Konstruierte Feuchtgebiete zur passiven Reinigung von Grubenwasser - TU Bergakademie Freiberg Institut für Geologie Oberseminarreihe 2002/03 ...

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Konstruierte Feuchtgebiete zur
   passiven Reinigung von
        Grubenwasser

         TU Bergakademie Freiberg
            Institut für Geologie
         Oberseminarreihe 2002/03
               Juliane Becker
       Betreuer: Dr. Ch. Wolkersdorfer
TU Bergakademie Freiberg, Institut für Geologie                  Oberseminarvortrag “Konstruierte Feuchtgebiete”

1. EINLEITUNG
Bei konstruierten Feuchtgebieten handelt es sich um einfache, flache Wasserkörper mit mehr oder weniger
dichtem Bewuchs, die entweder künstlich geschaffen oder teilweise auch natürlich vorkommend zur
Wasserreinigung genutzt werden. Das durch sie hindurchgeleitete Schmutzwasser wird dabei passiv
gereinigt. Folgende Definition für passive Reinigung stammt von William Pulles aus Südafrika und wurde
nachfolgend durch das PIRAMID Projekt (Passive In Situ Remediation of Acid Mine/Industrial Drainage)
der Europäischen Union noch einmal formell angepasst:

“Passive Behandlung ist die bewusste Verbesserung der Wasserqualität in Systemen, die nur selten aber
regelmäßig Instandhaltungsarbeiten benötigen, um über die gesamte geplante Zeit effektiv zu arbeiten, wobei
nur natürlich verfügbare Energiequellen (Gravitation, mikrobielle Stoffwechselenergie, Photosynthese)
genutzt werden.”

Diese Definition zeigt, dass passive Behandlungstechnologien natürliche Materialien nutzen, um chemische
und biologische Prozesse zu fördern. Weder die verwendeten Materialien noch die Produkte der großen
Mehrheit der passiven Behandlungssysteme sind umweltgefährdend. Außerdem ist es möglich passive
Systeme, die Jahre bis Jahrzehnte arbeiten sollen, mit minimalem Eingreifbedarf für die Betreiber und
minimalem Kostenaufwand zu betreiben.
Neben der Behandlung von Abwasser, Regenwasser und landwirtschaftlichem Abfluss werden konstruierte
Feuchtgebiete seit einigen Jahren auch zur Reinigung von Grubenwasser eingesetzt.

2. EINBLICK IN DIE GESCHICHTE DER PASSIVEN GRUBENWASSERBEHANDLUNG
Passive Grubenwasserbehandlungssysteme unterscheiden sich deutlich in Form und Funktion von den
analogen Systemen, welche zum Beispiel städtische Abwässer behandeln. Die Wurzeln der heutigen Systeme
gehen auf zwei unabhängige Erkenntnisse um 1980 aus dem Osten der USA zurück, wo der positive Effekt
von Sphagnum Moor auf die Qualität des Kohlengrubenwassers beobachtet werden konnte, welches durch
das Moor hindurch floss. Die Berichte und Veröffentlichungen des Konzepts der passiven Behandlung
resultierten in den ersten Versuchen Feuchtgebiete zu konstruieren, um Grubenwasser zu behandeln. Zu
Beginn wurden dabei meist Nachahmungen der Sphagnum Moore konstruiert. Da jedoch das Sphagnum
Moos nicht immer erhältlich sowie schwer anzupflanzen war, wurden verschiedene Experimente mit anders
konstruierten Feuchtgebieten durchgeführt.
1990 kam es dann europaweit zu zahlreichen Bergwerksschliessungen. Es fand eine Flutungsbedingte
Kontamination von Oberflächen- und Grundwasser statt. Diese Grubenwässer tragen für Jahre bis Jahrzehnte
sehr hohe Schadstofffrachten mit sich, so dass ein starkes Interesse an Forschung bezüglich

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Alternativen zu den konventionellen, kostenintensiven Reinigungssystemen entstand. 1994 gab dann das
“US Bureau of Mines” ein Handbuch zur passiven Behandlung verunreinigter Grubenwässer aus dem
Kohlenbergbau heraus und Ende 1997 arbeiteten in Großbritanien acht passive Wasserreinigungsanlagen.
2002 existierten bereits 28 Anlagen (davon fünf experimentelle), wobei abgesehen von zweien alle in
gefluteten Bergwerken installiert waren bzw. sind.
Heute ist man in der Arbeit mit Feuchtgebieten bereits soweit vorangeschritten, dass die Techniken zur
Remobilisierung von Eisen aus acidischen und alkalischen Grubenwässern mit Vertrauen eingesetzt werden
können. Systeme für die Remobilisierung der meisten anderen Schadstoffe werden weniger regelmäßig
eingesetzt und verlangen daher noch aktive Forschung, da sie noch zu signifikanten Unsicherheiten neigen.

3. GEOCHEMIE DER GRUBENWÄSSER

3.1 Definitionen
• Der Ks-Wert (Säurekapazität) gibt an, wieviel Säure eine Wasserprobe bis zu dem Umschlagpunkt des
   Indikators Methylorange (pH 4,3) aufnimmt. In der Englischen Literatur wird dieser Wert auch als
   Alkalität (alkalinity) bezeichnet.
• Der Kb-Wert (Basekapazität) gibt die Menge an Base an, die bis zu dem Umschlagpunkt des
   Phenolphtaleins (pH 8,2) verbraucht wird. In der Englischen Literatur wird dieser Wert auch als Acidität
   (acidity) bezeichnet.

3.2 Mineralverwitterung als eine Quelle der Grubenwasserkontamination
Kontaminiertes Grubenwasser entsteht, wenn Gesteine, welche (Di)Sulfidminerale enthalten, mit Wasser und
Sauerstoff in Kontakt kommen und Verwitterungsprozesse einsetzen. Das Resultat ist eine Erniedrigung des
pH-Wertes und eine ansteigende Konzentration von Metallionen sowie Sulfat im Wasser. Unter ungestörten
Bedingungen existiert ein nur minimaler Kontakt zwischen Gestein und Sauerstoff, so dass die Minerale
chemisch nahezu stabil sind und die Säureproduktion somit sehr gering ist. Durch die Aktivitäten des
Bergbaus werden die Gesteine den Elementen Wasser und Luft ausgesetzt, sodass die festen Phasen
chemisch instabil werden.
Bereits geringe Mengen an Disulfidminerale, gewöhnlich nur wenige Gewichtsprozent in den Erzen, Kohlen
bzw. Bergbauabfällen, haben das Potential signifikante Umweltbelastungen auszulösen, die Jahre bis
Jahrzehnte andauern können.
Die Kontaminationsfracht des Grubenwassers (Schwermetalle, Säure, Sulfate) hängt vor allem von den
Redoxverhältnissen, der Verwitterungsrate sowie dem Sauerstofftransport.
Schadstoffquellen liegen überwiegend in der Pyritverwitterung, durch welche Säure produziert wird sowie in
der Sulfidverwitterung, die Metallionen freisetzt.

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Pyritverwitterung
Die Pyritverwitterung setzt bei Kontakt der pyritführenden Gesteine mit Sauerstoff und Wasser ein,
produziert Sulfat (SO42-), gelöstes Eisen sowie eine große Menge an Wasserstoffionen.

(1) * FeS2 + 7 O2(aq) + 2 H2O → 2 Fe2+ + 4 SO42- + 4 H+
(2) * 2 Fe2+ + ½ O2 + 2 H+ → 2 Fe3+ + H2O
(3) 2 Fe3+ + 6 H2O → ↓ 2 Fe(OH)3(s) + 6 H+
(4) 14 Fe3+ + FeS2 + 8 H2O → 15 Fe2+ + 2 SO42- + 16 H+
    •     (2) bis (4) Autokatalyse
    •    (1) und (2) mikrobiell katalysiert, 6000 bis 60000 fachen Verschnellerung der Reaktion

Durch die Produktion der Wasserstoffionen kann es zu einer pH-Wert Absenkung bis zu -3,6 kommen. Die
zumeist hohe Basekapazität der Grubenwässer wird demzufolge durch die Pyritverwitterung ausgelöst.
Solche Grubenwässer mit niedrigen pH-Werten werden auch als “saure Wässer” bezeichnet.
Die innerhalb der Abwasserleitungen der Bergwerke oft zu beobachtenden gelb bis rotbraunen
Oberflächenablagerungen entstehen durch die Ausfällung des Eisenhydroxides unter aeroben Bedingungen.
Diese Eisenhydroxidablagerungen werden als Ocker bezeichnet.
Das Problem der Pyritverwitterung besteht darin, dass mit sinkendem pH-Wert toxische Metallionen besser
löslich sind. Somit ist die Löslichkeit, Mobilität sowie Bioverfügbarkeit der Metallionen stark vom pH-Wert
abhängig, welcher also die Schadstofffreisetzung kontrolliert. Er wird daher auch als “Master Variable”
bezeichnet wird.

3.4 Freisetzung der Metallionen
Die Freisetzung der Metallionen resultiert aus der Verwitterung der Sulfiderze, die Minerale wie Sphalerit
(ZnS), Galenit (PbS) und Arsenopyrit (FeAsS) enthalten. Dabei werden toxische Schwermetalle (Zn2+, Pb2+,
Ni2+, Cd2+, Cu2+, Fe2+) sowie Sulfat freigesetzt. Je nach pH-Wert dominieren dabei unterschiedlich gelöste
Metalle (“Spezies”). Für die Grubenwasserreinigung resultiert daraus das Problem, dass zum Beispiel Eisen
und Aluminium bei unterschiedlichen pH-Werten löslich und somit nicht zusammen aus dem Wasser
entfernbar sind. Insgesamt mobilisieren saure Wässer in der Regel größere Mengen Metallionen als basische.

3.5 Natural attenuation
Es gibt Minerale, welche durch ihre Verwitterung den pH-Wert puffern und somit erhöhen. Die Senkung der
Basekapazität durch den Abbau solcher Minerale bezeichnet man als “natural attenuation” (natürliche
Selbstreinigung). Zu jenen gehören Carbonate sowie Silikate (Feldspäte, Glimmer).

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Zum Beispiel werden bei der Lösung von Calcit Protonen verbraucht und Calcium sowie Hydrogencarbonat
freigesetzt:

(1) CaCO3 (s) + H+ Ù Ca2+ + HCO3-

Der pH-Wert eines Grubenwassers resultiert immer aus der Mischung von Wässern, die in Kontakt mit Pyrit
sowie in Kontakt mit Karbonaten und Silikaten stehen. In Abwesenheit von letzteren kommt es zu einem
niedrigen pH-Wert, der die Ausfällung von Metallionen verhindert. Die Neutralisation saurer Wässer, unter
anderem durch die Verwitterung puffernder Minerale, demobilisiert in der Regel die Metallfrachten.

3.6 Grubenflutung
Grubenflutungen dienen der Stabilisierung des Grubengebäudes und der Vermeidung der Pyritverwitterung.
Somit muss die Flutung dauerhaft sein, so dass kein frischer Sauerstoff zugeführt wird (“Verschlusssystem”).
Nach der Flutung der Grube können in der Regel zwei Szenarien beobachtet werden. Der häufiger
auftretende, auf den sich dieser Bericht begrenzt, wird als “first flush” bezeichnet. Dabei folgt dem raschen
Anstieg der Schadstoffe bis zu einem lokalen Maximum (= first flush) des Grubenwassers eine längere
Phase, die auf eine Gleichgewichtseinstellung mit relativ niedriger Schadstofffracht hinweist.

Abb.1: „first flush“ (aus Wolkersdorfer und Younger)

Der “first flush” kann durch zwei nach der Grubenflutung auftretende Prozesse erklärt werden:
(1) Schnelle Lösung von Hydroxosulfaten während des Flutungsvorganges. Diese leicht löslichen Minerale
   bildeten sich im Grubengebäude durch Disulfidoxidation an den durch Luftfeuchtigkeit und
   Luftsauerstoff zugänglichen Stellen.

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(2) Allmähliche Auswaschung der Mineralphasen und Anreicherung im ansteigenden Grubenwasser während
   des Flutungsvorganges durch frisch in das Grubengebäude einsickernde Sickerwässer.
Diese Verhältnisse werden sich immer dann einstellen, wenn die Menge des vorhandenen oxidierbaren
Disulfids im Grubengebäude durch die Menge an neutralisierenden Mineralphasen in der gesättigten Zone
weit übertroffen wird.

Grubenwässer mit hohen Schadstofffrachten müssen vor der Einleitung in die Vorflut auf ein ökologisch und
ökonomisch annehmbares Maß gereinigt werden. Eine der dafür genutzten Technologien ist die der
konstruierten Feuchtgebiete.

4. FEUCHTGEBIETSTYPEN
Feuchtgebiete sind in drei Arten unterteilbar, die sich in Form, Funktion und Anwendung stark
unterscheiden.
a) Aerobe Feuchtgebiete (“reed beds”)
b) Kompostfeuchtgebiete (“anaerobe Feuchtgebiete”)
c) Gemischte Kompost-/Karbonatsysteme (“Reduction and Alcalinity Producing Systems”)

4.1 Aerobe Feuchtgebiete (“reed beds”)
Bei aerobe Feuchtgebieten handelt es sich um Flachwassersysteme mit einer Tiefe von 15 bis 50
Zentimetern. Sie können als “geprüfte” Technologie bezeichnet werden, wenn sie für die Behandlung von
eisenreichen, alkalischen Grubenwässern mit einem pH-Wert um 6,5 eingesetzt werden. Ebenso sind sie
erfolgreich in der Beseitigung von Mangan aus alkalischen Wässern, obgleich nur fünf Prozent der Rate von
Eisen entfernt werden. Die Eisenausfällungsraten betragen 10 bis 20 g/m²*d. Diese Rate spielt eine wichtige
Rolle bei der Größenberechnung der Feuchtgebiete.
Ein ausschlaggebender Faktor für die erfolgreiche Anwendung der aeroben Feuchtgebiete ist die Dominanz
von oxidativen, hydrolytischen Prozessen gekoppelt mit verschiedenen Fällungsvorgängen. Da das Resultat
der chemischen Reaktionen unter anderem die Freisetzung von Protonen ist, werden aerobe Feuchtgebiete
nur für die Beseitigung von Metallen aus alkalischen Wässern empfohlen. Würde ein Grubenwasser mit
einem niedrigen pH-Wert der oxidativen Hydrolyse unterworfen werden, würde jener auf einen Wert
abfallen (
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Wie erkennbar ist, spielen Pflanzen eine zentrale Rolle bei der Sedimentation des Eisens bzw. anderer
Metalle. Schilfrohr und Binsen werden bevorzugt in Feuchtgebieten zur Grubenwasserreinigung angebaut.
Sie erniedrigen die Fließgeschwindigkeit, wodurch eine Ausfällung der Metalle mit ihren relativ niedrigen
Reaktionsgeschwindigkeiten gefördert wird. Für Mikroorganismen bieten sie eine größere Oberfläche, an
denen jene ihre Reaktionen katalysieren können. Außerdem werden Humin- und Fulvinsäuren durch die
Pflanzen freigesetzt, welche als Bindungspartner die Fällung begünstigen. Der mikrobielle Abbau
abgestorbener Biomasse stellt eine weitere Quelle für die Alkalität dar.

Um ein aerobes Feuchtgebiet funktionstüchtig und lange zu betreiben, müssen bestimmte Grundsätze bei
dessen Bau beachtet werden.
1. Das Bodensubstrat sollte eine unebene Oberfläche besitzen, damit sich nach Einlassen des Wassers ein
   Gebiet aus Inseln, reich bewachsenen flachen und tiefen pflanzenlosen Teichen herausbildet. Damit wird
   einerseits eine Auswahl an Lebensräumen für Pflanzen und Tiere geschaffen und andererseits durch die
   Herabsetzung der Fliessgeschwindigkeit eine Verbesserung der Behandlungseffizienz erreicht.
2. Die Wasserbecken sollten ein Gefälle von 1:3 oder weniger besitzen. Steilere Neigungen sind für die
   meisten Tiere nur von geringem Nutzen.
3. Hohe Bäume an den Grenzen des Feuchtgebietes sind ungünstig, da deren Schatten das Wachstum der
   Pflanzen behindert. Niedrigere Sträucher sind vorteilhafter.
4. Beton ist oft unvermeidlich, wenn ein stabiler Rand konstruiert werden soll. In Grubenwasserfeucht-
   gebieten muss der Beton dabei auf sulfatresistentem Zement basieren bzw. mit einer säureresistenten
   Bitumenschicht gestrichen werden.
5. Die Nutzung von Geotextil-Hüllen zur Abdichtung sollte gut überlegt sein. Deren Anschaffung und
   Einbau erhöhen die Kosten erheblich, und sie sind leicht zerstörbar. Die Verdichtung des vorhandenen
   Bodens oder die Einbringung und Kompaktion von Ton ist zu bevorzugen.
6. Es sollte vermieden werden ingenieurtechnisch konstruierte, rechtwinklige Bassins einzufügen. Diese
   quadratischen Ecken sind stagnierende Zonen, die nur wenig zum Behandlungsprozess beitragen.
7. Das einströmende Wasser sollte durch Einfliesspunkte gleichmäßig über die Fläche des Feuchtgebietes
   verteilt werden. Bei überwiegend geringen Fliessbewegungen ist dies nicht notwendig.

Abb.2: Aerobes Feuchtgebiet (aus Wolkersdorfer und Younger, 2002)

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4.2 Anaerobe Feuchtgebiete (“Kompostfeuchtgebiete”)
Kompostfeuchtgebiete werden zur passiven Behandlung von Grubenwässern mit einem pH kleiner 5,6
genutzt. Äußerlich sehen sie den aeroben Feuchtgebieten sehr ähnlich. Sie unterscheiden sich jedoch
aufgrund einer zusätzlichen 30 bis 60 Zentimeter dicken, anoxischen Schicht organischen Materials. Dabei
kann es sich um Pilzkompost, Pferdedung, Kuhdung, Rindenmulch und/oder Stroh handeln. Das darüber
liegende Flachwassersystem hat eine Mächtigkeit von null bis zehn Zentimeter.
Bei dem Durchfließen des Kompostmaterials werden durch die bakterielle Sulfatreduktion Protonen
verbraucht und die Acidität des Grubenwassers abgebaut. Die Sulfatreduktion entfernt ebenso einiges Eisen
und Zink, indem es diese zu ihren Sulfiden reagiern lässt, zum Beispiel Fe2+ zu Pyrit (FeS2). Der Anstieg des
pH-Wertes trägt dazu bei Aluminium als Hydroxid und Mangan als Oxid oder Carbonat auszufällen. Die
Eisenausfällungsrate liegt für Kompostfeuchtgebiete bei drei bis sieben g/m² pro Tag. Sie ist eine wichtige
Grundlage für die zu kalkulierende Fläche des Feuchtgebietes.
Diese Art von Feuchtgebiet weist einen Oberflächenabfluss auf. Es könnte folglich die Vermutung entstehen,
dass viel Wasser an dem reaktiven Substrat vorbei fließt. In der Praxis sieht dies allerdings anders aus. Es
besteht aufgrund der molekularen Dispersion und dem Durchfließen des Substrates ein kontinuierlicher
Lösungsaustausch zwischen dem Substrat und dem Oberflächenwasser. Die Grenzfläche zwischen dem
organischen Substrat und dem offenen Wasser ist der Ort im Feuchgebiet, an dem die meisten dynamischen
Prozesse ablaufen, welche die Schwermetalle und die hohe Acidität abbauen. Dies zeigt auch der starke
Konzentrationsgradient, der in dieser Grenzzone auftritt. Er agiert als Puffer zwischen der großen oxidativen
Oberfläche und dem anoxischen Wasser im Substrat.
Die Konstruktionspraxis für Kompostfeuchtgebiete ist ähnlich der der aeroben Feuchtgebiete. Es existieren
jedoch auch Unterschiede. Am offensichtlichsten erscheint dabei die Kompostschicht, welche rund
0,5 Meter dick sein sollte. Der Kompost muss locker ausgebracht sein und Kompaktion vermieden werden.
So wird die Durchlässigkeit so hoch wie möglich gehalten. Das Material sollte bevorzugt alkalischer Natur
sein und auf keinen Fall starke organische Säuren in die Lösung freisetzen. Außerdem muss es sulfat-
reduzierende Bakterien enthalten jedoch keine gefährlichen Viren. Es muss weiterhin sichergestellt werden,
dass das Substrat zu jeder Zeit geflutet ist, damit die Oxidation der sulfidischen Feststoffe vermieden wird,
welche im Kompost angereichert sind. Pflanzen sind nicht strikt notwendig, da die Wasser-Substratgrenze
als hauptsächliches Interaktionsgebiet der Schlüssel dieses Behandlungssystems ist. Trotzdem werden sie (z.
B. Schilfrohr) genutzt, um die Fliessgeschwindigkeit des Wassers herabzusetzen. Außerdem enthalten die
Wurzeln dieser Pflanzen genau die organischen Verbindungen (z. B. Acetat), welche den sulfatreduzierenden
Bakterien als Metabolite dienen. Andererseits muss bedacht werden, dass die Wurzelsysteme durch die
Abgabe von Sauerstoff die Aktivität der anaeroben Bakterien hemmen.
Das Resultat dieser verschiedenen Einflüsse ist die komplexe, zeitlich dynamische Ansammlung von
biochemischen Reaktionen, von denen einige die Wasserqualität verbessern und andere die Wasserqualität
verschlechtern. Ob das Wasser, welches in das Feuchtgebiet eintritt, von der Qualität her besser ist als das,

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welches austritt, hängt von der relativen Prädominanz der konkurrierenden Redoxreaktionen ab. Scheinbar
überwiegen jedoch die anaeroben Reaktionen die meiste Zeit im größten Teil des Feuchtgebietes. Da
Kompostfeuchtgebiete jedoch selten mehr als 20 Prozent der Sulfatladung, die sie erhalten, entfernen,
scheinen die Reaktionen sehr fein ausbalanciert zu sein. Wegen dieser Unsicherheiten sollte die Nutzung
von Kompostfeuchtgebieten auf Fälle beschränkt werden, in denen alternative Techniken, wie zum Beispiel
RAPS-Systeme nicht praktizierbar sind.

Abb.3: Kompostfeuchtgebiet (aus Wokersdorfer und Younger, 2002)

4.3 Reduction and Alkalinity Producing Systems (RAPS)
RAPS-Systeme wurden in den frühen 90er Jahren in den USA zur Behandlung von acidischen
Grubenwässern eingeführt. Es handelt sich dabei um eine Kombination von anoxischen Karbonatkanälen
(Anoxic Limestone Drains) mit einer überlagernden Kompostschicht. Letztere dient dazu, dem Wasser
gelösten Sauerstoff zu entziehen sowie Fe3+ zu Fe2+ zu reduzieren, bevor es mit dem Karbonataggregat in
Kontakt kommt. Darüber hinaus werden in der Kompostschicht auch bedeutende Mengen des Eisens als
Sulfide ausgefällt. In der Karbonatschicht werden die Protonen durch die Karbonatlösung verbraucht, so dass
der pH-Wert ansteigt und Hydrogencarbonat produziert wird. Die Aluminiumentfernung tritt in RAPS-
Systemen vorrangig durch die Hydroxidausfällung im Kompostsubstrat und in der Kalkschicht auf.
Problematisch wird es, wenn die Akkumulation der Hydroxide zu einer Verstopfung des Systems führt. Da
jedoch über diese Tatsache gewöhnlich nichts zu lesen ist, wird der größte Teil des Aluminiumhydroxids die
Lösung in der Kompostschicht verlassen.
Das Wasser fließt gravitativ durch das Feuchtgebiet und somit durch den Kompost und das Carbonat. Der
hydraulische Gradient sollte etwa 1,5 Meter betragen. 2,5 Meter sind zu bevorzugen. Somit zwingen die
RAPS-Systeme das gesamte Wasser sowohl durch den Kompost als auch durch das Karbonat zu fließen. Sie
arbeiten daher viel effizienter als Kompostfeuchtgebiete und benötigen weniger Fläche, um die gleiche
Behandlungseffizienz zu erreichen. Wo die Konstruktion eines RAPS-Systems also möglich ist, sollte es
dem Kompostfeuchtgebiet vorgezogen werden. Dabei müssen einige Dinge beachtet werden. Die Größe des
Karbonataggregates muss so kalkuliert werden, dass eine Retentionszeit für das Wasser von minimal 14
Stunden erreicht wird. Ein vertikaler Durchmesser von 0,5 Metern oder mehr ist für diese Schicht
anzustreben. Länge und Breite können dann anhand der zur Verfügung stehenden Fläche und des
Anlagenaufbaus festgelegt

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werden. Das Karbonat wird am besten in einem Becken von verdichtetem Ton gelagert. Wenn dies nicht
möglich ist, kann auch eine künstliche Abdichtung (z. B. PVC-Folie) genutzt werden. Der Kalkstein sollte
durch eine mindestens 0,5 Meter dicke Kompostschicht bedeckt werden. Die erforderlichen Eigenschaften
für das Kompostsubstrat sind gleich denen der Kompostfeuchtgebiete. Am wichtigsten ist, dass die Lagune
soviel Freibord wie möglich hat, so dass Verstopfungen des Systems durch die Druckerhöhung selbst
kompensiert werden können. Wo die Grubenwasserquelle eine große Variabilität in der Fliessrate aufweist,
sollten Stufen eingebaut werden, um einen gleichmäßigen Wasserzufluss in das System zu gewährleisten.
Wenn ein RAPS-System nach den oben genannten Vorschriften konstruiert wird, sollte es in der Lage sein
zwischen 150 und 300 mg/l CaCO3-Alkalität hervorzubringen. Wenn dies nicht ausreicht, um das Wasser zu
neutralisieren, dann müssen mehrere RAPS-Systeme in Serie geschaltet werden, mit zwischenliegenden
Sedimentationsteichen, um die Eisenhydroxide auszufällen.
Erfahrungsgemäß beträgt die Lebenszeit eines RAPS 15 bis 20 Jahre.

Abb.4: RAPS-System (aus Wolkersdorfer und Younger, 2002)

Vor- und Nachteile konstruierter Feuchtgebiete
Konstruierte Feuchtgebiete sind die am häufigsten genutzte passive Technologie zur Behandlung von
Grubenwasser. Dafür gibt es verschiedene Gründe.
1. Ihre exzellente Reinigungsleistung bei der Behandlung von alkalischem Grubenwasser, in dem der
   einzige problematische Schadstoff das Eisen ist. Die dabei angewendete Form ist heute bereits soweit
   verbreitet und erfolgreich, dass sie als “geprüfte Technologie” bezeichnet werden kann.
2. Die generell geringen laufenden Kosten im Vergleich zu aktiven Systemen.
3. Die Möglichkeit großer Feuchtgebiete, mit unvorhergesehenen Fluktuationen von Umweltbedingungen
   zurechtzukommen und das bereitgestellte flexible Speichervolumen.
4. Die Umweltattraktivität von Feuchtgebieten, als Lebensraum für Tiere und Pflanzen und als reizvolles
   Landschaftsgebiet für Besucher. Meist sind sie direkt in das umgebende Ökosystem integrierbar, und ihre
   äußere Erscheinung ist oft angenehmer und angepasster, als die aktiver Systeme.
5. Die Nutzung natürliche Materialien.
6. Wenn ein Feuchtgebiet sinnvoll entworfen und gut konstruiert ist, kann es lange Zeit unbeaufsichtigt
   arbeiten.

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Natürlich sind Feuchtgebiete kein Allheilmittel für die Reinigung von Grubenwässern. Ebenso existieren
Negativbeispiele von nicht funktionstüchtigen Feuchtgebieten, was jedoch meist auf eine falsche
Anwendungen der Technologien zurückzuführen ist.
Folgende Nachteile sind bei der Verwendung eines konstruierten Feuchtgebietes zu beachten:
1. Die Technologie ist relativ neu, so dass bei komplizierten Grubenwässern Erfahrungen fehlen.
2. Ein Feuchtgebiet verlangt relativ hohe Konstruktionskosten.
3. Es kann nicht von einem Tag auf den anderen in die Systemprozesse eingegriffen werden. So ist eine
   präzise Kontrolle der Einlasswerte nicht möglich. Das kann problematisch in Bezug auf vorgeschriebene
   Grenzwerte bei der Einleitung in die Vorflut werden.
4. Es werden große Flächen benötigt.

6. ZUSAMMENFASSUNG
Die Problematik der Grubenwasserchemie besteht vor allem in der starken Anreicherung mit Schwermetallen
sowie der Entstehung von Säure. Da eine aktive Reinigung dieser Wässer, welche für Jahre bis Jahrzehnte
verunreinigt sind, sehr aufwendig und teuer ist, wurde in den letzten zwei Jahrzehnten verstärkt über neue
Technologien nachgedacht. Dabei ist vor allem an der Entwicklung passiver Reinigungstechnologien
gearbeitet worden. Zu diesen gehören konstruierte Feuchtgebiete, die zu der am meisten genutzten
Technologie zur Reinigung von Grubenwässern gehören. Je nach Zusammensetzung des Grubenwassers
kommen dabei verschiedene Feuchtgebietstechniken zur Anwendung.

7. LITERATUR
• BROWN, M., BARLEY, B., WOOD, H.: “Minewater Treatment - Technology, Application and Policy”,
   IWA Publishing, 2002.
• HÖLTING, B.: “Hydrogeologie - Einführung in die Allgemeine und Angewandte Hydrogeologie”, Enke
   Verlag, Stuttgart, 1996, 5.Auflage.
• WOLKERSDORFER, CH., YOUNGER, P.L.: “Passive Grubenwasserreinigung als Alternative zu aktiven
   Systemen”, Grundwasser-Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie 2/2002.
• WOLKERSDORFER, CH.: “Vom Grundwasser zum Grubenwasser”, Vorlesung SS 2000.
• YOUNGER, P.L., BANWART, S.A., HEDIN, R.S.: “Mine Water - Hydrology, Pollution, Remediation”,
   Kluwer Academic Publishers, 2002.
• http://www.piramid.org

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