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Vernünftige Regelungen statt Verbote! Eine Stellungnahme der Veranstalter der Terraristikbörse TERRARISTIKA in Hamm/ Westfalen zum Entwurf eines neuen Gefahrtiergesetzes für Nordrhein-Westfalen
Inhalt 1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3 Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3.1 Geschichte und Tradition der Gefahrtierhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3.2 Gesellschaftlicher Nutzen der Gefahrtierhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.3 Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und individuelle Gefährdung durch privat gehaltene Wildtiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3.4 Gegner der Gefahrtierhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 4 Bewertung der Vorlage zum neuen Gefahrtiergesetz NRW . . . . . . . . . . 15 4.1 Verbote zur Haltung besonders gefährlicher Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4.1.1 Ein Verbot erhöht die öffentliche Sicherheit nicht, sondern gefährdet sie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4.1.2 Ein Verbot schädigt Wissenschaft und Artenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 4.1.3 Ein Verbot verursacht gravierende Tierschutzprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4.1.4 Ein Verbot stößt auf gravierende rechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 4.1.5 Ein Verbot würde hohe Folgekosten für das Land verursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 4.2 Artenauswahl bzw. Einstufung der Arten im Entwurf zum neuen Gefahrtiergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4.2.1 Artenliste nach §2 (Haltungsverbot). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4.2.1.1 Wirbellose nach §2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4.2.1.2 Blattsteigerfrösche nach §2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 4.2.1.3 Giftschlangen nach §2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4.2.1.4 Krustenechsen nach §2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4.2.1.5 Komodowaran nach §2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4.2.1.6 Panzerechsen nach §2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4.2.2 Artenliste nach §3 des Gesetzentwurfes zum Gefahrtiergesetz und §1 des Entwurfs zur Ordnungsbehördlichen Durchführungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4.2.2.1 Wirbellose nach §3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4.2.2.2 Echsen nach §3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4.2.2.3 Riesensalamander nach §3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4.2.2.4 Große Riesenschlangen nach §3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.2.2.5 Schildkröten nach §3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.3 Sonstige Bestimmungen im Entwurf des Gefahrtiergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.3.1 Sachkunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.3.2 Weitere Voraussetzungen für die Haltung gefährlicher Tiere. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5 Zusammenfassende Forderungen an das neue Gefahrtiergesetz NRW . 37 5.1 Keine Haltungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 5.2 Die Haltung gefährlicher Tiere muss genehmigungspflichtig werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 5.3 Eine fachgerechte Liste gefährlicher Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 5.4 Anerkennung der Sachkundenachweise der Fachverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 5.5 Anforderungen an die sichere Unterbringung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Anhang I: Haltung und Handel „exotischer“ Tiere als Gegenstand des Polizei- und Ordnungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 von Dr. iur. Dr. rer. pol. Tade Matthias Spranger Anhang II: Gutachten zum Gesetzentwurf „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tieren wildlebender Arten (Gefahrtiergesetz – GefTierG NRW.)“ der Landesregierung Nordrhein-Westfalens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 von Dr. rer. nat. Martin Singheiser 3
1 Zusammenfassung 2 Einführung 1 Zusammenfassung 2 Einführung D er vorliegende Entwurf der nordrhein-westfäli- Unbedingt geboten wären folgende Modifikationen Am 21. Oktober 2014 legte das Landeskabinett der nord- schen Landesregierung über ein neues Gefahr- des Entwurfes: rhein-westfälischen Landesregierung die Eckpunkte für tiergesetz schließt zwar richtigerweise eine ge- 1) Kein Verbot der Haltung gefährlicher Tiere. Ein Verbot einen Gesetzesentwurf für ein neues Gefahrtiergesetz setzliche Lücke, weist jedoch einige gravierende Schwächenschafft erhebliche tier- und artenschutzrechtliche Pro- sowie eine zugehörige Durchführungsverordnung vor. auf, die kontraproduktiv zu seinen in §1 des Entwurfs bleme und greift massiv in die freie Persönlichkeits- Darin soll erstmals für unser Bundesland die private formulierten Zielen wirken würden und unnötig in die entfaltung der betroffenen Halter ein. Es wird zu einem Haltung von für den Menschen gefährlichen Tieren wild- Interessen von seriösen privaten Liebhabern, der Wis- Abtauchen vieler Halter in die Illegalität führen und lebender Arten geregelt werden. senschaft und des Artenschutzes eingreifen würden. in der Folge zu tatsächlichen Sicherheits- und Tier- §1 Absatz 2 des Entwurfs definiert ein „gefährliches schutzproblemen. Tier“ als eines, das nach seinen artgemäßen Eigenschaften Die Möglichkeit der in der Lage ist, „Menschen durch Körperkraft, Gift oder Matteo mit einer Roten Chile-Vogelspinne (Grammostola rosea) gerade in Nord- arttypisches Verhalten erheblich zu verletzen oder zu tö- rhein-Westfalen ten“. Es soll also um Lebensgefahr oder „erhebliche“ langen und ergeb- Verletzungen des Menschen gehen, ausdrücklich nicht nisreichen Koope- um die Möglichkeit kleiner Bissverletzungen, Kratzer o. ration zwischen Ä., wie sie auch Hunde, Katzen, Papageien, Nagetiere Privathaltern und und andere Heimtiere zufügen können. der professionellen Als wichtigste Punkte sieht der Gesetzentwurf in §2 Wissenschaft ginge ein vollständiges Verbot der privaten Haltung bestimmter, verloren. Im Sinne als besonders gefährlich eingestufter Arten wie Gift- des Artenschutzes schlangen vor, für weitere, als weniger gefährlich ange- wäre ein Haltungs- nommene Arten, die in §1 des Entwurfs der Durchfüh- und Vermehrungs- rungsverordnung aufgeführt sind, soll die Haltung nur verbot der oftmals unter Erfüllung bestimmter Auflagen erlaubt sein. seltenen, gefährde- Altbestände der besonders gefährlichen Arten sollen ten und geschütz- bei Erfüllung der Auflagen bis zu ihrem Lebensende ten Arten unverant- weitergepflegt, aber nicht mehr willentlich oder unwil- wortlich. lentlich vermehrt werden dürfen. Erfüllt der Halter nicht 2) Stattdessen müs- die Auflagen aus dem Gesetz oder der Durchführungs- sen für die Haltung verordnung, sind neben Ordnungsgeldern und Strafen gefährlicher Tiere auch die Beschlagnahmung der Tiere vorgesehen. fachgerechte, aber Im Zuge der Verbandsanhörung wollen wir, die Ver- erfüllbare Auflagen anstalter der „Terraristika“ in Hamm, der weltweit gemacht werden, größten Börse für Terrarientiere, im Folgenden zu dem bei deren Einhal- Ein Ara kann Menschen stärker verletzen als viele der Private, vorbildliche Giftschlangenanlage. Mit dem Ge- im Entwurf aufgeführten „gefährlichen Tiere“ tung dem Privat- setz würde ein wichtiger Teil des Lebensinhalts vieler halter, selbstver- Menschen vernichtet. ständlich mit Mög- lichkeit entspre- chender Kontrollen der Vollzugsbehör- den, die Haltung und Vermehrung auch gefährlicher Arten weiter er- möglicht werden. 3) Die vorliegenden Artenlisten müssen von kompetenten Experten für die einzelnen Tiergrup- pen überarbeitet werden. Sie weisen derzeit gravierende Schwächen auf, weil auch für den Menschen nicht ge- fährliche Arten auf- geführt sind. 4 5
2 Einführung 3 Problemlage Wir lehnen eine gesetzliche Regelung der privaten Hal- tung gefährlicher Wildtiere keineswegs ab, sondern halten 3 Problemlage sie vielmehr für sinnvoll und im Sinne des vorbeugenden Schutzes für geboten, wenn auch die Gefährdungslage Die Haltung und Vermehrung gefährlicher Tiere unterliegt Mit der nötigen Fachkenntnis und dem weit weniger dramatisch ist, als das NRW-Umweltminis- in Nordrhein-Westfalen bislang keiner spezifischen Re- passenden Gerät sind Giftschlangen wie terium sie in der Begründung zu seinem Gesetzentwurf gelung. Auf Bundesebene fehlt eine entsprechende Re- diese Weißlippen-Bambusotter, Trimeresurus albolabris, sicher und der zugehörigen Pressemitteilung darstellt. gelung bislang ebenfalls, in acht der 16 Bundesländer zu händeln Leider sind der vorliegende Gesetzentwurf und die gibt es inzwischen zu diesem Thema Gesetze, die allerdings Auswahl der betroffenen Arten in wichtigen Teilen nicht sehr unterschiedlich ausfallen und von Meldepflichten zielführend. Im Gegenteil sind wir überzeugt davon, über Genehmigungsvorbehalte, Verbote mit Ausnahme- dass der Gesetzentwurf kontraproduktiv ist, zu einer er- regelungen bis zu Komplettverboten (Letztere ausschließ- höhten Gefährdungslage der Bevölkerung führt, die Aus- lich in Hessen und Berlin) reichen. übung einer wichtigen, für die Gesellschaft nützlichen Das Fehlen solcher spezifischen Regelungen heißt und wertvollen privaten Beschäftigung unterbindet oder aber keineswegs, dass die Haltung gefährlicher Wildtiere stark beeinträchtigt, Wissenschaft und Forschung großen bislang völlig ungeordnet möglich ist, wie es leider oft Schaden zufügt und unnötig erheblich in die Grundrechte dargestellt wird. Vielmehr liegt bereits ein umfangreiches zahlreicher mit Leidenschaft ihrem Interessensgebiet gesetzliches Instrumentarium bereit, das sich bislang als nachgehender Menschen eingreift. durchaus geeignet erwiesen hat, die Bevölkerung vor Mit wenigen, dafür aber zielgerichteten Änderungen Gefahren zu schützen. Denn die allgemeinen Regelungen dagegen könnte auf der Basis dieses Gesetzentwurfes der Tier- und Artenschutzgesetze, des Bürgerlichen Ge- eine Regelung mit Vorbildcharakter auch für andere setzbuches und des Haftungsrechts klären schon heute, Bundesländer entstehen, die auch von großen Teilen der dass jeder Tierhalter seine Pfleglinge artgerecht unter- betroffenen Halter und kommerziell in der Branche Ar- bringen und über die nötige Sachkunde verfügen muss, beitender mitgetragen werden würde, zumal unserer dass Dritte nicht gefährdet werden dürfen und dass er Meinung nach das Ziel ohnehin eine möglichst bundes- im Fall von durch ihn verschuldeten Störungen zu Scha- einheitliche Regelung sein müsste, bzw. eine Angleichung denersatz oder bei Vorliegen fahrlässiger Gefährdung der Regelungen der Länder. Dritter auch strafrechtlich herangezogen werden kann. Wir wollen mit dieser Stellungnahme dazu beitragen, All das – und die Tatsache, dass die überwiegende dass Nordrhein-Westfalen diese Chance ergreift und mit Mehrheit der Tierhalter sich von sich aus verantwor- Vorsicht – aber keine sinnlose Panik! seinem Gesetz zu einer Lösung beiträgt, die sowohl die tungsbewusst und seriös verhält – hat in der Vergangenheit berechtigten Sicherheitsinteressen der Bevölkerung be- dazu geführt, dass es trotz durchaus beachtlicher Mengen rücksichtigt als auch die Belange von Wissenschaft, Ar- an gefährlichen Wildtieren in privater Haltung und trotz Gesetzentwurf Stellung beziehen. Wir führen die „Terra- tenschutz, freier Persönlichkeitsentfaltung und freier Be- zahlreicher Börsen, auf denen diese gehandelt werden, ristika“ seit fast zwanzig Jahren durch, inzwischen vier rufswahl. praktisch zu keinen relevanten Störungen der öffentlichen Mal im Jahr. Auf dieser Börse werden auch zahlreiche Sicherheit gekommen ist. Tiere der im Gesetzentwurf genannten Arten überwiegend Vielmehr wird die Bedrohungslage durch einen kleinen, von Züchtern und Liebhabern gehandelt und getauscht. Crotalus vegrandis, die Uracoan-Klapperschlange. Eine aber ideologisch getriebenen Teil der Tierschutzbewegung, Aufgrund unserer umfangreichen und positiven Er- von zahlreichen Giftschlangenarten, die von Privathal- die jede Haltung von Wildtieren generell ablehnt, wis- tern erfolgreich nachgezüchtet wird. fahrungen mit der Materie – bislang ist es bei der Terraristika sentlich aus taktischen Gründen über die Maßen aufge- trotz vieler zehntausend Besucher und tausender gefähr- bauscht und dramatisiert (siehe z. B. WERNING 2007a, b licher Tiere, die hier ihren Besitzer gewechselt haben, über falsche Unfallstatistiken des Vereins Pro Wildlife). noch nie zu Problemen oder gar einem Unfall gekommen Auch die oftmals reißerische Medienberichterstattung – wollen wir unsere Erfahrungen und Kenntnisse in den und der Sensationswert bei Vorkommnissen mit exotischen Gesetzgebungsprozess einbringen, um eine sachlich be- Tieren haben zu einer verzerrten Darstellung und Wahr- sich gar drama- gründete Regelung zu erreichen, die für alle Seiten nehmung in der Öffentlichkeit geführt. So werden voll- tischen zuspitzen- eine zufriedenstellende Lösung darstellen kann. kommen harmlose Zwischenfälle, wie etwa das Einfangen den Gefährdungs- harmloser Kornnattern oder Bartagamen, zu großen Ge- lage kann also keine schichten und Zeitungsmeldungen aufgebauscht. Auch Rede sein. das NRW-Umweltministerium zitiert in seiner Presseer- Die tatsächliche Ge- klärung zur Vorlage des Gefahrtiergesetzentwurfes solche fahrenlage ist also mi- Vorkommnisse. Ähnliche Vorfälle mit Hunden, Katzen nimal, was sich allein oder anderen Tieren sind ganz alltäglich, finden aber schon empirisch aus der keinerlei Beachtung. So entsteht der gänzlich falsche Zahl der Unfälle bzw. Stö- Eindruck, exotische Tiere würden besonders häufig au- rungen der öffentlichen Ordnung ergibt. Auch gibt es, ßerhalb ihrer Gehege angetroffen. anders als von den Tierschutzverbänden und diversen Hinzu kommt die stereotyp vorgebrachte Behauptung, Tierrechtsaktivisten gerne plakativ herausgestellt, kaum die Haltung exotischer Tiere boome und greife immer Probleme mit Gefahrtieren in Tierheimen. Die wenigen weiter um sich. Das Gegenteil ist der Fall: Seit einigen Exemplare, für die eine Unterbringung gefunden werden Jahren schon hat sich das Interesse nach einem kurzzeitigen muss, können gerade bei Gefahrtieren in aller Regel zwischenzeitlichen Peak wieder auf ein Normalmaß zu- recht problemlos an seriöse Privathalter oder entsprechende rechtgeschrumpft. Von einer beständig ansteigenden oder Einrichtungen wie Reptilienauffangstationen vermittelt 6 7
3.1 Gesschichte und Tradition der Gefahrtierhaltung 3,2 Gesellschaftlicher Nutzen der Gefahrtierhaltung Verschiedene Hilfsmittel für eine sichere Handha- wurzelte Tradition biologisch und naturkundlich in- DGHT ihr 50-jähriges Bestehen in den Räumlichkeiten So konnten bei immer höheren Sicherheitsstandards bung gefährlicher Tiere: Mit Pinzetten und Greif- teressierter Bürger. Gerade in Deutschland hat des mit öffentlichen Mitteln finanzierten und international ideale Haltungsbedingungen für diese Tiere geschaffen zangen lassen sich Wirbellose wie Skorpione diese Beschäftigung eine lange Geschichte. renommierten Zoologischen Forschungsmuseums Ale- werden. Nachzuchterfolge wurden bei immer mehr Arten sicher anfassen, Terrarienschlösser verhindern Die Terraristik, also die Haltung von xander Koenig in Bonn gefeiert. Da ist es fast ironisch, selbstverständlich und sind längst eine wichtige Grö- unbeabsichtigtes Öffnen der Behältnisse Reptilien und Amphibien in menschlicher dass fast zeitgleich ebenfalls in NRW mit der Vorlage des ßenordnung bei Schutzprojekten, beispielsweise bei eu- Obhut, ist ein traditionsreiches Hobby (vgl. Entwurfs des neuen Gefahrtiergesetzes sozusagen die Axt ropäischen Giftschlangen, die in ihren natürlichen Le- RIECK et al. 2001). Erste Beschreibungen der Ter- an die Wurzel dieser wertvollen und traditionsreichen bensräumen oft stark gefährdet sind. werden. rarienhaltung von Reptilien und Amphibien rühren Hobbybeschäftigung gelegt werden soll, denn die unver- Die größte Ein- bereits aus dem 16. Jahrhundert (KATZ & LEHR 1996), änderte Durchsetzung dieses Gesetzes würde nichts anderes 3.2 Gesellschaftlicher Nutzen der richtung dieser Art ist erste Grundlagenwerke zum Thema erschienen im 19. als das Ende dieser Erfolgsgeschichte bedeuten. Gefahrtierhaltung die Reptilienauffangstation in Jahrhundert (z. B. BECHSTEIN 1807, VON FISCHER 1884, Eine erhebliche Popularisierung erlebte das Hobby Die Terraristik ist heute in der Lage, eine sehr große Zahl München. Dass die dort auflaufenden ORTLEB & ORTLEB 1886). Schon hier standen selbstver- schließlich in den 1990er-Jahren. Inzwischen waren die an Arten gefährlicher Tiere regelmäßig und auf tierhalterisch gefährlichen Tiere im Regelfall nur schlecht ständlich immer auch Arten im Mittelpunkt des Interesses, Kenntnisse über die Haltung von Reptilien und Amphibien hohem Niveau gezielt und über Generationen zu vermehren; weitervermittelt und daher dauerhaft auf Kosten die heute als gefährliche Tiere gelten, wie etwa Riesen- soweit fortgeschritten, dass zunehmend Ratgeber-Literatur das Angebot gerade auch auf den Terraristik-Börsen zeugt der Öffentlichkeit betreut werden müssen, liegt allerdings und Giftschlangen, aber auch Krokodile und Großechsen veröffentlicht wurde, oft mit fundierten wissenschaftlichen genau davon, ebenso natürlich die zahlreichen Offerten vor allem an der Gefahrtiergesetzgebung in München, (siehe ausführlich hierzu MONZEL 2012 und AKERET 2014). Kenntnissen, neuen Beobachtungen und umfangreichen auf Internet-Portalen, die große Zahl an Fachpublikationen die gerade die Weitergabe an Privathalter verbietet. Eine Seit Ende des 19. Jahrhunderts importieren Zoohändler Bestandsaufnahmen der verstreuten Literatur, sodass und die Nachzuchtstatistiken verschiedener Verbände. vernünftige Gefahrtierregelung, die privaten Haltern die regelmäßig Individuen exotischer Arten und gefährlicher zahlreiche international anerkannte Referenzwerke und Damit trägt die Terraristik zum internationalen Artenschutz Haltung gefährlicher Tiere unter Erfüllung bestimmter Tiere in die Länder der heutigen EU, zunächst vor allem Monographien zu vielen Arten gefährlicher Tiere er- bei, sowohl durch den Erhalt der Tiere in privater Hand als Auflagen erlaubt, würde für eine deutliche Entlastung nach Deutschland, Frankreich, Belgien, Großbritannien, schienen. Ein Großteil dieser Literatur wurde von privaten auch durch die Bereitstellung von Kenntnissen und Tieren, solcher Einrichtungen führen. die Niederlande und die heutige Tschechische Republik. Haltern verfasst, oft in direkter Zusammenarbeit mit die für wissenschaftliche Forschung und Artenschutzprojekte Gerade bezüglich der Überlastung von Tierheimen War die Terraristik anfangs nur für einen kleinen Kreis professionell arbeitenden Herpetologen, Naturschützern von essenzieller Bedeutung sind (siehe MONZEL 2012). Wäh- würde ein Verbot sich extrem kontraproduktiv auswirken: von Enthusiasten interessant, nahm das Inte- und Ökologen. Auch die Zoohandelsindustrie begann rend nur eine sehr kleine Zahl an Arten tatsächlich durch zum einen würde die Zahl unterzubringender Gefahrtiere resse an diesem Hobby mit dem Wirt- Mitte der 1990er-Jahre, sich dem Hobby zu widmen, den Lebendtierhandel zum Zwecke privater Haltung ge- sprunghaft ansteigen, zum anderen gäbe es durch den schaftsaufschwung nach dem und brachte eine ganze Produktpalette speziell für die fährdet ist – wogegen mit dem Washingtoner Artenschutz- dann folgenden Ausfall kompetenter Privathalter nur Zweiten Weltkrieg deutlich Terraristik auf den Markt, darunter auch zahlreiche Pro- abkommen (CITES) eigentlich ein praktikables und bewährtes noch sehr eingeschränkte Unterbringungsmöglichkeiten, zu. Die zunehmende dukte für Gefahrtierhalter, die einen sicheren Umgang Instrument zur Verfügung steht –, ist eine sehr große Zahl was automatisch zu verschärften Tierschutzproblemen Verstädterung mit diesen Arten ermöglichen, von Terrarien mit speziellen an Arten durch Lebensraumzerstörung oder den Handel führen würde. Abriegelungsmöglichkeiten und Schlupfkisten über für menschlichen Konsum als Nahrung, Arznei oder für Die besondere Aufmerksamkeit, die das Thema in und Entfremdung von der Natur Schlangenhaken und spezielle Schutzhandschuhe. Modeaccessoires bedroht (vgl. z. B. AULIYA 2003, 2006, den letzten Jahren erfahren hat, ist auf die gezielte Pro- führten bei vielen Menschen zu dem paganda der einschlägig ideologisch motivierten Wunsch, sich „ein Stückchen Natur“ ins Vipera ammodytes, die Europäische Hornotter, kommt in Europa ab Österreich in südliche Richtung vor; sie wird Teile der Tierschützer sowie des Sensations- eigene Heim zu holen, ein Anliegen, für das es häufig privat gehalten und nachgezüchtet wertes exotischer Tiere zurückzuführen. Hier damals auch Unterstützung von echten Tierschützern trägt das Internet mit den Erregungskurven in wie dem berühmten Tierfilmer und Naturschützer Heinz den sozialen Netzwerken wesentlich zu einer Sielmann gab (vgl. z. B. ZIMNIOK 1979). Hysterisierung bei. Die verbesserten technischen Möglichkeiten machten Die tatsächliche Problemlage soll im Folgenden im es zunehmend leichter, wechselwarme Tiere aus tropischen Einzelnen dargelegt werden. und subtropischen Regionen zu halten. Waren es ur- sprünglich vor allem Aquarianer, die sich sozusagen ne- 3.1 Geschichte und Tradition der benbei mit der Terraristik beschäftigten, gewann dieser Gefahrtierhaltung Zweig des Hobbys Vivaristik bald immer mehr spezialisierte Anders als von Tierschützern und leider auch offiziellen Anhänger. Es war eine Entwicklung, die sich auch in der Stellen wie dem Umweltministerium NRW impliziert, Gründung von speziellen Verbänden zeigte. Waren die handelt es sich bei der Haltung gefährlicher Wildtiere Terrarianer zunächst noch unter einem gemeinsamen keineswegs um einen modischen Dach mit den Aquarianern vertreten (vgl. z. B. RIECK et al. Spleen unserer Tage, sondern 2001), so wurde in Deutschland bereits 1918, also vor fast vielmehr um eine seit über 100 Jahren, der Verein „Der Salamander“ gegründet, als einem Jahrhundert tief ver- Zusammenschluss der Halter von Reptilien und Am- phibien sowie Wissenschaftlern, die sich beruflich mit diesen Tieren beschäftigten. Im Jahr 1964, vor genau 50 Jahren, ging da- raus die Deutsche Gesellschaft für Her- petologie und Terrarienkunde e. V. (DGHT) hervor, die mit knapp 7.000 Mitgliedern heute weltgrößte Vereini- gung ihrer Art, was die Bedeutung der Terraristik vor allem in Mitteleu- ropa unterstreicht. Gerade erst, vom 1.–4. Oktober 2014, hat die 8 9
3.2 Gesellschaftlicher Nutzen der Gefahrtierhaltung 3.3 Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und individuelle Gefährdung durch privat gehaltene Wildtiere TRUTNAU & SOMMERLAD 2006). Hier können Populationen vorzuschreiben. Der eine begeistert sich für Vogelbeob- 3.3 Gefährdung der öffentlichen https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thema- in menschlicher Obhut als „Backup-Populationen“ für in achtungen im Freien, der andere für das Beobachten von Sicherheit und individuelle Ge- tisch/Gesundheit/Todesursachen/Todesursachen.html), der Natur bedrohte Arten dienen, eine Strategie, auf die Giftschlangen im Terrarium. Die eine dieser Tätigkeiten fährdung durch privat gehaltene dass das Risiko, in Deutschland durch Terrarientiere zu etwa die internationale „Amphibienarche“ angesichts der mag der Bevölkerungsmehrheit besser gefallen, der Ge- Wildtiere Tode zu kommen, gleich 0 ist. Eine eigene Kategorie globalen Amphibienkrise explizit setzt. setzgeber sollte sich aber tunlichst hüten, Vorschriften Ein so schwerwiegender Eingriff in das Recht auf freie (X20.0) zählt Todesfälle durch „giftige Schlangen oder Auch für die wissenschaftliche Forschung ist die machen zu wollen, womit erwachsene Menschen sich in Persönlichkeitsentfaltung wie der Verbot eines Hobbys, Echsen zu Hause“ auf. Sie beträgt in allen Jahren 0. private Gefahrtierhaltung von allergrößtem Nutzen. Sehr ihrer Freizeit befassen. verbunden mit einem Eingriff in das Eigentum der Be- Auch durch Krokodile oder Riesenschlangen ist in ausführlich stellt MONZEL (2012) dies in seiner Zusam- Zur Unterstreichung der getroffenen Aussagen seien troffenen (ein Verbot von Nachzuchten geht selbstver- Deutschland in diesen Jahren niemand zu Tode gekommen. menstellung zum Thema vor Augen. Auch international hier stellvertretend nur einige Stimmen von auf diesem ständlich auch mit materiellen Verlusten für die Halter Im gleichen Zeitraum kam dagegen zu jährlich 2,6 Toten renommierte Wissenschaftler betonen besonders diesen Feld führenden Wissenschaftlern angeführt (zitiert aus einher), wäre nur zu rechtfertigen, wenn von privat ge- durch Hunde. Durch Pferde oder Kühe sterben noch Aspekt. Davon zeugt besonders auch die DGHT, ein Zu- MONZEL 2012): haltenen Gefahrtieren eine tatsächliche Gefährdung der mehr Menschen, bei anderen Todesarten, die man auch sammenschluss praktisch aller namhaften beruflichen öffentlichen Sicherheit ausginge. Dem ist aber nicht so. nicht unbedingt als normales Alltagsrisiko einschätzen Herpetologen in Deutschland mit engagierten Privathaltern. „Auch bei der biologischen Erforschung giftiger Schlangenarten Schon 2007 haben einige Tierschutzorganisationen, würden, sind die Ergebnisse noch weit erstaunlicher: sind Beiträge aus seriöser privater Haltung genauso gefragt Und schließlich helfen gerade seriöse, ihr Hobby und wichtig wie im Falle ungiftiger Schlangen. Ich habe namentlich die Splittergruppe Pro Wildlife, versucht, Allein im Bodensee starben im Jahr 2013 bei Badeunfällen legal ausübende Gefahrtierhalter bei der Gefahrenabwehr hierin auch meine entsprechend arbeitenden Studenten und durch alarmistische Statistiken angeblicher Gefahrtier- 12 Menschen, 36 wurden verletzt! (www.polizei.bayern.de/ für die Bevölkerung. Bei der medizinischen Versorgung befreundete forschende Amateure immer unterstützt. Allerdings unfälle einen Handlungsbedarf für die Politik zu sugge- content/1/9/5/1/4/4/unfallstatistik_bodensee_2013_ kommt Gifttierhaltern, die über Organisationen wie etwa erfordert die Haltung von wirklich gefährlichen Giftschlangen rieren. Allerdings erwiesen sich bei einer journalistischen international-endfassung.pdf). auch ein besonderes Verantwortungsgefühl und sollte dadurch den Verein der Gifttierhalter Europas / Serum-Depot motiviert sein, Beiträge zur Kenntnis dieser Arten leisten zu Nachrecherche die Zahlen als grob falsch (WERNING Auch die jetzt in der Pressemitteilung des Umweltmi- Berlin e. V. selbst für die Sammlung von Expertise und wollen und dies in Kooperation mit Fachwissenschaftlern 2007a, b). Eine Auswertung der Anfragen bei Giftnotruf- nisteriums NRW genannten Vorfälle mit Tieren verzerren ganz praktisch auch von Antiseren sorgen, eine wichtige dann auch zu publizieren und so der weiteren Forschung zu- zentralen im Rahmen einer Dissertation zum Thema die Wirklichkeit: „Die Zahl der Vorfälle, in denen zum Funktion zu (PREISSLER & SCHMIDT 2012). gänglich zu machen. Zahlreiche Haltungs- und Zuchterfolge (BECKSTEIN 2009) führte zu dem erhellenden Ergebnis, Teil gefährliche oder giftige Tiere wildlebender Arten zeigen, dass eine art- und tiergerechte Pflege dieser Tiere Welch umfassendes Wissen die private Gefahrtier- durchaus möglich ist, wobei aber auch hier die Vorhaltung dass die tatsächlich auf privat gehaltene Gifttiere zu- ausgerissen sind oder ausgesetzt wurden, ist in den haltung über Reptilien, Amphibien und Wirbellose bei- der entsprechenden Seren, wie sie das Serum-Depot Berlin rückgehenden Unfälle wohl im sehr niedrigen zweistelligen letzten Jahren stark angestiegen. Der Feuerwehrlandes- getragen hat, wird deutlich, wenn man sich die umfassende anbietet, Teil einer verantwortungsvollen Haltung ist. (...) Bereich pro Jahr bundesweit liegen, wovon der größte verband schätzt, dass sich die Notrufe in diesen Zusam- Literatur zum Thema heute anschaut. Über zahlreiche Grundsätzlich private Haltung giftiger Schlangen ja, aber Teil folgenlos oder mit nur leichten Symptomen verläuft. menhängen in den vergangenen zehn Jahren mehr als bitte mit großer Verantwortung und nicht völlig unkontrol- Arten gibt es eigene Monographien, die den Kenntnisstand liert!“ Todesfälle werden in der Internationalen statistischen verdreifacht haben. Die Rettungsaktionen sind oftmals zu diesen ansonsten wenig beachteten Tieren zusam- Prof. Dr. Wolfgang Böhme Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesund- sehr kostenintensiv und zeitaufwändig. Allein im Jahr menfassen und vervollständigen. Aus der privaten Ter- Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig heitsprobleme ICD10 der Weltgesundheitsorganisation 2013 musste die Kölner Feuerwehr bei ihren Einsätzen 19 Universität Bonn raristik gewonnene Erkenntnisse sind konstituierend für WHO ausgewertet. Eine Auswertung der durch Tiere Schlangen, vier Vogelspinnen und sechs andere Spinnen, Zoo-Haltungen ebenso wie für zahlreiche Artenschutz- verursachten Todesfälle in Deutschland in den Jahren acht Bartagamen und drei weitere Amphibien sowie drei projekte und wissenschaftliche Forschung (vgl. z. B. ZEEB „Ich bin unbedingt dafür, dass verantwortungsbewusste Er- 2008–2012 zeigt (Internetabfrage der ICD10 2014 auf Geckos und einen Skorpion wieder einfangen.“ Nun sind wachsene das Recht auf eine private Haltung giftiger Reptilien 2012, DEMPFLE 2012, MÜLLER 2008, MONZEL 2012). Auch haben. Mit angemessener Übung können diese Tiere sicher ge- heute noch ist die engagierte Terraristik eng verzahnt halten werden. Ein vernünftiges Bewilligungssystem würde Klein bleibende Varianten von Boa constrictor werden in der Fotografie regelmäßig als „Models“ eingesetzt, weil mit der wissenschaftlichen Herpetologie (vgl. RIECK et nicht nur für einen Zuwachs an Informationen sorgen, sondern sie so problemlos zu handhaben sind al. 2001, MONZEL 2012). Herpetologen weisen regelmäßig auch Offenheit im Fall einer Vergiftung unterstützen. Die be- troffene Person könnte in einem angemessenen Zeitraum me- auf diesen Zusammenhang hin (z. B. MÜLLER 2008). dizinische Hilfe erhalten und sorgfältig wichtige Informationen Davon zeugt auch eine überwältigend große Zahl von bezüglich der verantwortlichen Art geben. Würde die Haltung wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus allen Bereichen solcher Tiere illegal, verschlechterte die Situation sich, weil die der Gefahrtiere von ökologischen Arbeiten bis hin zu Halter in den Untergrund gedrängt würden und weil wichtige Informationen über die sichere Haltung dann nicht mehr ver- Art- und Gattungsbeschreibungen sowie Verhaltensar- breitet würden, außerdem würde es die Gifttierpflege für die beiten, die unter Mitwirkung, federführend oder in Al- falschen Leute attraktiv machen. Und schließlich bedeutet die leinverantwortung von Terrarianern erstellt wurden und Haltung dieser Tiere eine entscheidende Quelle für Forscher, werden (ADLER et al. 2012). Der Wert solcher privaten die mit Giften arbeiten und die sonst die Möglichkeit verlören, einige ungewöhnliche Gifte zu sammeln.“ Forschung wird unter dem Stichwort „citizen science“ Dr. Bryan Grieg Fry immer mehr erkannt und soll stärker gefördert werden. Leiter des Labors für die Evolution von Giften, Umso unverständlicher ist es, dass solche geradezu klas- School of Biological Sciences University of Queensland/Australien sischen „citizen science“-Projekte wie engagierte private Gefahrtierhaltung nun verboten werden sollen! Hinzu kommt das Recht auf freie Persönlichkeitsent- „Die private Haltung von Gifttieren ist nicht nur ein interes- santes Hobby. Viele wissenschaftliche und tiergärtnerische faltung. Viele Menschen möchten sich einfach in dem Erkenntnisse über giftige Schlangen, Echsen und Wirbellose Hobby Terraristik ausleben und selbst verwirklichen, sie verdanken wir privaten Liebhabern dieser Tiere. Bei der Aus- haben Freude daran und widmen sich dieser Beschäftigung übung der Haltung von Gifttieren sollte aber stets der Sicher- mit Leidenschaft. Dies ist auch in der legislativen Abwä- heitsaspekt oberste Priorität genießen. Es sollte dringend eine bundesweit einheitliche Regelung gefunden werden, die es gung von Grundrechten von großer Gewichtung, worauf dem sachkundigen privaten Gifttierpfleger ermöglicht, unter beispielsweise der Verfassungsrechtler SPRANGER (2012) Auflage einiger sicherheitsrelevanter Aspekte sein Hobby aus- in Bezug auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutsch- zuüben, damit auch in Zukunft durch die Beobachtungen land ausdrücklich hinweist. Seinen diesbezüglichen Artikel und Erfahrungen der Liebhaber das Wissen über diese Tier- gruppen vermehrt werden kann. Deshalb spreche ich mich für drucken wir mit seiner freundlichen Genehmigung in eine verantwortungsvolle private Gifttierhaltung aus.“ der Anlage I zu dieser Stellungnahme nach. Dr. rer. nat. Thomas Kölpin Welches Ziel eine naturkundliche Leidenschaft findet, Zoodirektor Wilhelma, Stuttgart ist nun einmal sehr individuell und nicht durch Gesetze 10 11
3.3 Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und individuelle Gefährdung durch privat gehaltene Wildtiere 3.4 Gegner der Gefahrtierhaltung harmlose Varianten handelt, wie eine Kornnatter oder sprechende Kosten verursachen. Es gilt dabei aber, die Diese Ansinnen der Landesregierung unterstützen wir Gummischlange, die dann eher für ein Schmunzeln sor- Relationen zu beachten. Angesichts durchaus relevanter also ausdrücklich. gen“, erklärt der Feuerwehrexperte. Auch Stadt-Sprecher Unfallzahlen, auch mit tödlichem Ausgang, z. B. mit Ein Verbot dagegen würde die Gefahr für die öffentliche Hans-Joachim Skupsch weiß vom Ordnungsamt zu be- Pferden oder Hunden, stellen Gifttiere kein besonderes Sicherheit sprunghaft in die Höhe schnellen lassen, wie richten, dass „es glücklicherweise eher selten vorkommt, Risiko dar. Kommt es einmal zu einem schweren Unfall wir weiter unten noch ausführen werden (Punkt 4.1). dass giftige oder gefährliche Tiere entlaufen“ - und rela- mit eben beispielsweise einem Pferd, schafft der es in tiviert weiter: „Wir reden da von einem oder zwei Fällen aller Regel maximal in die Lokalpresse. Jeder Zwischenfall 3.4 Gegner der Gefahrtierhaltung pro Jahr, wobei es sich um aufgefundene, ungiftige mit exotischen Tieren, und seien sie noch so harmlos, Seit geraumer Zeit kämpft ein Teil der Tierschutz- und Schlangen gehandelt hat“.“ (www.lokalkompass.de/ werden jedoch regelmäßig in der überregionalen Presse Tierrechtsbewegung aus ideologischen Gründen gegen d o r t m u n d - c i t y / r a t g e b e r / f u e r- f e u e r w e h r- u n d - und im Internet ausführlich gewürdigt. So entsteht ein die Haltung von Wildtieren, vor allem die mitglieder- ordnungsamt-sind-gefaehrliche-tiere-kein-grosses- vollkommen verzerrtes Gefahrenbild. Das sich zudem schwache Splittergruppe Pro Wildlife, die im Jahr 2013 problem-d487457.html). noch viel deutlicher relativiert, wenn man es mit den gerade erst von der Stiftung Warentest wegen intranspa- Abschließend sei noch auf ein weiteres Risiko zum Unfallzahlen bei anderen Freizeitbeschäftigungen ver- renter Geschäftsgebaren gerügt wurde und die im Jahr Vergleich hingewiesen: Jedes Jahr kommt es zu zahlreichen gleicht, etwa vielen Extremsportarten, Bergsteigen oder 2014 noch einen juristischen Unterlassungsanspruch Unfällen, auch mit tödlichem Ausgang, mit Giftpflanzen. Motorradfahren. Und in diesen Fällen sind durchaus wegen der Verbreitung einer falschen Aussage gegen die Dennoch steht es jedem frei, in seinem Garten anzubauen häufig auch unbeteiligte Dritte betroffen, ohne dass des- „Terraristika“ Hamm anerkannt hat. Offenbar aus takti- oder auf seiner Fensterbank aufzustellen, was immer er wegen generelle Verbotsforderungen laut würden. schen Gründen konzentriert sich Pro Wildlife im Zu- möchte. Dabei sind Tollkirsche, Schierling, Nachtschatten, Relevante Unfälle mit anderen gefährlichen Tieren sammenspiel mit anderen Verbänden wie PETA zunächst Eisenhut, Fingerhut, Engelstrompete, ja sogar Maiglöckchen jenseits von Gifttieren sind in Deutschland bislang schlicht besonders auf die Gefahrtiere, wohl weil sie sich aufgrund (immerhin zur „Giftpflanze des Jahres 2014“ gewählt) gar nicht bekannt geworden, sie spielen keine Rolle. Das des „Gruseleffektes“ und der leichter zu beeinflussenden mindestens ebenso potente Killer wie die meisten Gift- wirft ein umso bezeichnenderes Licht auf z. B. die von Regelungsmöglichkeiten auf Bundeslandebene hier am schlangen. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass sie der Gefahrtierregelung betroffenen Riesenschlangen, die ehesten Erfolge versprechen, die sie sich dann auf die im Gegensatz zu den Reptilien tatsächlich jährlich Opfer in sehr erheblichen Stückzahlen von vielen zehntausend Fahne schreiben können. fordern. Ein Gefahrpflanzengesetz aber scheint kein be- Exemplaren gehalten werden, ohne dass es je zu nen- Das sollte bei der Beurteilung des Sachvortrags zu- sonderes Anliegen des Umweltministeriums zu sein. nenswerten Problemen gekommen wäre. Natürlich können mindest mit bedacht werden: Dass hier eine generelle Hier soll keineswegs bestritten werden, dass Unfälle große Schlangen schmerzhaft zubeißen, was manchem Voreingenommenheit gegenüber der Haltung von Wild- mit gefährlichen Tieren vorkommen und in seltenen Halter beim Umgang mit seinen Tieren auch schon passiert tieren vorliegt, die mit der sachlichen Fällen auch einen schweren Verlauf nehmen und ent- sein mag. Solche Bisse sind aber nicht gefährlicher als die Auseinandersetzung um Gefahr- von Hunden oder Katzen und führen zu keinen weiteren tiere überhaupt nichts zu tun Der Fingerhut ist eine Giftpflanze, die Menschen töten kann. Dennoch darf sie uneingeschränkt im privaten Problemen. Manche der im Entwurf des neuen Ge- hat. Slogans wie „artgerecht Gemessen an den tatsächlichen Unfallzahlen müsste ein fahrtiergesetzes genannten Arten stellen sogar über- ist nur die Freiheit“ illus- Garten angepflanzt werden. Gefahrtiergesetz sich vor allem Hunden und Pferden haupt kein relevantes Gesundheitsrisiko für Menschen trieren das ebenso deutlich widmen dar – wir werden darauf weiter unten bei der Be- wie die zahlreichen Ver- aber weder Vogelspinnen noch erst recht nicht Bartagamen, sprechung der Artenlisten noch zu sprechen kommen lautbarungen der genann- Amphibien oder Geckos gefährliche Tiere. Dass also zur (siehe Punkt 4.2). ten Organisationen, die jed- Begründung eines Haltungsverbots mit Zahlen operiert Zusammengefasst kann man also festhalten, dass wede Haltung, sei es durch wird, die ganz andere Tiere betreffen, ist unsachlich. Man trotz vieler Jahrzehnte, in denen große Stückzahlen Privatleute oder in Zoos, käme ja auch nicht auf die Idee, mit Feuerwehreinsätzen gefährlicher Wildtiere in NRW gehalten und gezüchtet von Wildtieren aus Tier- zur Rettung von Katzen zu argumentieren, wenn man werden, bislang keine relevante Gefährdung für die schutzgründen ablehnen. ein Verbot von Giftschlangen rechtfertigen möchte. Die Bevölkerung von diesen Tieren ausgegangen ist. Unfälle Dies ist in den Veröffentli- steigende Zahl an Einsätzen mag einerseits durch die ge- treten statistisch weitaus seltener auf als bei vielen an- chungen und auf den Home- stiegene Zahl von Terrarianern zu erklären sein. Daran deren Freizeittätigkeiten. Und bislang betrafen sie aus- pages der genannten Grup- ist zunächst ja nichts Erstaunliches. Sie dürfte aber nicht schließlich die Halter selbst. pierungen für jeden ersichtlich ganz unwesentlich auch mit der stark angestiegenen Me- Selbstverständlich ist eine vorbeugende Gesetzgebung nachzulesen. Es handelt sich dienberichterstattung zu tun haben, die dazu führt, dass wünschenswert und richtig. Jeder einzelne Unfall ist Naja kaouthia, die Monokelko- Menschen viel schneller die Feuerwehr rufen. Wie sonst einer zuviel (was allerdings nicht nur für gefährliche bra. Mit ihrer Drohstellung zeigt wäre zu erklären, dass nach einer Durchsicht der Presse- Tiere gilt). Hier böte eine sinnvolle gesetzliche Regelung sie an, dass sie gefährlich ist. meldungen der letzten Jahre offenbar ein nicht unerheb- die Chance, Risiken noch weiter zu minimieren. Auch Giftpflanzen sehen dagegen licher Teil solcher Einsätze auch durch die Sichtung ganz eine Meldepflicht für gefährliche Tiere halten wir für schön oder appetitlich aus, wir- normaler, hier heimischer Ringelnattern oder, allein in richtig, schon allein, weil diese zeigen würde, wie groß ken mitunter genauso tödlich, dürfen aber ohne Auflagen ver- den letzten 12 Monaten zwei Mal, durch Spielzeug-Plas- die Zahl der gepflegten Tiere tatsächlich ist – und wie breitet und angepflanzt werden. tikschlangen ausgelöst wird? klein im Vergleich dazu die Zahl von Unfällen damit. Nicht uninteressant in diesem Zusammenhang ist auf jeden Fall die Reaktion der Feuerwehr in Dortmund auf die Pressemitteilung des NRW-Umweltministeriums zum Gefahrtiergesetz: „Der letzte „giftige“ Tierfund war eine Vogelspinne in Dortmund-Rahm im Juli, wobei man hier eigentlich auch nicht von giftig oder gefährlich spre- chen kann“, berichtet André Lüddecke von der Feuerwehr. Ansonsten werden im Schnitt in Dortmunder höchstens Schlangen gefunden, „wobei es sich auch meistens um 12 13
3.4 Gegner der Gefahrtierhaltung 4.1 Verbote zur Haltung besonders gefährlicher Tiere 4 Bewertung der Vorlage zum neuen Gefahrtiergesetz NRW Bereits im Privatbesitz befindliche Tiere der verbotenen Arten sollen nach §15 bis zu ihrem Tode weiter gepflegt werden dürfen, wenn der Halter dafür bestimmte Vo- raussetzungen nach §4 und §8 erfüllt. Bei Tieren, die im Zuge der Übergangsvorschrift nach §15 gehalten werden, ist die „beabsichtigte oder unbeabsichtigte Vermehrung untersagt. Ein pauschales Verbot der privaten Haltung gefährli- cher Tiere lehnen wir ebenso ab wie ein Vermehrungs- verbot. Und zwar aus folgenden Gründen: 4.1.1 Ein Verbot erhöht die öffentliche Sicherheit nicht, sondern gefährdet sie Aus allen Fragen menschlichen Zusammenlebens und gesetzlicher Aktivitäten wissen wir hinlänglich, dass sich unerwünschte Aktivitäten durch entsprechende Gesetze höchstens einschränken, aber nie ganz verhindern lassen. Es gibt immer eine Reihe von Menschen, die nicht vor il- legalen Aktivitäten zurückschrecken. Dementsprechend würde ein Verbot der Haltung von Gefahrtieren diese auch nicht in der Zukunft aus NRW verbannen, sondern nur manchen Halter in die Illegalität drängen. Das aber führt zu ganz neuen Sicherheitsrisiken. Wenn Tiere nicht mehr legal abgegeben werden können oder die Tierhaltung Die Probleme beim Tierschutz sind bei Hunden viel größer als bei den meisten wildlebenden Arten. Ginge es den Vielleicht in den Augen vieler Betrachter niedlicher als gar nicht erst bekannt werden darf, steigt die Gefahr, selbst ernannten Tierschützern tatsächlich um Tierschutz, müssten sie sich vor allem für strikte Regulierungen bei viele der im Entwurf als gefährlich bezeichneten Tiere - dass verantwortungslose oder überforderte Personen der Haltung von Hund, Katze und Maus einsetzen. aber nicht unbedingt harmloser für den Menschen: Tiere aussetzen oder an noch zweifelhaftere illegale Halter Hauskatze also um eine ideologisch begründete Ablehnung der auch gefährliche Wildtiere nicht so außerordentlich er- abgeben, wenn sie sich von ihren Pfleglingen trennen Wildtierhaltung, die mit der Sachdiskussion um Gefahrtiere folgreich gehalten und nachgezüchtet, müsste man Generell begrüßen wir, dass der Versuch einer rechtlichen wollen oder müssen. Auch im Fall eines Unfalls steigt überhaupt nichts zu tun hat und deswegen in dieser auch kein Gesetz schaffen, in dem ihre Haltung und Regelung der Gefahrtierhaltung unternommen wird. Den das Risiko erheblich, wenn die Haltung illegal und wo- Diskussion außen vor gelassen werden sollte. Nachzucht verboten wird. vorliegenden Entwurf halten wir jedoch in zentralen Teilen möglich strafbewehrt ist, weil dann naturgemäß davor Umso unverständlicher ist für uns, dass überhaupt • Wildtiere sind aus biologischer und veterinärmedizi- sowie in zahlreichen Details für inakzeptabel, kontraproduktiv zurückgeschreckt würde, professionelle Hilfe in Anspruch Tierschutzorganisationen bei dieser Frage angehört nischer Sicht nicht anders zu behandeln als domestizierte und unverhältnismäßig, zudem schafft er neue Rechtsun- zu nehmen oder zu rufen. Geht aber das Opfer aus Angst werden, denn es handelt sich nicht um ein Tierschutz- Haustiere. Jedes Tier hat seine Bedürfnisse, und die sicherheiten. Wir werden das im Folgenden begründen. vor Repressionen nach etwa einem Bissunfall nicht zum problem. Jedenfalls bis jetzt noch nicht – wie wir unten müssen erfüllt werden. Ein Haustier kann genauso Arzt, steigt das Risiko folgenschwerer Verläufe erheblich. ausführen werden, kann vielmehr gerade die Umsetzung leiden wie ein Wildtier. Die Behauptung, Haustiere 4.1 Verbote zur Hal- Gleiches gilt für Unfälle, bei denen Tiere entkommen. der geplanten Regelung noch zu gravierenden Tier- seien per se besser an die menschlichen Haltungsbe- tung besonders ge- Auch hier dürfte die Bereitschaft, die Feu- schutzproblemen führen. Ein im Ordnungs- und Poli- dingungen angepasst, ist fachlich nicht zu halten. Zwei- fährlicher Tiere erwehr und die Behörden zu zeirecht fußendes Gesetz zur Gefahrenabwehr sollte auch fellos haben Hund oder Katze als hoch entwickelte Nach §2 des Entwurfs verständigen, deutlich auf Fragen der tatsächlichen Gefährdung konzentriert Säuger weitaus komplexere Bedürfnisse (allein schon zum Gefahrtiergesetz sinken, wenn die sein und nicht als Behelfsvehikel für gänzlich andere psychosozialer Natur) als die doch vergleichsweise NRW soll die Hal- Haltung an Fragen wie den Tierschutz missbraucht werden. primitiven Reptilien und Amphibien oder gar Wirbellose. tung einer ganzen Auf die grundlegende Auseinandersetzung um die • In einer Resolution vom 08. März 2014 der Fachgruppe Reihe von Tierar- Wildtierhaltung soll an dieser Stelle nicht näher einge- Zier-, Zoo- und Wildvögel, Reptilien und Amphibien ten für Privat- gangen werden, weil sie mit dem Diskussionsgegenstand der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft halter pau- nichts zu tun hat. Wir haben uns dazu schon an anderer (DVG), eine zweifellos maßgebliche fachliche Institution schal verbo- Stelle ausführlich geäußert (TERRARISTIKA 2013). Nur um in dieser Frage, heißt es wörtlich, „dass es keinen ten werden. die gröbsten Falschaussagen der Tierhaltungsgegner kurz ethisch begründbaren und keinen biologisch vorgege- anzusprechen: benen Unterschied bezüglich des Tierschutzes zwischen • Das immer wiederkehrende Argument, Reptilien und domestizierten Tieren und sogenannten Wildtieren Amphibien seien in Menschenobhut nicht artgerecht gibt.“ Weiterhin wird festgestellt, „dass die Haltung zu halten, ist nicht nur durch unzählige gesunde Nach- von Vögeln, Reptilien, Amphibien und Fischen für den zuchten und Tausende Veröffentlichungen über Hal- Natur- und Artenschutz unverzichtbar, aus Gründen tungs- und Zuchterfolge ad absurdum geführt, sondern des Tierschutzes geboten und für die Halter ein Teil letztlich auch durch die vorliegenden Eckpunkte für der grundgesetzlich geschützten Freiheit der Entfaltung den Gesetzentwurf. Denn würden Wild- und damit der Persönlichkeit ist“. Nach dem Entwurf verboten: Cerastes vipera, die Avicennaviper 14 15
4.1 Verbote zur Haltung besonders gefährlicher Tiere 4.1 Verbote zur Haltung besonders gefährlicher Tiere schaftliche Institutionen können weder die große Indivi- dern das wird auch jeder hauptberuflich tätige Muse- duenzahl noch den Artenreichtum betreuen, den private umsherpetologe und Zoologe bestätigen können. Wolfgang Halter (zumal auf eigene Kosten) bereithalten und für Böhme, der wohl bedeutendste Herpetologe in NRW, Untersuchungen zur Verfügung stellen. wurde oben unter 3.2 zu diesem Thema ja bereits zitiert. Aber nicht nur quasi als Dienstleister für professionelle Schließlich sind viele Gefahrtiere gesetzlich geschützt Wissenschaftler sind private Gefahrtierhalter tätig, sie und in freier Natur gefährdet. Es ist daher aus Arten- sind auch oft ambitionierte „citizen scientists“ und ge- schutzsicht schlicht unverantwortlich und ethisch äußerst winnen ganz eigenständig durch die Beobachtung ihrer problematisch, bestehende, gut funktionierende Zuchten Tiere, durch Datenerhebungen und die Erforschung von von teils hochgradig gefährdeten Arten ohne erkennbaren Fortpflanzungsstrategien wichtige originäre Erkenntnisse, Grund wegen eines fehlgeleiteten Gesetzes einzustellen! die schon aus Kosten-, Platz- und Personalgründen durch Das gilt für in Europa heimische Arten ebenso wie für hauptberufliche Forscher an öffentlich finanzierten Ein- einige teils stark bedrohter Arten aus anderen Kontinenten richtungen gar nicht zu erbringen wären. Zahllose Pu- und betrifft selbstverständlich auch bestehende erfolgreiche blikationen, gerade auch im Bereich der gefährlichen Kooperationen zwischen Privathaltern und Zoos oder Tiere, legen davon Zeugnis ab. Zwei bekannte Beispiele zoologischen Einrichtungen. Auch hier nur ein Beispiel seien namentlich erwähnt: Die Herren Gernot Vogel aus aus dem Bereich der Gefahrtiere: In Deutschland werden Heidelberg und Andreas Gumprecht aus Köln haben erheblich mehr Exemplare des kritisch bedrohten Chi- sich über lange Zeit einen Namen als engagierte private na-Alligators (Alligator sinensis) in Privathand gehalten Giftschlangenhalter gemacht, die an zahlreichen wissen- als in Zoos. In der Natur kommen nach aktuellen Schät- schaftlichen Arbeiten über diese Tiere, oft in Kooperation zungen nur noch 130 adulte Exemplare vor, im Zuchtbuch mit internationalen professionellen Herpetologen, maß- der DGHT-AG Krokodile werden 31 privat gehaltene geblich beteiligt waren. Unter ihrer Mitwirkung sind Exemplare in Deutschland geführt, die auch erfolgreich neben zahllosen terraristischen sowie wissenschaftlichen zur Nachzucht gebracht werden (TRUTNAU & SOMMERLAD Einzelpublikationen (sehr eindrucksvoll einzusehen auf 2006, MEURER schriftl. Mitteilung). Ohne Frage eine besonders gefährliche Art, für deren Haltung Auflagen sehr wünschenswert wären: die Grüne der Homepage von Gernot Vogel: http://www.gernot- Übrigens: Auch das eben zitierte Werk von TRUTNAU Mamba, Dendroaspis angusticeps vogel.de/index.php?target=publications) auch Grund- & SOMMERLAD, eines der wichtigsten Standardwerke über lagenwerke entstanden, die bis heute als Standardwerke Panzerechsen weltweit, ist von zwei „citizen scientists“ sich schon verboten ist. In der Folge würde tatsächlich 4.1.2 Ein Verbot schädigt Wissenschaft und Meilensteine ihres Fachs gelten: GUMPRECHT et al. mit Wurzeln in der privaten Gefahrtierhaltung verfasst eine Gefährdung auch Dritter wahrscheinlicher werden, und Artenschutz (2004), DAVID & VOGEL (2001), MALKMUS et al. (2002), DE worden. wenn nicht mit den gebotenen Maßnahmen reagiert Wie oben unter Punkt 3.2 bereits ausführlich dargelegt, LANG & VOGEL (2005), CHAN-ARD et al. (1999). Diese werden könnte. kann eine seriöse private Gefahrtierhaltung wesentlich beiden aus der privaten Giftschlangenhaltung kommenden 4.1.3 Ein Verbot verursacht gravierende Ein aktuelles Beispiel aus Berlin illustriert das (WERNING die wissenschaftliche Zoologie und Toxikologie unter- „citizen scientists“ sind beileibe keine herausgepickten Tierschutzprobleme 2014): Berlin ist neben Hessen das einzige Bundesland, stützen (vgl. auch ADLER et al. 2012). Für zahlreiche singulären Fälle, sondern nur besonders prominente Bei- Anders als in der Presseerklärung des Umweltministeriums das bislang ein striktes Verbot in die Tat umgesetzt hat, Studien wurden in der Vergangenheit etwa genetische spiele. Wie bedeutsam das Zusammenspiel zwischen NRW behauptet, würde ein Verbot der Gefahrtierhaltung wie es jetzt in NRW vorgeschlagen wurde. Im Stadtteil oder molekulare Proben lebender Tiere oder ihrer Gifte privaten Haltern, Wissenschaft und Artenschutz ist, den Tierschutz nicht verbessern, sondern dramatisch Wedding hat im September 2014 ein offensichtlich pro- benötigt, die von Privathaltern zur Verfügung davon zeugt nicht nur die IUCN Croco- verschlechtern. blembeladener und wohl verschuldeter junger Mann be- gestellt wurden. Die Wissenschaftler dile Specialist Group, der tradi- • Ein Verbot wird automatisch zu einer erhöhten Zahl schlossen, dass er „untertauchen“ müsse. Er räumte MÜLLER (2008) und MONZEL (2012) tionell eben auch Privat- von Beschlagnahmungen führen. Diese Tiere müssen seine Wohnung vollständig leer und verschwand, ohne weisen gerade in Bezug auf halter von Kroko- vermittelt und untergebracht werden, was mit hoher am Monatsende die Wohnung wie vereinbart an den die private Giftschlan- dilen angehö- Wahrscheinlichkeit zumindest vorübergehend schlech- Vermieter zu übergeben. Dieser ließ daraufhin Anfang genhaltung auf die ren, son- tere Bedingungen für die betroffenen Tiere bedeutet. Oktober schließlich die Wohnung öffnen – und stieß auf große Bedeutung Ob die konfiszierten Tiere dann überhaupt alle tiergerecht eine Terrarienanlage mit 19 Klapperschlangen. Zwar der Kooperation untergebracht werden können, ist zudem zweifelhaft. waren die Tiere sicher in ihren Terrarien untergebracht, mit privaten Hal- In Norwegen, wo es ein ähnliches striktes Verbot gibt, dass es sich dabei aber um eine durchaus riskante tern ausdrück- führt das inzwischen dazu, dass jedes Jahr zahlreiche Situation gehandelt hat, ist offensichtlich, da schwer vo- lich hin. Zoos Reptilien eingeschläfert werden, nur weil sie illegal rauszusehen ist, wie ein unbeteiligter Dritter, in diesem und wissen- gehalten worden sind. Das aber kann ganz sicher Fall der Vermieter, in einer solchen Situation reagiert. nicht im Sinne des Tierschutzes sein. Wäre die Haltung der Klapperschlangen in Berlin nicht • Da auch bei einem Verbot zweifellos weiterhin illegal grundsätzlich verboten, davon kann man mit einer grö- Gefahrtiere gehalten werden würden, wäre deren Wohl ßeren Wahrscheinlichkeit ausgehen, hätte der verschuldete empfindlich in Frage gestellt. Denn ein Halter, der um Halter die durchaus nicht wertlosen Tiere sicherlich ver- seine Illegalität weiß, wird bei Problemen aller Wahr- kauft oder doch zumindest einfach in einigermaßen fach- scheinlichkeit nach deutlich eher davor zurückschrecken, kundige Hände gegeben, zumal der Zustand der Schlangen fachkundige Hilfe von einem Tierarzt oder anderen entgegen ersten Pressemeldungen gut war, der Halter Haltern in Anspruch zu nehmen, weil er fürchten wird, sich also offenkundig bis zum Zeitpunkt seines Abtauchens dass seine illegale Haltung „auffliegt“. Deutsche Terraria- zumindest angemessen um sie gekümmert hat. Natürlich • Generell kann davon ausgegangen werden, dass bei ner nehmen eine bleiben die genauen Umstände zumindest vorerst Spe- wichtige Rolle Besitzern „im Untergrund“ die Tierhaltung schlechter kulation, aber der Fall soll hier einfach plastisch vor bei den Schutzbemü- ausfallen wird, als wenn z. B. durch die Beeinflussung Augen führen, dass ein Verbot gerade in Bezug auf Si- hungen für den China-Alligator, Alliga- durch andere Terrarianer oder kontrollierende Behör- cherheitsfragen völlig neue Probleme aufwerfen kann. tor sinensis, ein denvertreter positive Einflüsse wirken können. 16 17
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