Kinder psychisch kranker Eltern

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Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie

                                                                                                Kinder psychisch kranker Eltern
                                                                 Philipps-Universität Marburg

                                                                                                Auswirkungen der elterlichen Erkrankung auf die
                                                                                                Entwicklung in den verschiedenen Alterssstufen

                                                                                                                   Fritz Mattejat

                                                                                                      Vortrag am 27. Sept. 2007 um 18.00 Uhr im
                                                                                                           historischen Rathaussaal Marburg
F. Mattejat                                                                                          Kinderschutzbund Marburg und Arbeitskreis    1
                                                                                                         „Kinder psychisch kranker Eltern“
Kinder psychisch kranker Eltern
 Auswirkungen der elterlichen Erkrankung auf die Entwicklung in den
                   verschiedenen Alterssstufen

• Grundinformationen: Psychische Erkrankungen
   – Wie zeigt sich eine psychische Erkrankung (Beispiele)?
   – Häufigkeit und Bedeutung von psychischen Erkrankungen
   – Stigmatisierung von psychischen Krankheiten.

• Wenn Vater oder Mutter psychisch krank sind: Folgen für
  die Kinder
   – Statistische Zahlen zum Erkrankungsrisiko
   – Welche Rolle spielt die Vererbung, welche Rolle spielt die
     Umwelt?
   – Wie sind die Auswirkungen auf unterschiedlichen
     Altersstufen?

• Was kann getan werden?
   – Was brauchen Kinder in den verschiedenen Altersstufen
   – Wie kann geholfen?
                                                                  2
Kinder psychisch kranker Eltern
 Auswirkungen der elterlichen Erkrankung auf die Entwicklung in den
                   verschiedenen Alterssstufen

• Grundinformationen: Psychische Erkrankungen
   – Häufigkeit und Bedeutung von psychischen Erkrankungen
   – Wie zeigt sich eine psychische Erkrankung (Beispiele)?
   – Stigmatisierung von psychischen Krankheiten.

• Wenn Vater oder Mutter psychisch krank sind: Folgen für
  die Kinder
   – Statistische Zahlen zum Erkrankungsrisiko
   – Welche Rolle spielt die Vererbung, welche Rolle spielt die
     Umwelt?
   – Wie sind die Auswirkungen auf unterschiedlichen
     Altersstufen?

• Was kann getan werden?
   – Was brauchen Kinder in den verschiedenen Altersstufen
   – Wie kann geholfen?
                                                                  3
Psychiatrische Störungen nach ICD-10
F0               Organische einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
F1               Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
F2               Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
F3               Affektive Störungen
F4               Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
                 F 40     Phobische Störungen
                 F 41     Andere Angststörungen
                 F 42     Zwangsstörungen
                 F 43     Anpassungsstörungen
                 F 44     Dissoziative Störungen
F5               Verhaltensauffälligkeit mit körperlicher Symptomatik
                 F 50     Essstörungen
F6               Persönlichkeitsstörungen
F8               Entwicklungsstörungen
F9               Verhaltensstörungen mit Beginn in Kindheit und Jugend
                 F 90     Hyperkinetische Störungen
                 F 91     Sozialverhaltensstörungen
                 F 93     Emotionalstörung des Kindesalters

Klassifikation
Psychiatrische Störungen nach ICD-10
F0               Organische einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
F1               Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
F2               Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
F3               Affektive Störungen
F4               Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
                 F 40     Phobische Störungen
                 F 41     Andere Angststörungen
                 F 42     Zwangsstörungen
                 F 43     Anpassungsstörungen
                 F 44     Dissoziative Störungen
F5               Verhaltensauffälligkeit mit körperlicher Symptomatik
                 F 50     Essstörungen
F6               Persönlichkeitsstörungen
F8               Entwicklungsstörungen
F9               Verhaltensstörungen mit Beginn in Kindheit und Jugend
                 F 90     Hyperkinetische Störungen
                 F 91     Sozialverhaltensstörungen
                 F 93     Emotionalstörung des Kindesalters

Klassifikation
Schizophrenie: Diagnostische Kriterien nach ICD-10

• Grundlegende Störung von Denken und Wahrnehmung
  sowie inadäquate Affekte.
• Keine Beeinträchtigung von Bewusstseinsklarheit und
  intellektuellen Fähigkeiten (allerdings Langzeitverlauf
  kognitive Defizite möglich).
• Psychopathologische Phänomene wie z.B.
  Gedankeneingebung, Beeinflussungswahn,
  Stimmenhören.
• Verlauf kontinuierlich oder episodisch mit zunehmenden
  oder stabilen Defiziten oder kompletter Remission

Schizophrenie
Typische Symptome
bei einer paranoiden Schizophrenie
• Ich- Störungen wie Gedankenlautwerden,
  Gedankeneingebung oder Gedankenentzug;
• Störungen der Wahrnehmung von Zeit, Raum,
  Farbe, Form, Körperbild usw.;
• Kontroll- und Beeinflussungswahn, Gefühl des
  Gemachten;
• akustische Halluzinationen, oft als Stimmen, die
  Gedanken und Handlungen kommentieren, oder
  dialogische Stimmen, die über den Betreffenden
  reden
Symptome der Depression

•   Auf der emotionalen Ebene:
     Affektstörung: Traurigkeit, Verstimmung
     Schuldgefühle / Selbstvorwürfe
     Reduziertes Selbstwertgefühl („Ich bin nichts wert“)
     Gefühl der Gefühllosigkeit

•   Auf der Verhaltensebene:
     Antriebsstörung / Verminderte Aktivität
     Psychomotorische Hemmung (bis hin zum
      Stupor/völlige Erstarrung) oder Agitiertheit
     Sozialer Rückzug

                                                             8
Symptome der Depression
• Auf der kognitiven Ebene:
    Konzentrationsstörungen
    Formale Denkstörungen (Denkhemmung,
     Verlangsamung)
    Grübeln, Todes- und Suizidgedanken

• Auf der körperlichen Ebene:
    Schlafstörungen (Ein-, Durchschlaf-
     störungen, frühmorgendliches Erwachen)
    Appetitverlust (oder –steigerung) mit
     entsprechender Gewichtsveränderung
    Libidoverlust und vegetative Beschwerden (Kopf-,
     Bauchschmerzen, Verdauungsstörungen)
                                                        9
Häufigkeit psychischer Erkrankungen in der deutschen
Bevölkerung:
Ergebnisse des deutschen Bundesgesundheitssurveys (RKI)
(BPtK-Newsletter, I/2007; Februar 2007)

 Diagnosen(-gruppe)                              12-Monats-
                                                  Prävalenz
 Substanzstörungen (F1) [ohne                       4,5 %
 Nikotinabhängigkeit]
 Mögliche psychotische Störungen (F2)               2,6 %
 Affektive Störungen (F3) [Depressionen]           11,9 %*
 Angststörungen (F40-42)                           14,5 %
 Somatoforme Störungen (F45)                       11,0 %
 Essstörungen (F50)                                 0,3 %
 Psychische Störungen aufgrund einer                1,3 %
 körperlichen Erkrankung
 Irgendeine psych. Störung                         31,0 %
 * davon rund 50% behandlungsbedürftige Depressionen.         10
Häufigkeit psychischer Erkrankungen in der deutschen
Bevölkerung:
Ergebnisse des deutschen Bundesgesundheitssurveys (RKI)
(BPtK-Newsletter, I/2007; Februar 2007)

 Diagnosen(-gruppe)                              12-Monats-
                                                  Prävalenz
 Substanzstörungen (F1) [ohne                       4,5 %
 Nikotinabhängigkeit]
 Mögliche psychotische Störungen (F2)               2,6 %
 Affektive Störungen (F3) [Depressionen]           11,9 %*
 Angststörungen (F40-42)                           14,5 %
 Somatoforme Störungen (F45)                       11,0 %
 Essstörungen (F50)                                 0,3 %
 Psychische Störungen aufgrund einer                1,3 %
 körperlichen Erkrankung
 Irgendeine psych. Störung                         31,0 %
 * davon rund 50% behandlungsbedürftige Depressionen.         11
Bedeutung depressiver Störungen
                 (nach Pössel, Schneider & Seemann, 2006)
          - Die Politische und wirtschaftliche Dimension -

•   WHO: Die Weltgesundheitsorganisation hat ein Maß entwickelt, mit dem die
    gesundheitliche Beeinträchtigung und Sterblichkeit bei verschiedenen
    Krankheiten miteinander verglichen werden können. Disability Adjusted Life
    Years (DALY). Wieviele Jahre gesunden Lebens hat ein Mensch mit einer
    bestimmten Erkrankung? Bzw.: Wwie viele Jahre gesunden Lebebens gehen
    durch eine Krankheit verloren?
•   Schon 1990 stand die unipolare Depression an vierter Stelle aller Ursachen
    gesundheitlicher Beeinträchtigung und vorzeitiger Mortalität (Murray und Lopez
    1996)
•   Bis zum Jahr 2020 wird die Depression bei den Ursachen gesundheitlicher
    Beeinträchtigung und vorzeitiger Mortalität auf den 2. Platz aufrücken (nur
    übertroffen von Herz-Kreislauferkrankungen) [WHO]
•   In Deutschland gibt es rund 4 Millionen Patienten mit behandlungsbedürftigen
    Depressionen [Kompetenznetz Depression, 2005]
•   Im Jahr 2005 verursachen Depressionen In Deutschland Gesamtkosten von
    etwa 17 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu: Etat des Bundesministeriums für
    Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Jahr 2007: von 5,25 Milliarden Euro.
                                                                                  12
Stigmatisierung und Tabuisierung

• Stigma griechisch στíγµα „Stich“, „Punkt“ oder „Brandmal“.
• Die Brandmarkung war insbesondere im Mittelalter Bestandteil
  grausamer Straf- und Folterkataloge. Abgeschwächte Formen
  der Brandmarkung wurde durch andere Formen der öffentlichen
  Entehrung herbeigeführt, z.B. durch das Anlegen von
  Spottschildern, Halsgeigen oder eisernen Halskrausen.
• Stigmatisierung bezeichnet heute die Beschreibung einer
  Person, die dazu führt, dass diese Person diskriminiert wird
  (Ablehnung, Abwertung, Ausgrenzung). [AIDS]
• Stigmatisierung bei psychischen Erkrankungen: Abwertung,
  Beschämung, Beschuldigung, Tabuisierung

                                                                 13
Stigmatisierung und Tabuisierung
            psychischer Erkrankungen
• Die Krankheit wird nicht anerkannt: „Wir haben das genau
  untersucht, er/ sie hat nichts“.
• Die Krankheit wird nicht ernst genommen, sondern als
  Einbildung / Übertreibung und Einbildung bezeichnet.
• Die Erkrankung wird mit abwertenden Bezeichnungen versehen;
  der Patient wird abgewertet (... in der Psychiatrie „gelandet“).
• Die Krankheit wird nicht beim Namen genannt. Es wird um den
  heißen Brei herumgeredet (Mitteilung der Diagnose durch
  Ärzte?)
• Der Patient schämt sich für seine Erkrankung, er hat das Gefühl,
  selbst Schuld zu sein.
• Die Krankheit wird von Patienten und Angehörigen verheimlicht,
  verschwiegen oder verleugnet; notwendige und effektive
  Behandlungen werden nicht wahrgenommen.
                                                                 14
Kinder psychisch kranker Eltern
 Auswirkungen der elterlichen Erkrankung auf die Entwicklung in den
                   verschiedenen Alterssstufen

• Grundinformationen: Psychische Erkrankungen
   – Häufigkeit und Bedeutung von psychischen Erkrankungen
   – Wie zeigt sich eine psychische Erkrankung (Beispiele)?
   – Stigmatisierung von psychischen Krankheiten.

• Wenn Vater oder Mutter psychisch krank sind: Folgen für
  die Kinder
   – Statistische Zahlen zum Erkrankungsrisiko
   – Welche Rolle spielt die Vererbung, welche Rolle spielt die
     Umwelt?
   – Wie sind die Auswirkungen auf unterschiedlichen
     Altersstufen?

• Was kann getan werden?
   – Was brauchen Kinder in den verschiedenen Altersstufen
   – Wie kann geholfen?                                           15
Kinder psychisch kranker Eltern:
    Konservative Häufigkeitsabschätzung
     für die Bundesrepublik Deutschland

• In der Bundesrepublik wachsen mindestens 2 Millionen Kinder
  bei einem Elternteil mit irgendeiner schwerwiegenden
  psychischen Störung auf.
• Mindestens 100.000 Kinder bei einem Elternteil mit einer
  Schizophrenie auf.
• Mindestens 600.000 Kinder wachsen bei einem Elternteil mit
  einer gravierenden Depression auf.

                                                                16
Lebenslanges Erkrankungsrisiko für
           Schizophrenie

Risikogruppen                   Erkrankungsrisiko

Gesamtbevölkerung:                    1%

W enn ein Elternteil an einer         12 %
Schizophrenie erkrankt ist:

W enn beide Eltern an einer           40 %
Schizophrenie erkrankt sind:

                                               17
Lebenslanges Erkrankungsrisiko für schwere
affektive Störungen (Depressionen und manisch-
            depressive Erkrankungen)

   Risikogruppen                       Erkrankungsrisiko

   Gesamtbevölkerung:                      5 - 10 %

   Wenn ein Elternteil an einer
   bipolaren affektiven Störung            9 - 21 %
   erkrankt ist:
   Wenn ein Elternteil an einer
   unipolaren affektiven Störung           8 - 15 %
   erkrankt ist:
   Wenn beide Eltern an einer
   affektiven Störung erkrankt sind:         56 %          18
Depressive Störungen der Eltern:
             Auswirkungen auf die
       psychische Gesundheit der Kinder

Bei Kindern mit einem depressiven Elternteil („major
depression“) im Vergleich zu Kindern ohne einen
depressiven Elternteil ist das Risiko für
• für Angststörungen,
• für schwere („major“) Depressionen und
• für Substanzabhängigkeit
jeweils um das 3-fache erhöht (20-Jahres-Follow-
up; Weissman et al, 2005)

                                                       19
Depressive Störungen:
           Auswirkungen auf die Kinder

Eine sehr große Zahl von Studien hat gezeigt: Kindern mit
einem depressiv erkrankten Elternteil (verglichen mit Kindern
von   gesunden    Eltern)   weisen   eine   deutlich   erhöhte
psychiatrische Störungsrate auf:

• Metaanalysen: Etwa 61% der Kinder von Eltern mit einer
schweren („major“) Depression entwickeln im Verlaufe der
Kindheit/Jugend eine psychische Störung.

• Die Wahrscheinlichkeit für psychische Störungen im Kindes-
und Jugendalter ist um das 4-fache erhöht (Beardslee, 2007,
S. 120).
                                                                 20
Vererbung oder Umwelt?
Heritabilität psychischer Störungen (nach Hebebrand et al. 2006 S. 4)

Intelligenz-Quotient*                                                   48%

Persönlichkeitseigenschaft Extraversion*                                66%

Zwangsstörung                                                           47%
Angststörung                                                         30 - 40%

Aufmerksamkeits-Defizit und Hyperaktivitätsstörung                   60 - 80%

Anorexia nervosa                                                     48 - 88%

Bulimia nervosa                                                      28 - 83%

Schizophrenie                                                        73 - 90%

Bipolare Störung                                                     60 - 85%

Schwere Depression („major“ Depression)                              31- 42%

*nach McGuffin & Murray: The new genetics of mental illness, 1991.

                                                                                22
Angesichts
der sehr hohen Bedeutung
des genetischen Faktors
stellt sich die Frage:

Haben die Umwelteinflüsse
überhaupt noch einen
nennenswerten Einfluss?
Beispiel Depression:
  Interaktion zwischen genetischen und Umweltfaktoren
  (Caspi et al., Science, 2003 Influence of life stress on depression:
         Moderation by a polymorphism in the 5-HTT gene)

• Der „Botenstoff“ Serotonin spielt eine Schlüsselrolle bei der
  Modulation zentralnervöser Prozesse und beim Entstehen von
  depressiven Symptomen.

• Deshalb spielen Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI=
  Selective Serotonin Reuptake Inhibitors) bei der
  Depressionstherapie eine bedeutsame Rolle.

• SSRI hemmen die Wiederaufnahme von Serotonin in die
  präsynaptische Endung; deshalb steht durch SSRI mehr
  Serotonin im synaptischen Spalt zur Verfügung und die
  serotoninvermittelte (serotonerge) Neurotransmission wird
  gefördert.                                                             24
Depression: Interaktion zwischen
        genetischen und Umweltfaktoren

• Auf dem Chromosom 17q11.2 ist das Serotonnin-
  Transporter-Gen (= 5-HT-Transporter-Gen oder kurz 5-HTT-
  Gen) .

• Ein bestimmter Bereich (5-HTTLPR = „Promoterregion“) dieses
  Gens hat ein kurzes (short) und ein langes Allel (long). D.h. die
  Genausprägungen (= Allele) in diesem Bereich haben entweder
  längere oder kürzere DNA-Ketten. Menschen haben deshalb
  (s/s), (s/l), oder (l/l).

• Im Gegensatz zu (l/l) haben Träger von (s/l) und (s/s) ein leicht
  erhöhtes Risiko für Angststörungen und Depressionen
  (Lesch et al. 1996).

                                                                      25
Depression: Interaktion zwischen
        genetischen und Umweltfaktoren

• Die Arbeitsgruppe um Moffitt und Caspi untersuchte die Frage,
  wie genetische Ausstattung und Umweltbelastungen
  zusammenwirken.

• Genetische Ausstattung: Über 800 Probanden wurden nach
  dem 5-HTT-Gen eingeteilt in drei Gruppen (s/s), (s/l), (l/l).

• Umweltbelastungen: Bei jedem Probanden wurde untersucht,
  wie viele mit starkem Stress verbundene Lebensereignisse er
  erfahren hatte.

• Auswirkungen: Dann wurde untersucht, wie sich die
  genetische Ausstattung und die Lebensereignisse auf spätere
  depressive Symptome / Erkrankungen auswirken.
                                                                  26
Depression: Interaktion zwischen
genetischen und Umweltfaktoren
        ( aus Caspi et al., 2003)

                                    27
Depression: Interaktion zwischen
genetischen und Umweltfaktoren
        ( aus Caspi et al., 2003)

                                    28
Depression: Interaktion zwischen
  genetischen und Umweltfaktoren
          (aus Caspi et al., 2003)

.50

.40

.30

.20

.10

                                     29
Depression: Interaktion zwischen
         genetischen und Umweltfaktoren
                       ( nach Caspi et al., 2003)

Schlussfolgerungen von Caspi et al. aus dieser Untersuchung:

•   Die Annahme, dass es eine direkte Verbindung zwischen Genen
    und psychischen Erkrankungen gibt, ist nicht sinnvoll und für die
    Forschung nicht fruchtbar. Beispiel: In vielen Analysen zeigt sich
    kein direkter Zusammenhang zwischen der genetischen
    Ausstattung (hier: Serotonin-Transporter-Gen) und der
    Psychopathologie.

•   Die Ergebnisse sprechen vielmehr dafür, dass die Gene über (die
    Interaktion mit) Umweltfaktoren zu psychischen Erkrankungen
    führen. Die genetische Ausstattung moderiert die
    Umwelteffekte.

•   Die Entdeckung einer Gruppe von Menschen, die gegen Stress
    geschützt ist, könnte langfristig das Tor zu einer wirksamen
    präventiven Behandlung gegen Depressionen öffnen.
                                                                         30
Depression: Interaktion zwischen
         genetischen und Umweltfaktoren
                       ( nach Caspi et al., 2003)

Schlussfolgerungen von Caspi et al. aus dieser Untersuchung:

•   Die Annahme, dass es eine direkte Verbindung zwischen Genen
    und psychischen Erkrankungen gibt, ist nicht sinnvoll und für die
    Forschung nicht fruchtbar. Beispiel: In vielen Analysen zeigt sich
    kein direkter Zusammenhang zwischen der genetischen
    Ausstattung (hier: Serotonin-Transporter-Gen) und der
    Psychopathologie.

•   Die Ergebnisse sprechen vielmehr dafür, dass die Gene über (die
    Interaktion mit) Umweltfaktoren zu psychischen Erkrankungen
    führen. Die genetische Ausstattung moderiert die
    Umwelteffekte.

•   Die Entdeckung einer Gruppe von Menschen, die gegen Stress
    geschützt ist, könnte langfristig das Tor zu einer wirksamen
    präventiven Behandlung gegen Depressionen öffnen.
                                                                         31
VORURTEILE          ZUR     GENETIK

• Genetische Einflüsse setzen sich immer durch.
   Richtig ist vielmehr: Es gibt meistens keine
  Zwangsläufigkeit, sondern hohe individuelle
  Variation. Nur Wahrscheinlichkeitsaussagen
  über die vermutliche Verletzlichkeit (nicht über
  die Erkrankung selbst).

• Genetische Einflüsse sind höchstens biologisch (z.B.
  Eingriffe in die Gene, Medikamente) beeinflussbar
  oder überhaupt nicht beeinflussbar.
    Das Gegenteil ist richtig: Gerade bei
  Menschen, die eine hohe erblich bedingte
  Verletzlichkeit haben, sind die Umwelteinflüsse
  besonders wichtig sowohl im positiven wie auch
  im negativen Sinne!                                  32
Die wichtigsten
psychosozialen
Belastungsfaktoren
Psychosoziale Risikofaktoren für die Entstehung psychischer
          und psychosomatischer Erkrankungen
                      (Makroanalyse)

•   Niedriger sozioök. Status        •   Häufig wechselnde frühe
•   Arbeitslosigkeit                     Beziehungen
•   Große Familie mit geringem       •   Verlust der Mutter
    Wohnraum                         •   Längere Trennung von den
•   Sexuelle und/oder aggressive         Eltern in den ersten 7
    Misshandlung                         Lebensjahren
•   Eheliche Disharmonie,            •   Häufigere Trennungserlebnisse
    Scheidung, Trennung der Eltern       der Kinder u.a. durch
•   Alleinerziehender Elternteil         Kliniksaufenthalte
    ohne familiäre Unterstützung

     alle diese Risikofaktoren kommen gehäuft vor in Familien mit
                   einem psychisch kranken Elternteil
                                                                     34
      Elterliche psychische Erkrankung = zentrales Kernmerkmal
Direkte Auswirkungen psychischer Erkrankungen
                 auf die Kinder
 Beispiel: Depressive Erkrankungen bei Müttern

Einschränkungen von depressiven Müttern im
Umgang mit ihren Kindern:

 • Eingeengtes Verhaltensspektrum
 • Passiveres Verhalten
 • Eingeengtes Kommunikationsrepertoire
 • Häufiger inkonsequentes Verhalten
 • Fühlen sich leichter überfordert, erleben sich als weniger
   kompetent
 • Nehmen die Kinder häufig als auffällig und schwierig wahr

                                                         35
Indirekte Auswirkungen durch Erhöhung der
Wahrscheinlichkeit von zusätzlichen psychosozialen
                   Belastungen
  Psychische Störungen bei einem Elternteil sind
  überzufällig häufig mit weiteren psychosozialen
  Belastungsfaktoren assoziiert:
  • Häufigere Trennungserlebnisse der Kinder u.a. durch
    Kliniksaufenthalte

  • „Selective mating“: Psychisch Kranke haben häufiger
    Partner mit psychischen Problemen

  • Eheliche Disharmonie / Konflikte und erhöhte
    Scheidungsraten

  • Sozioökonomische Belastungen (z.B. Arbeitslosigkeit)
                                                           36
Beispiel:
Psychische Störung und Misshandlung /Missbrauch
                        (s. Deneke, 2005)

• Kinder von psychisch kranken Eltern (Schizophrenie, affektive
  Störungen, dissoziale Persönlichkeitsstörung) haben im
  Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zwei bis fünffach erhöhte
  Wahrscheinlichkeit für Vernachlässigung, Misshandlung
  und sexuellen Missbrauch (Walsh et al. 2002)

• Umgekehrte Fragerichtung (repräsentative Bevölkerungs-
  befragung): Von den Probanden, die angeben, ihre Kinder
  misshandelt zu haben, bejahten rund 60% eine
  psychiatrische Diagnose. Von den Probanden die angeben
  ihre Kinder vernachlässigt zu haben bejahten rund 70% eine
  psychiatrische Diagnose (Egami et al., 1996).

                                                               37
Forschungsstand über psychosoziale
          Belastungen:
Wie wirken sich psychische Erkrankungen der Eltern und
   andere psychosoziale Belastungsfaktoren auf die
             Entwicklung von Kindern aus?

   a) Psychische Erkrankung zeitigt direkte
      Auswirkungen
   b) Indirekte Auswirkungen der psychischen
   xxiErkrankung durch Erhöhung der
   xxiWahrscheinlichkeit für zusätzliche
   xxipsychosoziale Belastungsfaktoren
   c) Verstärkung der ungünstigen Effekte bei
      mehreren psychosozialen Belastungen        38
Auswirkungen bei verschiedenen
Altersstufen
Entwicklungsaufgaben in verschiedenen Altersstufen
 Entwicklungs-    Entwicklungsaufgaben              Elterliche Aufgaben und
    periode            des Kindes                    mögliche Störquellen

Frühe Kindheit   Aufbau der primären Bindung;   Verfügbarkeit und Reaktivität:
(0-3)            Einüben von elementaren        Trennungserlebnisse; Wechsel der
                 Regulationen (Schlafen,        Bezugspersonen; gestörte Eltern-
                 Erregungsniveau; Essen;        Kind-Interaktion (elterliche Reaktivität/
PRIMÄRE          Ausscheidung; Motorik)         Feinfühligkeit).
BINDUNG
Vorschlul- /     Einübung sozialer Regeln;      Unterstützung und Anleitung:
Grundschulzeit   Entwicklung individueller      Probleme im elterlichen
                 Durchsetzungsfähigkeit und     Erziehungsverhalten: Defizite in der
SOZIALISATION    einer Leistungshaltung;        Beaufsichtigung, im Setzen von
                 Erwerb von Kulturtechniken.    Grenzen oder in der positiven
                                                Zuwendung; inkonsequentes
                 (Schule, andere Kinder)        Verhalten; Unterforderung oder
                                                Überforderung
Jugendalter      Identitätsfindung; Anpassung   Respekt und Partnerschaft:
                 an sexuelle Reifung;           Unangemessenes elterliches
IDENTITÄT /      Ablösung vom Elternhaus        Modellverhalten (eingeschränkte
AUTONOMIE                                       Vorbildfunktion); autonomie-
                 (Selbständigkeit und           hemmende Faktoren (symbiot. Verh.;
                                                                            40
                 Partenrschaft)                 überzogene neg. Reakt.)
Entwicklungsaufgaben in verschiedenen Altersstufen
 Entwicklungs-    Entwicklungsaufgaben              Elterliche Aufgaben und
    periode            des Kindes                    mögliche Störquellen

Frühe Kindheit   Aufbau der primären Bindung;   Verfügbarkeit und Reaktivität:
(0-3)            Einüben von elementaren        Trennungserlebnisse; Wechsel der
                 Regulationen (Schlafen,        Bezugspersonen; gestörte Eltern-
                 Erregungsniveau; Essen;        Kind-Interaktion (elterliche Reaktivität/
PRIMÄRE          Ausscheidung; Motorik)         Feinfühligkeit).
BINDUNG
Vorschlul- /     Einübung sozialer Regeln;      Unterstützung und Anleitung:
Grundschulzeit   Entwicklung individueller      Probleme im elterlichen
                 Durchsetzungsfähigkeit und     Erziehungsverhalten: Defizite in der
SOZIALISATION    einer Leistungshaltung;        Beaufsichtigung, im Setzen von
                 Erwerb von Kulturtechniken.    Grenzen oder in der positiven
                                                Zuwendung; inkonsequentes
                 (Schule, andere Kinder)        Verhalten; Unterforderung oder
                                                Überforderung
Jugendalter      Identitätsfindung; Anpassung   Respekt und Partnerschaft:
                 an sexuelle Reifung;           Unangemessenes elterliches
IDENTITÄT /      Ablösung vom Elternhaus        Modellverhalten (eingeschränkte
AUTONOMIE                                       Vorbildfunktion); autonomie-
                 (Selbständigkeit und           hemmende Faktoren (symbiot. Verh.;
                                                                            41
                 Partenrschaft)                 überzogene neg. Reakt.)
Mikroanalyse:
           Auswirkungen von depressiven
Erkrankungen bei Müttern // Säuglings- und Kleinkindalter

 Eine große Zahl von Studien mit Interaktionsbeobachtungen von
 depressiven Mütter mit ihren Säuglingen zeigt übereinstimmend :
 (Papousek 2002, S. 211) :

• Durch die Depression die Empathie und emotionale
  Verfügbarkeit der Mütter reduziert;
• Es zeigen sich Einschränkungen der mütterlichen Feinfühligkeit,
  die kindlichen Signale wahrzunehmen,
• richtig zu interpretieren,
• prompt und angemessen zu beantworten.
• Beispiele: Blickkontakt, Lächeln, Sprechen, Imitieren, Streicheln,
  Interaktionsspiele.
                                                                   42
Mikroanalyse:
             Auswirkungen von depressiven
Erkrankungen bei Müttern // Kindergarten- und Vorschulalter

  Bei chronifizierenden oder rezidivierenden Verläugen kann der
  Umgang mit dem Kind auch im weiteren Entwicklungsverlauf
  beeinträchtigt: (Papousek 2002, S. 211) :

• Die Mütter nehmen die Kinder als besonders schwierig wahr.
• Der sprachliche Austausch ist eingeschränkt.
• Im Zusammenhang mit neuen Entwicklungsaufgaben haben die
  Mütter Schwierigkeiten, sich gegenüber dem Kind
  durchzusetzen und Grenzen zu setzen;
• Teilweise reagieren sie auch überängstlich und erlauben
  expansive Tendenzen des Kindes zu wenig (Schwanken
  zwischen permissiven und kontrollierendem Erziehungsstil).
• Positive Kommentare, die das kindliche Selbstwertgefühl
  stärken, kommen weniger vor.
                                                                  43
Mikroanalyse:
             Auswirkungen von depressiven
Erkrankungen bei Müttern // Mittlere Kindheit und Jugendalter

• Dem Kind werden Übertragen erwachsenentypische und
  elternhafte Aufgaben und Verantwortungen übertragen
  (Parentifizierung)
• Beziehen das Kind in die Elterlichen Probleme /Konflikte mit ein
  (diffuse generationale Abgrenzung)
• Wegen der krankheitstypischen Einschränkungen ist die
  Identifikation des Kindes mit den Eltern beeinträchtigt
  (eingeschränkte Vorbildfunktion der Eltern)
• Die Mutter ist mit der Aufgabe überfordert, ihr Kind bei der
  Bewältigung der altersspezifischen Entwicklungsaufgaben zu
  unterstützen (insbes. Kompetenzerwerb, Selbständigkeit,
  Autonomieentwicklung).

                                                                 44
Berichte der Kinder von psychisch kranken Eltern:
       Die wichtigsten Probleme der Kinder I

 Wie wird die psychische Erkrankung der Eltern unmittelbar
                           erlebt?

• Desorientierung und Angst: Sie können die Erkrankung nicht
  einordnen und nicht verstehen.

• Schuldgefühle: Sie glauben, dass sie schuld sind. „Mama ist
  krank/durcheinander/traurig“ weil ich böse war.

• Tabuisierung: Sie haben das (begründete) Gefühl, dass sie mit
  niemandem darüber sprechen dürfen.

• Isolierung: Sie wissen nicht, mit wem sie darüber sprechen
  können. Sie fühlen sich alleine gelassen, sie ziehen sich zurück.
                                                                  45
Die wichtigsten Probleme der Kinder II

                         Folgeprobleme

• Betreuungsdefizit: Sie erhalten zu wenig Aufmerksamkeit.

• Zusatzbelastungen: Sie sind durch zusätzliche Aufgaben
  belastet (Haushalt, Kinderbetreuung).

• Verantwortungsverschiebung (Parentifizierung): Sie
  übernehmen Verantwortung für die Eltern.

• Abwertungserlebnisse: Eltern und sie selbst werden von
  anderen abgewertet.

• Loyalitätskonflikte innerhalb der Familie: Das Gefühl, sich
  zwischen Vater oder Mutter entscheiden zu müssen.

• Loyalitätskonflikt nach außen hin: Sie schämen sich für die
                                                                46
  Eltern: Konflikt zwischen Loyalität und Distanzierung.
Häufige Reaktionen der Kinder:

• Sie entwickeln auffällige Verhaltensweisen, die als “Hilferufe”
  gedeutet werden können
ODER
• sie sind besonders unproblematisch und besonders brav und
  fürsorglich und übernehmen sehr viel Verantwortung für die
  Familie.

•   Sie ziehen sich zurück, schließen sich ab und grübeln über
    ihre Situation nach
ODER
• Sie machen durch aggressives Verhalten oder schulische
• Leistungsprobleme auf sich aufmerksam.

• Sie binden sich verstärkt an die Eltern
ODER
• sie wenden sich enttäuscht ab. D.h. sie schwanken zwischen
  Loyalität und Distanzierung, indem sie versuchen, die
  Familien zusammenzuhalten oder aus der Familie zu fliehen.47
Klinische Manifestationen:

Die Kinder entwickeln

• emotionale Störungen,

• aggressiv-ausagierende Syndrome,

• kinderspezifische Symptome und Syndrome.

• oder überhaupt keine klininschen
  Auffälligkeiten (Berichte von Betroffenen!).
                                                 48
email von Renate N. :
   “Wir mußten meine Mutter retten.
             Nur wie?“
Erstes Gebot:       Die Mutter nicht anstrengen.
Zweites Gebot:      Die Mutter nicht aufregen.
Drittes Gebot:      Die Dämonen früh erkennen und
                    erforderliche Schutzmaßnahmen treffen.
Viertes Gebot:      Keine Informationen nach außen geben.
Fünftes Gebot:      Zusammenhalten
Sechstes Gebot:     Unauffällig bleiben.

                                                       49
Zusammenfassung
Wir wissen,

• dass Kinder psychisch kranker Eltern aufgrund ihrer
  genetischen Ausstattung verletzlicher sind und
• dass sie häufig besonderen Belastungen ausgesetzt sind, durch
  die die Wahrscheinlichkeit für eine psychische Erkrankungen
  ansteigen.
• Deshalb sind Maßnahmen zur Prävention für Kinder von
  psychisch kranken Eltern dringend geboten.

Wir wissen auch: Negative Auswirkungen müssen nicht auftreten:
• Vorsorgende Maßnahmen und präventive Angebote können
  hocheffektiv sein, sodass negative Folgen abgemildert oder
  vermieden werden könnnen.
                                                               50
Kinder psychisch kranker Eltern
 Auswirkungen der elterlichen Erkrankung auf die Entwicklung in den
                   verschiedenen Alterssstufen

• Grundinformationen: Psychische Erkrankungen
   – Häufigkeit und Bedeutung von psychischen Erkrankungen
   – Wie zeigt sich eine psychische Erkrankung (Beispiele)?
   – Stigmatisierung von psychischen Krankheiten.

• Wenn Vater oder Mutter psychisch krank sind: Folgen für
  die Kinder
   – Statistische Zahlen zum Erkrankungsrisiko
   – Welche Rolle spielt die Vererbung, welche Rolle spielt die
     Umwelt?
   – Wie sind die Auswirkungen auf unterschiedlichen
     Altersstufen?

• Was kann getan werden?
   – Schützende Faktoren
   – Wie kann geholfen?                                           51
Schützende/positive Faktoren und
         die Ziele präventiver Arbeit – Teil I:
  (vergl. Hierzu: „Facts for families“ zum Thema „Kinder psychisch kranker
                    Eltern“ http://www.kjp.uni-marburg.de)

• Wenn die Kinder wissen, daß ihre Eltern krank sind und
  sie nicht an dieser Erkrankung schuld sind.
• Eine sichere und stabile häusliche Umgebung trotz der
  Erkrankung des Elternteils.
• Das Gefühl, auch von dem kranken Elternteil geliebt zu
  werden.
• Eine gefestigte Beziehung zu einem gesunden
  Erwachsenen.

                                                                         52
Schützende/positive Faktoren und
        die Ziele präventiver Arbeit Teil II:
 (vergl. Hierzu: „Facts for families“ zum Thema „Kinder psychisch kranker
                   Eltern“ http://www.kjp.uni-marburg.de)

• Freunde.
• Interesse an der Schule und Erfolg in der Schule.
• Andere Interessensgebiete des Kindes außerhalb der
  Familie.
• Individuelle Ressourcen: Bewältigungsstrategien,
  positives Selbstwertgefühl.
• Hilfe von außerhalb der Familie, zum richtigen
  Zeitpunkt und in der richtigen Dosierung, um die
  Situation zu verbessern.
                                                                            53
Was brauchen die Kinder und ihre Familien?

  Die Antworten der betroffenen Kinder:
  (Was hilft Dir oder was hätte Dir geholfen?)
• Gesprächsangebot und Gesprächsmöglichkeit
• mit der Möglichkeit, die eigenen Erfahrungen ohne Angst
  und ohne Schuldgefühle offen anzusprechen
• Anerkennung der Realität
• Aufklärung über die Situation
• Kontakte zu anderen außerhalb der Familie
• und viele (unterschiedliche) konkrete Hilfen.
• Später eventuell: Therapiemöglichkeit
                                                      54
Notwendige Hilfen I

Hilfen für die erkrankten Eltern und ihre Partner:

• Individuelle Therapie (z.B. medikamentös, Psychotherapie)
  auf der Grundlage ausführlicher Information (Transparenz)

• Hilfsangebote bei der Gestaltung des Familienlebens und
  anderer persönlicher Beziehungen (z.B.
  Angehörigengruppen)

• Beratung und praktische Hilfen bei der beruflichen
  Rehabilitation

                                                       55
Notwendige Hilfen II
Prävention und Frühförderung für die Kinder

• Kindbezogene Information und Beratung für die Eltern

• Praktische Hilfen für die Familie (z.B. Aktivierung von
  Verwandten; entlastende Kinderbetreuung; sozialpäd.
  Familienhilfe; Mutter-Kind-Einheiten, in die Mütter und
  Kinder gleichzeitig aufgenommen werden können.)

• Entwicklungsförderung für die Kinder (z.B. Frühdiagnostik
  und Frühförderung der Kinder; Kinderprojekte;
  psychotherapeutische Hilfen)

                                                            56
Beratung der Eltern
Elternberatung:
   Themen, die mit den Eltern besprochen werden sollten

• Wie gut können Sie ihren Gesundheitszustand
  einschätzen?
• In welcher Hinsicht fühlen Sie sich beeinträchtigt und wo
  fühlen Sie sich stark?
• Welche alltäglichen Pflichten können sie schaffen und wo
  benötigen Sie Hilfe?
• Wo hat ihr Kind Schwierigkeiten? Haben diese Probleme
  etwas mit ihrer Erkrankung zu tun?
• Mit wem können Sie über persönliche sprechen, wenn sie
  sich unsicher fühlen?
• Wie können Sie die Kontakte ihres Kindes zu anderen
  Menschen fördern?
• Wie können Sie mit ihrem Kind über ihre Erkrankung
  sprechen?                                                 58
Entwicklungsaufgaben in verschiedenen Altersstufen
 Entwicklungs-    Entwicklungsaufgaben              Elterliche Aufgaben und
    periode            des Kindes                    mögliche Störquellen

Frühe Kindheit   Aufbau der primären Bindung;   Verfügbarkeit und Reaktivität:
(0-3)            Einüben von elementaren        Trennungserlebnisse; Wechsel der
                 Regulationen (Schlafen,        Bezugspersonen; gestörte Eltern-
                 Erregungsniveau; Essen;        Kind-Interaktion (elterliche Reaktivität/
PRIMÄRE          Ausscheidung; Motorik)         Feinfühligkeit).
BINDUNG
Vorschlul- /     Einübung sozialer Regeln;      Unterstützung und Anleitung:
Grundschulzeit   Entwicklung individueller      Probleme im elterlichen
                 Durchsetzungsfähigkeit und     Erziehungsverhalten: Defizite in der
SOZIALISATION    einer Leistungshaltung;        Beaufsichtigung, im Setzen von
                 Erwerb von Kulturtechniken.    Grenzen oder in der positiven
                                                Zuwendung; inkonsequentes
                 (Schule, andere Kinder)        Verhalten; Unterforderung oder
                                                Überforderung
Jugendalter      Identitätsfindung; Anpassung   Respekt und Partnerschaft:
                 an sexuelle Reifung;           Unangemessenes elterliches
IDENTITÄT /      Ablösung vom Elternhaus        Modellverhalten (eingeschränkte
AUTONOMIE                                       Vorbildfunktion); autonomie-
                 (Selbständigkeit und           hemmende Faktoren (symbiot. Verh.;
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                 Partenrschaft)                 überzogene neg. Reakt.)
Beratung für Kinder und
Jugendliche
Häufige Fragen: Beratung/Psychoedukation
              für die Kinder

• Wie kann man Psychose „kind-jugendlichengerecht“
  erklären? Welche Medien sind hilfreich?
   –   Erlaubnis der Eltern
   –   Direkte offene Angebote
   –   Kurze Gesprächskontakte
   –   Kindgerechte Sprache: Löwen und andere Tiere
• Ab welchem Alter kann man Kinder in psycho-
  edukative Gruppen integrieren? Was ist dabei zu
  beachten?
   – Jugendliche (ja) vs. Kinder (nein)
   – Zunächst individuell/Famile, dann Kindergruppen (kaum
     Jugedlichengruppen)

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Qualitative Befragung von Kindern und Jugendlichen zwischen 7
                     und 18 Jahren (vgl. Lenz, 2005)
               Informationswünsche

Kinder und Jugendliche wünschen sich Informationen:
• Wie sie sich dem erkrankten Elternteil gegenüber
  verhalten sollen.
• Wie sie Mutter oder Vater unterstützen können
• Über „Wesen“ und Ursachen der psychischen Erkrankung
• Über die Gefahr einer Verschlimmerung
• Über Heilungsmöglichkeiten
• Über Medikamente
• Über Erbeinflüsse (insbes. Jugendliche)

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Qualitative Befragung von Kindern und Jugendlichen zwischen 7
                   und 18 Jahren (vgl. Lenz, 2005)
Erwünschte Unterstützungsangebote:

• Information und Aufklärung
• Austausch und Kommunikationsmöglichkeit
• Einbeziehung in die Behandlung (insbes.
  Jugendliche)
• Aufklärung der Öffentlichkeit über psychische
  Erkrankungen

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Beispiel
Beispiel 1:
Mutter-Kind-Behandlung mit
verhaltenstherapeutischem
Gruppentherapieprogramm;
       Einzel-Video-
    Interaktionstraining

     Wortmann-Fleischer, et
     al. 2006;
     Hornstein et al., 2007

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Falldarstellung

• 42 Jahre alt
• Krankenschwester
• 2 Kinder (♂ 4 Jahre alt; ♀ 3 Monate alt)
• Gedrückte Stimmung, Angstzustände, Schlafmangel
  und Erschöpfung, Anhedonie und Antriebstörung
• Insuffizienz- und Schuldgefühle (sie könne das Kind
  nicht versorgen und keine Liebe empfinden)

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Interaktives Therapieprogramm:
Veränderung von Interaktionsmerkmalen: Therapiebeginn

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Interaktives Therapieprogramm:
Veränderung von Interaktionsmerkmalen: Therapieabschluss

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Schlussfolgerungen

• Eine gute und wirksame Behandlung der elterlichen Erkrankung
  ist die beste Basis für präventive Maßnahmen: Effektive
  Therapie für die Eltern wirkt direkt präventiv
• Gemeinsame Komponenten wirksamer Prävention:
   – Wirksame Prävention = gute Information!
   – Wirksame Prävention = Anwendung der allgemeinen Information
     auf den speziellen Fall! (Psychoedukation / Training mit Eltern und
     Kindern)
• Die vorhandenen altersspezifischen Präventionsmodelle sollten
  genutzt und weiter ausgebaut werden.
• Zusammenarbeit zwischen Betroffenen und verschiedenen
  Berufsgruppen: Negative Folgen können vermieden werden,
  wenn Eltern und Fachleute lernen, zusammenzuarbeiten.
• Gegen Stigma und Tabu: Gemeinsam das Schweigen
  überwinden.
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Schriftliche Informationen

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Die Broschüren sind erhältlich bei:

Gemeinsame Geschäftsstelle des BApK und des Dachverbandes
               Gemeindepsychiatrie e.V.
                   Am Michaelshof 4b
                      53 177 Bonn
                  Fax: 0228 / 65 80 63

                       Verbände:
          Dachverband Gemeindepsychiatrie e.V.
   Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker e.V.
        Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V.

               http://www.psychiatrie.de

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Sonnige Traurigtage
Illustriertes Kinderfachbuch für Kinder
psychisch kranker Eltern und deren
Bezugspersonen

 von S. Homeier

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78
Informationsmaterialien

    Schirin Homeier hat eine knapp 100-seitige Übersicht der
allermeisten deutschsprachigen Kinder- und Jugendbücher im
 Themenfeld "Kinder psychisch kranker Eltern" verfasst und der
Evangelischen Beratungsstelle Würzburg zur Verfügung gestellt.
Mit Bezugsquelle, Inhaltsangabe und Kommentar. Für Eltern und
           Fachleute - als pdf-Datei zum Herunterladen

                     http://www.diakonie-
     wuerzburg.de/fahrenheit/dokumente/eb/litliwebneu.pdf

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http://www.familienberatungszentrum.de/partnerschaft.htm   80
http://www.netz-und-boden.de/   81
Vortrag von Katja Beeck am
25.10.2007 hier im Rathaus

                             82
Vortrag von Prof. Dr. Albert
Lenz am 29.11.2007 hier im
Rathaus

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Vielen Dank für Ihre
  Aufmerksamkeit
    http://www.ivv-marburg.de

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