Kommunikative Partizipation von Kindern im Vorschulalter
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Sandra Neumann, Sandra Salm, Bernadette Robertson und Nancy Thomas-Stonell Originalia Kommunikative Partizipation von Kindern im Vorschulalter – Erste deutsche Referenzdaten zum ‚Fokus auf den Erfolg der Kommunikation für Kinder unter sechs Jahren‘ (FOCUS©-G) Communicative participation in preschool children – First reference data for the German ‚Focus on the Outcomes of Communication Under Six‘ (FOCUS©-G) Schlüsselwörter: kommunikative Partizipation, Referenzdaten, Assessment, ICF-CY, FOCUS©-G Keywords: communicative participation, German reference data, assessment, ICF-CY, FOCUS©-G Zusammenfassung: Der deutsche ‚Fokus auf den Erfolg der Abstract: The German ‚Focus on the Outcomes of Communica- Kommunikation für Kinder unter sechs Jahren‘ (FOCUS©-G) ist tion Under Six‘ (FOCUS©-G) is an assessment capturing the ein Fragebogen zur elterlichen und therapeutischen Fremdein- communicative participation of preschool children (1;6-5;11 schätzung der kommunikativen Partizipation von Kindern im yrs.) by their parents and SLPs. It promotes the implemen- Alter von 1;6 bis 5;11 Jahren. Er dient sowohl zur Umsetzung tation of the ICF-CY in therapy goal planning and can be der ICF-CY in der Therapiezielplanung wie auch als Therapy used as a Therapy Outcome Measure (TOM). The aim of this Outcome Measure (TOM). Ziel der Studie war die Erhebung investigation was to collect first German reference data of von ersten Referenzdaten für die Elternversion des neuen the FOCUS©-G of typically developing children (TEK) and FOCUS©-G in Bezug auf sich typisch entwickelnde Kinder children with speech disorder (KSB; speech sound disorder, (TEK) sowie auf Kinder mit Sprechbeeinträchtigungen (KSB; cleft lip and palate, stuttering). Parents of TEK and KSB were Aussprachestörung, LKGS-Fehlbildung, Stottersymptomatik). recruited through 13 kindergartens in NRW, 15 clinical SLP Eltern von TEK und KSB wurden in 13 Kindergärten in NRW, practices, and by the University Clinics of Cologne and Bonn. 15 sprachtherapeutischen Praxen sowie in den Universitätskli- They completed the FOCUS©-G parents version and a demo- niken Köln und Bonn rekrutiert. Sie füllten die Elternversion graphic questionnaire (incl. German Social Class Index). A des FOCUS©-G und einen Demografie-Bogen (inkl. Winkler total of 239 parents of TEK (n=154) and KSB (n=85) between Sozialschichtindex) aus. Insgesamt konnten Daten von 239 the ages of 3;0 to 5;11 years (M=4,11 yrs.; SD=0,84 yrs.; 136 Eltern von TEK (n=154) und KSB (n=85) im Alter von 3;0 bis boys, 103 girls) joined our study. 5;11 Jahren (M=4,11 J.; SD=0,84 J.; 136 Jungen, 103 Mädchen) The group of TEK showed a FOCUS©-G total score of M=301,18 erhoben werden. Die TEK zeigten einen FOCUS©-G-Gesamtwert (SD=32,51), whereas the group of KSB reached a significant von M=301,18 (SD=32,51), während die Gruppe der KSB einen (p
Einführung zu können, sind jedoch spezielle Assess- ments erforderlich. Solche Instrumente KURZBIOGRAFIE Originalia Die Internationale Klassifikation der wurden bislang nur vereinzelt in em- Funktionsfähigkeit, Behinderung und Dr. Sandra Neumann ist akademische pirischen Arbeiten eingesetzt und sind Gesundheit bei Kindern und Jugendli- Rätin im Fachbereich Pädagogik und im deutschen Sprachraum kaum verfüg- chen (ICF-CY) (Hollenweger & Kraus de Therapie bei Sprach- und Sprechstö- bar. Zur Erfassung der Einflüsse unter- Camargo, 2011; World Health Organiza rungen der Universität zu Köln. Ihr schiedlicher Sprachbeeinträchtigungen tion, 2007) wird in der Forschung und kli- Forschungsschwerpunkt liegt in der bei Kindern im Vorschulalter wurde der Implementierung der ICF-CY in die nischen Praxis bei Kindern mit Sprachbe- FOCUS© (Focus on the Outcomes of Com- sprachtherapeutische Versorgung. einträchtigung als theoretischer Bezugs- munication Under Six; Thomas-Stonell, Aktuell leitet sie das ComPaSchool- rahmen und Kriteriumsstandard national Oddson, Robertson, & Rosenbaum, 2010) Projekt „Kommunikative Partizi- wie international mehr und mehr einge- entwickelt. Für die deutsche Version des pation (ICF-CY) bei Kindern und setzt (McLeod, 2004; McLeod & McCor- Jugendlichen mit unterschiedlicher FOCUS© sollen an dieser Stelle erstmals mack, 2007; McLeod & Threats, 2008). So Sprachstörungsgenese im Schulalter Referenzwerte sowohl für sich typisch ziehen internationale wie auch deutsche (6-17 J.)“. In ihrem LAPUKI-Projekt entwickelnde Kinder (TEK) sowie für sprachtherapeutische Forschungsgrup- übersetzte und evaluierte sie den solche mit Sprechbeeinträchtigungen pen und Berufsverbände (z. B. ASHA, FOCUS©-G für den deutschsprachi- (KSB; Aussprachestörung, LKGS-Fehl- SAC, dbs) aktuell das Rahmenkonzept gen Raum. bildung, Stottersymptomatik) berichtet der ICF-CY heran, um sowohl ihre nut- werden. Die Relevanz des Vorliegens von zenorientierte Grundlagenforschung zu Vergleichswerten liegt darin, dass sie zu Sprachstörungen danach auszurichten den Nebengütekriterien diagnostischer als auch gesundheitspolitische Konse- Instrumente (Moosbrugger & Kelava, chen, Zuhören, Lesen, Schreiben oder quenzen für die Sprachtherapie daraus 2008) gehören. Nur mit ihrem Vorliegen non-verbal erfolgen. Als reziproker Pro- abzuleiten (Leitbild-Kommission der dbs- kann der Testwert einer Person einge- zess kann dies im Sinne eines festgeleg- Dozentenkonferenz, 2010). Mit der stär- ordnet und interpretiert werden. Gerade ten sozialen Ziels oder einer Funktion/ ker fortschreitenden Implementierung bei spezifischen Diagnostika, wie sprach- Rolle in multiplen Lebenssituationen der ICF-CY in die sprachtherapeutische therapeutischen Tests, ist der Vergleich stattfinden (Levin, 2013) und somit in Praxis wird, in der Tradition der Sprach- mit Werten aus einer sprachunauffälli- jeglichen sozialen Kontexten während behindertenpädagogik, der Blick auf den gen Referenzstichprobe notwendig, um zwischenmenschlicher Interaktionen Einfluss von Sprachstörungen hinsicht- entweder Risikokinder frühzeitig zu er- erreicht werden. lich des alltäglichen Lebens von Kindern kennen (Grimm, 2000) oder bei sprach- Zur optimalen Therapieplanung und zum und Jugendlichen geschärft. Sprachthe- beeinträchtigten Kindern individuelle, tieferen Verständnis von Einschränkun- rapeuten1 fokussieren in ihrer Arbeit mit altersgemäße Therapieziele ableiten zu gen der sozialen Funktionsfähigkeit ist es sprachbeeinträchtigten Kindern mehr können (Esser, Wyschkon, Ballaschk, & daher notwendig, in der sprachtherapeu- und mehr den Blick auf Umweltfaktoren, Hänsch, 2010). tischen Praxis den Einfluss einer Sprach- die für den Spracherwerb, die sprach- beeinträchtigung auf die kommunikative liche Handlungsfähigkeit sowie für die kommunikative Partizipation [Teilhabe] Der ‚Fokus auf den Erfolg Partizipation in unterschiedlichen sozi- des Kindes hinderlich sein können. der Kommunikation für alen Kontexten zu erheben (Roulstone & McLeod, 2011). Dazu bedarf es valider Für einen direkten Einsatz in der sprach- Kinder unter sechs Jahren‘ Messinstrumente, die dieses Konstrukt therapeutischen Praxis ist die Anwen- (FOCUS©-G) auf theoretischer Basis der ICF-CY zu dung der ICF-CY aufgrund ihrer Kom- Im Jahre 2010 wurde von der kanadi- erheben vermögen sowie kommunikative plexität jedoch nicht geeignet. Die tra- schen Gruppe um Nancy Thomas-Stonell Fähigkeiten bzw. Partizipation quanti- ditionell für die sprachtherapeutische der FOCUS© international als erstes Di- tativ erfassen können (Thomas-Stonell, Diagnostik verfügbaren Instrumente agnostikum zur kommunikativen Par- Oddson, Robertson, & Rosenbaum, 2013). erfassen zu einem überwiegenden Teil tizipation für Kinder mit einer Sprach- Diese Lücke schließt der FOCUS©-G. Die- die Fähigkeiten von Sprache, Sprechen, beeinträchtigung im Alter von 1;6 bis ser ist sowohl in Durchführung wie auch Stimme und Schlucken auf rein funkti- 5;11 Jahren entwickelt und veröffentlicht Auswertung zeitlich ökonomisch. Er er- oneller Ebene. (Thomas-Stonell et al., 2010). möglicht eine Einschätzung der kom- Um im rehabilitativen Setting die sprach- Eadie, Yorkston, Klasner, Dudgeon, Deitz, munikativen Partizipation des Kindes liche Aktivität und kommunikative Teil- Baylor, Miller und Amtmann (2006) defi- durch Eltern wie auch Sprachtherapeu- habe in ökonomischer Weise einschätzen nieren den Begriff der kommunikativen ten mit Hilfe von 50 ICF-CY-basierten Partizipation als sprachlich-interaktives Items auf einer siebenstufigen Likert- 1 Die Personenbezeichnungen erfolgen zur Teilnehmen an Lebenssituationen, in de- Skala ( Washington, Thomas-Stonell, besseren Lesbarkeit in der generischen (gram- nen Wissen, Informationen, Ideen oder Oddson, Warr-Leeper, Robertson, & matisch männlichen) Form, womit keinerlei Aus- sagen über das natürliche Geschlecht dieser Per- Gefühle ausgetauscht werden. Dies kann Rosenbaum, 2013). Die Skala im ersten sonen getroffen werden. in Form von verbalem Austausch/Spre- Teil des FOCUS©-G zum sprachlichen Logos Jg. 26 | Ausg. 3 | 2018 | 176 - 185 177
Verhalten reicht von „überhaupt nicht wie den wird“. Der Profilwert Kapazität: Ex- Heterogenität ihrer Klienten (Caesar & mein Kind“ bis „exakt wie mein Kind“. pressive Sprache (6 Items) umfasst u. a. Kohler, 2007). Originalia Im zweiten Teil zur benötigten Hilfe- Abfragepunkte wie „Mein Kind drückt Um den FOCUS© für den deutschspra- stellung rangiert die Einschätzung des seine Ideen in Worten aus“ oder „Mein chigen Raum zugänglich zu machen, Kindes von „kann es überhaupt nicht“ bis Kind spricht grammatikalisch richtig“. erfolgte 2012 eine autorisierte Über- „kann es immer ohne Hilfe“. Somit kann Aussagen wie „Mein Kind wartet, bis setzung durch Dr. Sandra Neumann in der Gesamtwert des FOCUS© zwischen er/sie an der Reihe ist zu sprechen“ und Kooperation mit dem Entwicklungsteam minimal 50 und maximal 350 Punkten „Mein Kind würde nach Dingen von an- des FOCUS© unter der Berücksichtigung betragen, wobei ein höherer Wert für ein deren Kindern fragen“ sind in dem Profil von Kriterien zur sprachlichen Adaptation höheres Maß an kommunikativer Par- Kapazität: Pragmatik (5 Items) abgebil- von Messinstrumenten (z. B. Rücküber- tizipation steht. Ferner sind die Items det. In der Kategorie Kapazität: Rezeptive setzung; Behr & Scholz, 2011). Die deut- in neun Profilwerte gegliedert. Dabei Sprache/Aufmerksamkeit (4 Items) werden sche Version FOCUS©-G (Thomas-Stonell, werden Kapazitäts- und Performanz- die Eltern u. a. um Einschätzung von Oddson, Robertson, & Rosenbaum, 2012) werte unterschieden. Dies geht auf die folgender Aussage gebeten: „Mein Kind ist, wie alle weiteren Sprachversionen, Betrachtungsweise der ICF-CY (WHO, würde sich hinsetzen, um Geschichten unter der Webseite www.canchild.ca für 2007) auf Aktivitäten und Partizipation anzuhören“. Im Bereich der Performanz eine Gebühr von $ 99 verfügbar. Eine [Teilhabe] zurück. Hierbei wird zwischen werden fünf Profilwerte abgefragt. Die ausführliche Vorstellung des FOCUS©-G Leistungsfähigkeit (capacity), also der Kategorie Performanz: Verständlichkeit mit Informationen zu dessen Entwick- „Durchführung von Aufgaben in einer umfasst vier Items, worunter auch „Mein lung, Einsatz, Durchführung und Aus- standardisierten Umwelt“ (DIMDI, 2005, Kind wird auch von Erwachsenen, die wertung findet sich in Neumann, Salm, S. 17), und Leistung (performance), der mein Kind nicht gut kennen, sofort ver- Robertson und Thomas-Stonell (2018). „Durchführung von Aufgaben in der standen“ und „Mein Kind benötigt Hilfe, Während die englische Originalversi- gegenwärtigen, tatsächlichen Umwelt“ um von anderen Kindern verstanden zu on des FOCUS© bereits mehrfach vali- (DIMDI, 2005, S. 17), unterschieden. werden“ fallen. Der Profilwert Perfor- diert worden ist (Oddson, Washington, Zur Berechnung der FOCUS©-G-Profil- manz: expressive Sprache (4 Items) wird Robertson, Thomas-Stonell, & Rosen- werte werden zwischen drei und zwölf u. a. durch „Mein Kind kann mit anderen baum, 2013; Thomas-Stonell, Oddson et Itemergebnisse zusammengefasst und Kindern darüber sprechen, was er/sie al., 2013; Thomas-Stonell, Washington, daraus ein Durchschnitt berechnet, des- gerade tut“ oder „Mein Kind kann sinn- Oddson, Robertson, & Rosenbaum, sen Spanne zwischen eins und sieben volle Geschichten erzählen“ charakteri- 2013; Washington, Oddson, Robertson, (höchste Partizipation) liegt. Es liegen siert. Die Kategorie Performanz: Soziales/ Rosenbaum, & Thomas-Stonell, 2013; vier Kapazitätsprofilwerte vor. Der für Spiel bildet mit zwölf Abfragepunkten Washington, Thomas-Stonell et al., 2013), Kapazität: Sprechen (3 Items) charak- den größten Bereich mit Aussagen wie liegen aktuell auch für den deutschen terisiert sich u. a. durch die Aussagen „Meinem Kind fällt es leicht, Freunde FOCUS©-G Daten zu psychometrischen „Die Sprechweise meines Kindes ist klar zu finden“ oder „Mein Kind beteiligt Gütekriterien vor, die ihn in seiner Kon- und deutlich“ oder „Mein Kind spricht sich an Gesprächen unter Gleichaltri- struktvalidität, internen Konsistenz und langsamer, wenn er/sie nicht verstan- gen“ ab. Die Aussagen „Mein Kind kann Test-Retest-Reliabilität bestätigen (Neu- selbständig mit anderen Kindern kom- mann, Salm, Rietz, & Stenneken, 2017). munizieren“ und „Die kommunikativen Das Ziel der vorliegenden Studie war, KURZBIOGRAFIE Fertigkeiten meines Kindes schränken seine/ihre Unabhängigkeit ein“ sind u. a. erste Referenzdaten zu erheben, um den FOCUS©-G als Fragebogen zur kommu- Sandra Salm, M.Sc., schloss im Januar im Profilwert Performanz: Unabhängigkeit nikativen Partizipation in der sprachthe- 2014 das Studium der Sprachthe- (5 Items) zusammengefasst, während der rapeutischen Praxis nutzbar zu machen. rapie an der Universität zu Köln ab. Profilwert Performanz: Copingstrategien/ Dazu wurde der Bogen sowohl bei sich Danach nahm sie eine praktische Gefühle (7 Items) u. a. „Mein Kind fühlt typisch entwickelnden Kindern (TEK) Tätigkeit als akademische Sprachthe- rapeutin in Frankfurt/Main auf. Im sich während der Kommunikation wohl“ wie auch bei Kindern mit Sprechstörung August 2017 schloss sie ihr Studium oder „Der Versuch, mit anderen Kindern (KSB, ohne begleitende Sprachstörung) in Versorgungswissenschaft an der zu kommunizieren, frustriert mein Kind“ eingesetzt. Hierbei wurde den Fragen Universität zu Köln ab. Bis Februar einbezieht. nachgegangen, ob sich die Gruppen TEK 2017 war sie parallel am Lehrstuhl Die Elternversion des FOCUS© sowie das und KSB im FOCUS©-G-Gesamtwert Pädagogik und Therapie bei Sprach- zugehörige Manual wurden bisher in ins- und in den neun ICF-CY-orientierten und Sprechstörungen (Prof. Stenne- gesamt 19 verschiedene Sprachen über- Profilwerten signifikant voneinander ken) und ist aktuell am Institut für setzt, was der sprachlichen wie kulturel- unterscheiden, ob es Alters- und/oder Medizinsoziologie, Versorgungsfor- len Vielfalt in der sprachtherapeutischen Geschlechtsunterschiede gibt, und ob schung und Rehabilitationswissen- Arbeit gerecht wird. Zudem schließt er ein Zusammenhang zwischen den Re- schaft der Universität zu Köln tätig. zu einem kleinen Teil die Lücke zwi- ferenzwerten und soziodemografischen schen der sprachlichen Homogenität un- Merkmalen besteht, den es klinisch zu ter Therapeuten und der sprachlichen beachten gilt. 178 Logos Jg. 26 | Ausg. 3 | 2018 | 176 - 185
Methode und eine Bestimmung der Items mit den KURZBIOGRAFIE niedrigsten Mittelwerten (M
Sich typisch Referenzdaten der TEK Kinder mit Sprech Gesamtstichprobe entwickelnde Originalia (n=239) Kinder (TEK) beeinträchtigung Nach Berechnung des Gesamtwertes (KSB) (n=85) und der Profilwerte des FOCUS©-G las- (n=154) Merkmal n (%) n (%) n (%) sen sich Referenzdaten für die elterli- Altersgruppen che Einschätzung der kommunikativen Partizipation für Kinder im Alter von 3;0-3;11 71 (29,7) 43 (27,9) 28 (33,0) 3;0-5;11 Jahren ableiten. Die Analyse 4;0-4;11 72 (30,2) 47 (30,5) 25 (29,4) der Kennwerte der Referenzstichprobe 5;0-5;11 96 (40,1) 64 (41,6) 32 (37,6) (TEK) konnte keine signifikanten Mit- Geschlecht telwertsunterschiede für die einzelnen männlich 136 (56,9) 78 (50,6) 58 (68,2) FOCUS©-G-Werte nach Altersgruppen (Tab. 2) oder Geschlecht (Tab. 3) he- weiblich 103 (43,1) 76 (49,4) 27 (31,8) rausstellen. Familiäre Situation a Beim deskriptiven Vergleich der Alters- Kind lebt bei beiden Eltern 223 (93,3) 144 (93,5) 79 (92,9) gruppen zeigte sich der niedrigste mittle- Kind lebt bei der Mutter 15 (6,3) 9 (5,8) 6 (7,1) re FOCUS©-G-Gesamtwert von M=297,96 Geschwisteranzahla (SD=35,30) bei der Altersgruppe der 0 37 (15,5) 30 (19,5) 7 (8,2) vierjährigen Kinder. Der höchste mitt- lere FOCUS©-G-Gesamtwert wurde bei 1 151 (63,2) 88 (57,1) 63 (74,1) den Fünfjährigen mit M=304,76 Punkten 2 34 (14,2) 25 (16,2) 9 (10,6) (SD=32,75) erreicht. Ein etwas höherer 3 10 (4,2) 6 (3,9) 4 (4,7) Gesamtwert als bei den Vierjährigen von >3 4 (1,7) 2 (1,3) 2 (2,4) M=299,44 (SD=29,03) konnte bei den Wohnumgebung a Dreijährigen verzeichnet werden (Tab. 2). städtisch 137 (57,3) 78 (50,6) 59 (69,4) Die Betrachtung der Profilwerte deckt ländlich 93 (38,9) 72 (46,8) 21 (24,7) auf, dass über alle Altersgruppen hin- Bildungsgrad der Muttera weg der Mittelwert in der Domäne (allgemeinbildend) Kapazität: Sprechen am geringsten ist kein Hauptschulabschluss (5,45-5,71), obwohl keine Sprechbeein- (Volksschulabschluss) 4 (1,7) 1 (0,6) 3 (3,5) trächtigung bei den Kindern vorliegt. Hauptschulabschluss 22 (9,2) 11 (7,1) 11 (12,9) Dies spiegelt sich auch in den mittleren Realschulabschluss/ Performanzwerten: Expressive Sprache Mittlere Reife 63 (25,4) 41 (26,6) 22 (25,9) wider, die nur von 5,64 bis 5,85 reichen. Polytechnische Oberschule 5 (2,1) 4 (2,6) 1 (1,2) Bei jeweils zwei Kapazitäts- und Per- Fachhochschulreife 36 (15,1) 25 (16,2) 11 (12,9) formanzwerten ist ein kontinuierlicher Anstieg der mittleren FOCUS©-G- Abitur/EOS 107 (44,8) 71 (46,1) 36 (42,4) Profilwerte auszumachen, je älter die Bildungsgrad des Vatersa (allgemeinbildend) Kinder sind: K: Sprechen, K: Expressive Sprache, sowie P: Verständlichkeit und kein Hauptschulabschluss (Volksschulabschluss) 3 (1,3) 2 (1,3) 1 (1,2) P: Expressive Sprache. Hier erfolgt von Altersgruppe zur nächsten jeweils ein Hauptschulabschluss 17 (7,1) 14 (9,1) 3 (3,5) Punktanstieg zwischen 0,01 und 0,19 Realschulabschluss/ (M=0,115). Bei dem Profil K: Rezeptive Mittlere Reife 56 (23,4) 33 (21,4) 23 (27,1) Sprache/Aufmerksamkeit erreichen die Polytechnische Oberschule 4 (1,7) 3 (1,9) 1 (1,2) TEK über alle Altersgruppen hinweg Fachhochschulreife 46 (19,2) 27 (17,5) 19 (22,4) die höchsten mittleren Profilwerte über Abitur/EOS 98 (41,0) 65 (42,4) 34 (40,0) einem Wert von 6 (6,15-6,34). Dies steht zu ihren Profilwerten K: Sprechen im Sozialstatus der Familiea* Gegensatz. Auch die Performanz-Profile niedrig 28 (11,7) 17 (11,0) 11 (12,9) Verständlichkeit, Unabhängigkeit, Sozia- mittel 91 (38,1) 56 (36,4) 35 (41,2) les/Spiel sowie Copingstrategien/Gefühle hoch 103 (43,1) 70 (45,5) 33 (38,8) charakterisieren sich durch Werte über einem mittleren Kennwert von 6. Anmerkung. Die summierten Prozentsätze dieser Variablen sind < 100% aufgrund fehlender Werte. a *gemittelter Winkler-Index beider Elternteile für Zwei-Eltern-Familien (n=223) Hinsichtlich des Vergleichs der FOCUS©- G-Gesamtwerte zwischen den Ge- Tabelle 1 Stichprobencharakteristik der Gesamtstichprobe und gegliedert nach Stichprobengruppen schlechtern weisen die Jungen der Refe- 180 Logos Jg. 26 | Ausg. 3 | 2018 | 176 - 185
renzstichprobe (TEK) einen gering höhe- ren Mittelwert von M=301,65 (SD=32,86) Altersgruppen Originalia als die Mädchen (M=300,70; SD=32,36) 3;0-3;11 4;0-4;11 5;0-5;11 auf. Dieser Unterschied ist jedoch nicht (n=43) (n=47) (n=63) signifikant. FOCUS© -G-Werte M SD M SD M SD Auch im Vergleich der arithmetischen K: Sprechen 5,45 0,94 5,57 1,17 5,71 1,12 Mittel aller FOCUS©-G-Profilwerte K: Expressive Sprache 5,96 0,76 5,97 1,02 6,14 0,86 konnte kein signifikanter Unterschied zwischen Mädchen und Jungen heraus- K: Pragmatik 5,73 0,67 5,62 0,72 5,85 0,77 gestellt werden. K: Rezeptive Sprache/ Aufmerksamkeit 6,20 0,70 6,15 0,77 6,34 0,68 Während sich die Domäne mit dem geringsten Mittelwert bei den Jungen P: Verständlichkeit 6,02 0,86 6,10 1,10 6,29 0,79 als die Kapazität: Sprechen (M=5,45; P: Expressive Sprache 5,64 0,99 5,70 1,15 5,85 0,94 SD=1,05) erwies, traf dies bei den Mäd- P: Soziales/Spiel 6,09 0,58 6,03 0,69 6,10 0,73 chen für das Profil Performanz: Expres- sive Sprache (M=5,66; SD=1,07) zu – bei- P: Unabhängigkeit 6,20 0,73 6,16 0,95 6,25 0,85 des Domänen der Sprachproduktion. Die P: Copingstrategien/Gefühle 6,17 0,59 6,05 0,60 6,16 0,67 Domäne mit dem höchsten Mittelwert FOCUS© -G-Gesamt 299,44 29,03 297,96 35,30 304,76 32,75 war für die Jungen Performanz: Unab- Anmerkung: K=Kapazität, P=Performance hängigkeit (M=6,24; SD=0,83), während Tabelle 2 FOCUS© -G-Referenzdaten von sich typisch entwickelnden Kindern Mädchen den höchsten mittleren Wert in Mittelwerte und Standardabweichungen getrennt nach Altersgruppen dem Profil Kapazität: Rezeptive Sprache/ Aufmerksamkeit (M=6,31; SD=0,70) auf- zeigten (Tab. 3). Geschlecht weiblich (n=76) männlich (n=77) Gruppenvergleich FOCUS© -G-Profilbereiche M SD M SD p TEK versus KSB K: Sprechen 5,75 1,12 5,45 1,05 .089 Zur Einschätzung eines möglichen Un- K: Expressive Sprache 6,09 0,92 5,99 0,84 .502 terschiedes der sprachlichen Aktivi- K: Pragmatik 5,70 0,71 5,79 0,75 .476 tät und Partizipation von Kindern mit Sprechbeeinträchtigung (KSB) wurden K: Rezeptive Sprache/Aufmerksamkeit 6,31 0,70 6,17 0,73 .227 deren Daten mit denen der Referenzstich- P: Verständlichkeit 6,12 1,00 6,19 0,84 .623 probe (TEK) verglichen. Hierbei zeigten P: Expressive Sprache 5,66 1,07 5,83 0,98 .287 sich über alle FOCUS©-G-Profilwerte und P: Soziales/Spiel 6,05 0,68 6,10 0,67 .667 den Gesamtwert hinweg hochsignifikant niedrigere Werte (p
Gesamt TEK KSB Zusammenhang des FOCUS©-G stichprobe mit soziodemografischen Originalia (n=154) (n=85) (n=239) Variablen FOCUS© -G-Werte M SD M SD M SD p In der korrelationsanalytischen Überprü- K: Sprechen 5,24 1,26 5,59 1,09 4,61 1,30
zeigt alle berechneten Zusammenhänge zu überprüfen, ob und inwiefern sozio- Gruppe mit CFCS LevelI (Communication in detaillierter Darstellung auf. demografische Variablen bzw. familiäre Function Classification System; Hidecker Originalia Merkmale wie der soziale Status oder das et al., 2011) von Cunningham, Hanna, Diskussion Bildungsniveau der Eltern, Wohnsitua- Oddson, Thomas-Stonell und Rosenbaum tion etc. einen Zusammenhang mit den (2017). Hier wurde eine Gesamtgrup- Ergebnisdiskussion erhobenen Werten aufweisen könnten. pe von 40.872 kanadischen Kindern mit Ziel der vorliegenden Studie war es, ers- Die vorliegende Studie ist international sprachlich-kommunikativen Auffällig- te empirische Daten zur sprachlichen die erste, die eine solche Korrelation un- keiten anhand des FOCUS© eingeschätzt. Aktivität und Partizipation im Sinne der tersuchte. Die vorliegenden Daten beider Die am leichtesten betroffene Gruppe ICF-CY deutschsprachiger Kinder im Gruppen zeigen einen schwachen, aber (CFCS Level I) wird als „Wirksamer Sen- Alter von 3;0-5;11 Jahren mit und ohne signifikanten Zusammenhang zwischen der und Empfänger mit unvertrauten und Sprechbeeinträchtigung zu generieren. dem FOCUS©-G-Gesamtwert und dem vertrauten Partnern“ definiert (http://cfcs. Referenzdaten von TEK sind für die Bildungsgrad der Mutter sowie mit dem us/wp-content/uploads/2014/02/CFCS_ sprachtherapeutische Forschung und Sozialstatus des Vaters. Des Weiteren German_2013_01_29.pdf). Die hierin Praxis wichtig zu betrachten. So kön- konnten bei der Gruppe der KBS Korrela- eingeschlossenen Kinder (n=7.991; 4.389 nen sie als Zielwerte des FOCUS©-G als tionen zwischen acht von neun FOCUS©- Jungen; 2.768 Mädchen; M=46,96 Mon.; Therapy Outcome Measure (TOM) im G-Profilwerten und dem Bildungsgrad SD=10,88 Mon.) zeigten einen mittle- Therapieverlauf oder -ende herangezogen der Mutter sowie dem Sozialstatus (des ren FOCUS©-Gesamtwert von M=266,62 werden. Die Daten der 154 sich typisch Vaters), außer bei dem Profil Kapazität: (SD=47,33). Dieser Wert liegt nur 0,77 entwickelnden Kinder sind die ersten Expressive Sprache, herausgestellt wer- Punktwerte niedriger als der von uns he- publizierten Daten zum FOCUS© inter- den. Dies ist zukünftig in der sprachthe- rausgestellte FOCUS©-Gesamtmittelwert national. In den vorherigen Studien des rapeutischen Praxis bei der Betreuung der KSB. Zukünftige deutsche Studien FOCUS©-Entwicklungsteams wurden von Kindern mit unterschiedlichem sozio- mit Daten schwerer beeinträchtigter bisher ausschließlich Kinder mit Sprech- ökonomischen Hintergrund zu beachten. Kinder (z. B. SES) werden die hier vor- und/oder Sprachstörung untersucht. Von Die ersten deutschen Daten zu einer liegenden Daten in Bezug zueinander daher ist leider momentan keine Einord- Gruppe von 85 Kindern mit Sprechbe- setzen können. nung unserer Daten in den internationa- einträchtigungen (KSB) ermöglichen Eine detailliertere Analyse der Daten len Kontext möglich. Sprachtherapeuten die Einordnung von zeigte, dass sich einige der durchschnitt- Die vorliegende Studie konnte keine si- Werten eines eigenen Therapiekindes lich am niedrigsten bewerteten Items bei gnifikanten Unterschiede zwischen den im Vergleich zu Kontrollen (TEK) nach der Gruppe von KSB auf Kommunika- Gesamt- und Profilwerten von Jungen und Alter und Geschlecht. Weiterhin ist der tionssituationen mit eher unbekannten Mädchen feststellen. Die Kinder scheinen erstmalige Vergleich dieser Einzeldaten Personen beziehen. Die untersuchten unabhängig von ihrem Geschlecht gleich zu einer Gesamtgruppe von Kindern mit Kinder weisen alle eine verbal-expres- erfolgreich in ihrer kommunikativen Par- Sprechbeeinträchtigung möglich. Wei- sive Sprechbeeinträchtigung auf. Hier tizipation [Teilhabe] zu sein. Von daher tere Datenerhebungen und detaillierte liegt die Vermutung nahe, dass eine Ein- kann dieser Aspekt bei der Diagnostik- Analysen zu einzelnen Störungsbildern schränkung in der Verständlichkeit der auswertung des FOCUS©-G in der Praxis (z. B. phonologische Störungen) werden Kinder vorliegt, die erwiesenermaßen unbeachtet bleiben. zukünftig genauere Vergleichswerte lie- bei unbekannten Personen stark ins Ge- Auch zeigen sich die Daten je nach Al- fern. wicht fällt (Neumann, Rietz, & Stenneken, tersgruppe (3- bis 5-Jährige) als nicht Bisherige internationale Studien (Thomas- 2017). Auch für alle weiteren 41 Items signifikant unterschiedlich. Interessant Stonell, Oddson et al., 2013; Thomas- erwiesen sich die Gruppenunterschiede ist, dass die FOCUS©-G-Gesamtwerte Stonell, Washington et al., 2013; Washing- als signifikant, was auf eine deutliche nicht stetig von Altersgruppe zu Al- ton, Thomas-Stonell et al., 2013) mit Ein- Einschränkung der kommunikativen tersgruppe anstiegen, wie man vermu- bezug von Kindern mit Sprechbeeinträch- Partizipation [Teilhabe] von Kindern mit ten könnte. Eine mögliche Erklärung tigung (speech impairment only) liefern Sprechbeeinträchtigung hinweist. für die niedrigeren Werte der Gruppe kaum Vergleichsmöglichkeiten, da sie der Vierjährigen könnte evtl. in der aufgrund ihrer Zielsetzung (psychomet- Diagnostische und vorliegenden Stichprobe liegen. Sowohl rische Evaluation) keine Rohwerte liefern. der Bildungsgrad der Mutter, als auch der Den einzigen aktuell verfügbaren Wert therapeutische Konsequenzen Sozialstatus der Familie weist bei dieser stellen Thomas-Stonell, Washington und für die klinische Praxis Gruppe tendenziell niedrigere Werte auf, Kollegen (2013) dar. In ihrer Stichprobe Basierend auf den vorgestellten Daten die jedoch nicht signifikant sind. Für von 23 KSB (13% LKGS-Fehlbildung, ermöglicht der FOCUS©-G erstmals die eine zukünftige Normierungsstudie zum 9% Zerebralparese, 4% Syndrome; Al- breite diagnostische Nutzung bei Kin- FOCUS©-G wäre demnach eine Kontrolle ter M=3,75 Jahre) konnte der mittlere dern im Vorschulalter in sprachtherapeu- dieser Merkmale vonnöten. FOCUS©-Gesamtwert von M=247 heraus- tischen Praxen in Deutschland. Für den Einsatz eines Assessments in gestellt werden. Unsere Daten der KSB Die Ergebnisse erlauben auch interna- der Praxis und Forschung ist es wichtig sind jedoch vergleichbar mit denen der tional eine wichtige Erweiterung der Logos Jg. 26 | Ausg. 3 | 2018 | 176 - 185 183
sprachtherapeutischen, kulturell adäqua- mit sprachlich-kommunikativem Un- te jedoch nur auf einer Population aus ten Diagnostik von deutschsprachigen terstützungsbedarf stattfinden. Damit 13 Kindertagesstätten, 15 sprachthera- Originalia Kindern mit sprachlich-kommunikativem scheint es in einem nächsten Schritt auch peutischen Praxen und zwei Universi- Unterstützungsbedarf. Mit der Nutzung besser möglich, sprachtherapeutische tätskliniken. Diese Stichprobe ist nicht des FOCUS©-G als Elternfragebogen wird Interventionen in ein neues, breiteres systematisch ausgewählt und daher nicht die Einschätzung der Eltern über ihr Kind Therapiekonzept im Sinne einer Makro- als repräsentativ anzusehen. Zudem verstärkt in den therapeutischen Prozess Praxis einzubetten. Dieses sollte zukünf- ist die ausgewählte Altersgruppe von und dessen Evaluation mit aufgenommen. tig mehr und mehr auf die sprachliche 3;0-5;11-jährigen Kindern nur ein Teil Dies fördert ein tiefgreifendes Verständ- Aktivität, kommunikative Partizipation der Altersrange des FOCUS©-G. nis der Elternperspektive und damit ein- und das sprachliche Lernumfeld des hergehend eine bessere therapeutische Kindes ausgeweitet sein (z. B. durch Schlussfolgerung Betreuung des Kindes und seiner Familie In-vivo-Training, Einbezug von peers). Der ‚Fokus auf den Erfolg der Kommu- (Washington et al., 2012). Nach Thomas-Stonell, W ashington und nikation für Kinder unter sechs Jahren‘ Die vorliegenden Ergebnisse der KSB Kollegen (2013) sollte die Sprachthera- (FOCUS©-G) ist das bisher einzige pu- lassen erkennen, dass ein direkter Zu- pie ihre Gewichtung stärker auf soziale blizierte und evaluierte Diagnostikum sammenhang zwischen Einschränkun- Fertigkeiten und Spiel setzen. Dadurch für den deutschsprachigen Raum, das gen in der ICF-CY-Domäne Körperfunk- könnten sie das Selbstvertrauen betrof- die sprachliche Aktivität und Partizi- tionen, speziell Artikulationsfunktionen fener Kinder insofern erhöhen, dass sie pation von Kindern im Vorschulalter (b320), und der Domäne Aktivitäten und besser in Spielaktivitäten und Interak- im Sinne der ICF-CY erhebt. Es wurden Partizipation [Teilhabe], Konversation tionen mit Gleichaltrigen einzusteigen erstmals Referenzdaten zum FOCUS©-G (d350), besteht. Von daher sollten sich vermögen. Aktuelle erste Ergebnisse von von sich typisch entwickelnden Kindern Sprachtherapeuten bewusst sein, dass Cunningham und Kollegen (2017) zeigen, im Vorschulalter vorgelegt, wie auch eine symptomorientierte, kindzentrierte dass sprachtherapeutische Interventio- Vergleichsdaten zu Kindern mit Sprech- Intervention schon Auswirkungen auf nen bei Kindern jedes (Vorschul-)Alters beeinträchtigung. Des Weiteren konnten die Fähigkeit zum sozialen Einbezug und unterschiedlicher Kommunikations- Zusammenhänge der FOCUS©-G-Gesamt- des Kindes haben kann (Washington, fähigkeiten zu bedeutenden kommunika- und Profilwerte mit soziodemografi- Thomas-Stonell, McLeod, & Warr-Leeper, tiv-partizipativen Veränderungen führen schen Merkmalen der Familien darge- 2012). Dies gilt es in der Sprachthera- können. legt werden, die es sprachtherapeutisch pieforschung jedoch noch empirisch zu zu beachten gilt. Mit der Nutzung des bestätigen. Implikationen für die Forschung FOCUS©-G-Elternfragebogens wird der Durch den Einsatz des FOCUS©-G in Der FOCUS©-G erweist sich als psycho- Grundstein für die Kindertherapie gelegt, der klinischen Praxis kann eine stär- metrisch gut evaluiertes Assessment der eine ICF-CY-orientierte Sprachtherapie in kere Anwendung der ICF-CY als Ziel- kommunikativen Partizipation [Teilhabe] Deutschland einzuführen und nach und rahmen der Sprachtherapie bei Kindern von Kindern unter sechs Jahren. In einem nach zu etablieren. nächsten Schritt wird er nun in Anleh- nung an Thomas-Stonell, Oddson und Danksagung KURZBIOGRAFIE Kollegen (2013) als Therapy Outcome Wir möchten ganz herzlich allen Familien, Kindern, Erziehern, Sprachtherapeuten und Measure (TOM) überprüft und unter- Prof. Nancy Thomas-Stonell ist assozi- sucht, ob er genau wie die englische studentischen Hilfskräften für die Teilnahme iertes Mitglied des Forschungsteams bzw. Hilfe bei der Datenerhebung danken. Version in der Lage ist, Veränderungen des CanChild Centre for Childhood Unser besonderer Dank gilt Prof. Dr. Bert Disability Research in Hamilton, zu dokumentieren. Zukünftige Studien Braumann (Universitätsklinik Köln) sowie Kanada. Außerdem ist sie wissen- sollten den FOCUS©-G auch bei Kleinkin- Prof. Dr. Andreas Jäger und Dr. Nikolaos schaftlich beratend für das Bloor- dern (1;6-3;0 Jahren) einsetzen. Zudem Daratsianos (Universitätsklinik Bonn) für view Research Institute des Holland wäre es anzustreben, Untersuchungen die Hilfe bei der Rekrutierung der Kinder Bloorview Kids Rehabilitation bei Kindern mit anderen Sprach- und mit LKGSF, weiterhin Patricia Sandrieser Hospital in Toronto, Kanada, tätig. Kommunikationsstörungen durchzufüh- und Peter Schneider für die Unterstützung Zuvor war sie dort Wissenschaftliche bei der Rekrutierung der Kinder mit Stot- ren. Erste Daten von Kindern (3;0-5;11 J.) Mitarbeiterin sowie Assistant Pro- tersymptomatik. mit Sprachentwicklungsstörung (SES) fessor an der University of Toronto. konnten hierzu schon erhoben werden Interessenkonflikt Für ihren Beitrag zur Forschung im (Zauke & Neumann, in Vorbereitung). Die Ko-Autoren Nancy Thomas-Stonell und Bereich Outcome Measurement wur- Bernadette Robertson haben den FOCUS©-G de sie mit dem Distinguished Service Award der SLP Alumni Association Methodenkritik entwickelt. Die Rekrutierung der Proban- den, Durchführung der Datenerhebung und der University of Toronto ausgezeich- Die Stichprobe der vorliegenden Studie Analyse der Daten in Deutschland erfolgte net. war relativ groß und inkludierte unter- jedoch unabhängig durch Sandra Neumann schiedliche Gruppen von Kindern mit und Sandra Salm. Sprechbeeinträchtigungen. Sie basier- 184 Logos Jg. 26 | Ausg. 3 | 2018 | 176 - 185
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