Prophylaxesitzungen sind mehr als Saubermachen und Polieren

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Prophylaxesitzungen sind mehr als Saubermachen und Polieren
Prophylaxesitzungen sind mehr als
                 Saubermachen und Polieren
                      Medizinische Prophylaxe mit klarer Strategie und Erfahrung

             Viele Zahnarztpraxen stellen auf ihrer Internetseite ihre Prophylaxe-Angebote vor.
             Doch mit welchen Kompetenzen und Konzepten kann heute eine Zahnarztpraxis
              punkten? Woran erkennen Patienten die besten Leistungen? Und wie überzeugt
                             man Patienten nachhaltig vom eigenen Angebot?

Viele Zahnarztpraxen stellen auf ihrer Inter-             Richtige Kommunikation
netseite ihre Angebote zum Thema Prophylaxe               Die Kommunikation ist als Erstes hervorzuhe-
vor. Patienten stehen somit vor einem Berg                ben. Was beinhaltet Kommunikation? Geht es
von Informationen: Begriffe wie Mundhygiene,              in der Kommunikation wirklich „ausschließ-
professionelle Zahnreinigung, Zahnsteinent-               lich“ ums Reden?
fernung, Bio-filmmanagement, Zähneputzen,                 Aus vielen Seminaren bzw. Webinaren ist be-
Saubermachen, Abstrahlen etc. stehen nebenei-             kannt, dass Rhetorik die Wirkung eines Men-
nander. Was davon verstehen Patienten über-               schen ist! Sie setzt sich zusammen aus 55%
haupt und woran erkennen Patienten die bes-               Ausstrahlung, 38% Stimme und 7% gespro-
ten Leistungen? Für Prophylaxefachkräfte ste-             chenes Wort. Was heißt das im Praxisalltag?
hen hingegen ganz andere Fragen im Raum:                  Hinter der Rhetorik verbirgt sich das gezielte
Mit welchen Kompetenzen und Konzepten                     Zuhören. Die Natur gab uns Menschen zwei
kann heute eine Zahnarztpraxis punkten? Und               Ohren und einen Mund. Das ist ein sanfter
wie überzeugt man Patienten nachhaltig vom                Hinweis dafür, dass wir alle generell mehr hö-
eigenen Angebot?                                          ren als sprechen sollen. Konkret heißt das:
Wie kann man Patienten während einer Pro-                 Stellen Sie gezielt offene Fragen, wiederholen
phylaxesitzung davon überzeugen, eine gute                Sie die Aussagen Ihres Patienten und lassen Sie
Behandlung erhalten zu haben, die sie anderen             ihn damit spüren: Der Patient kommt an erster
Patienten weiterempfehlen können? Zur Be-                 Stelle. Damit wird dem Patienten das entschei-
antwortung dieser Fragen empfiehlt es sich, die           dende Gefühl gegeben: „Erzähle weiter! Es
Kompetenzen in kommunikative, psychologi-                 interessiert mich, was dich bewegt!“
sche und technische Bereiche zu untergliedern.

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„Erzähle weiter“ sagen Menschen auch mit
ihrem Körper, ihrer Haltung und ihren Gesten.
Sie lassen dem Gegenüber Platz und Raum, in
Ruhe auszureden und einen eigenen Gedanken
zu Ende zu entwickeln.
                                                         Abb. 1 ACB-Schema

Psychologie hilft weiter
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Umgang mit
dem Patienten ist die Psychologie. Hierbei gilt
                                                     A wie Anamnese und Co.
es zu ergründen, wie der Patient denkt und
                                                     Es darf nie aus den Augen verloren werden,
tickt, um daraus abzuleiten, mit welcher Art
                                                     dass Körper- und Mundgesundheit zusam-
des Umgangs die beste Aufnahmebereitschaft
                                                     mengehören. Von daher liegt auf der Hand,
des Patienten erreicht werden kann. Dwight
                                                     dass jede medizinische Prophylaxe mit der
Eisenhower hat dazu treffend formuliert: „Mo-
                                                     Anamnese inklusive Aufmerksamkeit, Atmo-
tivation ist die Fähigkeit, Menschen dazu zu
                                                     sphäre und persönlichem Anliegen beginnt.
bringen, das zu tun, was man will – weil sie es
                                                     Der Mund ist ein Intimbereich. Einige Minu-
selbst wollen.“ In der Prophylaxesitzung gilt es
                                                     ten mit dem Patienten gekonnten Small Talk
dementsprechend herauszufinden, ob es beim
                                                     zu halten, eine persönliche Ebene aufzubauen
Patienten evtl. Probleme durch mangelndes
                                                     und ans Vertrauen anzuknüpfen, hat viele
Wissen, Wollen oder Können gibt.
                                                     Vorteile für die folgende Behandlung.

Dabei hilft es, vor dem inneren Auge die unter-
                                                     Welche Aspekte sind im Rahmen der Anamne-
schiedlichen Menschentypen vorbeiziehen zu
                                                     se neben der aktuellen Lebenssituation speziell
lassen: Sitzt ein gehemmter, ein ängstlicher, ein
                                                     für die Prophylaxe von großem Interesse bzw.
lauter, ein aggressiver, ein uninteressierter, ein
                                                     Einfluss? Hier ein kleiner Überblick:
introvertierter oder vielleicht ein pubertieren-
der Patient vor mir? Diese Liste ist natürlich
                                                     • Aktuelle Medikationen (z. B. gerinnungs-
unvollständig und lässt sich problemlos erwei-
                                                       hemmende)?
tern. Wichtig ist: Diese unterschiedlichen
                                                     • Herzerkrankungen – wann, was, Begleiter-
Menschen sind unsere täglichen Herausforde-
                                                       scheinungen?
rungen. Hier ist unsere Kreativität gefragt, um      • Kreislauferkrankungen – eingestellt?
individuell und situationsbezogen mit den            • Diabetes mellitus (Frage nach dem HbA1C-
Patienten umzugehen.                                     Wert)?
                                                     •   Infektionskrankheiten – denken Sie bitte
Technische Kompetenz für die                             auch an Hepatitis etc.
Prophylaxesitzung                                    •   Epilepsie - Tabletten im Zugriff?
Von zentraler Bedeutung ist natürlich die            •   Schwangerschaft – welches Trimenon?
technische Kompetenz. Den roten Faden für            •   Tumorerkrankungen – was, wann, laufende
den technischen Ablauf stellt das ACB-Schema             Therapie?
in Abb. 1 dar, denn es erklärt anschaulich das       •   Allergien und Unverträglichkeiten – Unter-
Vorgehen.                                                scheidungen beachten!
                                                     •   Hormonelle Veränderungen?

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Prophylaxesitzungen sind mehr als Saubermachen und Polieren
• Rauchen (Dauer und Menge des täglichen         die daraus gewonnenen Befunde keinesfalls
  Zigarettenkonsums)?                            ausreichen, um eine umfassende Einschätzung
• Schmerzen/Kaufähigkeit beeinträchtigt?         der Mundhöhle abzugeben.
• Angstpatient?
• Ästhetisches Problem?                          Es ist ratsam, sich einen Überblick über die
• Probleme im Kiefergelenk?                      gesamte Mundhöhle zu verschaffen: Wie sieht
• Welche Zahnpasta/Zahnbürste/weiteren           die Schleimhaut aus? Welche makroskopischen
  Hilfsmittel werden genutzt?                    (per Auge) Veränderungen sind direkt zu er-
• Letzter Zahnarztbesuch?                        fassen und zu dokumentieren? Mögliche Auf-
• Röntgenaufnahmen                               fälligkeiten sind:
• Schlechter Atem?
                                                 • Herpes labiales
• Letzte Prophylaxe?
                                                 • Leukoplakie
• …
                                                 • Lichen ruber
                                                 • Piercing
Danach erfolgt die konsequente Umsetzung
                                                 • White Spots (Abb. 2a)
der Anamneseergebnisse unter den Blickwin-
                                                 • Bisslinien
keln Betreuung, Lagerung, Diagnostik, Thera-
                                                 • Abrasionen
pieverfahren, Terminvergabe.
                                                 • Attritionen
                                                 • Rezessionen
C wie Cocktail mit Chlorhexidin und Co.
                                                 • Putzdefekte/Putzverletzung (Abb. 2b)
Nicht nur in Zeiten von COVID-19 ist es wich-
                                                 • Risse
tig, die Anzahl von Mikroorganismen im Ae-
                                                 • Sprünge
rosol zu senken. Der Patient spült hierzu 60
                                                 • Erosionen
Sekunden mit einer Mundspüllösung. Der
                                                 • Karies
Goldstandard ist Chlorhexidin (CHX) 0,2%.
                                                 • Hyperplasien
Derzeit werden zusätzlich Wasserstoffperoxid
                                                 • Gingivitis/Mukositis (Abb. 2c)
1–3%, Povidon-Jod und Cetylpyridiniumchlo-
                                                 • Plaque
rid diskutiert. Hier sind weitere Studien und
                                                 • Zahnersatz
Leitlinien nötig, um die Wirksamkeit abschlie-
                                                 • Brücken
ßend zu beurteilen. Achtung: Bei Unverträg-
                                                 • Implantate
lichkeiten gegenüber CHX bzw. wenn Blut und
Pus im Patientenmund vorhanden sind, ist ein
                                                 Danach wird ein nachhaltiger Gingiva-Index
Alternativpräparat auf Basis von ätherischen
                                                 erhoben: entweder der modifizierte Sulkus-
Ölen anzuwenden.
                                                 Blutungs-Index (SBI) bei parodontal gesunden
                                                 (Hat der Patient sich ausschließlich heute an
B wie Befunden und Beraten mit Köpfchen
                                                 die Mundhygiene erinnert?) oder der Gingivale
Die Anfänge der Prophylaxe sind bekannt: So
                                                 Blutungs-Index (GBI) bei parodontal kranken
lag der Fokus vormals allein auf dem Mundhy-
                                                 Patienten.
gienestatus (Blutungsindizes PBI/SBI/GBI und
Plaqueindizes QHI/API/PCR) und gelegentlich
noch auf der Identifizierung des Kariesrisikos
(DMF/T und RC-I). Mittlerweile ist klar, dass

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Prophylaxesitzungen sind mehr als Saubermachen und Polieren
des Prophylaxespezialisten Dr. Klaus-Dieter
                                                  Hellwege: „Sichtbarmachen macht einsichtig.“
                                                  Wenn der Patient seine persönliche Mundge-
                                                  sundheitssituation sieht, wird er dankbar sein
                                                  und es besser verstehen. Zum anderen ist das
                                                  Einfärben nicht nur für den Patienten ein Zu-
                                                  gewinn, auch im Rahmen des Qualitätsmana-
                                                  gements und der Qualitätssicherung ist es un-
                                                  umgänglich, zumal es auch die eigene Arbeit
                                                  kontrolliert. Tipp: Machen Sie einen Test. Tra-
                                                  gen Sie am Ende der Prophylaxesitzung einen
                                                  Revelator auf. Sie werden überrascht sein.

                                                  Abb. 3 Das „Sichtbarmachen“ der Plaque

                                                  Ganz besonderes Augenmerk sollte auch auf
                                                  die Farbe Rot im Mund – Schleimhaut und
                                                  „Untergrund“ – gerichtet werden. In jeder
Abb. 2 Mögliche Auffälligkeiten                   Prophylaxesitzung sollte der PSI erhoben wer-
                                                  den (Abb. 4a und b). Dieser Index erfasst sex-
Auch bei der Plaqueerfassung gilt es, zu diffe-   tantenweise den supra- und subgingivalen
renzieren. Bei parodontal gesunden Patienten      Behandlungsbedarf. So wird klar, ob der Pati-
wird der Approximalraum-Plaque-Index (API)        ent parodontal gesund oder krank ist. Ebenso
angewendet (Putzt der Patient ausschließlich      erkennt jedes Teammitglied sofort an den
mit einer Zahnbürste bzw. nimmt er zusätzlich     Code-Zahlen, was speziell der Inhalt der The-
Interdentales wie Zahnseide, Floss, Bürstchen,    rapiesitzung ist: Biofilm, Zahnstein, supra-
Soft Picks?), bei parodontal erkrankten Patien-   und/oder subgingival.
ten der Plaque Control Record (PCR). Letzte-
res Instrument ist ein Index, bei dem an vier
Stellen des Zahns – mesial, distal, oral, ves-
tibulär – Plaque bewertet wird.

Das Sichtbarmachen von Plaque ist nach wie
vor ein wichtiger Bestandteil des Prophylaxe-
konzepts (Abb. 3). Zum einen gilt der Spruch      Abb. 4a Parodontalsonde in situ

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Prophylaxesitzungen sind mehr als Saubermachen und Polieren
Abb. 4b Bleeding on probing positive

         D wie Depuration
         Bei Patienten, die in den 1980er- und 1990er-
         Jahren Zahnersatz erhalten haben, ist es in der
         Prophylaxe eine große Herausforderung, die                         Tragen Sie Sextantenweise die Anwendung ein.
         unterschiedlichen Materialien (z. B. Gold, Ke-                     So sehen Sie nach Jahren, welche Sextanten
         ramik, Kunststoff, Titan) und Konstruktionen                       „immer“ mehr bearbeitet werden mussten.
         (z. B. Einzelkronen, verblockte Kronen, Tele-                      Zum Beispiel mit folgenden Punkten: Mit wie
         skope, Brücken, Schwebeglieder) schonend zu                        viel Power wurde der Ultraschall oder Schall-
         pflegen (Abb. 5). Deshalb macht es – sowohl                        scaler eingesetzt? Welche Ansätze wurden ge-
         für den Moment als auch für künftige Behand-                       braucht? Welche Sextanten wurden behandelt?
         lungen – Sinn, jeweils ein aktuelles Protokoll                     Mit welchen Handinstrumenten wurden wel-
         über die Mundreinigung anzufertigen (s. Ta-                        che Zähne mit welchem Druck zusätzlich ge-
         belle).                                                            scalt? Welches Luft-Pulver-Wasserstrahl(LPW)
                                                                            -Gerät mit welchem Pulver wurde verwendet?
                   13.03.2020             27.06.2020       23.09.2020       Anwendung einer Polierpaste? Wenn ja, wel-
Luft-Pulver-
                                                                            che?
Wasserstrahl-      B-E-E-E-E-B            B-E-E-E-E-B
Technik (LPW)
Ultraschall        2-1-2-2-2-2            2-1-2-1-2-1                       LPW-Geräte sind in der heutigen Zeit nicht
Scaling            2-1-2-1-2-1            2-1-2-1-2-1                       mehr wegzudenken und der erste Schritt in der
Politur            1-0-1-1-1-1            1-1-1-1-1-1
         LPW= B – Bikarbonat, G – Glycin, E – Erythritol, T – Tagatose,
                                                                            Depurationsphase (Abb. 6). Das Gemisch aus
         Th – Trehalose                                                     Luft, Pulver und Wasser entfernt schonend
         Ultraschall = 0 – Stufe 1, 1 – Stufe 2, 2 – Stufe 3, 3 – Stufe 4
         Scaling = 0 – nichts, 1 – Sondierung, 2 – Arbeitszug               Biofilm von Zahn- und Wurzeloberflächen,
         Politur = 0 – nichts, 1 – fein, 2 – mittel, 3 – grob               um anschließend mineralisierte Ablagerungen

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Prophylaxesitzungen sind mehr als Saubermachen und Polieren
zielgenau entfernen zu können. Das verhindert       sätze. Bereits 2 mm Verlust der Spitze bedeu-
eine „Übertherapie“ und trägt so zur Substanz-      ten 50% weniger Leistung. Welche Konsequenz
schonung bei. Entscheidend dabei ist, welches       hat das für unsere Arbeit? Wir arbeiten mit
Pulver verwendet wird. Natriumbikarbonat            mehr Druck. Was heißt das für das „Zahnma-
und Kalziumkarbonat sind ausschließlich auf         terial“? Mehr Abtrag bzw. Verletzung der
unversehrten und ausgereiften Schmelzober-          Zahnhartsubstanzen.
flächen zu verwenden. Pulver auf Amino-
Glycin-Basis, Erythritol, feine Trehalose oder      Nach dem Einsatz eines maschinellen Geräts
Tagatose dürfen auf allen Zahnoberflächen zur       ist es zwingend notwendig, mit einem Handin-
Entfernung von Biofilm verwendet werden.            strument nachzuarbeiten. Feine grazile Scaler
                                                    ermöglichen die Reinigung auch in Bereichen,
                                                    die mit maschinellen Geräten nicht erreicht
                                                    werden können. Dazu kommt, dass mit einem
                                                    Handinstrument ein wesentlich besseres Tast-
                                                    empfinden möglich ist. Dabei muss auch im-
                                                    mer kontrolliert werden, ob noch Zahnstein-
                                                    reste vorhanden sind! Die Oberfläche muss gut
                                                    getrocknet werden, damit dies erkannt werden
                                                    kann (Abb. 7).

Abb. 6 Einsatz des LPWs als erster Schritt in der
Depurationsphase.

Zur Entfernung von mineralisierten Ablage-
rungen stehen uns verschiedene maschinelle
Geräte zur Verfügung: magnetostriktive, pie-
zoelektrische und Schall-Scaler. Alle drei Gerä-
te unterscheiden sich in ihrer Anwendung.
Bitte informieren Sie sich beim Hersteller, wie     Abb. 7 Zahnsteinreste nach der Kontrolle

Sie richtig mit Ihrem Gerät arbeiten.
                                                    Die anschließende Politur – gezielt, vor allem
                                                    auf bearbeiteten Dentinoberflächen – erfolgt
Um den Abtrag der Zahnhartsubstanz mit
                                                    mit einer feinen Polierpaste (Abb. 8). Am bes-
einem maschinellen Gerät zu minimieren,
                                                    ten wird dazu eine feine Paste mit einem wei-
vermeiden Sie
                                                    chen Kelch kombiniert. Dabei ist auf die rich-
- zu großen Druck,
- einen zu flachen Arbeitswinkel,                   tige Polierpastenmenge zu achten. Wichtig:
- dass die Spitze direkt auf dem Zahn steht         Kelch und Bürstchen sind Einmalartikel und
  und                                               sollten am besten vor den Patientenaugen weg-
- eine zu lange Kontaktzeit.                        geworfen werden.

Eine ganz wichtige Fehlerquelle ist der Ver-
schleiß der Arbeitsspitzen. Die Industrie bietet
sogenannte Tool-Cards zur Kontrolle der An-

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Prophylaxesitzungen sind mehr als Saubermachen und Polieren
Kariesaktivität und damit die Verlaufsprogres-
                                                 sion der Kariesprozesse auf ein so niedriges
                                                 Niveau zu senken bzw. zu konsolidieren, dass
                                                 sich Füllungen vermeiden lassen. Kariesge-
                                                 fährdete Personen sollten regelmäßig mit
                                                 chlorhexidinhaltigen     Präparaten        behandelt
                                                 werden. Dadurch lässt sich die kariologische
                                                 Prognose messbar verbessern!

                                                 Bakterielle und chemische Säureangriffe bein-
                                                 halten eine Demineralisation des Schmelzes
Abb. 8 Glattflächenpolitur
                                                 (Hydroxylapatit), die durch Protonierung des
Auch die Zungenreinigung sollte nicht verges-    Phosphats im Apatit von Schmelz oder Dentin
sen werden, denn damit kann man sich nach-       eingeleitet wird. Deshalb kann Kalzium nicht
haltig von anderen Praxen bzw. Behandlungen      in genügendem Umfang gebunden werden
absetzen! Das Erklären der Vorteile dieses       und geht verloren. Ist genügend Fluorid vor-
Vorgehens ist eine perfekte Überleitung zur      handen, verschiebt sich die Demineralisation
Mundhygieneberatung für zu Hause.                zur Remineralisation: Fluoride können die
                                                 Protonen aus dem demineralisierten Schmelz
Folgende Möglichkeiten gibt es zur Zungen-       entfernen und ermöglichen die Wiedereinlage-
reinigung:                                       rung des Kalziums.
•   CHX-Gel mit weichem Bürstchen,               Mit einer Kalziumfluoriddeckschicht lässt sich
•   mit dem Schall-Scaler                        eine ständige Verfügbarkeit von Fluorid errei-
•   dem TS-Zungensauger oder                     chen, um auf diese Weise Kariespatienten zu
•   dem LPW-Gerät mit richtigem Pulver.          unterstützen. Nur bei Verwendung eines leicht
                                                 löslichen Fluorids (Amin- oder Natriumfluo-
E wie Elimination der Bakterien und/oder         rid) bildet sich eine Kalziumfluoriddeck-
F wie Fluorid                                    schicht. Mit steigender Konzentration (1,25%
Sind die Zahn- und Zahnersatzoberflächen         oder 12.500 ppm) nimmt die Bildung zu. Ein
glatt und glänzend, geht es darum, Keime lang-   niedriger pH-Wert beschleunigt diese zusätz-
fristig zu eliminieren und den Basiswirkstoff    lich.
Fluorid oder die richtige Wirkstoffkombinati-    Diese Deckschicht ist leichter löslich als
on je nach Patientenrisiko auszuwählen. Als      Schmelz oder Dentin. Das freigesetzte Fluorid
einer der wichtigsten Wirkmechanismen der        steht dann passend zur Remineralisation zur
Fluoride wird die beschleunigte Remineralisa-    Verfügung (bekannt auch als labiles Fluoridre-
tion angesehen.                                  servoir). Wechseln Sie die Fluoridierungsmög-
                                                 lichkeiten in diesem Schritt! Erklären Sie Ihren
Obwohl Schmelz- wie auch Wurzelkaries prin-      Patienten den gezielten Einsatz der verschie-
zipiell durch eine ganze Reihe azidogener Bak-   denen Produkte: Weshalb nehmen Sie einen
terien verursacht werden können, spielen die     Lack, weshalb einen Schaum, ein Gelee, ein
Mutans-Streptokokken die bedeutendste Rolle.     Fluid …
Die kariesprophylaktische Aufgabe ist es, die

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Prophylaxesitzungen sind mehr als Saubermachen und Polieren
Immer den gesamten Mundraum – also rote
und weiße Bereiche – anschauen und behan-
deln!

Ziel- und risikoorientierte zahnärztliche Pro-
phylaxe hilft jedem Patienten, seine Körper-
und Mundgesundheit aktiv zu stabilisieren.
Prophylaxe mit Kompetenz und Konsequenz
basiert auf funktionierendem Teamwork. Sie
zeigt das Zusammenspiel zwischen „Oral Self-“
und „Professional Care“, basiert auf trainierten
Sinnen beim Blick in den Mund, auf Ressour-
ceneffizienz, auf Eigen- und Selbstmotivation.
Ein konsequentes und strukturiertes Prophyla-
xeprogramm ist die Grundlage für das frühzei-
tige Erkennen oraler Veränderungen und ggf.
allgemeiner Erkrankungen.

Ulrike Wiedenmann

Dentalhygienikerin und Prophylaxetrainerin mit
eigenem Fortbildungsinstitut, Aitrach

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