Leben & Wohnen - Belebte Moderne - Immobilienbeilage - Leben & Wohnen
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Leben & Wohnen Immobilienbeilage Samstag/Sonntag, 21./22. August 2021 Heute: Die beste n Esstische Belebte Moderne Vom Bekenntnis zur Moderne zum idealen Haus für eine junge Familie – die Villa Tugendhat in St. Gallen lebt.
4 Leben & Wohnen Samstag/Sonntag, 21./22. August 2021 Vorarlberger Nachrichten Samstag/Sonntag, 21./22. August 2021 Vorarlberger Nachrichten 5 IDEALPERSPEKTIVE AUF DAS HAUS – für sie wurde im östlichsten Eck des Gartens ein Teich mit Holzdeck angelegt. Der stützenlose Balkon stammt aus der Entstehungszeit. DIE SPANNENDE DACHLANDSCHAFT ist die Antwort auf das Flach- dachverbot. Das Bandfenster im Obergeschoß wirkt wie eine Miniatur- ausgabe der prominenten Glasflächen zum Garten. IM EINZIGEN GESCHLOSSENEN WINKEL des Atriums beschirmt ein Zierahorn eine Flöte spielende Brunnenfigur. Die Taube an ihrem linken Knie lauscht ihr vermutlich seit dreiundsechzig Jahren. Belebte Moderne N och immer sticht die St.Gallener Villa Tu- gend hat mit ihrer Dach- form heraus aus dem hintereinander, eine Einlieger- wohnung, ein Atrium und ein großer Wohnbereich. Schon beim ersten Schritt in nen überdachten Freiraum, sobald die einander gegenüberliegenden Glasschiebetüren komplett geöff- net werden. Die hellen Travertin- Siedlungsgefüge. Ein Schmet- die Villa hat man einen fantasti- platten am Boden sind restauriert, Nicht Mies van der Rohe war der Architekt dieser Villa Tugendhat, terlingdach mit ungleichen Flü- schen Blick bis in den rückseitigen sie sind so alt wie das Haus. sondern (Heinrich) Danzeisen & (Hans) Voser. Sie steht auch nicht in Brünn, geln über dem eingeschoßigen Gebäudeteil und zwei aneinander Garten. Man lässt die Treppe links liegen, hält kurz an und schaut ins Die Front zum Garten ist nicht einfach nur durchsichtig. Sie ist heute Brno, sondern in St. Gallen, und ist etwa dreißig Jahre jünger als ihre stoßende Pultdächer mit verschie- Atrium, das das helle Tageslicht als Gebäudevorsprung ausgebil- den hohen Traufkanten über dem von rechts erklärt, und bleibt am det, der sich vor den Privaträu- Vorgängerin, die zum Weltkulturerbe zählt. Aber auch sie war, nach den Worten zweigeschoßigen Gebäudeteil Marmorkamin stehen, um die men, rechts hinter dem Wohn- von Ruth Tugendhat-Guggenheim, maßgeschneidert auf ihre Eltern abgestimmt. werden durch die Verkleidung der ganze Weite des Hauptraums und bereich, als gedeckte Terrasse Giebel und des Obergeschoßes seiner gläsernen Front zum Gar- fortsetzt und an drei Seiten ver- mit einer dunklen Holzbretter- ten zu erfassen. glast ist — man hat nicht nur ein schalung zusammengefasst. Links, mit der Küche im Rü- gerahmtes Naturbild vor Augen, Autorin: Claudia Rinne | Fotos: Karin Nussbaumer Unter dem kürzeren Flügel des cken, steht ein Esstisch frei im sondern steht fast schon drinnen Schmetterlingsdaches liegen die Raum, rechts liegt der Wohn- im Garten. Privaträume. Unter dem länge- bereich, zwischen Atrium und ren, von der Straße aus gesehen Garten. Er verwandelt sich in ei- FORTSETZUNG auf Seite 6
6 Leben & Wohnen Samstag/Sonntag, 21./22. August 2021 Vorarlberger Nachrichten Samstag/Sonntag, 21./22. August 2021 Vorarlberger Nachrichten 7 Links vor der Treppe geht es in die FORTSETZUNG der Geschichte Belebte Moderne von Seite 5 2 Küche, rechts sind Glasschiebe- elemente so versetzt worden, dass der gedeckte Teil des Atriums samt dazugehöriger Feuerstelle zum Innenraum mit Kamin wurde. „Durch den Rück- bau konnten wir den Die Küche hat eine direkte Nach langen Überlegungen 3 4 wegweisenden Geist Verbindung zum Atrium und auch zum großen Hauptraum: Die Fortset- siegte die Erinnerung an glückliche Kinderspiele im geschützten der Moderne wieder zung der Anrichte in dessen Essbereich Raum über den Wunsch, das Haus freilegen und in sei- hinein betont den fließenden Übergang. möglichst originalgetreu wieder herzustellen. Vorläufig? ner ganzen Klarheit Die Garage wurde teils Garderobe, aufblühen lassen.“ 5 teils Küchenerweiterung. Wo früher Ursprünglich der erste morgend- die Tür von der Garage in den Vorraum 6 liche Blick vom Bett der Einlieger- Philipp Gmeiner Gmeiner Miatto Architekten 2 ging, blieb eine Öffnung, für den Durchblick am Frühstückstisch. Davor wohnung aus: Durch drei Schichten Glas oder durch Atrium und Wohnraum steht jetzt ein gemütlicher Esstisch. hindurch in den Garten. Der Blick vom Essbereich in 1 Richtung Privaträume wird von Glasschiebetüren zum Garten und zum Atrium flankiert. Der elegante 1 Wohnbereich kann in einen überdach- ten Freiraum verwandelt werden. Die jetzigen Bewohner(innen) die Mutter von Grete Tugendhat Eine Baukulturgeschichte von leben schon in zweiter Generation eine direkte Verbindung zwischen Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und in dem Haus. Ihre Eltern hatten es Einliegerwohnung und Privaträu- Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und nach ihren Bedürfnissen umbauen men hergestellt, die beibehalten Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche lassen. Schon damals waren die und erweitert wurde. Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Pläne für die Bodenheizung unauf- Auch die stärkste Änderung be- Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at findbar und sie konnte nicht betrie- hielten die jetzigen Bewohner(innen) ben werden. Erst beim aktuellen vorläufig bei. Die Zone vor dem Mit freundlicher Unterstützung durch Umbau, der in vielen Aspekten Marmorkamin gehörte ursprünglich 3 eine Restauration war, wurde das als überdachter Freisitz zum Atri- Rätsel gelöst. Unter dem Traver- um. Glasschiebeelemente am inne- Daten und Fakten tinboden verliefen nicht die erwar- ren Gang konnten komplett hinter teten Wasserschläuche, zu denen der Wandscheibe vor dem Eingang Objekt Wohnhaus, St. Gallen, Rotmonten, man nie die Anschlüsse gefunden zur Einliegerwohnung verschwin- errichtet 1957 hatte, sondern erhitzbare Kabel. den, ein offener Wohnbereich rings 4 Bauherr privat Als die jetzigen Bewohner(innen) um den Kamin geschaffen werden. Architektur Gmeiner & Miatto Architekten das Haus von den Eltern übernah- Dieser changierende Raum wurde www.gmeiner-miatto.com men, haben sie außer den Bade- durch Versetzen der gläsernen Tren- Statik Hämmerle – Huster, Bregenz zimmern und der Küche, die zwar nung eindeutig definiert, er liegt www.diestatiker.at noch gut funktionierten, aber innen. Außen ist nur mehr der Be- Planung 05/2018–03/2019 Ausführung 03/2019–12/2019 im farbenfrohen Stil der späten reich unter freiem Himmel. Grundstücksgröße 1156 m² 1970er-Jahre leuchteten, wenig ge- Im ersten Stock blieb alles, wie es Nutzfläche 344 m² (zzgl. Keller 136 m²) ändert. Gemeinsam mit den Archi- (fast) immer gewesen ist. Nur die Bauweise: Keller betoniert, Erdgeschoß: zweischa- tekten Philipp Gmeiner und Ben- Nutzung hat sich verändert. Als die liges Mauerwerk mit Kerndämmung: jamin Miatto setzten sie sich mit Familie Tugendhat 1957 einzog, Obergeschoß: Holzbauweise; Decken: den ursprünglichen Plänen ausei- lebten im Obergeschoß ihre fast Beton, Dach: Holzkonstruktion mit nander und begaben sich auf Spu- schon erwachsenen Kinder und vertikalem Holzschirm außen; im Erd- rensuche. Ein vermauertes Fenster eine Hausangestellte. Jetzt sind geschoß Außenwände verputzt, innen zum Atrium, von der früheren Ein- dort Arbeits- und Gästezimmer, Kalkputz; Böden: teilweise original Tra- vertin; Heizung wie Bestand: (noch) liegerwohnung aus, wurde wieder- während das Kinderzimmer im Öl über Radiatoren; Kaminofen mit hergestellt, ein weiteres, das von ehemaligen Zimmer der Dame im originaler Steinverkleidung einem der Schlafzimmer ausging, Erdgeschoß liegt. Das Haus wirkt Besonderheiten Bauherr 1957: Fritz Tugendhat nicht. Ursprünglich konnte man in seiner aktuellen Fassung, in der Ausführung: Verputz- und Malarbeiten: Friibau, nur durch den großen Hauptraum, Art wie es heute belebt und bewohnt St. Gallen; Elektrik: Prader, Rorschach; im Sommer mit Abkürzung durch wird, vollkommen schlüssig. Anders Sanitär: Dorfinstallateur, Wolfurt; das Atrium, in die privaten Räume als die Villa Tugendhat in Brno ist Tischler: Jodo, Lingenau; Stein: Bauer, Höchst gelangen. Rechts vom Eingang lag die Villa Tugendhat in St. Gallen im- die vollkommen separierte Einlie- mer ein Wohnhaus geblieben. Und 5 6 gerwohnung. Erst spät wurde für was für eines!
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