Bachelor-Arbeiten 2019 in experimenteller Elementarteilchenphysik - am Lehrstuhl Schaile und in der Arbeitsgruppe Kuhr

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Bachelor-Arbeiten 2019 in experimenteller Elementarteilchenphysik - am Lehrstuhl Schaile und in der Arbeitsgruppe Kuhr
8. Januar 2019

     Bachelor-Arbeiten 2019
        in experimenteller
     Elementarteilchenphysik
am Lehrstuhl Schaile und in der Arbeitsgruppe Kuhr
Bachelor-Arbeiten 2019 in experimenteller Elementarteilchenphysik - am Lehrstuhl Schaile und in der Arbeitsgruppe Kuhr
A Ausbildungsprogramm
Wir bieten im Sommersemester 2019 in der experimentellen Elementarteilchenphysik ein integriertes
Programm, das Ihnen einen vielseitigen Einblick in unsere Forschungsarbeiten gibt. Im Zentrum des
Programms stehen Bachelorarbeiten mit engem Bezug zu Forschungsthemen des ATLAS-Experiments
am Large Hadron Collider am Forschungszentrum CERN in Genf und des Belle II-Experiments am
Beschleunigerzentrum KEK in Japan. Wir möchten Ihnen hierbei Einblicke vermitteln in die physika-
lischen Ziele und Analysemethoden der Experimente, in Detektorkonzepte und die Entwicklung neuer
Detektorkomponenten und in Grid-Computing als innovative Technologie der Datenverarbeitung in
der Teilchenphysik.
Elemente unseres Programms sind

   • Wahlpflichtlehrveranstaltung des Moduls V für Bachelor-Studenten (3+1 SWS, 6 ECTS Punkte):
     ‘Advanced Course in Particle Physics for Bachelor Students’
     Teil I: Datenanalyse in der Teilchenphysik
     Dieser Kurs ist eine grundlegende Einführung zur Darstellung und statistischen Auswertung
     experimenteller Daten, zur Modellierung elementarer Teilchenreaktionen, zur Simulation von
     Detektoren und des Teilchennachweises und zur Rekonstruktion der Primärreaktion aus einem
     komplexen Ereignismuster.
     Die Teilnahme am Teil I dieses Kurses (29.4.-6.5.2019 ganztägig) ist verpflichtend für alle
     Bachelor-Studenten in der Experimentellen Elementarteilchenphysik
     Teil II: Vertiefungsvorlesung Teilchenphysik
     Teil II vertieft die Konzepte der Elementarteilchenphysik und des experimentellen Nachwei-
     ses spezieller Ereignistopologien. Vorlesung und Übungen finden begleitend zur 10-wöchigen
     Bachelor-Arbeit statt. Die Teilnahme am Teil II dieses Kurses wird allen Bachelor-Studenten in
     der Experimentellen Elementarteilchenphysik empfohlen.
     Die Teilnahme an einer Klausur zu Teil I und Teil II des Kurses ist Voraussetzung für den Erwerb
     von 3+3 ECTS Punkten.

   • Physikalisches Seminar: Moderne Aspekte der Teilchenphysik
     Dieses Seminar findet wöchentlich begleitend zur Bachelor-Arbeit statt. Die Teilnahme am Semi-
     nar wird allen Bachelor-Studenten in der experimentellen Elementarteilchenphysik empfohlen,
     Voraussetzung für den Erwerb von 3 ECTS Punkten ist die aktive Teilnahme und ein Referat.

   • Eine betreute Bachelor-Arbeit (12 ECTS Punkte, 7.5.-19.7.2019; die Zeitspanne entspricht
     einer Bearbeitungszeit von 10 Wochen unter Berücksichtigung von Feiertagen und einem vorle-
     sungsfreien Tag), mit aktuellem Bezug zu unseren Forschungsarbeiten zu einem der nachfolgend
     aufgeführten Themen.

Weiterhin haben Sie bei uns in Garching die Möglichkeit an einem breiten Spektrum wissenschaft-
licher Veranstaltungen in unserem Forschungsumfeld im Rahmen der Verbundprojekte ATLAS und
BELLE-II, des Exzellenzclusters ‘ORIGINS’, der HGF-Allianz ‘Physics at the Terascale’ und des
Maier-Leibnitz-Laboratoriums teilzunehmen.
Ansprechpersonen: Wenn Sie Fragen zum Programm haben, oder wenn Sie sich bei der Auswahl der
angebotenen Themenbereiche beraten lassen wollen, wenden Sie sich bitte an
Prof. Dr. Otmar Biebel (Otmar.Biebel@physik.uni-muenchen.de)
Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de)
Prof. Dr. Dorothee Schaile (Dorothee.Schaile@lmu.de)
Wenn Sie Interesse an oder Fragen zu einem spezifischen Thema haben, können Sie sich auch direkt
an die angegebenen Kontaktpersonen wenden.

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Bachelor-Arbeiten 2019 in experimenteller Elementarteilchenphysik - am Lehrstuhl Schaile und in der Arbeitsgruppe Kuhr
B Themenkatalog für Bachelor-Arbeiten am LS Schaile

1     Suche nach Physik jenseits des Standardmodells bei LHC

Abbildung 1: Die Standardmodell-Teilchen (links) und ihre von Supersymmetrie vorhergesagten Part-
nerteilchen (rechts).

     Mit der Entdeckung eines Higgs-Bosons am Large Hadron Collider (LHC) am CERN im Juli 2012
wurde der letzte fehlende Baustein des Standardmodells experimentell nachgewiesen. Doch trotz seines
Erfolgs kann das Standardmodell nicht alle Beobachtungen erklären. Ein prominentes Beispiel ist die
Dunkle Materie, die im Standardmodell nicht enthalten ist. Es sind daher Theorien nötig, die über das
Standardmodell hinausgehen. Ein Beispiel für eine solche Erweiterung ist Supersymmetrie (SUSY), in
der jedem Fermion ein neues bosonisches Partnerteilchen zugeordnet wird und jedem Boson ein neues
Fermion, wie in Abbildung 1 gezeigt. Hierdurch kann nicht nur die Existenz der Dunklen Materie auf
natürliche Weise erklärt werden, sondern es lassen sich auch einige andere Konsistenzprobleme des
Standardmodells beheben.
     Nach dem erfolgreichen Neustart im Jahr 2015 wurde über die letzten vier Jahre im zweiten Lauf
des LHC ein großer Datensatz gesammelt, der eine noch nie da gewesene Gelegenheit für eine Vielzahl
von Teilchensuchen bietet. Neben der schieren Menge der neuen Daten ist auch die Schwerpunktsener-
gie der Teilchenkollisionen die höchste weltweit bisher erreichte, wodurch sich die Produktionsraten
für neue Teilchen mit hohen Massen relativ zum Untergrund um ein Vielfaches erhöhen, was wiederum
zu einer deutlich höheren Sensitivität der Analysen führt.
     In unserer Arbeitsgruppe bieten wir eine Reihe von Themen an, die unterschiedliche Aspekte auf
dem Gebiet der Suche nach Physik jenseits des Standardmodells abdecken. Weitere Themen sind nach
aktueller Themenlage in individueller Absprache möglich.

1.1   Supersymmetrie mit einem Elektron oder Myon im Endzustand
Im 1-Lepton Kanal wird nach der elektroschwachen Produktion von Charginos und Neutralinos (super-
symmetrische Partner der W-, Z- und Higgs-Bosonen) gesucht, die über Zwischenzustände in mehrere
Jets, in nicht detektierbare Teilchen, und ein Elektron oder Myon zerfallen können.
    Eine spezielle Teilanalyse betrachtet Zerfälle supersymmetrischer Teilchen in Higgs-Bosonen. Sollte
ein solches Signal tatsächlich entdeckt werden, so würde dies auf die Kopplung von Higgs-Bosonen an
supersymmetrische Teilchen hindeuten, wie von der Lösung des Hierarchieproblems gefordert. Obwohl
diese Analyse bereits eine bemerkenswerte Sensitivität aufweist, wurden die speziellen Eigenschaften

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des Higgs-Bosons bislang nicht berücktsichtigt. Daher sollte sich die Sensitivität der Analyse weiter
steigern lassen, indem die Eigenschaften des Higgs-Boson mittels Methoden des Maschinenlernens
explizit einbezogen werden (‘Higgs-Tagging’). Studien hierzu können im Rahmen eine Bachelorarbeit
durchgeführt werden.
    Eine andere Teilanalyse betrachtet Zerfälle der Charginos und Neutralinos in W- und Z-Bosonen.
Ähnlich des Zerfalls in Higgs-Bosonen können auch in diesem Fall die W- und Z-Bosonen durch
die Kombination ihrer kinematischen Eigenschaften mit Hilfe von Methoden des Maschinenlernens
identifiziert werden (‘W- und Z-tagging’). Diese Bachelorarbeit wird untersuchen, ob sich mit diesen
bislang nicht genutzten Methoden die Sensitivität der aktuellen Analyse steigern lässt.
Kontakt: Dr. Jeanette Lorenz (Jeanette.Lorenz@physik.uni-muenchen.de),
Eric Schanet (Eric.Schanet@physik.uni-muenchen.de)

1.2   Suche nach dunkler Materie in Assoziation mit Higgs-Bosonen
Neben supersymmetrischen Erweiterungen des Standardmodells sagen auch andere Erweiterungen
des Standardmodells Kandidaten für die dunkle Materie voraus. Gemeinsam ist diesen Kandidaten,
dass sie als ausschließlich schwach und gravitativ wechselwirkend sowie als massiv angenommen wer-
den (WIMP Teilchen). Am LHC wird intensiv nach WIMPs gesucht, wobei neben den Suchen nach
supersymmetrischen Teilchen auch deutlich modell-unabhängigere Suchen durchgeführt werden. Im
einfachsten Fall wird nach der Paarproduktion zweier WIMPs gesucht, die jedoch - da nicht mit dem
Detektor wechselwirkend - nicht direkt detektiert werden können. Daher bedienen sich die Suchen
eines Tricks, indem sie nach der Paarproduktion von WIMPs zusammen mit einem Standardmodell-
teilchen suchen (‘mono-X’-Suchen). Dieses Standardmodellteilchen kann z.B. ein Quark oder Gluon
sein, welches in der Produktion der WIMPs abgestrahlt wurde, oder aber auch ein Boson, welches
zusammen mit den WIMPs produziert wurde.
    In unserer Arbeitsgruppe betrachten wir speziell die Produktion von WIMPs zusammen mit Higgs-
Bosonen. Higgs-Bosonen zerfallen zu 58 % in bb̄ Quark-Paare, welche im ATLAS-Detektor gut nach-
gewiesen werden können. Daher konzentriert sich die Suche auf Signaturen mit lediglich zwei b-Jets
im Endzustand und erheblicher fehlender transversalen Energie (welche von den nicht detektierten
WIMPs stammen könnte). Ergebnisse zu dieser Suche wurden in der neuen Datennahmeperiode be-
reits vorgestellt, jedoch zeigt es sich, dass die bestehende Suche auf niedrige Transversalimpulse der
produzierten Teilchen noch nicht ausreichend sensitiv ist. Im Rahmen dieser Bachelorarbeit soll mit-
tels einer Optimierung die Suche auf diese bislang nicht abgedeckten Bereiche erweitert werden und
hierbei insbesondere Methoden entwickelt werden um den dominanten tt̄ Untergrund zu unterdrücken.
Kontakt: Dr. Jeanette Lorenz (Jeanette.Lorenz@physik.uni-muenchen,de),
Andrea Matic (Andrea.Matic@physik.uni-muenchen.de)

1.3   Supersymmetrie mit Tau-Leptonen im Endzustand
Für die Suche nach Supersymmetrie interessieren uns Prozesse, bei denen supersymmetrische Teilchen
produziert werden, die dann in die schwerste Generation der Leptonen, die Tau-Leptonen, zerfallen.
Tau-Leptonen können, im Gegensatz zu Elektronen und Myonen, sowohl in leichtere Leptonen als auch
in Hadronen zerfallen. Ihre Detektorsignaturen sind daher besonders vielfältig. In vielen natürlichen
Modellen von Supersymmetrie nimmt man an, dass die Massen der SUSY-Partner von Tau-Lepton
(und von Top-Quark) vergleichsweise leicht sind, und dass diese Teilchen daher bevorzugt am LHC
produziert werden. Die Produktion der SUSY-Teilchen kann sowohl über die starke und über die elek-
troschwache Wechselwirkung erfolgen. In beiden Analysen ergeben sich daraus spannende Forschungs-
aspekte, denn je nach Produktionsmechanismus sind die Detektorsignaturen leicht unterschiedlich und
erfordern unterschiedliche Strategien.
    In der Bachelorarbeit zu der Suche nach starker Produktion der supersymmetrischen Partnerteil-
chen geht es darum, die bestehende Analyse des Datensatzes aus 2015 und 2016 erstmals zu einer Ana-
lyse des vollen Datensatze weiterzuentwickeln. Ähnlich geht es auch in der Suche nach elektroschwa-

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cher Produktion der supersymmetrischen Partnerteilchen um die Analyse des vollen Datensatzes.
Hierbei wird das Augenmerk aber verstärkt auf der Verwendung von Algorithmen des maschinellen
Lernens (Machine-Learning-Algorithmen, MLA, wie Neuronale Netze oder Boosted Decision Trees)
und dem Verstehen der Trigger liegen, um das Potential der Daten in besonders kniffeligen Berei-
chen des Phasenraums ausschöpfen zu können. Dies ist zum einen wichtig für die direkte Produktion
von supersymmetrischen Tau-Sleptonen, weil hier der Wirkungsquerschnitt, d.h. die Produktionsra-
ten im LHC-Beschleuniger, verhältnismäßig klein sind. Zum anderen können MLA helfen, wenn die
Zerfallsprodukte (in “komprimierten Szenarien”) besonders niedrige Energien haben.
Kontakt: PD Dr. Alexander Mann (A.Mann@lmu.de)

1.4   Leptoquarks der Dritten Generation
Leptoquarks sind – wie der Name impliziert – eine Mischung aus Leptonen und Quarks. Genauer gesagt
sind Leptoquarks hypothetische Elementarteilchen, die sowohl Farbladung als auch elektroschwache
Ladung tragen, und in vielen Theorien jenseits des Standardmodells auftauchen, wie z.B. in Großen
Vereinheitlichten Theorien. Die Existenz solcher Teilchen böte unter anderem eine Erklärung für die
Abweichungen von der vom Standardmodell vorhergesagten Leptonuniversalität, die in einer Reihe von
Experimenten mit B-Hadronen beobachtet werden (“flavor anomalies”). Gemäß dem Standardmodell
sollte keine Leptongeneration in Zerfällen bevorzugt werden. Bei B-Hadronen beobachtet man aber
Abweichungen hiervon, die nicht mit den unterschiedlichen Massen der verschiedenen Leptonen erklärt
werden können. Leptoquarks erfahren deshalb viel Aufmerksamkeit als eine mögliche Erweiterung des
Standardmodells.
    Der LHC-Datensatz bietet die Möglichkeit, nach Leptoquarks zu suchen. Uns interessieren dabei
Leptoquarks der dritten Generation, die in Top- und Bottom-Quarks, Tau-Leptonen und Neutrinos
zerfallen. Die Detektor-Signaturen dieser Zerfälle sind denen von Zerfällen von supersymmetrischen
Teilchen sehr ähnlich und können damit mit ganz ähnlichen Suchstrategien analysiert werden. In der
Bachelorarbeit zu diesem Thema geht es darum, erste Studien zur Sensitivität des vollen Datensatzes
aus dem zweiten Lauf des LHC auf Leptoquarks der dritten Generation durchzuführen, die in eine
Analyse mit Tau-Leptonen in Analogie zu den Suchen nach Supersymmetrie münden sollen. Hierbei
können insbesondere auch neue Rekonstruktionsmethoden für Tau-Leptonen mit Rekursiven Neuro-
nalen Netzen zur Anwendung kommen.
Kontakt: PD Dr. Alexander Mann (A.Mann@lmu.de)

1.5   Suche nach SUSY-Teilchen in Assoziation mit einem Top-Quark
In vielen natürlichen Modellen von Supersymmetrie nimmt man an, dass die Masse des SUSY-Partners
des Top-Quarks (Top-Squark) vergleichsweise leicht ist, und dass Top-Squarks daher bevorzugt am
LHC produziert werden.
    In unserer Arbeitsgruppe arbeiten wir an einer Sensitivitätsstudie für die Suche nach der simul-
tanen Produktion von Gluino (SUSY-Partner des Gluons), Top-Squark und Top-Quark. Dieser neu
vorgeschlagene Prozess soll durch die assoziierte Produktion mit einem Top-Quark Zugang zu SUSY-
Modellen geben, bei denen die Massendifferenzen zwischen Gluino und Top-Squark, sowie Top-Squark
und dem leichtesten SUSY-Teilchen, das Neutralino (Kandidat für dunkle Materie !), so klein sind, dass
im Zerfall von einem Gluino oder Top-Squark quasi nur Neutralinos, die der Detektion entkommen,
und niedergetische Objekte entstehen.
    Eine Bachelorarbeit soll die Abhängigkeit des Signals (Gluino + Top-Squark + Top-Quark) von der
Massen der SUSY-Teilchen untersuchen und Regionen mit hoher Signalreinheit und deren Signifikanz
ermitteln. In einer zweiten Bachelorarbeit geht es um die Definition von sogenannten Kontrollregionen,
die zur Überprüfung und Bestimmung der verschiedenen Untergrundprozesse in den extremen Analyse-
Phasenräumen verwendet werden sollen.
Kontakt: PD Dr. Jeannine Wagner-Kuhr (jeannine.wagnerkuhr@physik.uni-muenchen.de)

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1.6   Suche nach schweren langlebigen geladenen Teilchen
In einer Vielzahl supersymmetrischer Modelle werden neue Teilchen vorhergesagt, deren Lebenszeit
lang genug ist, den Detektor zu erreichen und gegebenenfalls zu durchdringen. Die Suche nach diesen
Teilchen ist zu großen Teilen orthogonal zu “klassischen” SUSY-Suchen und stellt eine besondere ex-
perimentelle Herausforderung dar. Im Gegensatz zum Großteil der Suchen am Large Hadron Collider,
die mit Hilfe der Rekonstruktion von Zerfallsprodukten arbeiten, betrachten wir Modelle in denen
hypothetische neue Teilchen selbst ein Signal im Detektor hinterlassen. Dies erfordert die Entwicklung
bzw. Optimierung spezieller Rekonstruktionsmethoden und Simulationen zur Charakterisierung von
Teilchen, die sich zum Teil deutlich langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen.
    Im Rahmen von mehreren Bachelorarbeiten wollen wir zum einen bisher in der Analyse ungenutz-
te Observablen bzw. Detektorkomponenten charakterisieren und deren Nutzen evaluieren und zum
anderen Studien zur Sensitivität der Analyse auf bisher nicht abgedeckte Signaturen durchgeführen.
Obendrein bieten wir einen allgemeinen Einblick in die theoretisch und experimentell spannende Welt
der Suchen nach langlebigen Teilchen mit verschiedensten Signaturen.
Kontakt: Dr. Sascha Mehlhase (sascha.mehlhase@physik.uni-muenchen.de)

2     Detektor-R&D zum Teilchennachweis

Abbildung 2: Test eines Prototyps für großflächige Micromegas-Detektoren, die im Myonspektrometer des
ATLAS Experiments zum Einsatz kommen werden.

2.1   Micropatterndetektoren
Micropatterndetektoren sind moderne gasgefüllte Detektoren mit mikrostrukturierter Anodenauslese
und vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in der fundamentalen oder interdisziplinären Forschung.
Sie ermöglichen eine sehr gute Ortsauflösung von 50µm und besser, und können Teilchen auch bei
sehr hohen Raten noch mit hoher Effizienz und Genauigkeit detektieren.
    Am Lehrstuhl Schaile werden gerade 2 m2 große Micromegas-Detektoren (MICROMEsh GAseous
Structures) gebaut und getestet. Diese sollen am ATLAS Experiment am CERN ab 2019 eingesetzt

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werden. Bei dieser Serienproduktion werden die Detektoren regelmäßig in unserem Höhenstrahlungs-
messstand in Garching untersucht. Die Durchführung und Auswertung der Messungen ist eines von
mehreren Themen für eine Bachelorarbeit. Dabei erhält man aus der Rekonstruktion kosmischer Myo-
nenspuren einen Satz von Kalibrationsgrößen, die beim späteren Einsatz im ATLAS Experiment
verwendet werden, um die optimale Messgenauigkeit der Micromegas-Detektoren zu erreichen. Eine
der spannenden Fragestellungen ist dabei die erreichbare Ortsauflösung für Myon-Spuren, die ebenso
schräg durch den Detektor verlaufen wie später die Myon-Teilchen aus den Kollisionsreaktionen im
ATLAS-Detektor. Diese Ortsauflösung ist entscheidend für die Messgenauigkeit des Myon-Impulses
im ATLAS Experiment.
    Außerdem entwickeln wir sehr dünne und äußerst hochratenfeste floating strip Micromegas-Detek-
toren, die sich zur Verwendung in Spurkammern und in Systemen zur medizinischen Bildgebung eignen,
sowie Gaseous Electron Multiplication (GEM) Detektoren, mit denen niederenergetische Neutronen
und Röntgen-Photonen mit hoher Ortsmessgenauigkeit nachgewiesen werden können.
    Zugleich simulieren und untersuchen wir das Verhalten von Elektronikschaltungen zur Auslese der
Detektorsignale, die für eine zweite Stufe des Upgrades des ATLAS-Detektors eingesetzt werden soll.
Hierfür werden sowohl elektronische Testschaltungen entwickelt, die im Rahmen eines Bachelorar-
beitsthemas zur systematischen Untersuchung und Charakterisierung der neuen Elektronikschaltun-
gen verwendet werden können. Bei einem weiteren Thema geht es um die Installation und den Test
der neuen Elektronikschaltungen auf Detektoren im Höhenstrahlungsmessstand, womit Messung von
kosmischen Myon-Spuren unter realen Betriebsbedingungen möglich sind.
    Die Arbeiten bieten Einblick in modernste Detektortechnologie und somit auch in die dafür zugrun-
deliegende Physik sowie in modernste Ausleseelektronik. Sie können auch gerne in einem Team aus
mehreren Studenten arbeiten. Am besten, Sie schauen auf ein persönliches Gespräch bei uns vorbei,
dann finden wir bestimmt ein für Sie passendes Thema.
Kontakt: Prof. Dr. Otmar Biebel(Otmar.Biebel@physik.uni-muenchen.de), Dr. Ralf Hertenberger
(r.hertenberger@physik.uni-muenchen.de), Dr. Chrysostomos Valderanis (Ch.Valderanis@physik.uni-
muenchen.de)

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C Themenkatalog für Bachelor-Arbeiten in der AG Kuhr

3     Flavor-Physik beim Belle II-Experiment

                            Abbildung 3: Ein Ereignis im Belle II-Detektor.

Das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt bisherige experimentelle Resultate erstaunlich gut.
Trotzdem muss es eine allgemeinere Theorie geben, um zum Beispiel die Asymmetrie zwischen Materie
und Antimaterie im Universum zu erklären. Deshalb wird zur Zeit in Tsukuba, Japan eine sogenannte
Super-B-Fabrik in Betrieb genommen, an der Paare von B- und Anti-B-Mesonen erzeugt und ana-
lysiert werden. Im Vergleich zum Vorgängerexperiment, das zur Zeit den weltweit größte Datensatz
solcher Ereignisse besitzt, soll mit dem Belle II-Experiment eine 50 mal größere Datenmenge auf-
gezeichnet werden. Damit wird es möglich sein, viele Messungen mit bisher unerreichter Präzision
durchzuführen und somit nach neuer Physik in bisher unerforschten Bereichen zu suchen.

3.1   Optimierung der inklusiven Rekonstruktion von B-Mesonen
Am B-Fabrik Experiment Belle II werden B-Mesonen in e+ e− → Y (4S) → B B̄ Reaktionen erzeugt.
Die Tatsache, dass nichts außer zwei B-Mesonen erzeugt wird, wird in vielen Analysen ausgenutzt.
Diese Analysen erfordern die Rekonstruktion eines der B-Mesonen, um Eigenschaften des anderen
zu bestimmen. Ein Rekonstruktionsansatz mit hoher Effizienz ist eine inklusive Methode, bei der al-
le Impulse der Teilchen, die nach der Rekonstruktion des anderen B-Mesons verbleiben, aufsummiert
werden. Die Kriterien zur Selektion und Identifikation der Teilchen beeinflusst die Qualität der Rekon-
struktion und soll optimiert werden, eventuell unter Verwendung von Machine-Learning-Methoden.
Kontakt: Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de)

3.2   Entwicklung einer inkulsiven Rekonstruktion von Endzuständen mit Stran-
      geness
Einige interessante Abweichungen vom Standardmodell werden in B → K (∗) `+ `− Zerfällen beobachtet.
Ein weiterer Schritt, um Fortschritt auf diesem Gebiet zu erzielen, wäre eine Messung des inklusiven
Zerfalls, bei dem alle Endzustände mit Strange-Quark (Xs ) rekonstruiert werden statt nur ein Kaon.
Methoden für eine inklusive Xs -Rekonstruktion, eventuell unter Verwendung von Machine-Learning-
Methoden, sollen entwickelt werden.
Kontakt: Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de)

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3.3   Sensitivität auf den Zerfall KS0 → `+ `− bei Belle II
Der Zerfall eines KS0 -Mesons in ein Paar aus Leptonen ist im Standardmodell stark unterdrückt, aber
kann im Fall von Beiträgen neuer Physik zum s → d`+ `− Übergang erhöht sein. Bisher konnten
nur obere Grenzen auf das Verzweigungsverhältnis gesetzt werden. Die Sensitivität auf den Zerfall
KS0 → `+ `− bei Belle II soll studiert werden.
Kontakt: Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de)

3.4   Rekonstruktion von D-Mesonen in ersten Belle II-Daten
Die B-Mesonen, die in e+ e− → Y (4S) → B B̄ Reaktionen am SuperKEK-Beschleuniger erzeugt wer-
den, werden über die im Belle II-Detektor nachgewiesenen Zerfallsprodukte rekonstruiert. Die B-
Mesonen zerfallen dominant in Grundzustands- oder angeregte D-Mesonen. Unter Verwendung erster
Daten des Belle II Physics Runs sollen D-Mesonen rekonstruiert und deren Eigenschaften mit Simu-
lationen verglichen werden.
Kontakt: Dr. Thomas Lück (Thomas.Lueck@belle2.org), Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de)

3.5   Optimierung der Spurrekonstruktion
Die Trajektorien von geladenen Teilchen in der Nähe des Wechselwirkungspunkts werden aus Signa-
len im Siliziumstreifendetektor rekonstruiert. Die Signale in unterschiedliche Lagen müssen erst zu
Spurkandidaten zugeordnet werden, was ein kombinatorisches Problem ist. Um den kombinatorischen
Aufwand auf einem vernünftigen Niveau zu halten, werden Beziehungen zwischen Teilen des Detek-
tors, die von derselben Spur getroffen werden können, berechnet. Die Robustheit und Optimierungen
dieser vordefinierten Zuordnungen sollen studiert werden.
Kontakt: Dr. Thomas Lück (Thomas.Lueck@belle2.org), Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de)

3.6   Monte-Carlo-Zuordnung für inklusive Zerfälle
In vielen Analysen werden nur einige der Endzustandsteilchen des Zerfalls von Interesse rekonstruiert.
Auf die übrige Endzustandsteilchen wird durch inklusive Rekonstruktionsmethoden geschlossen. Um
zu verifizieren, dass solch eine inklusive Rekonstruktion korrekt ist, wird eine Zuordnung zu simu-
lierten Teilchen in Monte-Carlo-Daten vorgenommen. Ein Algorithmus für solch eine Zuordnung soll
entwickelt werden. Dies erfordert C++ Programmierkenntnisse.
Kontakt: Dr. Martin Ritter (Martin.Ritter@lmu.de) Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de)

3.7   Optimierung von Untergrundsimulationen mit Machine Learning
Seltene Prozesse sind ein vielversprechender Ansatz bei der Suche nach Physik jenseits des Stan-
dardmodells. Eine Herausforderung beider Analyse solcher Prozesse ist die Modellierung von Unter-
gründen, die große Datensätze von simulierten Ereignissen erfordert. Um effizient solche Datensätze zu
erzeugen, werden Untergrundereignisse selektiert, bevor die rechenintensive Detektorsimulation durch-
geführt wird. Die Anwendung von Methoden, die für das Belle II Experiment entwickelt wurden, bei
ATLAS soll studiert werden.
Kontakt: Dr. Nikolai Hartmann (Nikolai.Hartmann@physik.uni-muenchen.de), Prof. Dr. Thomas
Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de)

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