninchen, wie dies in einer Schau der Fall ist, keine gesetzlichen Mindestmasse. Die Tierschutzver- ordnung TschV schreibt aber für eine permanente Haltung von Zwergrassen mindestens 3400 cm2 Fläche vor. Da eine Messe auch immer einen gewissen Vorbildcharakter haben sollte, sollten zu- mindest die Masse der TschV eingehalten werden, damit beim Besucher nicht der Eindruck entsteht, die Tiere könnten in derart kleinen Behältnissen gehalten werden. Aus Sicht des STS handelt es sich bei tagelangen Ausstellungen nicht mehr um temporäre Haltungen. Er fordert, sich hier an den Ausnahmeregelungen (zum Beispiel Platzbedarf) für Tiertransporte zu orientieren und zumin- dest dort, wo Tiere länger als sechs Stunden ausgestellt werden, die Anforderungen an eine perma- nente Haltung vorzuschreiben. Sechs Kaninchen der Rasse Kleinrex befanden sich in den grösseren (geschätzte Grundfläche ca. 3600 cm2) und somit für Zwergrassen gesetzeskonformen Käfigen. Weiter wurden in den grös- 2 seren Käfigen Kaninchen der kleinen, mittleren und grossen Rassen ausgestellt. Gemäss der Tier-
SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS KANTONALE STÄMMESCHAU, BISCHOFSZELL TG schutzverordnung wäre für die Haltung von kleinen Kaninchenrassen (2,3 – 3,5 kg) eine Grundflä- che von mindestens 4800 cm2 vorgeschrieben, bei mittleren Rassen (3,5 – 5,5 kg) müsste die Fläche sogar 7200 cm2 betragen. Als Vertreter der grossen Rassen waren an der Thurgauer Stäm- meschau Belgische Riesen, Schweizer Schecken und Französische Widder vertreten. Die schwers- ten Tiere wogen über 7,5 kg. Für Kaninchen dieser Gewichtsklasse beträgt die gesetzlich vorge- schriebene Mindestgrundfläche 9300 cm2. Die geschätzte Käfighöhe von 55 cm ist nur für die kleinen Rassen ausreichend. Für mittlere und grosse Rassen sollte die Höhe mindestens 60 cm betragen. Die Innenausstattung war bei allen Käfigen identisch: Boden mit einem Heu-Stroh-Gemisch, am Gitter zwei Plastikschälchen für Wasser und Pelletfutter. Die Kontrolle von rund 370 Käfigen ergab allerdings, dass in einem Drittel aller Fälle den Kaninchen kein Wasser zur Verfügung stand. In einigen Gehegen waren die Trinkschälchen sogar absolut sauber und trocken, sodass anzunehmen ist, dass die Kaninchen schon viele Stunden kein Wasser mehr erhalten hatten. Pellets wurden nur einer Minderheit der Kaninchen angeboten. Ein kurzes, dickes Aststück diente als Nagematerial. Frischfutter wurde den Kaninchen nicht angeboten, umso wichtiger wäre daher der ständige Zugang zu frischem Wasser gewesen. Erhöhte Flächen und abgedunkelte Rückzugsbereiche oder Bereiche mit Sichtschutz vor den Besuchern waren nicht vorhanden. Immer wieder berührten Besucher die Kaninchen, indem sie ihre Hände durch die Gitterstäbe streckten. In zwei Fällen konnte sogar beobachtet werden, wie ein Besucher die Käfigtür öffnete und die Kaninchen, die sich in die hinterste Ecke des Käfigs drückten, anfasste. Einige Vertreter der Züchtervereine hielten sich in der Nähe der Käfige auf und griffen nicht ein. Die meisten Kaninchen hockten oder sassen mehr oder weniger bewegungslos da. Nur ganz vereinzelt ruhte ein Kaninchen entspannt in Seitenlage. Schnuppern an Objekten, Männchen ma- chen und Körperpflege konnte relativ häufig beobachtet werden. Nahrungsaufnahme war nur sehr selten zu sehen. Einige Kaninchen versuchten, sich mit einem Hoppelsprung oder kleinen Luft- sprüngen Bewegung zu verschaffen. Bei deren Ausführung kollidierten sie aber regelmässig mit den Wänden. Ein Kaninchen der Rasse Zwergwidder zeigte während des ganzen Besuches ein hochgradig stereotypes Verhalten. Es hoppelte vor dem Gitter hin und her. Diese Bewegung wiederholte das Kaninchen unablässig. Solche Verhaltensstörungen sind gemäss Tierschutzgesetzgebung ein klares Indiz für Leiden und nicht korrekte Haltung. Aus tierschützerischer Sicht problematisch ist die Zucht von Rexkaninchen. Ihre Tasthaare im Gesicht sind verkürzt, verbogen oder fehlen teilweise ganz. Damit ist die für Kaninchen wichtige Tastfunktion nur noch eingeschränkt oder gar nicht vorhanden. Meerschweinchen An dieser Ausstellung wurden 14 Meerschweinchen der Rassen Rosette, US-Teddy, Schweizer Teddy und Peruaner in Einzelhaltung gezeigt. Die Käfige waren durch Metallwände voneinan- der getrennt, sodass die Tiere keinerlei Kontakt zueinander aufnehmen konnten. Die Käfige wie- sen eine Grundfläche von ca. 60 cm x 60 cm auf, die Höhe betrug ca. 55 cm. Die Flächen- masse sind für eine Ausstellung akzeptabel, wenn auch nicht vorbildlich. Die Einzelhaltung ist hingegen tierschutzwidrig, da die Tierschutz- verordnung Gruppenhaltung vorschreibt. Denn Meerschweinchen sind soziale Tiere, welche sich ohne Partner nicht wohlfühlen. Die Inneneinrichtung war bei allen Käfigen Die Einzelhaltung von Meerschweinchen ist in identisch: Gemisch aus Stroh, Heu und Säge- der Heimtierhaltung verboten. Die Wasserscha- spänen als Einstreu, ein Ast zum Nagen sowie le war viel zu weit oben angebracht. 3
SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS KANTONALE STÄMMESCHAU, BISCHOFSZELL TG ein Schälchen mit Wasser. Letztere waren jedoch oft für die Tiere unerreichbar hoch angebracht war. Es gab keinerlei Rückzugsmöglichkeiten oder sonstige Strukturen zur Bereicherung. Für das Wohlbefinden des Fluchttieres Meerschweinchen wären diese aber essentiell gewesen. Es erstaunt daher nicht, dass sich sämtliche Meerschweinchen zum Zeitpunkt des Besuchs regungslos an die hintere Wand ihres Käfigs duckten. Peruanische Meerschweinchen mit extrem langen Haaren betrachtet der STS als Extremzucht. Die langen Haare verdecken die Augen und schränken die Tiere in ihrer Sicht ein. Damit die Haare nicht verfilzen, müssen Peruaner täglich gebürstet werden – dies verursacht beim Fluchttier Meer- schweinchen oft Angst und Leiden. Zusätzlich können die langen Haare zu Hygieneproblemen führen, wenn sie verkotet oder durch den Bodenkontakt verschmutzt werden. Hühner An der Thurgauer Stämmeschau wurden ca. 50 Hühner verschiedener Rassen in Einzelhaltung ausgestellt. Aus Sicht des STS ist die Einzelhal- tung von Hühnern tierschutzwidrig. Da die Zwi- schenwände aus Gitter waren, hatten die Hühner wenigstens Sichtkontakt. Die kleineren Hühnerrassen (zum Beispiel Zwerg-Italiener) waren in Gitterkäfigen von ca. 60 cm x 60 cm x 60 cm untergebracht. Die grösseren Rassen (wie etwa die New Hampshire) hatten Käfige von ca. 100 cm x 100 cm x 100 cm zur Verfügung. Viele der Käfige waren für die Zuschauer von Einzelhaltung Hühner ohne Sitzstangen oder allen Seiten einsehbar, die darin untergebrach- Nester. ten Hühner hatten keinerlei Sichtschutz zur Ver- fügung. Ein Teil der Hühnerkäfige grenzte mit der Rückseite an die Hinterwand der Kaninchen- käfige. Wenn die Kaninchen bei ihren Versu- chen, sich Bewegung zu verschaffen, mit der Wand kollidierten, erschreckten sich die Hühner jeweils. Die Käfige wiesen Holzböden auf, welche mit Stroh und teilweise auch mit trockenem Laub be- deckt waren. Die gesetzlich vorgeschriebenen Sitzstangen und Nester für Legetiere waren nicht vorhanden. Den Hühnern wurden Wasser, Körner und teilweise auch Frischfutter angeboten. Ein Huhn zeigte Schnabelatmung. Tauben Jeweils vier Vertreter der Rassen Einfarbige Schweizertaube, Berner Lerche, Thurgauer Schild, Reisebrieftauben und Elsterpurzler wurden ausge- stellt und prämiert. Die Tauben waren einzeln in Gitterkäfigen untergebracht, hatten aber durch die Gitterstäbe wenigstens Sichtkontakt. Die Käfige wiesen Masse von ca. 40 cm x 40 cm x 40 cm auf. Die Masse erfüllten die Vor- schriften der Tierschutzverordnung an eine per- manente Haltung nicht. Der Boden der Käfige war mit Wellkarton ausgelegt. Sitzstangen und 4 Nester waren nicht vorhanden. Körner und Was- Ein Elsterpurzler sass regungslos am Boden.
SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS KANTONALE STÄMMESCHAU, BISCHOFSZELL TG 1/2015 ser standen allen Tieren zur Verfügung. Die meisten Tauben hockten reglos am Boden. Das norma- le Gehen schien zudem durch den Wellkarton erschwert. Elsterpurzler vollführen im Flug einfache oder doppelte Überschläge und gelten deshalb als problematische Rasse. Aus Sicht des STS ist es fragwürdig, Taubenrassen zu züchten, die solches Flugverhalten zeigen. Smaragdenten In einem Gehege mit den Massen von ca. 2,2 m x 0,6 m x 0,6 m wurden drei Smaragdenten aus- gestellt. Das Gehege war mit Stroh eingestreut. Eine Badegelegenheit, wie sie für permanente Haltung vorgeschrieben ist, fehlte. Die Smaragdenten verfügten über Körner und welkes Grünfutter. Das Trinkwasser wurde ihnen in einer Art Kanister, der an einer Seitenwand eine Öffnung hatte, angeboten. Dadurch sollte ver- mutlich den Vögeln das Trinken ermöglicht werden, gleichzeitig aber das Baden im Trinkwasser verhindert werden. sts@tierschutz.com · www.tierschutz.com 5
Sie können auch lesen