KiezBlick. UNSER LICHTENBERG - INNEN & AUSSEN

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KiezBlick. UNSER LICHTENBERG - INNEN & AUSSEN
KiezBlick.
UNSER LICHTENBERG – INNEN & AUSSEN
                                                                  Ausgabe 5
                                                              Dezember 2020

                         In dieser Ausgabe
                         KUNST MIT AHA-EFFEKT
                         Fiona Finke                                    S. 3
                         ZUHAUSE IM FENNPFUHL
                         Merle Boppert                                  S. 6
                         PULSIERENDES LICHTENBERG
                         Fiona Finke                                    S. 8
                         LICHTENBERGER LANDPARTIE
                         Maika Brüning                                 S. 10
                         DIE VERSCHANDELUNG DES STADTBILDES
                         Anke Hauschild                                S. 13
                         DAS UNBEKANNTE WESEN HINTER DER
                         WOHNUNGSTÜR                                   S. 14
                         Alexander Liers
KiezBlick. UNSER LICHTENBERG - INNEN & AUSSEN
VORWORT                                                                                                                  KUNST MIT AHA-EFFEKT
VON MARCEL GÄDING                                                                                                        TEXT UND FOTOS VON FIONA FINKE

Innen & außen oder: wie sich die Erde weiterdreht                                                                                                   Yoga auf Straßenschildern, Batman am Bahnhof und mitten im Park eine Riesen-
                                                                                                                                                    schlange. Was nach einem gewagten Fantasy-Roman klingt, spielt sich jeden Tag in
An diesem November-Sonntag wird es früh dunkel. Gegen 16 Uhr beginnt die Dämmerung. Der Blick aus dem Fens-                                         Lichtenberg ab. Wer aufmerksam durch den Kiez läuft, findet buchstäblich an jeder
ter der Volkshochschule Lichtenberg fällt auf den Fennpfuhl-Park. Während die Kiezreporter*innen an ihren Texten                                    Straßenecke kleine Kunstwerke.
arbeiten, mit jedem Satz ringen und Gedanken in ihre Laptops tippen, weht ein seichter, herbstlicher Wind durch die
Laubbäume. Jedes Mal flattern wieder gelbe Blätter davon. Werden erst durch die Luft gewirbelt, um dann sanft auf
dem Boden zu landen. Unüberhörbar sind die Krähen, die sich auf den Dächern sammeln. Eine ältere Dame führt                                         Farbenfrohe Graffiti stechen sofort ins Auge. Haushohe Wandgemälde sind nicht zu über-
ihren Hund spazieren. Drum herum bildet der Lärm der Großstadt eine Geräuschkulisse. Es ist für einen November-                                     sehen. Doch Streetart kann auch winzig klein sein: Sticker, Figuren aus Weinkorken und
tag angenehm mild. Und irgendwie fällt es schwer, den Spätsommer gehen zu lassen. Doch alles hat seine Zeit.                                        bemalte Steine wollen entdeckt werden. Es lohnt sich also, den Blick beim Spaziergang in
    Seit März ist irgendwie alles anders. Ein Virus kreuzt unseren Alltag, bringt alles durcheinander. Pläne werden                                 alle Richtungen schweifen zu lassen.
verworfen, Träume müssen warten. Was jedoch bleibt ist die Gewissheit, dass sich die Erde weiterdreht, dass im
Herbst die Blätter von den Bäumen fallen und im Winter die Sonne nur wenige Stunden scheint. Nun sitzen wir hier,                                   Korkfiguren auf Straßenschildern
blicken von innen nach außen. Sind müde von den vielen schrecklichen Meldungen, die das Ausmaß einer Pande-                                         Die „Street Yogis“ und ihre Freund*innen leben auf Straßenschildern. Die spannenden klei-
mie umreißen. Wir könnten heulen. Wir könnten aber auch das Beste aus dem Schlamassel machen.                                                       nen Kunstwerke bestehen hauptsächlich aus Weinkorken und ähneln Strichmännchen.
    Die Autor*innen vom neuen, fünften (sechsten! – Anm. Ksenia) KiezBlick haben Geschichten aufgeschrieben, die                                    Sie turnen, tanzen und sitzen über unseren Köpfen, ohne dass wir sie vielleicht gleich
eines gemeinsam haben: Sie sollen Freude verbreiten, Hoffnung machen und zum Nachdenken anregen. Schlechte                                          auf den ersten Blick wahrnehmen. Einzelheiten lassen sich vom Boden aus nicht immer
Nachrichten gibt es schließlich viele.                                                                                                              erkennen. Das muss auch gar nicht sein. So bleibt mehr Raum für Fantasie und Spekula-
    Fiona Finke hat beispielsweise die Straßenkunst für sich entdeckt: kleine Figuren auf Schildern oder Aufkleber                                  tion. Wer sie aber doch genauer sehen möchte, kann auf die Erkundungstour ein Fernglas
an Ampelmasten beschäftigen sie schon lange. Draußen gibt es jede Menge Kunst zu entdecken! Merle Boppert                                           mitnehmen. Oder eine Kamera mit guter Zoomfunktion.
hat sich mit einer Lichtenbergerin getroffen, die seit 43 Jahren im Fennpfuhl lebt und dort nicht mehr weg möchte.                                     Erfinder der Figuren ist ein Yoga-Lehrer aus Neukölln. Josef Foos hat 2009 damit be-
Von ihrer Wohnung blickt sie auf Berlin und bei guter Sicht sogar bis Brandenburg. Die beiden Frauen unterhielten                                   gonnen, die kleinen Wesen aus Weinkorken, Bambusspießen und wasserfestem Holzleim
sich über das Wohnen in der Platte, über die Sicht von außen und über das, was das Leben hier ausmacht. Dort, wo                                    zu bauen. Seine Idee war, mit den Figürchen etwas Positives in den Alltag der Menschen
das äußere Berlin auf das innere Berlin trifft, war Fiona Finke: Mit ihrer Kamera hielt sie das pulsierende Leben rund                              zu bringen. Die ursprünglichen „Street Yogis“ machen Yoga-Übungen (Asanas) vor. Mit der
um das Ring-Center und den Bahnhof Frankfurter Allee fest. Von dort ist es auch nicht weit zur Straßenbahn, mit                                     Zeit kamen weitere Motive und Materialien wie Pappmaché und Pflanzen hinzu. Außerdem
der man von innen nach außen gelangt – genauer gesagt an den dörflichen Rand unseres Bezirks. Ein guter Grund                                       haben sich andere Künstler*innen angeschlossen und ihre eigenen Korkfiguren kreiert.
für Maike Brüning, eine Landpartie zu unternehmen, was Alexander Liers auf die Idee brachte, auch mal wieder                                        Bis heute wurden mehrere Tausend der Sport treibenden, demonstrierenden und balancie-
loszuziehen. Seit März ist er im Homeoffice und weiß die Vorteile einer gut funktionierenden Nachbarschaft zu                                       renden Figuren auf Straßenschildern im gesamten Berliner Stadtgebiet montiert. Wie alle
schätzen. Wie man Menschen hinter den Türen kennenlernt, verrät er uns in seinem kleinen Ratgeber. Und schließ-                                     Kunst im öffentlichen Raum sind sie der Witterung und mitunter Vandalismus ausgesetzt.
lich fasst Anke Hauschild ihren Ärger um das verschandelte Stadtbild zusammen. Waren es zuletzt Einweg-Kaf-                                         An manchen Stellen zeigen noch zwei kleine Korkscheiben oben auf dem Straßenschild,
feebecher, sind es nun Papiermasken, die ihren Weg säumen. Sie weiß aber schon, was dagegen zu tun ist …                                            dass hier einst ein Kunstwerk angebracht war.
    Wir sind uns sicher, liebe Leser*innen, dass Sie dieser KiezBlick lange begleiten wird. Ein herzliches Dankeschön
gilt den engagierten Mitarbeiter*innen der gemeinnützigen RBO – Inmitten GmbH als Trägerin der Stadtteilarbeit
im Herzen von Lichtenberg sowie der Volkshochschule Lichtenberg, die zum wiederholten Male einen Workshop
für unsere Kiezreporter*innen organisierten. Die dabei entstandenen Beiträge finden Sie nun auf den folgenden
Seiten!

Bleiben Sie gesund, sagt Marcel Gäding (Herausgeber der lokalen Monatszeitung „Bezirks-Journal“ und Kursleiter
des o.g. Workshops).

                                                                                                                                                                                                                                            3
KiezBlick. UNSER LICHTENBERG - INNEN & AUSSEN
Sheriff Sexy auf Patrouille                                                             Bunte Steine gegen den Corona-Blues           liegenden Steine repräsentieren soziale        Wer die Nachbarschaft mit eigener Kunst
Wer den Blick von den Straßenschildern wieder auf Augenhöhe hinabgleiten lässt,         Beim genauen Hingucken fallen seit Früh-      Nähe und verbinden die Menschen symbo-         bereichern möchte, sollte einige Regeln
entdeckt an Masten und Stromkästen bunte Aufkleber. Manche sind werbend, andere         jahr 2020 vielerorts auch bunt bemalte        lisch. Steine sind außerdem ein Symbol für     beachten. Dazu gehört zunächst, dass kein
politisch. Und wieder andere sind einfach lustig. Dazu gehören die Sticker des Künst-   Steine ins Auge. Die sogenannten „Stein-      das Verlässliche und Ewige. Nicht zuletzt      fremdes Eigentum beschädigt wird. Und
lers LCHTNBRG. Sie zeigen zum Beispiel peinliche Porträts kombiniert mit schlechten     schlangen“ sind ein Phänomen der Corona-      ist es eine kreative Freizeitaktivität, die    natürlich darf das Kunstwerk keine Gefahr
Anmachsprüchen in kitschig-knalliger Schrift. „Die Trash-Sticker sollen andere zum      Zeit. Sie entstehen oft in Grünanlagen oder   Kindern und Erwachsenen einfach Spaß           darstellen. Mit gesundem Menschenver-
Lachen oder Schmunzeln bringen und vielleicht sogar ein bisschen den Tag versüßen“,     vor Kitas und Grundschulen. Jemand oder       macht: Steine suchen, sich ein Motiv über-     stand lassen sich viele Fallstricke schnell
sagt LCHTNBRG, der seit zwölf Jahren im Bezirk wohnt. Den geradezu lokalpatriotischen   eine Gruppe, beispielsweise Kitakinder,       legen, den Stein bemalen und in den Park       erkennen: Versperren die Steine Roll-
Künstlernamen hat er gewählt, nachdem er Lichtenberg zunächst überhaupt nicht           legt bemalte Steine in einer Reihe an den     bringen. Und beim nächsten Spaziergang         stuhlfahrer*innen den Weg, kann giftige
mochte, den Kiez jetzt aber nach eigener Aussage liebt. Neben den bunten Motiven zum    Wegesrand oder auf eine Mauer. Manch-         nachsehen, welche neuen Nachbarn das           Farbe ins Grundwasser gelangen, werden
Fremdschämen gehören auch Kindheitserinnerungen zu seinem Repertoire. Viele Werke       mal wird ein Hinweisblatt dazu gelegt mit     eigene Kunstwerk bekommen hat.                 Plastikteile vom Wind in die Spree geweht?
beziehen sich auf den Comichelden Batman, und auch der gute alte Gameboy ist mit        der Bitte, die Steine nicht wegzunehmen.                                                     Eine gute Note im Kunstunterricht ist
von der Partie. „Am Ende geht‘s mir darum, den Kiez mit anderen Augen zu sehen“, sagt   Oder es wird zum Mitmachen aufgefordert.      Ist das Kunst oder kann das weg?               übrigens kein Kriterium für Streetart. Die
LCHTNBRG. „Und ich mag den Gedanken, dass alles mit nur einem Sticker beginnt. Also     Steinschlangen ermöglichen es, etwas          Ob etwas Kunst ist, liegt zuallererst in den   Galerie namens Straße ist offen für alles,
dass jemand einen bestimmten Sticker wahrnimmt, den toll findet und dann bemerkt:       gemeinsam zu erschaffen und zu erleben,       Augen der Betrachtenden. Die Figuren,          was nicht in den konventionellen Kunst-
Wow, die sind ja überall – man muss nur die Augen aufmachen und mal genauer hingu-      ohne sich dabei physisch zu begegnen.         Sticker und Steine überraschen, lassen         betrieb passt.
cken.“                                                                                  Perfekt also für die Lockdown-Zeit.           schmunzeln und manchmal auch grübeln.             In England gibt es übrigens einen
                                                                                           Das Institut für Landeskunde und Re-       Sie provozieren, regen Diskussionen an und     Künstler, der platt getretene Kaugummis
                                                                                        gionalgeschichte in Bonn hat sich wissen-     einiges ist einfach hübsch anzusehen. Sie      auf dem Bürgersteig mit Straßenszenen
                                                                                        schaftlich mit dem Phänomen beschäftigt       werden mit viel Kreativität immer wieder       bemalt. Vielleicht eine Inspiration für die
                                                                                        und noch mehr Gründe für das plötzliche       neu erfunden und erobern sich ihr Stück        Zeit, wenn es wieder wärmer wird.
                                                                                        Auftauchen der Steinschlangen in ganz         Stadtraum.
                                                                                        Deutschland gefunden: Die dicht an dicht

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                                                                                          https://korkmaennchen.de/
                                                                                          https://blogs.taz.de/streetart/2010/11/02/street_yogis_-_ein_interview_mit_dem_macher/
                                                                                          https://www.instagram.com/lchtnbrg
                                                                                          https://rheinische-landeskunde.lvr.de/de/institut/institut_corona/steinschlangen/steinschlangen_beitrag.html

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ZUHAUSE IM FENNPFUHL                                                                                                      Leben auf der Baustelle
                                                                                                                          „Zur damaligen Zeit waren die Platten-
                                                                                                                          bauwohnungen etwas sehr Modernes“,
                                                                                                                                                                         worden, konnte mich frei bewegen und war
                                                                                                                                                                         viel an der frischen Luft.“ Es gab Nach-
                                                                                                                                                                         barn, bei denen man klingeln konnte, und
                                                                                                                                                                                                                          „Ich bleibe, solange es geht, hier woh-
                                                                                                                                                                                                                          nen.“
                                                                                                                                                                                                                          Der wunderschöne Blick aus Karolas
Kindheit, Jugend und Familie                                                                                              erinnert sich Karola und auch sie war          Spielplätze im Hof. Auch Karola ist froh         Wohnzimmerfenster, von dem aus man bei
                                                                                                                          froh, die Ofenheizung der alten Wohnung        und dankbar dafür, dass ihre Kinder hier         gutem Wetter die gesamte Innenstadt und
TEXT UND FOTO VON MERLE BOPPERT                                                                                           gegen eine Zentralheizung einzutauschen.       umgeben von anderen Kindern aufwach-             sogar bis nach Brandenburg sehen kann,
                                                                                                                          Dennoch fiel ihr der Umzug erstmal nicht       sen konnten und sie sie ohne Sorge allein        lässt den Ärger über die teils sehr negative
                                                                                                                          ganz leicht, auch weil vieles noch „zu neu“    runter in den Hof zum Buddelkasten lassen        Darstellung des Plattenbaus allerdings
                                                                                                                          war und das Wohngebiet anfangs einer           konnte. Das würde sie sich heute mit ihren       schnell vergessen. Kurz nach der Wende
                                                                                                                          Baustelle glich: „Große Container, keine       Enkelkindern nicht mehr trauen, aber im          hat die Familie nochmal die Gunst der
                                                                                                                          oder nur kleine Bäume und wenn der Wind        Lichtenberg der späten 1980er- und frühen        Stunde genutzt und die Dreizimmerwoh-
                                                                                                                          ungünstig stand, wehte es vom Viehhof          1990er-Jahre war das ohne Bedenken               nung im achten Stock gegen eine Vier-
                                                                                                                          rüber.“ Hinzu kam, dass sich die Infra-        möglich, was ihrer Einschätzung nach             zimmerwohnung im elften eingetauscht.
                                                                                                                          struktur zum Zeitpunkt ihres Einzugs noch      jedoch mehr mit dem generellen gesell-           „Es war immer mein Traum ganz oben zu
                                                                                                                          im Bau befand. In den ersten Monaten, bis      schaftlichen Wandel, als mit dem Stadtteil       wohnen und niemanden mehr über mir zu
                                                                                                                          der Zugang zur S-Bahnstation Storkower         Lichtenberg zu tun hat.                          haben“, sagt Karola, während sie den Blick
                                                                                                                          Straße gebaut wurde, musste Karola auf                                                          über ihren Stadtteil wandern lässt. Neben
                                                                                                                          ihrem Schulweg immer bis zur weiter ent-       Zentral, praktisch und funktional                der Aussicht über Berlin, der Weite und den
                                                                                                                          fernten Station Leninallee laufen. Später      Lauras Kindergarten war ein Flachbau, an         vielen Grünflächen, schätzt sie die gute
                                                                                                                          erleichterte ihr eine Fußgängerbrücke das      dessen Hinterseite sich ein Garten befand        Anbindung. „Es ist ein sehr angenehmes
                                                                                                                          Leben, die 1976/77 auf Lichtenberger Seite     und der so nah war, dass Laura ihre Mutter       Wohnen hier.“ Schon allein deswegen sieht
                                                                                                                          bis ins Wohngebiet Fennpfuhl verlängert        schlussendlich dazu überreden konnte, sie        sie keinerlei Veranlassung in ihrem Leben
                                                                                                                          wurde. Die, im DDR-Volksmund „Langer           den Weg dorthin allein gehen zu lassen.          noch einmal woanders zu wohnen. Hinzu
                                                                                                                          Jammer“ genannte, Brücke verlief quer          „Alles war zentral“, erinnert sie sich, „alles   kommt für sie die Vertrautheit, die diesen
                                                                                                                          über das Gelände des Zentralviehhofs und       fußläufig erreichbar.“                           Ort für sie so einzigartig macht. „Kindheit,
                                                                                                                          wurde mit dem Anbau des 85 Meter langen           Dass alles so zentral war, hatte seinen       Jugend, eigene Familie, Kinder, die Kindheit
                                                                                                                          Teilstücks, das Karola von da an den Zu-       Grund: Die städtebauliche Konzeption des         meiner Kinder. Das war ja alles hier.“
                                                                                                                          gang zur S-Bahnstation Storkower Straße        Fennpfuhls basierte auf der Aufteilung
                                                                                                                          ermöglichte, mit 522 Metern zur längsten       in drei, funktional in sich geschlossene,
                                                                                                                          Fußgängerbrücke Europas.                       Wohngebiete mit eigenen Versorgungszen-
                                                                                                                                                                         tren an Verkehrsknotenpunkten. So zählten           Versuchsfeld Fennpfuhl
                                                                                                                          Auszug von kurzer Dauer                        zu den Einrichtungen für die unmittelbare           Der kleine Ort Fennpfuhl im Berliner
Karola                                                                                                                    Nach dem Abitur studierte Karola Ökono-        Versorgung der Bewohner*innen 15 Kinder-            Bezirk Lichtenberg ist die Geburts-
                                                                                                                          mie des Transportwesens an der Dresdener       krippen und Kindergärten, zwölf Polytech-           stätte des industriellen Großplatten-
                                                                                                                          Verkehrshochschule. Zurück in Berlin           nische Oberschulen, neun Turnhallen, fünf           baus in der DDR. Hier wurde 1962 mit
                                                                                                                          bezogen sie und ihr Mann ihre erste ge-        Kaufhallen, drei Wohngebietsgaststätten,            dem Bau der sogenannten P2-Serie
                                                                                                                          meinsame Wohnung im Prenzlauer Berg.           drei Dienstleistungsgebäude, zwei Alters-           begonnen. Ihr folgte 1973 die Woh-
                               Karola wohnt im Fennpfuhl. Seit 43 Jahren. Von drinnen blickt sie nach draußen:            Drei Jahre vor dem Mauerfall bekam die         heime und jeweils eine Schwimmhalle und             nungsbauserie WBS 70, die ebenfalls
                               auf Berlin, das Umland, die Nachbarschaft. Nie wieder möchte sie woanders leben.           mittlerweile vierköpfige Familie dann die      eine Poliklinik.                                    in Lichtenberg erprobt und anschlie-
                                                                                                                          so dringend gewünschte Dreizimmer-                                                                 ßend zur meist gebauten Großplat-
                                                                                                                          wohnung im achten Stock des Hauses in          Der Plattenbau und sein Ruf                         tenwohnungsserie der DDR wurde.
                               Als Karola im Lichtenberger Nibelungenkiez aufwuchs, war das an die Bezirke Friedrichs-    der Rudolf-Seiffert-Straße. Dass Karola        Karola hat nicht nur gesehen, wie sich der
                               hain und Prenzlauer Berg grenzende Wohngebiet Fennpfuhl noch nahezu unbebaut. Dort,        nun mit ihrer eigenen Familie in denselben     Stadtteil, in dem sie lebt, verändert hat.
                               wo der elf Stockwerke zählende Plattenbau in der Rudolf-Seiffert-Straße steht, in dem      Block zog, in dem sie vorher ihre Jugend       Auch den Wandel in der Wahrnehmung des
                               die heute 58-Jährige ab 1977 erst zusammen mit ihren Eltern und später dann mit ihrer      verbracht hatte, war Zufall; ein glücklicher   Plattenbaus hat sie miterlebt. „Am Anfang
                               eigenen Familie lebt, war damals nichts als Brachland.                                     Zufall, denn zu DDR-Zeiten war es nicht        war es etwas ganz Modernes und um die
                                  Ende 1972 begannen im Fennpfuhl die Bauarbeiten. Nur vierzehn Jahre später erstreck-    leicht in Berlin eine Wohnung zu bekom-        Jahrtausendwende oder kurz danach war
                               te sich hier das mit seinen 15.500 Wohnungen bis dahin größte einheitlich geplante Wohn-   men. Die innenstadtnahen, mit hellen           die Platte plötzlich verpönt und jeder, der
                               gebiet der DDR: Die, in Großtafelbau- oder Stahlbeton-Skelettbauweise gefertigten, meist   Räumen, Warmwasser und Zentralheizung          was auf sich hielt, wohnte nicht in der          Quellen:
                               vielgeschossigen, Wohnhäuser schafften Wohnraum für etwa 50 000 Menschen; viele von        ausgestatteten, Wohnungen im Fennpfuhl         Platte.“                                         Moldt, Dirk (Hg.): Die moderne Stadt Berlin-
                               ihnen Beschäftigte in den nahegelegenen Industriegebieten.                                 waren sehr begehrt.                               Karola hat immer zu ihrem Wohnort             Lichtenberg. Ein Architekturführer. Berlin Story
                                                                                                                                                                         gestanden, aber es gab eine Zeit, in der sie     Verlag 2017.
                                                                                                                          Kinderfreundlich                               sich von der Abfälligkeit, die nun immer
                                                                                                                          Karola und ihre Tochter Laura denken gern      häufiger bei dessen Erwähnung mit-               Wähner, Bernd: „Die längste Fußgängerbrücke
                               »Am Anfang war es etwas ganz Modernes und um                                               an diese Zeit. In dem Arbeiterbezirk lebten    schwang, gestört fühlte. Sie macht unter         Europas wurde 2002 abgerissen“, in: Berliner
                               die Jahrtausendwende oder kurz danach war die Platte                                       viele Familien und entsprechend gemein-        anderem die Medien für den schlechten            Woche, online abrufbar: https://www.berliner-

                               plötzlich verpönt und jeder, der was auf sich hielt,                                       schaftlich war das soziale Miteinander.
                                                                                                                          „Für Kinder war es cool!“, sagt Laura. „Ich
                                                                                                                                                                         Ruf des Plattenbaus verantwortlich und
                                                                                                                                                                         kritisiert, dass viele Filme die Platte mit
                                                                                                                                                                                                                          woche.de/prenzlauer-berg/c-bauen/die-
                                                                                                                                                                                                                          laengste-fussgaengerbruecke-europas-wurde-
                               wohnte nicht in der Platte.«                                                               bin hier beschützt und liebevoll groß ge-      sozialem Brennpunkt gleichsetzen.                2002-abgerissen_a165974

6                                                                                                                                                                                                                                                                            7
KiezBlick. UNSER LICHTENBERG - INNEN & AUSSEN
IM FOKUS: PULSIERENDES LICHTENBERG
TEXT UND FOTO VON FIONA FINKE

Am westlichen Rand von Lichtenberg,          ein ewiges Stop-and-go von Autos, Fahr-       Die Fotostrecke entstand im Kiezrepor-
direkt an der B 1 und der Grenze zu Fried-   rädern und Fußgängern. Hier verläuft auch     ter*innen-Foto-Workshop „Wie erzähle
richshain, befindet sich das Ring-Center.    eine magische Grenze zwischen innen und       ich eine Geschichte in Bildern?“ mit dem
Hier treffen Welten aufeinander: Familien    außen: der S-Bahn-Ring. Für viele, die nach   Fotografen Daniel Hofer im Sommer 2020
bummeln im Einkaufszentrum, Pendler          Berlin hinein pendeln, beginnt jetzt das      an der VHS Lichtenberg.
eilen zwischen Ringbahn, Tram und U 5.       Chaos der Großstadt. Für andere ist alles
Dazwischen leben Menschen unter der          außerhalb des Rings gefühlte Vorstadt,
S-Bahn-Brücke. Auf der Frankfurter Allee     weit draußen.

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KiezBlick. UNSER LICHTENBERG - INNEN & AUSSEN
LICHTENBERGER LANDPARTIE                                                                                                                  »Vor allem hab’ Zeit und nimm Umwege. Lass dich ablen-
                                                                                                                                                                                                                                      Falkenberger Rieselfelder
                                                                                                                                                                                                                                      Von der Wartenberger Feldmark aus er-
                                                                                                                                                                                                                                      reichen wir in einer Stunde (fünf Kilometer
TEXT UND FOTO VON MAIKA BRÜNING                                                                                                           ken. Mach sozusagen Urlaub. Überhör keinen Baum und                                         und eine Teepause) über die Falkenberger

Wie ein Mosaik fügen sich die grünen und grauen Flächen Lichtenbergs zusammen.
                                                                                                                                          kein Wasser. Kehr ein, wo du Lust hast und gönn dir die                                     Rieselfelder unser nächstes Ziel, das Café
                                                                                                                                                                                                                                      Lehmsofa. Der Weg führt durch Klein-
Zwar durchbrechen mehrspurige Straßen die Grünflächen, jedoch ziehen sich Parks,                                                          Sonne.«                                                                                     gartenanlagen, auf dem Berl- und Koppel-
Wälder, Feld und Flur durch den gesamten Bezirk.                                                                                                                                        Aus „Geh über die Dörfer“ von Peter Handke    graben, ins Gebiet der einstigen Riesel-
                                                                                                                                                                                                                                      felder. Hier wurde im 19. Jahrhundert das
                                                                                                                                                                                                                                      Abwasser Berlins gereinigt. Der Schlamm
                                                                                                                                                                                                                                      trocknete aus und der wertvolle Dünger
                                                                                                                                          Landschaftspark Wartenberger                   Weg gibt es zwar keinen Whisky, außer        blieb für den Gemüseanbau. Heute ist es
                                                                                                                                          Feldmark                                       vielleicht aus dem Flachmann, aber es        Landschaftsschutzgebiet. Das Gelände ist
                                                                                                                                          Über die Margaretenbrücke treibt es uns        wird so oder so immer schottischer. Die      Teil des Barnimer Dörferwanderweges. Wir
                                                                                                                                          in die Wartenberger Feldmark. Hinter der       Landschaft erinnert ans schottische          spazieren in Richtung Dorfstraße, vorbei
                                                                                                                                          Brücke entdecken wir ein verlassenes           Hochland – mit grünen Weiden und weiten      an Europas größtem Tierheim und dem
                                                                                                                                          Gelände, ein leerstehendes Lagerhaus und       Wiesen. Allenfalls grasen hier die Schot-    Pferdehof Hahn. Hinter uns lassen wir die
                                                                                                                                          ein zerstörtes Pförtnerhäuschen. Nicht         tischen Hochlandrinder und betreiben         Felder mit einem in Stein gravierten Zitat:
                                                                                                                                          gerade sehenswert, aber mit Spuren dieser      Landschaftsschutz. Im Hintergrund reihen
                                                                                                                                          Zeit. Vermutlich haben Jugendliche die         sich die Großraumsiedlungen von Hohen-
                                                                                                                                          Wände verschönert, gesprayt und sogar          schönhausen. Wie ein Gebirge scheinen
                                                                                                                                          eine Schaukel aus einem dicken Ast und         sie den Horizont zu berühren. Aber das       »Auch das geringste
                                                                                                                                          einem alten Feuerwehrschlauch ange-
                                                                                                                                          bracht. Scherben knirschen unter unseren
                                                                                                                                                                                         urbane Treiben ist weit weg. Hier kreucht
                                                                                                                                                                                         und fleucht es in allen Höhen. Eisvogel,
                                                                                                                                                                                                                                      Schaffen steht höher
                                                                                                                                          Füßen, als wir die Halle verlassen.            Eichelhäher, Fischreiher und Biber sind in   als das Reden über
                                                                                                                                          Vor uns erstreckt sich eine Weite aus Feld     der Mark Zuhause. Im Landschaftsschutz-      Geschaffenes.«
                                                                                                                                          und Flur. Nebelkrähen fliegen am Himmel.       gebiet Wartenberger Feldmark geht es,
                                                                                                                                          Sie kreisen in gewaltigen Schwärmen. Die       neben dem Schutz bedrohter Arten, um die                             Friedrich Nietzsche
                                                                                                                                          Weite ist unendlich schön. Es dämmert,         Erholung des Menschen und die Leistungs-
                                                                                                                                          14:59 Uhr, der Sonnenuntergang ist unauf-      fähigkeit des Naturhaushaltes. Auch das
                                                                                                                                          haltsam. Wir müssen weiter. 20 Minuten         vielfältige Landschaftsbild soll geschützt
                                                                                                                                          spazieren wir über die weite Flur. Auf dem     werden.

Lichtenberg steht für Familienbewusstsein
und Landleben. Ganze drei Dörfer schlie-
ßen sich dem urbanen Treiben an. Vom
Verkehrsknotenpunkt Frankfurter Allee mit
Blick auf den Fernsehturm wandelt sich
das Stadtbild bis zur ländlichen Idylle am
nördlichen Rand. Kommt mit, wir zeigen
euch den Weg! Denn nichts ist besser, als
„janz weit draußen“ im Bäumemeer zu
schwimmen. Wozu in die Ferne schweifen,
sieh, das Weite liegt so nah.

S-Bahnhof Wartenberg über die
Malchower Aue bis zur Wartenberger
Feldmark
Vom S- und U-Bahnhof Lichtenberg geht        Spaziergang im Landschaftspark Wartenberger Feldmark
es mit der S 75 bis zur S-Bahnstation War-
tenberg. 15 Minuten Fußmarsch sind es bis
zum Malchower See mit seinen gefieder-
ten Bewohnern: Graureiher, Silberreiher,     Fisch-, Lurch-, Libellen- und Larvenar-        Im Norden Lichtenbergs zeigt sich Berlin
Haubentaucher, Schnatterente, Löffelente,    ten tummeln sich hier. Und weil es unter       von einer ganz anderen Seite: weitläufige
Krickente, Blässhuhn, Teichhuhn. Hier gibt   ihnen schutzbedürftige Arten gibt, ist es      Wiesenflächen, bestellte Äcker und alte
es auf einen Blick so viele Vogelarten wie   ein Naturschutzgebiet. Im Gegensatz zum        Obstplantagen. 575 Hektar Fläche werden
Menschen in einem Abteil der Ringbahn        Landschaftsschutzgebiet wie beispiels-         bewirtschaftet, damit nimmt Lichtenberg
werktags um 8 Uhr. Nebenan wartet gleich     weise der Wartenberger Feldmark. Aber          Platz drei der Berliner Bezirke, die noch
die Malchower Aue. Über 300 Pflanzen-,       dazu später.                                   Landwirtschaft betreiben, ein (Stand 2018).   Café Lehmsofa in der Dorfkate in Falkenberg                                                 Schottisches Hochlandrind auf der Weide

10                                                                                                                                                                                                                                                                              11
KiezBlick. UNSER LICHTENBERG - INNEN & AUSSEN
Ist Wandern auch Schaffen? Jedenfalls
haben wir es ganz schön weit geschafft.                                                                                                              DIE VERSCHANDELUNG DES
                                                                                                                                                     STADTBILDES
Pünktlich zur Kaffeezeit gibt es ein Stück
von Lynn Densmores bestem kanadischen
Käsekuchen. Der Kuchen ist mit Frisch-
käse, anstatt Quark, gebacken und sehr                                                                                                               Von Hundehaufen über Plastikbecher zu Wegwerf-
beliebt. 2003 rief sie der Förderverein
Landschaftspark Nordost e.V. an, ob sie
                                                                                                                                                     Masken: Offenbar hinterlässt jede Epoche ihre Spuren
die Dorfkate als Café betreiben wolle. Ihr                                                                                                           in unserer Umgebung. Dabei könnte alles so einfach
Catering wäre mit viel Gemüse und auch                                                                                                               sein …
Fleisch positiv aufgefallen und würde in
das Konzept eines erholsamen Ausflugs-                                                                                                               EIN KOMMENTAR VON ANKE HAUSCHILD
ortes passen. Die weitgereiste Kanadierin
lebt seit längerer Zeit in Prenzlauer Berg.
Mit dem Café Lehmsofa erfüllt sie sich                                                                                                                                           Das Rad der Zeit einmal um 40 Jahre zurückgedreht, kommen Erinnerungen an eine
einen Kindheitstraum. Seit zehn Jahren.                                                                                                                                          saubere Stadt hoch. Die Bürgersteige und Straßen waren oft makellos, Grünflächen
    „Was sich rumgesprochen hat, war der                                                                                                                                         wurden gehegt und gepflegt. Das einzige Massenärgernis dieser Zeit waren unzählige
selbstgemachte Kuchen. Mehr beliebt                                                                                                                                              Hundehaufen auf Geh-, Rad- und Waldwegen. Das Ergebnis dessen: Schuhe, Kinderwagen
noch ist der Apfelstreusel. Wir haben im-                                                                                                                                        und Fahrräder mussten immer wieder von den übel riechenden Hinterlassenschaften ge-
mer einen Streuselkuchen da, der verkauft                                                                                                                                        säubert werden.
sich dumm und dämlich. Unser Käseku-                                                                                                                                                In einem langsamen Prozess wurden immer mehr Berliner Flächen sich selbst überlas-
chen ist auch sehr beliebt, den kann man                                                                                                                                         sen. Der öffentliche Rasen wurde nicht oder fast nie gemäht, manches Grün in der Straßen-
nicht schnell genug backen.“ Schokoku-                                                                                                                                           mitte nahm urwaldähnliche Ausmaße an. Es gab Gehwege, die aufgrund des Wildwuchses
chen mit Biscoff-Creme (eine Art Spekula-                                                                                                                                        nicht mehr da verlassen werden konnten, wo man wollte, sondern nur noch da, wo es noch
tiuscreme), Karottenkuchen und Brownie                                                                                                                                           möglich schien: Wo der Bewuchs das zuließ und zudem die freie Sicht auf mögliche Tret-
stehen auf der Karte. Die Stimmung ist                                                                                                                                           minen gegeben war.
urig und das Essen lecker. „Wir sind ein                                                                                                                                            Mit Hilfe der Beseitigungspflicht der Hundehäufchen und der Wiederaufnahme von
Ausflugsort einerseits, andererseits haben                                                                                                                                       Schnitt und Pflege von einzelnen Flächen gingen Unkraut mäßig und die Hinterlassen-
wir super viele Stammgäste – so ist es ein                                                                                                                                       schaften des besten Freundes des Menschen stark zurück.
bisschen familiär.“ Mit 60 Plätzen drinnen                                                                                                                                          Diese Stadtbild-Freude wurde erst mit der Einbringung von unzähligen Plastikbechern
und 60 Plätzen draußen kann schon eine                                                                                                                                           getrübt. Der Nachhaltigkeit und einigen Umweltmaßnahmen sei Dank nahm auch diese
Menge los sein. Auch auf dem Lehmsofa                                                                                                                                            Plastik-Verbecherung der Umwelt wieder stark ab.
ist Platz. Aber nur kurz zum Aufwärmen,                                                                                                                                             Mittlerweile ist ein neuer Artikel der Stadtbild-Verschandelung stark vertreten: die
denn alle Speisen und Getränke gibt es                                                                                                                                           Mund-und-Nasen-Einwegmaske. An dem Gewicht der Maske kann es nicht liegen. Außer-
aktuell ausschließlich zum Mitnehmen.                Blick auf die Hochhäuser von Hohenschönhausen                                                                               dem sind in jedem Supermarkt, jeder Bushaltestelle, jeder Tram-, U-Bahn-, S-Bahn- und
                                                                                                                                                                                 Bahnhaltestelle Abfalleimer vorhanden.
Quellen:                                                                                                                                                                            Und die Wegwerf-Masken werden immer mehr. Neulich nur wenige Schritte voneinan-
Bezirksamt Lichtenberg (Hrsg.) (2018): „Echt Lichtenberg.“ BezirkePlus-Verlag Volkmar Eltzel.                                                                                    der entfernt, lagen gleich drei hintereinander auf dem Gehweg. Hässlich sind die Einweg-
https://www.berlin.de/ba-lichtenberg/ueber-den-bezirk/zahlen-und-fakten/ (letzter Abruf 01.11.2020, 16:11 Uhr)                                                                   masken, verunstalten beinahe jedes Gesicht und gehen mit der Zeit sogar richtig ins Geld –
https://www.umweltkalender-berlin.de/angebote/details/73625 (letzter Abruf 01.11.2020, 16:53 Uhr)                                                                                vielleicht nicht pro Maske, sondern aufs halbe oder ganze Jahr gerechnet. Doch inzwischen
                                                                                                                                                                                 sind bequeme Baumwollmasken im Versand- und Einzelhandel schon für 2 bis 3 Euro zu
                                                                                                                                                                                 erwerben. Nach dem Tragen können diese mit den Handtüchern in die Waschmaschine ge-
                                                                                                                                                                                 geben und unzählige Male wiederverwendet werden. Nachteile von Stoffmasken sind mir
                                                                                                                                                                                 nicht bekannt.
                                                                                                                                                                                    Vorteile von Stoffmasken gibt es hingegen viele. Sie verschönern sofort das Gesicht. Sie
                                                                                                                                                                                 verbessern im Gegensatz zu den Einwegmasken den Tragekomfort. Sie sparen langfristig
                                                                                                                                                                                 Geld. Sie schonen die Umwelt. Sie vermeiden Müll. Sie entlasten unsere Betriebskosten
                                                                                                                                                                                 und das Budget für die Stadtreinigung, weil weniger Abfall anfällt. Das Beste von allem
Anfahrt mit dem Startpunkt S+U Lichtenberg                                                                                                                                       aber ist eine Stadtbildverschönerung für alle.
                                                                                                                                                                                    Dankeschön an alle, die mitmachen. Alle anderen sind herzlich eingeladen, sich mit
                                                                                                                                                                                 Einwegmaske im Spiegel zu betrachten oder alle sorglos weggeworfenen Einwegmasken
                     MALCHOWER AUE                       WARTENBERG                         FALKENBERG
                                                                                                                                                                                 wahrzunehmen.
                                                                                                                                                                                    Wer will, der kann: Mach einfach mit, mach’s nach und mach’s besser.
 Zu Fuß und Öffis    39 min mit der S 75 Richtung        31 min mit der S 75 Richtung       47 min mit der S 75 Richtung Wartenberg, Ausstieg
                     Wartenberg, Ausstieg Warten-        Wartenberg, Ausstieg Warten-       S Hohenschönhausen und mit dem Bus 197 Richtung
                     berg + 23 min (2,0 km) zu Fuß       berg + 15 min (1,3 km) zu Fuß      S Mahlsdorf, Ausstieg Radieschenpfad + 20 min (1,7 km)
                                                                                            zu Fuß

 Mit dem Rad         über Rhinstraße 38 min (11,2 km)    über Rhinstraße 41 min (12 km)     über Rhinstraße 39 min (11,4 km)

12                                                                                                                                                                                                                                                                        13
KiezBlick. UNSER LICHTENBERG - INNEN & AUSSEN
DAS UNBEKANNTE WESEN HINTER DER                                                                                                                                                                                       CORONA
                                                                                                                                                                                                                      - Bukowski Style -

WOHNUNGSTÜR                                                                                                                                                                                                           Corona lässt sich nicht einfach
                                                                                                                                                                                                                      rauswaschen
Ein Virus bringt unser Leben durcheinander. Die perfekte Gelegenheit, richtige                                                                                                                                        wie der Spermafleck
                                                                                                                                                                                                                      in deiner gealterten
soziale Netzwerke zu knüpfen. (M)ein Corona-Ratgeber für ungewöhnliche Zeiten.                                                                                                                                        Unterhose

VON ALEXANDER LIERS                                                                                                                                                                                                   Nicht Dein Pimmel
                                                                                                                                                                                                                      ist es, der die Welt
                                                                                                                                                                                                                      verpestet
                                                   Wohl dem, der zu Krisenzeiten über ein funktionierendes soziales        es denkbar, gemeinsame Aktivitäten wie Spaziergänge und Spielplatzbesuche zu starten.
                                                                                                                                                                                                                      Du bist es
                                                   Netzwerk verfügt – und das nicht nur im virtuellen Sinne. Zu so         Initiierte Spieleabende oder ein Überraschungsspiel vor die Tür gelegt, können ebenfalls
                                                                                                                                                                                                                      mit Deinem
                                                   einem Netzwerk zählen meist die Familie, Freunde, Kolleg*innen          hilfreich sein.
                                                                                                                                                                                                                      Atem – und Deiner
                                                   und Personen, denen man sich verbunden fühlt. Eine gut funk-
                                                                                                                                                                                                                      Arroganz
                                                   tionierende Hausgemeinschaft gehört beispielsweise dazu. Man            Merke: Aufs Bauchgefühl hören. Angebote wohl dosiert unterbreiten. Nicht ärgerlich sein,
                                                   hilft sich, erkundigt sich nach dem Befinden seiner Nachbarn oder       wenn jemand nicht sofort Hilfe annehmen will. Denken Sie dran: Sie haben das Mögliche      Heul mir die Ohren nicht voll
                                                   schmiedet Pläne für gemeinsame Spaziergänge oder Ausflüge.              getan und vielleicht greift der- oder diejenige zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal    von Lockerungsträumen
                                                       Was ist aber mit den Menschen, die über kein derzeitiges Netz-      auf Ihr Angebot zurück?!                                                                   für dein
                                                   werk verfügen? Davon sind oft alleinlebende und ältere Menschen                                                                                                    süffisantes
                                                   betroffen, ebenso jüngere Menschen mit wenig sozialen Kon-              Bonus-Tipp: Zu Hause schöner arbeiten! – Auch zum Homeoffice unter Corona-Bedin-           Leben
                                                   takten – und auch Menschen, die seit Monaten schon zu Hause             gungen sei noch etwas gesagt: Zum einen gibt es Menschen, denen erst einmal klar
                                                   arbeiten, also im sogenannten Homeoffice. Wer aber sind diese           wird, wie effektiv und schnell sie in den eigenen vier Wänden arbeiten können und dieses   Erst wenn Deine
                                                   unbekannten Wesen hinter der Wohnungstür nebenan?                       möglicherweise auch genießen! Zum anderen gibt es Menschen, die mit dem Homeoffice         Oma und Opa
                                                       Vielleicht sollten Sie gerade jetzt Ihr soziales Netzwerk er-       hadern und ihre Kolleg*innen vermissen. Vielleicht wohnt jemand davon in Ihrem Haus?       im Krankenhaus
                                                   weitern!                                                                Ein kleiner Aushang mit der Frage und der Angabe der eigenen Mailadresse oder Telefon-     krepieren
                                                                                                                           nummer könnte Klarheit schaffen! Treffen Sie sich zum Kaffeetrinken, unternehmen Sie       ohne beatmet worden zu sein
                                                   Schritt 1: Runter von der Couch! – Die Mutigen unter Ihnen können       gemeinsame Spaziergänge oder organisieren Sie Ihr Mittagessen als nachbarschaftliches
                                                                                                                                                                                                                      Wirst Du erkennen,
                                                   einfach klingeln und fragen. Wer nicht so mutig ist, schreibt viel-     Team.
                                                                                                                                                                                                                      dass Fußballspiel
                                                   leicht einen kleinen Brief und steckt diesen in den Hausbriefkas-          Halten Sie zu Ihren eigentlichen Kolleg*innen Kontakt! Verabreden Sie sich zu festen
                                                                                                                                                                                                                      Gottesdienst
                                                   ten der betreffenden Person. „Nicht erschrecken, hier ist nur Ihr       Zeiten, um zu telefonieren oder sich per Videokonferenz auszutauschen! So kann die Lieb-
                                                                                                                                                                                                                      und Kneipenbesuch
                                                   Nachbar. Brauchen Sie Hilfe? Oder haben Sie Lust, zu plaudern?“         lingskollegin, der Lieblingskollege über berufliche Themen hinaus Ihr Begleiter werden.
                                                                                                                                                                                                                      doch nicht
                                                   Gestalten Sie das Ganze gefällig, vielleicht mit einem Antwort-         Themenabschweifungen sind ausdrücklich erwünscht und hilfreich! Regen Sie selbst
                                                                                                                                                                                                                      ganz so
                                                   schein wie früher aus der Schule zum Ankreuzen (JA; NEIN; VIEL-         teamfördernde Maßnahmen wie ein E-Mail-Wichteln an. Hier geht es darum, aus einem
                                                                                                                                                                                                                      wichtig waren
                                                   LEICHT). Geben Sie auch eine zusätzliche Kontaktmöglichkeit an,         Topf an E-Mail-Adressen (vorher Zustimmung einholen) eine Adresse zu ziehen oder zu-
                                                   beispielsweise Ihre Telefonnummer. Ihr erster Kontakt entsteht,         geteilt zu bekommen. An diese Person schicken Sie dann eine wohlwollende, wertschät-       Wie das Überleben
                                                   wenn sich die angeschriebene Person meldet.                             zende Mail! Der Überraschungseffekt dürfte groß sein.                                      derer, die Du liebst

                           Schritt 2: Nur die Ruhe! – Sie können zunächst tief durchatmen! Jetzt gilt es, das zarte        Aufgaben für den Chef, die Chefin – und für einen selbst: Als Chef beziehen Sie Home­      Lockerungstraum
                           Pflänzlein der neuen Begegnung zu hegen und zu pflegen. Vielleicht laden Sie Ihren Nach-        office-Mitarbeiter*innen in Ihre Arbeit und Entscheidungen ein. Verteilen Sie nicht nur    ausgeträumt
                           barn/Ihre Nachbarin mal zu einem Kaffee oder einem Gespräch ein. Auch gemeinsames               Aufträge, sondern lassen Sie es etwas „menscheln“, in dem Sie auch nach dem Befinden
                           Fernsehen, Lieblingsfilme gucken und Musik hören bieten sich an. Ein Austausch über             fragen. Als Selbstbetroffene*r bringen Sie sich über die Tagesaufgaben hinaus in das                 – Alexander Liers, 2020
                           Erlebtes und Gesehenes ist fast immer interessant. Wem diese Art von Kontakt zu eng             Unternehmen ein; durch gute Vorschläge, neue Ideen und Anregungen. Genießen Sie auch
                           ist, kann subtilere Formen wählen … einen lieben Brief durch den Türschlitz schieben            ein bisschen das „Von-draußen-Draufschauen“ und nutzen Sie es!
                           oder eine kleine Kerze (natürlich nicht angezündet!) vor die Tür stellen vielleicht. Oder Sie      Niemand muss in dieser Zeit allein sein, wenn wir uns alle etwas mehr kümmern!
                           stellen eine Pflanze mit Pflegeanleitung dazu. Auch kleine Tüten mit Samen und einem            Fangen wir an!                                                                             CORINNA
                           netten Anschreiben versehen, sind eine gute Überraschung. Sie schaffen neben der netten
                           Geste auch die angenehme kleine Aufgabe der Pflanzenpflege für den Empfänger. Wie                                                                                                          endlich eine Frau
                           wäre es, ein einfaches Rezept auszudrucken und in den Briefkasten zu legen – gleich mit                                                                                                    ich hielt mich
                           dem Angebot, die Dinge auch einzukaufen? So könnte sich die Tür ein klein wenig mehr                                                                                                       für unsterblich
                           öffnen und vielleicht in einem direkten Zusammensein münden. Wichtig ist es bei derarti-                                                                                                   unsterblich verliebt
                           gen Aktionen, ein freundliches, offenes Anschreiben beizulegen.                                                                                                                            doch sie hatte gelogen
                                                                                                                                                                                                                      sie hieß Corona
                           Schritt 3: Alleinerziehenden helfen! – Besonders schwierig ist auch oft die Situation für                                                                                                  und ich wusste
                           Alleinerziehende mit kleinen Kindern, die Homeoffice und Kinderbetreuung in Einklang                                                                                                       mein Leben
                           bringen müssen. Wie wäre es, Kind und Mutter/Vater mal mit einem Kuchen zu über-                                                                                                           ist
                           raschen oder zum Essen einzuladen? Hier erkennt man gut, ob die Chemie stimmt. Mit                                                                                                         endlich
                           einigem Selbstvertrauen und Kenntnissen könnte man auch anbieten, das Kind mal eine
                           zunächst kurze Zeit allein zu betreuen. Später kann man die Zeiträume erweitern. Auch ist                                                                                                            – Alexander Liers, 2020

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KiezBlick. UNSER LICHTENBERG - INNEN & AUSSEN
ANSPRECHPARTNERINNEN                      IMPRESSUM                             Ein Projekt von
Tina Messerschmidt                        Tina Messerschmidt
messerschmidt@rbo-inmitten.berlin         Stadtteilkoordinatorin Fennpfuhl      STADT
                                          RBO – Inmitten gemeinnützige GmbH      TEIL
Ksenia Porechina
                                          Ein Unternehmen der Stiftung
                                                                                 ZENTRUM
                                                                                 Lichtenberg-Nord
porechina@rbo-inmitten.berlin
                                          Rehabilitationszentrum Berlin – Ost

Aufgrund der aktuellen Situation findet   Paul-Junius-Str. 64A
der Stammtisch vorerst nicht statt.       10369 Berlin
Wenn Sie Interesse an der Mitarbeit
                                          Tel.: 030 / 98601999-13
beim Projekt der Kiezreporter*innen
                                          Mobil: 0152 / 22551663
haben, melden Sie sich gern bei uns.
                                          Gestaltung: Anna Bernhardt
                                          Lektorat: Katharina Flach
                                          Foto Titelseite: Marcel Gäding
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