Kopfschmerzen bei Schülern: Prävalenz und Risikofaktoren

 
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                          ÜBERSICHTSARBEIT

                          Kopfschmerzen bei Schülern:
                          Prävalenz und Risikofaktoren
                          Andreas Straube, Florian Heinen, Friedrich Ebinger, Rüdiger von Kries

                                                                                                                 opfschmerzen zählen zu den häufigsten Be-
                          ZUSAMMENFASSUNG
                          Hintergrund: Wiederholte auftretende Kopfschmerzen bei
                                                                                                          K      schwerden in der Bevölkerung, so auch bei
                                                                                                          Kindern und Jugendlichen. Auch bei Schulkindern
                          Schülern sind häufig. Diagnostisch bestätigt sich in der                        dominieren primäre Kopfschmerzen, definiert als
                          Regel ein primärer Kopfschmerz (Migräne oder Span-
                                                                                                          Kopfschmerzen, die nicht Ausdruck einer anderen Er-
                          nungskopfschmerz). Diese Übersicht widmet sich der
                                                                                                          krankung sind (Gruppe 1–4, IHS-Klassifikation) (1).
                          Frage, ob Kopfschmerzen bei Schülern häufiger werden
                                                                                                          Die mittlere Kopfschmerzhäufigkeit (1-Monats- bis
                          und wenn ja, welche Risikofaktoren assoziiert sind.
                                                                                                          Lebenszeit-Prävalenz) liegt in 50 bevölkerungsbasier-
                          Methode: Selektive Literatursuche in der Datenbank                              ten Studien bei Schulkindern bei 58,4 %, die Migrä-
                          PubMed unter den Stichworten: „primary headache AND                             neprävalenz bei 7,7 % (2). Das Verhältnis Mädchen
                          children/adolescent AND risk factors/prevalence“. Arbei-                        zu Jungen ist 1,5 (alle Kopfschmerzen) und 1,7 (Mi-
                          ten in Englisch und Deutsch (bis April 2013) wurden be-                         gräne). Sekundäre Kopfschmerzen (Kopfschmerzen
                          rücksichtigt. Arbeiten zu sekundären Kopfschmerzen aus-                         als Folge einer anderen Erkrankung) sind bei wieder-
                          geschlossen.                                                                    holt auftretenden Kopfschmerzen selten. Die Präva-
                          Ergebnisse: Altersabhängig nimmt die Kopfschmerzprä-                            lenz für Kopfschmerzen bei Schülern (11–18 Jahre) in
                          valenz zu. Sie liegt in der Altersgruppe der 12- bis                            der Türkei lag für primäre Kopfschmerzen bei 34,1 %
                          15-Jährigen bei 66–71 % (3-Monatsprävalenz) und                                 und für sekundäre bei 4,4 % (e1). Als Ursachen für
                          33–40 % für wöchentliche Kopfschmerzen. Die Kopf-                               sekundäre Kopfschmerzen dominieren die viralen In-
                          schmerzen treten häufig zusammen mit anderen                                    fektionen der Luftwege (29–39 %) und die leichteren
                          körperlichen und/oder psychischen Symptomen auf.                                Schädel-Hirn-Traumen (3) (Kasten 1, 2).
                          Studien aus Skandinavien zeigen eine Zunahme der Kopf-
                          schmerzprävalenz in den Altersstufen ab 8 Jahren. Ver-                          Methode
                          schiedene Studien identifizieren folgende Risikofaktoren                        Die Übersicht wurde als Expertenkonsensus (modifi-
                          (bis zu 5,8-fache Risikoerhöhung) für Kopfschmerzen                             ziertes Delphi-Verfahren) erarbeitet. Publikationen, die
                          oder ihrer Chronifizierung: dysfunktionale familiäre Situa-                     durch eine selektive Literaturrechere in PubMed (bis
                          tion, regelmäßiger Alkohol-, Koffein- und Nikotingenuss,                        April 2013) unter den Stichwortkombinationen „pri-
                          geringe körperliche Aktivität, physische/psychische Miss-                       mary headache AND children AND prevalence“ (318
                          handlungen, Mobbing im sozialen Umfeld, unfaire Be-                             Zitate); „primary headache AND adolescent AND pre-
                          handlung in der Schule und unzureichende Freizeit.                              valence“ (411 Zitate); „primary headache AND chil-
                          Schlussfolgerung: Kopfschmerzen bei Kindern und Ju-                             dren AND risk factors“ (84 Zitate) und „primary head-
                          gendlichen sind ein zunehmendes Gesundheitsproblem.                             ache AND adolescent AND risk factors“ (115 Zitate)
                          Kopfschmerzen sind häufig vergesellschaftet mit anderen                         gefunden wurden, wurden dann von mindestens einem
                          Formen von körperlichen und psychischen Beschwerden.                            der Autoren geprüft. Berücksichtigt wurden nur
                                                                                                          Originalarbeiten in Englisch oder Deutsch, die in peer-
                          ►Zitierweise
                                                                                                          reviewed Journalen publiziert worden sind.
                           Straube A, Heinen F, Ebinger F, von Kries R:
                           Headache in school children: prevalence and risk
                           factors. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(48): 811–18.                              Klinik primärer Kopfschmerzen im
                           DOI: 10.3238/arztebl.2013.0811                                                 Kindes- und Jugendalter
                                                                                                          Das mittlere Alter bei Beginn der Kopfschmerzen
                                                                                                          liegt bei 7,5 Jahren (4). Die klinische Symptomatik
                          Neurologie der Universität München, Campus Großhadern: Prof. Dr. med. Straube   weicht dabei von der bei Erwachsenen ab. Häufig ist
                          Pädiatrische Neurologie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie der         bei Kindern eine eindeutige Unterscheidung von Mi-
                          Universität München, Campus Innenstadt, Dr. von Haunersches Kinderspital:       gräne oder Spannungskopfschmerz nicht möglich
                          Prof. Dr. med. Florian Heinen                                                   (e2). Die Dauer von Migräneattacken ist kürzer (sie
                          Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn         kann unter zwei Stunden liegen) (e2, e3) und ist sel-
                          und Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg:
                          PD Dr. med. Ebinger                                                             ten länger als 12 bis 24 Stunden. Der Kopfschmerz
                          Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin, Universität München:          ist eher bilateral und Übelkeit/Erbrechen nehmen mit
                          Prof. Dr. med. von Kries                                                        zunehmendem Alter ab (e4). Hohe Schmerzintensität

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 48 | 29. November 2013                                                                                                  811
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 KASTEN 1                                                                            und pulsatiler Charakter sprechen für eine Migräne.
                                                                                     Diese beginnt häufig in den Morgenstunden (58,5 %)
                                                                                     und hört nach einer Schlafperiode auf (76,7 %). Die
 IHS-Kriterien der Migräne ohne Aura (1.1)                                           höchste Spezifität zur Unterscheidung einer Migräne
 ● Beschreibung                                                                      von Spannungskopfschmerzen haben Besserung
 Wiederkehrende Kopfschmerzerkrankung, die sich in Attacken von 4–72 Stunden         durch Schlaf, das Auftreten von Übelkeit, Brechreiz/
 Dauer (Erwachsene, bei Kinder können die Attacken auch unter zwei Stunden           Erbrechen, Verstärkung durch körperliche Belastung
 andauern) manifestiert. Typische Kopfschmerzcharakteristika sind einseitige         sowie Photo-/Phono-/Osmophobie (5).
 Lokalisation, pulsierender Charakter, mäßige bis starke Intensität, Verstärkung        Kinder können als Migräneäquivalent beispiels-
 durch körperliche Routineaktivitäten und das begleitende Auftreten von Übelkeit     weise zeigen:
 und/oder Licht- und Lärmüberempfindlichkeit.                                           ● zyklisches Erbrechen (wiederkehrende, stereo-
                                                                                           type Attacken mit Übelkeit/Erbrechen sowie
 ● Diagnostische Kriterien                                                                 mit Ruhebedürfnis),
 A. Mindestens fünf Attacken, die die Kriterien B–D erfüllen                            ● abdominale Migräne (Episoden mit Bauch-
 B. Kopfschmerzattacken, die (unbehandelt oder erfolglos behandelt) (2) 4–72               schmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit und
    Stunden anhalten (bei Kindern auch kürzer)                                             Rückzugstendenz)
                                                                                        ● benigner paroxysmaler Schwindel der Kindheit
 C. Der Kopfschmerz weist mindestens zwei der folgenden Charakteristika auf:               (wiederholte Schwindelattacken, zum Teil auch
         1. einseitige Lokalisation                                                        mit Nystagmus).
         2. pulsierender Charakter                                                      Die Diagnose abdominale Migräne wurde bei
         3. mittlere oder starke Schmerzintensität                                   4,4 % von 600 Kindern, die wegen wiederholter
         4. Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten (z. B. Gehen oder       Bauchschmerzen in eine pädiatrische Gastroentero-
            Treppensteigen) oder führt zu deren Vermeidung                           logie überwiesen worden waren, gestellt (6). Klein-
 D. Während des Kopfschmerzes besteht mindestens eines:                              kinder mit solchen Syndromen entwickeln überzufäl-
        1. Übelkeit und/oder Erbrechen                                               lig häufig später eine Migräne oder Spannungskopf-
        2. Photophobie und Phonophobie                                               schmerzen (7, e5). Im Jugendalter (12–15 Jahre)
                                                                                     entspricht das klinische Bild von Migräne und Span-
 E. Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen
                                                                                     nungskopfschmerz dem im Erwachsenenalter. Die
                                                                                     Stabilität der Diagnose über die Zeit ist bei kindli-
                                                                                     chen Kopfschmerzen geringer als bei Erwachsenen:
                                                                                     Nur 30–50 % der primär als Migräne klassifizierten
                                                                                     Patienten behielten diese Diagnose bei einer er-
 KASTEN 2                                                                            neuten Einordnung nach drei Jahren bei (e6). Eine
                                                                                     Migräne mit Aura, meist visuell, liegt bei etwa
 IHS-Kriterien des episodischen                                                      23–50 % der Betroffenen vor (e3, e4). Im Kindes-
 Spannungskopfschmerzes (2.1)                                                        und Jugendalter sind Spontanremissionen selten: In
                                                                                     einer schwedischen Studie bestand bei 80 % der Be-
 ● Beschreibung                                                                      troffenen auch drei Jahren später der Kopfschmerz
 Seltene Kopfschmerzepisoden mit einer Dauer von Minuten bis Tagen. Der              weiter (8). Werden die Eltern befragt, wird über ein
 Schmerz ist typischerweise beidseits lokalisiert und von drückender, beengender     Jahr bei etwa 57 % der Kinder keine Änderung der
 Qualität. Er erreicht eine leichte bis mäßige Intensität und verstärkt sich nicht   Kopfschmerzen und nur für circa 22 % beziehungs-
 durch körperliche Routineaktivitäten. Es besteht keine begleitende Übelkeit, aber   weise 21 % eine Besserung, respektive Verschlechte-
 Photophobie oder Phonophobie können vorhanden sein.                                 rung angegeben (9). Patienten, die erst spät im Ver-
                                                                                     lauf der Kopfschmerzen therapiert wurden, hatten
 ● Diagnostische Kriterien
                                                                                     eine geringere Chance kopfschmerzfrei zu werden
 A. Wenigstens 10 Episoden, die die Kriterien B–D erfüllen und durchschnittlich
                                                                                     (e7). Mädchen verloren seltener ihre Kopfschmerzen
    an < 1 Tag/Monat (< 12 Tage/Jahr) auftreten
                                                                                     als Jungen (e7). Hohe Kopfschmerzfrequenz und die
 B. Die Kopfschmerzdauer liegt zwischen 30 Minuten und 7 Tagen                       Diagnose Migräne prädizieren auch spätere Kopf-
 C.      Der Kopfschmerz weist mindestens 2 der folgenden Charakteristika auf:       schmerzen (10). Spannungskopfschmerz remittiert
         1. beidseitige Lokalisation                                                 häufiger als Migräne.
         2. Schmerzqualität drückend oder beengend, nicht pulsierend
         3. leichte bis mittlere Schmerzintensität                                   Auswirkung der Kopfschmerzen auf
         4. keine Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten wie Gehen         Lebensqualität und Gesundheit
            oder Treppensteigen                                                      Kinder und Jugendliche mit Kopfschmerzen berich-
                                                                                     ten häufig über eine Reihe von weiteren somatischen
 D. Beide folgenden Punkte sind erfüllt:
                                                                                     und psychischen Beschwerden. Bei Kindern, die we-
         1. keine Übelkeit oder Erbrechen (Appetitlosigkeit kann auftreten)
                                                                                     gen einer Schmerzerkrankung in einer spezialisierten
        2. Photophobie oder Phonophobie, nicht jedoch beides kann vorhanden sein
                                                                                     schmerztherapeutischen Einrichtung vorgestellt wur-
 E. Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen                                  den, hatten 74,5 % Kopfschmerzen, wobei bei 55 %
                                                                                     der Betroffenen weitere Schmerzdiagnosen, wie

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Bauch- und Rückenschmerzen, gestellt wurden (11).                 TABELLE 1
Das gemeinsame Auftreten von verschiedenen soma-
tischen Beschwerden (Kopfschmerzen, Rücken-                       Assoziation von somatischen Beschwerden mit
                                                                  Kopfschmerzen/Migräne Altersgruppe 13–18, N = 6483*
schmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Schlafstö-
rungen, allergischen Erkrankungen) ist schon in der                 Beschwerden             Ergebnis
Altersgruppe der 5- bis 7-Jährigen zu beobachten                                            (OR; 95-%-Konfidenzintervall)
(12, 13) (Tabelle 1).                                               epileptische Anfälle    2,02 (1,04–3,94)
   Von 2 200 Kindern, die ein Jahr nach der Ein-                    wiederholte Albträume   2,28 (1,34–3,87)
gangsevaluierung erneut die Lokalisation von
                                                                    Bewegungskrankheit      1,6 (1,07–2,4)
Schmerzen angeben sollten, berichteten mehr als die
Hälfte von zwei oder mehr Schmerzlokalisationen                     Allergien               1,5 (1,17–1,92)
(14). Mädchen waren häufiger von multiplen Schmer-                  Magenschmerzen          2,36 (1,59–3,51)
zen betroffen und nur 27 % hatten keine Schmerzen
mehr. Ähnliche Assoziationen von Kopfschmerzen                 *nach (13); OR, Odds Ratio
mit anderen Beschwerden schilderten auch Gymna-
siasten:
   ● Kopfschmerzen (83 %)
   ● Rückenschmerzen (48 %)                                    schnittstudie über sechs Jahre bestätigt, die einen
   ● vermehrte Müdigkeit (47 %) und                            signifikanten Anstieg der Prävalenz von 45,2 % auf
   ● Nacken/Schulterschmerzen (45 %) (15).                     78,7 % sah (19).
   Nacken-/Muskelschmerzen wurden signifikant                     Daneben wird auch eine Zunahme hochfrequenter
häufiger von Schülern mit einer Migräne genannt als            Kopfschmerzen (wöchentliche Kopfschmerzen) mit
von jenen mit einem Spannungskopfschmerz (16).                 dem Lebensalter berichtet (24, e16–e18). So berich-
Daneben treten auch Verhaltensauffälligkeiten bei              ten Gaßmann et al. (25) bei 3,6 % der 8-Jährigen und
Kindern mit Migräne vermehrt auf (e8). So fanden               10,7 % der 15-Jährigen über mindestens einmal in
wir ein signifikant erhöhtes Risiko für affektive Stö-         der Woche auftretende Kopfschmerzen. Ähnliche
rungen und Aufmerksamkeitsstörungen/Hyperaktivi-               Prävalenzzahlen für wöchentliche Kopfschmerzen
tät insbesondere für Jugendliche mit Migränekopf-              wurden auch gefunden:
schmerzen (e9). Bezüglich der Komorbidität von                   ● in Kanada (26,3 % der 12–13-Jährigen bezie-
Depression beziehungsweise Angsterkrankungen                         hungsweise 31,2 % der 14–15-Jährigen [e16])
und Kopfschmerzen gibt es widersprüchliche Aussa-                ● in Südengland (20 %) (17) und
gen, die Mehrzahl der publizierten Studien geht aber             ● in Italien (40 % der 11–15-Jährigen) (e18).
von einem erhöhten Risiko dieser Erkrankungen als                 In der Region Greifswald berichteten 9,6 % der
auch von allgemeinen psychopathologischen Auffäl-              12-Jährigen und 12,1 % der 15-Jährigen über Kopf-
ligkeiten bei Jugendlichen mit Kopfschmerzen aus               schmerzen an mindestens 14 Tagen in den letzten
(e10–e12). So ist auch das Suizidrisko bei Jugendli-           3 Monaten (24). Eine chronische Migräne (Migrä-
chen mit chronischen Kopfschmerzen erhöht (e13).               nekopfschmerzen > 15 Tage/Monat für mindestens
                                                               3 Monate) lag bei 0,1 % der Schüler vor (24).
Altersabhängigkeit der Prävalenz und                              Häufige Kopfschmerzen führen auch zu einem
Zunahme chronischer Kopfschmerzen                              vermehrten Schmerzmittelgebrauch. In Brasilien ga-
Eltern unterschätzen die Kopfschmerzen ihrer Kin-              ben 6,7 % der Kinder einen Analgetikagebrauch an
der (e14) und die Unterscheidung zwischen Migräne              mehr als 5 Tagen im Monat an (23). In der HUNT-Ju-
und Spannungskopfschmerz ist in dieser Altersgrup-             gend-Studie fand sich der Verdacht auf einen Kopf-
pe (e15) schwierig. Epidemiologische Querschnitter-            schmerz bei Medikamentenübergebrauch (Analgeti-
hebungen (4, 17, 18) und Längsschnittstudien (19)              kaeinnahme an > 15 Tagen/Monat, Opiate und Trip-
zeigen die Zunahme der Kopfschmerzprävalenz mit                tane an > 10 Tagen/Monat) bei 0,8 % der Mädchen
dem Alter, für Siebenjährige wird sie mit 37–51 %              und 0,2 % der Jungen (e19).
und für Fünfzehnjährige mit 57–82 % angegeben                     In verschiedenen Studien wurde eine Zunahme der
(20, 21). Im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey               Kopfschmerzprävalenz bei Kindern gefunden. In
(KiGGS) waren in der Altersklasse 11–17 Jahre                  Finnland wurden 1989 und 1999 jeweils 1 000 acht-
Kopfschmerzen noch vor Bauch- und Rücken-                      jährige Schüler befragt. Für häufige Kopfschmerzen
schmerzen die häufigsten Schmerzen (3-Monats-Prä-              wurde ein signifikanter Anstieg um den Faktor 1,5
valenz für Schmerzen insgesamt 77,6 %) (22). Die               gefunden (e20). Eine weitere Studie aus Finnland
Prävalenz der Migräne liegt für 5–12-Jährige bei               untersuchte in Turku 1974, 1992 und 2002 jeweils
3,8 % (23) und für 12–15-Jährige bei 6,9 % (24). In            mehr als 1 000 siebenjährige Kinder; die Migräne-
einer deutschen Studie lag die Prävalenz für Kopf-             Prävalenz stieg von 1974 bis 2002 von 14,5/1 000
schmerzen bei den 7-Jährigen bei 39 % und bei den              auf 91,9/1 000 im Jahr 2002. Dies betraf gleicher-
14-Jährigen bei 63 % (4). Ähnliche Ergebnisse wur-             maßen Migräne mit und ohne Aura als auch die
den auch aus den USA (17) und Schweden (18) be-                Häufigkeit von Kopfschmerzen allgemein (26, 27).
richtet. Dieser Anstieg wird auch durch eine Längs-            In Dänemark wurde über 12 Jahre eine Zunahme von

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  TABELLE 2

  Risikofaktoren für Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen

      Risikofaktor             Altersgruppe    N               Ergebnis                                             Autor (Quelle)
                               (Jahre)                         (OR; 95-%-Konfidenzintervall)
      wenig Bewegung           13–19           1 260           OR: 2,2 (1,3–3,7)                                    Milde-Busch et al. 2010 (31)
                               12–18           5 847           OR: 1,2 (1,1–1,4)                                    Robberstad et al. 2010 (32)
      regelmäßiger             11–26           980             OR: 2,16 (1,39–3,35) für häufige Kopfschmerzen       Milde-Busch et al. 2010 (31)
      Nikotinkonsum            13–19           1 260           OR: 2,7 (1,4–5,1)                                    Robberstad et al. 2010 (32)
                               12–18           5 847           OR:1,5 (1,3–1,7)
      regelmäßiger             13–19           1 260           OR: 3,4 (1,9–6,0)                                    Milde-Busch et al. 2010 (31)
      Alkoholkonsum
      Übergewicht              12–18           5 847           OR: 1,4 (1,2–1,6)                                    Robberstad et al. 2010 (32)
      regelmäßiger             13–19           1 260           OR: 2,4 (1,3–4,7)                                    Milde-Busch et al. 2010 (31)
      Kaffeekonsum
      keine Freizeit           8–15            1 434 Jungen    OR: 2,12 (1,29–3,48)                                 Gaßmann et al. 2009 (25)
                                               541 Mädchen     OR: 0,99 (0,28–3,47)
      Musikhören               13–17           1 025           OR: 2,1 (1,2–3,7) für 1–2h/Tag                       Milde-Busch et al. 2010 (31)
      Scheidung                13–15           4 645           OR: 5,8 (1,2–28,0)                                   Juang et al. 2004 (e27)
      der Eltern
      negatives                12–13           1 694           OR: 1,88 (1,41–2,52)                                 Dooley et al. 2005 (e16)
      Eigenerleben
      Unzufriedenheit          12–13           1 694           OR: 1,85 (1,48–2,31)                                 Dooley et al. 2005 (e16)
      Streitigkeiten           8–15            1 434 Jungen    OR: 1,78 (1,05–3,02)                                 Gaßmann et al. 2009 (25)
      in der Familie                           541 Mädchen     OR: 1,25 (1,01–1,55)
      Misshandlung             13–15           3 955           OR: 1,6 (1,4–1,9)                                    Fuh et al. 2010 (e28)
      Mobbing                  11–15           123 227         selten: OR: 1,40 (1,30–1,50)                         Due et al. 2005 (38)
                                                               wöchentlich: OR: 1,86 (1,70–2,05)
      unfaire Behandlung       11–15           4 119           OR: 1,24 (1,15–1,34)                                 Santinello et al. 2009 (e18)
      durch Lehrer
      hohe Erwartungen         12–13           1 694           OR: 1,40 (1,11–1,74)                                 Dooley et al. 2005 (e16)
      der Familie

OR = Odds Ratio!

                           Spannungskopfschmerz sowie der hochfrequenten                   Die Daten legen nahe, dass eine lebenszeitlich frü-
                           Migräne bei jungen Erwachsenen beschrieben (28).             here Manifestation von Kopfschmerzen (insbesonde-
                           Der Anteil der Migränepatienten mit mehr als 14 At-          re der Migräne) zu beobachten ist, ohne dass die
                           tacken im Jahr nahm über 12 Jahren um 24 % auf               Kopfschmerzhäufigkeit insgesamt angestiegen ist.
                           38 % zu (28). In der Region Uppsala wurden 1 800             Parallel nimmt der Anteil der Patienten mit häufigen
                           Schulkinder im Alter von 7 bis 15 Jahren befragt und         Kopfschmerzen zu.
                           die Prävalenz von Spannungskopfschmerzen mit der
                           aus dem Jahr 1955 verglichen. Über diesen Zeitraum           Risikofaktoren für Kopfschmerzen
                           kam es zu einem signifikanten Anstieg der Migräne-           bei Schülern
                           Prävalenz von 3,9 % auf 6,6 % und der Anteil Kinder          Verschiedene Studien haben Risikofaktoren be-
                           ohne Kopfschmerzen sank von 41,4 % (1955) auf                schrieben, es fehlen aber Interventions- beziehungs-
                           16 % (1997) (18). Im Gegensatz zur Zunahme kind-             weise Präventionsprojekte, die zeigen konnten, dass
                           licher Kopfschmerzen fanden wir für den Zeitraum             deren Beeinflussung die Kopfschmerzprävalenz im
                           von 1995 bis 2010 in Deutschland keinen Anstieg              Verlauf verändert.
                           der Kopfschmerzhäufigkeit bei Erwachsenen (29).                 Generell kann man die Risikofaktoren in die
                           Auch in Norwegen zeigte sich für Erwachsene nur              Bereiche Lebensstil, Schule und Psyche unterteilen.
                           ein marginaler Anstieg der Migräne-Prävalenz (12,1           Typische, wiederholt bestätigte Lebensstilfaktoren
                           auf 13,2 %), nicht aber für andere Kopfschmerzfor-           sind:
                           men (e21). Längsschnittstudien bezüglich der Migrä-            ● Koffeinkonsum
                           nehäufigkeit in der Erwachsenenbevölkerung in den              ● Alkoholkonsum
                           USA und in Frankreich (von 1989 bis 1999) berich-              ● Rauchen und
                           teten ebenfalls keinen Anstieg (e22, e23).                     ● körperliche Inaktivität.

814                                                                                                Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 48 | 29. November 2013
MEDIZIN

   TABELLE 3

   Pharmakologische und nichtpharmakologische Therapie der Migräne*

     Indikation                               Substanz                           Nebenwirkung                Empfehlung
     Akutmedikation                           Ibuprofen 10 mg/kg KG              Gastrointestinaltrakt           ↑↑
                                              Paracetamol 15 mg/kg KG            Leberschäden                    ↑
                                              Sumatriptan nasal 10–20 mg         Engegefühl                      ↑↑
                                              Zolmitriptan 2,5 mg                Engegefühl                      ↑
                                              Zolmitriptan nasal 5 mg            Engegefühl                      ↑
                                              Rizatriptan 10 mg                  Engegefühl                      ↑
     Prophylaxe                               Metoprolol 1,5 mg/kg KG            Müdigkeit                       ↔
                                              Flunarizin 5 mg                    Müdigkeit                       ↑↑
                                              Propranolol 2 mg/kg KG             Müdigkeit                       ↔
                                              Magnesium 300–400 mg               Durchfall                       ↔
                                              Topiramat 1–3 mg/kg KG             Kognition                       ↑↑
                                              Amitriptylin 1 mg/kg KG            Müdigkeit                       ↔
     nichtmedikamentöse Therapie              Aufklärung                                                         ↔
                                              Entspannungsverfahren                                              ↑↑
                                              regelmäßiger Sport                                                 ↔
                                              Trainingsprogramme                                                 ↑↑
                                              Biofeedback                                                        ↑↑

*nach (39, 40) .

   Regelmäßiger Koffeinkonsum korreliert mit der                           ein deutlicher Zusammenhang zwischen regelmäßi-
Häufigkeit von Kopfschmerzen bei Erwachsenen                               gen familiären Konflikten und Kopfschmerzen gese-
(30) und bei Jugendlichen (31). In der HUNT-Studie                         hen (25). Ähnlich sind die Ergebnisse aus Taiwan zu
als auch in der Münchner-Schüler-Studie (MUK)                              interpretieren, bei der Kinder mit chronischen Kopf-
zeigte sich auch eine signifikante Assoziation mit                         schmerzen im Vergleich zu der Gesamtpopulation ei-
Nikotinkonsum (31, 32). Anders als bei Erwachse-                           nen signifikant niedrigeren Global Family Environ-
nen (33, e24) ist bei Jugendlichen auch Alkoholkon-                        ment Score hatten und physische Misshandlungen
sum ein Risikofaktor. Bei Gymnasiasten wurde eine                          und Trennung der Eltern signifikant häufiger berich-
signifikante Assoziation von Cocktail-Genuss und                           teten (e27).
Kopfschmerzen gefunden (31). Sowohl die MUK-                                  Verschiedene Studien (35, e28–e31) fanden einen
Studie als auch die HUNT-Studie deckten eine Kor-                          Einfluss von physischer Misshandlung auf die
relation mit geringer körperlicher Bewegung auf (31,                       Häufigkeit von Kopfschmerzen. Neben physischer
32). Es überrascht daher nicht, dass auch Überge-                          waren aber auch sexuelle und emotionale Misshand-
wicht mit kindlichen Kopfschmerzen assoziiert ist                          lung als auch Nichtbeachtung signifikante Risiko-
(32, 34). In einer amerikanischen Studie zeigte sich                       faktoren für frühen Beginn und Chronifizierung von
auch, dass eine Reduktion des Übergewichtes zu ei-                         Kopfschmerzen (e30). Dieser Zusammenhang war
ner Reduktion der Kopfschmerzen führt (34). Keinen                         unabhängig von der Diagnose einer Depression oder
Einfluss auf die Kopfschmerzen hatten die tägliche                         Angstsymptomen (e30, e31). Dagegen scheint ein
Trinkmenge (31), das Auslassen von Mahlzeiten (31)                         kooperatives, wenig bestrafendes Verhalten in der
und die Anamnese einer abgelaufenen Meningitis                             Familie vor Kopfschmerzen zu schützen (36, e16)
(e25). Es fand sich auch kein Einfluss von täglicher                       (Tabelle 2).
Computerzeit (Videospielen, elektrischen Medien)                              Die Schule ist wesentlicher Teil der Umwelt von
(e26).                                                                     Kindern. Einen besonderen Platz in der Forschung
   Schulischer Stress als auch hohes Erwartungsni-                         nimmt der Einfluss von Mobbing und persönlichen
veau der Eltern sind Risikofaktoren für vermehrte                          Verletzungen auf die Entwicklung von körperlichen
Kopfschmerzen. Zwei Studien geben Hinweise, dass                           und psychischen Beschwerden ein. So erhöht sich
bei Kindern und Jugendlichen regelmäßige Freizeit                          das Risiko an wiederholten Kopfschmerzen zu lei-
(als tatsächlich freie Zeit verstanden) das Risiko re-                     den, wenn sich Schulkindern vom Lehrer ungerecht
duziert, Kopfschmerzen zu bekommen (25). In einer                          behandelt fühlen um etwa 25 % (e18). Umgekehrt
Befragung an Gymnasien berichteten über 80 % der                           reduziert das Gefühl einer fairen Behandlung das Ri-
Schüler über Kopfschmerzen, und über 40 % von                              siko um mehr als 40 % (e16). Mobbing erhöht eben-
ihnen hatten regelmäßig weniger als zwei Stunden                           falls das Risiko Kopfschmerzen zu entwickeln (37)
nicht fest verplante Zeit pro Tag (15).                                    und Schmerzmittel einzunehmen (38). Dabei gibt es
   Weitere Risikofaktoren sind psychische Belastun-                        eine enge Korrelation zwischen dem subjektiv er-
gen, die aus der Familie beziehungsweise dem Le-                           lebten Ausmaß des Mobbings und der Häufigkeit
bensumfeld resultieren. In der sogenannten KiJuKo-                         der Kopfschmerzen. In einer Querschnittstudie in 28
Studie aus Niedersachsen wurde gerade bei Jungen                           Ländern zeigte sich, dass vereinzeltes Mobbing das

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 48 | 29. November 2013                                                                           815
MEDIZIN

             TABELLE 4

             Pharmakologische und nichtpharmakologische Therapie des Spannungskopfschmerzes*

               Indikation                         Substanz                       Nebenwirkung                             Empfehlung
               Akutmedikation                     Ibuprofen 10 mg/kg KG          gastrointestinale Beschwerden                 ↑↑
                                                  Paracetamol 15 mg/kg KG        Leberschäden                                   ↑
                                                  Flupirtin 50–100 mg            Leberschäden                                   ↑
               Prophylaxe                         Magnesium 300–400 mg           Durchfall                                     ↔
                                                  Amitriptylin 1 mg/kg KG        Müdigkeit                                     ↔
                                                  Topiramat 50–100 mg            Kognition                                     ↔
               nichtmedikamentöse Therapie        Aufklärung                                                                   ↔
                                                  Entspannungsverfahren                                                        ↑↑
                                                  regelmäßiger Sport                                                           ↔
                                                  Trainingsprogramme                                                           ↑↑
                                                  Biofeedback                                                                  ↑↑

          *nach (39, 40)

          Risiko um etwa 40 %, wöchentliches Zurücksetzen                   Deutschland nicht ansteigt, vermuten die Autoren ei-
          aber um 80–90 % erhöht (38).                                      ne duale Akzeleration an:
             Wenn man diese Faktoren global gesehen als                       ● Die Kindheit transferiert „früher“ zu Pubertät
          Stressoren auffasst, kann man auch die Frage stellen,                   und Adoleszenz und
          inwieweit der subjektiv erlebte Stress mit der Kopf-                ● in der Adoleszenz treten Kopfschmerzen „frü-
          schmerzhäufigkeit korreliert. Befunde, dass die Mi-                     her und frequenter“ auf.
          gränehäufigkeit eine Beziehung zu Prüfungszeiten in                  Daher sind externe Faktoren anzunehmen, da sich
          der Schule zeigt, weisen in diese Richtung (e33). Et-             die genetische Matrix sicher nicht geändert hat. Der
          wa 20 % der Schüler von Gymnasien gaben eine ho-                  zunehmende Zeitdruck mit Reduktion täglicher Frei-
          he Stressbelastung an, wobei am häufigsten, aber                  zeit (als tatsächliche regenerativer Zeit), der hohe
          nicht ausschließlich, die Schule als Stressor genannt             Leistungsdruck aus Schule und Familie und der hohe
          wurde (15). Die subjektiv erlebte Stressbelastung                 Sozialdruck aus Peergroup und Schule. Individuelle,
          war bei Schülern mit einer Migräne höher als bei je-              dabei kontextabhängige Risikofaktoren sind: geringe
          nen mit Spannungskopfschmerzen oder keinen                        körperliche Aktivität, Rauchen, vermehrter Koffein-
          Kopfschmerzen (e34) (Tabelle 2).                                  und Alkoholkonsum und Übergewicht.
                                                                               Im ärztlichen Gespräch ist auf die Zusammenhän-
          Zusammenfassung und therapeutische                                ge hinzuweisen. Erfahrungen mit Kopfschmerzver-
          Konsequenzen                                                      sorgungsprojekten zeigen, dass wesentlicher Bestand-
          Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter nehmen                   teil des therapeutischen Erfolges die Aufklärung ist
          zu. Sie sind dabei eingebettet in somatische und psy-             (e35–e37). Erste Ergebnisse liegen auch für Internet-
          chische Reifungs- und Beschwerdekomplexe. Da die                  basierte Angebote vor, die sowohl eine kognitive Ver-
          Kopfschmerzprävalenz in der Gesamtbevölkerung in                  haltenstherapie als auch Entspannungsübungen um-

             KERNAUSSAGEN

            ● Die Prävalenz von Kopfschmerzen steigt mit zunehmendem Lebensalter an. Bis zu 40 % der Schüler haben mindestens
                einmal wöchentlich Kopfschmerzen.
            ● Primäre Kopfschmerzen sind mit Abstand die häufigste Ursache für kindliche Kopfschmerzen. Eine eindeutige diagnosti-
                sche Zuordnung zu Spannungskopfschmerzen oder Migräne ist bei 30–50 % der Patienten nicht möglich.
            ● Die Häufigkeit von Kopfschmerzen bei Kindern nimmt zu. Eine mögliche Erklärung ist eher die Vorverlagerung der Erkran-
                kungsmanifestation, weniger eine globale Zunahme von Kopfschmerzerkrankungen.
            ● Kopfschmerzen führen zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Lebensqualität. Das Ausmaß dieser Beeinträchtigung
                wird sowohl von Eltern als auch Lehrern unterschätzt.
            ● Neben Belastungsfaktoren, die aus dem direkten sozialen Umfeld resultieren (familiäre Konflikte, Mobbing, Missbrauch),
                sind auch spezifische Verhaltensweisen der Betroffenen (Bewegungsmangel, Übergewicht, Alkohol- und Koffeinkonsum) mit
                dem Auftreten von Kopfschmerzen korreliert. Eine schon primär hohe Frequenz der Kopfschmerzen erhöht das Risiko einer
                späteren Chronifizierung des Kopfschmerzes.

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MEDIZIN

fassten. Für beide Verfahren zeigte sich im Verlauf ei-                        9. Gaßmann J, Morris L, Heinrich M, Kröner-Herwig B: One-year
ne fast identische Wirksamkeit (e38). Sinnvoll ist auf                            course of paediatric headache in children and adolescents aged
                                                                                  8–15 years. Cephalalgia 2008; 28: 1154–62.
regelmäßigen Sport (e39) und auf regelmäßige Zeiten
                                                                              10. van Dijk A, McGrath PA, Pickett W, VanDenKerkhof EG: Pain pre-
ohne Verpflichtungen hinzuweisen. Wie in anderen
                                                                                  valence in nine- to 13-year-old schoolchildren. Pain Res Manag
Bereichen der pädiatrischen Pharmakotherapie feh-                                 2006; 11: 234–40.
len kontrollierte Studien. Eine aktuelle Übersicht der                        11. Zernikow B, Wager J, Hechler T, Hasan C, Rohr U, Dobe M,
Literatur findet sich in (39, 40) (Tabelle 3, 4).                                 Meyer A, Hübner-Möhler B, Wamsler C, Blankenburg M: Charac-
   Bestehen Hinweise, dass das familiäre beziehungs-                              teristics of highly impaired children with severe chronic pain:
weise schulische Umfeld die Kinder psychisch belas-                               a 5-year retrospective study on 2249 pediatric pain patients.
                                                                                  BMC Pediatr 2012; 12: 54.
tet, ist die Integration psychologischer und gegebenen-
                                                                              12. Rask CU, Olsen EM, Elberling H, Christensen MF, Ornbøl E, Fink
falls kinder- und jugendpsychiatrischer Kompetenz in
                                                                                  P, Thomsen PH, Skovgaard AM: Functional somatic symptoms
die Behandlung notwendig. Gerade bei Jugendlichen,                                and associated impairment in 5–7-year-old children: the Copen-
die über chronische Kopfschmerzen oder multiple                                   hagen Child Cohort 2000. Eur J Epidemiol 2009; 24: 625–34.
Schmerzen klagen, sollte frühzeitig ein interdiszipli-                        13. Lateef TM, Cui L, Nelson KB, Nakamura EF, Merikangas KR: Phy-
näres Therapiekonzept etabliert werden. Gerade in                                 sical comorbidity of migraine and other headaches in US ado-
dieser Gruppe sind psychiatrische Komorbiditäten wie                              lescents. J Pediatr 2012; 161: 308–13.
Depression, Angsterkrankung, Somatisierung häufig                             14. Kröner-Herwig B, Gaßmann J, van Gessel H, Vath N: Multiple
                                                                                  pains in children and adolescents: a risk factor analysis in a lon-
(36) und die Gefahr einer Chronifizierung hoch. Häu-
                                                                                  gitudinal study. J Pediatr Psychol 2011; 36: 420–32.
fige Schmerzen in der Kindheit sind einer der Risiko-
                                                                              15. Milde-Busch A, Blaschek A, Borggräfe I, von Kries R, Straube A,
faktoren für chronische Schmerzen im Erwachsenen-                                 Heinen F: Is there an association between the reduced school
alter (e40). Dies ruft nach der Entwicklung geeigneter                            years in grammar schools and headache and other health com-
präventiver Strategien für den Kopfschmerz bei Schü-                              plaints in adolescent students? Klin Padiatr 2010; 222:
lern, „von Anfang an“.                                                            255–60.
                                                                              16. Blaschek A, Milde-Busch A, Straube A, Schankin C, Langhagen
                                                                                  T, Jahn K, Schröder SA, Reiter K, von Kries R, Heinen F: Self-
Interessenkonflikt                                                                reported muscle pain in adolescents with migraine and tension-
Prof. Straube bekam Vortragshonorare beziehungsweise Reisekostener-               type headache. Cephalalgia 2012; 32: 241–9.
stattung von: Allergan, Hormosan, Boehringer Ingelheim, Merk-Serono,
Desitin, Pfizer, Berlin Chemie, MSD. Er erhielt Wissenschafts-Förderung       17. Lateef TM, Merikangas KR, He J, Kalaydjian A, Khoromi S,
oder Honorar für die Durchführung von wissenschaftlichen Studien von:             Knight E, Nelson KB: Headache in a national sample of American
Allergan, Novartis, MSD, Boehringer Ingelheim, Weber & Weber, FGK,                children: prevalence and comorbidity. J Child Neurol 2009; 24:
Fresenius Stiftung, DFG und BMBF.                                                 536–43.
Prof. Heinen erhielt Honorare für eine Beratertätigkeit der Firma Allergan.   18. Laurell K, Larsson B, Eeg-Olofsson O: Prevalence of headache
Prof. Ebinger wurde für die Durchführung von klinischen Auftragsstudien           in Swedish schoolchildren, with a focus on tension-type head-
mit Drittmitteln von AstraZeneca ausgestattet.                                    ache. Cephalalgia 2004; 24: 380–8.
Prof. von Kries erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.                19. Ozge A, Sasmaz T, Cakmak SE, Kaleagasi H, Siva A: Epidemiolo-
                                                                                  gical-based childhood headache natural history study: after an
                                                                                  interval of six years. Cephalalgia 2010; 30: 703–12.
Manuskriptdaten
eingereicht: 10. 9. 2012, revidierte Fassung angenommen: 13. 8. 2013          20. Dooley JM, Gordon KE: Headaches in childhood. Can J Neurol
                                                                                  Sci 2004; 31: 291–2.
                                                                              21. Zwart JA, Dyb G, Holmen TL, Stovner LJ, Sand T: The prevalence
LITERATUR                                                                         of migraine and tension-type headaches among adolescents in
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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 48 | 29. November 2013                                                                                                 817
MEDIZIN

29. Straube A, Aicher B, Förderreuther S, Eggert T, Köppl J, Möller       37. Williams K, Chambers M, Logan S, Robinson D: Association of
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                                                                          Neurologie, Campus Großhadern
    prevalence related to smoking and alcohol use. The Head-HUNT          Universität München
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34. Hershey AD, Powers SW, Nelson TD, Kabbouche MA, Winner P,             astraube@nefo.med.uni-muenchen.de
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    thology: a survey in school children. Headache 2010; 50:                      The English version of this article is available online:
    1537–48.                                                                      www.aerzteblatt-international.de

Berichtigung                           TABELLE 2
In dem Beitrag „Pneu-
mokokken-Impfrate bei                  Anteil Versicherter mit mindestens einem Risiko je Alters- und Krankheitsklasse*1
Erwachsenen“ von Ulri-                   Altersklasse (Jahre)                                                        < 18                 18–59                   ≥ 60
ke Theidel und Koauto-
                                         Anzahl Versicherter je Altersklasse (N = 1 008 501)                     140 818                  547 607                320 076
ren im Deutschen Ärz-
teblatt vom 1. 11. 2013                  Krankheitsklasse                                                    n               %        n             %        n             %
(Heft 44) fehlen in Ta-                  mittleres Risiko (Chroniker)
belle 2 die Angaben                      Herz-Kreislauf-Erkrankungen                                         154            0,11    16 043        2,93    96 127         30,03
zum Anteil von Patien-
                                         Atemwegserkrankungen                                                563            0,40     5 118        0,93     11 723         3,66
ten mit HIV-Infektion.
   Die vollständige Ta-                  Diabetes mellitus oder andere Stoffwechselerkrankungen              354            0,25    23 733        4,33    81 051         25,32
belle 2 ist im Folgenden                 chronische Nierenkrankheiten                                        313            0,22     2 187        0,40      4 066         1,27
abgebildet.          MWR
                                         neurologische Erkrankungen                                          181            0,13     4 493        0,82    16 672          5,21
                                         hohes Risiko
                                         neoplastische Krankheiten                                           142            0,10     2 157        0,39      5 338         1,67
                                         Zustand nach Transplantation                                          34           0,02      609         0,11        441         0,14
                                         Krankheiten der blutbildenden Organe                              4 461            3,17    29 159        5,32    33 720         10,53
                                         HIV-Infektion                                                           5          0,004     431         0,08           59       0,02
                                                  2
                                         total*                                                            6 030            2,46    71 776      29,33    166 921         68,21

                                    *1 Die Angaben in dieser Tabelle beziehen sich auf die enge Risikodefinition nach Fleming et al. (2006) (16)
                                    *2 Angabe ohne Doppelzählung, da ein Versicherter mehr als eine Grunderkrankung haben kann
                                    Anmerkung: Für diese Auswertung wurde vereinfachend angenommen, dass die Dokumentationsnummern bundeseinheitlich angewandt wurden sowie
                                    die Kodierung der Impfleistungen und Krankheiten korrekt erfolgte.

818                                                                                                                   Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 48 | 29. November 2013
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