"Klinisch-genomische Daten für Forschung und Versorgung"- Monitor Versorgungsforschung
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Ud tatue velit aliscillam dionsenis „Klinisch-genomische Dat für Forschung und Versorg Von den Behandlungsverläufen von Patienten lernen, ist seit Beginn der Im Interview: Dr. Corona-Pandemie nahezu alternativlos. Nur so kann die epidemiologische Benedikt West- Forschung und gleichzeitig die Entwicklung neuer Arzneimittel und Impfstoffe phalen, ärztliche schnell genug vorangetrieben werden, um möglichst rasch Wirkstoffe und Leitung der Präzi- sionsonkologie am Vakzine zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu entwickeln. So wird das CCC MünchenLMU Prinzip der forschenden Versorgung zumindest bei Covid-19 zur Notwendig- und Dr. Katja Jans- keit. Anders hingegen in anderen Therapiegebieten wie etwa der Onkologie. sen, Personalised Über die Lehren aus der Krise sowie Chancen und Hürden eines vernetzten, Healthcare Imple- mentation Lead, lernenden Systems sprach „Monitor Versorgungsforschung” mit Dr. Benedikt Roche Pharma AG. Westphalen (CCC MünchenLMU) und Dr. Katja Janssen (Roche Pharma AG). 34 Monitor Versorgungsforschung 02/2021
Interview >> Frau Dr. Janssen, vor fast genau einem Jahr traf die erste Corona- mit neuen Herausforderungen bei der Analyse und Interpretation die- Welle Deutschland und unser Gesundheitssystem. Sind wir heute einem ser Daten konfrontiert. Solche Datensätze werden oft erst nutzbar, lernenden Gesundheitssystem näher als damals? wenn man sie mit weiteren Details anreichern kann, etwa klinisch- Janssen: Diese Krise wirkt sicher als Katalysator der Digitalisie- genomischen Informationen. Das geht nur zusammen mit anderen rung unseres in Teilen bis dato doch noch sehr analogen Gesund- Stakeholdern. In der Onkologie haben wir dazu ein Pilotprojekt mit heitssystems. Ein Beispiel ist die Roche ins Leben gerufen, das eine Covid-19-Diagnostik: Der Termin Signalwirkung für andere Partner im Testzentrum wird online verein- haben kann. Es zeigt, dass sich bart, Sie erhalten die Ergebnisse „Dieses Pilotprojekt in der Onkologie könnte unterschiedliche Interessengrup- digital, idealerweise lassen sie sich eine Signalwirkung für andere Partner haben, pen an einen Tisch setzen können, per QR-Code direkt in die Corona- weil es zeigt, dass sich unterschiedliche um im Sinne einer besseren Pati- Warn-App einlesen, die nun wie- entenversorgung einen Anfang zu Interessengruppen an einen Tisch setzen derum Risikokontakte warnt. Das machen. Wenn wir hier eine faire funktioniert sicher noch nicht per- können, um im Sinne einer besseren und nachhaltige Zusammenarbeit fekt, zeigt aber zumindest prinzipi- Patientenversorgung einen Anfang zu machen.“ demonstrieren, ist das ein Signal ell, wie ein Teil des digitalisierten Dr. Katja Janssen an mögliche weitere Partner. „Corona-Versorgungspfades” ausse- Janssen: Dieser Use-Case ist hen könnte. Wollen wir zu einem entscheidend, denn die Idee mit lernenden Gesundheitssystem kommen, ist hier aber noch nicht großen Datenmengen zu arbeiten und unterschiedliche Quellen zu- Schluss. Um beim Beispiel zu bleiben, könnte man nun die Daten der sammenzuführen, ist ja nicht neu. Aber zu zeigen, welchen Mehrwert Patienten zur Diagnostik, Demografie, Krankheitsverlauf und Behand- solche Projekte für die Patienten liefern können, ist bisher nicht in lungsstrategie strukturiert erfassen, anonymisieren und für die Erfor- ausreichender Form gelungen. Genau das muss aber geschehen, um schung neuer oder die Verbesserung bestehender Therapien nutzen. die Bereitschaft, Daten einzelner Individuen, aber auch der verschie- Andere Covid-19-Patienten könnten so davon unmittelbar profitieren. denen Institutionen zu teilen, zu steigern. Das wollen wir gemeinsam Hier stehen wir gerade erst am Anfang – nicht nur bei Corona, auch mit der LMU zeigen. bei anderen Indikationen, etwa in der Onkologie. Die LMU und Roche haben, wie Sie sagen, vor kurzem ein Pilotpro- Ein lernendes Gesundheitssystem impliziert doch auch das Vonei- jekt gestartet, um klinisch-genomische Daten des Klinikums wissen- nander-Lernen. Wie wichtig ist es, dass sich die verschiedenen Akteure schaftlich stärker nutzbar zu machen. Haben Sie hier die Fortschritte, im System dabei zusammen- die beim Kampf gegen Covid-19 möglich wurden, inspiriert, Frau Dr. tun? Janssen? Westphalen: Wir sind auf Janssen: Wir haben schon lange vor Covid-19 mit unseren ge- ten einem guten Weg, was das meinsamen Gesprächen begonnen. Was währenddessen aber sehr viel dazu nötige Mindset angeht. gesellschaftsfähiger geworden ist, ist, dass Daten, wenn sie struk- Mittlerweile ist eigentlich al- turiert erhoben und geteilt werden, einen Wert für die Behandlung len klar, dass man im Bereich weiterer Patienten haben. Um nichts anderes geht es in unserem Pro- von Realweltdaten (RWD) al- jekt: Zeigen, dass man aus anonymisierten klinisch-genomischen Da- gung“ leine selten weiterkommt und ten „echter” Patienten für die Behandlung weiterer Patienten lernen die fragmentiert vorliegenden kann. Bei uns geht es im Kontext der personalisierten Medizin um die Daten aus der Versorgungsrea- Entwicklung eines Prädiktionsalgorithmus, mit dem wir anhand die- lität dementsprechend zusam- ser Daten vorhersagen möchten, wer von einer molekularen Testung menführen sollte. In diesem profitieren wird und wann. Zusammenhang ist es wichtig, hochsensible medizinische Was kann Roche von der LMU lernen und was umgekehrt die LMU Daten und die Privatsphäre der Patienten zu schützen, die hinter die- von Roche? sen Daten stehen. Onkologische Patientinnen und Patienten haben Janssen: Was wir von der LMU lernen können und zum Teil bereits oft wenig Hemmungen, Daten für wissenschaftliche Zwecke zu teilen. gelernt haben ist, wo die Hürden im Versorgungsalltag tatsächlich Bei schweren, lebensbedrohlichen Erkrankungen ist der Wunsch, et- liegen. Roche behandelt keine Patienten, Roche hat keinen detail- was zum medizinischen Fortschritt beizutragen, oft tatsächlich sehr lierten Einblick in die klinische Routine – genau dort werden unsere ausgeprägt. Diagnostika und Arzneimittel aber eingesetzt! In den letzten einein- halb Jahren haben wir bereits unglaublich viele Einblicke bekommen Gesundheitsdaten in ausreichender Qualität zu erheben und zu ver- und daraus ableiten können, welche wissenschaftlichen Frage- und netzen, scheint eine Herausforderung zu sein – das zeigt sich mit Blick Problemstellungen überhaupt für Maximalversorger wie die LMU re- auf die Pandemie. Wo liegen die Schwierigkeiten? levant sind. Wir verstehen jetzt sehr viel besser, wo der Schuh in der Westphalen: Die Nutzbarmachung medizinischer Daten ist un- klinischen Praxis überhaupt drückt. Was wir außerdem besser verste- glaublich komplex, da geht es um den Datenschutz, aber auch um hen, ist, wie dort eigentlich Daten gesammelt werden und welche den „Lagerort” der Daten. Wir sammeln Daten nicht nur in Kliniken Herausforderungen sich dabei im Hinblick auf Datenschutz und -qua- an unterschiedlichen Orten, sondern auch bei Kassen, in Krebsregi- lität, Standardisierung usw. ergeben. stern usw. – sie sind also stark fragmentiert. Zudem sehen wir uns Westphalen: Ein Kollege von Roche hat den Austausch über Sek- Monitor Versorgungsforschung 02/2021 35
Interview torengrenzen hinweg mal als „intellektuelles Sparring“ beschrieben Was ist der Hauptbeweggrund? – das trifft es ganz gut. Offener Austausch ermöglicht neue Blickwin- Westphalen: Wir sollten das Thema mal ganz pragmatisch ange- kel: Beim gegenseitigen Erklären von Problemen und Fragestellungen hen. Wir, die LMU, haben Interessen, die zunächst die Patientenver- macht man sich immer auch klar, was vor der eigenen Tür nicht gut sorgung betreffen. Wir haben aber auch das Interesse, uns medizi- funktioniert. Wenn ich eine Frage stelle, die dem Blick von außen nisch und wissenschaftlich weiterzuentwickeln, uns zu positionieren nicht standhält, dann bringt mich dieser Austausch weiter. Genau und innovativ zu sein. Ein Industriepartner wie Roche hat, wenn das tun wir hier. Wir fordern uns heraus, um gemeinsame Probleme ich Frau Janssen vorgreifen darf, Interesse an der Erforschung und zu lösen. Wollen wir der personalisierten Medizin näherkommen, das Entwicklung neuer Arzneimittel, an der Schaffung von Innovationen ist das Fernziel unseres Projektes, dann darf es keine Denkverbote und neuen Ideen. Es ergeben sich also ganz von selbst Schnittmen- geben. Das Feld ist unheimlich komplex, die Herausforderungen sind gen, die durchaus Synergieeffekte erzeugen können. Wenn man sich enorm – allein ist das meist nicht zu schaffen. davon freimacht, immer in Lagern zu denken, sondern stattdessen in Schnittmengen denkt, fände man wahrscheinlich an vielen Stellen, Treten wir einen Schritt zurück, Frau Dr. Janssen: Ist die Koopera- die man nicht intuitiv zusammenbringt, einen gemeinsamen Nenner, tion mit forschenden Pharmaunternehmen für die LMU wirklich vorur- um an einem großen Ganzen zu arbeiten. Das jeder noch Partikular- teilsfrei? interessen hat, ist unproblematisch, solange sich diese nicht wider- Janssen: Ich finde es offen gestanden schade, dass Industrie- sprechen und vorher klar kommuniziert sind. Akademie-Partnerschaften nach wie vor negativ belegt sind, wenn es um die pharmazeutische Industrie geht. Während in anderen Bran- Treten wir einen Schritt nach vorne: Was ist vertraglich vereinbart, chen, etwa im Automobilsektor oder IT-Bereich seit Jahren solche wenn dieses Pilotprojekt einmal in eine wirtschaftliche Phase überführt Kooperationen gelebt werden, wird vergleichbaren Projekten im me- wird? Die klinisch-genomischen Daten des LMU Klinikums, die Sie, Herr dizinischen Bereich immer ein gewisses Geschmäckle angehängt. Wir Dr. Westphalen, Roche zur Verfügung stellen, sind schießlich mit öf- haben von Anfang an ganz offen miteinander geredet und uns – im fentlichen Geldern finanziert worden. positiven Sinne – aneinander abgearbeitet und mit einiger Geduld Westphalen: Das Pilotprojekt verfolgt kein wirtschaftliches Inte- und vor allem Ehrlichkeit geklärt, was geht und was nicht. No Go resse, sondern ein medizinisch-wissenschaftliches. Eine wirtschaft- Areas gibt es ja nicht nur bei der LMU, sondern auch bei Roche. Wir liche Phase ist also gar nicht vorgesehen. Vielmehr geht es darum, haben Compliance-Regelungen, denen wir verpflichtet sind, regula- in diesem Piloten zu zeigen, wie unter den aktuellen Rahmenbedin- torische Auflagen, die wir zu befolgen haben. Das muss man offen gungen die gemeinsame Nutzung von Daten überhaupt möglich ist. diskutieren und gegenseitig akzeptieren. Dann gelingt auch eine vor- Zentraler Bestandteil der Vereinbarung ist, dass die notwendigen urteilsfreie Kooperation zwischen Schritte, um z.B. ein Datenschutz- Academia und Industrie mit dem konzept, eine Dateninfrastruktur, gemeinsamen Ziel, die Patienten- einen synthetischen Datensatz versorgung zu verbessern. „Wenn man sich dessen bewusst ist, dass sowie das Tool selbst zu erstel- unterschiedliche Interessen am Tisch vertreten len, die Klinikabläufe nicht stören Die Industrie fordert schon län- sind und diese auch offen kommuniziert wer- dürfen. Das sind im Übrigen auch ger einen Platz am Tisch, wenn es die entscheidenden Schritte, um um die Nutzung von Gesundheits- den, lassen sich aber Schnittmengen finden.“ überhaupt Erkenntnisse aus diesen daten geht. Was Ihnen mit der LMU Dr. Benedikt Westphalen Daten gewinnen zu können, denn gelungen ist, bleibt Unternehmen sie sind nicht per se „wertvoll”. im großen Maßstab meist verwehrt. Hier trägt Roche als Partner dazu Sollten die Unternehmen künftig stärker als bisher mitforschen und bei, dass wir die notwendigen zusätzlichen personellen Kapazitäten partizipieren können? schaffen können. Janssen: Pharma- oder Diagnostikunternehmen gestalten durch ihre Produkte und Dienstleistungen unser Gesundheitssystem mit. Herr Dr. Westphalen, blicken wir auf die Patientenseite: Welche Hür- Wie wichtig das ist, sehen wir ja in der derzeitigen Pandemiesituati- den begegnen Ihnen derzeit bei der Versorgung von Krebspatienten? Die on: Hier werden Impfstoffe, flächendeckende Tests und Arzneimittel Versorgung scheint hierzulande doch auf einem hohen Niveau zu sein. zum Game Changer. Das zeigt, welchen Beitrag wir als Unternehmen Westphalen: Grundsätzlich ist die Versorgung der Patienten im leisten können, unsere Gesundheitsversorgung positiv zu gestalten. Allgemeinen und in der Onkologie im Speziellen exzellent. Natürlich Aus diesem Grund macht es aus meiner Sicht Sinn, die pharmazeu- sollte man aber immer danach streben noch besser zu werden. In tische Industrie mit an den Tisch zu nehmen. Wir schauen aus einer diesem Projekt haben wir uns die Präzisionsonkologie auf die Fah- anderen Perspektive auf das Gesundheitssystem und vielfältige Per- nen geschrieben, also die Behandlung von Patienten anhand ihres spektiven können solche Diskussionen durchaus bereichern. individuellen Tumorprofils. Hier verlassen wir schnell die Ebene der Westphalen: Gesundheitsunternehmen sind keine Non-for-Profit- evidenzbasierten Medizin, wie wir sie früher aus Studien mit tausen- Organisationen. Es braucht die Industrie, um Medikamente zu ent- den Probanden kannten. Wir gehen hier in den individuellen „N=1 wickeln und herzustellen, dort liegt das Geld für Research & Deve- Bereich“. Da sehen wir bei einigen Patienten fantastische Ergebnisse, lopment und dementsprechend besteht das wirtschaftliche Interesse aber auch zum Teil unerwartete Enttäuschungen. Die Nutzung und Zu- damit Geld zu verdienen. Wenn man sich dessen bewusst ist, dass sammenführung von im Versorgungsalltag erhobenen Daten hat das unterschiedliche Interessen am Tisch vertreten sind und diese auch Potenzial, in Zukunft ggf. evidenzbasierter behandeln zu können. In offen kommuniziert werden, lassen sich aber Schnittmengen finden. diesem Zusammenhang muss man sich allerdings vor Augen führen, Herr Dr. Westphalen, warum will ganz speziell Roche partizipieren? dass die Aufgabe des klinisch tätigen Arztes die Behandlung von 36 Monitor Versorgungsforschung 02/2021
Interview Zitationshinweis Janssen, K., Westphalen, B., Stegmaier, P.: „Klinisch-genomische Daten für Forschung und Versorgung“, in „Monitor Versorgungsforschung“ (02/21), S. 34-37. http://doi.org/10.24945/MVF.02.21.1866-0533.2293 Patienten und eben nicht die strukturierte Sie denen, die sich unsicher sind, der For- Erfassung von Daten auf Studienniveau ist. schung sensible Gesundheitsdaten zur Verfü- Deshalb ist es nicht möglich, aus den Daten gung zu stellen? eines normalen Ambulanztages, einfach eine Westphalen: Ich rate ihnen dann, dass RWD-Analyse zu machen. Die Vorstellung, sie ihre Daten nicht hergeben sollen. Wenn es sei doch alles da, man müsse es nur nut- derjenige, der nach den Daten fragt, nicht zen, ist schlichtweg falsch. Wenn wir RWD vermitteln kann, warum es wichtig ist, diese fordern, müssen wir uns Gedanken machen, Daten zu teilen und dass dies auch sicher ist, wer sie erhebt und wie sie auf ein nutzbares ist eine gewisse Skepsis vielleicht tatsächlich Level kommen. angebracht. Ich teile auch hier die Argumen- tation nicht, zu sagen: „Ihr teilt doch auch in Lange galt: Randomisierte klinische Studi- anderen Lebensbereichen persönliche Daten”. en oder nichts. Was und warum hat sich das Gesundheitsdaten sind ein hohes Gut und et- geändert und was bedeutet das zukünftig für klinische Studien? Dr. Katja was sehr Intimes. Man muss gut begründen, warum es sinnvoll ist, diese zu teilen. Die mei- Westphalen: Wir werden nicht daran vor- beikommen, klinische Studien zu machen. Janssen sten unserer Patienten verstehen das, wer sich damit aber nicht wohlfühlt, sollte seine Daten RWD können in der Regel eine kontrollierte nicht teilen. klinische Studie nicht ersetzen. Ist man sich promovierte an der Hein- dessen bewusst, sind RWD aber ein wert- Ihr Ziel ist, die personalisierte Medizin ent- rich-Heine-Universität volles Tool, um definierte Fragestellung dort lang des gesamten Versorgungspfades onkolo- zu beantworten, wo sie die bestmögliche zu Düsseldorf im Fach- gischer Patienten zu implementieren. Wie sähe Evidenz darstellen. Auch für diese Daten bereich Biologie und ist eine optimale Patient Journey aus? Wie könnte kann ich aber nicht einfach den Schrank Personalised Healthcare eine sinnvolle Verknüpfung zur Forschung aus- aufmachen und einen Stapel Patientenak- Implementation Lead bei sehen? ten herausnehmen. Detailtiefe und Qualität der Roche Pharma AG. Janssen: Gerade in der Onkologie haben müssen auch hier stimmen. wir es oft mit schwerkranken Patienten zu Janssen: Diese Evidenzlücken werden tun, die die bestmögliche Versorgung verdie- uns in Zukunft immer häufiger begegnen. nen. Durch die Nutzung von Apps und Wea- Zum Beispiel dann, wenn klinische Studien rables, optimierte Kommunikationswege und im Rahmen hoch individualisierter Therapien Behandlungspfade und die Auswertung die- mit winzigen Patientengruppen kaum mög- ser Informationen ließe sich ein enges Netz lich sind. Da stehen wir in der Verantwortung um den Patienten knüpfen, dass es dem Arzt mit allen Stakeholdern zu diskutieren, wie erlaubt proaktiv zu intervenieren, wenn sich wir RWD in einer qualitativ hochwertigen etwa die Lebensqualität messbar verschlech- Form so erheben können, dass wir sie für die- tert. Es geht darum frühzeitig, bestmöglich se Fragestellungen nutzbar machen können. und evidenzbasiert eingreifen und behandeln zu können und daraus für den nächsten Pa- Gibt es neben Daten aus dem Versor- tienten zu lernen – Forschungsprojekte wie gungsalltag weitere Datenquellen, die der- das mit der LMU sind ein erster Schritt auf zeit noch nicht genutzt werden, aber vielver- diesem Weg. sprechend sein könnten, etwa aus Apps oder Westphalen: Auf einem optimalen Ver- Wearables? sorgungspfad erhält der Patient genau zum Westphalen: Absolut! Quality of Life, Ac- tivities of Daily Living – das sind patienten- Dr. Benedikt richtigen Zeitpunkt die richtige Therapie und eine optimale medizinische und vor allem relevante Parameter, die sich bestmöglich mit solchen Technologien erfassen lassen. Westphalen menschliche Versorgung. Wenn dabei etwas herauskommt, das zukünftigen Patienten Wir wollen ja wissen, wie sehr ein Patient hilft, weil wir zum Beispiel aus einem in- von einer Therapie profitiert und dabei geht ist ärztlicher Leiter der dividuellen Behandlungsverlauf etwas ler- es eben nicht nur um progressionsfreies Präzisionsonkologie am nen, ist das umso besser. Die Frage lau- Überleben oder Gesamtüberleben, sondern Comprehensive Cancer tet aus meiner Sicht: Wie können wir unser um eine Verbesserung seiner Lebensqualität Gesundheitssystem optimieren, damit aus und seines Alltags. In diesem Bereich haben Center München und ärzt- fürsorglicher und umfassender Versorgung wir noch deutlich Luft nach oben, um damit licher und wissenschaft- auch ein Erkenntnisgewinn für die Zukunft Fragestellungen innerhalb und außerhalb licher Mitarbeiter der entsteht? klinischer Studien zu beantworten. Medizinischen Klinik und Poliklinik III des Klinikums Dazu müssen insbesondere die Patienten der Universität München. Frau Dr. Janssen, Herr Dr. Westphalen, vie- bereit sein, ihre Daten zu teilen. Was raten len Dank für das Gespräch.
Sie können auch lesen