Versorgung von Krebspatienten in Pandemiezeiten - BNHO
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VERSORGUNG VON KREBSPATIENTEN IN PANDEMIEZEITEN FO RT B I LDU N G SERIE Versorgung von Krebspatienten in Pandemiezeiten Interview mit Prof. Dr. med. Wolfgang Knauf, Frankfurt. Man hat von unterschiedlichen Fachgesellschaften gehört, dass sich seit der SARS-CoV-2-Pandemie weniger Krebspatienten behandeln ließen, onkologische Eingriffe verschoben und diagnostische Prof. Dr. Wolfgang Untersuchungen sowie Nachsorgemaßnahmen teilweise stark zurückgefahren würden. Daten aus Knauf, Frankfurt dem Zentralinstitut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Taskforce des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben jedoch unterschiedliche Erkenntnisse zur Versorgung der Krebspatienten vor dem Hintergrund der Pandemie geliefert. Der Berufsverband der Niedergelas- senen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO) hat eine retrospektive Bestandsauf- nahme der Versorgung in seinen Schwerpunktpraxen während der Pandemie im Zeitraum April bis Juni 2020 veranlasst. Diese Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der Niedergelassenen Hä- matologen und Onkologen (WINHO GmbH) hat dabei keine Reduktion oder Verzögerung der Be- handlungen von Krebspatienten in diesem ersten Lockdown ergeben. Die Auswertung des WINHO basiert auf der Datenlage von 101 Schwerpunktpraxen mit ca. 162.000 onkologischen Patienten aus dem zweiten Quartal 2020. Bei den Patienten mit einer floriden Tumorerkrankung ist sogar ein An- stieg der Patientenzahlen zu beobachten. Diese validen belastbaren Daten zeigen somit, dass eine adäquate ambulante Versorgung von Patienten mit einer Krebserkrankung auch unter Pandemiebe- dingungen gewährleistet werden konnte. Prof. Dr. Wolfgang Knauf, Frankfurt, erläutert im nachfol- 63 genden Interview die aktuellen Ergebnisse zur ambulanten Versorgungslage. Wie kommt es zu diesen unter- beim Gastroenterologen – nicht jedoch Rückgang ihrer Patienten beschrieben schiedlichen Erkenntnissen in Bezug in den großen Krebszentren. hat. Dies kann man mit den politischen auf die Versorgung von Krebspati- Vorgaben erklären, die im Rahmen des enten? Sie haben keine Versorgungsver- ersten Lockdowns verfügt wurden. In schlechterung festgestellt, viel- einem Appell an die Krankenhäuser Bei der Taskforce hat es sich um telefo- mehr wurde sogar ein Anstieg der hieß es nämlich, dass planbare Opera- nische Abfragen in großen Tumorzen- Patientenzahlen beobachtet. Wel- tionen, wenn möglich, verschoben und tren gehandelt, die nach eigener Aus- che Erklärung gibt es hierfür? Personal und Fachkräfte möglichst für sage nur 10-20% der Tumorpatienten den Einsatz auf Intensivstationen frei- in Deutschland betreuen. Telefonabfra- Unser eigener Beitrag beruft sich auf gestellt werden sollten. Das hat dazu gen liefern oftmals eher „weiche“ Infor- nachvollziehbare valide Daten von geführt, dass Spezialambulanzen an mationen. In diesem Taskforce-Beitrag über 162.000 Patienten im zweiten großen Kliniken und sogar stationäre ist zudem auch betont worden, dass Quartal 2020, also während des ersten Bereiche geschlossen und die Operati- es vor allem im Rahmen der Früherken- Lockdowns. Dabei haben wir unser onsfrequenzen heruntergefahren wur- nung zu Einbrüchen gekommen ist. Das Augenmerk auf die Patienten gerich- den. Dies bezog sich natürlich eher auf ist insofern verwunderlich, weil die Zen- tet, die tatsächlich auch eine medika- medizinisch vertretbar aufschiebbare tren, die angefragt wurden, gar nicht mentöse, ambulante Therapie erhalten Eingriffe, d.h. auf operative Maßnah- für die Früherkennung zuständig sind. haben. Hier sehen wir einen Zuwachs men, die nicht akut notwendig waren. In Deutschland findet die Früherken- gegenüber Vergleichsquartalen der nung im niedergelassenen Bereich statt, Vorjahre um etwas über 8%. Parallel Wir erklären den Zuwachs an Pati- d.h. sie erfolgt u.a. beim Gynäkologen, dazu gab es einen Beitrag der Helios- enten bei uns dadurch, dass wir das zu- Urologen und durch die Koloskopie Klinikgruppe, die dagegen einen mindest teilweise aufgefangen haben. www.journalonko.de
FORTB IL DUN G VERSORGUNG VON KREBSPATIENTEN IN PANDEMIEZEITEN weder der Gynäkologe noch sie selbst Helios und andere jedes Quartal, wahr- einen Knoten getastet haben und die scheinlich sogar jeden Monat an, sodass man daher als gesund betrachten kann, auch hier ausreichend Datenmaterial spielt es im Grunde kaum eine Rolle, vorhanden ist, und diese Daten werden wenn sie erst 1 oder 2 Monate später akribisch erhoben und ausgewertet. zur Mammographie gehen. Im ersten Lockdown wurden rich- Das Mammographie-Screening war tigerweise, da man nicht wusste, was im März und April 2020 praktisch kom- passiert, die Intensivstationen freige- plett ausgesetzt, sodass es hier einen halten für möglicherweise beatmungs- Rückgang gab – das lag in erster Linie pflichtige Corona-Patienten. Letztend- daran, dass es keine Schutzkleidung lich und zum Glück wurde aber ein gab. Ich denke jedoch, dass dadurch Großteil der Intensivbetten nicht ge- kein Schaden entstanden ist, denn ab braucht. Wie sich das in der aktuellen Mai und Juni sind die Zahlen wieder ge- dritten Welle angesichts neuer Virus- stiegen, sodass alles wieder aufgeholt mutanten entwickeln wird, bleibt ab- wurde und man auch hier nicht von ei- zuwarten. Es ist aber nicht zielführend, ner Versorgungslücke sprechen kann. nur die Anzahl der Intensivbetten zu betrachten; auch Intensivmediziner ha- Dies wird auch an den Zahlen vom ben schon mehrfach darauf hingewie- Zentralinstitut der KBV ersichtlich. Dort sen, dass die Zahl der Intensivbetten wurden wochenweise die Frequenzen wenig nützt, wenn es kein Personal anhand der Abrechnungsziffern über- dafür gibt. Der Engpass ist das intensiv- prüft und man hat festgestellt, dass es medizinische Fachpersonal und zwar im März und April 2020 tatsächlich in insbesondere im Bereich der Pflege. manchen Fachgebieten einen rasanten Hier muss dringend nachgebessert Rückgang gab. Spätestens ab Mai kam werden. es quasi zu einer Überkompensation, und es wurden sogar mehr Patienten ge- Es ist insgesamt eine komplexe The- sehen und betreut als in den Vergleichs- matik, und man muss versuchen, die 64 jahren zuvor. Betrachtet man diese Situ- einzelnen Mosaiksteine zusammen- ation über das gesamte Jahr, sieht man zuführen, wobei ich in diesem Zusam- in den verschiedenen Sektoren Schwan- menhang betonen möchte, dass sich kungen, die sich aber im Verlauf wieder unser sog. duales System – d.h. stati- aufheben. onär auf der einen Seite und die fach- ärztliche ambulante Schiene auf der Ob es tatsächlich vielleicht doch im anderen Seite – hier als segensreich er- Es gibt darüber hinaus eine zweite in- Rahmen von zu spät gestellten Dia- wiesen hat. Denn in dem Moment, in teressante Information von der Felix gnosen oder verzögerten Therapien zu dem die Krankenhäuser vorzugsweise Burda-Stiftung, die sich sehr um die einer Verschlechterung der Prognose für etwas Anderes eingesetzt werden Früherkennung gastrointestinaler Tu- kam, werden wir erst in mehreren Jah- müssen, steht die fachärztliche ambu- moren kümmert und die immer wieder ren wissen. Hierfür brauchen wir eine lante Schiene bereit, um diese Lücke Kampagnen initiiert, um Patienten zur lange Beobachtungszeit und sehr viele auszugleichen. Deshalb steht Deutsch- Darmspiegelung aufzurufen. So gab es Datensätze. land wahrscheinlich besser da als viele 2020 im Vergleich zu 2019 über 9.000 andere Länder im europäischen Um- Darmspiegelungen mehr. Bei den Daher werden wir als Berufsverband feld, in denen es diese ausgeprägte Darmtumoren einerseits und bei der der niedergelassenen Hämatologen und ambulante fachärztliche Versorgung so medikamentösen ambulanten Tumor- Onkologen auch die nachfolgenden nicht gibt. therapie andererseits hat es demnach Quartale entsprechend analysieren. wohl keine Versorgungslücke gegeben. Wir rechnen dabei mit Datensätzen von Es gibt Patienten, die während der Ferner muss man die Früherkennung 140.000 bis 160.000 onkologischen Pandemie Angst vor einem Klinik- von Brustkrebs gesondert betrachten. Patienten aus etwa einem Drittel un- aufenthalt haben. Wie könnte man In Deutschland ist es so geregelt, dass serer Mitgliedspraxen. Somit generieren mit ihnen am besten kommunizie- jede Frau ab dem 50. Lebensjahr eine wir belastbare und valide Daten ange- ren, um ihnen die Angst zu nehmen? Einladung zur Mammographie erhält. sichts der rund 450.000 bis 500.000 Pa Hierbei wird aber nicht berücksich- tienten, die wir pro Quartal behandeln. Menschen haben natürlich Ängste, tigt, ob die Frauen gesund sind oder zumal wenn sie Tumorpatienten sind Beschwerden oder einen tastbaren Natürlich schauen sich auch die und sich nun zusätzlich einer Viruspan- Tumor haben. Bei Frauen, bei denen Krankenhauskonzerne wie z.B. Sana, demie ausgesetzt sehen. Dies kann JOURNAL ONKOLOGIE 4/2021
VERSORGUNG VON KREBSPATIENTEN IN PANDEMIEZEITEN FO RT B I LDU N G mit irrationalen Handlungen einher- gering zu halten. Das bedeutet auch, Die Patienten werden anschließend gehen. Hier sind wir als onkologische dass bei vielen Patienten, die zu Rou- aber weiter isoliert, bis das Resultat Fachärzte gefragt, und das ist auch tinebesuchen gekommen wären, auf eines PCR-Tests vorliegt. Das Ergebnis ein weites Feld für die Hausärzte, die eine Telefonsprechstunde umgestellt des PCR-Tests erhalten wir bereits am im engen Kontakt mit ihren Patienten wird – wenn medizinisch vertretbar. Folgetag; wird der Test frühmorgens stehen. Ebenso ist das eine Aufgabe für Um digitale Technologien kümmern veranlasst, kann das Ergebnis sogar die vielen Selbsthilfegruppen, die ihre sich z.T. die Angehörigen von älteren schon am Abend verfügbar sein. Das Mitglieder entsprechend motivieren Patienten, falls erforderlich, vielfach ge- geht insgesamt sehr schnell. und aufklären können. Und es ist sicher nügt aber das Telefon. Auch hier muss auch ein Thema für die Presse. Hier gibt man berücksichtigen, ob es sich um ei- Hier muss betont werden, dass sich es spezielle Publikationen, die von der nen Patienten handelt, der vor 3 oder die Labormediziner sehr schnell auf Allgemeinheit sehr gern gelesen wer- 4 Jahren eine Darmkrebs-operation diese Situation eingestellt und diese den und die ebenfalls Aufklärung be- hatte, nun aber keinerlei Beschwer- Tests flächendeckend angeboten ha- treiben können. Letztendlich geht es den hat und zu einer Routinekontrolle ben. Diese ärztlichen Gebiete, die in vor allem um Vernunft, und Angst ist kommt. Diese kann ggf. auch einmal der öffentlichen Wahrnehmung sonst leider in der Lage, Vernunft auszuhe- um 1-2 Monate verschoben werden. eher im Hintergrund agieren, haben beln. Daher muss man den Menschen In dem Moment, in dem Beschwerden hier absolut einen wesentlichen Beitrag die Angst nehmen, und dies ist mit auftreten, wie Schmerzen oder Blut im geleistet. gut begründbaren Argumenten mög- Stuhlgang, darf der Termin natürlich lich. Das bedeutet, nicht einfach alles nicht verschoben werden. Bei Pati- In den geschlossenen Räumen, in schönzureden, sondern die Dinge klar enten, die sich gerade einer Chemothe- den Praxen und in den Krankenhäusern anzusprechen. Ich zitiere gern die No- rapie unterziehen, muss diese Therapie besteht grundsätzlich Maskenpflicht, belpreisträgerin Marie Curie, die den natürlich fortgesetzt werden. entweder eine FFP2-Maske oder die Satz geprägt hat „Man braucht nichts OP-Maske. Mit dieser chirurgischen im Leben zu fürchten, man muss nur Insgesamt konnten wir zeigen: Bei Maske werden in einem mehr oder alles verstehen.“ Wenn man den Men- uns sind die Chemotherapien weiterge- weniger sterilen Umfeld ja auch große schen die Situation gut erklärt und sie laufen. Möglicherweise gab es in man- Operationen durchgeführt; daher sind dann auch die Zusammenhänge verste- chen Kliniken Verschiebungen, aber das sichere Masken. Selbstgeschnei- hen, ist das möglicherweise das beste wir haben, wie gesagt, sogar einen Zu- derte Stoffmasken sind allerdings Mittel, um Ängste zu nehmen. wachs zu verzeichnen. passé. 67 Vielleicht wären viel mehr Patienten Wie werden die Besuche bei Es mag natürlich gerade im Medizin- gekommen, wenn sie nicht die Angst Krebspatienten und die Aufnahme bereich unter Umständen Teilbereiche gehabt hätten, sich in der Praxis anzu- von Patienten in Pandemiezeiten geben, in denen explizit FFP2-Masken stecken. Aber das wissen wir natürlich geregelt? Welche Vorsichtsmaß- erforderlich sind. Grundsätzlich kann nicht, denn einen Patienten, der nicht nahmen sind generell erforderlich? mehr Sicherheit nicht schaden. zu uns kommt, können wir nicht ana- lysieren. Deshalb lautet auch immer Für Familienzusammenkünfte gibt es Wie beurteilen Sie die Maßnah- der Appell an die potenziellen Pati- ganz offizielle klare Richtlinien, die men, die im Zuge der Pandemie ge- enten: Bitte haben Sie keine Angst vor in Zusammenarbeit mit dem RKI, der troffen wurden und deren Effekte? einem Praxisbesuch. Die Praxen haben ständigen Impfkommission und der genauso wie die Klinikambulanzen in Bundesregierung regelmäßig publiziert Das Verhalten von manchen Teilen kürzester Zeit umfassende Hygiene- werden. Große Treffen fallen natürlich der Bevölkerung ist z.T. unverständ- konzepte entwickelt. Auch die Mitar- aus, aber ein kleiner, überschaubarer lich. Kaum scheint die Sonne, ist alles beiter werden immer wieder überprüft. Teilnehmerkreis, abhängig von der vergessen. Es ist eine gewisse Mü- Zudem gibt es Einlasskontrollen und jeweiligen Inzidenzlage und mit Ver- digkeit entstanden, da in den öffent- natürlich Schutzmasken, Trennwände zicht auf allzu engen Körperkontakt, ist lich-rechtlichen Fernsehprogrammen und verschiedene weitere Maßnahmen durchaus möglich. Corona nach wie vor überpräsent ist. – also keine Angst vor einer Infektion in Dazu kommt eine oftmals sehr un- einer Praxis. Krankenhäuser und Praxen haben glückliche Kommunikationspolitik, bei klare Hygienestrategien, d.h. es sollten der sich Entscheidungsträger öffent- Man kann daher den Patienten ver- möglichst keine Begleitpersonen an- lich widersprechen und unausgego- sichern, dass die Praxen selbstverständ- wesend sein, damit die Personendichte rene Äußerungen verlautbart, einen lich Schutzmaterialien wie Masken, gering bleibt. Stationäre Aufnahmen Tag später aber wieder zurückgenom- Handschuhe und Schutzkleidung bei erfolgen nur mit negativem PCR-Test, men werden. Die Datenlage wechselt unmittelbarem Kontakt mit den Pati- ein Schnelltest genügt nicht. Das gilt ständig, wobei die Politik dafür nichts enten haben. Auch die Sprechstunden- natürlich nicht für Patienten, die notfall- kann. Aber hier kann man sehen, dass zeiten sind gestreckt worden mit dem mäßig in die Klinik kommen. In diesem es manchen Menschen eben schwer- Ziel, die Personendichte in der Praxis Fall wird ein Schnelltest durchgeführt. fällt, flexibel darauf zu reagieren. Die www.journalonko.de
FORTB IL DUN G VERSORGUNG VON KREBSPATIENTEN IN PANDEMIEZEITEN Menschen sind zum Teil zermürbt, weil nicht nur die Rate der schweren Krank- Hier muss man umdenken, und es muss sie kein Ende absehen. heitsverläufe zurückgeht, sondern ob eine langfristige Strategie entwickelt wir auch die Weitergabe des Infektes werden, damit eine ausreichende Be- Es reicht nicht aus zu sagen, „mach verhindern können. Das ist ganz we- lieferung sichergestellt ist. Zudem, und dies bzw. mach dies nicht“; das muss sentlich. Ist der Geimpfte vielleicht das hat die Politik auch zugegeben, hat mit mehr Informationen unterfüttert geschützt vor einer schweren Verlaufs- man sich sehr lange mit Preisverhand- werden. form, aber vielleicht trotzdem noch lungen aufgehalten, aber nicht be- infektiös für andere – oder ist er das dacht, dass auch die Produktionsmög- Irreführend ist m. E. auch das Festhal- nicht? Dazu brauchen wir aber noch lichkeiten geschaffen werden müssen. ten an bestimmen Inzidenzen. Eine Inzi- eine längere Beobachtungszeit. Es gibt Im letzten Sommer, als die Inzidenzen denz von 100 besagt schließlich nicht, ermutigende Hinweise, dass auch die sehr niedrig waren, man aber bereits ob das Menschen sind, die einen posi- Infektiosität abnimmt, das ist jedoch wusste, dass auf jeden Fall eine zweite tiven Test, aber gar keine Symptome ha- mit Vorsicht zu betrachten. Deswegen Welle kommt, wurden nach meiner ben. Dann ist man nicht krank, jedoch ist es auch weiterhin so wichtig, dass Wahrnehmung keine ausreichenden eine Gefahr für andere. Man ist kein auch Geimpfte nach wie vor Masken Vorbereitungen getroffen. Man hätte Patient, sondern ein Infizierter. Oder tragen und sich an die Abstandsregeln damals die forschende Pharmaindustrie handelt es sich um 100 Schwerkranke, halten. an einen Tisch holen können und über die ein Intensivbett brauchen oder um potenzielle Impfstoffe diskutieren und 100 Menschen in einer Altenpflegeein- Der bürokratische Mehraufwand entsprechende Vorbereitungen mit richtung, während das Umfeld negativ durch u.a. bauliche Infektions- Aufgabenzuweisung treffen können, ist? Das sind enorme Unterschiede, es schutzmaßnahmen ist enorm. Wie um sofort loszulegen. ist jedoch stets die gleiche Inzidenz. Ein kann man sich diese erweiterten und dieselbe Inzidenz kann also etwas Hygienepflichten vorstellen? Und Gibt es bereits aktuelle Daten zur ganz anderes aussagen. Auch das wird was muss daneben noch berück- Versorgung der Patienten in 2021? zu wenig thematisiert. Man muss daher sichtigt werden? berücksichtigen, ob es sich um kranke Aus meinem Umfeld kann ich bestäti- oder infizierte Personen handelt und Größere Umbaumaßnahmen oder gar gen, dass sowohl die medikamentöse ob die Situation lokalisierbar ist: Gibt neue Räumlichkeiten waren in der Re- Tumortherapie, die bildgebende Dia- es irgendwo einen Hotspot, den man gel nicht notwendig, aber es wurden gnostik als auch die gastroenterolo- isolieren kann oder liegt eine diffuse Trennwände und Plexiglasscheiben gische Versorgung mit Magen- und 68 Lage vor, wo ganz andere seuchenhygi- eingeführt. Die organisatorische Um- Darmspiegelung während der Pande- enische Maßnahmen ergriffen werden stellung fand zudem bereits letztes Jahr mie in 2020 nicht beeinträchtigt waren. müssen? im März statt. Es hat sich also alles ein- Auch Mammographien wurden, wie gespielt. bereits erwähnt, mit einer tolerablen Ich hoffe aber diesbezüglich, dass es Zeitverschiebung durchgeführt. eine steile Lernkurve gibt – wobei wir Was erschreckend war, war das nicht auslernen. Nicht-Vorbereitetsein des Staates: es Man kann festhalten, dass die Kon- gab keine Masken, keine Handschuhe, tinuität in der ambulanten Versorgung Insgesamt glaube ich schon, dass keine Schutzkleidung. Es mussten von Patienten mit einer Krebserkran- es in Deutschland relativ diszipliniert Masken aus China importiert werden, kung auch unter den Pandemiebe- abgelaufen ist und die Maßnahmen die sich dann als teilweise untauglich dingungen im zweiten Quartal 2020 Wirkung gezeigt haben. Man muss erwiesen. Dies zeigt, dass man sich sichergestellt werden konnte. nun aber aufpassen, dass sich solche nicht von Zulieferern abhängig ma- Maßnahmen nicht von der Realität ab- chen darf, insbesondere was medizin- koppeln. Am Ende muss jeder Einzelne technischen Bedarf und Medikamente Details zu den Ergebnissen können für sich begreifen, dass er nicht nur sich betrifft. Auch die Produktion von im Artikel im Ärzteblatt nachgelesen selbst schützen muss oder sollte, son- Impfstoffen war verlangsamt, weil es werden: www.med4u.org/19314 dern auch die Mitmenschen. Es geht bei Zusatzstoffen wie den Liposomen schließlich darum, dass die Virusinfek- einen Lieferengpass gab. Diese Eng- Vielen Dank für das Gespräch! tion nicht grenzenlos verbreitet wird. pässe haben wir auch in ganz anderen Daher sind diese Impfungen so wich- Bereichen – z.B. bei Antibiotika oder Das Interview führte tig. Wichtig ist auch zu analysieren, ob Zytostatika. Das darf einfach nicht sein. Dr. med. vet. Astrid Heinl JOURNAL ONKOLOGIE 4/2021
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