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pen Zeitschrift für Germanistik | Neue Folge XXXI (2021), Peter Lang, Bern | H. 2, S. 68–82 Frieder von Ammon Konkurrenten in musicis. Thomas Mann, Arthur Schnitzler und Robert Musil im Wettstreit um die „heilige Kunst“ In der langen, noch zu schreibenden Geschichte musik-literarischer Intermedialität spielt die deutschsprachige Erzählliteratur der Moderne eine entscheidende Rolle. Die Musik steht in dieser Epoche – in auffälligem Unterschied zum Realismus – im Zentrum einer bemer- kenswert großen Zahl von Erzähltexten, und selbst wenn dies nicht der Fall ist, kommt sie doch zumindest in signifikanter Weise darin vor. Um sich die quantitativen Dimensionen dieses Phänomens vor Augen zu führen, muss man sich nur die Titel einiger einschlägiger Texte verschiedener Art in Erinnerung rufen: Gertrud und Das Glasperlenspiel von Hermann Hesse, Fluß ohne Ufer von Hans Henny Jahnn, Jazz von Hans Janowitz, Die kleine Stadt von Heinrich Mann, Symphonie Pathétique von Klaus Mann, Symphonie für Jazz von René Schickele, Der Weg ins Freie von Arthur Schnitzler, Gänsemännchen von Jakob Wassermann sowie Verdi von Franz Werfel. Dieser bei weitem unvollständige Katalog ist bereits um- fangreich genug, obwohl er nur Romane berücksichtigt, und obwohl er den berühmtesten Musikroman der deutschsprachigen und vielleicht sogar der Weltliteratur, den man in gewisser Weise als die Summe aller anderen Texte zum Thema ansehen kann – Thomas Manns Doktor Faustus –, noch gar nicht enthält. Und natürlich könnte und müsste man den Katalog auch noch um all jene literarischen Werke erweitern, in denen Musik zwar, wie angedeutet, nicht das Hauptthema bildet, aber dennoch von großer Bedeutung ist, wie etwa den Zauberberg mit seinem berühmten Grammophon-Kapitel, oder – um noch ein ganz anders gelagertes Beispiel anzuführen – Alfred Döblins 18. November mit seiner be- rüchtigten Kritik von Richard Wagners (und Thomas Manns) Tristan. Nähme man diese Texte alle hinzu, käme man aus dem Aufzählen gar nicht mehr heraus. Wie ist das zu erklären? Mit dem naheliegenden Verweis auf die im deutschsprachigen Raum parallel dazu entstehende Musik wird man sich trotz deren unzweifelhafter Welt- geltung nicht begnügen können, denn eine solche Parallelität hatte es im Realismus auch schon gegeben: Johannes Brahms und Richard Wagner – um nur zwei Namen zu nennen – waren Zeitgenossen Gottfried Kellers und Theodor Fontanes (und nicht etwa Thomas Manns und Arthur Schnitzlers), ohne dass diese aber in vergleichbarer Weise auf sie reagiert hätten. Es müssen also weitere Faktoren hinzukommen. I. Musikalischer Ehrgeiz: „Buddenbrooks“. Bei dem Versuch, sie zu finden, bildet der Brief einen guten Ausgangspunkt, in dem Thomas Mann seinem Jugendfreund Otto Grautoff, der sich damals als Literaturkritiker betätigte, ‚vorschlägt‘, was er in seiner Rezension der gerade erschienenen Buddenbrooks schreiben könne: „[B]etone,“ – heißt es da – „bitte, den deutschen Charakter des Buches. Als zwei echt deutsche Ingredienzen, die wenigstens im II. Bande (der wohl überhaupt der bedeutendere sei) stark hervorträten, nenne Musik und © 2021 Frieder von Ammon - http://doi.org/10.3726/92169_68 - Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 Internationalen Lizenz Weitere Informationen: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil | 69 Philosophie.“ Und weiter: „Es sei dem Verf. gelungen, den epischen Ton vortrefflich fest- zuhalten. Die eminent epische Wirkung des Leitmotivs. Das Wagnerische in der Wirkung dieser wörtlichen Rückbeziehung über weite Strecken hin, im Wechsel der Generatio- nen.“1 Wie immer man diese Instrumentalisierung eines Freundes (der sich getreu an diese Vorgaben gehalten hat) zum Zweck der Rezeptionssteuerung bewerten mag: Als Doku- ment der Werkpolitik des jungen Thomas Mann ist dieser Brief hoch aussagekräftig,2 denn er zeigt unmissverständlich, wie Mann sein Romandebüt wahrgenommen wissen wollte – als einen bei aller Internationalität (die im Brief ebenfalls betont wird) spezifisch deutschen Text, dessen Deutschtum sich in Bezügen auf (deutsche) Musik und (deutsche) Philosophie manifestieren sollte.3 Tatsächlich spielen mit Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche zwei zentrale deutsche (Musik-)Philosophen des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle für den Roman, und auch Bezüge auf (deutsche) Musik gibt es in Buddenbrooks zahlreich und auf vielen Ebenen, zumal in Form von Wagner-Bezügen; zu Recht hat darum Hans Rudolf Vaget davon gesprochen, der Roman biete eine „Phänomenologie des Wagnerismus“.4 Da ist z. B. – gar nicht zu überlesen – der Organist Pfühl, der sich mit von Nietzsche übernommenen Argumenten weigert, den Tristan zu spielen; da ist aber auch – versteckter – das Gespräch, das Thomas und Toni Buddenbrook im Garten führen und das von Gerdas Geigenspiel untermalt wird, eine Szene, die ihr Vorbild in dem Dialog zwischen Wotan und Brünn- hilde im zweiten Aufzug der Walküre hat; da ist außerdem die im Brief hervorgehobene, an Wagner (aber auch an älteren literarischen Vorbildern) orientierte Leitmotivtechnik, die für die Struktur des Romans in der Tat von einiger Bedeutung ist.5 Vor allem aber enthält Buddenbrooks die ersten umfangreichen Musikbeschreibungen im Werk Thomas Manns: Szenen, die in der deutschsprachigen Erzählliteratur und darü- ber hinaus bis dahin ihresgleichen suchen. Als „virtuose[] literarische[] Prunkszenen“ hat Jörg Krämer sie bezeichnet,6 und das trifft die Sache genau, denn es ist offensichtlich, dass Thomas Mann eine besondere Mühe auf diese Szenen verwendet, dass er seinen ganzen Ehrgeiz auf sie gerichtet hat. Offensichtlich wollte er mit ihnen ein neues Kapitel in der Geschichte musik-literarischer Intermedialität beginnen, und dies ist ihm auch gelungen, mit gravierenden Folgen nicht nur für die Erzählliteratur der Moderne, und auch nicht nur für die deutschsprachige.7 Die Besonderheit dieser Musikbeschreibungen lässt sich am besten im Vergleich zu einem älteren Text herausarbeiten. Gewählt wurde Leo Tolstojs 1890 zuerst auf Deutsch erschie- nene Erzählung Die Kreutzersonate, ein einschlägiger realistischer Text mit Musikbezügen 1 Mann (1975, 139 f.). 2 Zu Thomas Manns Selbstinszenierung und Werkpolitik vgl. Ansel, Friedrich, Lauer (2009). 3 Zu den Kontexten des Konnexes von Deutschtum und Musik vgl. Vaget (2006, 21–47). 4 Vaget (2006, 97). 5 Für weitere Zusammenhänge vgl. Vaget (2006, 97–121). 6 Krämer (2019, 378). 7 Die Wirkungsgeschichte von Thomas Manns Musikbeschreibungen wurde ebenfalls noch nicht geschrieben, obwohl dies überaus lohnend wäre; Spuren finden sich nicht nur in der – im Folgenden behandelten – Literatur der Moderne, sondern auch in der der Gegenwart (von Robert Schneider bis Ian Mc Ewan) und in der Musik- kritik (insbesondere bei Joachim Kaiser und der von ihm geprägten Tradition). Peter Lang Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021)
70 | Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil also, auf den in Buddenbrooks im Zusammenhang mit dem möglichen Ehebruch von Hanno Buddenbrooks geigender Mutter Gerda mit dem sie am Klavier begleitenden Herrn Leutnant von Trotha angespielt wird. Thomas Mann hat somit selbst die Fährte zu Tolstojs Text gelegt und einen Vergleich auf diese Weise geradezu herausgefordert. Zitiert sei der entscheidende Passus der Kreutzersonate, in dem die Hauptfigur Posdnyschew, der seine Frau und den Geiger, den sie beim Spielen von Beethovens Kreutzersonate auf dem Klavier begleitet hatte, umgebracht hat, von ebenjener Sonate spricht: „Sie spielten die Kreutzersonate von Beethoven“, fuhr er endlich fort. „Kennen Sie das erste Pres- to? Sie kennen es?!“ rief er. „Huhuhu! Ein furchtbares Werk ist diese Sonate. Und gerade dieser Teil. Und die Musik überhaupt ist etwas Furchtbares! Was ist sie? Ich verstehe es nicht. Was ist die Musik? Was bewirkt sie? Und warum wirkt sie so, wie sie wirkt? Man sagt, die Musik wirke erhebend auf die Seele. Das ist nicht wahr, das ist Unsinn! Sie wirkt, sie wirkt furchtbar – ich rede aus eigener Erfahrung –, aber keineswegs erhebend. Sie erhebt die Seele nicht, sie zerrt sie herab, sie stachelt sie auf.“8 Musik wird hier demnach gar nicht beschrieben, stattdessen geht es um die Wirkungen, die von ihr ausgehen bzw. die ihr von einer Figur zugeschrieben werden. Tolstoj legt seiner Figur dabei Thesen in den Mund, die alles andere als neu sind: Ähnliches kann man etwa im zehnten Buch der Confessiones lesen, wo Augustinus von den „Voluptates aurium“ spricht, den „Genüssen des Hörens“, die ihn „umgarnt und unterjocht“ hätten.9 Der zitierte Passus bietet mithin einen Diskurs über die gefährliche Macht der Musik, doch er ist keine Be- schreibung eines bestimmten Musikstücks, auch nicht des ersten Satzes der Kreutzersonate. Ganz anders ist das in den ausführlichen Musikbeschreibungen in Buddenbrooks, von denen hier Hannos zweite Klavierphantasie aus dem elften und letzten Teil des Romans (der in der Erstausgabe dem erwähnten Otto Grautoff gewidmet war) herausgegriffen sei. Nachdem er den Vormittag in der Schule überstanden hat und nach Hause zurückgekehrt ist, spielt Hanno zunächst mit seiner Mutter die Frühlingssonate von Beethoven – ein deut- licher Verweis auf Tolstojs Erzählung, aber zugleich ein Zeichen, dass Thomas Mann von da an eigene Wege gehen wird, denn Hanno und seine Mutter brechen ihr Spiel bald ab. Ihre Geige sei nicht in Stimmung, sagt Gerda und zieht sich zurück. Daraufhin beginnt der allein am Flügel zurückgebliebene Hanno „eine seiner Phantasieen“, und damit beginnt auch die Musikbeschreibung: Es war ein ganz einfaches Motiv, das er sich vorführte, ein Nichts, das Bruchstück einer nicht vorhandenen Melodie, eine Figur von anderthalb Takten, und als er sie zum ersten Mal mit einer Kraft, die man ihm nicht zugetraut hätte, in tiefer Lage als einzelne Stimme ertönen ließ, wie als sollte sie von Posaunen einstimmig und befehlshaberisch als Urstoff und Ausgang alles Kom- menden verkündigt werden, war gar nicht abzusehen, was eigentlich gemeint sei. Als er sie aber im Diskant, in einer Klangfarbe von mattem Silber, harmonisiert wiederholte, erwies sich, daß sie im Wesentlichen aus einer einzigen Auflösung bestand, einem sehnsüchtigen und schmerz- lichen Hinsinken von einer Tonart in die andere … eine kurzatmige, armselige Erfindung, der aber durch die preziöse und feierliche Entschiedenheit, mit der sie hingestellt und vorgebracht 8 Tolstoj (1984, 114). 9 Augustinus (2008, 136 f.). Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021) Peter Lang
Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil | 71 wurde, ein seltsamer, geheimnis- und bedeutungsvoller Wert verschafft ward. Und nun began- nen bewegte Gänge, ein rastloses Kommen und Gehen von Synkopen, suchend, irrend und von Aufschreien zerrissen, als sei eine Seele voll Unruhe über das, was sie vernommen und was doch nicht verstummen wollte, sondern in immer anderen Harmonieen, fragend, klagend, ersterbend, verlangend, verheißungsvoll sich wiederholte.10 Auch wenn diese „Prunkszene“ damit noch längst nicht zu Ende ist, der Unterschied zu der entsprechenden Passage in der Kreutzersonate dürfte bereits deutlich geworden sein: Im Gegensatz zu Tolstoj bietet Thomas Mann hier tatsächlich die Beschreibung eines spezifischen musikalischen Vorgangs. Dieser wird detailliert und konkret vom Erzähler beschrieben, so konkret sogar, dass ein improvisatorisch begabter Pianist die fiktive Phan- tasie ohne große Mühe in reale Musik übersetzen könnte. Thomas Mann geht es also aus- drücklich um die Verbalisierung von Musik. Er begnügt sich nicht mit einem Diskurs über die Wirkungen von Musik, sondern will die Musik selbst zur Sprache bringen. Dies aber stellt eine besondere Herausforderung dar, nicht zuletzt deshalb, weil es hier um Instru mentalmusik geht, bei deren Beschreibung nicht auf einen Text zurückgegriffen werden kann, wie es bei der Beschreibung eines Liedes oder einer Opernszene der Fall wäre. Die Beschreibung von Instrumentalmusik ist deshalb gewissermaßen die Königsdisziplin der Musikbeschreibung, und es ist programmatisch zu verstehen, dass Thomas Mann sich in dieser Disziplin versucht. Wie ist er dabei vorgegangen?11 Einer seiner Kunstgriffe besteht darin, bei entsprechend informierten Lesern keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, in welchem Stil Hanno phantasiert: Es ist der Stil Wagners, einige Details – so vor allem der Verweis auf die „Figur von anderthalb Takten“ – lassen sogar darauf schließen, dass Hanno bei seiner Improvisation insbesondere das Tristan-Vorspiel als Muster dient. Das ist geschickt: Denn abgesehen davon, dass Hanno so als ein Adept Wagners und damit als décadent charakterisiert wird, erleichtert es den Lesern die Imagination der fiktiven Musik; bei Lesern, die den Tristan gut kennen, entsteht auf diese Weise sogar eine Art imaginäre Begleitmusik zur Lektüre, die Musik zum Roman gewissermaßen. Ein zweiter Kunstgriff besteht in der Vermischung musikalischer Fachter- minologie mit einer dezidiert poetischen, vor allem in einem hohen Maße metaphorischen Sprache. Dadurch ergibt sich auf der einen Seite die erwähnte musikalische Konkretheit, auf der anderen Seite aber auch eine besondere ‚Anhörlichkeit‘: Auch einem Leser, der mit den Fachtermini nichts anfangen kann, wird es so noch möglich sein, sich vorzustellen, wie Hannos Phantasie klingt. Dazu kommt – und das ist entscheidend –, dass Thomas Mann bei seiner Beschreibung der Musik zugleich versucht, diese Musik mit sprachlichen Mitteln zu imitieren. Die Musikbeschreibung selbst soll so ‚klingen‘ wie die Musik, die sie beschreibt. Ein Beispiel kann das verdeutlichen: Ein für Wagner charakteristisches kompositorisches Verfahren ist die – mit einem schillernden, von Wagner selbst verwendeten Begriff – sogenannte ‚unendliche Melodie‘.12 In einem engeren musikalischen Sinn kann man darunter eine 10 Mann (2002, 824 f.). 11 Vgl. zum Folgenden Odendahl (2008, 63–83), die bislang gründlichste Untersuchung speziell zu den Musik- beschreibungen, und, ergänzend aus der Perspektive der Musik, Krämer (2019). 12 Vgl. dazu Reckow (1971). Peter Lang Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021)
72 | Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil fließende, Geschlossenheit meidende und darum scheinbar unendliche Melodiebildung verstehen. Etwas Ähnliches lässt sich aber nun auch in Thomas Manns Musikbeschrei- bung beobachten, vor allem in dem letzten Satz der zitierten Passage: Dieser in Parataxe geradezu schwelgende Satz geht einer geschlossenen Syntax ebenfalls aus dem Weg und könnte entsprechend noch lange so weitergehen. Man könnte dieses Verfahren analog als den ‚unendlichen Satz‘ bezeichnen, der im Medium Literatur aller Unterschiede zum Trotz vergleichbare Wirkungen hervorbringt wie die unendliche Melodie im Medium Musik. Hinzu kommt die Strategie, den Text durch die Verwendung bestimmter rhetorischer Stil- mittel zu musikalisieren: Alliterationen, Anaphern, Assonanzen etc. Es werden gleichsam alle rhetorischen Register gezogen, um die Sprache zum Klingen zu bringen. Thomas Mann versucht also auf eine so ambitionierte wie avancierte Weise, seine Musik- beschreibung der beschriebenen Musik anzunähern. Man könnte von einem ‚musikalischen Ehrgeiz‘ sprechen, der darin besteht, die – zumal im Vergleich zur Lyrik – beträchtliche, kaum zu überbrückende mediale Differenz von Romanprosa und Klaviermusik zu über- spielen und die Prosa selbst so weit wie möglich zu Musik werden zu lassen. Die Tatsache, dass dies – bei aller Virtuosität – nur bis zu einem bestimmten Punkt möglich ist, scheint diesen Ehrgeiz nur noch gesteigert zu haben. Offenbar war gerade die begrenzte Realisier- barkeit des Vorhabens eine entscheidende Triebfeder für Thomas Mann, es dennoch mit aller Kraft zu versuchen und damit über seine realistischen Vorgänger hinauszugehen bzw. an die entsprechenden Versuche der Romantiker, allen voran E.T.A. Hoffmanns, anzu- knüpfen und sie in die Moderne zu überführen. Es muss aber nun die Frage gestellt werden, warum Thomas Mann überhaupt einen solchen musikalischen Ehrgeiz entwickelt hat. Oder, anders gefragt: Warum war ihm so sehr daran gelegen, seine Laufbahn als Romancier mit einem derart emphatisch musika- lischen Roman zu beginnen? Drei Aspekte sind dabei von grundlegender Bedeutung. (Thomas Manns privates Interesse an der Musik bleibt hier unberücksichtigt; es wurde bereits oft und gründlich dargestellt,13 außerdem kann man den Sachverhalt damit nur unzureichend erklären.) Der erste Aspekt betrifft den Status der Musik in der Hierarchie der Künste um 1900. Die Musik hatte im ästhetischen Diskurs damals nach wie vor eine Vorrangstellung inne. Sie galt noch immer – mit einer viel zitierten Formulierung Schopenhauers – als die „mäch- tigste unter allen“ Künsten.14 Dies indes war keine neue Entwicklung: Der entscheidende Paradigmenwechsel, der auf einen kompositionsgeschichtlichen, in der Musik der Wiener Klassik kulminierenden Wandel reagierte, hatte vielmehr bereits 100 Jahre zuvor in der Romantik stattgefunden.15 War der Musik – und dies gilt insbesondere für die Instrumen- talmusik – aufgrund ihrer semantischen Unbestimmtheit in der Ästhetik bis um 1800 in der Regel noch der unterste Rang zugewiesen worden, etwa von Kant, der sie in der Kritik der Urteilskraft auf eine Stufe mit Blumen und Tapetenmustern stellt,16 wurde sie jetzt aus genau demselben Grund an die Spitze der Hierarchie gestellt. Als eine der Mimesis nur sehr 13 Vgl. dazu Mertens (2006) und, zusammenfassend, Görner (2015). 14 Schopenhauer (1993, 582). 15 Vgl. dazu Lubkoll (1995) und Valk (2008). 16 Kant (1993, 555). Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021) Peter Lang
Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil | 73 begrenzt fähige, so abstrakte wie selbstreflexive Kunst war die Musik für die Romantiker eine geradezu ideale poetologische Projektionsfläche. Bei E.T.A. Hoffmann heißt es ein- mal: „Unser Reich ist nicht von dieser Welt, sagen die Musiker, denn wo finden wir in der Natur, so wie der Maler und der Plastiker, den Prototypus unserer Kunst?“17 Gerade dieses Potenzial der Musik, bei dem Versuch der Verabschiedung eines traditionell mimetischen Literaturverständnisses als Modell fungieren zu können, wurde in der Literatur der Moderne wieder virulent, nicht nur als es in den 1890er Jahren darum ging – mit Hermann Bahrs Schlagwort –, den Naturalismus zu überwinden. Wie der Verweis auf das Johannes-Evangelium bei Hoffmann zeigt, war in der Romantik damit eine Sakralisierung der Musik verbunden gewesen. An prominenter Stelle spricht Hoffmann einmal ganz explizit von der „heilige[n] Musik“,18 und auch bei anderen roman- tischen Autoren kann man derartige Formulierungen finden. Diese spezifisch deutsche Musikfrömmigkeit war in der Zeit um 1900 ebenfalls wieder hochaktuell. Dies zeigt – als ein Beispiel von vielen – die Oper Ariadne auf Naxos von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, entstanden nicht lange nach Buddenbrooks. Im Vorspiel der Ariadne kommt es zu einem Gespräch zwischen einem jungen Komponisten und der Sängerin Zerbinetta, die in dessen neuer Oper auftreten soll. Es geht um die Frage, „was ist denn Musik?“ Der Komponist antwortet – wie es in der Regiebemerkung heißt – „Mit fast trunkener Feier- lichkeit“: „Musik ist heilige Kunst, zu versammeln alle Arten von Mut wie Cherubim um einen strahlenden Thron! Das ist Musik, und darum ist sie die heilige unter den Künsten!“19 Richard Strauss hat bei seiner Vertonung dieser Worte keinen Zweifel daran gelassen, dass er mit dem fiktiven Komponisten in dieser Frage einer Meinung war, und Hofmannsthal war es – aller Ironie seines Librettos zum Trotz – wohl auch. Vor diesem Hintergrund wird der musikalische Ehrgeiz Thomas Manns besser verständ- lich: Indem er in Buddenbrooks die „heilige Kunst“ ausführlich intermedial thematisierte und imitierte, sie seinem Roman also gleichsam einverleibte, konnte er sein Debüt von der (damals noch dominanten) realistischen Romanpoetik programmatisch abgrenzen und es zugleich an der Dignität der Musik als Leitkunst der Epoche teilhaben lassen. Der empha- tische Bezug auf die Musik ist somit auch als ein Versuch anzusehen, die Gattung Roman zu modernisieren und zu nobilitieren, die um 1900 in der Hierarchie der literarischen Gattungen in Deutschland noch keineswegs so unangefochten den ersten Rang einnahm wie in späteren Jahrzehnten, eine Entwicklung, zu der Thomas Mann mit seinen Roma- nen wesentlich beigetragen hat, nicht zuletzt eben auch durch ihre besondere Musikalität. Der zweite Aspekt betrifft Richard Wagner als eines der zentralen kulturellen Phäno- mene der Zeit, europaweit und auch über Europa hinaus.20 Auch gut 20 Jahre nach seinem Tod bestimmte Wagner die Diskurse der Epoche noch wie kein anderer Komponist vor und nach ihm. Von Nietzsche – einem der Wortführer des Wagnerismus – stammt das Diktum, Wagner resümiere die Modernität.21 Wer also in der Zeit um 1900 Anspruch auf Modernität erhob, musste sich in der einen oder anderen Form mit ihm auseinandersetzen. 17 Hoffmann (1993, 453). 18 Hoffmann (1993, 61). 19 Hofmannsthal (1985, 24). 20 Zum europäischen Wagnerismus vgl. immer noch Koppen (1973) und jetzt Kablitz (2017). 21 Nietzsche (1999, 12). Peter Lang Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021)
74 | Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil Entsprechend haben alle dies getan, allen voran die Schriftsteller: von Charles Baudelaire über George Bernard Shaw bis hin zu Gabriele D’Annunzio und Marcel Proust. Und da natürlich auch der junge Thomas Mann als ein moderner Autor gelten wollte, blieb ihm im Grunde gar nichts anderes übrig, als sich ebenfalls an dem literarischen Diskurs über Wagner zu beteiligen; bekanntlich hat er damit nie mehr aufgehört. Über diese beiden Aspekte, die jeweils nicht allein für Thomas Mann und auch nicht allein für die deutschsprachige Erzählliteratur relevant sind22 – wenn hier auch in einem besonderen Maße –, dürfte weitgehend Konsens bestehen.23 Hinzu kommt aber nun ein dritter Aspekt, der bisher noch nicht so viel Aufmerksamkeit gefunden hat. Von Thomas Manns musikalischem Ehrgeiz war bereits die Rede. Man muss jedoch konzedieren, dass es ihm wirklich gelungen ist, im Hinblick auf die Bezüge zur Musik – und das gilt vor allem für seine Musikbeschreibungen – neue Maßstäbe zu setzen. An seinen Texten mussten die anderen Autoren ihre eigenen Versuche auf diesem Gebiet fortan messen lassen. Und nicht nur Buddenbrooks enthielt Musikbeschreibungen, beinahe mit jedem neuen Roman, jeder Erzählung Thomas Manns kam ein neuer „locus classicus der Musikdarstellung“ hinzu.24 Bereits zwei Jahre nach Buddenbrooks erschien der Novellenband Tristan, der schon in seinem Titel unmissverständlich wieder einen programmatischen Anspruch auf Musikalität erhob, ein Anspruch, der u. a. mit der titelgebenden Erzählung auch in vieler Hinsicht eingelöst wurde, vor allem durch die in ihr enthaltene große Musikbeschreibung, in gewisser Weise aber auch schon mit ihrem ersten, auf Wagners Villa Wahnfried anspielenden Satz: „Hier ist ‚Einfried‘, das Sanatorium!“25 Auch Königliche Hoheit und Betrachtungen eines Unpolitischen enthalten zum Teil umfangreiche Musikbeschreibungen, Der Zauberberg und Doktor Faustus sowieso, und noch ein halbes Jahrhundert später wird Der Erwählte durch eine virtuose Beschreibung des römischen Glockenläutens eröffnet werden. Ein weiterer Grund für die Omnipräsenz von Musik in der deutschsprachigen Erzählliteratur der Moderne – so die These, die hier vertreten werden soll – ist also eine Art innerliterarischer Konkurrenzdruck: Thomas Manns Versuch, das Erzählen von Musik gewissermaßen neu zu erfinden und diese Tradition für sich zu beanspruchen, war ein zusätzlicher Anreiz für andere deutschsprachige Autoren, sich in ihren Texten ebenfalls über die „heilige Kunst“ zu äußern. Und durch Thomas Manns wachsenden, im Nobelpreis gipfelnden Ruhm wurde dieser Anreiz noch gesteigert: Man wollte die Musik nicht einfach dem erfolgreichen Kollegen in München überlassen. Wer auf diesem Gebiet mit ihm konkurrieren wollte, musste sich allerdings anstrengen. Und so ist ein produktiver Wettstreit entstanden, aus dem eine große Zahl von signifikanten Texten hervorgegangen ist. Nicht zuletzt aus diesem Grund also sind Musikbezüge, insbesondere in Form von ambitioniert-avancierten Musikbeschreibungen, ein unverzichtbarer Bestandteil fast jedes anspruchsvollen deutschsprachigen Erzähltexts der Moderne, und auffallend viele dieser Texte stehen in einem engen Zusammenhang mit Thomas Mann. Exemplarisch zeigen lässt sich dies an einem Roman, der parallel zu dem wachsenden Erfolg von Buddenbrooks entstand und zuerst 1914 erschien: Heinrich Manns Untertan. Im 22 Für die englischsprachige Literatur vgl. Wolf (1999). 23 Vgl. z. B. – als eine der ersten Untersuchungen – Huber (1992). 24 Vaget (2006, 78). 25 Mann (2004, 319). Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021) Peter Lang
Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil | 75 fünften Abschnitt dieses Romans gibt es eine berühmt-berüchtigte Musikszene: Diederich Heßling und seine Verlobte Guste besuchen – genau wie Hanno in Buddenbrooks – eine Aufführung des Lohengrin.26 Bis in Details hinein ist diese Szene als ein satirischer Gegen- entwurf zu den Musikszenen Thomas Manns zu verstehen, insbesondere zu denen in Bud- denbrooks. Alles, was dort mit positiven Vorzeichen versehen ist, wird im Untertan in den Schmutz gezogen: An die Stelle des sensiblen Hanno tritt der grobschlächtige Diederich; wo jener gebannt der Aufführung folgt, kann dieser es nicht lassen, an seiner Verlobten – man kann es nicht anders ausdrücken – herumzufummeln. Auch die Rangordnung der Künste wird angesprochen. Laut Diederich ist die höchste Kunst die Musik, und „daher“ – man beachte die Logik – „ist es die deutsche Kunst“. „Und der Roman?“ fragt ihn daraufhin Guste. „Der ist keine Kunst. Wenigstens Gott sei Dank keine deutsche“.27 Zentral für diese Szene ist aber das, was man die ostentative Verweigerung der Musikbeschreibung nennen könnte, denn genau darum handelt es sich, wenn Heinrich Mann sich ausschließlich auf die Ebenen der Handlung, der Aufführung und der Rezeption des Lohengrin bezieht, die Ebene der Musik aber bewusst fast vollständig ausblendet. Fast: Dem berühmten Lohengrin-Vorspiel widmet er immerhin einen Satz. Er lautet: „Im Orchester war großer Betrieb“.28 Das war eine Ohrfeige für jeden Wagner-Anhänger, am meisten aber sicherlich für Heinrich Manns Bruder. Die Satire war freilich nur eine Möglichkeit für Autoren, mit ihrem Konkurrenten in musicis Thomas Mann umzugehen. Zwei weitere Möglichkeiten sollen im Folgenden skizziert werden. II. Umwege: „Der Weg ins Freie“, „Fräulein Else“. Zuerst ist dabei auf Arthur Schnitzler einzugehen, der 1902, also ein Jahr nach dem Erscheinen von Buddenbrooks, die Arbeit an seinem Roman Der Weg ins Freie aufnahm. War die Hauptfigur der ein Jahr vor dem Erscheinen von Buddenbrooks veröffentlichten Novelle Lieutnant Gustl noch eine der un- musikalischsten Figuren der gesamten deutschsprachigen Literatur gewesen – Gustl in- teressiert sich bekanntlich weniger für das Oratorium, in dessen Aufführung er sich zu Beginn der Novelle befindet, als für die Choristinnen –, stellte Schnitzler mit Georg von Wergenthin jetzt auffälliger Weise einen Komponisten in den Mittelpunkt. Wie Buddenbrooks ist auch Der Weg ins Freie ein Musik- und zugleich ein Dekadenzro- man. Fast könnte es scheinen, als sei von Wergenthin ein nicht in der Pubertät an Typhus gestorbener, sondern erwachsen gewordener und von Lübeck nach Wien verpflanzter Hanno Buddenbrook: Auch er hat seinen Vater, dessen Maßstäben er nicht gerecht werden konnte, verloren, auch er phantasiert im Stil Wagners auf dem Klavier, und auch er liebt insbesondere den Tristan. Zudem verbindet beide Figuren ihre Schwäche und Antriebslosigkeit: Sowohl Hanno Buddenbrook als auch Georg von Wergenthin sind exemplarische décadents, denen es nicht gelingen will, sich zu einer kontinuierlichen Tätigkeit aufzuraffen; entsprechend bleiben Wergenthins Kompositionen allesamt unvollendet. 26 Vgl. dazu, wie zu dem Topos des Opernbesuchs insgesamt, Ludwig (2012, 302). 27 H. Mann (1991, 354). 28 H. Mann (1991, 347). Peter Lang Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021)
76 | Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil Das Besondere ist nun, dass in dem ganzen, immerhin gut 400-seitigen Roman zwar unentwegt von Musik die Rede ist, es aber keine einzige Musikbeschreibung im Stil Tho- mas Manns gibt. Und dies, obwohl im neunten Kapitel sogar eine Aufführung des Tristan geschildert wird, bei der es aber – ähnlich wie im Untertan – gerade nicht um die Musik, sondern ausschließlich um die Handlung des Musikdramas und die durch die Aufführung ausgelösten Empfindungen Wergenthins geht.29 Ein Ausschnitt sei hier zitiert: Eine Viertelstunde später saß Georg auf seinem Parkettsitz in der Oper, zuerst noch ein wenig verdrossen und matt; bald aber strömte die Freude des Genießens durch sein Blut. Und als Bran- gäne ihrer Herrin den Königsmantel um die Schultern warf, Kurwenal das Nahen des Königs meldete und das Schiffsvolk auf dem Verdeck im Glanz des aufleuchtenden Himmels dem Land entgegenjauchzte, da wußte Georg längst nichts mehr von einer übel verbrachten Nacht im Coupé, von langweiligen Bestellungsgängen, von einem recht gezwungenen Gespräch mit einem alten, jüdischen Doktor und von einem Spaziergang über feuchtes Pflaster, in dem das Licht der Laternen sich spiegelte, an der Seite einer jungen Dame, die brav, vornehm und etwas gedrückt aussah. Und als der Vorhang zum erstenmal gefallen war und das Licht den rotgoldenen Riesenraum durchflutete, fühlte er sich keineswegs in unangenehmer Weise ernüchtert, sondern es war ihm vielmehr, als tauchte er sein Haupt von einem Traum in den andern; und eine Wirklichkeit, die von allerhand Bedenklichem und Kläglichem erfüllt war, floß irgendwo draußen machtlos vorbei.30 Wenn er sie auch nicht verweigert hat wie Heinrich Mann, ist Schnitzler der Musikbeschrei- bung hier also gleichsam aus dem Weg gegangen und hat es somit fertiggebracht, mit Der Weg ins Freie einen Musikroman ohne Musikbeschreibungen vorzulegen. Wollte man versuchen, diesen bemerkenswerten Sachverhalt zu erklären, hätte es keinen Sinn, bei Schnitzlers Musikalität anzusetzen. Denn im Vergleich zu Thomas Mann war Schnitzler zweifellos der musikalischere: Er spielte hervorragend Klavier, und zwar nicht nur Beethoven und Schubert, sondern auch Wagner und Mahler (zu dessen ersten Anhängern er gehörte). Auch auf dem Gebiet der Musiktheorie kannte er sich aus, und es gibt sogar einige kleinere Kompositionen von ihm.31 Sein Traumtagebuch zeigt darüber hinaus, dass er häufig auf signifikante Weise von Musik träumte, oft von Mahler, einmal aber etwa auch von einer nicht existenten Goethe-Vertonung Beethovens einschließlich ihrer Tonart.32 Den faszinierendsten all seiner Musik-Träume hat er im Jahr 1931, kurz vor seinem Tod, festgehalten: In diesem Traum phantasiert er – „mit einem Finger spielend, nicht immer richtig“ – auf einem Klavier, aber nicht allein, sondern gemeinsam mit Richard Strauss und Wagner, wobei letzterer – wie Schnitzler ausdrücklich vermerkt – „unpraecis“ spielt.33 Mangelnde Musikalität kann also nicht der Grund sein, warum Schnitzler in seinem Roman Musikbeschreibungen vermieden hat. Nicht von der Hand zu weisen ist aber die Vermutung, dass er dies deshalb tat, weil er auf diesem Gebiet in keine direkte Konkurrenz zu Thomas Mann treten wollte. Für diese Erklärung spricht u. a. der Traum, den er in der Neujahrsnacht 1908 hatte, kurz nach Erscheinen seines Romans: 29 Zu der Bedeutung des Tristan für den Roman vgl. Fliedl (2005, 177–183). 30 Schnitzler (2002b, 334). 31 Vgl. dazu den einschlägigen Sammelband Aurnhammer, Martin, Schnitzler (2014). 32 Schnitzler (2012, 50). 33 Schnitzler (2012, 263). Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021) Peter Lang
Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil | 77 [M]ein Vater ruft mich ins andere Zimmer (so deutlich wie ich ihn seit seinem Tod nicht gesehen), sagt herzlich, aber in nicht ganz unbesorgtem Ton (ganz so wie der Vater Georgs im Roman), ich hätte in diesem Jahre doch sehr wenig geschrieben. Ich wehre mich, sage, dass Thomas Mann seit 99 nichts schrieb, es käme aufs Wie an (ungefähr) ‚Recht behalten werde doch ich‘. Vater gibts zu, spielt mit dem Zwicker (wie Georgs Vater im Roman), ich suche und finde endlich mit Mühe den Roman in der Neuen Rundschau, hole das Heft von meinem Pult-Manuscriptenschrank […], auch eine preussische Militärmusik spielt unklar hinein, die Lunzer (Komiker) nicht leiten kann.34 Es gehört nicht allzu viel Beschlagenheit in der Traumdeutung dazu, um zu erkennen, dass Schnitzler Thomas Mann in der Gattung des Romans damals als einen ihm überle- genen Konkurrenten betrachtet haben muss. Bezeichnend ist, dass im Traum vorkommt, Thomas Mann habe „seit 99“ nichts geschrieben – also auch nicht Buddenbrooks –, und die Tatsache, dass eine „preussische Militärmusik“ eine Rolle spielt, macht deutlich, dass es bei diesem Konkurrenzverhältnis, das im Traum ins Nationale ausgeweitet wird, auch um Musik ging. Fasst man Schnitzlers Traumerzählungen als authentisch auf – und dafür spricht Vieles –,35 liegt es also nahe, anzunehmen, dass Schnitzler aus diesem Grund darauf verzichtet hat, in seinen Roman Musikbeschreibungen im Stil Thomas Manns einzufügen: ein exemplarischer Fall von nicht bewältigter Einflussangst. Einige Jahre später hat er dann jedoch eine Möglichkeit gefunden, seinem Konkurrenten auch auf dem Gebiet der Musikbeschreibung etwas entgegenzusetzen, bezeichnenderweise allerdings nicht in der Gattung des Romans, sondern in der der Novelle: Die Rede ist von seiner 1924 publizierten, als weibliches Gegenstück zu Lieutnant Gustl konzipierten Monolognovelle Fräulein Else. Im Gegensatz zu Gustl ist Else sehr musikalisch; wie es sich für eine höhere Tochter gehört, spielt sie Klavier, aber sie tut dies gerne, und die Oper liebt sie ebenfalls. In diesem Zusammenhang entscheidend ist jedoch die Stelle, an der Else den Salon des Trentiner Hotels, in dem die Handlung spielt, betritt und sich dort vor aller Augen entblößt – während jemand auf dem Klavier musiziert. Denn an dieser Stelle hat Schnitzler Noten in den Text integriert (es handelt sich um Auszüge aus Schumanns Klavierzyklus Carnaval)36 und damit einen neuen Weg bei der Bezugnahme auf Musik eingeschlagen: Schnitzler beschreibt die im Salon erklingende Musik nicht, sondern er zitiert sie. Und er ist darin – wie auch im Hinblick auf die konsequente Verwendung des Inneren Monologs – ein Pionier. James Joyce zitiert zwar ebenfalls Musik im Ulysses, aber dieser Roman war zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf Deutsch erschienen; auch Hans Henny Jahnns Perrudja, der erste deutschsprachige Roman der Moderne, der (nach dem Vorbild des Ulysses) Noten enthält, war damals noch unveröffentlicht. Vor allem aber hatte Thomas Mann bis dahin keine Notenzitate verwendet, und er hat dies auch später nie getan. Mit seinen Notenzitaten konnte Schnitzler auf dem Gebiet der musikliterarischen Intermedialität also eine echte Innovation präsentieren und Thomas Mann auf diese Wei- se etwas originelles Eigenes entgegensetzen. Über diese Innovation und ihre zahlreichen Funktionen wäre viel zu sagen,37 in diesem Zusammenhang ist aber vor allem wichtig, dass 34 Schnitzler (2012, 41). 35 Vgl. dazu das instruktive Nachwort der Herausgeber in Schnitzler (2012, 407–458). 36 Schnitzler (2002a, 68–70). 37 Und es wurde auch schon viel dazu gesagt, vgl. etwa Schneider (1969) und in jüngerer Zeit den anregenden Beitrag von Gess (2010). Peter Lang Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021)
78 | Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil Schnitzler so indirekt auf ein jeder Musikbeschreibung (und damit auch denen Thomas Manns) inhärentes Problem hingewiesen hat: dass eine Verbalisierung von Musik – und sei sie noch so virtuos – zwangsläufig eine Reduktion ihres Bedeutungsspektrums darstellt. Wer Musik beschreibt, schreibt sie auch fest. Indem er selbst die Musik aber nur zitierte, überließ Schnitzler die Deutung der Musik den Lesern und hielt ihr Bedeutungsspektrum somit programmatisch offen. III. Die Austreibung der Musikfrömmigkeit aus dem Roman: „Der Mann ohne Eigenschaf- ten“. Ein weiterer Konkurrent Thomas Manns in musicis (und nicht nur in dieser Hin- sicht) ist Robert Musil.38 Entsprechend finden sich Musikbezüge auch im Mann ohne Eigenschaften, und zwar in den Abschnitten 14 (Jugendfreunde) und 38 (Clarisse und ihre Dämonen) im ersten und zweiten Teil des ersten Buches. Beide Szenen sind wahre Kabi- nettstücke, auf die erste soll hier näher eingegangen werden.39 Zuerst zum Beginn der Szene, den man nicht anders als Absatz für Absatz, Satz für Satz lesen kann. Ulrich besucht seine Jugendfreunde Walter und Clarisse und trifft sie beim gemeinsamen Musizieren an: Jedesmal, wenn er ankam, spielten sie Klavier. Sie fanden es selbstverständlich, ihn in einem solchen Augenblick nicht zu bemerken, ehe das Stück zu Ende war. Es war diesmal Beethovens Jubellied der Freude; die Millionen sanken, wie es Nietzsche beschreibt, schauervoll in den Staub, die feindlichen Abgrenzungen zerbrachen, das Evangelium der Weltenharmonie versöhnte, ver- einigte die Getrennten; sie hatten das Gehen und Sprechen verlernt und waren auf dem Wege, tanzend in die Lüfte emporzufliegen. Die Gesichter waren gefleckt, die Körper verbogen, die Köpfe hackten ruckweise auf und nieder, gespreizte Klauen schlugen in die sich aufbäumende Tonmasse. Unermeßliches geschah; eine undeutlich umgrenzte, mit heißem Empfinden gefüllte Blase schwoll bis zum Platzen an, und von den erregten Fingerspitzen, den nervösen Runzeln der Stirn, den Zuckungen des Leibs strahlte immer neues Gefühl in den ungeheuren Privataufruhr. Wie oft hatte sich das wohl schon wiederholt?40 Unter Bezugnahme auf einen einschlägigen Prätext, und zwar Nietzsches Geburt der Tragö- die, wird hier also ein Ehepaar beim vierhändigen Spiel des vierten Satzes von Beethovens 9. Symphonie beschrieben. Mittels einer überaus plastischen Metaphorik wird das Klavier- spiel dabei als ein dionysischer Rausch, genauer: als ein vom Bett auf die Tasten verlagerter Liebesakt kenntlich gemacht. Diese Ehepartner lieben sich, indem sie gemeinsam musizieren (aber auch wohl nur in dieser Form). So weit, so brillant, aber auch so – vergleichsweise – konventionell. Ähnlich hätte Thomas Mann eine solche Szene auch erzählen können. Und anscheinend war Musil auch daran gelegen, dass seine Leser an dieser Stelle an den Nobelpreisträger dachten, zu dem er bekanntlich ein problematisches Verhältnis hatte und auf den (u. a.) wohl auch die satirische Darstellung des „Großschriftstellers“ im Mann ohne Eigenschaften gemünzt ist. Speziell auf die Musikbeschreibungen in Buddenbrooks verweist die Tatsache, dass hier wie dort am Klavier phantasiert wird und dass es hier wie dort um 38 Zu Musil und seinem zwiespältigen Verhältnis zur Musik vgl. zusammenfassend Gess (2016). 39 Dazu vgl. einlässlich Neymeyr (2005, 107–142), die die Szenen insbesondere im Spannungsfeld von Wag nerismus und Nietzscheanismus interpretiert. 40 Musil (2016, 72 f.). Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021) Peter Lang
Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil | 79 Nietzsche (und indirekt damit auch um Wagner) geht, des Weiteren erinnert die bei der Beschreibung der Musizierenden verwendete, unverhohlen sexuelle Metaphorik auffällig an die Beschreibung von Hannos erster Klavierphantasie.41 Offenbar bilden insbesondere die „Prunkszenen“ aus Buddenbrooks also die Folie dieser Szene im Mann ohne Eigenschaften, man soll sie – ähnlich wie in Buddenbrooks die Kreutzersonate – gleichsam mitlesen. Doch das, was auf diesen ersten Absatz folgt, geht dann in eine andere Richtung, eine Richtung, die Thomas Mann niemals eingeschlagen hätte. Schon der nächste Satz macht dies un- missverständlich klar: Ulrich hatte dieses stets offene Klavier mit den gefletschten Zähnen nie leiden mögen, diesen breit- mäuligen, kurzbeinigen, aus Teckel und Bulldogg gekreuzten Götzen, der sich das Leben seiner Freunde unterworfen hatte, bis zu den Bildern an der Wand und den spindeldürren Entwürfen der Kunstfabrikmöbel […].42 Was Musil hier betreibt, ist nichts anderes als der Versuch der Austreibung der Musik- frömmigkeit aus dem Roman, eine Art umgekehrter literarischer Exorzismus (nicht zufällig wird Ulrich wenig später als „böser Geist“ bezeichnet). Wiederum mit Hilfe einer überaus plastischen, jeden Illustrationsversuch von vornherein überflüssig machenden Metaphorik wird der Flügel erkennbar gemacht als der Götze, dem ein bürgerliches Ehepaar huldigt, das in der Musik eine Ersatzreligion gefunden zu haben glaubt. Doch dieser Glaube wird sogleich als eine Illusion entlarvt, und dies abermals mittels einer Metaphorik, die an Plastizität und Suggestivität kaum mehr zu überbieten ist: Jedoch die Wohnung vermochte das Klavier dröhnen zu machen und war eins jener Megaphone, durch welche die Seele ins All schreit wie ein brünstiger Hirsch, dem nichts antwortet als der wetteifernde gleiche Ruf tausend anderer einsam ins All röhrender Seelen.43 Wie der nächste Satz zeigt, geht es hier allerdings nicht nur gegen die Musikfrömmigkeit, sondern auch gegen die Musikphilosophie, zumal die deutsche: Ulrichs starke Stellung in diesem Haus beruhte darauf, daß er Musik für eine Ohnmacht des Willens und Zerrüttung des Geistes erklärte und geringschätziger von ihr sprach, als er es meinte; denn für Walter und Clarisse war sie zu jener Zeit höchste Hoffnung und Angst. Sie verachteten ihn teils dafür, teils verehrten sie ihn wie einen bösen Geist.44 Zielscheibe von Musils Spott ist hier namentlich Schopenhauer, der die Musik in Die Welt als Wille und Vorstellung als Darstellung des „Willen[s] selbst“ interpretiert hatte.45 Zugleich ist dies jedoch auch gegen Thomas Mann gerichtet, der Schopenhauer in dessen Interpre- tation der Musik gefolgt war und das auch immer wieder zum Ausdruck gebracht hatte. Wenn Musil in Bezug auf Musik nun von der „Ohnmacht des Willens“ spricht, ist dies 41 Vgl. Mann (2002, 556 f.). 42 Musil (2016, 73). 43 Musil (2016, 73). 44 Musil (2016, 73 f.). 45 Schopenhauer (1993, 582). Peter Lang Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021)
80 | Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil darum auch als ein Seitenhieb gegen Thomas Mann zu verstehen, dem er auf diese Weise unterstellt, sich ein unhaltbares Philosophem zu Eigen gemacht zu haben. Aber die Szene erschöpft sich nicht in Spott und Kritik, wie man erkennt, wenn man sich ihre Faktur etwas genauer ansieht. Zunächst ist hervorzuheben, dass Musil die Musik- beschreibung nicht verweigert (wie Heinrich Mann), dass er sie nicht umgeht (wie Schnitzler im Weg ins Freie) und dass er sie auch nicht durch das Musikzitat ersetzt (wie Schnitzler in Fräulein Else). Was er bietet, ist ein selbstbewusster Gegenentwurf zu den Musikbeschrei- bungen Thomas Manns, bei dem es vor allem auf die andersartige Machart ankommt. Dass Thomas Manns Musikbeschreibungen sich durch ihre besondere Musikalität auszeichnen, ihre Anhörlichkeit, wurde gesagt. Im Hinblick auf diese Passage des Mannes ohne Eigen- schaften muss man hingegen von einer besonderen Visualität sprechen, von Anschaulichkeit, und zwar im wörtlichen Sinn: Musil verzichtet demonstrativ auf alles sprachliche Musizieren im Stile Thomas Manns und setzt ein virtuoses sprachliches Visualisieren von Musik an dessen Stelle. Gewissermaßen ersetzt er das Sinnesorgan Ohr durch das Sinnesorgan Auge, und zweifellos tut er dies in programmatischer Absicht. Musils Musikbeschreibung lesend, meint man entsprechend keine Musik zu hören, sondern zu sehen, und zwar mit großer Tiefenschärfe. Denn Musil visualisiert ja nicht nur musikalische Vorgänge, sondern auch und vor allem die mit ihnen verbundenen Diskurse und Praktiken. Er wendet gleichsam einen Röntgenblick an auf die Musik und diejenigen, die sie machen. Und so wird diese Musikbeschreibung zu einer beeindruckenden Demonstration der Möglichkeiten von Musils Romanprosa: Er führt darin vor, wie man Musik im Roman behandeln kann, ohne gleichzeitig ihrer Macht zu erliegen. Oder, mit anderen Worten: Er führt vor, wie man sich die „heilige Kunst“ mit den Mitteln der Literatur vom Leibe halten kann. Auch das aber ist ein Beitrag zu dem Wettstreit, den eine (noch zu erweiternde) Reihe von Autoren damals um die Musik führte und der sich literaturgeschichtlich als äußerst produktiv erwiesen hat. Literaturverzeichnis Ansel, Michael, Hans-Edwin Friedrich, Gerhard Lauer (2009) (Hrsg.): Die Erfindung des Schrift- stellers Thomas Mann. Berlin, Boston. Augustinus (2008): Confessiones Liber X et XI. Bekenntnisse 10. und 11. Buch. Lateinisch/Deutsch. Übersetzt, hrsg. u. kommentiert v. K. Flasch. Stuttgart. Aurnhammer, Achim, Dieter Martin, Günter Schnitzler (2014) (Hrsg.): Arthur Schnitzler und die Musik. Würzburg. Fliedl, Konstanze (2005): Arthur Schnitzler. Stuttgart. Gess, Nicola (2010, 139–168): Intermedialität reconsidered. Vom Paragone bei Hoffmann bis zum Inneren Monolog bei Schnitzler. In: Poetica. Zeitschrift für Sprach- und Literaturwissenschaft 42. – (2016, 684–687): „Musik“. In: Robert Musil-Handbuch. Hrsg. v. B. Nübel, N. C. Wolf. Berlin, Boston. Görner, Rüdiger (2015, 251 f.): „Musik“. In: A. Blödorn, F. Marx (Hrsg.): Thomas Mann Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart. Hoffmann, E.T.A. (1993): Fantasiestücke in Callot’s Manier. Werke 1814. Hrsg. v. H. Steinecke unter Mitarbeit v. G. Allroggen u. W. Segebrecht. Frankfurt a. M. Hofmannsthal, Hugo von (1985): Ariadne auf Naxos. Oper in einem Aufzuge nebst einem Vorspiel. Neue Bearbeitung. Hrsg. v. M. Hoppe. Frankfurt a. M. Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021) Peter Lang
Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil | 81 Huber, Martin (1992): Text und Musik. Musikalische Zeichen im narrativen und ideologischen Funk- tionszusammenhang ausgewählter Erzähltexte des 20. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. u. a. Kablitz, Andreas (2017, 107–172): Europäischer Wagnerismus. In: O. Höffe, A. Kablitz (Hrsg.): Euro- päische Musik – Musik Europas. Paderborn. Kant, Immanuel (1996): Kritik der Urteilskraft. Schriften zur Ästhetik und Naturphilosophie. Hrsg. v. M. Frank, V. Zanetti. Frankfurt a. M. Koppen, Erwin (1973): Dekadenter Wagnerismus. Studien zur europäischen Literatur des Fin de Siècle. Berlin. Krämer, Jörg (2019, 375–395): Thomas Mann über Richard Wagner, vonseiten der Musik betrachtet. In: Ders.: „Die wahrste aller Formen“ – Musiktheater als Herausforderung der Literaturwissen- schaft. Berlin u. a. Lubkoll, Christine (1995): Mythos Musik. Poetische Entwürfe des Musikalischen in der Literatur um 1800. Freiburg i. B. Ludwig, Ariane (2012): Opernbesuche in der Literatur. Würzburg. Mann, Heinrich (1991): Der Untertan. Roman. Mit einem Nachwort und Materialienanhang v. P.-P. Schneider. Frankfurt a. M. Mann, Thomas (1975): Briefe an Otto Grautoff (1894–1901) und Ida Boy-Ed (1903–1928). Hrsg. v. P. de Mendelssohn. Frankfurt a. M. – (2002): Buddenbrooks. Verfall einer Familie. Roman. Hrsg. u. textkritisch durchgesehen v. E. Heft rich unter Mitarbeit v. S. Stachorski u. H. Lehnert. Frankfurt a. M. – (2004): Frühe Erzählungen. 1893–2012. Hrsg. u. textkritisch durchgesehen v. T. J. Reed unter Mit- arbeit v. M. Herwig. Frankfurt a. M. Mertens, Volker (2006): Groß ist das Geheimnis. Thomas Mann und die Musik. Leipzig. Musil, Robert (2016): Der Mann ohne Eigenschaften. Roman. Hrsg. v. W. Fanta. Salzburg, Wien. Bd. 1. Neymeyr, Barbara (2005): Psychologie als Kulturdiagnose. Musils Epochenroman Der Mann ohne Eigenschaften. Heidelberg. Nietzsche, Friedrich (1999): Der Fall Wagner. Götzen-Dämmerung. Der Antichrist. Ecce Homo. Dionysos-Dithyramben. Nietzsche contra Wagner. Kritische Studienausgabe. Hrsg. v. G. Colli u. M. Montinari. Neuausgabe. München. Odendahl, Johannes (2008): Literarisches Musizieren. Wege des Transfers von Musik in die Literatur bei Thomas Mann. Bielefeld. Reckow, Fritz (1971): „Unendliche Melodie“. In: H.-H. Eggebrecht (Hrsg.): Handwörterbuch der mu- sikalischen Terminologie. Wiesbaden. Schneider, Gerd K. (1969, 17–20): Ton und Schriftsprache in Schnitzlers Fräulein Else. In: Modern Austrian Literature 2, H. 3. Schnitzler, Arthur (2002a): Fräulein Else. Hrsg. v. J. Pankau. Stuttgart. – (2002b): Der Weg ins Freie. Roman. 7. Aufl. Frankfurt a. M. – (2012): Träume. Das Traumtagebuch 1875–1931. Hrsg. v. P. M. Braunwarth u. L. A. Lensing. Göttingen. Schopenhauer, Arthur (1993): Die Welt als Wille und Vorstellung. Gesamtausgabe in zwei Bänden nach der Edition v. A. Hübscher u. mit einem Nachwort v. H. G. Ingenkamp. Stuttgart. Tolstoj, Leo N. (1984): Die Kreutzersonate. Erzählung. Aus dem Russischen v. A. Luther. Mit Illus trationen v. H. Steiner-Prag. Frankfurt a. M 1984. Vaget, Hans Rudolf (2006): Seelenzauber. Thomas Mann und die Musik. Frankfurt a. M. Valk, Thorsten (2008): Literarische Musikästhetik. Eine Diskursgeschichte von 1800 bis 1950. Frank- furt a. M. Wolf, Werner (1999): The Musicalization of Fiction. A Study in the Theory and History of Interme- diality. Amsterdam, Atlanta/GA. Peter Lang Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021)
82 | Frieder von Ammon: Konkurrenten in musicis. T. Mann, A. Schnitzler, R. Musil Abstract Der Beitrag geht der Frage nach, wie die Intensität der musikliterarischen Intermedialität in der deutsch- sprachigen Erzählliteratur der Moderne erklärt werden kann. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Musikbezüge und insbesondere die Musikbeschreibungen in den Texten Thomas Manns, mit denen sich andere Autoren in der Folge auseinanderzusetzen hatten. Dabei ist eine produktive Konkurrenz- situation entstanden, die im Beitrag anhand von Texten Manns, Schnitzlers und Musils untersucht wird. The present contribution asks how the intensity of musico-literary intermediality in narrative texts of German modernism can be explained. Crucial are the references to and descriptions of music in the texts of Thomas Mann which other authors had to face. The result was a specific competitive situation with productive potential. It is examined on the basis of texts by Mann, Schnitzler, and Musil. Keywords: musikliterarische Intermedialität, Musikbeschreibung, Notenzitat, Wagnerismus Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Frieder von Ammon, Universität Leipzig, Philologische Fakultät, Institut für Germanistik, Beethovenstraße 15, D–04107 Leipzig, Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXXI (2021) Peter Lang
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