Konjunkturpolitik in der Corona-Krise - Stellungnahme 04/2020 - Bundesfinanzministerium
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Stellungnahme 04/2020 Konjunkturpolitik in der Corona-Krise
Konjunkturpolitik in der Corona-Krise Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen Stellungnahme 04/2020
Konjunkturpolitik in der Corona-Krise Konjunkturpolitik in der Corona-Krise Zusammenfassung: Die Krise hat angebots- der Pandemie bzw. den globalen Maßnahmen des und nachfrageseitige Schocks ausgelöst. Infektionsschutzes erwachsen ist. Wenn die Infek- Angesichts der vielfältigen Unsicherheiten, tion eingedämmt ist, ist zumindest die Ursache des unter denen die Politik gegenwärtig agieren Einbruchs behoben. Die Corona-Krise ist daher in muss, empfiehlt der Wissenschaftliche Bei- erster Linie, aber nicht ausschließlich, eine ange- rat, hinsichtlich weiterer Maßnahmen aktiver botsseitige Krise. Durch die Krise wurden interna- Konjunkturpolitik zurückhaltend zu agieren. tionale Lieferketten unterbrochen und auch durch Über existierende Maßnahmen zur Liquidi- die Lockdown-Maßnahmen wurden Firmen ver- tätssicherung, zur Ausweitung der Kurzarbeit anlasst, ihre Produktion einzustellen oder zumin- und temporäre Hilfen hinaus könnte insbe- dest herunterzufahren. In der aktuellen Phase der sondere eine Ausweitung des Verlustrück- Lockerung können viele Firmen nicht mit voller trags dazu beitragen, die Liquidität bislang Kapazität produzieren, z. B. weil internationale profitabler Unternehmen zu sichern. Eine Transporte deutlich verlangsamt sind, Kommu- beschleunigte Abschreibung könnte die nikationswege mitunter durch Homeoffice behin- Investitionsnachfrage bei Unternehmen mit dert werden und innerhalb des Betriebs nur mit tragfähigen Geschäftsmodellen stimulieren. entsprechenden Abständen zwischen den Mitar- beitern produziert werden kann. All dies wirkt wie ein negativer temporärer Produktivitätsschock In der aktuellen Corona-Krise hat die Politik auf der Angebotsseite. Daher muss es vordringli- schnell und beherzt mit umfangreichen Maßnah- ches Ziel der Politik sein, so gut wie möglich diese men der Einkommenssicherung und der Liqui- angebotsseitigen Probleme zu vermindern. ditätshilfen reagiert. Die öffentliche Debatte um konjunkturpolitische Maßnahmen für die weite- Zugleich erlebt die deutsche Wirtschaft eine tief ren Phasen der Corona-Krise lässt bisweilen eine greifende Strukturverschiebung auf der Nachfra- klare Problemdiagnose vermissen. Gesucht sind geseite: Ausgelöst durch die Gefahren der Pande- Konzepte, die diese sehr spezielle Krise überwin- mie selbst und durch die Eingriffe ins Alltagsleben den können. Dabei ist darauf zu achten, dass die im Rahmen der gesundheitspolitisch motivierten Konzepte weder die finanziellen Möglichkeiten Maßnahmen haben sich innerhalb kürzester Zeit des Staats überdehnen, noch in einer Weise in die die Nachfragestrukturen stark verändert. In eini- Struktur der sozialen Marktwirtschaft eingreifen, gen Branchen ist das Geschäft fast komplett zum dass sie dieses System dauerhaft beschädigen. Erliegen gekommen. Ein Beispiel ist die interna- tionale Luftfahrt, die im Passagierverkehr unter Trotz der Schwere der Krise handelt es sich bislang weitgehend hermetisch geschlossenen Grenzen um keinen typischen Fall einer Krise, die die übli- leidet. Andere Teile der Wirtschaft erleben hin- chen konjunkturpolitischen Maßnahmen erfor- gegen eine Überhitzung. Beispielsweise ist es zu dert. Denn bei der Corona-Krise handelt es sich einem weltweiten ‚Digitalisierungsschub‘ gekom- auf der wirtschaftlichen Ebene um eine Krise, men, so dass in einigen Branchen die sprunghaft die sich fundamental von den nachfragebeding- gestiegene Nachfrage nach Produkten der digi- ten Wirtschaftskrisen unterscheidet, die Deutsch- talen Ökonomie die (kurzfristigen) Produktions- land in den vergangenen 70 Jahren durchlebt hat. kapazitäten übersteigt und es zu Lieferengpäs- Zwar erleidet die deutsche Wirtschaft gegenwärtig sen kommt. Noch ist allerdings völlig unklar, ob einen außerordentlich schweren Einbruch, der aus sich diese Verwerfungen nach kurzer Zeit wieder 1
Konjunkturpolitik in der Corona-Krise geben werden oder der Beginn einer dauerhaften Unsicherheit. Denn angesichts der international Veränderung der Nachfragestruktur sind. hoch arbeitsteiligen Produktion und weltweiter Absatzmärkte kann sich die deutsche Wirtschaft Klar ist, dass diese Situation grundsätzlich ande- von diesen internationalen Entwicklungen nicht rer Natur ist als eine Krise, in der ganz allgemein abkoppeln.1 Nicht zuletzt ist ungewiss, inwieweit die Nachfrage hinter den Produktionskapazitäten europäisch koordinierte Programme beschlossen der Wirtschaft zurückbleibt und in der sich durch werden. Angesichts dieser vielfältigen Unsicher- Konsumstimulation eine Verbesserung erzielen heiten ist derzeit eine Konjunkturpolitik ange- ließe. Eine konjunkturpolitische Erhöhung der zeigt, die sich auf die automatischen Stabilisato- Kaufkraft würde sich angesichts der bestehenden ren konzentriert und mit aktiver Stimulierung strukturellen Veränderungen vermutlich auf die zurückhält. Produkte richten, die ohnehin knapp sind, also eher die bestehende Überhitzung in diesen Sekto- Die Corona-Krise und die strukturellen Verän- ren verstärken. Vor diesem Hintergrund mag sich derungen im Nachfrageverhalten haben zu einer auf den ersten Blick eine spezielle Nachfragepo- zeitweiligen, möglicherweise sogar dauerhaften litik anbieten, die sich auf die unterausgelasteten Entwertung von Produktivkapital geführt. Diese Sektoren richtet, die nicht angebotsseitig, sondern Entwertung findet etwa im Gastgewerbe, in der nachfrageseitig restringiert sind. Doch dem steht Tourismusindustrie oder im Flugverkehr statt, entgegen, dass beispielsweise eine Stimulierung weil Nachfragegewohnheiten sich abrupt ändern des Flugverkehrs nicht gelingen kann, solange und dem Eigentümer des Kapitalstocks, zum Bei- Grenzen noch geschlossen sind. Vor diesem Hin- spiel dem Busunternehmen oder der Fluglinie, es tergrund ist auch die Senkung der Umsatzsteuer nicht mehr erlauben, diesen Kapitalstock rentier- in der Gastronomie problematisch, weil angesichts lich einzusetzen. Ein Konjunkturprogramm sollte der Engpässe auf der Angebotsseite und der Res- nicht versuchen, alle solche Schäden der Coro- triktionen im täglichen Leben eine Stimulierung na-Krise auszugleichen. Der Staat sollte die knap- der Nachfrage zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinn- pen steuerlichen Mittel eher möglichst selektiv voll ist. Die aktuelle Einkommenssicherung von und zielgenau einsetzen. Gastwirten ist durch andere Maßnahmen bes- ser zu erreichen, und in der langen Frist entfällt Ein Kriterium für die Zielgenauigkeit der Poli- der Grund, diese Branche zu privilegieren. Auch tik bei der Liquiditätssicherung der Unterneh- andere notleidende Sektoren operieren sozusa- men kann an der Profitabilität festgezurrt wer- gen noch unter angezogener Handbremse. Ein den. Unternehmen sollten idealerweise dann Tritt auf das Gaspedal ist demgemäß noch nicht gerettet werden, wenn sie ein langfristig tragfä- zielführend. higes Geschäftsmodell besitzen. Dies dürfte umso eher der Fall sein, wenn sie zwar jetzt in der Krise Die Politik muss gegenwärtig in einem Umfeld Verluste machen, aber in den Vorjahren Gewinne multipler Unsicherheiten weitreichende Ent- erzielt haben. An diesem Kriterium knüpft die – scheidungen treffen. Natürlich weiß niemand mit weiter unten näher ausgeführte – Maßnahme des Sicherheit zu sagen, wie lange die Restriktionen steuerlichen Verlustrücktrags an, für den sich der aufgrund der Coronapandemie aufrechterhalten werden müssen. Im Inland ist das Infektionsge- schehen jedoch inzwischen deutlich abgeklungen, und auch in stark betroffenen Nachbarländern in 1 Die Komplexität wird noch weiter erhöht durch die Europa zeichnet sich eine Beruhigung ab. Dies für Notwendigkeit der Abstimmung auf europäischer Ebene, z. B. sich genommen könnte eine rasche wirtschaft- bei den Grenzöffnungen, aber auch bei den europäischen Hilfs- und „Wiederaufbau“-Programmen. Die Maßnahmen liche Erholung ermöglichen, allerdings besteht auf europäischer Ebene sind nicht Bestandteil dieser vor allem im internationalen Umfeld erhebliche Stellungnahme. 2
Konjunkturpolitik in der Corona-Krise Beirat bereits in seiner Stellungnahme vom April zu stimulieren. Allerdings ist angesichts der Res- stark gemacht hat2. triktionen auf der Angebotsseite unklar, ob ein solcher nachfrageseitiger Impuls zum jetzigen Mitunter wird in der politischen Diskussion Zeitpunkt (schon) sinnvoll ist. Leider ist die Daten- betont, dass eine Konjunkturpolitik auch in den lage in Deutschland bezüglich zeitnah verfügba- Dienst der Umweltpolitik zu stellen ist. Klar ist, rer Indikatoren am aktuellen Rand sehr schlecht. dass konjunkturelle Impulse, die dazu führen, die Vordinglicher als Einkommensimpulse erschei- Produktionskapazitäten in überholte, CO2-inten- nen gegenwärtig eine planbare Rückkehr ins sive Produkte zu erhöhen, problematisch wären. gewohnte Erwerbsleben (z. B. durch Öffnung von Gleichzeitig gilt aber, dass eine einseitige Nachfra- Kitas und Schulen) und ein Erwartungsmanage- gesteuerung hin zu sauberen Produkten zu einer ment von Seiten der Politik, das den Haushalten Entwertung der Produktionskapazitäten in den und Unternehmen nachvollziehbare Wege zur traditionellen Industrien führen würde. In einer Normalisierung aufzeigt und die Unsicherheit der Situation, in der bereits große Teile des volks- privaten Akteure reduziert. wirtschaftlichen Kapitalstocks durch Kontakt- beschränkungen und Schocks in der Nachfrage- Über die bereits existierenden Maßnahmen zur struktur entwertet werden, droht die zusätzliche Liquiditätssicherung, die Ausweitung der Kurzar- künstliche Abwertung von Produktionskapazitä- beit und temporäre Hilfen hinaus sieht der Beirat ten durch die staatliche Nachfragesteuerung die insbesondere in der Ausweitung des Verlustrück- Belastbarkeit der Wirtschaft vollends zu überfor- trags und in beschleunigten Abschreibungen dern. Die altbekannte Tinbergen-Regel der Wirt- politische Handlungsmöglichkeiten, die für das schaftspolitik gilt auch in der aktuellen Situation. Überleben bislang profitabler Unternehmen ent- Sie besagt, dass die Politik im Allgemeinen min- scheidend sein können und die zugleich die fiska- destens so viele Instrumente einsetzen soll, wie lische Tragfähigkeit nicht unnötig gefährden: sie Ziele verfolgt. Umweltziele bedürfen der kon- sequenten CO2-Bepreisung und der Forschungs- In der akuten Krise setzen Liquiditätsprobleme all unterstützung für saubere Technologien. Sie mit den Unternehmen zu, die von den gesundheitspo- der Konjunkturpolitik zu vermischen, beeinträch- litischen Maßnahmen in Deutschland oder dem tigt die Konjunkturpolitik und ist zugleich dem internationalen Lockdown akut betroffen sind. umweltpolitischen Ziel abträglich. Bei der richtigen Auswahl der Wirtschaftshilfs- programme ist deshalb die Schaffung von Liqui- Auch sollte die Konjunkturpolitik nicht mit der dität ein wichtiges Desiderat. Es ist dabei zu unter- Verteilungspolitik vermengt werden. Die Coro- scheiden zwischen Unternehmen mit temporären na-Krise hat die Gesellschaft insgesamt ärmer Liquiditätsproblemen und Unternehmen, die auch gemacht, Vermögen vernichtet und Einkom- ohne Corona-Krise ins Trudeln geraten wären. Der mensausfälle generiert. Ob die Corona-Krise zu Verlustrücktrag, der steuerliche Gewinne in Vor- distributiven Verwerfungen führt, denen mittel- krisenzeiten voraussetzt, schafft Liquidität insbe- und langfristig mit verteilungspolitischen Instru- sondere bei der ersten Art von Unternehmen. Er menten begegnet werden muss, lässt sich aktuell hat zudem große Praktikabilitätsvorteile. Er setzt noch nicht absehen. Wenn im Rahmen der Kon- an Größen an, die in der Vergangenheit erhoben junkturpolitik Transfers an Haushalte disku- wurden und deshalb eine geringe Manipulations- tiert werden, geschieht dies nicht aus Gerechtig- anfälligkeit haben. Und er stellt einen regulativen keitsüberlegungen, sondern um die Konjunktur Eingriff dar, der auf ein bestehendes Rechnungs- legungs- und Steuerverwaltungssystem aufset- zen kann. Es muss für seine Anwendung kein völ- 2 Wissenschaftlicher Beirat beim BMF (2020), Steuerliche Maßnahmen für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise, lig neuartiges Interventionsinstrumentarium mit 22. April 2020, Berlin. 3
Konjunkturpolitik in der Corona-Krise Bedürftigkeits- und Berechtigungsprüfungen eta- beschleunigte Abschreibung, wenn also Investi- bliert werden. Da der Verlustrücktrag nur möglich tionskosten von der Bemessungsgrundlage der ist, wenn in den vergangenen Jahren in Deutsch- Gewinnsteuern abgezogen werden können, bevor land Steuern gezahlt wurden, hat diese Politik- das Investitionsgut seinen ökonomischen Wert maßnahme auch den Charme, gegen die Flucht verliert. Die Liquiditätswirkung einer steuerlichen in Steueroasen zu diskriminieren. Sofern man Sofortabschreibung ist umso höher, je höher der sich dazu durchringen kann, den Verlustrücktrag Steuersatz ist, der auf den Unternehmensgewin- zukünftig auch bei der Gewerbesteuer (entgegen nen lastet. dem derzeitigen § 10a GewStG) zu erlauben, wofür einiges spricht, wäre eine Flankierung für Kom- Ein besonderer Vorteil dieses Anreizinstruments munen denkbar.3 besteht in seinen vergleichsweise geringen fiska- lischen Kosten. Der Staat verzichtet nicht auf die Die Schaffung von Liquidität allein mag die Über- Gewinnsteuern an sich. Die Summe der Steuerzah- lebensfähigkeit gesunder Unternehmen erhöhen. lungen bleibt unverändert. Nur wird dem Unter- Dies reicht indes nicht aus, um in späteren Phasen nehmen ermöglicht, diese Zahllast von heute um der Krise neue Wirtschaftsdynamik zu entfachen. wenige Jahre in die Zukunft zu verlagern. In einem Unternehmen könnten vielmehr eine „Überwin- extremen Niedrigzinsumfeld, in dem die Renditen terungsstrategie“ bevorzugen, in der sie innova- auf staatliche festverzinsliche Wertpapiere nahe tive Investitionen oder auch eigentlich sinnvolle null oder sogar negativ sind, beläuft sich der Bar- Reinvestitionen erst einmal auf bessere Zeiten wert der fiskalischen Effekte für den Staat also auf verschieben. Die Wiederbelebung sollte deshalb ziemlich genau null. Für den Unternehmer oder auch Komponenten enthalten, mit denen die die Unternehmerin sieht die Rechnung anders Investitionstätigkeit aktiv gefördert wird. Hier- und günstiger aus. Neben den bereits beschriebe- für besonders geeignet ist eine Verbesserung der nen Liquiditätseffekten entsteht für den Unter- steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für nehmer oder die Unternehmerin typischerweise Investitionen. Durch sie werden hohe Anreize noch eine Zinsersparnis. Ohne Sofortabschrei- für eine Investitionsausweitung gesetzt, während bung würde ein Investitionsgut, das heute ange- diese Maßnahme die staatlichen Finanzen kaum schafft wird, irgendwann in der Zukunft ohnehin oder im gegenwärtigen Umfeld eines Niveaus abgeschrieben und würde dann die Steuerlast zu selbst der Nominalzinsen von 0% überhaupt nicht diesem zukünftigen Zeitpunkt mindern. Durch belastet. Dies sei etwas genauer ausgeführt. die Sofortabschreibung wird diese Steuerminde- rung zeitlich vorverlagert. Das Unternehmen, das Steuerliche Sofortabschreibung beschreibt den im Gegensatz zum Staat Kosten für externes Kapi- Sachverhalt, wenn Unternehmen die Kosten für tal aufwenden muss, kann das Investitionsgut Investitionen unmittelbar zum Investitionszeit- zwar heute steuermindernd abschreiben, verzich- punkt steuerlich als Kosten geltend machen kön- tet damit aber auf die Steuerminderung in gleicher nen. Die Investition bindet Mittel und kostet Höhe in der Zukunft. Ein Vorteil entsteht aus der Liquidität. Steuerliche Sofortabschreibung min- Einsparung von Finanzierungskosten. dert zu diesem Zeitpunkt die Steuerabführungen an den Fiskus und reduziert damit die Liquiditäts- kosten der Investition. Eine ähnliche, aber weniger drastische Liquiditätswirkung hat eine steuerlich 3 Generell gilt, dass ein Ausgleich der krisenbedingten steuerlichen Einnahmeausfälle sachgerechter ist als eine Übernahme von in der Vergangenheit akkumulierten Altschulden, die mit der aktuellen Krise in keinem Zusammenhang stehen. 4
Konjunkturpolitik in der Corona-Krise Beschleunigte Abschreibungen sind bekannt Da die Investitionsentscheidungen von Unter- dafür, massive Auswirkungen auf die Investitions- nehmen getroffen werden, kann der Staat sich neigung und auf die internationalen Investitions- mit dieser Maßnahme auch deren Informati- ströme zu haben.4 Diese Entwicklungen erfolgten onsvorsprung zu Nutze machen, den sie über die zwar in einem Umfeld vergleichsweise hoher Zin- Entwicklungen auf ihren jeweiligen Märkten sen, in dem es im Vergleich zu heute einen noch haben. Statt also selbst gezwungen zu sein, Ent- höheren Barwerteffekt aus der zeitlichen Verla- scheidungen über die Wahl bestimmter Investi- gerung der Steuerschuld, also eine höhere Zins- tionsprojekte treffen zu müssen, kann der Staat ersparnis für das Unternehmen, gab. Erhebli- die Investitionsentscheidung einfach den Wirt- che Investitionseffekte sind indes auch in der schaftsakteuren überlassen, die über die besseren bestehenden Situation zu erwarten. Die Finan- Informationen aus erster Hand verfügen. zierungskosten von Unternehmen, die sich nicht nur aus den Fremdkapital- sondern auch aus den Beschleunigte Abschreibungen entwickeln insbe- Eigenkapitalkosten ergeben, liegen auch in der sondere dann positive Investitionsanreize, wenn bestehenden Niedrigzinsphase deutlich ober- die Unternehmen tatsächlich aktuelle Steuerlast halb der Null-Zinsen für die Refinanzierung des in die Zukunft verschieben können. Insofern kön- Staats. Es entsteht also ein positiver Zinseffekt. nen erweiterte steuerliche Verlustrückträge und Viel bedeutsamer in der augenblicklichen Situa- beschleunigte Abschreibungen als komplemen- tion ist aber der starke positive Liquiditätseffekt tär gesehen werden. Für ein Unternehmen, das einer beschleunigten steuerlichen Abschreibung. in 2020 Verlust macht, können erhöhte steuerli- Im internationalen Vergleich erscheint die lineare che Verluste aus der beschleunigten Abschreibung Abschreibung für deutsche Ausrüstungsinvesti- trotzdem interessant sein, wenn diese Verluste in tionen auffällig restriktiv. die Vorjahre zurückgetragen werden können. Zu berücksichtigen ist auch, dass beschleunigte Abschreibung von Investitionen in Forschung und Entwicklung, aber auch Steuervorteile für Erträge aus der Nutzung von Patenten und Markenrech- ten bei geeigneter Ausgestaltung Deutschlands Wettbewerbsposition bei der Ansiedelung von for- schungsintensiven Wachstumsindustrien verbes- sern würde. Der Vorschlag setzt sich auch ab von bestehenden Vorschlägen zur direkten oder gar objektbezogenen industriepolitischen Subvention von Forschungs- und Entwicklungsausgaben ganz allgemeiner Natur. 4 Vgl. hierzu die Diskussion der ersten großen Steuerreform von Ronald Reagan 1981 mit der Einführung des Accelerated Cost Recovery System (ACRS) in Hans-Werner Sinn (1984), Die Bedeutung des Accelerated Cost Recovery System für den internationalen Kapitalverkehr, Kyklos, 37, 542-576 oder die empirische Analyse von Eric Zwick und James Mahon (2017), Tax Policy and Heterogeneous Investment Behavior, American Economic Review, 107(1), 217-48. 5
Verzeichnis Konjunkturpolitik in der Corona-Krise Verzeichnis der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen Prof. Marcel Thum (Vorsitzender) Dresden Prof. Jörg Rocholl (Stellv. Vorsitzender) Berlin Prof. Klaus Adam Mannheim Prof. Dieter Brümmerhoff Rostock Prof. Thiess Büttner Nürnberg-Erlangen Prof. Lars P. Feld Freiburg/Br. Prof. Lutz Fischer Hamburg Prof. Nicola Fuchs-Schündeln Frankfurt/M. Prof. Clemens Fuest München Prof. Klaus Dirk Henke Berlin Prof. Joachim Hennrichs Köln Prof. Johanna Hey Köln Prof. Bernd Friedrich Huber München Prof. Wolfgang Kitterer Köln Prof. Kai A. Konrad München Prof. Jan Pieter Krahnen Frankfurt/M. Prof. Alois Oberhauser Freiburg/Br. Prof. Andreas Peichl München Prof. Helga Pollak Göttingen Prof. Wolfram F. Richter Dortmund Prof. Nadine Riedel Münster Prof. Kerstin Roeder Augsburg Prof. Ronnie Schöb Berlin Prof. Ulrich Schreiber Mannheim Prof. Hartmut Söhn Passau Prof. Christoph Spengel Mannheim Prof. Klaus Stern Köln Prof. Christoph Trebesch Kiel Prof. Christian Waldhoff Berlin Prof. Alfons Weichenrieder Frankfurt/M Prof. Dietmar Wellisch Hamburg Prof. Wolfgang Wiegard Regensburg Prof. Volker Wieland Frankfurt/M. Prof. Berthold Wigger Karlsruhe Prof. Horst Zimmermann Marburg/Lahn Stand: 26.02.2020 6
Impressum Herausgeber Bundesministerium der Finanzen Referat L C 3 (Öffentlichkeitsarbeit) Wilhelmstraße 97, 10117 Berlin Stand Juni 2020 Redaktion Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen Weitere Informationen im Internet unter www.bundesfinanzministerium.de www.bundesfinanzministerium.de/wissenschaftlicher-beirat
bmf-wissenschaftlicher-beirat.de
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